Niketas und das wahre Kreuz

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NIKETAS UND DAS WAHRE KREUZ Kritische Anmerkungen zur Überlieferung des Chronicon Paschale ad annum 614* HOLGER A. KLEIN/NEW YORK Unter dem Datum des Jahres 614 verzeichnet das Chronicon Paschale 1 drei Ereig- nisse: 1. Die im Juni der zweiten Indiktion erfolgte Eroberung Jerusalems durch die Perser und Verschleppung der Reliquie des wahren Kreuzes, des Patriarchen Zacha- rias und unzähliger vasa sacra (704]3-705 2 ); 2. Die Ankunft des vom Patrikios Nike- tas aus dem Osten gesandten heiligen Schwammes in Konstantinopel und seine an- schließende Erhöhung mit der Reliquie des lebensspendenden Kreuzes am 14. Sep- tember der dritten Indiktion (705 3 _ 6 ); sowie 3. Die Ankunft der ebenfalls von Niketas in die Hauptstadt gesandten heiligen Lanze am 28. Oktober und ihre sich unmittel- bar anschließende viertägige Verehrung durch das Volk (705 7 _ 14 ). Die Zusammengehörigkeit dieser drei Einträge, die an sich richtig in der zweiten und dritten Indiktion angesiedelt sind, ist bisher nicht in Zweifel gezogen worden. 2 \ Die Überführung von Schwamm und Lanze in die Hauptstadt wurde ganz im Sinne | des in der ältesten erhaltenen Handschrift des Chronicon Paschale (Cod. Vat. gr. 1941) überlieferten Textzusammenhangs als eine unmittelbare Folge der persischen < Eroberung Syriens und Palästinas interpretiert. 3 Entsprechend wurde auch die mit der Translation der Passionsreliquien verbundene Einführung neuer liturgischer Ze- ; remonien in der Hauptstadt als offizieller Versuch angesehen, die Moral der Konstan- tinopler Bevölkerung nach der Eroberung Jerusalems zu heben. 4 Die das Chronicon Paschale betreffenden Ergebnisse dieser Studie verdanken sich zu einem guten Teil Paul Speck, mit dem ich im Frühjahr 2000 in Dumbarton Oaks zusammentraf und die ' Problematik der textlichen Überlieferung im Chronicon Paschale diskutierte. Paul Speck, dem ich ; an dieser Stelle herzlich für die Zusammenarbeit in Washington und in Berlin danke, hat j an anderer Stelle (siehe A. 31) die Konsequenzen der Datumskorrektur im Chronicon Paschale für j die Translation der Kreuzreliquien nach Konstantinopel beleuchtet. Für eine von den Ergebnissen i Paul Specks in einigen Punkten abweichende Darstellung und Datierung der Kreuzrückführung j nach Jerusalem verweise ich auf meine in Druckvorbereitung befindliche Dissertation: Byzanz, der j Westen und das ,^^ajire 4 Kreuz. Ein Beitrag zur Geschichte einer Reliquie, ihres Kultes und ihrer ' künstlerischen Fassung in Byzanz und im Abendland (Bonn 2000). 1 Chronicon Paschale, ed. L. Dindorf (Bonn 1832). 2 Vgl. zuletzt B. Flusin, Saint. Anas tase le Perse et l'histoire de la Palestine au debut du Vll e siecle, 2 vol. (Paris 1992) II, 180-181; M. und M. Wlütby, Chronicon Paschale. 284-628 AD': (Liverpool 1989) 157 mit A. 438. " 3 Vgl. Flusin, Anastase (wie A. 2) II, 180-181: „On voit comment Tevenement fut pergu a Con- stantinople. La destruction" de la Ville Sainte et la capture de la Croix sont connues et pleurees. Mais en meine temps, ce qui retient Pattention, c'est rarrivee dans la capitate de cleux reliques pre- cieuses, l'fiponge et la Lance. Le chroniqueur enregistre la solermite particuliere dont la fete de PExaltation de la Croix fut, cette aimee-la, Toccasion dans la Grande Eglise et la nöuveaute litur- gique de Padoration de la Lance. Constantinople, la ville gardee par Dien, prend les allures d'unc Jerusalem nouvelle." . 4 So Whitby, Chronicon Paschale (wie A. 2) 157, A. 438.

