Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae

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134 Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31(1): 2014 Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31 (1): 134 - 147; 2014 Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae Manfred HENNECKE & Stefan MUNZINGER Keywords: Orchidaceae; Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae; Ophrys tenthre- dinifera, bona fide species in sensu BATEMAN 2012; pollinators, hybrids, flowering-synchrony. Zusammenfassung/ Summary: HENNECKE, M. & S. MUNZINGER (2014): Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae. – Ber. Arbeitskr. Heim. Orch. 31(1): 134 - 147. Ophrys tenthredinifera ist die einzige Art der Sektion Tenthrediniferae. In ihrem mediterranen Verbreitungsgebiet ist sie eine sehr variable Art, besonders was die Größe betrifft. Die Art ist nach molekular-genetischen Kladogram- men eindeutig abgegrenzt, auch wurden eindeutige bestimmungsrelevante Merkmale gefunden. Damit kann die Art nicht mehr verwechselt werden, so dass man nach BATEMAN (2012) von einem sogenannten bona-fide Arttaxon sprechen könnte. Es werden die Bestäuber und Hybride gelistet. Ophrys tenthredinifera is the only species in the section Tenthrediniferae. The species varies very much in size in its huge range of distribution. Ac- cording to molecular-genetic data this species is well delimited, additional a well defined key were developed. So the species can never be confused any more, suggesting a ranking as bona-fide species according to BATEMAN (2012). Pollinators and hybrids are listed. Motto Um Arttaxa, Populationen und Lebensräume zu schützen, müssen die Akteu- re die Tier- und Pflanzenarttaxa sicher bestimmen können (Convention on Biological Diversity).

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Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 31 (1): 134 - 147; 2014

Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae

Manfred hennecke & Stefan Munzinger

Keywords:

Orchidaceae; Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae; Ophrys tenthre-dinifera, bona fide species in sensu BateMan 2012; pollinators, hybrids, flowering-synchrony.

Zusammenfassung/ Summary:Hennecke, M. & s. Munzinger (2014): Subgenus Ophrys sectio Tenthrediniferae. – Ber. Arbeitskr. Heim. Orch. 31(1): 134 - 147.Ophrys tenthredinifera ist die einzige Art der Sektion Tenthrediniferae. In ihrem mediterranen Verbreitungsgebiet ist sie eine sehr variable Art, besonders was die Größe betrifft. Die Art ist nach molekular-genetischen Kladogram-men eindeutig abgegrenzt, auch wurden eindeutige bestimmungsrelevante Merkmale gefunden. Damit kann die Art nicht mehr verwechselt werden, so dass man nach BateMan (2012) von einem sogenannten bona-fide Arttaxon sprechen könnte. Es werden die Bestäuber und Hybride gelistet.

Ophrys tenthredinifera is the only species in the section Tenthrediniferae. The species varies very much in size in its huge range of distribution. Ac-cording to molecular-genetic data this species is well delimited, additional a well defined key were developed. So the species can never be confused any more, suggesting a ranking as bona-fide species according to BateMan (2012). Pollinators and hybrids are listed.

MottoUm Arttaxa, Populationen und Lebensräume zu schützen, müssen die Akteu-re die Tier- und Pflanzenarttaxa sicher bestimmen können (Convention on Biological Diversity).

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1. Einleitung

Einer der Autoren (MH) war 2013 wieder in Sizilien. Am südlichen Fuß des Ätna suchten wir in alten Lava-feldern nach Orchis branctifortii und fanden Hunderte voll aufgeblüht, alle waren im Fotorausch. Daneben fielen uns verschiedene Ophrys tenthredini-fera auf. Verschieden deswegen, weil eine Gruppe 25 cm hoch wuchs und großblütig war (entsprechend „gran-diflora“). 40 cm daneben wuchs eine Gruppe, die nur 15 cm hoch

war und kleinblütig (entsprechend „neglecta“). Die beiden Gruppen unterschieden sich wirklich nur in der Größe.

2. Diskussion bisheriger Veröffent-lichung

Daraufhin durchforschten wir die Literatur nach Größenangaben für Ophrys tenthredinifera und wurden fündig.

