Iulius Asper, Verteidiger der Provinzen unter Septimius Severus

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CHIRON MITTEILUNGEN DER KOMMISSION FÜR ALTE GESCHICHTE UND EPIGRAPHIK DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS BAND 27 · 1997 C.H.BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG MÜNCHEN

Transcript of Iulius Asper, Verteidiger der Provinzen unter Septimius Severus

CHIRON MITTEILUNGEN

DER KOMMISSION FÜR ALTE GESCHICHTE

UND EPIGRAPHIK DES

DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS

BAND 27 · 1997

C.H.BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG

MÜNCHEN

KARLHEINZ DIETZ

Iulius Asper, Verteidiger der Provinzen unter Septimius Severus

Dieter Timpe zum 3. November 1996

I. Glanz und Elend der Konsuln von 212 n. Chr. Zu Jahresanfang 212 n. Chr., wenige Tage nach der Ermordung Getas durch seinen

Bruder Caracalla,1 wurde der senatorischen Familie der Iulii Aspri2 eine unge­

wöhnliche Ehre zuteil. Ihr Oberhaupt, der homo novus 3 C. Iulius Asper, durfte da­

mals zum zweiten Mal das Konsulat bekleiden und hatte obendrein noch den eige­

nen Sohn zum Kollegen. Infolgedessen wurde das vom kaiserlichen Brudermord

überschattete Jahr reichsweit duobus Aspris datiert.4 Freilich fielen die so Geehrten

bereits nach kurzer Frist selbst in Ungnade und mußten sich unter Schmach und in

großer Furcht in ihre Heimat zurückziehen, ein Geschick, das im Valesianischen

Exzerpt 357 des Cassius Dio 77(78)5,3 knapp überliefert ist: "On 'tOV 'A.angov -r:ov

'IouAtavov ouö' &.A.A.mc; EUXa"tUqJQOV'l']"tOV xaL Öta nmödav xaL Öta qJQOVl'UW

OV"ta E;agac; Of!OLmc; [so Valesius, OflOLOUc; ist überliefert] xaL wuc; utouc; auwu,

xai EV JtOAAai:c; waau-r:mc; gaßömc; Of!OÜ EflltOflltEUGav-r:a, JtQOEJtl"]AUXLGE na-

1 Zur politischen Situation in Rom in der ersten Hälfte des Jahres 212 K. DrETZ, Chiron 13, 1983, 381-404 mit weiteren Nachweisen; vgl. jetzt G.MARASCO, AC 65, 1996, 119-134. - DrETER HENNIG, Lurcr LoRETO, DrETER TrMPE und MICHAEL WÖRRLE haben mir gehol­fen, Fehler zu vermeiden, meine Argumente zu überdenken und den mitunter schwierigen Aufsatz etwas klarer zu formulieren. Der echte Römer unter ihnen besorgte in selbstloser Weise in der Hauptstadt des Imperiums Materialien. Wertvolle Auskünfte, Hinweise und Hilfen erhielt ich ferner von AsTRID DosTERT, MARIA GRAZIA GRANINO CECERE, KLAUS HALLOF, WoLF-DIETER HEILMEYER, HANS-GEORG KOLBE, JEAN-PAUL REY-COQUArs, BARBARA ScARDIGLI, TrMo SncKLER, ARMIN U.STYLOW, KLAUS WAcHTEL und CLAUDIA WrENER. Ihnen allen danke ich auch auf diesem Wege verbindlich.

2 Zur pamphylischen Herkunft der Iulii Aspri siehe H. HALFMANN, Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Ende des 2.Jh. n. Chr., Göttingen 1979, 200 Nr.134; vgl. dens., in: Epigrafia e ordine senatorio II, Rom 1982 [1984] 642; C. P.JoNES, Chi­ron 14, 1984, 99. Völlig sicher ist diese geographische Zuweisung freilich nicht.

3 HALFMANN, Senatoren (Anm. 2) 80. Nicht gesehen habe ich J.-P. CoRIAT, Les hommes noveaux a l'epoque des Severes, RD 56, 1978, 4-27. Zum Projekt einerneuen Untersuchung der Senatoren der Severerzeit unten Anm. 44.

4 Nur einige Belege: CIL VI 2003 Z. 9: C. I ulio Aspro I I C. I ulio As [pro cos. ]; CIL VI 1063 (= ILS 2178): As[pro Il] etAspro cos.; AE 1981,25: [Aspr ]o II et Aspr[o]; duobus Aspris: CIL XIV 119; III 4157 = RIU I 9; AE 1978,525 (Iden des Juli); CPL 144; 335 usw.

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QUXQTJflU ÖELVW<; xaL E<; 't~V rtm:gtöa f!El't' Üßgew<; xaL f!ETa öi::ou<; taxvgoii arti::­JtEfl'\jJE. Mit dieser schon wegen des irrigen 'IouA.Lavov statt 'IovAwv5 sicher nicht korrekt überlieferten Nachricht konkretisierte Dio die wohl unmittelbar zuvor (77[78]5,2 = Exc. Val. 356) angesprochene Wankelmütigkeit des Herrschers: Je nach Laune gewährte Caracalla den einen unverdient Schonung, während er andere

unerwartet bestrafte (EOW~E 'tE oil<; ~XLO'ta EXQTJV, xaL ex6A.a~EV oil<; ovx äv LL<; JtQOOEÖOXl]OEV). Zweifellos zu jenen, mit deren Verurteilung niemand gerechnet hätte, zählte der aufgrund seiner Bildung und Klugheit durchaus beachtenswerte Iulius Asper. Seine besondere Förderung verdankte er am ehesten den Turbulenzen nach der Ermordung Getas im Dezember 211;6 jedenfalls ließe sich so am besten er­klären, wie eine dem Kaiserhaus nicht verwandte Familie zur äußerst ungewöhnli­chen Auszeichnung mit dem gleichzeitigen ordentlichen Konsulat für Vater und Sohn gelangen konnte. Offenkundig war dies aber noch nicht alles gewesen, weil Dio - ohne freilich Genaueres mitzuteilen - nicht nur einen Sohn, sondern aus­drücklich <<die Söhne» Aspers in dessen Aufstieg mit einschließt.7 Damit immer noch nicht genug, könnte Asper die Nachfolge des berühmten Fabius Cilo8 ange­treten und während seines Konsulats zusätzlich das Amt des praefectus urbi inne­gehabt haben, welches für ihn durch drei Inschriften bezeugt ist. 9 Den an sich nicht belegten Zeitpunkt für dieses Amt erschließt man mit einer gewissen Plausibilität aus mehreren Indizien, einerseits aus der inneren Logik von Aspers Laufbahn, die weder vor noch nach 212 Raum dafür läßt, zum anderen allgemein aus dem im wei­teren 3.Jahrhundert auch sonst nicht seltenen Zusammenfallen der Stadtpräfektur mit einem zweiten Konsulat10 und schließlich aus ev rtoA.A.ai<; wam)'tm<; gaßöm<; Of-LOV Ef!JtOf!JtEvaa<; des zitierten Dio-Fragments.U Leider beschränkt sich dieses auf die Pointe, wie nämlich Caracalla in einem unerwarteten Umschwung (vgl. rta­QUXQfJf!a) in abstoßender Weise einen von ihm selbst geförderten, bedeutenden

5 Anders, aber zu Unrecht BorsSEVAIN zur Stelle, siehe unten Anm. 119. 6 Da Septimius Severus bereits im Februar 211 gestorben war, wäre eigentlich zu erwar­

ten, daß 212 die beiden Söhne und Erben das Konsulat bekleiden sollten, die dieses Amt zum letzten Mal 205 und 208 bekleidet hatten.

7 Denkbar wäre etwa die Übernahme der Prätur durch einen zweiten Sohn Aspers. 8 Zu ihm z.B. H.-G.KoLBE, in: W.HELBIG, Führer durch die öffentlichen Sammlungen

klassischer Altertümer in Rom, IV, Tübingen 41972, 297-301 und in jüngerer Zeit noch B. REMY, Les carrieres senatoriales dans !es provinces romaines d' Anatolie au Haut-Empire (31 av. J.-C.-284 ap. J.-C.), Istanbul- Paris 1989, 104-107; J.FITz, Die Verwaltung Panno­niens in der Römerzeit, II, Budapest 1993, 506-509.

9 CIL VI 31716; CIL XIV 2514f. Vgl. G.Vnuccr, Ricerche sulla prefettura urbi in eta imperiale (sec. I-III), Rom 1956, 119f. Nr.36; W.EcK, ZPE 18, 1975, 92; H.HALFMANN, Chiron 12, 1982, 230 Anm.49; 232; P. M. M. LEUNISSEN, Konsuln und Konsulare in der Zeit von Commodus bis Severus Alexander (180-235 n. Chr.), Amsterdam 1989, 309.

10 Vgl. dazu die Liste bei M. CHRISTOL, Essai sur l'evolution des carrieres senatoriales dans la 2e moitie du IIIe s. ap. J.-C., Paris 1986, 25-34.

11 Vgl. BorssEVAIN und CARY zur Stelle; für letzteren ist der Text <<probably corrupt>>.

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Mann aus Rom vertriebY Natürlich kann es sich bei dieser Überreaktion auch nur um einen Vorwand gehandelt habenY Wie dem auch gewesen sein möge, Asper mußte sich mit seiner Familie- um das Leben bangend- Ec; 't~V :rtmgiöa begeben.

Als ihn Caracalla später dennoch zum proconsul Asiae für das Amtsjahr 217/218 ernennen wollte, weil er besonders befähigt schien, die in Unruhe geratene Provinz wieder zu ordnen, gab Asper um excusatio- :rtaQUL'tl]GLc; ein.14 Der im April217 zur Macht gekommene Kaiser Macrinus erkannte diese Entschuldigung zunächst nicht an und sprach die Ernennung aus. Damit wurde Asper erneut eine außerordentliche Ehre zuteil, kennen wir doch sonst keinen Senator, der nach der Stadtpräfektur noch zu einem Prokonsulat gelangt wäre,15 und nur Aspers jüngerer Zeitgenosse L.Marius Maximus Perpetuus Aurelianus erreichte zwei konsulare Prokonsulate.16

Freilich konnte Asper sein zweites Prokonsulat nicht ausüben. Als er nämlich be­reits in seine Provinz unterwegs war, wurde er von Macrinus, dem Gerüchte zuge­tragen worden waren, Asper habe sich über ihn abfällig geäußert, an der Amtsüber­nahme gehindert, durch Anicius Faustus ersetzt und erneut verbannt. Der Kaiser versuchte, diese ungeheuerliche Brüskierung (önvwc; :rtEQlUßQlOEV a:rtWOUf!EVOt;)17

durch die Behauptung aus der Welt zu schaffen, Asper habe sich unter Hinweis auf Alter und Krankheit erneut von der öffentlichen Aufgabe entschuldigt.18 Erst Elagabal setzte dann die Aufhebung von Aspers Verbannung durch.19

12 Als Konsul und praefectus urbi hätte Asper möglicherweise 18 Fasces um sich gehabt (TH. ScHÄFER, Imperii insignia: Sella curulis und Fasces, Mainz 1989, 212f.), wodurch Of.LOÜ einen guten Sinn bekäme.

13 Vgl. DmTZ (Anm.1) 403f. 14 Cass. Dio 78(79),22,2-4. - Zur excusatio etwa E. CHAMPLIN, Fronto and Antonine

Rome, Cambridge (Mass.)- London 1980, 82; 99f.; U. VoGEL-WEIDEMANN, Die Statthalter von Africa und Asia in den Jahren 14-68 n. Chr., Bonn 1982, 693 s. v.; F. MILLAR, JRS 73, 1983, 77f.; CHRISTOL (Anm.10) 106-108; G.ALFÖLDY, Römische Heeresgeschichte. Beiträge 1962-1985, Amsterdam 1987, 405.

15 Vgl. E.GROAG, Die Reichsbeamten von Achaia in spätrömischer Zeit, Budapest 1946, 19 Anm.2.

16 CIL VI 1452 (= ILS 2936); dazu R.J.A. TALBERT, The Senate of Imperial Rome, Prince­ton 1984, 349 Anm. 22; W. EcK, Gnomon 57, 1985, 630; A. R. BIRLEY, CPh 82, 1987, 79 f. Zu Marius Maximus K. DIETZ, Chiron 19, 1989, 437 Anm. 145.

17 A.STÄDELE, Anregung 38, 1992, 363-366 erinnert in diesem Zusammenhang an den Verzicht Agricolas in der Darstellung des Tacitus. Die Quellen zu den Prokonsuln von Asia unter Macrinus im einzelnen bei LEUNISSEN (Anm. 9) 225 f.; R. BERING-STASCHEWSKI, Römische Zeitgeschichte bei Cassius Dio, Bochum 1981, 96-98 bespricht die personalpoliti­schen Entscheidungen dieses Kaisers.

18 Cass. Dio 78(79),22,3f. Vgl. H.HALFMANN, Chiron 12, 1982, 235 und B.E.THOMAS­SON, Laterculi praesidum I, Göteborg 1984, 234 Nr. 180 f. Die Versuche von J. KEIL, Ein ephesischer Anwalt des 3.Jahrhunderts durchreist das Imperium Romanum, SBAW 1956/3, 10, I. Ephesos 802 damit zu verknüpfen, hat J. DEINING ER, Die Provinziallandtage der römi­schen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr., München 1965, 50 m. Anm. 4 zu Recht zurückgewiesen.

19 Cass. Dio 80,4,4.

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Schon die abermalige Ernennung Aspers zum Prokonsul beweist, daß dieser Mann über außergewöhnliche juristische und administrative Fähigkeiten verfügt haben muß; schließlich sollte er proconsul extra sortem ad ordinandam provin­ciam 20 werden. Dafür kamen nur tatkräftige und erfahrene Leute mit viel Finger­spitzengefühl in Frage. Von Aspers zu Ausgleich und Milde neigender Art erfah­ren wir zufällig im Zusammenhang mit seinem Jahre zurückliegenden afrikani­schen Prokonsulat.21 Obwohl ihn Tertullian streng genommen zu den praesides et constantiores et crudeliores rechnet, wird sein vorbildhaftes Verhalten im Falle von Christenprozessen geschildert: ut Asper, qui modice vexatum hominem [scil. Christianum] et statim deiectum, nec sacrificium compulit facere, ante professus in­ter advocatos et adsessores, dolere se incidisse primum in hanc causam. 22

li. Neuere Zeugnisse zu den Iulii Aspri Leider ist ansonsten über diesen Mann (ich nenne ihn künftig Asper I), der die Höhen und Risiken der senatorischen Laufbahn in der Zeit eines sich zunehmend autokratisch gebärdenden Kaisertums wie kaum ein anderer durchlebte, nur sehr wenig bekannt. Um so erfreulicher ist es, daß neuerdings drei Zeugnisse das Wis­sen um die Familie der Iulii Aspri vermehrt haben.

1) Ein seit einigen Jahren bekanntes Militärdiplom vom 30. August 212 trägt die Konsuldatierung C. Iulio Aspro // et C. Iulio Camilio Aspro cos. 23 Obschon die Graveure der Diplome bezüglich der Konsulangaben möglicherweise einige Frei­heiten hatten,24 ist ein Grund für einen Fehler in unserem Fall nicht zu erkennen, weshalb jetzt wohl feststeht, daß bereits der (künftig Asper II genannte) Sohn des Stadtpräfekten von 212, nicht erst der Enkel(= Asper III), den Namensteil Cami­

lius getragen hat.25

2) Die Lebenskraft dieses Gentiles und der Gens verdeutlicht eine gleichfalls noch nicht lange veröffentlichte Bauinschrift aus Lavinium, die ein Camilius

20 Dios wc; XUL XU'WOTTJOUl T<l EV Tfi 1\.ol~ ÖUVT]OO[!EVOc:; wird so von TALBERT (Anm.16) 353; 397 f. interpretiert.

21 Zu CIL VIII 24585; ILAfr 355 + ILTun 1047 (die gesamte Inschrift bei F.JACQUES, Les curateurs des cites dans l'Occident romain de Trajan a Gallien, Paris 1983, 178) siehe THo­MAssoN (Anm.18) 386 Nr.119; LEUNISSEN (Anm. 9) 216. Siehe noch unten Anm.179.

22 Tert. Scap. 4,3. Dazu beispielsweise die Rekonstruktion bei T. D. BARNES, Tertullian. A Historical and Literary Study, Oxford 1971, 162.

23 RMD(= M. M. RoxAN,RomanMilitaryDiplomas 1965-1977,London 1978)Nr. 74add. 24 Dies ist wenigstens hinsichtlich der Datierung nach consules suffecti wahrscheinlich:

vgl. K.DIETZ, Ber. RGK 65, 1984, 175 Anm.26. Zur nachträglichen Eintragung von Datie­rung und Empfängervermerk auf Diplomen vgl. W. EcK, ZPE 108, 1995, 19-22.

25 So noch PIR2 I 232: <<noster enim solus e gente sua cognomine Camilii ususesse videtur.>> Zum Nomen (!) Camilius, das im römischen Senat sonst nur noch einmal, im l.Jh. n. Chr., vorgekommen zu sein scheint: R. SYME, Roman Papers II, Oxford 1979, 668 m. Anm. 2. Zu dessen Verbreitung A. M6csY- R. FELDMANN- E. MARTON- M. SzrLAGYI, Nomenclator pro­vinciarum Europae Latinarum et Galliae Cisalpinae cum indice inverso, Budapest 1983, 63.