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N I K E T A S UND DAS WAHRE K R E U ZKritische Anmerkungen zur Überl ieferung des

Chronicon Paschale ad annum 614*

HOLGER A. K L E I N / N E W YORK

Unter dem Datum des Jahres 614 verzeichnet das Chronicon Paschale1 drei Ereig-nisse: 1. Die im Juni der zweiten Indiktion erfolgte Eroberung Jerusalems durch diePerser und Verschleppung der Reliquie des wahren Kreuzes, des Patriarchen Zacha-rias und unzähliger vasa sacra (704]3-7052); 2. Die Ankunft des vom Patrikios Nike-tas aus dem Osten gesandten heiligen Schwammes in Konstantinopel und seine an-schließende Erhöhung mit der Reliquie des lebensspendenden Kreuzes am 14. Sep-tember der dritten Indiktion (7053_6); sowie 3. Die Ankunft der ebenfalls von Niketasin die Hauptstadt gesandten heiligen Lanze am 28. Oktober und ihre sich unmittel-bar anschließende viertägige Verehrung durch das Volk (7057_14).

Die Zusammengehörigkeit dieser drei Einträge, die an sich richtig in der zweitenund dritten Indiktion angesiedelt sind, ist bisher nicht in Zweifel gezogen worden.2 \Die Überführung von Schwamm und Lanze in die Hauptstadt wurde ganz im Sinne |des in der ältesten erhaltenen Handschrift des Chronicon Paschale (Cod. Vat. gr. :

1941) überlieferten Textzusammenhangs als eine unmittelbare Folge der persischen <Eroberung Syriens und Palästinas interpretiert.3 Entsprechend wurde auch die mitder Translation der Passionsreliquien verbundene Einführung neuer liturgischer Ze- ;remonien in der Hauptstadt als offizieller Versuch angesehen, die Moral der Konstan-tinopler Bevölkerung nach der Eroberung Jerusalems zu heben.4

Die das Chronicon Paschale betreffenden Ergebnisse dieser Studie verdanken sich zu einemguten Teil Paul Speck, mit dem ich im Frühjahr 2000 in Dumbarton Oaks zusammentraf und die 'Problematik der textlichen Überlieferung im Chronicon Paschale diskutierte. Paul Speck, dem ich ;an dieser Stelle herzlich für die Zusammenarbeit in Washington und in Berlin danke, hat jan anderer Stelle (siehe A. 31) die Konsequenzen der Datumskorrektur im Chronicon Paschale für jdie Translation der Kreuzreliquien nach Konstantinopel beleuchtet. Für eine von den Ergebnissen iPaul Specks in einigen Punkten abweichende Darstellung und Datierung der Kreuzrückführung jnach Jerusalem verweise ich auf meine in Druckvorbereitung befindliche Dissertation: Byzanz, der jWesten und das ,^^ajire4 Kreuz. Ein Beitrag zur Geschichte einer Reliquie, ihres Kultes und ihrer 'künstlerischen Fassung in Byzanz und im Abendland (Bonn 2000).

1 Chronicon Paschale, ed. L. Dindorf (Bonn 1832).2 Vgl. zuletzt B. Flusin, Saint. Anas tase le Perse et l'histoire de la Palestine au debut du Vlle

siecle, 2 vol. (Paris 1992) II, 180-181; M. und M. Wlütby, Chronicon Paschale. 284-628 A D ' :(Liverpool 1989) 157 mit A. 438. "

3 Vgl. Flusin, Anastase (wie A. 2) II, 180-181: „On voit comment Tevenement fut pergu a Con-stantinople. La destruction" de la Ville Sainte et la capture de la Croix sont connues et pleurees.Mais en meine temps, ce qui retient Pattention, c'est rarrivee dans la capitate de cleux reliques pre-cieuses, l'fiponge et la Lance. Le chroniqueur enregistre la solermite particuliere dont la fete dePExaltation de la Croix fut, cette aimee-la, Toccasion dans la Grande Eglise et la nöuveaute litur-gique de Padoration de la Lance. Constantinople, la ville gardee par Dien, prend les allures d'uncJerusalem nouvelle." .

