Zu Adornos ästhetischer Theorie

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1 Zu Adornos Ästhetischer Theorie Von Ruth Sonderegger »ich drücke das jetzt krass und meiner Gewohnheit entsprechend überspitzt aus« Adorno, Ästhetikvorlesung, 13. 11. 1958 Vorab Obwohl Adorno ein aus dem Nachlass herausgegebenes Buch mit dem Titel Ästhetische Theorie geschrieben hat, kann man nicht in dem Sinn von Adornos ästhetischer Theorie sprechen wie etwa von Hegels Ästhetik die Rede ist. Grund dafür ist weniger die Tatsache, dass Adorno seine Ästhetische Theorie nicht fertig stellen konnte (er hatte im Juli 1969 immerhin noch die dritte Umarbeitung des Materials durchführen können: GS 7: 540). Viel schwerer wiegt der Umstand, dass Adornos Theorie des Ästhetischen in erster Instanz eine Untersuchung über die Möglichkeit solcher Theorie ist. Das meint er nicht im transzendentalphilosophischen Sinn, wonach erst einmal die notwendigen kategorialen Fundamente eines Gegenstandsbereichs rekonstruiert werden müssen, bevor die Theorie loslegen kann. Adorno fragt in einem eminent historischen und letztlich gesellschaftlichen Sinn, ob es so etwas wie ästhetische Theorie noch gibt und ob es sie – moralisch und politisch gesehen – überhaupt geben darf. Nicht zuletzt fragt er damit auch nach dem Vorhandensein und dem Existenzrecht von Kunst. Zusammen mit den Kunstwerken bleiben Möglichkeit und Sinn ihrer Theorie über das ganze Buch hinweg, welches den Hauptgegenstand dieses Textes darstellt, prekär. Prägnant und unmissverständlich lautet deshalb schon der erste Satz der Ästhetischen Theorie: »Zur Selbstverständlichkeit wurde, dass nichts, was die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich ist, weder in ihr noch in ihrem Verhältnis zum Ganzen, noch nicht einmal ihr Existenzrecht.« (GS 7: 9) Adorno zufolge war und ist ästhetische Theorie selbst dann ein prekäres Unterfangen, wenn sie sich um die Existenz ihrer Objekte keine Sorgen machen müsste. Denn ästhetische Objekte sind so ephemer und Kunstwerke derart singulär, dass theoretische Verallgemeinerungen und Vergleiche zwischen ihnen Gefahr laufen, schlicht und einfach zu verpassen, was sie begreifen wollen. Die Tatsche, dass Adorno bis fast zum Ende seines Lebens keine Ästhetik geschrieben hat, dafür aber unzählige kunstkritische Texte sowie Abhandlungen zu einzelnen Künstlern und Künsten kann man auch als Ausdruck

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Zu Adornos Ästhetischer Theorie

Von Ruth Sonderegger

»ich drücke das jetzt krass und meiner Gewohnheit entsprechend überspitzt aus«

Adorno, Ästhetikvorlesung, 13. 11. 1958

Vorab

Obwohl Adorno ein aus dem Nachlass herausgegebenes Buch mit dem Titel Ästhetische

Theorie geschrieben hat, kann man nicht in dem Sinn von Adornos ästhetischer Theorie

sprechen wie etwa von Hegels Ästhetik die Rede ist. Grund dafür ist weniger die

Tatsache, dass Adorno seine Ästhetische Theorie nicht fertig stellen konnte (er hatte im Juli

1969 immerhin noch die dritte Umarbeitung des Materials durchführen können: GS 7:

540). Viel schwerer wiegt der Umstand, dass Adornos Theorie des Ästhetischen in erster

Instanz eine Untersuchung über die Möglichkeit solcher Theorie ist. Das meint er nicht

im transzendentalphilosophischen Sinn, wonach erst einmal die notwendigen kategorialen

Fundamente eines Gegenstandsbereichs rekonstruiert werden müssen, bevor die Theorie

loslegen kann. Adorno fragt in einem eminent historischen und letztlich gesellschaftlichen

Sinn, ob es so etwas wie ästhetische Theorie noch gibt und ob es sie – moralisch und

politisch gesehen – überhaupt geben darf. Nicht zuletzt fragt er damit auch nach dem

Vorhandensein und dem Existenzrecht von Kunst. Zusammen mit den Kunstwerken

bleiben Möglichkeit und Sinn ihrer Theorie über das ganze Buch hinweg, welches den

Hauptgegenstand dieses Textes darstellt, prekär. Prägnant und unmissverständlich lautet

deshalb schon der erste Satz der Ästhetischen Theorie: »Zur Selbstverständlichkeit wurde,

dass nichts, was die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich ist, weder in ihr noch in ihrem

Verhältnis zum Ganzen, noch nicht einmal ihr Existenzrecht.« (GS 7: 9)

Adorno zufolge war und ist ästhetische Theorie selbst dann ein prekäres Unterfangen,

wenn sie sich um die Existenz ihrer Objekte keine Sorgen machen müsste. Denn

ästhetische Objekte sind so ephemer und Kunstwerke derart singulär, dass theoretische

Verallgemeinerungen und Vergleiche zwischen ihnen Gefahr laufen, schlicht und einfach

zu verpassen, was sie begreifen wollen. Die Tatsche, dass Adorno bis fast zum Ende

seines Lebens keine Ästhetik geschrieben hat, dafür aber unzählige kunstkritische Texte

sowie Abhandlungen zu einzelnen Künstlern und Künsten kann man auch als Ausdruck

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der Auffassung verstehen, dass ästhetische Phänomene nach anderen Formen der

theoretischen Reflexion verlangen als nach großen theoretischen Gebäuden. Gleichwohl

hat Adorno seit den 1950-er Jahren wiederholt Vorlesungen zur Ästhetik gehalten und in

seinen letzten Jahren intensiv an der Ästhetischen Theorie gearbeitet. Vor diesem

Hintergrund ist es so wichtig wie schwierig, die Ästhetische Theorie mit den Formaten der

kunstkritischen und kunsttheoretischen Essays und nicht zuletzt mit den

kunstsoziologischen Abhandlungen Adornos ins Verhältnis zu setzen.

In der Ästhetischen Theorie geht es um die reflexive (im Unterschied zu einer induktiven)

Entwicklung eines normativen Begriffs des Kunstwerks im Ausgang von spezifischen

Objekten: Kunstwerken der Gegenwart. Gelingt diese Reflexion, dann sind auch

Antworten auf Herausforderungen der Gesellschaftskritik gefunden, ja es ist sogar etwas

über die Möglichkeit von Glück gesagt. Fast alle Wörter dieser knappen Umschreibung

von Adornos Projekt sind klärungsbedürftig. Womit man bei der Klärung anfängt, ist

nach Adorno einerlei. Stärker noch: Die Abwesenheit eines Grundbegriffs oder

ursprünglichen Phänomens, von dem alles andere abhinge, ist eine leitende Hypothese

der Ästhetischen Theorie.

Krass falsch wäre demnach die Suggestion einer Reihenfolge oder gar Hierarchie der

Probleme, welche Adorno in der Ästhetischen Theorie durchdenkt. Mit Grund hat er die

ursprünglich geplante Einteilung in Kapitel oder Paragraphen schließlich zugunsten eines

nur durch Spatien gegliederten, durchlaufenden Texts aufgegeben. (GS 7: 540) Dieses

anti-hierarchische Denken setzt sich fort in der Konstruktion des parataktischen, d. h.

neben- statt unterordnenden Verhältnisses zwischen den Sätzen – sie lesen sich oftmals

beinahe wie Listen von Thesen –, ja bis in die Sätze hinein. Die Haupt- und Nebensachen

üblicher deutscher Sätze werden bei Adorno häufig umgedreht. Es wurde nicht zur

Selbstverständlichkeit, »dass nichts, was die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich ist ...«

sondern: »Zur Selbstverständlichkeit wurde, dass ...«. So bemerkt der Herausgeber und

Übersetzer der neuen englischen Ausgabe, dass die Ästhetische Theorie einem

amerikanischen Kontext feindlich gesinnt sei, weil sie sich nicht an die Leser richte,

sondern an die Sache an sich (Hullot-Kentor: 2004, IX). Man kann sich mit Grund

fragen, ob dasselbe nicht genauso für den deutschen Kontext gilt.

Adornos Konstruktion ernst nehmend soll im Folgenden nicht der gesamte Verlauf der

Ästhetischen Theorie rekonstruiert werden. Wir springen mitten hinein. Ich werde mich

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dabei auch auf Adornos Ästhetik Vorlesungen von 1958/59 (NL 4/3) sowie von 1961/62

(im Adorno-Archiv der Akademie der Künste in Berlin einsehbar) stützen, die wichtige

Vorarbeiten enthalten. Darüber hinaus erreicht Adornos Denken in den Vorlesungen

zeitweise einen Grad an Lebendigkeit, ja eine Leichtigkeit, der einen an der

Notwendigkeit mancher hermetischen, aber auch düsteren Zügen der Ästhetischen Theorie

zweifeln lässt. Es ist, als hätte Adorno im Austausch mit Studierenden, auf deren

Nachfragen er ganze Vorlesungen lang eingeht, sowohl der Kunst als auch der

Kunsttheorie mehr zugetraut als im einsamen Schreiben.

I. Steinbruchstücke ästhetischer Theorie

Obwohl Kunstwerke im Zentrum seines Interesses stehen, hat Adorno Vorlesungen zur

»Ästhetik« gehalten und seinem letzten großen Buch den Titel Ästhetische Theorie gegeben.

Er hat seine kunsttheoretischen Überlegungen also nicht, wie man erwarten könnte, mit

»Kunsttheorie« oder »Philosophie der Kunst« überschrieben, sondern den viel weiteren

Begriff der Ästhetik bevorzugt. Dieser ist bekanntlich seit der Antike für Theorien des

Schönen und der Wahrnehmung benutzt worden, seit A. G. Baumgarten zudem für

Theorien der sinnlichen Erkenntnis. Adornos Festhalten am Ästhetik-Begriff hat

einerseits wohl damit zu tun, dass er das Naturschöne, welches gewöhnlich dem

Kunstschönen entgegen gesetzt wird, als integralen Bestandteil der Kunst begreift. Hinzu

kommt andererseits, dass Adorno Züge des Schönen, wie sie insbesondere von Plato im

Symposium und im Phaidros beschrieben worden sind, gerade auch für eine gegenwärtige

Kunst geltend macht, die er als notwendig dissonant und »von der Grundfarbe schwarz«

(GS 7: 65) charakterisiert.

Naturschönes

Noch bevor das Kunstschöne an der Reihe ist, widmet die Ästhetische Theorie einen

längeren Abschnitt dem Naturschönen. (GS 7: 97-121) Adorno zufolge ist es skandalös,

dass das Kunstschöne seit Hegel als das glatte Gegenteil des Naturschönen gilt, sofern

ihm im Zusammenhang mit Kunst überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Für

Adorno ist Kunst ohne das Naturschöne gar nicht zu begreifen. Dabei geht es ihm weder

um (antike) Nachahmungstheorien noch um eine Wiederbelebung von Kants Theorie der

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subjektiven Erfahrung des Naturschönen. Während die Nachahmung des jeweils als

natürlich Geltenden sich alles vom jeweiligen status quo vorgeben lässt und diesen

reproduziert, ist Kants Theorie des Schönen letztlich nur an den Erfahrungen und

Vermögen des Subjekts interessiert. Beides ist für Adorno gleichermaßen inakzeptabel.

