Auf Wissen aufbauen - kumulatives Lernen in Chemie und Physik
Implizites Lernen und LRS: Spielen Defizite im impliziten Lernen eine Rolle bei der Entstehung von...
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Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Lernen und Lernstörungen, 1 (2), 2012, 79 – 97
Übersichtsarbeit
Implizites Lernen und LRS: Spielen Defizite im impliziten Lernen
eine Rolle bei der Entstehung von Schwierigkeiten im Lesen und
Rechtschreiben?Elena Ise und Gerd Schulte-Körne
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Zusammenfassung: Zirka fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden an einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS). Bisher ist kaum bekannt, auf welche Art und Weise das Lesen- und Schreibenlernen bei Kindern mit einer LRS beeinträchtigt ist. Studien zeigen, dass der Erwerb der Schriftsprache nicht nur explizit durch Unterrichtung stattfindet, sondern auch implizit (unbewusst) durch häufigen Kontakt mit geschriebenen Wörtern. D. h. Kinder lernen implizit, welche Buchstabenkombinationen häufig vorkommen und wie oft und unter welchen Bedingungen Laute und Buchstaben miteinander assoziiert sind. Möglicherweise können Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben dadurch erklärt werden, dass diese impliziten Lernprozesse beeinträchtigt sind. In aktuellen Studien wurden daher anhand von Serial Reaction Time (SRT) und Artificial Grammar Learning (AGL) Aufgaben implizite Lernprozesse bei Kindern und Erwachsenen mit einer LRS untersucht. In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse dieser Studien systematisch zusammengefasst und kritisch diskutiert. Die Mehrzahl der Studien weist darauf hin, dass Kinder mit einer LRS sowohl im impliziten Lernen von Reihenfol-gen (gemessen mit SRT-Aufgaben) als auch im impliziten Lernen von Regeln und Fragmenthäufigkeiten (gemessen mit AGL-Aufgaben) beeinträchtigt sind. Implikationen für die Praxis werden vorgestellt.
Schlüsselwörter: Lese-Rechtschreibstörung, implizites Lernen, serial reaction time, artificial grammar learning
Einleitung
Nach der «Internationalen Klassifikation psychischer Stö-
rungen» (ICD-10; Dilling, Mombour & Schmidt, 2011)
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt die Le-
se-Rechtschreibstörung (LRS) zu den umschriebenen
Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F.81).
Bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen liegt die
Leistung im Lesen – und häufig auch im Rechtschreiben –
deutlich unter dem Niveau, das aufgrund des Alters, der
allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten
wäre. Die LRS ist eine häufige Entwicklungsstörung (Prä-
valenz: 4 – 7 %; Hasselhorn & Schuchardt, 2006) mit einer
hohen Stabilität (Esser & Schmidt, 1993; Klicpera, Schab-
mann & Gasteiger-Klicpera, 2006). Symptomspezifische
Förderprogramme können die Lese-Rechtschreibleistung
betroffener Kinder zwar nachweislich verbessern (Ise,
Engel & Schulte-Körne, in Druck*), Beeinträchtigungen,
insbesondere im Rechtschreiben, bleiben jedoch häufig bis
ins Erwachsenenalter bestehen (Schulte-Körne, Deimel,
Jungermann & Remschmidt, 2003).
Die grundlagenorientierte Forschung der letzten 20
Jahre zeigte, dass die LRS eine neurobiologische Störung
ist, die durch genetische Faktoren beeinflusst wird (Scerri
& Schulte-Körne, 2010; Vellutino, Fletcher, Snowling &
Scanlon, 2004*). Unklar ist bisher noch, welche Bedeu-
tung schulische Faktoren haben und ob eine Interaktion
zwischen den neurobiologischen und schulischen Einfluss-
DOI: 10.1024/2235-0977/a000011
* siehe Kommentar im Literaturverzeichnis
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E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS80
faktoren besteht. Allgemein anerkannt ist, dass die LRS
mit schwachen phonologischen Fähigkeiten assoziiert ist.
Zahlreiche Studien belegen, dass Kinder, Jugendliche und
Erwachsene mit einer LRS Defizite in der phonologischen
Bewusstheit (Einsicht in die Lautstruktur der gesproche-
nen Sprache) zeigen, welche einen engen, möglicherweise
kausalen, Zusammenhang mit schwachen Lese-Recht-
schreibleistungen aufweisen (Bradley & Bryant, 1983;
Castles & Coltheart, 2004; Schulte-Körne, 2001).