I ulius Asp er 487

Asper, v (ir) c(larissimus) cu [rator reipublicae ?] zwischen 313 und 324 in kaiserli­chem Auftrag gesetzt hat.26

3) Das im Februar 1989 in der Abtei S. Nilo von Grottaferrata aufgefundene Fragment eines aufgrund stilistischer Merkmale in die Mitte des 3.Jahrhunderts datierten Kindersarkophags trägt die Inschrift Maesia Titialna c(larissima) p (uel­la ), 'pro'nept(is) I Aspri iunio (ris )_27 Es dürfte wahrscheinlich sein, daß der jünge­re der beiden Konsuln von 212 angesprochen ist.

Wie so oft hat auch hier der Erkenntniszuwachs neue Schwierigkeiten mit sich ge­bracht, was der Forschung natürlich nicht entgangen ist. Vor allem MARIA GRAZIA GRANINO CECERE hatangesichtder Publikation des zuletzt genannten Sarkophag­fragments die Familienzusammenhänge noch einmal erörtert und dabei Fortschritte erzielt. Da aber nicht alle anstehenden Fragen geklärt sind,28 ist der Faden noch ein­mal aufzugreifen. Dabei ist, um nicht in eventuell vorhandenen Vorurteilen hängen­zubleiben, eine neuerliche Beschäftigung mit den Quellenzeugnissen unumgänglich.

I 11. Inschriften aus der Villa Asprorum in Grottaferrata Zunächst besitzen wir eine bemerkenswerte Reihe von Inschriften, meist auf Ehrenbasen aus der reichen Villa der Familie29 auf dem ehemaligen ager Tuscula­nus. 30 Sie lag östlich von Abtei und Dorf Grottaferrata etwa beim 11. römischen Meilenstein der Via Latina, wo man vor dem Dezember 167731 in der <<La Ba­gnara>> genannten Flur am Colle Ginestre zahlreiche Inschriften und Statuen ge­funden hat, die Kardinal Carlo Barberini 167832 teilweise in seine Galerie und den Palazzo Barberini hatte bringen lassen. Darunter befand sich auch der Kithara spielende Apollo <<Barberini>>.33 1730/31 grub an der gleichen Stelle der Grundbe­sitzer Francesco Bianchi aus Frascati neben anderen zahlreichen Objekten auch 12 Marmorstatuen aus, von denen elf Togati waren.34 Er überließ sie dem französi-

26 M. G. GRANINO CECERE, in: Epigrafia e ordine senatorio I, Rom 1982 [1984], 662-666 (AE 1984, 151; TH. GRÜNEWALD, Constantinus Maximus Augustus, Stuttgart 1990, 222 Nr. 270).

27 Sopraintendenza Arch. Lazio Nr. 29977. Veröffentlicht von M. G. GRANINO CECERE, MEFRA 102, 1990, 139-157 (vgl. AE 1990,129). PRO ist nachträglich über der Zeile einge­tragen worden.

28 GRANINO CECERE (Anm.27) bes. 143ff. 29 G.B. DE Ross1, AICA 45, 1873, 193-201; zuletzt die materialreiche Arbeit von

R. NE UD ECKER, Die Skulpturenausstattung römischer Villen in Italien, Mainz 1988, 77-79; 160f. Nr.19. Weiteres GRANINO CECERE (Anm.27) 143-145 Anm.10.

30 Zuletzt NEUDECKER (Anm.29) 77f. 31 Das Jahr 1671 bei NEUDECKER (Anm.29) 77; 160 geht auf eine Konjektur H.DEsSAUs

zurück und ist, wie sich zeigen wird, ganz unsicher. 32 DE Ross1 (Anm. 29) 195 f. zitiert eine vom Kanoniker Santovetti gefundene und von

CozzA mitgeteilte Handschrift, derzufolge sie Kardinal Barberini 1678 von der vigna del Bianchi in seinen Palast transportierte.

33 Vgl. LIMC II 1 (1984) 204 Apollon 146; 376f. Apollo 50. 34 Daß diese Togati Familienmitglieder der Iulii Aspri repräsentierten, braucht man

nicht zu bezweifeln, die Zusammengehörigkeit mit den Inschriftbasen ist indessen bei

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sehen Kardinal und Kunstsammler Melchior de Polignac (1661-1742), der sich in Frascati von seinen Geschäften erholte. Bevor Polignac noch 1731 selbst nach Frankreich zurückkehrte, schickte er seine Sammlung - nach Voltaire <<unique dans l'Europe per sa beaute et sa rarete>>- dorthin.35 Nach G. R. VoLPI hätte Poli­gnac auch die Togati aus der Villa Asprorum bald («mox>>) nach Frankreich über­führen lassen. In den alten Beschreibungen der Polignac-Sammlung sind freilich nur die bedeutenderen Funde enthalten.36 So bleibt durchaus unsicher, ob die To­gati der Villa Asprorum wie die anderen <Marmore des Polignac> je in Frankreich ankamen und schon gar, ob sie 1742 nach Sanssouci und von da die bedeutendsten 1829 in das neugegründete Berliner Museum gelangten. Alle Bemühungen, ihnen noch einmal auf die Spur zu kommen, blieben ergebnislos.37

Die meisten der Statuenbasen aus der Villa Asprorum wurden seinerzeit leider sehr schnell wiederverwendet. Sie sind daher mit wenigen Ausnahmen verloren, und ihr Text ist in der Regel nur handschriftlich überliefert, aber doch einigerma­ßen sicher zu rekonstruieren. Zum besseren Verständnis meiner Argumentation transkribiere ich die Texte unter Heranziehung der weiter unten beschriebenen handschriftlichen Überlieferung:

NEUDECKER optimistisch vorausgesetzt; aber die Inschriften wurden nach 1678 keineswegs bei der <<Barberini-Grabung ... liegengelassen>>, sondern waren längst vom Steinmetz am Kapitol wiederverwendet, als die Ausgrabungen von 1730/31 die Togastatuen ans Licht brachten.

35 Siehe P.PAUL, Le cardinal M. de Polignac, Paris 1922, 323f.; 361-375; ferner J.CAR­REYRE, Dictionnaire de theologie catholique XII 2, 1935, 2416-2418; jetzt P.BERGHAUS­C. ScHRECKENBERG, in: Der Archäologe. Graphische Bildnisse aus dem Porträtarchiv Die­penbroick, Münster 1983, 194 Nr.53 mit Lit.- Vgl. VoLTAIRE, CEuvres ed. BEUCHOT, LIV 485.

36 Vgl. die bei F. BoRRONI, <<Il Cicognara». Bibliografia dell'archeologia classica e dell'arte Italiana II 1, Florenz 1957,220 Nr.405; 230f. Nr.434 und 434,1; 238 Nr.464 genannten Be­schreibungen der Sammlung Polignac.

37 AsTRID DosTERT, Berlin, die eine Arbeit über die Sammlung Polignac vorbereitet, hat mir freundlicherweise mitgeteilt: <<Es läßt sich nicht belegen, daß die 11 Statuen überhaupt nach Paris geschickt wurden. In dem frühesten Inventar des Hotel d'Etampes von 1738, das Kardinal de Polignac von 1734-41 in Paris bewohnte, sind keine Togastatuen aufgeführt. Auch in dem Auktionskatalog von 1742 sind sie nicht verzeichnet. Lediglich die Togastatue eines Knaben mit Bulla wäre hier zu nennen. Sie gelangte mit den Skulpturen der Sammlung Polignac 1742 nach Berlin: Antikensammlung Inv. SK 388; H.R.GoETTE, Studien zu römi­schen Togadarstellungen, Mainz 1990, 136 Kat. B b 120: Datierung antoninisch. Der Kopf ist modern ergänzt. Es scheint mir jedoch zu den Ehreninschriften für die Iulii Aspri keine Verbindung zu bestehen. In der bei G. ToMASSETTI [La Campagna romana antica, medievale e moderna IV: Via Latina, nuova ed. a cura di L. CHIUMENTI e F. BrLANCIA, Florenz 1979, 271 Anm. 1] zitierten Eloge von DE BALUZE auf Kardinal Polignac (Memoires de I' Academie des Inscriptions et Belles-Lettres 16, 1741-43, 317, erschienen 1751) sind nicht die Funde aus der Villa Asprorum erwähnt, sondern jene aus der sog. Mariusvilla an der Via Latina auf halbem Wege zwischen Rom und Frascati: NEUDECKER [Anm.29] Kat. 51, so daß auch hier keine weiteren Aufschlüsse zu erhalten sind.»

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CIL XIV 2505: C(aio) Iulio Aspro I co(n)s(uli),praetori, I curatorz vzae I Appiae, sodali 1

5 Augustali, trib(uno) I [p ]leb(is), quaestori I prov(inciae) Africae, cu lra­

tori aedium sacr(arum) I Sex(tus) Umidius I 10 Artemidorus I amico I incompara­

bili. CIL XIV 2506: C(aio) Iulio Aspro co(n)s(uli), I [p]raetori, curatori I viae Appiae, sodali I Augustali, trib(uno) plebi(s), I 5 quaestori provinc(iae) I Africae I Come­liu[s -- I --]. CIL XIV 2507:38 C(aio) Iulio Aspro I co (n)s (uli), I praetori, curato l[ri viae] Ap­piae, sodali I [Augustali, trib(uno) 1

5 pleb(is), quaestolriprovinc(iae) I Africae, curat(ori)] I aedium sacr[aru]m I L. Metius Mi[m? oder l?]esius 110

[- -]nensis I [- -]censi[.] amico I [incompara]bili.

Z.5-7 von mir exempli gratia ergänzt. Zu Z.10f. siehe noch unten Anm.163.

CIL XIV 2508: [C(aio )] Iulio Aspro I co (n )s (uli), I praetori, curatori I viae Ap­

piae, so da [l (i)] August [al (i)], 15 trib (uno) [pleb (is )], quaestori I provinc(iae)

Africae, curat(ori) I aedium sacrarum I provincia Britannia I patrono. CIL XIV 2509 ( = ILS 1156 ):39 C(aio) I ulio Aspro I co (n )s (uli) designato, I cura­

tori viae Appilae, sodali Augustal 5li, praetori peregr(ino), I trib(uno) pleb(is), quaestor(i) I provinc(iae) Africae, I curat(ori) aedium sacrar(um), I pro­

v(incia) Mauretania 110 Tingitana patrono I optimo.

CIL XIV 2510: [C(aio )] Iulio GaZerio I Aspro I praet(ori) pere(grino ), tr(ibuno)

plebis, I quaest(ori) provinciae 15 Africae, I cur(atori) aed(ium) sacrar(um)l

Comelius Pla [- -] I amico incompalrabili.

Zu Beginn der Zeile 3 halte ich die Überlieferung des Anonymus II für richtig.

CIL XIV 2511: C(aio) Iulio Galer. I Aspro pr(aetori), tr(ibuno) pleb (is ), I quaest(ori) provinc(iae) I Africa[e], cu[ratori] 15 af!df(u)nJ sa(c)[r(arum) ... I

- -] I patrono I benemerenti.

Z. 6 bietet fol. 194 EIP ... 0 ... , fol. 198 ELIPMIV .HS. oder ELIPNIV .. HS.; hier ist wegen patrono ein Hinweis auf eine Gemeinde oder - eher noch - eine Provinz zu erwarten; man könnte an HISPANIA CITER oder gar HISPANIAE TRES (?)denken.

CILXIV2512: C(aio)IulioAspro I co(n)s(uli)candidato, I[--. So DESSAU nach der <manus ignota apud Suaresium Vat. 9140 fol.117>, die offenbar hinzu­setzte: <<sequuntur iidemmet tituli ut in antecedente [gemeint ist CIL XIV 2505], sed nomen dedicantis abrasum est». FABRETTI hält die vier letzten Zeilen frei und deutet damit wohl diese Rasur an. H. DESSAU meinte, FABRETTI habe die Zeilen 3-8 aus 2505 hinzugefügt. Das ist möglich, wäre aber wohl nur dann naheliegend, wenn auch Vat. 9140 fol. 117 die Steine

38 Von E.BORMANN 1868 noch im römischen Palazzo Sciarra gesehen, aber dort nicht mehr nachzuweisen: GRANINO CEcERE (Anm.27) 145 Anm.10.

39 Museo Nazianale Romano, Chiostro, ala IV, Inv. Nr.139: vgl. R. PARIBENI, Le Terme di Diocleziano eil Museo Nazianale Romano, 1932, Nr.318; GRANINO CECERE (Anm.27) 145 Anm.10; 147 Abb.4.

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wie FABRETTI in der Reihenfolge 2511, 2510, 2505, 2512 wiedergegeben und den fünften Stein, von dem FABRETTI spricht, erwähnt hat. Leider konnte ich dies nicht überprüfen (s. unten). - Nach DESSAU wäre auch für CANDIDATO besser DESIGNATO zu schrei­ben. Hier wird man vorsichtiger urteilen, da längst Inschriften bekannt sind, die candidatus und designatus für ein und dasselbe Amt verwenden40 bzw. candidatus in ganz unerwarteter Weise innerhalb des cursus honorum einsetzen.41

CIL XIV 2513: C(aio) Iulio [Galer. I A]sp[ro praetori, trib(uno) I p]l[eb(is),

quaestori pro I v ]i1_1 [ ciae Africae, curatori aedium sacrarum - -].

1 ff. von mir exempli gratia ergänzt.

CIL XIV 2514: Asper I bis co (n )sul I praefectus I urbi.

1 ff. Ob dies der ganze Text war, läßt sich nicht mehr sicher sagen, ebensowenig, ob die Zei­lentrennung die des Originals war. Es handelte sich jedenfalls nicht um die Inschrift einer Statuenbasis, da sie laut G. R. VoLPI (Anm. 53) auf einem <<Iapis albus cum magnis !itteris>> stand, während «mox basis statua: apparuit cum inscriptione: IVLIAE IVLIANAE SORO­RI ASPRI.>>

CIL XIV 2516: - -, patrono] I provinciarum V(= quinque) I Hispaniar(um) tri­

um et I M [a ]ure [t ]aniar(um) duar(um ), I oratori praestantissimo, 15 defensori

clientium I fidelissimo. Zu diesen Texten aus Grottaferrata gesellt sich eine weitere Inschrift aus dem

syrischen Heliopolis-Baalbek, die A.STEIN 1947 G.BARBIERI mitgeteilt hatY Nach den Seheden der Prosopographia lmperii Romani hatte sie bereits H.DESSAU von einem leider verlorenen Abklatsch abgeschrieben. Danach wurde der wohl bei den deutschen Ausgrabungen in Heliopolis um die Jahrhundertwende bekannt ge­wordene, inzwischen verschollene Stein43 niemals wirklich publiziert. Glücklicher­weise hatte ihn aber der ehemalige Inspekteur der Altertümer der Beqaa, CHAKER GHADBAN, im Depot von Baalbek wiedergefunden und in seiner an der Universite Lyon II vor rund zwanzig Jahren angenommenen «these de doctorat de 3eme Cy­cle» vorgelegt. Der Eintrag lautet:44 «Bloc en calcaire. Dimensions 50 x 32 cm.

40 V gl. statt des üblichen quaestor candidatus den quaest ( or) designatus ILA!g II 626, dazu M.S.BASSIGNANO, II flaminato nelle province Romane dell'Africa, Rom 1974, 241; ferner er­scheint der Titel tribunus piebis designatus candidatus CIL VI 1421 (= ILS 1051; dazu zuletzt 0. SALOMIES, Adoptive and Polyonymous Nomenclature in the Roman Empire, Helsinki 1992, 28; hadrianisch); vgl. CIL III 6814 (= ILS 8976a; mit PIR2 N 191; SALOMIES a.O. 81).

41 AE 1985,752: lmp (eratori) Caes(ari) [Marco Aurel(io) I Severo Alexandro] pio I Je­fici invicto Aug(usto) I pontifici maximo, 15 patri patriae, I C(aius) Quintus [Decius] leg(atus) Aug(usti) pr(o) pr(aetore) provinciarum I Moesiae itemque Germani(ae) inferiorum, 110 candidatus Aug(usti), I devotissimus I dicatissimusque I numini I maiestatique I eorum.