Abb. 1: Literaturauswertung von Lippenlängen-Messungen an Ophrys tenthredinifera. D = Devillers et al. (2003), G = R = reinHarD & gölz (1987), P = Paulus & HirtH (2012).

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An solchen Messungen ist Kritik anzubringen. Erstens wird nicht beschrieben bzw. zitiert, wie sol-che Längenmessungen (für alle verbindlich) durchgeführt werden müssen bzw. wurden, damit solche Messungen für alle vergleichbar werden. Zweitens werden auch Al-koholpräparate, Herbar-Exemplare etc. vermessen, eventuelle Schrump-fungen werden nicht berücksichtigt. Drittens wird nicht beschrieben, wie die untersuchten Stichproben aus-gewählt wurden und inwieweit sie statistisch repräsentativ sind. Ledig-lich Devillers et al. (2003) ist davon teilweise eine Ausnahme.

In den allermeisten Publikationen wird zumeist nur der 1s-Bereich der Standardabweichung gezeigt, der lediglich einer Wahrscheinlichkeit von 68,3% entspricht. So können dem Publikum zwar scheinbare „Un-terschiede“ demonstriert werden, in der Realität draußen ist aber der 3s-Bereich entscheidend, denn er ist zu 99,7% wahrscheinlich.

Im vorstehenden Diagramm (S. 135) wurde entsprechend der gesamte 3s-Bereich für jede Population rot markiert. Die Lippenlängen-Unter-schiede liegen für 5 Populationen bei 2 mm, bei 6 Populationen bei 3 mm, bei 3 Populationen bei 4 mm

und bei 4 Populationen bei 5 mm. Das deckt sich mit den Angaben in den Bestimmungsbüchern.

Eine Auswertung dieses Diagramms (ohne Gewichtung der pro Durch-schnittswert gemessenen Proben) er-gab, dass Ophrys tenthredinifera eine durchschnittliche Lippenlänge von 11 mm hat (identischer Wert wie bei BauMann & künkele 1986). Berech-net man aus allen Durchschnittswer-ten die Standardabweichung, ergibt sich ein 3s-Bereich von ± 4 mm (alle Zahlen wurden auf volle Millimeter gerundet, der physikalische Messfeh-ler wird mit ≤ 0,5 mm angenommen. tHiele et al. (2002: 224) empfehlen zwar eine Rundung auf 0,5 mm (= Messfehler ≤ 0,25 mm), allerdings gehen sie von berührungsfrei er-mittelten Messwerten aus. Für viele Werte in den ausgewerteten Arbeiten dürfte das allerdings nicht zutreffen, so dass der Messfehler wohl deutlich größer ist. Eine detaillierte Diskus-sion dieses Fragenkomplexes folgt (Munzinger & Hennecke in prep.). D.h. über das gesamte Verbreitungs-gebiet hat Ophrys tenthredinifera eine Lippenlänge zwischen 7 und 15 mm.

Schaut man sich daraufhin das Diagramm an (S. 135), liegen alle Populationen in diesem Bereich,

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es gibt keine Signifikanz für Grö-ßenunterschiede. reinHarD & gölz schreiben schon 1987, dass „Ophrys tenthredinifera von Ort zu Ort stark variieren kann, und dass die Diffe-renzen geographisch benachbarter Populationen u. U. viel größer sind als diejenigen zwischen geogra-phisch weit auseinanderliegender Po-pulationen“. Bislang nicht untersucht ist, wie sich die Größe identischer Pflanzen möglicherweise von Jahr zu Jahr verändert.

Lediglich die Population „Toskana D“ fällt im Diagramm auf, das könnte „neglecta“ auf dem italienischen Festland sein. Einer Eigenständigkeit steht aber entgegen, dass die Daten von Sardinien abweichen, wo „ne-glecta“ häufig ist, und auch unsere Beobachtungen auf Sizilien sprechen dagegen, wo die Art klein und groß am selben Wuchsort vorkam.