4 So Whitby, Chronicon Paschale (wie A. 2) 157, A. 438.

• H. A. Klein, Niketas und das wahre Kreuz 581

Die in sich stimmige Chronologie der Eintr ge zum Jahr 614 und die Nennung desf r die Wiedergewinnung der Passionsreliquien verantwortlichen Patrikios Niketas,der mit dem bekannten General und Cousin des Kaisers Herakleios identifiziertwurde5, haben Bedenken an der Authentizit t der textlichen berlieferung dieserPassage bisher nicht aufkommen lassen. Da Zweifel an der Zusammengeh rigkeitder drei Eintr ge dennoch angebracht sind, mag die im Zusammenhang mit der An-kunft des heiligen Schwamrnes erstmals f r Konstantinopel nachweisbare Feier derRreuzerh hung nahelegen: „Am 14. Gorpiai s, dem r mischen Monat September derdritten Indiktion, zur dritten Erh hung des lebensspendenden Kreuzes, wurde der vonPatrikios Niketas gesandte, hochverehrte Schwamm an diesem befestigt und zusam-men mit ihm in der Gr en Kirche erh ht"6

Der 14. September, f r den das Fest der Kreuzerh hung im Chronicon Paschaleberliefert ist, galt nach Auskunft des Erzdiakons Theodosius7 als Tag der Auffin-

dung des wahren Kreuzes durch Kaiserin Helena und wurde, wie die gallische Jerusa-lempilgerin Egeria*1 bereits gegen Ende des 4. Jahrhunderts berichtet, zusammen mitder Weihe der Golgothakirche „acht Tage lang gefeiert".9 Auch das im JerusalemerJakobskloster erhaltene armenische Lektionar Cod. 121, das die liturgischen Gege-benheiten in Jerusalem zu Beginn des 5. Jahrhunderts reflektiert, erw hnt neben derFeier der Kirchweihe am 13. September eine ffentliche Verehrung des Kreuzes amfolgenden „zweiten"' Tag, dem 14. September.10 Die Tatsache, da dieses f r Jerusa-lem bereits seit dem 4. Jahrhundert nachweisbare Kreuzfest ausgerechnet in jenem

5 Zuletzt Whitby, Chronicon Paschale (wie A. 2) 157, A. 438; C. Mango, A Byzantine Hagiogra-pher at Work: Leontios of Ncapolis, in: I. Mutter (Hrs"g.), Byzanz und der Westen (Wien 1984)35-37. Da dieser Niketas im Chronicon Paschale (7039_1:>) kurz vor der hier behandelten Passageim Zusammenhang der Ereignisse des Jahres 612 genannt wird und derselbe Patrikios seinen Cou-sin Herakleios nach Aussage der Vita des hl. Theodor von Sykeon (= Vie de Theodore Saint de Sy-keon, ed. A.-J. Festugiere, 2 vol. [Subsidia Hagiographica 48] ( ruxelles 1970) I, 154) im Jahre613 bei der Verteidigung Antiochias unterst tzte, ist eine solche Identifizierung durchaus nahelie-gend. "~

6 Chronicon Paschale (wie A. 1) 7053_6; Êáé ôç éä' ãïñðéáßïõ, êáôÜ 'Ñùìáßïõò óåðôåìâñßïõìçíüò, ôçò ôñßôçò éíäéêôéþíïò, åí ôç ôñßôç õøþóåé Üðïäåèåßò ôö æùïðïéö óôáõñù ü ôßìéïò óðüããïòêáé áõôüò óõíõøïýôáé áýô ù åí ôç ÜãéùôÜôç ìåãÜëç Ýêêëåóß(÷, ðåìöèåéò ðáñÜ ÍéêÞôá ðáôñéêßïõ.

7 Theodosii De situ Terrae sanctae (= Itineraria et alia Geograpliia, ed. P. Geyer [Corpus Chri-stianorum series Latina 175] (Turnholt 1965) 114-Ã25) 124: 31. Innen!io sancfae crncis, f/nandoinucnta est ab Helena matre Constani ii XVIL Kai Octobris, ei per scptem dies in Hterusalcin ibiad sepulchmm Domini missas celebrantur et ipsa crux ostenditur.

8 itinerarium Egeriae (= Itineraria et alia Geographia., ed. R Geyer [Corpus Christianorum se-ries Latina 175] (Turnholt 1965) 29-103) 89-90.

9 Itinerarium Egeriae (wie A. 8) 89-90: Hi ergo diesenceniarurn cum uenerint, oclo diebus at-tenduntur. Zum gemeinsamen Datum von Kreuzauffiiiduiig und Kirchweihe vgl. zuletzt L. Kret-zenbacher, Kreuzholzlegenden zwischen Byzanz und dein Abendland [Bayerische Akademie derWissenschaften, Philosoplusch-Historische Klasse, Sitzungsberichte 1995/3] (M nchen 1995) 20;J.W. Drijvers, Helena Augusta. The Mother of Constantino the Great and the Legend of Her Find-ing of the True Cross (Leiden 1992) 84-89; S. Heid, Der Ursprung der Helenalegende im Pilger-betrieb Jerusalems, in: JbAC 32 (1989) 41-71, bes. 54-57.