42 G. BARBIER!, L'albo senatorio da Settimio Severo a Carina (193-285), Rom 1952, 72 Nr.295.

43 Vgl. J.-P. REY-COQUAIS, IGLS IV S.19f. 44 Das von ihm aufgenommene Foto hat CH. GHADBAN seiner these leider nicht beigege­

ben, und es ging im Zuge der Ereignisse im Libanon verloren. CH. BADEL, der eine these

I ulius Asp er 491

Epaisseur 21-24 cm. Brisevers le bas. Haut. des lettres: Ligne 1: 6 cm. Autres lig­nes: 4-4,5 cm. On voit actuellement sur la pierre:

C · IVLIO ·GA LER · ASPRO · PRAE TORI · PEREG · TRIB

4 [P]LEB · QVAEST - - - - ->>

Z. 3 f.las DESSAU geringfügig abweichend: tri [b (uno )] I [pl]eb (is ), quae [stori-- -.

Nach der herrschenden Meinung, wie sie beispielsweise auch in der zweiten Auflage der PIR erscheint, sollen fast alle diese Inschriften sicher dem Asper II ge­setzt worden sein, lediglich 2516 wird mit Vorbehalt dessen Vater, Asper I, zuge­wiesen.45

IV. Zur handschriftlichen Überlieferung Cod. Vat. Lat. (olim Barberinus) 9140, fol.194ff Die handschriftliche Überlieferung der Inschriften aus der Villa Asprorum hat H. DESSAU im verfügbaren Umfang ausgewertet. Einige zusätzliche Bemerkungen scheinen am Platze zu sein. Besondere Bedeutung kommt Codex Vaticanus Lati­nus (olim Barberinus) 9140 zu; er enthält eine Sammlung von Inschriften, die in ihrem Hauptteil von GmsEPPE MARIADE SuARES stammt, zuerst Bischof von Vai­son-en-Provence (1633-1666) und dann als Präfekt der Bibliotheca Vaticana einer der gelehrtesten <familiari> des Kardinals Francesco Barberini. Mit seinem Tod 1677 vererbte er dem Kardinal seine Materialien. Vat. Lat 9140 bietet neben narbo­nensischen vorwiegend stadtrömische Inschriften, doch sind dem Originalbestand später einzelne Blätter zugebunden worden.46

Auch die unsere Iulii Aspri betreffenden Abschriften gehen nicht alle auf SuA­RES zurück. Die folgende Beschreibung stützt sich auf die mir freundlicherweise von der Biblioteca Apostolica Vaticana zur Verfügung gestellten Fotokopien. Lei­der fehlt DEssAus Anonymus Suaresii (=Anonymus 1), denn die mir aus der Vati-

zu den Senatoren der Severerzeit vorbereitet, kennt keine Publikation (freundlicher Hinweis von J.-P. REY-COQUAis).

45 PIR2 I 182 und 334. NEUDECKER (Anm. 29) 78, der für Asp er I mindestens acht Por­trätstatuen feststellt und wegen des Beinamens Galerius drei weitere [2510, 2511 und 2513] für Asper II reklamiert, geht hinterM. RAT u. J. BAYET, REp NS 2, 1914, 243 zurück, die ge­sehen haben, daß der cursus honorum in 2510 keinerlei Zweifel offenlasse, daß dieselbe Per­son wie in 2505 gemeint sei.

46 Vgl. A.FERRUA, RAL 1986,207-217 (zu den narbonensischen Inschriften); vgl. zu Vat. Lat. 9140 noch die Hinweise bei M. CERESA, Bibliografia di fondi manoscritti della Bibliote­ca Vaticana (1981-1985), Vatikanstadt 1991,606. Zu G.M.SuARES z.B. M.E.CosENZA, Bio­graphical and Bibliographical Dictionary of the Italian Humanists and of the World of Clas­sical Schalarship in Italy, 1300-1800, IV, 21962, 3347.

492 Karlheinz Dietz

kanischen Bibliothek als Vat. lat. 9140 fol. 117 zugesandte Seite enthält die angege­benen Texte nicht.47 Eine Nachfrage ergab schließlich, <<dass sich in der ganzen Handschrift Vat. lat. 9140 nicht die ... zitierten Angaben befinden; wahrscheinlich handelt es sich um eine andere Hs.>> 48

In Vat. lat. 9140, fol. 194 ff. lassen sich mindestens drei Urheber ausmachen: 1. GrusEPPE MARIADE SuARES: Vom Schreiber der sonstigen Handschrift 9140,

mithin von SuARES selbst, stammen ganz eindeutig die Eintragungen auf fol. 198, 199v, 200v und 201. Nicht alle beziehen sich auf die Iulii Aspri:49 so bietet fol.199v eine griechische (Architrav)-lnschrift von Sa.Maria in Grottaferrata50

und fol. 200 in großen Lettern eine Kopie von Inschrift CIL XIV 2493, die nach der von SuARES stammenden Beschriftung der Rückseite (fol. 200v) am 25. Mai 1671 <<Don Atanasio Gradenigo monaco di S. Basilio>> anvertraut wurde. Darauf ist noch einmal zurückzukommen. Fol.201 zeigt von der Hand des SuARES die In­schriften CIL XIV 2537 und darunter 2544 sowie einen längeren, hier belanglosen Text. Einen ganz anderen Eindruck macht die darunter stehende, viel grober wir­kende Kopie der Architravinschrift CIL XIV 2515 b. Man würde vielleicht einen anderen Kopisten postulieren, wäre da nicht die eindeutig auf SuARES zurückge­hende Beischrift <<In Crypta Ferrata» (Abb.1). Bestätigt wird diese Variabilität der Handschrift des SuARES durch die groben Kopien von CIL XIV 2511, 2515 a und 2513 auf fol.198, da auch hier die zugehörigen Fundortangaben (<<In radici­b(u)s m(on)tis Tusculani>> etc.) eindeutig von ihm herrühren und organisch mit den Kopien verbunden sind (Abb.2). Stammt aber die Abschrift fol.201 unten von SuARES, so ist ihm aufgrund der zahlreichen Übereinstimmungen mit großer Wahrscheinlichkeit auch die schräggestellte Majuskel mit den stark betonten Dipla von fol. 196 (ein kleineres Blatt mit unverständlichen Zeichnungen am unteren Rand) zuzuweisen, die den Text von CIL XIV 2506 und 2516 wiedergibt (Abb.3).51

2. Der Anonymus II: Folien 194 f. zeigen- im Querformat- insgesamt fünf sti­lisierte Basen (Abb.4-5) mit gerahmten Schriftfeldern und den Texten von CIL XIV 2509, 2510, 2511 (fol.194) bzw. 2508 und 2505 (fol.195). Wie der Vergleich mit der noch erhaltenen Basis 2509 zeigt, hat der Kopist Rahmung und Gebälk recht frei wiedergegeben (Abb. 6 ). Die Schriftflächen waren - auch das wird deut-

47 Auf fol.17 finden sich von der Hand des SuARES vielmehr ICVR VII 19464; CIL VI 24040; ICVR VII 18157; 19148; 19112; 18635; 18507; 18796; 18874 und 19807 aus dem Coe­meterium Cyriacae an der via Tiburtina (teilweise fol.124 und 124v wiederholt).

48 Briefliche Mitteilung vom 22. 1. 1993. 49 Fol. 197 enthält gar nur Berechnungen eines abgebildeten polygonalen Körpers. 50 Gedruckt bei A. N IBBY, Analisi storico-topografico-antiquaria delle carta de' Dintorni

di Roma II, Rom 1857, 139f. 51 Die Gemeinsamkeiten beider Schriften sind so auffallend, daß die merkwürdigen

Punkte über den I (einmal sogar über T) in fol. 196 zweifellos einen uns nicht mehr nach­vollziehbaren Zweck hatten.

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I Abb.1: Inschriften aus Grottaferrata nach Giuseppe Mariade Suares Cod. Vat. Lat. fol. 201 (teilweise): oben CIL XIV 2537 und 2544, unten 2515 (b).

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Abb. 2: Inschriften aus Grottaferrata nach Giuseppe Maria de Suares Cod. Vat. Lat. fol.198: CIL XIV 2511, 2515(a) und 2513.

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494 Karlheinz Dietz

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g Abb. 3: Inschriften aus Grottaferrata nach Giuseppe Mariade Suares Cod. Vat. Lat. fol.196:

CIL XIV 2506 und 2516.

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PATRONO BENEMERENTI

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Abb. 4: Inschriften aus Grottaferrata nach Anonymus II Cod. Vat. Lat. fol.194 (links und rechts): CIL XIV 2510 und 2511.

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PRAETORICVRATORI I~EAPPJAESODAE AVGVSTI TR JB:::s- QYAESTOR I

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PROVINCIABRITANNJA PATRONO

GTVLIOASPRO COSPRAETORJ CVRATORI VIA E APPIAE SODALJ AVGVSTALITRIB LEB Q._VAESTOR 1 B_OVA ER IC.'\EGV

RAIORlAEDIVMSO JIECLAVDJYS

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J Abb. 5: Inschriften aus Grottaferrata nach Anonymus II Cod. Vat. Lat. fol.195:

CIL XIV 2508 und 2505.

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'i COSOESIGN.\TO I~ ;CVSATORlVIAEAPPl ~ . . I

1-\ESODALlAVGV5TA li ~ ~IPRAEJOREPERECR j! -n~t, : I'JRIB.?LE3-~1VAE.S TOR ,: 'hf_f~ · ! ""'-.: I tT. i PROVI~CIAE RIGA!> .I .

'RA!...AIPIVJ/\.s;..cRAR 1 L. q-.~l!r

PROVINVRJTANIA I "lA .t INOC.ASlAPAI.ItONO 1

OPIT IM 0 c,.,., --=-:.~· ·.- --

Abb. 6: Inschriften aus Grottaferrata nach Anonymus ll/lll Cod. Vat. Lat. fol. 194 (links): CIL XIV 2509 und aktuelle Aufnahme mit modernem Sockel (DA! ROM lnst. Neg. 89-704).

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I ulius Asp er 497

Abb. 7: Inschriften aus Grottaferrata nach Anonymus// Cod. Vat. Lat. fo/.195 (unten):

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CIL XIV 2518.

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Abb. 8: lnschrift~n aus Grottaferrata nach Cod. Vat. Lat. fo/.199: unten Anonymus II mit Architravzeichnung CIL XVI 2515(a), oben Anonymus/// zu CIL XIV 2514 und 2517.

498 Karlheinz Dietz

lieh - ziemlich verwaschen, wodurch die zahlreichen Lesefehler verständlicher

werden. Die Abschriften nehmen keinerlei Rücksicht auf die schwankenden Buch­

stabenhöhen, vielmehr scheinen alle Zeilen gleich hoch zu sein, was der Realität

natürlich nicht entsprach. Unter den beiden Basen erscheint auf fol.195 noch der

stilisierte Architrav 2518 (Abb. 7). Die Verwandtschaft zu der anderen Architrav­

zeichnung CIL XVI 2515 a auf fol.199 ist offenkundig (Abb. 8), man vergleiche

nur die Dipla, die S und C. Die normale Schrift von Anonymus II war sehr

schnörkelig, wie die Maßangabe unterhalb des stilisierten Architravs CIL XIV

2515 a auf fol.199 zeigt: <<Long. palm. 9, Lat. 3, Crass. 22/ 2» [ = ca. 600 x

66 x 55 cm].

3. Der Anonymus I II: Zusätze von anderer Hand verbesserten in fol. 194 f. be­

sonders am Rand von 2509 und 2511 zahlreiche Lesefehler. Allem Anschein nach

die nämliche, recht kleine Schrift findet sich auf fol.199 oben, wo nach der Fund­

ortangabe «Prope Grotaferratam» die Texte von CIL XIV 2514 und 2517 (beide

ohne Zeilentrennung) erscheinen. Es folgt ein Zusatz: «Mur(atori) 353.1.2.>> Nach

den mir verfügbaren Kopien scheint er von der gleichen flüssigen Hand herzurüh­

ren. Sofern diese Beobachtung am Original zu bestätigen ist, gehörte Anony­

mus III in die Zeit nach 1739. Wegen der auffälligen Form der <<2>> gehen auf ihn

wohl auch die Verweisungen auf die Nummern im Sammelwerk FABRETTis von

1702 zurück,52 die auf fol.194 unter der mittleren Basis, auf fol.195 rechts neben

CIL XIV 2511 und rechts oben auf fol. 198 über der jetzigen Folienzählung zu se­

hen sind. Anonymus 111 war zwar zweifellos der kundigste Überarbeiter der

Handschriften, sollte aber als eigenständiger Textzeuge nicht mehr verwendet wer­den. 53

52 Aber wegen der ganz anderen Form der <<2>> nicht identisch mit dem Verfasser des von mir nicht verifizierten Verweises links oben auf fol.194 (<<Gr. 132 n. 25°>> ).

53 So aber H. DESSAU bei CIL XIV 2514; 2517 nach dem Vorgang von DE Ross! (Anm. 29) 195 und 199. DE Ross! geht a. 0. 195 sogar davon aus, die beiden fraglichen Stei­ne seien bereits im 17.Jh. einmal abgeschrieben worden (eben in fol.199), was dem recht eindeutigen Bericht bei J.R.VuLPIUS (VoLPI), Vetus Latium Profanum VIII, Rom 1742, 236 f. widerspricht: ... anno a Virginis Partu trigesimo supra millesimum septingentesimum Franciscus Blancus Tusculanus Civis primarius, idemque Tusculanae militiae Dux, sive Cen­turio, in praedio suo prope Tusculanum olim Ciceronis, et proxime locum, qui vulgo Ia Ba­gnara, praeter innumera elaboratorum marmorum fragmenta, refodit quamplurimas tegulas maximi moduli, quas Antiqui Opus Doliare nominabant, eoquod testaceae essent, ejusdem­que materiae ac dolia, sive amphorae, in quibus vinum, non in cellis vinariis subterraneis, sed in altis horreis pice linitum, unde picatum, asservabatur. Sub hisce tegulis ossa mortuo­rum permulta. Exinde hypocausta, et scalas ex lapide Tusculano, vulgo Peperino; e quibus in cubicula descendebatur, musivo ac tessellato opere instrata; parietibus autem veterem pic­turam adhuc identidem ostendentibus, quadratisque e laterculis pulehre compactis. Intraque Blancus idem loci dominus ad duodecim marmoreas statuas invenit, quas Melchiori Polig­naco Gallo Cardinali dono dedit; qui in Gallias mox easdem transmisit. Inter haec refossus Iapis albus [sei!. 2514] cum magnis litteris: ASPER BIS CONSVL PRAEFECTVS URBIS; et mox basis statuae apparuit cum inscriptione [sei!. 2517]: IVLIAE IVLIANAE SORORI

I ulius Asp er 499

Durch die Zuweisung von fol. 196, 198 und 201 an SuARES läßt sich als Terminus ante quem für die Auffindung von CIL XVI 2506; 2511; 2513; 2515a; 2515 b und 2516 dessen Tod am 7.Dezember 1677 angeben. Ein Zusammenhang zur Entdek­kung der am 25. Mai 1671 sicher bekannten Inschrift CIL XIV 2493 ist möglich, aber in keiner Weise zwingend. Denn die von DESSAU im Lemma zu den Aspri-ln­schriften zitierte Notiz des SuARES: <<lnscritt(io)ni di Grottaferrata- raccomanda­to al Don Atanasio Gradenigo monaco di S. Basilio ivi professo - 1671 a di 25 maggio>> (fol. 200v) bezieht sich nur auf diese eine Inschrift. Folium 200 ist aber ein quer eingebundenes, ehedem zweifach gefaltetes Blatt, das innen eine ungeübte Abschrift von 2493 zeigt und nach der Faltung außen mit der zitierten Bemerkung versehen ist. Der Plural Inscritt(io)ni54 ist am ehesten eine Gattungsbestimmung, der Singular raccomandato bezieht sich gewiß nicht auf die Inschrift, sondern auf das Blatt und hat am ehesten die Bedeutung eines postalischen Vermerks gehabt: demnach hat SuARES dieses Blatt dem Mönch Atanasio Gradenigo wohl am 25. Mai 1671 zukommen lassen, wie immer die Übermittlung auch ausgesehen ha­ben mag. Damit wird es eher unwahrscheinlich, daß dieser Vermerk mit den Tex­ten der Villa Asprorum zusammengebracht werden darf. Er gehört auch im CIL zum Lemma von 2493, wo zudem die Behauptung <<traditur una cum n. 2505 seq.» zu streichen oder wenigstens zu präzisieren ist.

Festzuhalten ist, daß um 1677 weit mehr als die von SuARES selbst abgeschriebe­nen Steine bekannt waren. Denn Anonymus I (der leider nicht zugänglichen <<fol.117») hat nicht nur den auch bei SuARES überlieferten Stein CIL XIV 2511 <<penes lapicidam sub Capitolio» kopiert, sondern zudem die Texte 2505, 2510 und 2512. Das geschah gewiß nicht lange nach der Auffindung und dem Transport dieser Steine in die Stadt, jedenfalls aber vor 1702, da in diesem Jahr die Abschrif­ten des Anonymus I bereits von RAFFAELLO FABRETTI (ca. 1619-1700) gedruckt wurden.55 Anonymus II ist nun den beiden anderen Kopisten gleichfalls durch 2511 verbunden, hat aber mit SUARES zusätzlich 2515a und mit Anonymus I noch 2505 und 2510 gemein. Insgesamt müssen also die Basen 2505, 2506, 2508, 2509, 2510, 2511, 2512, 2513 und 2516 sowie die beschrifteten Architekturteile 2515 a, 2515 b und 2518 von den ersten Ausgrabungen kurz vor dem Tode des SuA­RES stammen. Da zudem der mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Villa Aspro-

ASPRI. Quae omnia in imo admodum ac depresso solo sita erant. siquidem subtus, atque in­fra ipsam agri, humilis ceteroquin, planiciem, viginti adhuc ipsos palmos, fossores descen­derunt, inventione marmorei brachii sculpturae perelegantis allecti, et reliquum statuae se reperturos sperantes. Eoque magis, quod ibidem loci a Cardinali quondam Carolo Barberini egregii operis statua fuerat refossa.» Danach lagen diese Inschriften also in großer Tiefe.