WucHerPfennig (2006: 630) nennt ein weiteres Kriterium: die Merk-malsdifferenz, abgekürzt MD. Er gibt die mathematische Formel dafür an, und entsprechend dieser wurden die Längenangaben verglichen. Für die größte Abweichung zwischen den Individuen von Mallorca und Toska-na, gemessen von gölz & reinHarD,

errechnet sich eine MD von 2,2. D. h. die Überlappung der beiden Häu-figkeitsverteilung ist ca. 12%, womit man ggf. gut leben könnte. Der MD zwischen den Population von Sizilien und Sardinien, gemessen von gölz & reinHarD, beträgt dagegen nur 1,37, d. h., die Häufigkeitsverteilungen überlappen sich damit bereits zu etwa 25%. Das ist zumindest grenzwertig, denn nach WucHerPfennig kann man „alle Merkmale mit einer MD von kleiner als 1 [...] getrost vergessen“.

Die einzigen Gebiete, die wir noch nicht besuchen konnten, sind Nord-afrika und der südliche Teil von Spa-nien. Die „ficalhoana“ konnte einer der Autoren (SM) 2014 in Portugal parallel zur Nominatform studieren: Sie passt in das normale Kontinuum von Merkmalsausprägungen der Ophrys tenthredinifera und macht so deutlich, warum sie von Botani-kern bereits anfänglich als Varietät eingestuft wurde. In einem solchen riesigen Verbreitungsgebiet, wie es die Wespen-Ragwurz hat, muss man schlicht eine entsprechend große phänotypische Variabilität einer Art akzeptieren.

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3. Sektion Tenthrediniferae

Nach den molekular-biologischen Kladogrammen und dem morpholo-gischen Dendrogramm ist diese Sek-tion eindeutig und gehört auf Grund des fehlenden Konnektiv-Fortsatzes in die Untergattung Ophrys (vgl. Hennecke 2013).

3.1. Molekulargenetische Daten

Alle drei molekular-genetischen Kladogramme von soliva et al. (2001), Devey et al. (2008) und inDa et al. (2012) zeigen eine klare Abtren-nung der Sektion Tenthrediniferae mit allerdings nicht mehr so deutli-chen Astlängen (4-5). Nur Devey et al. (2008) geben bootstrap-Prozente von 96% an. Die nächsten Verwandt-schaftsbeziehungen sind allerdings in jedem Kladogramm unterschiedlich, und in keinem molekular-genetischen Kladogramm steht Sektion Tenthre-diniferae benachbart zu Sektion Bombyliflorae.

Unterschiedlich dazu sind morpho-logische Befunde. Beide Sektionen stehen im morphologischen Den-drogramm benachbart, begründet durch das Anhängsel (Hennecke

2013). Allerdings hat Ophrys ten-thredinifera eine ganzrandige Lippe, Ophrys bombyliflora eine dreiteilige, wodurch sie morphologisch eindeu-tig getrennt sind.

Beide Sektionen sind sich im Pe-rigon sehr ähnlich, was Delforge (2006) veranlasste, beide in einer Gruppe zusammenzufassen. In den molekular-biologischen Kladogram-men sind sie eindeutig getrennt; da-her lehnen wir eine phylogenetische Gruppenbildung der Sektionen Bom-byliflorae und Tenthrediniferae ab.

3.2. Diagnose

Die Diagnose ist wahrscheinlich im Sinne von Quentin (1996).

3.3. Unterteilungen innerhalb der Sektion

Nach vorigen Ausführungen besteht die Sektion aus einer Art, nämlich Ophrys tenthredinifera. Unterarten gibt es auf Grund von Sympatrie und Blüh-Synchronie nicht, auch Royal Botanical Gardens, Kew, London, ak-zeptiert keine. Leider fallen deshalb einige Umkombinationen an.