Seine These lautet, dass Kunst nicht die Natur, sondern das Naturschöne nachahmt oder

vielmehr nachahmen soll. Der Ästhetischen Theorie geht es nämlich nicht nur um eine

empirische Bestandsaufnahme gegenwärtiger künstlerischer Praktiken. Mindestens ebenso

wichtig ist die Entwicklung normativer Kriterien gelungener Kunstwerke im Ausgang von

Beobachtungen an einzelnen Objekten und Analysen von Begriffen der

kunsttheoretischen Tradition. Oder anders gesagt: konkrete ästhetische Erfahrungen,

Begriffs- und Kunstkritik sind die Grundlagen von Adornos Überlegungen zu einem

normativen Kunstbegriff. Mit dieser Normativität geht es ihm um Kriterien des

ästhetischen Urteils – letztlich um eine grundlegende Möglichkeit von Kritik. Die

Beschäftigung mit Kriterien des ästhetischen Urteils ist Adorno zufolge allerdings keine

Spezialaufgabe für Kunstphilosophen. Sich mit einem (modernen) Kunstwerk zu befassen

bringt die Erfahrenden fast zwangsläufig dahin, Beurteilungskriterien aus dem jeweiligen

Kunstwerk heraus zu entwickeln. Adorno geht nämlich davon aus, dass Kunstwerke nach

dem Zerfall von Regelästhetiken ihre eigene Logik und damit auch Beurteilbarkeit jeweils

erst herstellen müssen, indem sie die im Singular »Kunst« aufgespeicherten Kriterien

weiterentwickeln. Dieses durch und durch frühromantische, vor allem an Schlegel

orientierte Verständnis von Kunstkritik übernimmt Adorno von Benjamin (Benjamin

1980).

Im Horizont dieses normativen Kunstverständnisses sind auch Adornos Ausführungen

zum Naturschönen zu begreifen. Adorno zufolge wandelt sich das Naturschöne im Lauf

der Geschichte. Der Übergang zwischen Natur- und Kulturlandschaften beispielsweise ist

ständig im Fluss begriffen. Deshalb kann das Naturschöne nicht losgelöst von der

menschlichen Wahrnehmung sowie ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen begriffen

werden. Gleichwohl ist das Entscheidende am Naturschönen – aus der Perspektive der

Kunst, aber letztlich weit über diese hinaus –, dass hier »ein nicht von Menschen

Gemachtes spricht«, was Adorno auch als den »Ausdruck« des Naturschönen bezeichnet.

(GS 7: 111) Obwohl das Naturschöne als zwingend, ja umwerfend und überwältigend

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erfahren werde, bleibe es in seiner »Nichtgemachheit« unverständlich und fremd – auf

Distanz.

So steht Naturschönes für das ein, was Adorno seit der Dialektik der Aufklärung »Vorrang

des Objekts« nennt – oder vielmehr fordert. Er klagt damit ein Verhalten zu

menschlichen, aber gerade auch nicht-menschlichen Phänomenen ein, welches das

Gegenüber im Wahrnehmen, Handeln und Denken nicht unter vorgefertigte

Erwartungen und Kategorien einordnet, sondern in seinem Eigenrecht, ja seiner

Unverständlichkeit und der damit verbundenen Übermacht zur Geltung kommen lässt.

Auf diese Weise könnte ein Ausweg aus jener Logik der zwanghaften Kontrolle gefunden

werden, die Fremdes entweder unter schon Bekanntes subsumiert oder es real bzw. durch

Verdrängung vernichtet. Dieses identifizierende Verhalten ist Adorno zufolge bekanntlich

dafür verantwortlich, dass die gewaltsame abendländische (Eroberungs-)Geschichte von

Anfang an mit großer Konsequenz auf die massenhafte Vernichtung von Menschen und

Natur zusteuerte, welche das 20. Jahrhundert zur selbstverschuldeten Katastrophe werden

ließ. Dagegen erhebt das Naturschöne Einspruch, denn es »ist die Spur des

Nichtidentischen an den Dingen im Bann universaler Identität«. (GS 7: 114) Diese Spur

und vor allem ihr »Doppelcharakter« (GS 7: 111), demgemäß das Naturschöne etwas für

Menschen Zwingendes hat, obwohl es sich menschlicher Verständlichkeit entzieht, ist es,

welchen das Kunstwerk Adorno zufolge nachahmt. Deswegen ist »Kunst, anstatt

Nachahmung der Natur, Nachahmung des Naturschönen« (GS 7: 111).

Wie eine solche Nachahmung von Naturschönem in der Kunst aussehen könnte,

verdeutlicht Adorno an den Dramen Shakespeares: Sie bilden nicht Wolken ab, sondern

inszenieren das dramatische, so logische wie unverständliche Spiel der Wolken auf der

Ebene von Handlungskonstellationen. (GS 7: 111) Vor diesem Hintergrund ist nichts

falscher als die Schlussfolgerung Hegels, die Unbestimmtheit des Naturschönen sei der

Beweis seiner Unterlegenheit gegenüber der Kunst. In den Augen Adornos ist dieses

Unbestimmte gerade der Kern von Kunst – wenngleich in einer signifikanten

Verwandlung: Während das Naturschöne nur im Modus vollkommener Flüchtigkeit

existiert und sich jedem Versuch, es zu präparieren, willentlich herbei zu zitieren oder gar

zu wiederholen – kurz: es mit menschlichen Mitteln zu machen – entzieht, besteht die

Pointe des Kunstschönen darin, das Sich-Entziehende auf Dauer zu stellen. Darin ist das

Kunstschöne noch paradoxer und wunderlicher als das Naturschöne.

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Mimesis und Konstruktion des Kunstwerks

Adornos Kategorien für dieses Sich-Entziehende auf der Ebene der Kunst sind

»Mimesis« und »Ausdruck«. Ihren Gegenpol, den Aspekt des intentional Gemachten der

Kunstwerke, bezeichnet er als »Geist« oder »Konstruktion«. Für all diese – nicht zuletzt

von der traditionellen Ästhetik geprägten und vorbelasteten – Begriffe gilt, dass Adorno

ihnen im Kontext seiner Kunsttheorie neue Bedeutungen zuwachsen lässt. Sein Verfahren

der Begriffsverschiebung ist keine einfache (Neu-)Definition, denn Definitionen sind ihm

»rationale Tabus« (GS 7: 24). Adornos Zentralbegriffe kommen dadurch in Bewegung –

und bleiben es durch die ganze Abhandlung hindurch –, dass Adorno das unabgegoltene

normative Potential von Begriffen der Ästhetik-Tradition im Licht einiger

paradigmatischer Kunstwerke immer wieder neu von ihrem Ideologischen zu trennen

versucht. Das ist einer der Gründe für die rhizomartige Struktur des Textes und auch für

alle Probleme, die man sich aufhalst, wenn man beginnt, Adornos Ästhetische Theorie

zusammen zu fassen.

Ganz nebenbei schreiben Adornos Begriffsanalysen auch eine Geschichte der

Veränderung ästhetischer Kategorien. Dabei erweist sich gerade die Geschichte der Kunst

und des Kunstdiskurses als viel mehr denn jene Ansammlung von Leid und Barbarei, die

Adorno oft zum Vorwurf gemacht wurde. In Bezug auf die Geschichte der Kunst ist

sogar häufig von einem Fortschritt die Rede, den man leicht übersieht, wenn man Adorno

einmal in den Topf der Verblendungszusammenhangsliebhaber geworfen hat: »Alle

Musik war einmal Dienst, um den Oberen die Langeweile zu kürzen, aber die Letzten

Quartette sind keine Tafelmusik« (GS 5: 47).

Am Begriff der Mimesis hebt Adorno weniger das (aristotelische) Moment des

Nachmachens hervor als vielmehr den Aspekt des Sich-gleich-Machens und passiven

Sich-Überlassens. Es geht ihm um die rückhaltlose Hingabe an ein Gegenüber, ohne zu

wissen, wohin das führt. So wird Mimesis zum Gegenteil des Nachmachens, welches

einen status quo bestätigt oder eine Ähnlichkeit nur zum Zweck der listigen Täuschung

eingeht. Diese repressiven Züge der Mimesis haben Adorno und Horkheimer in der

Dialektik der Aufklärung mit Bezug auf die Entstehung der abendländischen Rationalität

und ihre antisemitischen und rassistischen Effekte analysiert. Im Gegensatz dazu steht

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»Mimesis« im Kontext von Adornos Kunsttheorie für eine Öffnung auf das hin, was jede

Aneignung, ja jede Kalkulation übersteigt.

In der fortgeschrittenen Moderne – exemplarisch bei Kafka und Beckett – ist rückhaltlose

Mimesis vor allem eine ans Verdinglichte und an das Tote geworden. Die künstlerisch-

mimetische Erforschung dieser Adorno zufolge allgegenwärtig gewordenen Phänomene

ist oft als Übertreibung oder Parodie von Entfremdung gesehen worden. Das zeigt aber

nur, welche verfremdende Sprengkraft eine radikale Hingabe an Realität haben kann. Man

mag darüber streiten, ob das Verdinglichte und das Tote die einzig relevanten

Gegenstände künstlerisch-mimetischer Strategien in der Gegenwart sind; Adorno ist es

vor allem darum zu tun, mimetische Angleichung vom Abbilden ebenso zu unterscheiden

wie vom Protest gegen das Verdinglichte: »Moderne ist Kunst durch Mimesis ans

Verhärtete und Entfremdete; dadurch, nicht durch Verleugnung des Stummen wird sie

beredt ... Weder eifert Baudelaire gegen Verdinglichung noch bildet er sie ab; er

protestiert gegen sie in der Erfahrung ihrer Archetypen.« (GS 7: 39)

Mimesis taucht in der Ästhetischen Theorie aber auch noch in einem ganz anderen Kontext

auf: dort nämlich, wo es um die Ähnlichkeit des Kunstwerks mit sich selbst und damit um

seine Abgeschottetheit gegenüber dem Außen – letzten Endes also um die Autonomie

der Kunst – geht. Adornos Reflexionsweg von der Mimesis zur Autonomie ist dabei

folgender: Die Mimesis der Kunst verweist auf Praktiken, die dem vergleichbar und

funktional Machen – all dem, was Adorno Tausch oder »Füranderssein« (GS 7: 159) im

Gegensatz zu einem Sein um seiner selbst willen nennt – diametral entgegen gesetzt sind.