54 Ich gehe von der Richtigkeit dieser Lesung aus, da sie sich auf meiner Kopie weder be­stätigen noch widerlegen läßt.

55 Inscriptionum antiquarum quae in aedibus paternis asservantur explicatio et addita­mentum una cum aliquot emendationibus Gruterianis, Rom 1702, 51 Nrr. 291, 290, 289 und 292.

500 Karlheinz Dietz

rum stammende, handschriftlich nicht tradierte Marmorcippus CIL VI 31716 bis 1886 als Türschwelle der alten Sakristei von S.Maria in Ara Coeli in Rom verbaut war, ist davon auszugehen, daß Anonymus I nicht alle beim Steinmetz unterhalb des Kapitols verarbeiteten Inschriften kopiert hat. Umgekehrt haben nicht alle Steine diesen Weg in die Wiederverwendung genommen, da E.BORMANN 1868 im Palazzo Sciarra nicht nur den von Anonymus II kopierten Stein CIL XIV 2509 ge­sehen, sondern mit 2507 noch eine weitere, im 17. und 18.Jahrhundert nicht ko­pierte Ehrenbasis aus dem Aspri-Komplex vorgefunden hat.56 Die bis auf 4,45 m hinabreichenden <Grabungen> des Winters 1730/31 waren epigraphisch relativ we­nig ergiebig. In der Zeit unmittelbar danach erschienen neu nur 2514 und 2517 bei L.A.MuRATORr,57 G.R.VoLPr58 und G.PLACENTINr59 im Druck. VoLPI erwähnt ausschließlich nur diese beiden in beträchtlicher Tiefe gefundenen Steine, von de­nen der eine (2514) ein weißer Stein mit großen Buchstaben, der andere (2517) eine beschriftete Statuenbasis gewesen sei. Gesehen hat diese Texte allem Anschein nach am 16.Februar 1733 der Benediktiner DoMENICO GroRGI aus Rovigo (ca. 1690-1747), der sie in Band XVI seiner in der römischen Bibliotheca Casanatensis (im Dominikanerkonvent von S. Maria sopra Minerva) aufbewahrten Seheden mit Zeilentrennungen wiedergibt.60 GAETANO LurGr MARIN! (1742-1815) hat dann ge­gen Ende des 18.Jh.s erstmals auch 2506,2508,2509, 2515a, 2516 und 2518 veröf­fentlicht. 61

56 GRANINO CECERE (Anm.27) 145 Anm.lO. 57 Novus Thesaurus veterum inscriptionum praecipuis earundem collectionibus hactenus

praetermissarum I, Mailand 1739, 353 nach J.J. RAMAGGINI: <<Eo in loco effossae fuerunt un­decim Statuae togatae cum aliis Marmoribus.>> Weitere von RAMAGGINI an MuRATORI ge­schickte Inschriften waren etwa CIL XIV 2499; 2613f.; 2634; 2656; 4120, 3.

58 Dazu oben Anm. 53. 59 GR PLACENTINUS, Commentationes graecae pronunciationis notis in veteres inscriptio­

nes, Rom 1751, 51 zum Nasalschwund in CIL XIV 2514: <<reperta est haec marmorea In­scriptio eo loci, qui vulgo dicitur La Bagnara ab antiquis Rarnanorum Balneis prope Cryp­tamferratam; dum Eminentissimus Cardinalis de Polignac circa eum locum excavari curabat anno circiter 1730.>> Ebd. 52: <<Ibidem haec alia inventa est Inscriptio:>> folgt 2517, dabei sind AE in I uliae ligiert.

60 L. LoRETO fand diesen Befund bestätigt. Nach seiner freundlichen Mitteilung steht bei D.GroRGI, MSS di varie materie in 31 fascicoli (MSS 1109-1141), XVI p.250f.: «Sono stati trovati l'anno 1731 nella vigna del Sig. Alfier (oder A!tier) Bianchi, cittadino di Frascati. Vi­cino a Grottaferrata [<<Grottaferrata>> hinzugefügt]. La primaein pietra quadrata in caratteri grandi ma mal intagliati. La seconda e in una cornice spezzata, di marmo, e pare ehe sia come una cornice di gradino, quando non fasse il coperchio dell'anello. Sono piu bassa ben formati.>> Vgl. DE Rossr (Anm.29) 194; 199. Zu GroRGI etwa CIL VI S. XCV; XIV S. IV; CosENZA (Anm.46) II 1583f.

61 Gli atti e monumenti de' Fratelli Arvali, scolpiti, gia in tavole di marmo ed ora racco!ti, diciferati e commentati, Rom 1795, 780; 784 f.

I ulius Asp er 501

V. CIL XIV 2506 + 2516 Ein spezielles Problem bieten die Eintragungen in CIL XIV 2506 und 2516. Beide Texte sind ausschließlich auf folium 196 des Cod. Vat. Lat. 9140 tradiert. G.MARI­NI hat sie - wie eben erwähnt - erstmals veröffentlicht, und zwar auf den Sei­ten 780 und 785, also an getrennten Stellen. B. BoRGHESI ging diesen Weg konse­quent weiter, indem er 2516 unter Hinweis auf die Übereinstimmung von oratori praestantissimo und öu't :n:möetav bei Cassius Dio auf Asper I bezog.62 Vorsichti­ger äußerte sich H. DESSAU im CIL: «Hoc utut sit, spectare ad aliquem ex Aspris hunc titulum prohabile est.>> In der PIR2 wird, wie schon erwähnt, 2516 mit Vor­behalt dem Asper I, 2506 sicher dem Asper II zugewiesen.

Sieht man genauer zu (Abb. 3), so trifft DESSAus Anmerkung zu CIL XIV 2516 «supra esse mutilam non significatur in apographo>> den wirklichen Sachverhalt nur zum Teil. Fol. 196, das wir aufgrund der Schrift SuARES selbst zugesprochen haben, enthält außer unklaren Kritzeleien am unteren Rand nichts als CIL XIV 2506 (oben) und 2516 (unten). Da einige Buchstaben durchgestrichen oder über die Zeile gezeichnet sind, dürfte es sich eher um Notizen von Leseversuchen am Original als um reflektierte Kopien handeln.63 Dabei gibt es auffällige Gemein­samkeiten der beiden Abschnitte: Fundortangaben fehlen, die Zeilenführung ten­diert jeweils nach rechts oben, die Zeilenanfänge des oberen und unteren Texts passen zueinander, die Schrift ist zweifellos die gleiche, wobei die Übereinstim­mungen bis zu den deutlich markierten Dipla, den Punkten über den I reichen usw. Rein äußerlich betrachtet bestünde folglich kein Anlaß, die Kopie von mehr als einer einzigen Inschrift zu vermuten, wäre da nicht der Zwischenraum nach der 7. Zeile des oberen Texts. Die Frage ist nun, wie dieser leere Bereich zu inter­pretieren ist, und sie stellt sich um so dringender durch die formale Feststellung, daß dem oberen Text (CIL XIV 2506) der untere Teil und dem unteren Text (2516) der obere Teil fehlt. Zusätzlich nennt der obere Text einen Dedikanten, der untere nicht, ja, es hat überhaupt den Anschein, daß der eine Abschnitt hat, was dem anderen abgeht. Wenn MARINIdennoch von zwei Texten ausging, so ge­wiß wegen des Nominativs Cornelius, der den oberen Text (2506) wie eine Varian­te der sonstigen Basen 2505 und 2507ff. wirken läßt. Allerdings ist dagegen einzu­wenden, daß sich 2506 von den anderen schon dadurch geringfügig unterscheidet, daß hier das (munizipale) Amt des curator aedium sacrarum offenbar nicht ver­zeichnet war. Auf der anderen Seite hätte es sich bei 2516 um eine Inschrift ohne Dedikanten gehandelt. So bleibt zu prüfen, ob in fol. 196 nicht doch die Kopie nur eines einzigen Textes vorliegen kann und die moderne Auseinanderreißung seit MARIN I willkürlich geschah, m. a. W. ob SUARES nach Cornelius (2506, Z. 7)

62 CEuvres completes VII, Paris 1872, 95 u.a. zu Cass. Dio (Exc. Val. 357) 77(78),5,3. 63 DE Rossr (Anm.29) 197f. bezweifelte wohl zu Unrecht die Richtigkeit der Abschrift:

se intera fede merita l'esemplare barberiniano oggi vaticano (cod. cit. fol. 196), di ehe io du­bito assai.

502 Karlheinz Dietz

nicht einen unleserlichen Teil oder eine Rasur einfach durch einen Leerraum dar­gestellt hat, wie dies zu seiner Zeit durchaus nicht unüblich war.64 Gleich zu präzi­sierende Überlegungen zum Formular könnten skeptisch stimmen. Aber es ist zu beachten, daß gerraue Analogien angesichts der überaus geringen Zahl von In­schriften für Provinzpatrone gar nicht zu erwarten sind, um so weniger als das si­multane Patronat über mehrere Provinzen eine singuläre Erscheinung der Aspri­Inschriften zu sein scheint. Im Normalfall aber folgte - wie bei den oben abge­druckten Inschriften 2505 und 2507ff.- auf den Nominativ des Stifters nur noch ein meist knapper Hinweis auf das Verhältnis des Dedikanten zum Geehrten (ami­co optimo, patrono etc.). Natürlich war das keine zwingende Vorschrift. Deshalb konnte gelegentlich hinter dem Stifternamen auch ein umfangreicher Text ste­hen.65 Entscheidend dabei und all diesen, wie gesagt, nur grob vergleichbaren Bei­spielen gemeinsam ist, daß hinter den Stifternamen reguläre Bestandteile des cursus

honorum nicht mehr auftauchen dürfen, allenfalls Hinweise auf allgemeine Lei­stungen oder Fähigkeiten des Geehrten. Gerrau dies aber ist auch in 2516 gegeben, wo der stark adulatorische Charakter sich klar aus den Superlativen ergibt. Damit bietet sich folgender Text an: CIL XIV 2506 + 2516 (Abb. 3): C (aio) I ulio Aspro co (n )s (uli), I [p ]raetori, cura­tori viae Appiae, sodali I Augustali, trib (uno) plebi (s ), 1

5 quaestori provinc(iae) I Africae, I Corneliu [s - - I - - amico, patrono] I provinciarum V ( = quinque) 110

Hispaniar(um) trium et I M[a]ure[t]aniar(um) duar(um), I oratori prae­stantissimo, I defensori clientium I fidelissimo.

Diese die beiden Textabschnitte von fol. 196 zusammenfassende Lesung geht mit der Wiedergabe bei SuARES viel besser überein als die bisher bevorzugte Annahme von zwei Fragmenten. Die Konsequenz ist gravierend: nach dieser Neuinterpreta­tion von fol. 196 entfällt die bisherige Sonderrolle von 2516, die H. DESSAU dazu veranlaßt hatte, diese Inschrift 2516 Asper I, die Texte 2505-2513 aber Asper II zuzuweisen.66 Wie wir jetzt sehen, ehrten vielmehr 2505, 2506 + 2516, 2507-2513 alle ein und diesselbe Person. Dabei muß 2506 + 2516 früher gesetzt worden sein als 2508, weil zu den dortigen fünf Patronaten über die drei spanischen und die beiden mauretanischen Provinzen hier als sechster noch der über Britannien hin­

zukam.

VI. Asper I! ist derflamenvon CIL VI 1982/83 Ein ganz eigenes Problem wirft die Ersetzung eines Iulius Asper in den Fasti der patrizischen Salii Palatini im Jahr 201 auf, die sich aus folgendem Zeugnis ergibt. CIL VI 1982/83 add.:67

64 Vgl. FABRETTis Wiedergabe von CIL XIV 2512. 65 Vgl. z.B. ILS 1110; 1202; 1217; 1230; 1445. 66 Vgl. den Kommentar DESSAUs CIL XIV S.246f. 67 GRANINO CECERE (Anm.27) 151-153; 154 Abb.7; 156 Abb.8.

I ulius Asp er

[L.Annio Fabiano M.Nonio Ar]rio Mulciano cos. 10 [--in locum] Corneli [A]Inullini augur[is]

[--in locu]m Juli [A]Isprif[laminis]

503

Nach der Ergänzung trat ein Iulius Asper aus dem Kollegium aus, weil er flamen wurde. Das linke Fragment (vor den senkrechten Strichen) ist verschollen, die ver­lorenen Partien sind unterstrichen. Die Überprüfung der Inschrift anhand von Fo­tos ergibt, daß [A]SPRI unanfechtbar ist.68 Wollte man nicht die Lesung des Gen­tilnamens bezweifeln,69 müßte also ein Mitglied unserer Familie um 200 Patrizier gewesen sein. Man hat frühzeitig eine Identifikation mit Asper II vermutee0 oder auf einen Bruder getippt. 71 Da auch dies nicht völlig befriedigte, nahm GRANINO CECERE unlängst an, beim Salier müsse es sich um einen Angehörigen eines - sonst gänzlich unbekannten - Seitenzweiges der Iulii Aspri gehandelt haben.72 Indes­sen wirkt auch das kaum überzeugend, weil wir in Asper 111, also im Sohn von Asper II und Enkel von Asper I, durchaus einen Patrizier dieser Familie kennen. Freilich war dieser gemäß seiner im nächsten Abschnitt behandelten Inschrift lupercus 73 und septemvir epulonum/4 nicht aber flamen. 75

Bleiben die Einwände zu beachten, die gegen eine Identifizierung des flamen von 201 mit Asper II ins Feld geführt werden:76 Als Konsul von 212, so argumen­tiert man, sei er um 201 tribunus plebis, also unmöglich Patrizier gewesen; wenig glaubhaft sei es ferner, daß das hochangesehene Saliat auf den tusculanischen Eh­rungen übergangen worden wäre. Beide Argumente sind indessen nur so lange von Wert, wie man die tusculanischen Inschriften 2505, 2506 + 2516, 2507-2513

68 Außer den Fotos bei GRANINO CECERE (vorige Anm.) steht mir noch eine Aufnahme aus dem Archivio fotografico der Musei Vaticani Nr. XXVIII. 10.359 zur Verfügung.

69 So aber H.DEssAu, PIR I 114: <<Vide ne lectio nominis ex duobus fragmentis, quarum alterum periit, concinnati mendosa sit.>> Gefolgt von L. ScHUMACHER, Prosapographische Untersuchungen zur Besetzung der vier hohen römischen Priesterkollegien im Zeitalter der Antonine und der Severer (96-235 n. Chr.), Diss. Mainz 1973, 249.

70 Z. B. B. BoRGHESI, CEuvres completes VII, Paris 1872, 96; vgl. den Kommentar zu CIL VI 1982; siehe auch H.-H. PrsTOR, Prinzeps und Patriziat in der Zeit von Augustus bis Commodus, Cuxhaven 1965, 198.

71 Z. B. W. H. WADDINGTON, Fastes des provinces asiatiques de !'Empire romain, Paris 1872, Nr.168; PIR2 I 181 m. Stemma. An der Existenz eines solchen Bruders noch 212 gibt es wegen taue; ulouc:; autoü bei Cass. Dio (Exc. Val. 357) 77(78),5,3 keinen Zweifel. Wie sich zeigen wird, hieß dieser aber gar nicht Iulius Asper, sondern Iulius Calidus Severus.

72 GRANINO CECERE (Anm.27) 153. 73 Dazu U.BIANCHI, DE IV 69/70, 1980/81, 2204-2212. Die Verbindung mit dem Sep­

temvirat nur noch CIL VI 1397 (= ILS 1203). 74 Die Liste der wenigen (nichtkaiserlichen) Amtsträger gibt L. ScHUMACHER, ANRW II

16, 1, 1978, 695-697, der ebd. 659 Nr. 63 für Asper III freilich einen Kooptationszeitpunkt <<nach 218>> ansetzt.

75 PIR2 I 232. 76 Vgl. GRANINO CECERE (Anm.27) 145 Anm.10.

504 Karlheinz Dietz

mit H. DESSAU Asper II und nicht Asper I zuweist. Entscheidet man sich indessen für letzteres, so ergibt sich eine unproblematische Verteilung der Priesterämter auf die drei Generationen: der Volkstribun Asper I war sodalis Augustalis, sein Sohn Asper II salius Palatinus und jlamen (und später pontifex), sein Enkel Asper 111 lupercus und VIIvir epulonum. Diesem an sich unproblematischen Sach­srand könnte allenfalls die auf der prätorisehen Stufe recht kurze Laufbahn der tusculanischen Inschriften entgegenstehen, wie sie für einen homo novus nicht ge­rade typisch war. Indessen gab es sehr wohl immer wieder Umstände, unter denen selbst Neulinge einen rasanten Aufstieg nahmen, und wir werden sehen, daß sol­che bei Asper I vermutlich vorlagen.

Im übrigen wäre Asper II bei seinem Konsulat 212 als Patrizier um die 32 Jahre alt gewesen, also mit etwa 21 aus dem Saliat ausgeschieden. Dies paßt in den Rah­men anderer Altersangaben von salii Palatini. 77 Die Folgerung daraus wäre frei­lich, daß die Aspri noch vor 200 in den Patriziat aufgestiegen wären.