10 Vgl. Le Codex armenien Jerusalem 121, ed. A. Renoux [PO 163/168], 2 Bde. (Turn hol t1969-71) 11, 363; und auch B. Fischer, Das lteste armenische Lektionar als Zeuge f r den gottes-dienstlichen Schriftgebrauch im Jerusalem des beginnenden 5. Jahrhunderts, in: Concilium 11(1975)93-96.

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Jahr erstmals in KohStantinopel Erw hnung findet, in dem die Reliquie des wahrenKreuzes aus Jerusalem verschleppt wird, erscheint ungew hnlich, vor allem deshalb,weil die im Zusammenhang der Ankunft des heiligen Schwanimes eher beil ufig ge-nannte Erh hung des ,lebensspendenden Kreuzes' den fr hesten Nachweis einer f-fentlichen Ausstellung und Verehrung von Kreuzreliquien in der Hauptstadt ber-haupt darstellt.

Und noch ein weiterer Umstand erscheint ungew hnlich. In den erhaltenen lateini-schen Quellen wird das am 14. September in Jerusalem begangene Kreuzfest durch-g ngig mit der Auffindung (inventio] des Kreuzes durch Helena in Verbindung ge-bracht.11 Das Chronicon Paschale, das unter dem Jahr 334 von der Weihe der aufGolgotha errichteten Basilika spricht (5319_12)> belegt das sich anschlie ende Kreuz-fest mit der Bezeichnung ,Kreuzerscheinung4 (óôáõñïöÜíåéá), mit der die Auffindungdes Kreuzes ebenso angedeutet scheint wie dessen ffentliche Ausstellung und Vereh-rung.12 Im Gegensatz dazu benennt das Chronicon Paschale das unter dem Jahr 614f r Konstantinopel berlieferte Fest mit dem abweichenden Begriff ,Kreuzerh hungc

(ïøùóéò ôïõ óôáõñïý), eine Bezeichnung, die f r das Jerusalemer Kreuzfest nicht vorden 30er Jahren des 7. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.13

Obwohl das im Chronicon Paschale erstmals f r Konstantinopel belegte Fest der,Kreuzerh hungc zweifellos von jenem in Jerusalem gefeierten Fest der ,Krenzauffin-dungc abh ngig ist, scheint die neue Bezeichnung õøùóéò eine Bedeutungsverschie-bung anzudeuten, mit der nun weniger die Auffindung des Kreuzes als vielmehr des-sen Verherrlichung betont wird. Diese Bedeutungsverschiebung mit der unter Kaiser

11 Vgl. Itinerarium Egeriae (wie A. 8) 89-90; Theodosii De situ Terrae sanctae (wie A. 8) 124.12 Chronicon Paschale (wie A. 1) 5319_j2: ãÝãïíå ôá åãêáßíéá ôçò Ýêêëåóßáò ôïï áãßïõ óôáõñïý

ôçò ïßêïäïìçèåßóçò õðü Êùíóôáíôßíïõ åðß Ìáêáñßïõ åðéóêüðïõ, ìçíé óåðôåìâñßù éæ'. åíôåýèåíÞñîáôï Þ óôáõñïöÜíåéá. - „Die Weihe der Heilig-Kreuz-Kirche, die unter Konstantin zur Zeit desPatriarchen Makarios erbaut worden war, fand am 17. Tag des Monats September statt; daraufhinbegann das Fest der Kreuzerscheinung".