Deswegen sorgen gerade die mimetischen Züge von Kunstwerken dafür, dass sich solche

Gebilde aus der Welt umso mehr zurückziehen, je stärker sie sich der Vergleichbarkeit,

Verstehbarkeit und Funktionalisierung widersetzten; d. h. je rückhaltloser sie sich dem

verschreiben, was sie nur um seiner selbst willen praktizieren und sind. Deshalb kann

Adorno sagen: »Die Mimesis der Kunstwerke ist Ähnlichkeit mit sich selbst.« (GS 7: 159)

Adornos verzweigte Überlegungen zum Mimesisbegriff verdeutlichen nicht nur

beispielhaft, wie grandios er in der Lage ist, der traditionellen ästhetischen Theorie

Begriffe zu entwenden und sie von randständigen, noch kaum realisierten

Bedeutungssplittern her wieder neu zusammen zu setzten. Sie zeigen auch, wie unmöglich

es ist, Bedeutungskerne eines Konzepts herauszulösen oder gar zu isolieren, wenn man

Adornos Begriffsarbeit folgt. Vor allem deshalb, weil seine Reflexion bei der

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Rekonstruktion emphatischer, bislang kaum beachteter Gehalte nicht stehen bleibt,

sondern sich auch gleich den Problemen der soeben rekonstruierten Potentiale zuwendet:

Soweit die Mimesis Sichselbstgleichheit als Autonomie des Kunstwerks erzeugt,

produziert sie auch Schein. Sie behauptet eine Losgelöstheit der Kunst vom Rest der

Welt, die ganz und gar verlogen ist: »Die mimetische Verhaltensweise selbst, durch welche

die hermetischen Werke gegen das bürgerliche Füranderessein angehen, macht sich

mitschuldig durch den Schein des reinen An sich ...« (GS 7: 159).

Nicht besser ist es um das Ideal der mimetischen Hingabe ans Andere, sei es das

Lebendige oder das Tote, bestellt. Es läuft immer Gefahr regressiv zu werden und ist

deshalb genauso auf eine kritische Gegenkraft angewiesen wie die scheinhafte Autonomie

des Kunstwerks. Wenn Adorno von solchen kritischen Gegenbewegungen spricht und sie

als Theoretiker auch selbst vollzieht, dann geht es nie um einen Punkt, an dem die gute

Autonomie oder die richtige Mimesis ein für allemal erreicht und gegen mögliche Feinde

und Ideologien abgesichert wäre. Das Ziel lautet vielmehr, im Wissen um das Prekäre

alles temporär erreichten Richtigen alert genug zu sein für die Momente, wo es wieder

falsch wird. Deshalb sagt Adorno schon am Beginn der Ästhetischen Theorie, Kunst und

Kunsttheorie seien bestenfalls prekäre Phänomene. Wie für alle anderen Begriffe, die

Adorno für seine Ästhetische Theorie rekonstruiert, gilt auch für den der Mimesis, dass er

nicht als solcher gut oder richtig ist. Gut und richtig ist, die verborgenen Potentiale und

ideologischen Abgründe von Begriffen zu erforschen. Und Begriffe adäquat zu

reflektieren heißt, sie als Kraftfelder, ja als Kampfschauplätze zu entfalten und sich in den

Kampf einzumischen.

Die Gegenkraft, die im stimmigen Kunstwerk die mimetischen Züge davor bewahrt, sich

regressiv im Anderen aufzulösen – und damit das Tote oder das Verdinglichte

beispielsweise einfach nur zu affirmieren oder den Schein einer vollkommenen

Kunstautonomie zu bestärken –, diese Gegenkraft bezeichnet Adorno als »Konstruktion«.

Damit ist die Seite des aktiven, ja kontrollierenden Produzierens gemeint. Adornos

Ästhetischer Theorie zufolge ist die Konstruktion aus der Montage hervorgegangen und stellt

eine radikalisierte Form des Komponierens dar. An der Montagetechnik bemängelt er in

diesem Kontext, dass sie noch zu viele vorgefundene Elemente einfach übernimmt, ohne

sie bis in alle Einzelheiten zu zerlegen und zu analysieren. Ganz Ähnliches gilt für den

Kompositionsbegriff. Wie die Montage ist die Komposition Adorno zufolge eine

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überholte Vorform der Konstruktion: »Von Komposition in einem weitesten Verstande,

der die Bildkomposition deckt, unterscheidet Konstruktion sich durch die rückhaltlose

Unterwerfung nicht bloß alles von außen ihr Zukommenden sondern aller immanenten

Teilmomente; insofern ist sie die verlängerte subjektive Herrschaft, die, je weiter sie

getrieben wird, desto gründlicher sich verdeckt.« (GS 7: 91)

Damit ist schon angesprochen, dass auch in Hinsicht auf den Konstruktionsaspekt des

Kunstwerks die Probleme nicht auf sich warten lassen. Sofern das Kunstwerk

Konstruktion ist, täuscht es über Herrschaft ebenso hinweg wie die Konstruktion letztlich

– eben weil sie so konsequent und logisch verfährt – etwas Glättendes, ja Harmonisches

hat. (GS 7: 90 f.) Während die mimetischen Kräfte des Kunstwerks eine regressiv

anpasslerische Tendenz haben, neigen die konstruktiven dazu, sich umwillen der

Konstruktionsprinzipien über alles hinweg zu setzten. Interessanterweise sind die

Konsequenzen beide Male dieselben: Es entsteht eine harmonischen Einheit oder

zumindest der falsche Schein davon.

Notwendig geworden sind diese radikalen – im Sinn von: selbstzerstörerischen –

Bewegungen der Mimesis und der Konstruktion in dem Moment, wo es keine

verbindlichen Formen, Genres, Stilvorgaben, kurz gesagt: Regeln mehr gab. Nun müssen

Kunstwerke auf immer singulärere Weise die eigenen Regeln aus dem Material heraus

entwickeln und dazu dieses Material seinerseits unbarmherzig Gesetzen unterwerfen, die

ihm äußerlich, ja gänzlich fremd sind: »Nachdem [...] verpflichtende Normen der

künstlerischen Gestaltung ... für die moderne Kunst nicht mehr existieren [...], kann all

das eben nur dadurch geleistet werden, dass die verschiedenen einzelnen Momente eines

Kunstwerks in einen Strukturzusammenhang treten, der in sich selbst, in jedem einzelnen

Kunstwerk, ein ganz und gar durchgebildeter, ein ganz und gar konsequenter im Sinn

einer bestimmten nun wirklich nur der Kunst eigentümlichen Logik ist [...]; und der

Inbegriff eben dieser inneren Organisation des Kunstwerks, das wäre der Begriff seiner

Konstruktion.« (NL 4/3: 211 f.)

Verzeitlichung des Kunstwerks und seines Gelingens

Indem Adorno Kunstwerke von den Praxisformen Mimesis und Konstruktion her

erläutert, die gegeneinander prozessieren und sich darin auch korrigieren, versteht er das

Kunstwerk als einen stillgestellten Prozess. Es wohnt ihm eine zeitliche Dynamik inne,

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und zwar nicht nur, wenn das Kunstwerk eine Performance, ein Film oder ein Stück

Musik ist, sondern auch im Fall von Bildern oder minimalistischen Skulpturen. Adorno

betont in diesem Zusammenhang immer wieder, dass diese Prozessualität nicht mit der

Zeit der ästhetischen Erfahrung identisch ist; und er hebt noch viel energischer hervor,

dass es nicht das Subjekt der ästhetische Erfahrung ist, welches diese Dynamik

produziert. So sehr Kunstwerke auch Adorno zufolge auf einen Nachvollzug durch

Rezipienten angewiesen sind, so wenig würde die subjektive Erfahrung die

antagonistische Prozess-Struktur mimetischer und konstruktiver Momente aufweisen,

wenn diese Dynamik nicht objektiv im Werk aufgespeichert, zum »Bild« stillgestellt wäre.

Adornos Prozessualisierung der Kunst impliziert, dass an die Stelle der üblichen

Aufteilungen in Inhalt und Form oder Techniken des Darstellens im Unterschied zum

Dargestellten ein weitaus komplexeres Modell tritt: Zwei einander entgegengesetzte

Praktiken – Mimesis und Konstruktion – verhalten sich wechselseitig kritisch

korrigierend, ja sogar einander ausschließend zu dem, was Adorno »Material« nennt. Zu

diesem Material gehören Figurenkonstellationen, die üblicherweise auf die Seite des

Inhalts geschlagen wurden, ebenso wie Reste von Stilelementen, Formprinzipien,

technische Errungenschaften, Gegenstände der Alltagskultur oder der Wissenschaft,

Theoreme und Theorien, Handlungsszenarien, Orte etc. Mimesis und Konstruktion

müssen sich an solchem vorgefundenen Material entzünden und mimetisch aus ihm

heraus bzw. konstruktiv in es eingreifend praktiziert werden. In beiden Fällen geht es

darum, Aspekte am jeweiligen historisch indexierten Material zu (er-)finden, die sowohl

im künstlerischen als auch im nichtkünstlerischen Umgang mit ihm bislang verdeckt

waren. Nur so entsteht jenes Neue, welches Adorno zufolge ein essentielles Moment der

Kunst der Moderne darstellt, und zwar ein Moment des Glücks: das Glückvolle des noch

nicht Domestizierten (NL 4/3: 66; GS 7: 31-56; in seinen Ästhetik Vorlesungen von 1961

hat Adorno dem Neuen ein halbes Semester gewidmet.) Eine nur selten explizit gemachte

Unterstellung Adornos ist dabei, dass die aus der Realität entführten Materialien der

jeweiligen Gegenwart entstammen oder für diese (wieder bzw. noch immer) relevant sein

müssen. Diese Unterstellung erklärt auch Adornos Forderung, dass Kunsttheorie von

Gegenwartskunst ausgehen müsse, sowie seine These, wonach Kunstwerke vor allem zur

Zeit ihrer Entstehung kritisch sind (GS7: 339).

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Adorno zufolge führt das Ineinander von mimetischen und konstruktiven Impulsen im

Fall gelungener Kunstwerke zu einer (nur) der Kunst eigenen, in diesem Sinn also

autonomen »Logizität«. Sie unterscheidet sich von der außerkünstlerischen Logik

dadurch, dass sie a-teleologisch vorgeht und dementsprechend nicht in Urteilen

kulminiert, wenngleich Urteile, Thesen oder Weltanschauungen als Material sehr wohl

eine Rolle spielen. Dass Kunstwerke an solchem durchaus verständlichem Material durch

Mimesis neue, fremde Schichten zutage fördern, dürfte der Grund dafür sein, dass der

Kunst welterschließendes Potential auch dann zugesprochen wird, wenn man keine

Urteile oder Aussagen aus ihr herauspressen kann. Unverständlich bleibt insbesondere der

Zusammenhang der materialen, wie auch immer Neues erschließenden Elemente, und

zwar aufgrund der Konstruktionslogik von Kunstwerken. Sie besteht darin, dass

Materialien nach Gesetzen etwa der Gestalt, des Klangs, der Laute, Buchstaben, etc. so

aufeinander bezogen werden, dass äußer-ästhetische Verknüpfungen – zumal die logisch-

argumentativen – außer Kraft gesetzt werden. Adorno spricht angesichts dieser

unlogischen künstlerischen Logizität auch von der Sprachähnlichkeit der Kunst. Man

meint, ihre Logik verstehen zu können als wäre sie eine sprachliche, und kann doch nicht

sagen, was das Kunstwerk sagt. (Wellmer 2009)

Gerade in der verknappten Form einer Zusammenfassung lesen sich Adornos

Ausführungen zum agonalen Verhältnis zwischen Mimesis und Konstruktion wie eine

Rezeptur für das Gelingen von Kunst; wie ein Maßstab, der die guten von den schlechten

Kunstwerken trennt. Adorno schiebt solchem Rezept-Denken jedoch nicht nur durch

seine explizite Kritik an Regelästhetiken zugunsten einer Theorie, wonach jedes Werk

seinen eigenen Maßstab etabliert, einen Riegel vor. Er stellt solche Referenzen auf

Regelästhetiken auch dadurch in Frage, dass er die Gefahren der mimetischen und

konstruktiven Verfahrensweisen ins Zentrum stellt – kaum dass er sie genannt hat.