VII. CIL VI 31716 Daß dies so früh geschah, mußte spezifische Gründe haben, an der Sache selbst ist indessen nicht zu zweifeln. Der Patriziat der Aspri wird durch den schon einmal erwähnten Marmorcippus belegt, der 1886 beim Bau des Monumento a Vittorio Emanuele II im Bereich der alten Sakristei von S. Maria in Ara Coeli als Tür­schwelle zum Vorschein kam. Ich gebe den Text zunächst in der Fassung HüLSENs wieder.78

CIL VI 31716:

c. I V L I 0 • C A JVl I L I 0

GALerio. asp RO • COs

•. , • , ••• , • CIO

c. IVLI·Galerl ASPRi

coS • ORdin. et PONtif.

filiO

c. iu L I• ASpri•BIS•COS

praEF•urbi•NEPOTI•

uii VIRO • EPVLONVM

10 ·LV PER CO •

mARTIALis

a C T·C·S

77 K.DIETZ, Chiron 6, 1976,410-412. 78 Heute im Museo Nazianale Romano Inv. Nr.106403, im Giardino dei Cinquecento,

Beet 3. Contulit HuELSEN nach dem Ersteditor G.GATTI NS 1887, 141 f.; vgl. FIORELLI, ebd. 72f. und BCAR 1887, 176 Nr.1897; genaueAngaben bei GRANINO CECERE (Anm.27) 145 Anm.10; 148-150 Abb.5; vgl. auch CHRISTOL (Anm.10) 106f.

I ulius Asp er 505

In neuerer Zeit ergänzte man Zeile 2 f. zu co [s. viro patri? ]cio, 79 während man früher, mit dem Hinweis <<le cariche sono alla fine>>, eher an weitere Namensbe­standteile des Geehrten dachte. 80 Dem hat L. PETERSEN zu Recht entgegengehal­ten, daß in dieser Inschrift anscheinend alle Zeilen mit einem vollständigen Wort enden. 81 Dennoch wirkt die von ihr bevorzugte Ergänzung co [s.] aus folgenden Gründen nicht sehr überzeugend. Das 0 am Ende der Zeile 2, das nach GRANINO CECERE angeblich noch heute sichtbar ist,82 wird von HüLSEN durch Brechungen als unsicher gekennzeichnet; in der Tat ist es von den Ersteditoren FroRELLI und G. GATTI nicht gesehen worden. Der gewissenhafte A. E. GoRDON glaubte auf sei­nem Abklatsch vielleicht <;:Q lesen zu dürfen, bemerkte aber <<the C only reasona­bly clear, the 0 very uncertain, with only a faint trace of the top curve apparent, a trace which may be no more than the accidental result of the chipping, for the sur­face of the stone here is very scarred and broken. In fact, in answer to my inquiry, Salvatore Aurigemma, director of the museum where the inscription is preserved, writes me [October 4, 1951] that after the C there is no trace of a letter now visible and points out that the space would accommodate two additional letters if the writing extended to the very edge of the stone, but not otherwise, and that in no other line of the inscription is the writing thus extended.>>83 Neuere Fotos bestäti­gen diesen Eindruck (Abb. 9).84 Da der Befund also unmittelbar versagt, sollte zum einen von Gewicht sein, daß auf der Inschrift, auch in cos. von Zeile 7, Kleinbuch­staben völlig fehlen, zum anderen sollte man die Ergänzung der Zeile 2 von ande­ren, das Formular der Inschrift betreffenden Überlegungen abhängig machen.

Dem Formular nach handelt es sich um eine Ehreninschrift, wie sie für Perso­nen üblich waren, die ihr Ansehen besonders ihrer Familie verdankten. Eine Eh­reninschrift sollte natürlich in erster Linie der Verdienste der Einzelperson geden­ken, 85 wo aber die individuelle dignitas vorwiegend (noch) der virtus der Gens entsprang, griff man zur Projektion von Fremdverdiensten auf die Geehrten. Zahl­reiche Beispiele belegen diesen Inschriftentyp, besonders für Senatorenfrauen.86

79 PIR2 I 232; R. HANSLIK, RE Suppl. 12, 1970, 503 N r. 159 a. Von BARBIER! ausgeschlos­sen; GRANINO CECERE (Anm.27) 665 Anm.426.

80 Etwa H.DEsSAU, PIR I 157; PIR2 II S.89. BARBIER! (Anm.42) Nr.1066: CO ... CIUS; SCHUMACHER (Anm.69) 128f. Nr.4; 351 Anm.227: CO ...... CIUS; GRANINO CECERE (Anm. 27) 665: ASP ER CO[- -]CIUS.

81 PIR2 I 232; vgl. jetzt GRANINO CECERE (Anm.27) 149 Anm.21. 82 GRANINO CECERE ebd. 83 A. E. GoRDON, UCPA 2,5, 1952, 294. 84 Das von Frau GRANINO CECERE im Museo Nazianale Rarnano aufgenommene Foto

vermittelte H.-G.KoLBE. Eine andere Aufnahme (DAI Rom Irrst. Neg. 89-701) bei GRANI­NO CECERE (Anm.27) Abb.5 bietet keinen anderen Befund.

85 J. NrcoLS, Chiron 9, 1979, 243-260; G. ALFÖLDY, Die römische Gesellschaft, Stuttgart 1986, 334-377.

86 Zum Formular des <<Fremdverdienstes>>, das meist Frauen betrifft (vgl. CHRISTOL [Anm.10] 157f. Anm.23) etwa ILS 1004; 1006; 1008; 1012; 1037; 1073; 1105; 1113; 1133f.;

506 Karlheinz Dietz

Da den clarissimae feminae ein cursus honorum fehlte, stellte man sie durch die Aufzählung ihrer prominenten männlichen Angehörigen und Vorfahren heraus. Die Fälle, in denen die indirekte Ehrung für männliche Mitglieder des ordo senato­rius gewählt wurde, sind seltener, und sie betrafen in aller Regel recht junge Leu­te. 87 So wurde beispielsweise C. Arrius Longinus in Thuburbo Maius als kindlicher Patron indirekt geehrt;88 sobald er selbst Karriere gemacht hatte, bedurfte es des Hinweises auf die konsulare Würde seines Vaters nicht mehr, und demgemäß wur­de er von der civitas der Avioccalenses als patronus mit seiner Laufbahn vom Münzmeisteramt bis zum Konsulat gepriesen.89

Das Formular von CIL VI 31716 spricht also dafür, daß wir in Zeile 2 als Rang­prädikat am ehesten clarissimus puer oder - wohl besser - clarissimus iuvenis zu erwarten haben.90 Zu Beginn des 3.Jahrhunderts konnte übrigens bereits ein quaestor designatus den Titel clarissimus vir führen,91 und um die Mitte des Jahr­hunderts erscheinen in dieser Stellung sogar schon clarissimi pueri. 92 Mit dem zu fordernden jugendlichen Alter des Asper 111 sind die am Ende der Inschrift ge­nannten Priesterämter durchaus vereinbar, da die Kooptation unter die VI!viri

epulones in mehreren Fällen vor der Quästur erfolgte,93 und die luperci ein rang­mäßig herabgesunkenes, ohnehin bislang Rittern vorbehaltenes Priestertum wa­ren.94

Wenn es richtig ist, daß Asper 111 zum Zeitpunkt der Steinsetzung noch kein se­natorisches Amt bekleidet hatte (und das Formular legt dies, wie gesagt, nahe), so kann in Zeile 3 wohl nur eine Erweiterung des Rangprädikats gestanden haben,

1146f.; 1166; 1212; Männer: 1083; 1085; 1130/32; ILAfr 279 (K. DrETz, Senatus contra prin­cipem, München 1980, 85); AE 1930,67 (ebd.165); TAM II 278 (ebd.158); F.CASTAGNOLI, RAL 8,38, 1983, 275-286; bes. 280; G. ALFÖLDY, Römische Statuen in Venetia et Histria, Heidelberg 1984,79 Nr.11; weitere Beispiele bei W.EcK, ZPE 113, 1996, 114-128. Zur indi­rekten Ehrung grundsätzlich A. U. STYLOW, Chiron 19, 1989, 459-461. Ausnahmen bei CHRISTOL (Anm.10) 259 Anm.24.

87 Vgl. etwa CIL IX 2452 (= ILS 1131); XI 6334 (= ILS 1129 add.) oder- unserem Stein CIL VI 31716 zeitlich nahestehend- für CIL VIII 823 add. 12346 + S.2421.

88 Zu ILAfr 279: C.Arrio Quirina Longino, c. p., C.Arri Honorati consularis memoriae viri et Osciae Publianae c. f filio L. Magnius Saturnius ... patrono amantissimo. L. d. d. d. Siehe DrETZ (Anm. 86) 248f.; CHRISTOL (Anm.10) 255-262.

89 CIL VIII 23831.- Sofern Persönlichkeiten mit eigener virtus neben ihren Vorfahren ge­nannt werden, hat dies immer ganz besondere Gründe gehabt; vgl. etwa CIL VI 1418 (= ILS 2941) mit den Bemerkungen bei SCHUMACHER (Anm.69) 237 und CHRISTOL (Anm.10) 193-195.

90 An c. v. dachte GoRDON (Anm. 83) 294. 91 CIL VIII 823; ILS 1131f. 92 ILS 1201. 93 ScHUMACHER (Anm.69) 121 Nr.22; 123f. Nr.31; 124f. Nr.34; 132f. Nr.56 (?),davon

waren Nr.22 und Nr.34 Plebejer. 94 BrANCHI (Anm.73) 2207f. nennt die wenigen Senatoren; dazu die Analyse 2209.

Abb.9: CIL VI 31716: Ehreninschrift des C.Iulius Camilius Asper, vermutlich aus Grottaferrata, gef in S. Maria in Aracoeli in Rom,

jetzt Museo Nazianale Romano (Foto: Maria Grazia Granino Cecere).

Abb. 10: C/L XI 7729: Ehreninschrift für Cassia Paterna aus Lorium, jetzt Castello di Torrimpietra

(DA/ Rom lnst. Neg. 89-1145).

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508 Karlheinz Dietz

wie sie gerade zu Beginn des 3.Jahrhunderts immer mehr üblich wurde.95 Zu ver­gleichen wären Formulierungen wie v. c. (et) consularis, vir co(n )s (ularis) ordina­rius, v (ir) patricius consularis oder consularis vir et patricius. Noch näher steht etwa die Ehrenstatue aus Ankara für M. Cassio Hortensio Paulino c(larissimo) p (uero) patricio. 96 Eine Analogie dazu bietet die in unserem Zusammenhang auch anderweitig interessante Inschrift CIL X 7346 ( = ILS 1083 ): - -] I Titiano c. f C.

Maesi I Titiani et Fonteiae I Frontinae consullarium filio, I patricio, ob honolrem togae virilis I Clodius Rufus eques Romanus I amico suo incomparabili. 97 Trotz der Erwähnung der toga virilis dürfte in Zeile 1 c. f am ehesten ein verlesenes c. p. vorliegen.98 Während Titianus allein seine konsularen Eltern und sein Patriziat geltend machen konnte, waren bei Asper 111 neben seinen ausgezeichneten konsu­larenVorfahren und seinen Priestertümern gleichfalls seine Eigenschaft als patrici­us hervorhebenswert.99 Diese Bezeichnung ist für die Zeit nach 217- und unsere Inschrift dürfte kaum früher gesetzt sein - durchaus mehrdeutig. Bis dahin war für Neupatrizier die Benennung als adlectus inter patricios üblich, nach Caracalla findet sie sich nicht mehr, weshalb patricius gleichermaßen für die adlecti wie für die patricii nati in Gebrauch war. 100

VIII. «Some difficulty over nomenclature» Eine weitere Verwirrung bleibt indessen auch nach den bisherigen Korrekturvor­schlägen zunächst bestehen. Aufgrund des oben bereits kurz vorgestellten, erst vor wenigen Jahren gefundenen Militärdiploms von 212101 entstand laut der Erst­editorirr M. M. RoXAN <<some difficulty over nomenclature». Diese lag darin, daß der jüngere der Konsuln von 212, also Asper II, entgegen der aus den tusculani­schen Inschriften abgeleiteten Meinung auf dem neuen Diplom nicht C. lulius Ga­lerius Asper, sondern C. lulius Camilius Asper heißt. Frau RoXAN schloß zu Recht aus, der jüngere der beiden Aspri von 212 könne Asper 111 und nicht Asper II ge­wesen sein, weil dies dem Zeugnis Dias ausdrücklich widerspräche, wonach Vater und Sohn Konsuln waren. Am besten sei daher die Annahme, «that the son pos­sessed the additional cognomen Camilius, which he used for official purposes dur-

95 Vgl. H.-G. PFLAUM, Titulature et rang social sous le Haut-Empire, in: Recherehes sur !es structures sociales dans l'Antiquite classique, Caen 25-26 avril 1969, Paris 1970, 159-185, hier: 168 Nr.7; 9; 13; 15; 174f. Nr.4; 5; 10; 12.

96 AE 1977,811 und dazu zuletzt H. TAEUBER, ZPE 99, 1993, 205 f. 97 G. BARBIER!, Kokalos 7, 1961, 42; DIETZ (Anm. 86) 188 Anm. 524; L.BrvoNA in: <l>LA.lac:;

zagLV. Miscellanea di studi classici in onore diE. Manni I, Rom o.J. [1980], 234-242. 98 So auch nach dem Foto II 3 bei BrvoNA, wo das F die Mittelhaste in Z. 2-4 viel weiter

unten ansetzt als P. 99 Richtig gesehen von GoRDON (Anm.83) 294f. 10° CHRISTOL (Anm.10) 20 Anm.37; 63 Anm.4. Vgl. BARBIER! (Anm.42) 490f. und

A.CHASTAGNOL, Le Senat romain a l'epoque imperiale, Paris 1992, 156-158. 101 Siehe oben Anm.23.

Iulius Asper 509

ing his year of office».102 Die prosapographische Forschung reagierte im wesentli­chen zustimmend103 und hat für Asper II und Asper III dieselben fünf Namen C. Iulius Camilius Galerius Asper angenommen, was seinerzeit schon G. BARBIER! nicht ausschließen wollte.104

Diesem prinzipiell vielleicht denkbaren Lösungsweg stehen mehrere Beobach­tungen entgegen:

(a) Für Asper II wäre eine- bei aller zu konzedierenden Freiheit- recht eigen­willige, uneinheitliche Namengebung festzustellen. Denn selbst wenn man die Te­stimonien 2505 ff. mit der Communis opinio Asper II zuwiese, ergäbe sich folgen­der Sachstand:

als Prätorier als consul designatus

als amtierender Konsul als Konsular als Konsular

C. I ulius Galerius Asper

C. I ulius Asp er

C. I ulius Camilius Asp er

C. I ulius Asp er

C. I ulius Galerius Asper

2510, 2511, ,:.2513, Baalbek

2509,2512 RMD74

2505, 2507 f., 2506 + 2516 31716.

(b) Für Asper II belegt kein Zeugnis einen fünfgliedrigen Namen, wie er von der Forschung regelmäßig kompiliert wird. Ausschließlich für Asper III kennt einen solchen - wie es scheint - die von einem engen Vertrauten der Familie105 herrüh­rende Inschrift CIL VI 31716. Dabei fällt auf, daß dieser durchaus großzügig ordi­nierte Text Asper II nur einen vierteiligen Namen zuweist und somit in der Zahl der Namen mit dem Militärdiplom RMD 74 übereinstimmt. Und mehr noch: die heute allgemein akzeptierte Lesung von CIL VI 31716 ist alles andere als sicher. Denn nach dem Vergleich der Editionen folgte HüLSEN weitgehend den Lesungen und Ergänzungen G. GATTis, ohne freilich darauf hinzuweisen, daß dieser in Zei­le 4 zwar G [aler ]i las, 106 die senkrechte Haste des G aber drucktechnisch durch­brach und damit als unsicher kennzeichnete. 107 Die Überprüfung der Inschrift an­hand von neuen Fotos macht schnell klar, daß sie auch in diesem Bereich viel zu schlecht erhalten ist (und allem Anschein nach auch immer war),108 um der Ergän-

102 RoxAN, RMD (Anm.23) Nr.74 Anm.3. 103 EcK bei RoxAN, ebd. S. 95; A. R. BrRLEY, The Fasti of Roman Britain, Oxford 1981, 433

Anm.1; auch GRANINO CECERE (Anm.27) 146 Anm.14; M.-TH.RAEPSAET-CHARLIER, Lato­mus 42, 1983, 190; LEUNISSEN (Anm. 9) 135.

104 BARBIER! (Anm.42) 72 Nr. 295. 105 Zur Stellung des actor z.B. DIETZ (Anm.86) 166 Anm.453; jetzt W.ScHEIDEL, CQ

N. S. 40, 1990, 591-593. 106 BCAR 1887, 176. 107 FroRELLI (Anm. 78) sah gar nur IVLIQ IASPF. GoRDON (Anm. 83) 294 las nach Ab­

klatsch G[ .... ]I. Wie sicher dabei das G ist, sagt er nicht. 108 Zu Recht weist GRANINO CECERE (Anm.27) 149 Anm.21 darauf hin, daß der Stein

lange im Freien aufgestellt wurde und daher seit seiner Auffindung weiter gelitten habe; der Vergleich der Fotos mit den Lesungen bei FORELLI, GATT! und HüLSEN lassen mir in­dessen die rezenten Beschädigungen als nicht sonderlich gravierend erscheinen.