Andere Erklärungsansätze gehen davon aus, dass spe-
zifische Defizite der auditiven oder visuellen Verarbeitung
von schriftsprachlichem und nicht-schriftsprachlichem
Material zu Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben füh-
ren (Übersicht in Schulte-Körne & Bruder, 2010). Hierzu
gehört zum Beispiel die Hypothese einer sequentiellen
Verarbeitungsschwäche akustischer Signale (‹temporal processing deficit hypothesis›; Tallal, 1980*, 2004), welche
auf der Beobachtung basiert, dass Kinder mit einer LRS ein
Defizit bei der Differenzierung schnell aufeinander folgen-
der, kurzer akustischer und sprachlicher Reize zeigen.
Die Automatisierungsdefizithypothese
Die Automatisierungsdefizithypothese (oder Cerebelläre
Defizit-Hypothese) beschreibt hingegen eine allgemeine
Beeinträchtigung in der Automatisierung von motorischen
Fähigkeiten, die ursächlich für die LRS sein soll (Nicolson
& Fawcett, 1999*, 2005). Das Automatisierungsdefizit,
hervorgerufen durch eine cerebelläre Dysfunktion, soll
auch kognitive Fertigkeiten betreffen und zu Schwierig-
keiten im Lesen- und Schreibenlernen führen. Mehrere
Studien berichten, dass Personen mit einer LRS Schwie-
rigkeiten haben bei Aufgaben, bei denen das Cerebellum
beteiligt ist (z. B. Muskelspannung, Balancieren, Zeit-
schätzung; Fawcett, Nicolson & Dean, 1996; Nicolson &
Fawcett, 1995). Da es sich hierbei um komplexe Vorgänge
handelt, die in der Regel stark automatisiert sind, bewer-
teten die Autoren der Studien diese Befunde als empiri-
sche Unterstützung der Automatisierungsdefizithypothe-
se. Andere Studien fanden jedoch keine Hinweise auf ein
allgemeines Automatisierungsdefizit (Ramus, Pidgeon
& Frith, 2003; Wimmer, Mayringer & Landerl, 1998;
Wimmer, Mayringer & Raberger, 1999). Dass die Automa-
tisierung von Buchstaben-Laut-Zuordnungen und Recht-
schreibkonventionen eine wichtige Voraussetzung für das
flüssige Lesen und die sichere Rechtschreibung darstellt,
ist unumstritten. Es ist allerdings unklar, inwiefern cere-
belläre Defizite oder ein allgemeines Automatisierungs-
defizit hierbei eine Rolle spielen.
Vergleichsweise wenige Studien haben bisher unter-
sucht, auf welche Art und Weise das Lesen- und Schreiben-
lernen bei Kindern mit einer LRS beeinträchtigt ist, bzw.
anders verläuft als bei Kindern ohne eine LRS. In der Schu-
le wird das Lesen und Rechtschreiben explizit unterrichtet.
Der Erwerb der Schriftsprache findet jedoch nicht nur im
Unterricht statt, sondern auch unbewusst (implizit) durch
häufigen Kontakt mit geschriebenen Wörtern ( Dixon &
Kaminska, 1997; Martinet, Valdois & Fayol, 2004; Pacton,
Perruchet, Feayol & Cleeremens, 2001*; Pollo, Kessler &
Treiman, 2009*). Bei Kindern mit einer LRS wird häufig
beobachtet, dass sie Wörter direkt nach dem Üben richtig
schreiben, später aber wieder fehlerhaft. Es gelingt ihnen
nicht, die gespeicherte Schreibweise der Wörter abzurufen
(Schulte-Körne, Deimel, Bartling & Remschmidt, 2004).
Beim Lesen zeigt sich, dass die automatisierte Worterken-
nung, d. h. der schnelle Abruf von Wortwissen aus dem
orthographischen Lexikon, beeinträchtigt ist. Kinder mit
einer LRS lesen auch häufig vorkommende Wörter oft
langsam und fehlerhaft (Landerl & Wimmer, 2008). Da
die Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben bei Kindern
mit einer LRS nicht auf mangelnde Unterrichtung oder
Intelligenzminderung zurückzuführen sind, stellt sich die
Frage, ob Kinder mit einer LRS ein Defizit im impliziten
Lernen von Buchstabenfolgen, Wörtern und Buchstaben-
Laut-Assoziationen zeigen.
Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie implizites
Lernen in der Literatur definiert wird und welche Aufga-
ben eingesetzt werden, um implizites Lernen experimen-
tell zu erfassen. Im Anschluss wird die Rolle des implizi-
ten Lernens beim Lesen- und Schreibenlernen diskutiert.