Unablässig weist er darauf hin, dass die welterschließende Kraft der Mimesis sich immer

am gefährlichen Abgrund der Verwandlung von Kunst in (nützliche) Erkenntnis aufhält.

Nicht weniger groß ist die Gefahr, dass die konstruktive Herstellung eines formal

stimmigen Zusammenhangs das Kunstwerk zum angenehmen Spielwerk verkommen zu

lassen. (GS 7: 26; NL 4/3: 78) Letzteres ist das vielleicht schlimmste Vergehen gegen eine

Hegelsche Forderung, auf die sich Adorno immer wieder affirmativ beruft: »Denn in der

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Kunst haben wir es mit keinem bloß angenehmen oder nützlichen Spielwerk, sondern [...]

mit einer Entfaltung der Wahrheit zu tun« (HW 15: 573).

Adornos Zweifel an Anleitungen zum gelungenen Kunstwerk kommen auch darin zum

Ausdruck, dass er in seinen theoretischen Reflexionen alle nur möglichen Zweifel am

Gelingen von Kunst und ihrer Theorie betont; gemäß der Maxime aus der Dialektik der

Aufklärung, wonach »nicht das Gute sondern das Schlechte [...] der Gegenstand der

Theorie« ist. (GS 3: 247) In seinen kunstkritischen Texten zu einzelnen Werken oder

Künstlern geht Adorno den umgekehrten Weg. Getreu dem Schlegelschen Diktum, dass

nur die gelungensten Werke es verdienen, kritisiert zu werden, schreibt Adorno fast nur

über solche Kunst, die er große oder emphatische nennt. Auf diese Weise macht er

deutlich, dass – wenn überhaupt – Maßstäbe der Beurteilung aus einzelnen Kunstwerken

gewonnen werden müssen. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass man mit

»Invarianten«, die aus den gelungensten Kunstwerken herausdestilliert wurden, nicht weit

kommt – selbst wenn es solche Invarianten gibt. Sie sind keine Wesensmerkmale, sondern

helfen, die geschichtlichen Bewegungen der Kunst zu registrieren: »Nun meine ich, dass

diese sogenannten Invarianten, also die abstrakte Neige, auf die die Kunstwerke zu

bringen sind, nicht ihr Wesen abgibt und dass diese Invarianten [...] mit dem, was an den

Gebilden, den Stilen, den ästhetischen Ideen geschichtlich ist, in Konfigurationen treten

und dass sie je nach der Konfiguration, in der sie sich finden, selbst auch eine ganz andere

Bedeutung und einen ganz anderen Stellenwert annehmen.« (Ästhetikvorlesung 1961/62:

11, Theodor W. Adorno Archiv, Frankfurt am Main, Vo 6365.) Denn ein essentieller Zug

und Aspekt der Stimmigkeit des Kunstwerks ist der Bezug auf konkrete Orte und Zeiten.

Oder anders gesagt: Qualität und Gelingen sind temporäre, prekäre Phänomene.

Rätsel und Wahrheit der Kunst

Sowohl den mimetischen als auch den konstruktiven Züge eignet, wie gesagt, aufgrund

ihrer Konsequenz auch eine gewisse Verständlichkeit: In Bezug auf die mimetischen

spricht Adorno von Ausdruckshaftigkeit, in Bezug auf die konstruktiven von Logizität.

Doch in ihrer gegeneinander prozessierenden Verschränkung produzieren diese

Verhaltensweise – idealiter zumindest – rätselhafte Gebilde; vor allem dann, wenn man sie

mit den Augen der außerästhetischen Logiken von Ursachen und Wirkung, Grund und

Folgerung, Prämissen und Schlüssen betrachtet; also mit den Augen von Wesen, die wir

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auch sind: konsequent, ja strategisch denkende, pragmatisch handelnde, Lösungen

suchende Tiere. Sätze, welche nicht in Folgerungsbeziehungen stehen, wirken aus dieser

Perspektive ebenso rätselhaft oder einfach lächerlich wie Opernfiguren, die im Sterben

Arien singen.

Die Rezeptionshaltung, die es bei der Rätselhaftigkeit – und damit letztlich Verrätselung –

der Kunst bewenden lässt, wird dem Kunstwerk allerdings nicht gerecht. Ebenso

inakzeptabel ist es für Adorno, das Kunstwerk als sinnloses (oder auch lukrativ

verwertbares) Chaos behandelt. In beiden Fällen akzeptiert man die autonome

Sondersphäre der Kunst auf eine ideologische Weise und entwertet damit die Kunst.

Angemessen ist dem Kunstwerk nur jene Haltung, die das Verhältnis zwischen seiner

internen Logizität und der Logik seines gesellschaftlichen Kontexts zu begreifen versucht.

Dieses Verhältnis bezeichnet Adorno als den Wahrheitsgehalt – manchmal auch einfach

Gehalt oder Wahrheit – des Kunstwerks.

Dieser Wahrheitsgehalt ist nicht mit dem sog. Inhalt zu verwechseln und schon gar nicht

mit Intentionen oder Weltanschauungen der Künstlerin. Er verweist vielmehr auf etwas

Objektives im zweifachen Sinn: auf bewusstlose Geschichtsschreibung (NL 4/3: 256),

aber auch auf Verhältnisse, die das hier und jetzt Machbare übersteigen. Genau

genommen ist »Wahrheitsgehalt« ein relationaler Begriff. Er bezieht sich auf das

Verhältnis zwischen dem Kunstwerks und der Welt, aus der es kommt und von der es nie

ganz loskommt. Anders gesagt: Der Wahrheitsgehalt betrifft das Verhältnis von Kunst

und Gesellschaft. Eine der vorsichtigsten, aber auch prägnantesten Formulierungen des

Wahrheitsgehalts findet sich in Adornos Ästhetik Vorlesungen von 1958/59: »Das, was

man nun vielleicht als den Gehalt des Kunstwerks definieren könnte [...] das würde dann

vielleicht die Art sein, in der diese Synthesis – also dieser Prozess der Momente des

Kunstwerks in ihrer Beziehung zueinander, der dann zugleich auch das Resultat des

Ganzen ist –, die Beziehung, in der diese Synthesis nun steht zu der Realität. Dieses

Verhältnis – dieser Quotient [...] – zwischen dem lebendig gefüllten Formgesetz eines

Werkes und der Realität, auf die es wie immer auch vermittelt, bezogen ist, das könnte

man vielleicht sinnvollerweise als den Gehalt des Kunstwerks bezeichnen, der damit

etwas Verschiedenes wäre nicht nur von dem Stoffgehalt, sondern etwa auch von dem

sogenannten ideellen Gehalt oder gar der sogenannten ›message‹« (NL 4/3: 330 f.).

14

Der Wahrheitsgehalt als dieser Quotient, den das Kunstwerk durch die a-teleologische

Verknüpfung seiner materialen Elementen gewissermaßen verkörpert statt ihn als

Aussage oder Liste von Thesen zu formulieren, muss Adorno zufolge von der Kritik oder

der Philosophie ausbuchstabiert und ineins damit auch beurteilt werden. Dabei versteht er

unter Philosophie weniger eine bestimmte Disziplin als den »Gedanke(n), der sich nicht

Halt kommandieren lässt« (Ästhetikvorlesung 1961/62: 33) und Phänomene welcher Art

auch immer ihrer Unmittelbarkeit entreißt. Erst aus einer solchen denkenden

Außenperspektive, welche so normative Fragen stellt wie die, was das denn soll, was man

als Kunstwerk erfahren oder vielleicht aus Mangel an passenden Begriffen auch nur so

bezeichnet hat, welchen Anforderungen es (nicht) gerecht wird etc. Mit anderen Worten:

Adorno zufolge braucht das Kunstwerk – weniger zu seiner Vollendung als vielmehr zum

bloßen Existieren – die Kritik.

Erst die Konfrontation mit normativen Fragen, die Adorno mit dem Sammelbegriff

Wahrheit umschreibt, kann das Kunstwerk aus der Harmlosigkeit seiner bloßen

Gegebenheit oder Andersheit befreien. Im Idealfall verläuft diese philosophische

Konfrontation so, dass dabei auch die Maßstäbe, mit denen man zu kritisieren beginnt,

verändert werden, und eben kein Halten ist beim Fragen und Antworten. Dabei macht

Adorno explizit darauf aufmerksam, was für verschiedene Dimensionen gemeint sind,

wenn von der Wahrheit der Kunst die Rede ist: erstens eine gegenständliche Dimension

in Bezug auf das Dargestellte, zweitens eine psychologische Wahrheit bzw. Wahrheit des

Ausdrucks, drittens der formalen Stimmigkeit und schließlich viertens der

Wahrheitsgehalt, der alles mit einer »bewusstlosen Geschichtsschreibung« zu tun haben

soll. Diesem Wahrheitsgehalt arbeiten die ersten drei Wahrheitsdimensionen zu bzw. sie

schmälern ihn, wenn einer der beteiligten Wahrheitsansprüche verlogen ist. (NL 4/3: 249-

256)

Meines Erachtens bedeutet Adornos Insistieren auf dem zentralen Stellenwert des

Wahrheitsgehalts der Kunst weder, dass er Kunstwerke zum Ort höchster Wahrheiten

verklärt, wie häufig moniert wurde (Bubner 1973; Wellmer 1985 in Anknüpfung an

Habermas und Seel). Noch verwechselt Adorno Wahrheit im Sinn der formalen,

ästhetischen Stimmigkeit mit der Wahrheit von Aussagesätzen, d. h. mit der von

Sprachphilosophen auch apophantisch genannten Wahrheit. Wellmer hat hellsichtig

schon 1983 gegen Adorno die Unterscheidung zwischen »›apophantischer‹ Wahrheit,

15

›endeetischer‹ Wahrheit (Wahrhaftigkeit) und moralisch-praktischer Wahrheit« sowie die

Differenz all dieser Wahrheitsdimensionen zur ästhetischen Wahrheit als Stimmigkeit ins

Spiel gebracht. (Wellmer 1985: 30) Spätestens seit der Veröffentlichung der Ästhetik

Vorlesungen von 1958/59 erweisen sich diese Unterscheidungen jedoch als Adornos

eigenstes Anliegen.

Entscheidend ist dabei, dass Adorno die zitierte Differenzierung zwischen verschiedenen

Dimensionen der Normativität des Kunstwerks nicht einführt, um seine Wahrheit auf die

Dimension der formalen Stimmigkeit zu reduzieren. Das obige Zitat, aber auch unzählige

Formulierungen, denen zufolge die Wahrheit des Kunstwerks »nur vermittelt durch sein

Formgesetz hindurch« (NL 4/3: 257) erreicht werden kann, machen deutlich, dass der

Wahrheitsgehalt die »Resultante der Kräfte« (NL 4/3: 226) eines als Kraftfeld

verstandenen Werks ist – also das interferentielle Resultat der verschiedenen Dynamiken

des Kunstwerks und ihrer normativen Ansprüche. Dann kommt es auf die Auswahl und

Darstellung künstlerischer und nichtkünstlerischer Materialen und den damit

verbundenen apophantischen Wahrheitsaspekt ebenso an wie auf die zwischen

Wahrhaftigkeit und Moralität angesiedelte mimetische Bearbeitung dieser Materialien; und

nicht zuletzt auf die Stimmigkeit ihrer formalen Konstruktion. Denn wenn eine dieser

Verhaltensweisen normativ problematisch ist, wird der ganze Wahrheitsgehalt in

Mitleidenschaft gezogen.