510 Karlheinz Dietz

zung GATTis mehr als den Wert einer bloßen Vermutung zusprechen zu können. Aufgrund von RMD 74 ist es geraten, hier <;[amil]i zu restituieren, was auch vom Platz her ebensogut wie Q [aler ]i paßt. Auf diese Weise löst sich die «diffi­culty over nomenclature>> auf, da durch die neue Lesung Asper I und II auf CIL VI 31716 die gleichen Namen tragen wie auf RMD 74.

IX. Zu CIL XI 7729 aus Lorium Tatsächlich besitzen wir weitere Zeugnisse für diese beiden Männer, die die Rich­tigkeit der letztgenannten Konjektur und damit unseres Weges insgesamt bestäti­gen.

Aus Lorium stammen zwei Cippi mit einer fast identischen Inschrift. In der Wiedergabe von CIL XI 7729 lauten sie wie folgt (Abb.10): 109 Cassiae Paternae I I uli Aspri I I ulius Camilius Asper I et I ulius Severus Calidus 15 et Camilia

Aequa I filii. Mit Ausnahme des generell fehlenden Pränomens entsprechen die Namen für

Vater und Sohn erneut genau denen auf Diplom RMD 74. Hätte man nur diese Te­stimonia, würde gewiß niemand, wie heute üblich, 110 die Inschriften CIL XI 7729 auf Asper II und Asper III, sondern auf Asper I und Asper II beziehen. Daß As­per I mehrere Söhne hatte, wissen wir aus dem eingangs besprochenen Exc. Val. 357 des Cassius Dio, wonach Caracalla zunächst x.ai 1:ou~ utou~ auwii gefördert hatte. 111 Hingegen kennen wir nur einen Sohn des Asper II aus CIL VI 31716.

In der Tat haben früher schon namhafte Prosopographen, allen voran H. DESSAU und G. BARBIER!, 112 die mit den Inschriften aus Lori um CIL XI 7729 geehrte Cas­sia Paterna für die Gemahlin des Asper I gehalten.113 Der Verzicht auf die senato­rischen Rangprädikate ist leider kein zwingendes Argument für eine Frühdatie­rung, da er selbst für die fortgeschrittene Severerzeit noch möglich war. 114 Indes­sen wird die Zuordnung von CIL IX 7729 in eindeutiger Weise dadurch entschie­den, daß nach 212 dieselben Personen samt ihren Rangtiteln auf einer Inschrift in Tusculum erscheinen.

109 GRANINO CECERE (Anm.27) 148 m.Anm.19; 152 Abb.6. 110 PIR2 I 234; GRANINO CECERE wie vorige Anm. 111 Denkbar wäre, daß der jüngere Sohn Aspers 212 die Prätur oder ein anderes stadtrö­

misches Amt bekleidete. 112 BARBIER! (Anm.42) 428 § 17 zum Stemma ebd. 510. 113 Dagegen als Gemahlin von Asper II bei HALFMANN, Senatoren (Anm.2) 200; GRANI­

NO CECERE (Anm.27) 157 Stemma. Zum Prätor von 204, dessen Namen auch schon zu [Cassius Pate]rnus ergänzt wurde, siehe Epigrafia e ordine senatorio I, Rom 1982 [1984), 666 Anm.431; aber auch ScHUMACHER (Anm.69) 98 Nr. 72; vgl. CHRISTOL (Anm.10) 106.

114 Die senatorischen Standesbezeichnungen waren vor und unter Mark Aurel noch selten und setzten sich unter Commodus und besonders unter Septimius Severus durch; siehe BAR­BIER! (Anm.42) 1 (agg.586); vgl. außerdem CHASTAGNOL, Le Senat (Anm.100) 173-186. Sie konnten freilich noch 227 fehlen: W. EcK, ZPE 113, 1996, 110 f.

I ulius Asp er 511

X. Die Architravinschrift CIL XIV 2515+2518 Um dies zu erkennen, müssen wir uns den noch übrigen tusculanischen lnschrif­ten CIL XIV 2515,2517 und 2518 zuwenden. In Ansätzen hat hierzu das Richtige vor langer Zeit bereits G. B. DE Rossr gesehen:115 «Esaminando e confrontando l'uno coll'altro questi frammenti e facile intendere, ch'essi erano parte d'un episti­lio, sul quale erano state erette statue o busti della famiglia degli Aspri, coi loro nomi parte in nominativo, parte in dativo .... Primeggiava in lettere maggiori e spaziate, ehe gran parte occupavano della linea prima, il nome di Giulio Aspro padre; e lo restituisco cosi: C. Iulius ASPER bis consul prae FECTVs urbi. Sotto in lettere minori erano distribuiti sotto le singole immagini i nomi seguenti: aspa­

SIAE PATERNAE · C · F · (clarissima femina [!]) IVLii · ASPRI COS · MATRi - IVLIAE · IVLIANAE · SORORI · ASPRI · Cos. - ... AEQVA C · F · (clarissi-

ma femina) FILia · E HEREs - ...... ID · SEVERVS · C · C · V · v · (clarissimi viri). Questi ultimi sono i figliuoli di Aequa erede degli Aspri; ... » Entscheidend ist zunächst: DE Rossr hat 2515, 2517 und 2518 einer einzigen Architravinschrift zugerechnet. Dem folgte H. DESSAU nur teilweise, indem er zwar die Verbindung von CIL XIV 2515a und 2515b anerkannte, 2517 und 2518 aber als eigene In­schriften auffaßte und dabei zu 2518 bemerkte: «Spectare ad monumenta Aspro­rum ex quibus supersunt n. 2505 seq. non certum, sed prohabile est.>> Dezidierter erklärte dagegen unlängst wieder GRANINO CECERE:116 <<:E'. possibile ehe quest' iscrizione frammentaria [2518] costituisse un'altra parte dell'epistilio cui apparte­nevano i due frammenti, anch'essi perduti, delineati al nr.2515.» Was hier als Mög­lichkeit angedeutet ist, läßt sich indessen durch den Vergleich von CIL XIV 2515 und 2518 mit XI 7729 als zweifelsfrei erkennen.

Betrachten wir aber zunächst noch einmal die handschriftliche Überlieferung, so haben wir im Cod. Vat. Lat. 9140 mehrere Zeichnungen, die beschriftete Ge­simse andeuten. Im einzelnen stammen von:

SUARES

Anonymus II

fol.198 =CIL XIV 2515a = Abb.2 fol.201 = CIL XIV 215 b = Abb.1 fol.195 = CIL XIV 2518 = Abb. 7 fol.199 = CIL XIV 2515 a = Abb. 8

Laut DESSAU soll das Fragment 2515 a auch noch auf fol.195 enthalten sein, was auf den mir zugänglichen Fotokopien nicht der Fall ist.

DoMENrco GIORGI, in dessen Casanetensischen Seheden DESSAU «apographa inscriptionum Latii accuratissima» fand, 117 gab die Inschrift CIL XIV 2517 offen­bar nach Autopsie als einziger mit Zeilentrennung wieder. 118 Von GroRGI stammt

115 DE Rossr (Anm. 29) 199-201. 116 GRANINO CECERE (Anm.27) 148 Anm.18. 117 CIL XIV S.XV. 118 Vgl. oben Anm.60.

512 Karlheinz Dietz

auch die bei DESSAU fehlende Beschreibung: <<in una cornice spezzata di marmo>>; das muß kein Widerspruch zu G. R. VoLPI sein, der von einer <<basis statuae ... cum inscriptione» spricht und diese von dem weißen Stein mit den großen Buch­staben (CIL XIV 2514) ausdrücklich unterscheidet. Wie es scheint, hatte Iulia Iu­liana, die Schwester von Asper 1,119 eine eigene Statue besessen, und wir müssen ihre Inschrift 2517 mit DESSAU und gegen DE Rossr von den beschrifteten Archi­traven trennen.

Darüber hinausgehend täuschte sich DE Rossr noch in zwei wesentlichen pro­sopagraphischen Details: In CIL XIV 2515 ist, wie längst erkannt, nicht Aspa ]siae

P aternae, 120 sondern wegen CIL XI 7729 Cas ]siae P aternae zu ergänzen. U nrich­tig war auch die Behauptung, die clarissimi viri von 2515 b seien die Kinder der Aequa von 2518 gewesen; in Wahrheit handelt es sich, wie die Inschriften CIL XI 7729 zeigen, um Geschwister und um die beiden Söhne und die Tochter von Asper I. Diese Steine aus Lorium geben uns auch die Reihenfolge ihrer Nennung vor, die offenbar ihrem Alter und ihrer Dignität entsprach. Davon ausgehend läßt sich in 2518 ohne weiteres fil (ii) e [t] here [des] herstellen und exempli gratia etwa folgende Ergänzung vorschlagen: CIL XIV 2515 a + 2515 b + 2518: [C(aius) Iul (ius )] Asper [c(larissimus) v (ir ), bis

co (n )s(ul), prae]fectu [s urbi; patri I defuncto et Cas ]siae Paternae c(larissimae)

f(eminae), Iul(i) Aspri co(n)s(ulis) matr[i, Iul(ius) Camil(ius) Asper et Iul(ius)

Cal]id (us) Severus cc(larissimi) v [v (iri) et Cami]/?4 Aequa c(larissima)

f(emina)fil(ii) e[t] here[des].

XI. Nicht Galerius, sondern Galeria Wie die Dinge liegen, dürfte es nun geraten sein, noch einmal die Zeugnisse für den Beinamen Galerius zu sichten. Tatsächlich findet sich dieser, wie es scheint, für Asper I nur in den Zeugnissen CIL XIV 2510, 2511, 2513 (?) sowie aus Baalbek und in CIL VI 31716 allein für Asper 111. Das Wiederauftauchen eines Namens bei Großvater und Enkel wäre gewiß nicht ungewöhnlich, eher passend, und den­noch bleibt ein gewisses Unbehagen, weil auf RMD 74 und CIL XI 7729 dieser Namensbestandteil den beiden ersten Generationen der Aspri fehlt, und Asper I in den tusculanischen Zeugnissen zumeist darauf verzichtet hat. Betrachtet man die Überlieferung genauer, so fällt auf, daß die Interpretation dieses Bestandteils

119 Nach der handschriftlichen Überlieferung des Exc. Vat. 257 des Cass. Dio hätte As­per I selbst noch Julianus geheißen, was bei U. PH. BorssEVAIN (ed. Cass. Dio III 378 Anm. 9) zum Phantasienamen C. Iulius Julianus Asp er geführt hat; vgl. BARBIER! (Anm. 42) 69 Nr.285: <<E possibile ehe egli avesse anche il cognomen Iulianus.>> Das ist- wie längst ge­sehen: ScHUMACHER (Anm. 69) 412 Anm. 708 - schon wegen Dio 79(80),4,4, wo auch vom Vater und nicht vom Sohn die Rede ist, ganz abwegig: im Original stand auch bei Dio 77(78),5,3: 1:ov 'AartQOV 1:ov 'IovAwv statt 'Iov/üav6v.

120 G.B.DE Rossr, BAChr 1872, 109-111. NEUDECKER (Anm.29) 78 Anm.770 hätte Aspasia Paterna besser nicht wiederbelebt.

I ulius Asp er 513

als zweiter Gentilname allein auf CIL XIV 2510 beruht, wo Anonymus I «fol.117>> CN.F. PO und Anonymus II fol.194 GALERIO gelesen haben. Die Inschrift war in diesem Bereich offenbar schwer zu lesen, da sonst Anonymus I, eigentlich der bessere Kopist, nicht so arg daneben liegen würde. Wie verwaschen die Oberfläche dieser Basen sein konnte, lehrt der Erhaltungszustand von 2509 (Abb. 6 ). In diesem Fall haben wir das Glück, Original und Kopie vergleichen zu können. Bleibt die Tatsache, daß beide Abschreiber am Ende von Zeile 1 in 2510 ein 0 zu erkennen glaubten. Dennoch: so klar, wie die Sache zunächst scheint, ist sie nicht. Die Er­wartungshaltung legte auch für das Wort zwischen Iulio und Aspro ein Schluß-0 nahe. In den übrigen Belegen fehlt die Endung; die Inschrift aus Baalbek kürzte GALER, und so steht es auch für 2511 in fol.194, während man nach fol.198: CMERS annehmen könnte, nach dem R wäre ein schwer lesbarer Rest, der nicht als reguläres S, sondern als leicht gebogene Schleife angedeutet ist, vorhanden ge­wesen. In CIL VI 31716 ist schließlich von allen Herausgebern Gal[erio] gesehen bzw. ergänzt worden. Die Fotos lassen demgegenüber m. E. von ER noch schwache Spuren erkennen, ebenso wie von dem folgenden ASP; der Buchstabe vor A kann aber ebensogut ein 0 wie ein A gewesen sein. Bleibt also allein die eine Abschrift von 2510: Anonymus I fällt als Zeuge hier ganz aus, und auf An­onymus II wird man bei genauerem Zusehen nicht allzuviel geben, weil auch er enorme Schwierigkeiten hatte: in Z. 2 f. kopierte er IRIM I SI QVAESA statt TRPLEBIIS QVAEST und ähnlich verlas er in Z.Sf. AMICO INCOMPAI­RABILI zu SMICO INCDARPIRAMDI. Besonders gravierend sind seine Fehl­leistungen auch bei 2505, wo Z. 9 SEX VMIDIVS als SIE CLAVDIVS wiedergege­ben wurde. In unserem Zusammenhang besonders bedeutsam ist, daß am Ende von Z. 8 statt SACR vielmehr SO gelesen ist, mithin A zu 0 verkannt wurde.

In Anbetracht dessen ist es vorzuziehen, die Tribus-Angabe Galeria anzuneh­men. Sie konnte ohne Schaden wegbleiben und erschien in CIL VI 31716 nur für den Enkel, da sie selbstredend auf den Vater und Großvater zu übertragen war. 121

Für das Fehlen der Filiation bei gleichzeitigem Erscheinen der Tribus gibt es auch Analogien,122 etwa bei Senecio Memius Gal(eria) Afer, cos. suff 99, Q.Pom-

121 Eine genauere Parallele ist die Grabinschrift CIL XIV 3597=Ilt IV 12, 111 (=ILS

1042; vgl. M.-TH. RAEPSAET-CHARLIER, Prosapographie des femmes de !'ordre senatorial [I<'-Il' s.], Löwen 1987, 165 bei Nr. 170), die Senecioni Memmio Gal (eria) Afro, cos. suff 99, durch seinen Sohn L.Memmius Tuscilius Senecio gesetzt wurde; vgl. daneben noch die Inschriften der Söhne des Ti. Claudius Frontinus CIL X 1122, 1124 = ILS 1087 f.; RAEP­SAET-CHARLIER a.a.O. 212f. bei Nr.232; 347f. bei Nr.402. Etwas anders gelagert ist CIL VI 1490 (= ILS 1106), wo im wohl 2.Jahrzehnt des 3.Jh.s Q.Pompeius Falco Sosius Priscus, c. v., pontifex und praetor designatus seinem im Jahr 180 62 jährig verstorbenen pro­avus Q. Pompeius Quirina Sosius Priscus eine Inschrift setzte, auf der er sich bescheiden an erster Stelle nannte, vgl. RAEPSAET-CHARLIER a.a.O. 588f. bei Nr.740.

122 Auch in den Unterschichten wird dies üblicher gewesen sein: vgl. C. Iulius Ga!. Fron­to in AE 1979,372 (l.Jh.).

514 Karlheinz Dietz

peius Quirina Sosius Priscus, Sohn des cos. ord. 193,123 L. Ti. Claud(ius) Aurel(ius) Quir(ina) Quinitianus, cos. ord. 235,124 seinem Zeitgenossen C.Arrius Quirina Longinus125 usw. Ein C. Iulius Galeria Asper paßt sich in diese Reihe problemlos ein.126

Jetzt endlich ist auch Inschrift CIL VI 31716 vollständig zu ergänzen: [C(aio )] Iulio Camilio I Gal[e]r[ia (tribu)] [A]s[p]ro c(larissimo) [i(uveni)? I etpatri]­cio I [C(ai)] Juli C[amil]i Aspr[i 15 co(n)]s(ulis) or[din(arii) et] pon[tif(icis) I

fili]o I [C(ai) Iu]li As[pr]i bis co(n)s(ulis) I [pra]ef(ecti) [urbi] nepoti, I [VII] viro epulonum, 110 luperco I [M]artiali[s] I [a]ct(or) c(um) s(uis).

XII. Anwalt der Provinzen: C.Iulius Asper in den fahren nach 193 Die Familiengeschichte der Iulii Aspri war von einer großen Zahl teilweise sehr al­ter Irrtümer und Vorurteile der Forschung überdeckt, die es erst einmal zur Seite zu schaffen galt, um zu erkennen, daß die meisten der in der Villa Asprorum von Grottaferrata gefundenen Inschriften dem ersten127 und gleichzeitig berühmtesten Vertreter dieser Familie, dem cos. II ord. 212, gesetzt wurden. Er also, und nicht erst sein Sohn, durchlief als Plebejer <<une carriere tres rapide>>, 128 deren Geradli­nigkeit jedem Patrizier Ehre gemacht hätte:129 Quästor in Africa, Volkstribun, Fremdenprätor, Aufseher über die via Appia, Konsul. 130 Zwischen Prätur und Konsulat bekleidete er weder ein militärisches Amt noch eine der Ärarpräfekturen

123 ILS 1106; vgl. SALOMIES (Anm.40) 66; 70. 124 CIL X 3850 (= ILS 1181); vgl. DIETZ (Anm.86) 123-126 Nr.22. 125 ILAfr 279 (DIETZ, ebd. 85). 126 Daß der Fundort der ältesten Inschriften CIL XI 7729 adäquat in jener Gegend liegt,

in der sich in der römischen Frühzeit die Tribus Galeria etablierte (A.ALFÖLDI, Hermes 90, 1962, 211f.; ders., Das frühe Rom und die Latiner, Darmstadt 1977, 280f.), kann Zufall sein und zwingt uns nicht, die Heimat unserer Iulier in der Umgebung der via Aurelia zu suchen.