Abschließend wird eine Übersicht zu Studien gegeben, in
denen überprüft wurde, ob Kinder mit einer LRS Defizite
im impliziten Lernen zeigen.
Implizites Lernen
Der Begriff implizites Lernen bezeichnet einen unbewuss-
ten Lernprozess. Im Gegensatz zu explizitem Lernen, wel-
ches bewusst und intendiert abläuft (z. B. das Lernen von
Vokabeln), verläuft implizites Lernen eher beiläufig und
unbeabsichtigt (z. B. der Erwerb der Muttersprache; Brei-
tenstein & Knecht, 2003).
Reber prägte den Begriff implizites Lernen und defi-
nierte implizites Lernen als einen Prozess, bei dem der Ler-
nende sich weder des Lernprozesses noch des erworbenen
Wissens bewusst ist (Reber, 1967*; Reber, Walkenfeld &
Hernstadt, 1991). Zudem schrieb Reber, dass das implizit
erworbene Wissen in Form von abstrakten Regeln abge-
speichert wird, welche der Lernende aus einer komplexen
Reizumgebung ableitet (Reber, 1989). Andere Autoren de-
finieren implizites Lernen etwas neutraler als einen unin-
tendierten Lernprozess, bei dem das Erlernte nur schwer
oder unvollständig verbalisiert werden kann (Berry &
Dienes, 1993; Cleeremans, Destrebecqz & Boyer, 1998).
Im täglichen Leben gibt es zahlreiche Beispiele für
Fähigkeiten, die eher beiläufig erworben werden und nur
schwer beschrieben werden können. Als Paradebeispiel gilt
der Spracherwerb. Die meisten Schulkinder sprechen gram-
matikalisch richtig und produzieren Sätze wie «Ich sitze
unter dem Baum» anstelle von «Ich sitze unter den Baum»,
können aber nicht begründen, warum die Sätze gramma-
tisch richtig sind (hier: Dativ). Zumindest nicht, bevor sie
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die Regeln der Grammatik bewusst (explizit) im Deutsch-
unterricht erlernt haben. Es besteht also eine Dissoziation
zwischen dem Verhalten der Kinder und der Fähigkeit, das
Wissen, auf dem das Verhalten basiert, in Worte zu fassen.
Die experimentelle Forschung zum impliziten Lernen
untersucht die Fähigkeit, Regelmäßigkeiten aus angebo-
tenem Stimulusmaterial zu abstrahieren und auf neues
Material anzuwenden. Zu den am häufigsten eingesetz-
ten Untersuchungsdesigns gehören die Serial Reaction
Time (SRT) Aufgabe und die Artificial Grammar Learning
(AGL) Aufgabe. Eine Beschreibung der Aufgaben findet
sich in der Infobox Forschungsmethoden.
Die Rolle des impliziten Lernensbeim Schriftspracherwerb
Beim Lesen- und Schreibenlernen sind sowohl explizite als
auch implizite Lernprozesse involviert. In der Schule und
im Elternhaus werden Buchstaben-Laut-Zuordnungen und
Rechtschreibregeln explizit vermittelt und eingeübt. Auf-
grund der Komplexität der geschriebenen Sprache ist es
jedoch unwahrscheinlich, dass das Lesen- und Schreiben-
lernen allein auf expliziten Lernprozessen beruht (Steffler,
2001). Einen großen Teil des Wissens zu geschriebenen Wör-
tern und der Häufigkeit bestimmter Buchstabenfolgen schei-
nen Kinder eher beiläufig durch vielfältigen Kontakt mit
geschriebenen Wörtern zu erwerben (Pacton et al., 2001*).
Im Erstleseunterricht werden Buchstaben-Laut-Zuord-
nungen üblicherweise anhand von Anlaut-Tabellen vermit-
telt. Dabei lernen Kinder die Verbindung zwischen einem
Buchstaben und dem Laut, der am häufigsten mit diesem
Buchstaben assoziiert ist (z. B. «A wie Apfel»). Ein Buch-
stabe kann jedoch mit mehreren Lauten assoziiert sein.