Wo Kunstwerke eine neue Konstellation des Bestehenden präsentieren, zeigen sie das

Bestehende als veränderbar. Aufgrund ihrer Abstinenz von allem Urteilen sagen sie aber

nicht, dass die neue Anordnung die bessere oder die schlechtere ist. Sie eröffnen lediglich

einen Vergleichsraum und damit den für Beurteilung und Kritik nötigen Abstand

zwischen Sein und Anderssein. Das impliziert zweierlei: Kunstwerke führen in

naturalisierte Verhältnisse Differenzen ein, und es gelingt ihnen, das Unterschiedene in

einem Verhältnis des kritischen Bezugs statt der Indifferenz zu präsentieren. Den nicht

nur kunst-kritischen Diskurs, den sie auf diese Weise ermöglichen, ja provozieren,

können Kunstwerke selbst aber nicht führen. Er ist mit nichtkünstlerischen Mitteln zu

leisten – Adorno zufolge mittels einer Philosophie, die, wie schon angemerkt, nichts

anderes meint als ungeschütztes, haltloses Denken.

16

Unter der Adornoschen Prämisse, dass gegenwärtige Gesellschaften von maximaler

Eindimensionalität und selbstverschuldeter Alternativlosigkeit geprägt sind, ist auch

schon das bloße Herstellen einer normativen Spannung zwischen Kunst und Nicht-

Kunst, also das bloße Vorhandensein eines »Quotienten« etwas Positives; unabhängig

davon, ob die von Adorno »philosophisch« genannte Interpretation zum Schluss kommt,

der im Kunstwerk präsentierte Umgang mit Fragmenten der bekannten Realität sei besser

als der üblicherweise praktizierte. Das wird ohnehin umstritten bleiben, sobald man das,

was Adorno Kritik, Kommentar und philosophische Analyse des Wahrheitsgehalts nennt,

nicht als Praxis eines einzelnen oder gar einsamen Denkers auffasst, wie Adorno

suggeriert, sondern als kritischen, mehrstimmigen und plurimedialen Diskurs.

Problematisch ist in meinen Augen weniger die oft kritisierte Rolle, die Adorno der

Philosophie im Umgang mit Kunstwerken zuschreibt, zumal Adornos

Philosophieverständnis auf ein anti-expertokratisches, ungeschütztes und unnachgiebiges

Denken zielt und mit den Institutionen gleichen Namens nicht allzu viel zu tun hat. Das

Problem besteht eher darin, dass Adorno bei Kritik, Kommentar und Philosophie viel

eher einzelne Kritiker- oder Denker-Individuen – schon Denkerinnen kann man sich in

seinem Universum schwer vorstellen – vor Augen zu haben scheint als jenes schwer

überschaubare Stimmengewirr, das kritische Diskurse üblicherweise sind. Deshalb scheint

mir nur die Hälfte des Vorwurfs, der Adorno seit der Kritik von Jauss immer wieder

gemacht wurde, plausibel: »Er [Adorno] musste darum auch der rezipierenden Seite einen

aktiven Anteil an der Sinnkonstitution versagen.« (Jauss 1982: 64; Wellmer 1985;

Rebentisch 2003: 134 ff.) Adorno hat der »philosophischen« Rezeption sehr wohl ein

Gewicht in Bezug auf den Wahrheitsgehalt der Kunst zugemessen, und zwar eines,

welches größer gar nicht sein könnte. Aber er hat diese Rezeption derart monologisch

zugerichtet, dass ihre fruchtbarsten Dynamiken gar nicht in den Blick kommen konnten.

(Zur Frage inwiefern schon die Dynamik des Kunstwerks bei Adorno monologische

Momente aufweist: Nesbitt 2004)

Bei der philosophischen Beurteilung des Wahrheitsgehalts eines Kunstwerks geht es m. E.

aber nicht nur um die Frage, ob es ihm gelingt, einen wie auch immer kleinen Spalt

zwischen Sein und Anderssein zu öffnen bzw. um die Frage, ob ein Kunstwerk diesen

Spalt zu (wenig) weit öffnet. Darauf reduziert beispielsweise Geuss den Wahrheitsgehalt.

(Geuss 2005: 170 ff.) Er meint, dass es Adornos Ästhetik um den Nachweis gehe, dass

17

dieser Spalt im Lauf der Geschichte immer kleiner werde und dass nur die gelungensten

Werke diesem Verschließungsgeschehen adäquat Rechnung trügen. Während es den

Schönbergschen Kompositionen noch möglich sei, das Andere des Bestehenden negativ

zu charakterisieren – als verschieden von allem, was wir kennen –, so halte Beckett einer

an Freiheit und Kritik glaubenden Gesellschaft ein Spiegelbild vor, in dem jede Differenz

der Kritik unmöglich geworden ist. Wäre Geuss’ Interpretation wahr, so bräuchte man

pro Epoche nur ein Kunstwerk bzw. alle Kunstwerke einer Epoche würden auf dasselbe

hinauslaufen. Die konkreten Elemente der jeweiligen Welt, welche im Kunstwerk

entwendet und verwandelt erscheinen, würden keine Rolle spielen.

Nicht nur was die Breite des Spalts betrifft, der Adorno zufolge im Übrigen auch wieder

größer werden kann, sondern insbesondere hinsichtlich der Elemente einer jeweils

geschichtlich bestimmten Wirklichkeit scheint mir Geuss’ These zu abstrakt. Adornos

problematische Rede von einem historischen »Materialstand«, aber auch von einem

»gesellschaftlichen Gesamtsubjekt«, welches – gar von einem Künstler als »Statthalter« –

im authentischen Kunstwerk vertreten sein soll (GS 11: 114-126), leistet solchen

Abstraktionstendenzen zweifelsohne Vorschub. Insbesondere in den Ästhetik

Vorlesungen jedoch betont Adorno die geschichtliche und geopolitische Situiertheit der

Kunst. Er geht sogar so weit zu behaupten, dass selbst die eigene Kultur und Gesellschaft

so vielschichtig ist, dass von einem gesellschaftlichen Gesamtsubjekt ebenso wenig mehr

die Rede sein kann, wie es möglich ist, ein bestimmtes Set von Elementen zum

Materialstand einer Epoche zu erklären: »Es ist zum Beispiel für uns wohl schon kaum

mehr auch nur möglich, chinesische Musik in einem irgend adäquaten Sinn zu hören, zu

verstehen oder zu realisieren [...]. Und schließlich müssen wir, damit wir ein Kunstwerk

verstehen können, auch bereits in einem gewissen Sinn wissen, wo es lokalisiert ist.

Benjamin hat das einmal sehr provokativ in der Form ausgesprochen, dass er gesagt hat,

er könne eigentlich nur dann ein Bild beurteilen, wenn er wisse, von wem es sei; eine

Formulierung, die natürlich der üblichen Vorstellung, dass die Qualität rein aus sich

heraus wirke, ins Gesicht schlägt, die aber genau das bezeichnet, worum es hier geht«

(NL IV.3, 245 f.).

Berücksichtigt man derartige Einwände Adornos gegen einen falsch verstandenen

Universalismus, dann muss man den Wahrheitsgehalt konkreter verstehen als etwa Geuss.

Zum Maßstab der Gelungenheit – also dazu, dass man dem Kunstwerk einen

18

Wahrheitsgehalt, der zunächst einmal nur ein Wahrheitsanspruch sein kann, tatsächlich

zuspricht – gehört dann nicht allein seine Kraft, einen Keil zwischen Sein und Anderssein

zu treiben. Es muss dem Kunstwerk auch gelingen, in Bezug auf genau jene Elemente der

Wirklichkeit, die es entstellt und verschiebt – sei es utopisch, sei es die Wirklichkeit

polemisch krass verdoppelnd – ein Verhältnis der Nicht-Indifferenz herzustellen. Und ob

das gelingt, zeigt sich wesentlich in seiner Kraft, einen kritischen Diskurs zu entzünden.

Im Zentrum der Beurteilung steht somit die Frage, ob ein Kunstwerk in der Lage ist, in

Bezug auf genau die konkreten Realitätsfragmente, die es mimetisch und konstruktiv neu

erfindet, einen Raum des kritischen Diskurses zu eröffnen; nicht ob es diesen Diskurs

und den ihm zugrunde liegende Spalt ganz generell gibt.

D.h. es kommt auf die Frage an, ob die verwandelten Realitätsfragmente ausreichend

relevant sind, um diesen Spalt erzeugen zu können. Denn letztlich scheint es auch an ihrer

Relevanz zu hängen, ob sich ein Spalt der Kritik statt der Indifferenz auftut. Und nur ein

sehr autoritäres Denken könnte behaupten, dass es zu jeder Zeit nur ein einziges Set von

Realitätsfragmenten gibt, die von so entscheidender Relevanz sind, dass Kunstwerke,

welche diese Elemente zum Material ihrer Experimente machen, gelingen können. Einmal

ganz abgesehen davon, dass »eine Zeit«, »gesellschaftliche Verhältnisse« oder »Epochen«

weder geopolitisch und historisch noch in ihren internen hierarchischen Stratifizierungen

so klar vermessen und begrenzen lassen, dass man ihnen einen Materialstand zuteilen

könnte.

Adorno sagt explizit, dass der Wahrheitsgehalt etwas »unbeschreiblich Armes und

Eintöniges« wäre, wenn »alle Kunstwerke, die von derselben Weltanschauung, von

denselben substantiellen Gesamtkategorien getragen werden, eben darum auch den

gleichen geistigen Gehalt« hätten (NL 4/3: 219). Insbesondre Adornos Einzelanalysen

lassen keinen Zweifel daran, dass Büchner durch seine Quasi-Zeitgenossen Hölderlin und

Eichendorff nicht überflüssig wird und dass z. B. der Wahrheitsgehalt von Büchners

Danton nicht derselbe ist wie der seines Lenz. Analog dazu wäre es heutzutage absurd,

beispielsweise die Theaterstücke von Elfriede Jelinek gegen die TV Serie The Wire

auszuspielen. Nicht zuletzt weil in Rechnung zu stellen ist, dass der Spalt zwischen Sein

und Anderssein zu ein und derselben Zeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen

und Schichten verschieden groß sein könnte. Diese Situiertheit des Kunstwerks und

seines potentiellen Wahrheitsgehalts in einem geopolitischen und historischen Raum

19

markiert auch die Differenz zwischen Adorno und den dekonstruktiven Kunsttheorien

Derridas und de Mans, welche die paradoxe Kunstwahrheit ontologisieren, jedoch

zweifelsohne eine Menge mit Adornos Kunstphilosophie teilen. (Menke 1991; kritisch

Scholze 2000: 322)

Gesellschaftsbezüge

Kunst ist demnach in mehreren Hinsichten ein gesellschaftliches Phänomen: in der

Arbeitsteiligkeit ihrer Produktion, vermittels des Materials, welches den Ausgangspunkt

der künstlerischen Arbeit darstellt, aber ebenso aufgrund ihrer Angewiesenheit auf

Rezeptionsprozesse der Kunst- und Gesellschaftskritik, die ihrerseits von Fragen der

Distribution, des Kunstmarkts und von Kunstinstitutionen nicht getrennt werden

können; nicht zuletzt aufgrund des Wahrheitsgehalts, der auf das Verhältnis zwischen

Kunst und gesellschaftlichen Wirklichkeiten zielt. Gleichwohl beharrt Adorno auf einer

zumindest relativen Autonomie der Kunst, wie sie etwa in dem vielzitierten Diktum zum

Ausdruck kommt, wonach Kunst autonom und fait social (GS 7: 16) sei.