127 Dios Charakteristik (Exc. Val. 357) 77(78),5,3 weist nicht auf einen besonders vorneh­men Senator, wenn er schreibt ovö' &.A.Awr;, Evxmacpg6v11tor;, XUL Öta Jtm6Elav XUL Öta

cpQOVllf!U &v. Vgl. die Einordnung der Dio-Stelle in einen weiteren Zusammenhang bei A.J.GRAHAM, ANRW II 1, 1974, 144.

128 RAT u. BAYET (Anm.45) 244. 129 Nach LEUNISSEN (Anm. 9) 43 ließe sich diese Laufbahn <<vielleicht am besten als eine

beinahe patrizische ... qualifizieren>>. 130 Das Amt des curator aedium sacrarum war kein stadtrömisches (so vor allem GoR­

DON [Anm.83] 294f. Nr.43), sondern wurde von Asper in Tusculum wahrgenommen, wie zuletzt wieder P. CuLHAM, Historia 34, 1985, 503-505 und A. KaLB, Die kaiserliche Bauver­waltung in der Stadt Rom. Geschichte und Aufbau der cura operum publicorum unter dem Prinzipat, Stuttgart 1993, 278f. Nr.7 dargelegt haben, vgl. LEUNISSEN (Anm.9) 315m. Anm.50; GRANINO CECERE (Anm.27) 146 Anm.13. Das ist nicht weiter aufregend, vgl. W. EcK, Die Präsenz senatorischer Familien in den Städten des Imperium Romanum bis zum späten 3.Jahrhundert, in: W. EcK- H. GALSTERER- H. WoLFF (Hrsg.), Studien zur an­tiken Sozialgeschichte, Festschrift F. Vittinghoff, Köln- Wien 1980, 283-322.

I ulius Asp er 515

oder irgendeine Provinzstatthalterschaft, sondern lediglich die Kuratel über die via

Appia. Dieses exzeptionelle Avancement war auch der wahre Grund, warum Pro­sopographen den cursus honorum immer aufs Neue dem Asper li zugewiesen ha­ben. Denn wie schon B. BoRGHESI meinte, hätte sich der Sohn dank der Verdienste

des Vaters der Gunst des severischen Kaiserhauses erfreuen können. 131 Ähnlich lautet die Erklärung bis in die jüngste Zeit. 132 Sie scheitert aber schon an den Vor­aussetzungen, wenn die Laufbahn auf Asper I zu beziehen ist. 133 In diesem Fall bleibt nur der Rückzug auf Analogien, denen zufolge man bei so rascher Beförde­rung zum Konsulat am ehesten <<ein bereits fortgeschrittenes Alter der betreffen­

den Personen annehmen>> darfY4 Aspers ältester Sohn war 212 wenigstens 32 Jah­re alt, also wird er selbst in jedem Fall vor 160,135 vermutlich aber einige Jahre frü­

her geboren worden sein, da er sich 217 ölit TE yijga~ xai v6aov (man beachte die Reihenfolge) vom Prokonsulat entschuldigte. Das durfte eher jemand für sich be­

anspruchen, der gegen Siebzig als gegen Sechzig ging. So gesehen könnte die hypo­thetische Rückrechnung, durch welche das erste Konsulat des Asper I in die Zeit des Commodus gesetzt wird, 136 einiges für sich haben. Aber Aspers Laufbahn ent­sprach eben nicht der Regel. Dabei hat man eine weitere Besonderheit dieses cur­sus honorum in ihrer Bedeutung nicht erkannt: Deutlicher als jemals zuvor sehen

wir jetzt in Asper I einen Mann, der Patron von mindestens sechs Provinzen war, eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Tatsache. Denn einmal listet die jüngste zugängliche Spezialuntersuchung für die Zeit von 27 v. Chr. bis ca. 200 n. Chr. lediglich zwölf Provinzialpatronate auf (von denen wenigstens drei nach

Datierung oder Zuweisung auch noch unsicher sind),137 zum anderen findet sich unter diesen zwölf Personen nicht eine, die nachweislich, wie Asper, mehrere Pro­vinzen zur eigenen Klientel rechnen konnte.

131 BoRGHESI (Anm. 70). 132 Vgl. GoRDON (Anm. 83) 294; LEUNISSEN (Anm. 9) 42-44. 133 Natürlich entfallen auch alle weiteren Folgerungen aus CIL XIV 2508, wie das Argu­

ment für die späte Teilung Britanniens.- Endgültig erledigt ist die sich hartnäckig (etwa bei CULHAM [ Anm. 130] 504 Anm. 3) behauptende Ansicht, Asp er II sei unter Asper I quaestor in Africa gewesen, was freilich aus anderen Gründen längst in Frage gestellt worden ist: ScHUMACHER (Anm. 69) 192 Anm. 387.

134 LEUNISSEN (Anm. 9) 43 nach dem Vorgang G. ALFÖLDYS; die Analogien listet LEUNIS­SEN ebd. 379f. auf.

135 Heirat in den frühen Zwanzigern, siehe R. SYME, Roman Papers VI, Oxford 1991, 232-246; vgl. die Liste der Söhne von Konsuln als Konsuln bei LEUNISSEN (Anm. 9) 371-374.

136 Z.B. LEUNISSEN (Anm.9) 113; 145. 137 Nach J.NicOLs, ZPE 80, 1990, 107f. sind für die Zeit von 180 bis 300 und für das

4.Jh. je neun Provinzpatrone bekannt; A. U. STYLOW machte mich auf CIL IF 7, 280 auf­merksam. Für die späteren Provinzpatrone J. U. KRAUSE, Chiron 17, 1987, 1-80, bes. 77 f.; F. M. AusBÜTTEL, Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien, Frank­furt a. M. etc. 1988, 77 f.; 263 Anm. 44.

516 Karlheinz Dietz

Hinter dieser Kumulierung eine Besonderheit zu vermuten, liegt auf der Hand. Denn diese ohnehin erst gegen Ende des 2.Jahrhunderts wieder verbreitetere Form des Patronats war, wie es scheint, keineswegs eine Routineangelegenheit: « •.. senatorial patrons of provinces during the early Principate were probably pa­troni causae, that is, they were appointed by the senate to prosecute a governor ac­cused of provincial maladministration. During the very late 2nd century, the as­semblies of the western provinces began to assign the title to individuals of provin­cial importance. There is some reason to believe that eloquence at the bar may also have been a decisive benefaction of all these patrons.>>138 Aspers Eloquenz ist eben­so unstrittig wie seine Erfolge vor Gericht. Von seiner segensreichen Tätigkeit als defensor clientium fidelissimus ist explizit die Rede (2505 + 2516), und die tuscula­nischen Ehrungen durch seine Klienten legen zusätzlich ein beredtes Zeugnis ab:

Nr. Dedikant Beziehung zu Asper Aspers Rang

2510 Cornelius Pla[- -] amico (incomparabili) praetorius

2513 ? ? praetorius ( ?) I

Baalbek ? ? praetorius

2511 ? patrono (benemerenti) praetorius

2509 Mauretania Tingitana patrono (optimo) consul designatus

2512 ? ? consul candidatus

2505 Sex. Ummidius Artemidorus amico (incomparabili) consularis

2507 L.(?) Metius Mi[m?]esius amico (incomparabili) consularis

2508 Britannia patrono consularis

2506 + 2516 Corneliu[ s - -] [amico] consularis

Das Ensemble nährt den Verdacht, daß die Prozesse allesamt in einem relativ kur­zen Zeitraum stattgefunden haben. Den überlieferten Ehrungen durch Mauretania Tingitana und Britannia139 standen vermutlich verlorene durch Mauretania Caesa­riensis und die drei spanischen Provinzen zur Seite (sofern letztere nicht mit 2511 identisch war). Von besonderem Interesse wird die Inschrift aus Heliopolis/Baal­bek. Da wir nicht den geringsten Hinweis auf eine Tätigkeit von Asper I in Syrien oder auf Besitzungen dieser Iulier bei Heliopolis haben, bleibt auch für diese Eh-

138 NICOLS (Anm.137) 106. Vgl. J.M.MAY, AJPh 102, 1981, 308-315; J.-M.DAVID, Le pa­tronat judiciaire au dernier siede de Ia republique Romaine, Rom 1992, und zur Entwick­lung des Gerichtspatronats J.-U. KRAUSE, Spätantike Patronatsformen im Westen des Römi­schen Reiches, München 1987, 34-50.

139 Die Ehrendenkmäler auswärtiger Gemeinwesen für römische Senatoren hat W. EcK, Chiron 14, 1984, 212ff. aufgelistet, zu Asper ebd. 215f. Vgl. zu den Ehrungen der Patrone durch ihre Klienten allgemein NEUDECKER (Anm.29) 78.

I ulius Asp er 517

rung vor allem die Annahme eines bislang unbekannten Patronatsverhältnisses, sei es zu einer Privatperson oder zur Colonia Iulia Augusta Felix Heliopolitana, sei es zur Provinz Syria. Im erstgenannten Fall könnte die Beziehung vor dem Konsulat zustande gekommen sein. Wenn ein eventuelles Gemeindepatronat in den übrigen Inschriften Aspers nicht erwähnt ist, auch nicht in 2506 + 2516, so besagt dies gar nichts, da solche Patronate nicht zum cursus honorum zählten und es dem Dedikan­ten von 2506 + 2516 nur auf die Hervorhebung der ruhmreichsten Anwaltschaften seines Verteidigers ankam. Im Falle eines Patronats über Syrien wäre man wegen 2506 + 2516 zur Annahme genötigt, daß der cursus honorum nicht fortlaufend auf­geführt war, 140 sondern zuerst in absteigender Reihung die republikanischen Ämter und dann, nach der Nennung des Konsulats, in der Dedikation die Angabe des Pa­tronats verzeichnete. Das Patronat über Syrien wäre dann hinzugekommen, nach­dem 2506 + 2516 bereits gesetzt war. Einfacher ist die erstgenannte Deutung.

So oder so rundet das syrische Dokument die geographische Streuung von Aspers prominenter Klientenschar ab: Alle Landtage der westeuropäischen Pro­vinzen mit Ausnahme der Tres Galliae, zahlreiche finanzkräftige Männer sowie eine Person oder Institution in Syrien gehörten zu seinen Schützlingen vor Ge­richt. Das kann am Ende des 2.Jahrhunderts nur auf die Bürgerkriegsjahre von 193 bis 197 hinweisen. In dieser spannungsgeladenen und wechselvollen Zeit der innenpolitischen Auseinandersetzungen fanden sich Einzelpersonen, aber auch Gemeinden und ganze Provinzen unversehens auf der «falschen>> Seite wieder. 141

Speziell nach der Niederlage des Pescennius Niger bei Nicaea (Ende 193/ Anfang 194)142 und des Clodius Albinus bei Lugdunum (19.Februar 197)143 waren die ehe­mals abtrünnigen Gebiete erst einmal auf die neue Dynastie «gleichzuschalten». Nicht nur die Statthalterposten wurden neu besetzt, 144 eine Prozeßflut und Pro­skriptionen waren die Folge. Die Etablierung der severischen Dynastie war von zahlreichen Verfahren und Hinrichtungen, auch von Senatoren,145 begleitet. Nach

140 Diesbezüglich herrscht in den Inschriften des Asper keine Ordnung: Das normaler­weise älteren Prätoriern vorbehaltene Amt des curator viae Appiae (W. EcK, Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit, München 1979, 50; vgl. LEUNISSEN [Anm. 9] 326 m. Anm. 101) steht wie das Priestertum des sodalis Augustalis meist vor der Prätur (CIL XIV 2505; 2507f.), fehlt ganz in 2510 und erscheint allein in 2509 an richtiger Stelle (W.EcK, Chiron 4, 1974, 535; vgl. AE 1974, 129). Zudem sorgt die munizipale Tempelkura­tel für Verwirrung (Anm. 130), erfolgt der Zusatz peregrinus bei der Prätur nur in drei Fäl­len: 2509, 2510 und in Baalbek.

141 Cass. Dio (Petr. Patr. exc. Vat. 130) 75(76),8,5. 142 Siehe M. SARTRE, L'Orient romain. Provinces et societes provinciales en Mediterranee

orientale d'Auguste aux Severes (31 avant J.-C.-235 apres J.-C.), Paris 1991, 52f. 143 A.R.BIRLEY (Anm.103) 146-149. 144 A.R.BIRLEY, Septimius Severus. The African Emperor, London 1971, 179f.; 196f. 145 LEUNISSEN (Anm. 9) 402, der auf den wichtigen Arbeiten G.ALFÖLDYs aufbaut; Kor­

rekturen und neuere Diskussionen bei C.BRUUN, Aretos 24, 1990, 5-14; F.JACQUES, Lato­mus 51,1992, 119-144;J.REMESAL RoDRIGUEZ, Gerion 14,1996,197-221.

518 Karlheinz Dietz

Dio hat Severus nach der endgültigen Niederlage des Niger verschiedene Städte und Privatpersonen (Ta~ :rt6A.n~ wv~ TE Li'nona~) entweder bestraft oder be­lohnt.146 Nur gelegentlich scheinen Reflexe dieses Vorgangs in unserer Überliefe­

rung auf. Die fatale Situation Einzelner veranschaulicht die bei Cassius Dio nach­lesbare Verteidigungsrede des Senators Cassius Clemens, der- wie er beteuerte -

durch sein ÖaL[lOVLOV zum Sympathisanten des Niger wurde. 147 Bezüglich der Städte genügt hier der Hinweis auf Laodicea am Meer und Tyrus, diebeidewegen

ihrer frühzeitigen Parteinahme für Septimius Severus von Nigers Truppen heimge­sucht worden waren,148 von Severus aber zu den Hauptstädten der neuen Provin­zen Syria Coele und Phoenice erhoben und ob belli civilis merita mit dem ius Ita­licum ausgezeichnet wurden.149 Kurzzeitig wurde, wie es scheint, das ruhmreiche Antiochia zur XW[!Y) der alten Rivalin Laodicea degradiert. 150 Genaueres über die

Geschicke von Heliopolis wissen wir nicht. Wohl aber erfahren wir, daß Severus multas etiam civitates eiusdem partis iniuriis adfecit et damnis. 151 Hiervon betrof­

fen war auch Berytus, zu dessen Territorium die städtische Ansiedlung um das be­rühmte Heiligtum des Iuppiter Optimus Maximus Heliopolitanus im Beqaa-Tal seit Augustus gehörte. 152 Im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg unter Septimius Severus wurde nun Heliopolis zur eigenständigen <italischen> Kolonie, da es bei Ulpian heißt: est et Heliupolitana [scil. colonia], quae a divo Severo per belli civilis occasionem Italicae coloniae rem publicam accepit. 153 Was sich hinter per belli civi­lis occasionem im einzelnen verbirgt, ist natürlich nicht zu erkennen. Die Wendung schließt freilich auch nicht aus, daß sich die Heliopoliten in Rom erst einmal vom

Verrat der Stadt Berytus distanzieren mußten, und so gesehen könnte Aspers Rhe­torik bei der Etablierung der Kolonie Heliopolis maßgeblich mitgewirkt haben.

Für das Schicksal der westlichen Provinzen in der Bürgerkriegszeit sei auf Hi­spania Tarraconensis verwiesen, wo Severus den 193 amtierenden Legaten L. No-

146 Cass. Dio (Exc. Val. 342) 74(75),8,4; vgl. SHA Sept. Sev. 9,7. 147 Zu Cass. Dio (Xiph.) 74(75),9,1-4 = Zon. 12,8 siehe BERING-STASCHEWSKI (Anm.17)

52f.; 56. Vgl. auch die Flucht von Privatleuten Herod. 3,2,6. 148 Herod. 3,3,3-5; Mal. 293,4; vgl. R.ZIEGLER, Chiron 8,1978, 494f.; Z.RuBrN, Civil War

Propaganda and Historiography, Brüssel1980, 120-123; F. MrLLAR, The Roman Coloniae of the Near East: A Study of Cultural Relations, in: H. SouN - F. M. KAJAVA (Hrsg.), Roman Policy in the East and other Studies in Roman History, Helsinki 1990, 31-39; ders., The Ro­man Near East 31 B.C.-A.D. 337, Cambridge (Mass.) 1993, 123f.

149 Ulp. Dig. 50,15,1,3; 50,15 pr. 150 Herod. 3,6,9; SHA Sept. Sev. 9,4; ZrEGLER (Anm.148) 493-514; MrLLAR, Coloniae

(Anm.148) 3tf.; vgl. SARTRE (Anm.142) 53; 341 mit wichtiger weiterer Literatur. 151 SHA Sept. Sev. 9,7. Vgl. 9,5 zu Neapolis in Palaestina, das damals das ius civitatis ver­

lor: MrLLAR, Near East (Anm.148) 124. 152 MILLAR, Coloniae (Anm.148) 18-23; ders., Near East (Anm.148) 36; 124; 279; abwei­

chende Meinungen J.-P. REY-COQUAIS, JRS 68, 1978, 51 f.; SARTRE (Anm.142) 337f. m. 338 Anm.2.