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VarietätenOphrys tenthredinifera• var. aprilia (Devillers & Devillers-terscH.) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. dictynnae (P.Delforge) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. ficalhoana J.A.guiM., Bol. Soc. Brot. 5: 39 (1887).Ophrys tenthredinifera• var. glabrescens F.M.vázQuez, Folia Bot. Ex-tremadur. 3: 320 (2009). Ophrys tenthredinifera• var. grandiflora (ten.) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. guimaraesii (D.tyteca) kreutz, Kompend. Eur. Orchid.: 118 (2004).Ophrys tenthredinifera• var. korae (M.HirtH & H.F.Paulus) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. leochroma (P.Delforge) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. lutescens Batt., Bull. Soc. Bot. France 51: 353 (1904).Ophrys tenthredinifera• var. neglecta (Parl.) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. sanctae-marcellae (saliaris, A.saliaris & A.aliBertis) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. spectabilis (kreutz & zelesny) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera• var. ulyssea (P.Delforge) Hennecke, stat. nov.Ophrys tenthredinifera • var. villosa (Desf.) Hennecke, stat. nov.

lanDWeHr (1977: 470) vermerkt noch zwei weitere Varietäten:Ophrys tenthredinifera• var. ronda scHltr.Ophrys tenthredinifera• var. mariana rivas-goDay,

Formen nach Kew Royal Gardens, London:Ophrys tenthredinifera• f. choffatii J.A.guiM., Bol. Soc. Brot. 5: 39 (1887).Ophrys tenthredinifera• f. davei J.A.guiM., Bol. Soc. Brot. 5: 39 (1887).Ophrys tenthredinifera• f. praecox J.A.guiM., Bol. Soc. Brot. 5: 38 (1887).Ophrys tenthredinifera• f. serotina J.A.guiM., Bol. Soc. Brot. 5: 38 (1887).

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SynonymaSiehe Kew Databases: World Check-list of Selected Plant Families im Internet.

Bestimmungsrelevante Merkmale

Es wurde eine Reihe von Merkmalen gefunden, die es dem Feldbiologen

ermöglichen, das Arttaxon eindeutig zu bestimmen. Wichtige Merkmale, sogenannte Trennmerkmale, sind fett hervorgehoben. Alle Merkmale haben aber nur einen diagnostischen Charakter und weisen deshalb nicht zwingend eine biologische Funktion auf.

Diagnostische Primärmerkmale1. ohne Konnektiv-Fortsatz (Konnektiv stumpf)2. mit deutlichem Anhängsel, nach vorne oben3. mit Pseudoaugen4. Petalen spitz-dreieckig5. mittleres Sepalblatt nach oben gerichtet6. Lippe ganzrandig7. mit mehr oder weniger deutlichem Haarbüschel („Bärtchen“) über

dem Anhängsel

Hilfreiche Sekundärmerkmale„Micky-Maus“-Ohren, ein 1. flapsiger Ausdruck, um auf die fast kreisrunden seitli-chen Sepalen hinzuweisen, ein Merkmal, das ziemlich konstant ist.Das Perigon ist nicht grün 2. sondern weiß, rosa bis pink.

VerwechslungsmöglichkeitenIm Verbreitungsgebiet ist die Art nicht immer einfach von Ophrys fuciflora oder Ophrys oxyrrhynchos zu unterscheiden. Es gibt auch ganz gelbe Ophrys tenthredinifera, was dann die Unterscheidung zu Ophrys lacaitae erschwert.

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Abb. 2: Gelbe Ophrys tenthredinifera, Sizilien 2012 (Foto S. Munzinger).

Alle Arttaxa haben zwar eine etwa gleich große Lippe und ein großes deutlich nach oben gerichtetes An-hängsel, aber nur Ophrys tenthredi-nifera hat über dem Anhängsel ein

Haarbüschel, mal größer, mal kleiner. Mit diesem Trennmerkmal ist die Art nicht mehr zu verwechseln. Sie gehört zu den von BateMan (2012) gelisteten bona fide Ophrys-Arten.

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4. Ophrys tenthredinifera Willd., Sp. Pl. 4: 67 (1805).

Diagnostische Merkmaleohne Konnektiv-Fortsatz (Konnektiv stumpf), mit deutlichem Anhängsel, nach vorne oben, mit Pseudoau-gen, Petalen spitz-dreieckig, mittleres Sepalblatt nach oben ge-richtet, Lippe ganzrandig, mit mehr oder weniger deutlichem Haarbü-schel über dem Anhängsel, seitliche Sepalen fast kreisrund, Perigon weiß, rosa bis pink.

Gestalteindruckauffällige, braun-gelbe Ragwurz mit zumeist buntem Perigon, „nicht rasiert“ (Bärtchen über Anhängsel), Sepalen ähnlich Mickymaus-Ohren.