13 Zu den fr hesten Quellen geh ren die Vita Anastasii [BHG 84] (= Vie et Passion de SaintAiiastase inoine au monastere d'Abba Anastase de Sainte Memoire, ed. B. Flusin, in: Ders., Ana-stase (wie A. 2) I, 40-91) 73, cap. 29t; eine Georg von Pisidien zugescliriebene Eloge (= La vie etles epreuves du Saint et glorieux inoiiie et martyr Anastase qui sub it le martyr en Perse, par Pisi-des, ed. B. Flusin, in: Ders., Anastase (wie A. 2) I, 202-259) 241, cap. 329; Das Leben des heiligenNarren Syineon von Leontios von Neapolis, hrsg. von L. Ryden (Uppsala 1963) 124; sowie dieChronographia des Theophanes Confessor (= Theophanis Chronographia l, rec. C. de Boor (Leip-zig 1883) 15819_2i· Das dem M nch Alexander zugeschriebene Dossier zur .Auffindung des vereh-rungsw rdigen und lebensspendenden Kreuzes4 (=; Alexandri Monachi de venerandae ac vivificaecrucis inventione, ed. J. Gretser [PC 87/3, 4015-4088]), in dem das Wort ïøùóéò (4072) zur Be-nennung des.,am 14. September in Jerusalem begangenen Festes Verwendung findet, ist in seinerDatierung umstritten. Zum Leben und Werk des M nches Alexander vgl. A. Kazhdan, Alexander'the Monk, in: Ders* u.a., Oxford Dictionary of Byzantium, 3 vol. (New York 1991) 60 sowie M. vanEsbroeck, L'opuscule ,Sur la Croix4 d'Alexandre de Chypre et s version georgienne, in: Bedi Kart-lisa 37 (1979) 102-132. Eine kritische Edition des Textes wird derzeit von J. \V. Nesbitt (Dumbar-ton Oaks) vorbereitet. In einem auf der Byzantine Studies Conference 2000 in Cambridge, Mass.vorgetragenen Referat argumentierte Nesbitt „that die panegyric on the cross needs tp-be conside-red in the light of a possible interpolation. For we have to remember that the reason the text waspopular is that it was commonly used in association with the Feast of the Elevati'oii of the Cross.Hence, the text as we have it may have undergone modification." Dies scheint mir den Punkt zutreffen.

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Herakleios erfolgten Wiedergewinnung und feierlichen R ckf hrung der Kreuzreli-quie nach Jerusalem in Zusammenhang zu bringen, erscheint durchaus naheliegend.Da sich die Feier eines als àøùóéò bezeichneten Kreuzfestes im Chronicon Paschaleallerdings schon f r das Jahr 614 nachweisen l t, ging man bisher davon aus, daein am 14. September begangenes Kreuzfest in Konstantinopel bereits vor der persi-schen Entf lirung der Jerusalemer Reliquie etabliert war und erst im nachhinein, dashei t nach der Wiedergewinnung und feierlichen R ckf hrung des Kreuzes nach Je-rusalem, mit dem Namen õøùóéò belegt wurde.14 Wann genau das Fest in Konstanti-nopel eingef hrt wurde, konnte dabei bisher nicht mit Sicherheit bestimmt werden.15

Zwar findet sich in der von Eustratios um das Jahr 600 verfa ten Vita des Patriar-chen Eutychios von K hstantinopel der Hinweis auf eine am 14. September (ôç ôåó-óáñåóêáéäåêÜôç ôïõ óåðôåìâñßïõ) begangene Feier zum ,Gedenken an das lebens-spendende Kreuz4 (ìíÞìç ôïõ æùïðïéïý óôáõñïý), doch geht aus der Textstelle nichteindeutig hervor, ob Eustratios dabei auf ein hauptst dtisches Kreuzfest oder eine inAjnaseia, dem Ort von Eutychios' Verbannung begangene ,Gedenkfeier' zum Tag derKreuzauffindung in Jerusalem anspielt.16 Ein weiterer hagiographischer Text, diewohl kurz nach 564 verfa te Vita des Heiligen Nikolaus von Sion, scheint ebenfallsanzudeuten, da Konstantinopel bis weit in die zweite H lfte des 6. Jahrhundertsnoch keinen besonderen Ruf als Zentrum des Kreuzkultes geno .17 Nimmt man dievon Kedrenos und Michael dem Syrer einige Jahrhunderte sp ter berlieferte Trans-lation der in Apameia verehrten Kreuzreliquie durch Justin II. ernst, so scheint dieHauptstadt — wenn berhaupt - kaum vor Beginn der 570er Jahre als Kultort desKreuzes Profil gewonnen zu haben.18 Eindeutige Hinweise auf eine in Konstantinopelpraktizierte kultische Verehrung von Kreuzreliquien fehlen bis zur Nennung derKreuzerh hung im Chronicon Paschale jedoch vollst ndig. Die von verschiedenenzeitgen ssischen Autoren berlieferte Entscheidung Kaiser Herakleios', die nach 628von den Persern zur ckgewonnene Kreuzreliquie feierlich nach Jerusalem zur ckzu-f hren, scheint vielmehr anzudeuten, da die Aufwertung Konstantinopels zu einemkaiserlich protegierten Zentrum des Kreuzkultes kaum vor der persischen EroberungJerusalems im Jahre 614,_vielleicht sogar erst nach dem endg ltigen Verlust der Hei-