Zum Beispiel repräsentiert der Buchstabe e in den Wör-
tern Esel, Ente, Hase und schnell unterschiedliche Laute
(siehe Thomé, Siekmann & Thomé, 2011*). Obwohl die
Inkonsistenz der Buchstaben-Laut-Zuordnungen im Unter-
richt selten thematisiert wird, können die meisten Kinder
auch Wörter mit seltenen Buchstaben-Laut-Zuordnungen
flüssig lesen. Eine naheliegende Erklärung ist, dass Kinder
durch häufigen Kontakt mit geschriebenen Wörtern impli-
zit lernen, wie oft und unter welchen Bedingungen Buch-
staben an bestimmte Laute gekoppelt sind. So lernt ein
Kind durch das häufige Lesen von Wörtern wie Löffel, Kar-toffel und Schlüssel, dass die Buchstabenkombination -el am Ende eines Wortes immer gleich ausgesprochen wird
(und dass der Buchstabe e hier mit einem anderen Laut
assoziiert ist als das e in Emil). Implizite Lernprozesse scheinen auch bei der Entwick-
lung der Rechtschreibleistung eine wichtige Rolle zu spie-
len. Insbesondere das Wissen zur Vorkommenshäufigkeit
bestimmter Fragmente (Bi- und Trigramme) in der Schrift-
sprache, das sogenannte Fragmentwissen, scheint implizit
durch Kontakt mit wiederkehrenden Buchstabenmustern
zu entstehen (Pacton et al., 2001*). Aaron, Keetay, Boyd,
Palmatier und Wacks (1998) sprechen in diesem Zusam-
menhang von einem «stochastischen Gedächtnis» für
Buchstabenfolgen. Es gibt Hinweise, dass Kinder schon zu
Beginn des Schriftspracherwerbs über Wissen zur Häufig-
keit von Buchstaben(-kombinationen) verfügen und dass
sie dieses Wissen beim Schreiben unbekannter Wörter
anwenden (Cassar & Treiman, 1997*; Pollo et al., 2009*;
Treiman, 1993). Pacton et al. (2001*) zeigten, dass dieses
Wissen implizit ist und ohne explizite Instruktion erwor-
ben werden kann.
Einen weiteren Hinweis darauf, dass das implizite Ler-
nen eine wichtige Rolle beim Schreibenlernen spielt, lie-
fert eine Studie von Martinet et al. (2004). In dieser Arbeit
wurden französischsprachigen Erstklässlern Wörter dik-
tiert, die entweder häufig oder selten in den bis zu diesem
Zeitpunkt eingesetzten Unterrichtsmaterialien der Kinder
vorkamen. Alle Wörter enthielten eine selten vorkommen-
de Phonem-Graphem-Korrespondenz (Zielgraphem). Es
zeigte sich, dass die Erstklässler bereits in der Mitte des
Schuljahres häufig vorkommende Wörter (z. B. voiture)
deutlich öfter richtig schreiben als selten vorkommende
Wörter (z. B. rêve). Auch die Analyse der Zielgrapheme
zeigte, dass diese in den häufig vorkommenden Wörtern
öfter richtig geschrieben wurden als in den Wörtern, die
die Kinder bisher nur selten gesehen hatten. Dieses Er-
gebnis erlaubt die Schlussfolgerung, dass Kinder seltene
Phonem-Graphem-Korrespondenzen vor allem dann rich-
tig schreiben, wenn diese durch häufigen Kontakt implizit
gelernt werden konnten.
Bei Kindern mit einer LRS könnte dieser implizite Lern-
prozess beeinträchtigt sein. Es gelingt ihnen trotz häufigen
Übens nicht, die Schreibweise von Wörtern zu verinner-
lichen und abzurufen. Zudem lesen sie oft langsam und
fehlerhaft. Bei einer starken Ausprägung der LRS kann
die Worterkennung so sehr beeinträchtigt sein, dass auch
häufig vorkommende Wörter immer wieder Buchstabe für
Buchstabe dekodiert werden müssen. Möglicherweise ist
die Fähigkeit, Regeln bzw. statistische Zusammenhänge
zwischen Buchstabenfolgen und Lauten aus der geschrie-
benen Sprache zu abstrahieren und auf neue Wörter anzu-
wenden, bei Kindern mit einer LRS beeinträchtigt. Um zu
überprüfen, ob ein generelles Defizit im impliziten Lernen
vorliegt, wurde in mehreren Studien untersucht, ob Per-
sonen mit einer LRS bei spezifischen Lernanforderungen
in impliziten Lernaufgaben (SRT- oder AGL-Aufgaben)
Schwächen aufweisen.
Befunde zum impliziten Lernen bei LRS
Eine Reihe von Studien ist der Frage nachgegangen, ob
das implizite Lernen von Regeln bzw. Fragmenten bei Per-
sonen mit einer LRS gestört ist. Diese Studien sollen hier
zusammenfassend dargestellt werden. Dabei soll zunächst
auf Studien eingegangen werden, in denen eine SRT-Auf-
gabe eingesetzt wurde und anschließend auf Studien, die
mit dem AGL-Paradigma gearbeitet haben.