Locus classicusNordwestafrika (in Barbaria).

VerbreitungAktuellste Verbreitungskarte siehe Hennecke & Munzinger (2013: 114).Aktuelle Beobachtungskarte und Höhenverbreitung:www.naturgucker.de/?art=ophrys tenthredinifera

4.1. Varietäten Zuerst war es natürlich der Plan, die Varietäten mit ihren wenn auch kleinen Unterschieden auf zu listen

und zu beschreiben. Aber dieses Vorhaben war nicht möglich. Auf unseren vielen Reisen konnten wir keine signifikanten Unterschiede feststellen, sowohl in der westlichen als auch östlichen Mediterraneis. Wir verweisen auf die Aufzählung bei Paulus & HirtH (2012: 654f) mit ihren vielen Fragezeichen, Arbeitsna-men und unbekannten Bestäubern, die nach dem Biospezies-Konzept nicht zur Arttaxon-Abgrenzung heran gezogen werden dürfen (Munzinger & Hennecke 2014).

In dem riesigen Verbreitungsgebiet ist die Phänologie der Art entspre-chend geweitet, zumal die Art auch von 0 bis fast 1000 m NN vorkommt. naturgucker.de erlaubt es, die Blüh-phänologie sowohl für jedes Land/Provinz/Landkreis/Biotop als auch für den Blütenzustand herunter zu brechen und zu vergleichen. Noch ist nicht jede Varietät von Ophrys tenthredinifera ausreichend belastbar in naturgucker.de dokumentiert, aber für die belastbaren Varietäten ergibt sich, dass alle Ophrys tenthredinife-ra-Varietäten in denselben Biotopen synchron blühen.

Auch die Blühphänologie bei Paulus & HirtH (2012: 656) ist klar überlap-pend, so dass Genfluss ungehindert möglich ist. Damit können die von Paulus & HirtH (2012) genannten

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Arttaxa nach dem Biospezies-Kon-zept sowohl keine Arttaxa als auch keine Unterarten sein.4.2. BestäuberDie Namen der Bestäuber sind in der Literatur gesammelt und können von uns nicht überprüft werden, wes-

Eucera albofasciata cingel 1995Eucera algira gaskett 2010Eucera clypeata cingel 1995Eucera dimidiata BauMann et al. (2006)Eucera kullenbergii BauMann et al. (2006)Eucera nigrescens kullenBerg et al. (1984)Eucera nigrilabris Paulus & HirtH 2012Eucera notata Meyer 1964Eucera oraniensis cingel 1995Eucera rufitaris cingel 1995Eucera spatula Meyer 1964Eucera vidua Meyer 1964var. aprilia: Eucera nigrilabis gaskett 2010var. dyctinnae:Eucera albofasciata Paulus & HirtH 2012var. leochroma:Eucera kullenbergii Paulus & HirtH 2012var. grandiflora:Eucera algira ? gaskett 2010var. neglecta:Eucera clypeata gaskett 2010Eucera oraniensis gaskett 2010var. villosa:Eucera bidentata gaskett 2010Eucera curvitarsis ? gaskett 2010Eucera dimidiata gaskett 2010Eucera nigrilabris gaskett 2010Eucera rufitaris gaskett 2010

halb Synonyma möglich sind. Die Liste ist trotzdem lang und dürfte nicht vollständig sein!

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4.3. Hybride Entsprechend der Sympatrie und der Blüh-Synchronie zeigt dieses Artta-xon am häufigsten die Tendenz zur Hybridisierung (vgl. auch BauMann & künkele 1986). In der zweiten

Spalte wird der Unterschied im Blüh-Höhepunkt der beiden Eltern ange-geben (Methodik vgl. Hennecke & Munzinger 2013; Namen noch nach BauMann & künkele 1986) (MMR = Mittelmeer-Raum).