H Vgl. P. Beraadakis, Le culte de la Croix chez les Grecs, in: EO 5 (1901-1902) 195-199.15 Die von Anatole Frolow, La Relique de la Vraie Croix (Paris 1961) Nr. 13f, 167-169 und

Nr. 43a, 185 vertretene Ansicht, das Fest der Kreuzerh hung sei f r Konstantinopel bereits im6. Jahrhundert nachweisbar, beruht auf einem Mi verst ndnis der von ihm zitierten Passagen desKn-u^irakiats des M nches Alexander (PC 87/3, 4062-64, 4072). Die genannten Textstellen be-ziehen sich nicht auf das in der Hagia Sophia in Konstantinopel begangene Kreuzfest, sondern aufdir seit dem 4. Jahrhundert in Jerusalem etablierte Feier.

10 Eustratii Presbyter Vita Evtych Patriarchae Constantinopolitani,'ed. C. Laga [Corpus Chri-stianomm series Greca 25] (Turnbolt 1992) 641Q75_1978.' 1? Getrieben vom Wunsch, das .ruhmreiche Holz des ruhmreichen Kreuzes' (ôï ôßìéïí îýëïí ôïõ

ôéìßïõ óôáõñïý) zu verehren, begibt sich Nikolaus zweimal auf die Pilgerreise nach Jerusalem -nicht nach Koribtantinopel. Vgl. die entsprechenden Stellen in Text und bersetzung bei I. undË.Ñ. SevcenJox The Life of Saint Nicolas of Sion (Brookline 1984) 28-31, 50-51, 62-63, 66-69.

18 In der von Michael dem Syrer berlieferten Erz hlung ist es der Patriarch von Konstantinopel,der dem Kaiser aufgrund einer wundersamen Kreuzerscheinung am Himmel r t, die in Apameiaverehnc Kreuzreliquie in die Hauptstadt zu berf hren. Dies legt die Vermutung nahe, da der ei-gentliche Grund f r die durch kaiserliche Intervention legitimierte Reliquien!ranslation darin be-stand, die Etablierung eines zweiten Kreuzkidtzentrums in Apameia zu verhindern.

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iigcn Stadt an die AY&ber (637/38) erfolgte.19 Dieser an sich naheliegenden Vermu-tung scheint lediglich der Eintrag des Chronicon Paschale zu widersprechen. Wie sichdie Nachricht eines bereits irn Jahre 614 in Konstantinopel nachweisbaren Festes der,Kreir/erh hungc mit der feierlichen R ckf hrung der Kreuzreliquie nach Jerusalemund der vermutlich direkt mit ihr in Verbindung stehenden Umbenennung desKreuzfestes am 14. September in ïøùóéò ôïõ óôáõñïý vertr gt, mag ein erneuterBlick auf die berlieferungstradition des Clironicon Paschale erhellen.

Beachtung verdient in diesem Zusammenhang vor allem das f r die Ankunft derheiligen Lanze genannte Datum: „Am 28. Hyperberetaios, dem r mischen MonatOktober, einem Satnstag, am Abend vor dem Tag des Herrn, wurde die ruhm-reiche Lanze aus dem Heiligen Land gebracht." 20 Wie bereits von Whitby erkannt,f llt der 28. Oktober des Jahres 614 nicht auf einen Samstag, sondern auf einenMontag.21 Statt mit Whitby liier einen Fehler des Chronisten zu vermuten, w rezun chst zu berpr fen, wann der 28. Oktober tats chlich auf einen Samstag f llt.Dies ist in der Regierungszeit des Herakleios in den Jahren 612, 618. 629, 635 und640 der Fall.22 Da sowohl die R ckf hrung des hochverehrten Schwammes wie derruhmreichen Lanze mit dem Patrikios Niketas in Verbindung gebracht werden unddie bezeugten Ereignisse gemeinsam unter dem Jahr 614 notiert sind, erscheint es na-heliegend, beide Nachrichten als textliche Einheit aufzufassen und die im Zusam-menhang mit der Ankunft des Schwammes genannte dritte Indiktioii auch auf dieAnkunft der heiligen Lanze zu beziehen. Von den genannten Jahren, in denen der28. Oktober auf einen Samstag der 3. Indiktion f llt, trifft dies nur f r den 28. Okto-ber 629 zu.