Die Autonomie der Kunst zeigt sich in ihrer Absage an das Urteil und alles Teleologische.

Kunst folgt einer anderen Logik als das strategische, aber auch als das kommunikativ-

dialogische Handeln – eine an sich nützliche Unterscheidung, die Habermas und Wellmer

gegen Adorno in Stellung gebracht haben, die m. E. aber wenig zur Klärung des

Verhältnisses zwischen Kunst und Gesellschaft beiträgt. Denn beide sind teleologisch

strukturiert: Macht oder Herrschaft ist das Ziel des strategischen Handelns, um

Verständigung geht es dem kommunikativen. Von beidem ist der Prozess des Kunstwerks

durch eine gewisse Ziellosigkeit unterschieden. Sie meint nichts anderes als dass ein

Kunstwerk nicht in einem Urteil terminiert, welches man – sei es strategisch oder

kommunikativ – einsetzen könnte. Das Besondere von Adornos Konzeption der

ästhetischen Differenz besteht darin, dass die Kunst auf eine solche Weise ihrer eigene,

ziellose Logik verfolgt, dass die interpretierende und beurteilende Auseinandersetzung mit

dem Kunstwerk in Kritik – auch in Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen – übergeht.

Die schon fast zum Kalauer gewordene Bemerkung Adornos, die gesellschaftliche

Funktion der Kunst sei ihre Funktionslosigkeit (GS 7: 336 f.), ist Adornos paradoxe

Formulierung eines eigentlich gar nicht so paradoxen Sachverhalts. Kunst kann eine

kritisch fruchtbare Andersheit bewerkstelligen, ist aber zu keinem Eingriff, nicht einmal

20

zu einem diskursiven in der Lage. Kritisch relevant werden Kunstwerke erst in Prozessen,

die sie nicht steuern können. Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass Adorno

ein avantgardistisches Aufgehen der Kunst im Leben ebenso ablehnt wie Tendenzkunst,

die der Gesellschaft Lehren oder Schlimmeres erteilt.

Diese Ohnmacht hat Adorno bisweilen auch als Schuld, ja Schuldzusammenhang der

Kunst bezeichnet – oder schlicht als Ersatzfunktion (NL 4/3: 60). Er stellt sogar in

Rechnung, dass »gerade die radikale Kunst zu einem Alibi für den Verzicht auf

eingreifende Praxis werden kann« (NL 4/3: 195). Auch die für Adorno

paradigmatischsten Kunstwerke sind also nicht frei von diesem schuldhaften Schein, der

darin besteht, dass die Kunst den Anschein erweckt, sie könne etwas tun, kritisieren,

verändern. Angesichts dieser Reserve gegenüber den unzweifelhaftesten Werken ist

Adorno immer wieder vorgeworfen worden, er messe menschliche Artefakte, nämlich

Kunstwerke, an übermenschlichen, metaphysischen Maßstäben; er operiere insgeheim mit

der Norm einer erlösten Gesellschaft, in der Kunst als Kritik nicht mehr nötig wäre,

sondern das Zusammenleben der Menschen vielmehr selbst in die Nähe künstlerischer

Konstellationen gerückt wäre (zum Vorwurf der Metaphysik Wellmer 1993; Scholze

2000).

Ich denke, es ist aus kunst- und gesellschaftstheoretischer Perspektive fruchtbarer, die

»Schuld« auch noch der gelungensten Kunst als die Gefahr zu sehen, dass ein Kunstwerk

eines Tages nicht mehr in der Lage ist, kritische Differenzen zu erzeugen, sondern nur

indifferente Andersheit. Dagegen ist keines gefeit. Aus Adornos genereller

Schuldvermutung in Bezug auf Kunst ein Problem schlechter Metaphysik zu machen

scheint auch deshalb unangemessen, weil Adorno am Ende seiner Ästhetischen Theorie das

Szenario einer durchaus versöhnten Gesellschaft beschreibt, aus der die Kunst jedoch

nicht verschwunden ist (Wellmer 1985: 43). Er schreibt ihr in diesem Kontext einmal

mehr die Funktion kritischer Funktionslosigkeit zu, auf welche offenbar auch die beste

aller Gesellschaften nicht verzichten kann. Auch in einer richtigen Einrichtung der

Gesellschaft droht unablässig Rückfall; denn Freiheit ist kein Besitz. Man kann sich

fragen, ob es neben Kunst und Philosophie nicht noch andere Möglichkeiten gibt,

kritische Differenz zu erzeugen. Rancière etwa stellt die Kunst, welche er in großer Nähe

zu Adorno konzeptualisiert (Rancière 2008), auf eine Ebene mit emanzipatorischem

politischen Handeln. Fest steht jedenfalls, dass Adorno nicht nach einer jenseitigen

21

Versöhnung aller gesellschaftlichen Bereiche strebt, sondern nach möglichst fruchtbaren

Differenzen der Kritik

Gegen die metaphysische Vertagung alles Guten bis zum Ende der Geschichte sprechen

in Sachen Kunst insbesondere jene Passagen aus Adornos Ästhetik Vorlesungen von

1958/59, in denen er sich mit Platos Konzeption des Schönen im Symposium und im

Phaidros auseinandersetzt. Adorno verteidigt hier einen von Sinnlichkeit und Glück

unabtrennbaren Schönheitsbegriff. An Plato fasziniert ihn vor allem der Vorschlag,

Schönheit weder als Eigenschaft noch als Besitz zu denken, sondern als eine Dynamik des

Strebens und Sehnens, welches gleichzeitig Glück bereitet und Schmerz zufügt (NL 4/3:

161 f.)

Wo Adorno diese Konzeption der Schönheit auf Kunstwerke bezieht und sich damit von

Platos göttlichen Ideen distanziert – »Kunstwerke sind keine göttlichen Manifestationen,

sondern Menschenwerk« (NL 4/3: 192) – schreibt er: »dass das Kunstwerk eigentlich das

Glück dadurch bereitet, dass es ihm gelingt, einen [...] in sich hineinzuziehen [...] und dass

es einen dadurch allerdings der entfremdeten Welt, in der wir leben, entfremdet, und

durch diese Entfremdung des Entfremdeten die Unmittelbarkeit oder das unbeschädigte

Leben selber eigentlich wiederherstellt.« Mit anderen Worten: Die Dynamik zwischen

Autonomie und fait social, welche ja nichts anderes als das relationale Verhältnis des

Wahrheitsgehalts meint, wird hier in im Ausgang von platonischer Schönheit

durchgespielt. Oder anders gesagt: Adornos Versuch, den Wahrheitsgehalt als ein

Verhältnis der Kritik zu denken, findet in Platos Schönheitsverständnis ein Verbündetes.

In beiden Fällen geht es um eine Glückserfahrung, auf der Basis und mit dem Resultat der

Sehnsucht nach mehr davon. Und es scheint mir angesichts des immer wieder erhobenen

Vorwurfs der negativistischen Miesepetrigkeit Adornos – Bohrer etwa spricht von banal-

vulgärem Nihilismus (Bohrer 2002: 174; dazu kritisch: Scholze 2004) – wichtig

hervorzuheben, dass dieses Glück der Entfremdung von der Entfremdung kein halbes ist,

nur weil es sich aus der Entfremdung entwickelt. Ich glaube, man kommt der Sache

näher, wenn man sich Adornosches Glück so groß und uneingeschränkt vorstellt wie die

Entfremdung es auch ist.

Dass Adorno zumindest komplexer denkt, als viele Kritiker wahrhaben wollen, lässt sich

nicht zuletzt im Bezug auf seine Auseinandersetzung mit populärer, niedriger Kunst

zeigen, welche Adorno vielleicht die meiste Kritik eingebracht hat. Nicht nur weil er weil

22

U-Phänomene oft angemessener beschrieben hat als manche ihrer Fans (Diederichsen

2003) und auch in der Ästhetischen Theorie immer wieder bemerkenswerte

Berührungspunkte zwischen U und E nennt: die zwischen Avantgarde und Music Hall

sowie Varieté (GS 7: 62; GS 3: 308 f.), oder auch die Nähe zwischen Potpourri und

Montage (GS 7: 375) – eine Debatte, die einen eigenen Handbuchartikel verdienen würde.

(Wellmer 1985: 39 ff.; Früchtl 2003; Sonderegger 2006)

Gerade in Hinsicht auf die Frage des Glücks sind Adornos Überlegungen zur leichten

Kunst insofern äußerst aufschlussreich, als er hier wie nirgendwo sonst das Recht auf

Unterhaltung, Amüsement und eben auch sensuelles Glück der Kunst thematisiert. Die

immer rationaler konstruierte und zum Verstummen neigende hohe Kunst lasse dafür

keinen Platz, während die leichte Kunst nur zurechtgestutztes Glück vermittle. Darin ist

sie für Adorno »das gesellschaftlich schlechte Gewissen der ernsten« (GS 3: 157).

Gleichwohl gibt Adorno in seinem düstersten, mit Horkheimer geschriebenen Buch

Dialektik der Aufklärung ganz ähnliche Hinweise auf die glückhaften Berührungen

zwischen U und E wie später auch in der Ästhetischen Theorie: »Amüsement, ganz

entfesselt, wäre nicht bloß der Gegensatz zur Kunst, sondern auch das Exterm, das sie

berührt. [...] In manchen Revuefilmen, vor allem aber in der Groteske und den Funnies

blitzt für Augenblicke die Möglichkeit dieser Negation selber auf. Zu ihrer

Verwirklichung darf es freilich nicht kommen. Das reine Amüsement in seiner

Konsequenz, das entspannte sich Überlassen an bunte Assoziationen und glücklichen

Unsinn wird vom gängigen Amüsement beschnitten« (GS 3: 164). Offenbar hat die

niedrige Kunst Adorno mehr Material geboten, um Ansätze zu einer Theorie des

(ästhetischen) Glücks zu entwerfen als die hohe. Das sollte keine Kritik an Adornos

Kritik der Populärkultur aus dem Auge verlieren.

Aktualität und Fruchtbarkeit der Adornoschen Ästhetik

Mein bewusst tendenziöser Versuch, Adorno so zu erläutern, dass seine potentiellen

Antworten auf die geläufigsten Einwände gegen seine Ästhetik besonderes Gewicht

erhalten, bedeutet nicht, dass Adorno bestenfalls das Niveau seiner Kritiker erreicht.