Hybide von Ophrys Blühzeit-Differenz der Eltern tenthredinifera mit in WochenOphrys annae + 1 WocheOphrys apulica = ×salentina ± 0Ophrys arachnitiformis = ×laconensis - 1 WocheOphrys argolica = ×methonensis + 2 Wochen Ophrys attica = ×laconic + 1 WocheOphrys bertolonii = ×inzengae + 1 WocheOphrys biscutella = ×montis-angeli ± 0Ophrys bombyliflora = ×sommieri ± 0Ophrys candica = ×tardans ± 0Ophrys chestermanii = ×normanii + 2 Wochen Ophrys crabronifera = ×tuscanica - 1 WocheOphrys exaltata + 2 WochenOphrys ferrum-equinum = ×feldwegiana ± 0Ophrys fuciflora = ×maremmae ± 0Ophrys fusca = ×lievreae ± 0 im MMROphrys heldreichii ± 0Ophrys incubacaea = ×manfredoniae + 1 Wochen Ophrys iricolor - 1 WocheOphrys lucis - 1 WocheOphrys lunulata = ×benoitiana ± 0Ophrys lutea = ×personei + 1 WocheOphrys passionis subsp. garganica = ×surdii ± 0 Ophrys promontorii = ×campolati + 4 Wochen Ophrys scolopax = ×peltieri ± 0Ophrys speculum = ×heraultii ± 0Ophrys sphegodes = ×grampinii + 2 Wochen Ophrys spruneri + 1 WocheOphrys tarentina = ×venusiana + 1 Woche

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Alle Elternteile der Hybriden blühen in den 3 Wochen des Blüh-Höhepunk-tes von Ophrys tenthredinifera (= Blüh-Synchronie), lediglich Ophrys promontorii fällt heraus.

foelscHe & foelscHe (2005) nen-nen noch zwei weitere Hybride von Korsika: ×bergeri und ×pertaminae. Die von den Autoren beschriebenen Übergänge der „Arten“ könnten auch als Kontinuum gedeutet werden, also in unserem Sinne nach dem Biospe-zies-Konzept wären es entsprechend deshalb Varietäten.

5. Diskussion

Zusammenfassend gibt es für uns innerhalb der Sektion Tenthredinife-rae ein durchgängiges Kontinuum an Merkmalsausprägungen und damit nur eine Art mit vielen Varietäten (vgl. Petersen & faurHolt 2007). Auch Devillers et al. (2003) nennen keine relevanten Bestimmungsmerk-male, sondern ergießen sich in Größe, Farbe, Behaarung etc, also bestenfalls Sekundärmerkmale, die keine wirk-lichen diagnostischen Wert haben (Munzinger & Hennecke 2014) und die zudem jeder anders interpretiert. Wir folgen deshalb BauMann et al. (2006), die klare Worte finden:

„Durchschlagende Merkmalcharak-teristiken, die eine Trennung auf Art- oder Unterartniveau rechtfertigen, lassen sich jedoch nicht erkennen“, ergänzt durch reinHarD & gölz (1987), dass „Ophrys tenthredinifera von Ort zu Ort stark variieren kann, und dass die Differenzen geogra-phisch benachbarter Populationen u. U. viel größer sind als diejenigen zwischen geographisch weit ausein-anderliegender Populationen“.

Die „erstaunliche Blütengrößenva-rianz“ geben auch Paulus & HirtH (2012: 653) in ihrem Kapitel 5 über die Größen-Variabilität von Ophrys tenthredinifera zu. Dieses Kapitel endet mit dem Satz: „Für den Frei-landaspekt ist diese Erkenntnis [ dass es eine erstaunliche Blütengrößen-varianz gibt,] wichtig, da man leicht versucht ist, kleinblütige Individuen als eigenes Arttaxa aufzufassen“. Aber genau die Größe ist dann we-nige Seiten weiter im selben Beitrag ein Argument, um Ophrys korae abzutrennen.

Man reibt sich die Augen …! Es erstaunt daher nicht wirklich, dass Royal Botanical Gardens, Kew, London, auch dieses Arttaxon nicht akzeptiert.

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Internet

www.guenther-blaich.dewww.naturgucker.dehttp://apps.kew.org/wcsp

Anschriften der Verfasser

Dr. Manfred Hennecke

Hohenstaufenstr. 873630 RemshaldenE-Mail: [email protected]

Stefan Munzinger

Am Kirchtal 937154 NortheimE-Mail: [email protected]