Die bislang nicht in Erw gung gezogene M glichkeit, da das vom Chronisten ge-nannte Ankunftsdatum der heiligen Lanze - Samstag, der 28. Oktober der dritten In-diktion (629) - korrekt sein k nnte, l t nur einen sinnvollen Schlu zu: die beidenSchwamm und Lanze betreffenden Notizen geh ren urspr nglich nicht an dieseSteile, sondern unter das Jahr 629, und gelangten erst nachtr glich unter das Jahr614. Die Vermutung einer Vertauschung der entsprechenden Passage kann auchdurch andere Beobachtungen an der vatikanischen Handschrift best tigt werden.Schon vor mehr als drei ig Jahren hat Kyra Ericsson gezeigt, da gegen Ende desChronicon Paschale ganze Textbl cke vertauscht wurden.23 Es ist sicherlich kein Zu-

19 Bis zur Eroberung Jerusalems durch die Perser bestand jedenfalls weder Anla noch Notwen-digkeit, die Autorit t Jerusalems als reichsweites Zentrum des Kreuzkultes durch die F rderung ei-nes hauptst dtischen Kultzentrums zu schw chen.

20 Chronicon Paschale (wie A. 1) 7057_9: Êáé rfj. êç' ôïõ ýðåñâåñåôáßïõ, êáôÜ 'Ñùìáßïõò Ïêôù-âñßïõ ìÝíïò, Þìåñá æ', ôç åðß êõñéáêÞí íõêôß, ÞíÝ÷èç Þ ôéìßá ëüã÷ç áðü ôùí áãßùí ôüðùí [...].

21 Ygl. Whitby, Chronicon Paschale (wie A. 2) 157 A. 438: „In 614, 28 October fell on a Mon-day: the date should probably be 26 October."

22 Zur Berechnung des Tagesdarums, vgl. V. Gruinel, La Chronologie [Traite d'Etudes Byzantines1] (Paris 1958) 316.

23 Vgl. K. Ericsson, Revising a Date in the Chronicon Paschale, JOB 17 (1968) 17-28. Best ti-gung finden Ericssons berlegungen bei P. Speck, Das geteijte Dossier [ÐÏÉÊÉËÁ ÂÕÆÁÍÔÉÍÁ9] 255 und 266. F r eventuelle weitere Verst mmelungen am Ende des Chronicon Pa>chale, vgl. PSpeck, Die Interpretation des Bellimi Avaricum und der Kater Ìå÷ëåìðÝ, 2. Die Gjcsandschalt desPatrikios Ath iiasios zu dem Khagan der Avaren, Varia Ð [ÐÏÉÊÉËÁ ÂÕÆÁÍÔÉÍÁ 6] (Bonn1987) 375-397; Speck, Dossier (wie oben) 84-87, und nochmals Speck, Epiphania et Martine surles monnaies d'Heraclius, Revue Numismatique 152 (1997) 457-465, hier bes. 460 A. 23.

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fall, daß die beiden Notizen zur Ankunft der Passionsreliquien in Konstantinopelausgerechnet vor der Stelle erscheinen, die nach Ericsson von der Vertauschung vonBlättern betroffen ist.24 Als Grund für die Vertauschung hatte schon Ericsson vermu-tet, daß der Codex, der dem Schreiber der vatikanischen Handschrift im 10. Jahr-hundert als Vorlage diente, schadhaft geworden war und das verstümmelte Ende desChronicon nur noch als lose Blattsammlung enthielt.25 Die Einordnung der beidenNotizen zur Translation von Schwamm und Lanze scheinen diese Annahme nunebenfalls zu bestätigen. Zu vermuten wäre, daß der Schreiber des vatikanischenCodex, dem die beiden Notizen vielleicht nur auf einem losen Blatt vorlagen, in derNennung des Patrikios Niketas zur ersten Indiktion (Dezember 612), der Verschlep-pung der Kreuzreliqui«? aus Jerusalem zur zweiten Indiktion (Juni 614) und der fürdie Ankunft von Schwamm und Lanze in der Hauptstadt genannten dritten Indiktioneinen Anhaltspunkt für die Platzierung dieser Ereignisse gefunden zu haben glaubteund sie entsprechend an die kurze Notiz von der Eroberung Jerusalems zur zweitenIndiktion (613/14) ,anhiiigc.