Oder, was noch vernichtender wäre, dass man immer eine parierende Stelle bei ihm

findet, sobald eine Kritik laut geworden ist. In mancherlei Hinsicht sind Adornos

Überlegungen auch heute über alle mit Grund monierten Probleme hinaus fruchtbar wie

23

wenige Ästhetiken sonst. In erster Instanz hat das wohl damit zu tun, dass er als

Komponist, Kunstkritiker, Soziologe und Kunstphilosoph das Feld der Kunst bearbeitet

hat und schon allein deshalb zu nuancierteren, aber auch rabiater selbstkritischen

Positionen kommt als jene, die sich nur in einer der genannten Funktionen mit Kunst

auseinandersetzen. Diese Polyperspektivität hinsichtlich ein- und desselben Feld wirft

beinah automatisch Fragen zur Kompatibilität der verschiedenen Ansätze auf und

befördert die wechselseitige Kritik in einem Ausmaß, wie sich das einseitigere

Kunstfreunde oder -theoretikerinnen kaum vorstellen können. Adorno hat seiner an

Kunst und Kunsttheorie von der ersten bis zur letzten Seite zweifelnden Ästhetischen

Theorie hymnische Kritiken einzelner »großer« Werke entgegen gehalten und letzteren den

ernüchternden Blick des Soziologen auf Kunstinstitutionen und das, was eine

überwältigende Mehrheit hört, schaut und liest. Eine derart ungeschützte Konfrontation

deskriptiver mit normativen Ansätzen ist negative Dialektik im großen Format. Sie macht

es möglich, kulturindustrielle Produkte an ihrem Kunstanspruch zu messen und

vergeistigter Kunst vorzuhalten, dass sie – bar jedes entfesselten Amüsements – zu einem

genauso harmlosen Spielwerk wird, wie es die leichte oft ist.

Fruchtbar scheint mir heute auch eine erneute Auseinandersetzung mit der zentralen

Stellung des Kunstobjekts in Adornos Ästhetik sowie mit dem damit verknüpften

Wahrheitsanspruch. Diesen Faden wieder aufzunehmen ist nicht einfach darum eine

zeitgemäße Herausforderung, weil Adornos Vorrang des Objekts angesichts der

Dominanz von Theorien ästhetischer Erfahrung insbesondere in der deutschsprachigen

Diskussion in Vergessenheit geraten ist. (Koch/Voss 2005; Küpper/Menke 2003) Denn

dieses Vergessen könnte ja sachlich gerechtfertigt sein; etwa dann, wenn Adornos Theorie

des Kunstwerks die Rolle der ästhetischen Erfahrung gänzlich leugnen oder unzureichend

beschreiben würde. Wie ich aber zu rekonstruieren versucht habe, trägt Adornos Theorie

des Kunstwerks nicht nur der ästhetischen Erfahrung durchaus Rechnung; sie kann

darüber hinaus auch die problematischen Züge subjektiver Erfahrungstheorien

korrigieren: etwa ihren Relativismus, vor allem aber das Problem, dass ästhetische

Theorien, die die Aktivierung der Vermögen des Subjekts ins Zentrum stellen, schwer

begründen können, warum nicht eine Handvoll Kunstwerke ausreicht, um die

immergleiche subjektive ästhetische Erfahrung zu machen. (Sonderegger 2005)

24

Nicht zuletzt ist Adornos Kunsttheorie voller unabgegoltener Potentiale, weil sie gegen

sich selbst denkt; etwa gegen die Tendenz, eine Logik des Zerfalls zu konstruieren. So

stellt Adorno in Rechnung, dass irgendwann auch scheinbar überholte Formen und

Genres wieder glaubwürdig werden und das Amüsement mit dem kritischen

Wahrheitsgehalt gemeinsame Sache machen könnte. Noch nicht einmal die Sondersphäre

der Kunst, also ihre von Adorno bis zur Verzweiflung verteidigte Autonomie, ist ihm

sakrosankt. Vielmehr räumt er ein, dass aus der Kunst heraus legitime Bewegungen gegen

die Kunst entstehen können und – etwa im Surrealismus oder »in den letzten großen

Produktionen des großen Malers Picasso« (NL 4/3: 83) – auch schon stattgefunden

haben. In den Vorlesungen heißt es: »Sie dürfen also auch etwa eine solche Bestimmung

wie die des Ausgegliedertseins des Ästhetischen aus der empirischen Realität nicht als ein

Absolutes nehmen, sondern Sie müssen das selber auch nehmen als ein Moment, das in

der geschichtlichen Dialektik steht und das prekär ist« (NL 4.3: 83). Damit trifft Adorno

Tendenzen, mit denen gerade heute im Spannungsfeld von Kunst und kritischem Design,

in der sogenannten künstlerischen Forschung und in der aktivistischen Kunst

experimentiert wird.

Adorno beklagt solche Bewegungen gegen die Autonomie nicht als Niedergang oder als

das x-te Ende der Kunst. Er verteidigt sie als plausible Entwicklungen, wo immer die

Gefahr besteht, dass Kunst zu einer »Art ›Naturschutzpark der Kultur‹« (NL 4.3: 83)

entwertet wird. Das macht einmal mehr deutlich, dass Adorno einen Kunstbegriff vertritt,

der sich wesentlich dadurch am Leben erhält, dass die einzelnen Werke ihn fortlaufend

kritisieren, sich gegen ihn entwickeln. Kunstwerke, die Adorno als wahre auszeichnet,

sind solche, die an ihren eigenen Überlebensfäden zerren, als wären es Fesseln. Je

autonomer sich das Feld der Kunst gestaltet, desto anti-autonomer müssen die einzelnen

Kunstwerke demzufolge sein, aber auch umgekehrt. Zu Zeiten Kants war die Forderung

nach Autonomie der Kunst auch Ausdruck neuer politischer Freiheitsforderungen.

II. Essay und System

Adornos Philosophie – und besonders seine Ästhetische Theorie – ist immer wieder mit dem

Vorwurf konfrontiert worden, sie seien selbst ästhetisch bzw. flüchteten sich in eine

pseudokünstlerisch hermetische Schreibweise statt Argumente für das zu geben, was wild

25

oder verrätselt behauptet werde (zur Zusammenfassung und Kritik dieser Vorwürfe:

Scholze 2000: 290). Damit steht das Verhältnis zwischen Philosophie, Kunst und Ästhetik

zur Disposition, welches zweifelsohne das Zentrum von Adornos Denken darstellt.

Deshalb soll abschließend Adornos Konzeption der Philosophie und ihr Verhältnis zu

Kunst und Ästhetik skizziert werden (Demirovi� 1999: 669-695). Schon in seiner Antrittsvorlesung geht Adorno auf das ein, was ihm andere als Mangel

ankreiden: Ästhetisierung der Philosophie. Er weist den Vorwurf nicht ab, sondern

umarmt ihn gewissermaßen, indem er erläutert, was das Potential, ja die

Alternativlosigkeit jenes Philosophierens ist, das mit dem Schimpfwort des Essayistischen

abgetan wird. »Ich kann mich diesen Einwänden [»eines ästhetischen Bilderspiels, das die

Philosophie um jeden konstanten Maßstab bringt«] gegenüber nur so verhalten, dass ich

das meiste, was sie inhaltlich besagen, anerkenne, aber als philosophisch legitim vertrete.«

(GS 1: 343)

Von Anfang an also hat Adorno sich mit Fragen der Form philosophischer Texte und

ihrer irreduziblen Verschlingung mit bestimmten inhaltlichen Fragestellungen so sehr wie

Ergebnissen befasst. In diesem Zusammenhang erteilt er dem philosophischen

Systemdenken und allen Formen einer prima philosophia harsche Absagen. (GS 1: 325-344;

GS 5: 12-47). Gegen die Prätention, Wirklichkeit in ihrer Totalität denkend erfassen oder

sie gar aus irgendwelchen ersten Prinzipien erklären zu können, hält Adorno in seinen

Frühschriften eine deutende Philosophie, die er später immer häufiger als essayistisches

Denken – ein Denken in Versuchen und Versuchanordnungen – bezeichnen wird:

»Schlicht gesagt: die Idee der Wissenschaft ist Forschung, die der Philosophie Deutung.«

(GS 1: 334)

Deutendes Denken und Experimentieren mit immer neuen Versuchsanordnungen richten

sich mit der Absage an System und erste Prinzipien auch gegen die Forderung nach einer

gesicherten Methode, wie sie Descartes Discours de la méthode ausgearbeitet hat; Prinzipien,

wonach man etwa immer vom Einfachen zum Komplizierten gehen, das Problem in

möglichst elementare Teile zerlegen, Vollständigkeit anstreben soll etc. (GS 11: 22 f.).

Damit ist Adorno zufolge jede wirklich neue Erkenntnis ausgeschlossen: »ein Tabu ergeht

über die Zukunft« (GS 5: 40). Denn »mit Axiomen wie dem der Vollständigkeit und

Lückenlosigkeit setzt Identitätsdenken eigentlich immer schon totale Überschaubarkeit,

Bekanntheit voraus« (GS 5: 40). Adorno hingegen strebt nach einer Erkenntnis, die die

26

Reduktion des Unbekannten auf schon Bekanntes und deshalb letztlich Immergleiches

durchbricht und sich dabei von der jeweils zu begreifenden Sache, die auch eine Situation,

eine Praxis oder ein menschliches Gegenüber sein kann, leiten lässt.

Diesen Vorrang des Objekts klagt er im Wissen ein, dass begriffliche, historische und

soziale Vermittlungen unhintergehbar sind. So fordert er von der philosophischen

Erkenntnis, dass sie auch noch mitreflektiere, in welchem Sinn die Erkenntnis eines

reinen Objekts an sich gar nicht gelingen kann. Das deutende Denken, welches letztlich

die vernünftige Einrichtung der Gesellschaft, ja Glück vor Augen hat, muss selbst die

Risiken des Scheiterns und des Irrtums eingehen samt der daraus resultierenden

Verantwortung. So leuchtet Adorno auch nicht ein, warum das Glück eines von

Methoden befreiten Geistes vom Risiko des Irrtums notwendig gemindert wird (GS 5:

23). Adorno zufolge sind die Risiken des durch Prinzipien gesicherten Denkens nicht

kleiner, sie sind dort nur besser verschleiert. Denn statt um die Freiheit des Objekts und

des erkennenden Geistes geht es der methodischen Erkenntnis letztlich um Macht:

»Indem das Subjekt das Prinzip angibt, aus dem ein jegliches Sein hervorgehe, erhöht es

sich selber« (GS 5: 22); Unwiderleglichkeit ersetzt eine Machtposition, welche die

solcherart Wissenden real nicht haben. (GS 5: 23)

Zwei Formen essayistischen Denkens

Es scheint zwei – von Adorno nicht wirklich unterschiedene – Praxisformen des

deutenden, essayistischen Denkens zu geben: eine tendenziell immanente Kritik und eine

eher transzendierende. (Ziermann 2004: 41). Die erste Denkpraxis ist die von negativer

Dialektik. Sie entzündet sich an der Spannung zwischen der Idee, d. h. dem normativen

Anspruch und Potential eines Dings, Verhältnisses oder Begriffs einerseits und seiner

Realisierung andererseits. Dabei distanziert Adorno sich von Hegels dialektischer

Gewissheit, dass man mit der Negation – mit dem Wissen um den Mangel der

Realisierung einer Idee im Licht ihrer Verwirklichung – auch schon einen Hinweis darauf

bekommen hätte, wie weiter gedacht werden kann. Noch viel weniger bietet die bloße

Differenz zwischen Begriff und Realisierung eine Aussicht auf irgendein mögliches Ende

der Bewegung des Denkens; zumal das negativ dialektische Denken Adornos nicht nur

die eigene Fehlbarkeit in Rechnung stellen muss. Es sieht sich mit der noch viel größeren,

geradezu anti-hegelschen Herausforderung konfrontiert, dass die Wirklichkeit nie in

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Begriff und Geist aufgehen kann, sondern aller deutenden Erkenntnis zum Trotz immer

ein Eigenleben führen wird.