153 Ulp. Dig. 50,15,1,2. Weiteres bei MrLLAR, Coloniae (Anm.148) 32-34.

I ulius Asp er 519

vius Rufus 154 später hinrichten ließ und Tib. Claudius Candidus 197/198 als dux

terra marique adversus hh (ostes) pp (ublicos) eine «Säuberungswelle>> durchführ­te.155 In Britannien kennen wir zwar mit Virius Lupus den neuen Statthalter und Nachfolger des Clodius Albinus, hören aber, bezeichnend genug für die Lücken­haftigkeit unserer Überlieferung, nur von dessen Bautätigkeit und Kriegsruhm. 156

Zumindest der Statthalter des caesariensischen Mauretanien hat schon vor der Niederlage des Albinus die richtige Wahl getroffen, da sich dort Cn. Nunnius Mar­tialis um 195 als [prae ]ses ius [tissimus et] inno [ centissimus] präsentiert.157 Die be­troffenen Provinziallandtage hatten sich für ihre Illoyalität zu verantworten und wählten als gerichtlichen Beistand eben Asper. Dafür waren sicher nicht nur des­sen rhetorische Fähigkeiten, sondern auch dessen «Draht>> zur neuen Dynastie ausschlaggebend. Severus brauchte zwar Geld über den Umweg von Verurteilun­gen und Konfiskationen 158 und damit geeignete Ankläger, 159 er benötigte aber auch fähige Verteidiger, um vor bloßen Willkürurteilen in den anhängigen Maje­stätsprozessen verschont zu bleiben.

Leider erfahren wir nicht, ob Septimius Severus Anklagen gegen Senatoren vor dem Kaisergericht oder dem Senat verhandeln ließ. Von Mark Aurel wurde ge­rühmt,160 daß er die Anhänger des Avidius Cassius zu einem festgesetzten Termin

154 RITarraco 143. Zu ihm PIR2 N 189 und jetzt }ACQUES (Anm.145) 140f. 155 RITarraco 130; vgl. Anm.145. 156 A.R.BrRLEY (Anm.103) 149-151. 157 CIL VIII 9369. Vgl. PIR2 N 245; A. MAGIONCALDA, in: M. CHRISTOL- A. MAGIONCAL­

DA, Studi sui procuratori delle due Mauretaniae, Sassari 1989, 21 Nr.17. Natürlich ist das Formelhafte an dieser Benennung nicht zu übersehen, vgl. MAGIONCALDA a. 0. Nrr. 2, 21, 29.

158 Zur Schaffung der Prokuratoren für die bona damnatorum durch Severus siehe A. R. BrRLEY (Anm. 144) 196, wogegen die bei W. WALD STEIN, RE Suppl. 10, 1965, 118 geäu­ßerten Zweifel nicht ankommen; allgemein etwa T. SPAGNUOLO VrcoRITA, Secta temporum meorum. Rinnovamemo politico e legislazione fiscale agli inizi del principato di Gordiano III, Palermo 1978, 46 Anm.6; P.A.BRUNT, Roman Imperial Themes, Oxford 1990, 145f.; 348.

159 Bekanntlich scheiterte er mit seinem Versuch, C. Iulius Erucius Clarus, den cos. ord. 193, als Ankläger zu gewinnen: Cass. Dio (Ex. Val. 344) 74(76),9,5,f. III 345f. Borss.; vgl. Petr. Patr. Exc. Vat. 131; zur Person zuletzt SALOMIES (Anm.40) 103f. Bei dem unbekannten Senator 'IouALav6~, der diese Funktion dann annahm (Dio a. a. 0.), darf man natürlich nicht an Asper denken, weil er erstens nicht Iulianus hieß (oben Anm.119) und zweitens nicht xat~yogo~/ accusator (T. SPAGNUOLO VrGORITA, Exsecranda pernicies. Delatori e fisco nell'ed di Costantino, Neapel1984, 26-28), sondern defensor war. In aller Regel vertrat die­ser den Beklagten, vgl. M. KASER - K. HACKL, Das römische Zivilprozeßrecht, München 21996, 650.

16° Cass. Dio (Exc. Val. 306) 71(72),28,2-4; 30,1 f. Vgl. SHA MA 25,5; AC 8,7. Dazu J. BLEICKEN, Senatsgericht und Kaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozeßrech­tes im frühen Prinzipat, Göttingen 1962, 123 m. Anm.4; R. A. BAUMANN, Impietas in princi­pem, München 1974, 192; 218-220; vgl. allgemein W.KUNKEL, Kleine Schriften, Weimar 1974, 267-323; zuletzt F.ARCARIA, Senatus censuit. Attivid giudiziaria ed attivid normativa del senato in era imperiale, Mailand 1992.

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gleichsam unter einer anderen Anklage ( w~ XUL ä.A"Ao ·n EyxaAO'llf!EVO'll~) vor das Se­natsgericht geladen habe. Von den Personen nichtsenatorischen Standes seien nur die wenigen getötet worden, die eines persönlichen Verbrechens überführt waren. Septimius Severus hat zwar auch den berühmten Eid geleistet, keinen Senator töten zu lassen, hat ihn aber sicher gebrochen.161 Daß es unter Severus zu Begnadigungen kam, bestätigen die Quellen ausdrücklich. 162 Tatsächlich könnten sich sogar unter den dankbaren Klienten Aspers damals gerettete Senatoren befinden, da senatorische Rangprädikate noch nicht allgemein in Gebrauch waren.163 Zumindest beachtens­wert ist in diesem Zusammenhang, daß einer von Aspers amici den Namen der gens Ummidia trug. Ob freilich dieser Sex. U m(m)idius Artemidorus wirklich mit den se­natorischen Ummidiern in Verbindung stand, läßt sich nicht mehr klären. Die Um­midii spielten in den Auseinandersetzungen um die Krone des späten 2.Jahrhunderts mehrfach eine Rolle. So war der 182 hingerichtete Ummidius Quadratus am Kom­plott der Lucilla164 gegen ihren Bruder Commodus beteiligt.165 Vermutlich von M. Ummidius Quadratus, dem cos. ord. 167, adoptiert, war er ein leiblicher Sohn aus der ersten Ehe des Cn. Claudius Severus, cos. II ord. 173,166 und damit sowohl ein Stiefsohn der Marcus-Tochter Annia Galeria Aurelia Faustina 167 als auch ein leib­licher Enkel des cos. ord. 146, Cn. Claudius Severus Arabianus.168 Ein anderer Nach­komme dieses Konsuls, der mit verkürztem Namen169 Claudius Arabianus hieß, war, wenn nicht alles täuscht, nach dem Sturz des Albinus hingerichtet worden. 170

161 Cass. Dio (Exc. VaL 337) 74(75),2,1f.; Herod. 2,14,3; SHA SS 7,5; dazu z. B. BLEICKEN (Anm.160) 119; BAUMANN (Anm.160) 220f. Anm.193. VgL A.R.BIRLEY, CR 12, 1962, 197-199.

162 Vgl. Cass. Dio-Xiph. 75(76),8,3 f.: Begnadigung von 35 und Hinrichtung von 29 Par­teigängern des Albinus. Eine knappe Übersicht aufgrund der Forschungen G. ALFÖLDYS bei BERING-STASCHEWSKI (Anm.17) 51-65; vgL noch oben Anm.145.

163 Vgl. dazu obenAnm.114. Die gelesenen Endungen[- -]nensis I [- -]censi[s ?] weisen dar­auf hin, daß auch der Dedikant von CIL XIV 2507 irgendeine Funktion im Zusammenhang mit einer Provinz oder einer Gemeinde ausübte. Als seinen Namen schlug DESSAU L. oder P. Met(t )ius Mi[m ]esius vor; PIR2 M 564 denkt alternativ auch an Mi[l]esius. Vielleicht wäre Mettius Mo [d]estus zu erwägen, zu ihm THOMASSON (Anm.18) 278f. Nr.16 add. III, 1990, 40; 280 Nr. 25; REMY (Anm. 8) 291-293 N r. 238; PIR2 M 564; M. W ÖRRLE, Stadt und Fest im kaiser­zeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Stiftung aus Oinoanda, München 1988,40.

164 RAEPSAET-CHARLIER (Anm.21) 67-69 Nr.54. 165 Dazu RAEPSAET-CHARLIER (Anm. 121) 678; vgl. R.SYME, Roman Papers II, Oxford

1979, 689f.; SALOMIES (Anm.40) 47 m. Anm.62. 166 RAEPSAET-CHARLIER (Anm.121) 758. 167 RAEPSAET-CHARLIER (Anm.121) 77f. Nr.61. 168 RAEPSAET-CHARLIER (Anm.121) 78 bei Nr.61. Zu den Familienverbindungen auch

noch DrETZ (Anm. 86) 125; 127f. sowie die Stemmata XXIV-XXVI bei RAEPSAET-CHAR­LIER; zur Nomenklatur dieser Claudier auch noch 0. SALOMIEs, Aretos 17, 1983, 71 f.

169 SALOMIES (Anm.40) 47 betont mit Recht, daß auch der Verschwörer von 182 mit vol­lem Namen nicht bloß (M.) Ummidius Quadratus geheißen haben wird.

170 SHA SS 13,7; Weiteres bei DIETZ (Anm. 86) 128 Anm. 340; ders., Chiron 13, 1983, 390; jACQUES (Anm.145) 133f.

I ulius Asp er 521

XIII. Zusammenfassung Vermutlich hat der spätestens um 150 geborene C. Iulius Aspernach einer wenig spektakulären Laufbahn, die mit der Fremdenprätur (vielleicht unter Commodus) an ihr vermeintliches Ende gelangt war, seiner Beredsamkeit den weiteren Aufstieg zum Konsulat verdankt. Dieser erfolgte recht spät, offenbar erst um 196/197, als Septimius Severus in Asper einen beredten und klugen Mann fand, der in der Lage war, im großen Stil als Verteidiger in Majestätsprozessen aufzutreten. Eine solche Aufgabe erforderte großes Fingerspitzengefühl, damit sich die clementia principis möglichst ohne Gesichtsverlust für die beteiligten Parteien entfalten konnte. 171 Man darf wohl annehmen, daß dem älteren Asper das Metier des Ge­richtsredners und Anwalts zu diesem Zeitpunkt längst vertraut war. Möglicher­weise war es ja überhaupt der Grund für seinen Aufstieg in den Senatorenstand gewesen. Wie besonders das Beispiel des Clodius Eprius Marcellus lehrt, 172 konnte man seit der Mitte des l.Jahrhunderts als Gerichtsredner auch aus relativ niederen Anfängen in höchste Staatsämter gelangen. Natürlich war ein solches Avancement in den amplissimus ordo vor allem dann möglich, wenn man es verstand, sich in Majestätsprozessen die Gunst des Kaisers zu erwerben.173 Die im Fundort der Eh­rungen CIL XI 7729 zum Ausdruck kommende räumliche Nähe von Aspers Fa­milie zum antoninischen Kaiserpalast von Lorium174 könnte so gesehen vielleicht kein Zufall sein, 175 und Aspers Rolle unter Commodus zu kennen, wäre gewiß in­teressant.

Wie dem auch sei, Asper wird um 194/195 von Severus in einer besonderen Wei­se «reaktiviert>>, alsbald mit der älteren Prätoriern vorbehaltenen Kuratel über die via Appia betraut176 sowie unter die sodales Augustales aufgenommen worden sein. Während er als Günstling (candidatus) des Kaisers zum Konsul designiert wurde, verteidigte er als defensor fidelissimus 177 zahlreiche Klienten, speziell ins Zwielicht geratene Provinzen, und bewahrte sie vor der Verurteilung. Der bedeut­same Unterschied zwischen der normalen anwaltliehen Tätigkeit der meisten Pro-

171 Apologetischen Charakter hatte die nach den Bürgerkriegen entstandene Autobiogra­phie des Septimius Severus: F. CHAUSSON, REL 73, 1995, 183-198.

172 Zu seiner Laufbahn REMY (Anm. 8) 281-284; SALOMIES (Anm.40) 93. 173 Vgl. W. KuNKEL, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, Graz 21967,

286 ff. Anm. 610. 174 Lorium war der Kaiserpalast des Antoninus Pius (SHA AP 1,8; 12,6; Eutr. 8,8), wurde

auch von Mark Aurel benutzt (Fronto, ad Mare. 2,15; 3,20; 5,7). Vgl. F. MrLLAR, The Ernper­ar in the Roman World, London 1977, 27f.; außerdem G.SCHNEIDER GRAzrosr, BCAR 1913, 57-61; ToMASSETTI (Anm. 37) li 601-604; zu Torimpietra, dem Fundort der Inschrif­ten CIL XI 7729, ebd. 617f. und GRANINO CECERE (Anm.27) 148 Anm.19.

175 GRANINO CECERE ebd. denkt freilich daran, Cassia Paterna könne an der via Aurelia Güter gehabt haben.

176 Sie erscheint in CIL XIV 2510 und 2511 nicht. 177 Wie moT6~ für den ouvötxo~, so war fidelissimus das stehende Beiwort für den defen­

sor; Belege bei 0. SEECK, RE 4, 2, 1901, 2365.

522 Karlheinz Dietz

vinzialpatrone und der Aspers lag offenkundig darin, daß er- anders als in den üb­lichen Repetundenprozessen- aufgrund des patrocinii foedus nicht voluntariae ac­cusationes übernahm, 178 sondern die Abwehr des offenen oder verklausulierten cri­men maiestatis. Dabei kann man gewiß davon ausgehen, daß ihn die bedrängten Provinzen auf Hinweis des Kaisers (und Bestellung des Senats?) gleichzeitig zum Patron und Advokaten gewählt haben. Da Asper in seiner Tätigkeit weniger in der Gefahr stand, mit Standesgenossen in Konflikt zu geraten, dürfte dies seine Popularität zusätzlich befördert und ihn von dem Haß verschont haben, der ande­re patroni in Repetundenfällen fast unausweichlich treffen mußte.

Die Vertrautheit mit der neuen Dynastie brachte seinem Sohn in jungen Jahren die Würde eines Patriziers ein, er wurde salius Palatinus und 201 flamen, später noch pontifex. Asper selbst erhielt gegen Ende der Herrschaft des Severus, wegen seines bereits vorgerückten Alters nach einem relativ kurzen Intervall, das afrika­nische Prokonsulat179 und dann im Zusammenhang mit der Ermordung des Geta das zweite Konsulat und wohl die Stadtpräfektur. Die Launen Caracallas vertrie­ben ihn aus der Hauptstadt, riefen ihn aber nach wenigen Jahren zurück, um seine Fähigkeiten im zerrütteten Asia zur Geltung zu bringen. Macrinus hat dem alten Mann erneut übel mitgespielt, ihn zuerst trotz der Bitte um excusatio zum Pro­konsul ernannt, dann aber doch nicht verwendet, sondern abermals aus Rom ver­bannt, bis ihm Elagabal die Rückkehr in die Hauptstadt erneut erlaubte. Ob ihn der Kaiserwechsel von 222, der ja nicht ohne Erschütterungen einherging, noch einmal berührte, wissen wir nicht. Seine Familie überlebte und verschwägerte sich um die Mitte des 3.Jahrhunderts mit den senatorischen Maesii Titiani aus Pa­lermo.180

Universität Würzburg Seminar für Alte Geschichte Residenzplatz 2/Südflügel 97070 Würzburg

178 Zum Sprachgebrauch bei Plin. epist. 3,4,4f. vgl. DEININGER (Anm.18) 168f., zum Pro­zeß des Baebius Massa D. HENNIG, Historia 27, 1978, 246-249; weitere Senatsprozesse de repetundis der beiden ersten nachchristlichen Jahrhunderte bespricht BLEICKEN (Anm.160) 158-166; vgl. BRUNT (Anm.158) 53-95; 487-506.

179 Vgl. oben Anm.21 f. Nach LEUNISSEN (Anm. 9) 216 kämen die Jahre 200/201 oder 204/205 in Frage; man wird jetzt eher an 209/210 denken. Daß er anderen Konsuln vorgezo­gen wurde, erklärt sich zwanglos aus seinem Alter und seiner Laufbahn. Vgl. noch L.PorNs­soT, CRAI 1921, 333-336.

180 Dazu GRANINO CECERE (Anm. 27) passim; SEG 39,638 aus einem Grab in Thessaloni­ke ist m. E. Teil einer Konsuldatierung und dürfte ins Jahr 245 gehören.

I ulius Asp er 523

Stemma der I ulii Aspri

[Iulius]

Cassia Paterna, c. f.

C. Iulius Camilius C. Iulius (Galeria) Calidus (Galeria) Asper c. v., Severus c. v.

cos. ord. 212

I I

C. Iulius Galeria Asper cos. II ord. 212, praef. urbi

I Iulia Iuliana

Camilia Aequa c. f.

C. Iulius Camilius Fonteia Frontina C. Maesius Titianus (cos. ord. 245) (Galeria) Asper c. [i.],

patricius

I [Iulia]

Maesia Titiana c. p., pro­neptis Aspri iunioris

I

[Maesius] Titianus c. f., consularium filius, patricius

I