Die zweifache Erwähnung des Patrikios Niketas, der die Passionsreliquien von ei-nem Vertrauten des Sharbaraz erhalten und sogleich in die Hauptstadt gesandt habensoll, erscheint im Zusammenhang der hier vorgeschlagenen Datumskorrektur vonzentraler Bedeutung. Sollte es sich bei dem genannten Niketas tatsächlich um jenenGeneral und Cousin des Kaisers Herakleios handeln, der im Jahre 612 in den Rangeines comes excubitorum erhöht wurde, erschiene eine Ankunft der Passionsreliquienim Herbst 629 zwar nicht völlig ausgeschlossen, doch zumindest recht unwahrschein-lich, da aufgrund einer Nachricht in Nikephoros Breviarium26 davon auszugehen ist,daß dieser im Jahre 629/630 bereits verstorben war.27 Andererseits erscheint eshöchst merkwürdig, daß die heilige Lanze im Jahr der Eroberung Jerusalems voneinem Vertrauten des persischen Generals Sharbaraz, der ja die Reliquie des wahrenKreuzes aus Jerusalem versclJeppte, ausgerechnet an jenen byzantinischen General..übergeben4 wird (7059: [...] [...] ), der zuvor nicht in der Lagewar, den Vormarsch der Perser nach Palästina aufzuhalten. Die Nachricht einer sol-chen Reliquienübergabe paßt viel eher in den Herbst des Jahres 629. Im Juli diesesJahres nämlich traf Herakleios in Arabissos (Kappadokien) mit dem erwähnten Ge-neral Sharbaraz zusammen, um eine Einigung über die Rückgabe und den Abzug derpersischen Truppen aus den römischen Gebieten in Syrien und Palästina auszuhan-deln: „Im Monat Tamuz [Juli] trafen sich Herakleios, der Kaiser der Römer, undSharbaraz, der persische Edle, in einer Stadt im Norden, die Arabissos Tripotamosgenannt wird. Hier gründeten sie eine Kirche und weihten sie dem Frieden. Naclidem

'. sie beschlossen hatten, den Frieden zu halten, legten sie den Euphrat als gemeinsame

' *2"* Diese Passage beginnt mit 70518. Die unmittelbar vorausgehende Passage (705|.-_17) enthältdie Angaben zur Indiktion und den I lerrscherjahren.

25 Vgl. Ericsson (wie A. 23), 18. Ericssons These einer mutwilligen Verstümmelung des Textesam Ende des Chronicon Paschalis erscheint mir aus den von Whitby, Cliroriicon Paschale (wie A. 2)101 A. 320 sowie 191 genannten Gründen wenig wahrscheinlich.

-6 Nicephori Archiepiscopi ConstantinopoJitarii opuscula historica, ed. C. de Boor (Leipzig 1880)212)_24: Nikephoros Patriarch of Constantinople, Short History, Text, Translation, and Cunirneii-tary by C. Mango [CFHB 13] (Washington 1990) 1720-21/64-65 (weiter unten im Wurilauizitiert).

r7 Vgl. auch Mango. Leontios (wie A. 5) 36.

H. A. Klein, Niketas und das wahre Kreuz 587

lebensspendende Kreuz — erst nach Herakleios* Sieg ber die Perser und den Frie-densschl ssen mit Siroes (628) und Sharbaraz (629).31

:i1 Zur Frage, wann die am 14. September 629 zusammen mit dem heiligen Schwamm in derHagia Sophia erh hte Reliquie des wahren Kreuzes nach Konstantinopel gelangte, und welche Re-levanz die Korrektur des Datums im Chronieon Paschale f r die Frage der Reliquienr ckf hrungnach Jerusalem besitzt, verweise ich auf die Untersuchung von Paul Speck, Zum Datum der Trans-lation der Kreuzreliquien nach Konstantinopel, in? Ders., Varia VII [ÐÏÉÊÉËÁ ÂÕÆÁÍÔÉÍÁ, 18]Bonn 2000, 167-172 mit drei Anh ngen, sowie H. A. Klein, yzanz, der Westen und das ,wahrec

Kreuz. Ein Beitrag zur Geschichte einer Reliquie, ihres Kultes und ihrer k nstlerischen Fassung inByzanz und im Abendland (in Druck Vorbereitung).