Die zweite Praxisform deutenden Denkens besteht darin, Konstellationen und

Konstruktionen, die auch als Versuchsanordnungen bezeichnet werden, herzustellen, um

mithilfe ihrer Verfremdung die Wirklichkeit aufzuschlüsseln. Bei derartigen Experimenten

stehen Spontaneität, »exakte Phantasie« (GS 1: 342) und Einbildungskraft im Zentrum.

Hier soll sich auch radikal Neues ereignen können. Durch die glückliche – d. h.

intentional trotz allem exakten Vorgehen nie kontrollierbare Anordnung von Elementen

der Wirklichkeit – ist es möglich, zumindest Fragmente der Realität in einem vollkommen

neuen Licht zu sehen.; in einem so neuen Licht, wie es im Rahmen der geduldig

insistierenden Meditationen negativer Dialektik kaum vorstellbar ist. Nicht umsonst ist

alle Metaphorik der Plötzlichkeit, des Aufspringens eines Schlosses, welche die

Erläuterungen des konstellativen Denkens grundiert, gänzlich abwesend, wo Adorno die

Bewegung negativer Dialektik beschreibt.

In seiner Antrittsvorlesung charakterisiert Adorno das konstellative Denken

folgendermaßen: »Bei der Handhabung des Begriffsmaterials durch Philosophie rede ich

nicht ohne Absicht von Gruppierung und Versuchsanordnungen, von Konstellation und

Konstruktion. [...] Sie liegen nicht organisch in Geschichte bereit; [...] sie müssen vom

Menschen hergestellt werden und legitimieren sich schließlich allein dadurch, dass in

schlagender Evidenz die Wirklichkeit um sie zusammenschießt.« (GS 1: 341) Ganz analog

zu den Ausführungen in seiner Antrittsvorlesung (die Schlüsselmetaphorik in GS 1: 340)

wird Adorno auch in der viel später verfassen Negativen Dialektik schreiben: »Als

Konstellation umkreist der theoretische Gedanke den Begriff, den er öffnen möchte,

hoffend, dass er aufspringe etwa wie die Schlösser wohlverwahrter Kassenschränke: nicht

nur durch einen Einzelschlüssel oder eine Einzelnummer sondern eine

Nummernkombination.« (GS 6: 166)

Das negativ dialektische Denkmodell ist – wie auch immer verwandelt – Hegel

verpflichtet, das konstellative Benjamin. Und es ist keineswegs deutlich, inwieweit sie sich

ausschließen oder ob Adorno davon ausgeht, dass die beiden Denkpraktiken nur in enger

Verschlungenheit ihr Ziel erreichen können. Die Tatsache, dass er naheliegende

Spannungen oder Ausschlussverhältnisse zwischen den beiden noch nicht einmal

thematisiert, spricht für die zuletzt genannte Möglichkeit. Eine Kombination aus

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negativer Dialektik und Konstellationsdenken könnte man sich vielleicht folgendermaßen

denken: An die Stelle des zweipoligen Verhältnisses zwischen Idee und Realität tritt ein

Kraftfeld, in dem unterschiedliche normative Vorstellungen einer Sache einer Vielzahl

von relevanten Realisierungen gegenüber steht. Hier müsste auf beiden Seiten das

Vergleichsmaterial mit »exakter Phantasie« hergestellt werden; negative Dialektik würde

eine in die dritte Dimension erweiterte Bewegung. Kombinierbar sind die beiden,

analytisch durchaus trennbaren, Praktiken deutender Philosophie deshalb, weil beide auf

Formen des Denkens bzw. Schreibens zielen, die zu Beginn nicht wissen, was am Ende

herauskommt. Ja noch nicht einmal ihren Beginn können sie hieb- und stichfest

begründen.

Am prägnantesten werden die Implikationen und Potentiale deutend-essayistischen

Denkens in »Der Essay als Form« formuliert, welcher Adornos Noten zur Literatur (GS 11)

eröffnet. Dieser metatheoretische Essay ist für unseren Zusammenhang deshalb

besonders aufschlussreich, weil Adorno hier explizit auf das Verhältnis zwischen

essayistischem Schreiben und Kunstwerken eingeht und unzweideutig die Unterschiede

zwischen ihnen festhält. Er verteidigt erneut ein Denken, das nicht bei irgendeinem

angeblich Ersten oder Fundamentalstem ansetzt, sondern bei »kulturell vorgeformten«

Objekten; genauer gesagt bei Objekten, mit denen man in Leidenschaft – sei es Liebe,

Verachtung, oder Ohnmacht – verbunden ist.

Das essayistische (Denk-)Experiment besteht darin, diese Objekte so aufzuschlüsseln,

dass die Spannungen zwischen normativen Ansprüchen und ihrer Realität sichtbar

werden; dass aus dem, was einfach da zu sein scheint, eine widerspruchsvolle Bewegung

wird. Damit gerät auch das aufgeladene Verhältnis der Denkenden zu diesen Objekten in

Bewegung. Erkenntnis des Objekts, Selbsterkenntnis sowie die Erkenntnis des

gesellschaftlichen Unbewussten auf allen Seiten sind unter solchen Umständen nicht

mehr sinnvoll voneinander trennbar. Dass die Begriffe und Denkformen in einem

solchen Experiment ebenso zur Disposition stehen wie alles andere, versteht sich von

selbst. Deutendes oder essayistisches Denken ist immer auch Begriffs- und Sprachkritik.

(Djassemy 2002)

Zur Ästhetik des essayistischen Denkens

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Als ästhetisch kann man essayistisches Denken insofern bezeichnen, als es nicht nur aus

Argumenten, sondern auch aus räumlichen oder formalen Anordnungen oder Klängen

von Begriffen und Sätzen Erkenntnis gewinnen kann. In dieser Hinsicht ist es ein

sinnliches, ein an Wahrnehmungsqualitäten interessiertes Denken. Ja sogar von einer

gewissen »Autonomie der Form« (GS 11: 11) ist die Rede. Aber es bleibt – im

Unterschied zum Kunstwerk – den Begriffen treu. Denn es ist die sinnliche Schicht und

Anordnung von Begriffen, welche die zentrale Rolle spielt; nicht aber von beispielsweise

körperliche Bewegungen, wie sie im Tanztheater im Medium der Bewegung auf ihre

Sozialgeschichten hin erforscht und auflöst werden. Von der Kunst unterscheidet sich der

Essay, so schreibt Adorno, »gleichwohl durch sein Medium, die Begriffe [...] und durch

seinen Anspruch auf Wahrheit bar des ästhetischen Scheins. (GS 11, 11) Mit anderen

Worten: Adornos Denken gegen das Denken, welches Urteile und Konklusionen zwar

fortlaufend wieder aufhebt, liegt gleichwohl das unnachgiebige Bedürfnis nach einer

Scheidung zwischen wahr und falsch zugrunde. Sein Denken ist ein zutiefst

wahrheitsorientiertes, wenngleich Wahrheit dabei vielmehr als »Störfaktor« (Scholze 2000:

316) denn als Ergebnis eine Rolle spielt.

So steht das essayistische Denken, das man nicht auf Aufsatzformen im 20-Seiten-Bereich

begrenzen sollte, sondern die Dimension von Adornos Ästhetischer Theorie annehmen

kann, zur traditionellen Philosophie dort quer, wo es um die Ablehnung bestimmter

Forderung nach Fundierung und methodischen Prinzipien geht, vor allem aber dort, wo

philosophisches Denken seine eigene Ästhetizität im Sinn der Darstellungstechniken in

Abrede stellt. Die Gattung des heute so beliebten papers verfügt aus Adornos Perspektive

nicht weniger über eine Ästhetik als die Essays von Montaigne. Nur verhält sich letzterer,

und dasselbe gilt für Adorno, zu diesem Sachverhalt – und zwar immer auch

selbstkritisch.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Konstruktionen des Kunstwerks sind mit den

Konstellationen des Essays verwandt, sofern beide darstellungsreflexiv konstruieren. Aber

anders als Essays werden künstlerische Konstellationen nicht von vornherein und nur

hergestellt, um zu einem (neuen) Urteil zu kommen. Wenn es an der häufig zitierten Stelle

bei Adorno heißt »Philosophie und Kunst konvergieren in deren Wahrheitsgehalt: die

fortschreitend sich entfaltende Wahrheit des Kunstwerks ist keine andere als die des

philosophischen Begriffs« (GS 7: 197), so ist dieses »konvergieren« wohl am ehesten im

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Sinn eines Treffpunkts oder einer Wegkreuzung zwischen Kunst und Philosophie zu

verstehen und nicht als Identitätsbehauptung.

Adorno sagt nicht, dass die höchste philosophische Wahrheit im Kunstwerk wohnt, wie

etwa Heidegger, sondern dass Kunstwerke – aber nicht nur sie, sie tun es lediglich auf

eine besonders herausfordernde Weise – dazu motivieren, bestimmte Ausschnitte der

Wirklichkeit neu zu beurteilen, an bestimmten Stellen erneut auf die gänzlich

unkünstlerische Wahrheitssuche zu gehen. Adornos »Kunstwahrheit« ist auch nicht darin

von der Wahrheit gewöhnlicher Satzzusammenhänge unterschieden, dass es ihr um das

Große-Ganze einer Heideggerschen »Welt« ginge. Denn derart Großes hat er mit der

prima philosophia von Anbeginn an verworfen. Es kann bei Adorno allenfalls darum gehen

herauszufinden, wie gesellschaftliche Zusammenhänge an bestimmten historischen und

geopolitischen Stellen eingreifen: »Wenn wahrhafte Deutung allein durch

Zusammenstellung des Kleinsten gerät, dann hat sie an den großen Problemen im

herkömmlichen Sinn keinen Anteil mehr« (GS 1: 336). Genauso wenig wie Kunst bei

Adorno die höchste Wahrheit ist, so wenig erniedrigt er sie instrumentalisierend für die

philosophische Wahrheitssuche. Wer sich der Kunst nur zuwendet, um Antworten auf

oder Exemplifikationen von schon bekannten Problemen zu bekommen, wird nichts

herausfinden, war sie oder er schon lange gewusst hat. Wer sich von ihr abstoßen und

gefangen nehmen lässt, kann auf ein Problem stoßen, das der unbedingten Beantwortung

bedarf – aber im Denken, das keinen Halt kennt, und handelnd.

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Kurzvita: Ruth Sonderegger (* 1967) studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Innsbruck, Konstanz und Berlin; 1998 Promotion in Philosophie an der FU Berlin; 1993-2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der FU Berlin; 2001-2009 Professorin am Philosophischen Institut der Universiteit van Amsterdam; seit 2009 Professorin für Philosophie und ästhetische Theorie an der Akademie der bildenden Künste Wien.

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