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In der Infobox Forschungsmethode finden sich Be-
schreibungen der SRT-Aufgabe und der AGL-Aufgabe.
Beide Aufgaben untersuchen die Fähigkeit, Regelmäßig-
keiten aus angebotenem Stimulusmaterial zu abstrahieren.
Ein wichtiger Unterschied zwischen den Aufgaben besteht
darin, dass Probanden in einer SRT-Aufgabe immer wie-
der dieselbe Reihenfolge sehen, welche verinnerlicht und
so zur Verhaltensoptimierung genutzt werden soll. In einer
AGL-Aufgabe werden hingegen unterschiedliche Stimuli
(z. B. Buchstabenfolgen) präsentiert. Die Probanden ha-
ben die Aufgabe, Regelmäßigkeiten in diesen Stimuli zu
erkennen und auf neues, bisher unbekanntes Material an-
zuwenden. Im Vergleich zur SRT-Aufgabe zeigen die An-
forderungen der AGL-Aufgabe somit eine größere Ähn-
lichkeit mit den Anforderungen des Schriftspracherwerbs.
Studien, die eine SRT-Aufgabe eingesetzt haben
Studien mit Erwachsenen
Empirische Unterstützung für die Hypothese, dass Er-
wachsene mit einer LRS Defizite im impliziten Lernen
von Reihenfolgen zeigen, liefert – unseres Wissens – bis-
her nur eine Studie. In der Studie von Menghini, Hagberg,
Caltagirone, Petrosini und Vicari (2006) wurde eine SRT-
Aufgabe bestehend aus 7 Blöcken mit jeweils 54 Trials
eingesetzt. In Block 2 bis 6 folgten die Positionen der
Stimuli (rote Vierecke) einer festgelegten, einfachen Rei-
henfolge bestehend aus neun Elementen (2-4-3-4-1-3-2-
3-1, wobei die Ziffern jeweils für eine Position stehen),
während die Stimuli in den Blöcken 1 und 7 in zufälli-
ger Reihenfolge angeboten wurden. Die Probanden ohne
LRS (n = 14) zeigten eine typische Lernkurve: Die Re-
aktionszeiten verringerten sich kontinuierlich von Block
1 zu Block 6 und stiegen in Block 7 signifikant an. Im
Gegensatz hierzu reagierten die Probanden mit einer LRS
(n = 14, diagnostiziert nach DSM IV Kriterien) auf Stimu-
li, die in einer festgelegten Reihenfolge angeboten wur-
den, ebenso schnell wie auf Stimuli, die in einer zufälligen
Reihenfolge angeboten wurden. Sie hatten die Reihenfolge
offenbar nicht implizit gelernt und zur Verhaltensoptimie-
rung genutzt. Die Autoren schlussfolgern daher, dass bei
Personen mit einer LRS ein Defizit im impliziten Lernen
von Reihenfolgen vorliegt.
Die Mehrzahl der Studien berichtet jedoch, dass Erwach-
sene mit einer LRS Reihenfolgen implizit lernen können.
Zum Beispiel berichten Kelly, Griffiths und Frith (2002),
dass die Leistung von Personen mit einer LRS in einer
SRT-Aufgabe nicht beeinträchtigt ist. In der Studie wurden
Studenten mit einer diagnostizierten LRS (n = 14) und Stu-
denten ohne LRS (n = 14) mittels einer modifizierten SRT-
Aufgabe untersucht, in der vier komplexe Stimuli (zwei
tierähnliche Figuren, jeweils in rot oder grün) angeboten
wurden. Jedem Stimulus war eine Taste auf der Tastatur
zugeordnet und die Probanden hatten die Aufgabe, per Tas-
tendruck anzugeben, welchen Stimulus sie sahen. Während
in der Studie von Menghini et al. (2006) nur die Positionen
der Stimuli auf dem Bildschirm festgelegt war, folgten in
dieser Studie sowohl die Art der Stimuli als auch die Posi-
tionen der Stimuli einer festgelegten (einfachen) Reihen-
folge bestehend aus 8 bzw. 9 Elementen. Die Aufgabe war
demnach deutlich komplexer. Die Probanden durchliefen
insgesamt 16 Blöcke mit jeweils 76 Trials. In drei Blöcken
wurde die festgelegte Reihenfolge wieder aufgehoben: In
Block 9 war die Art der Stimuli zufällig, in Block 12 war
die Position der Stimuli zufällig und in Block 15 waren
sowohl die Position als auch die Art der Stimuli zufällig.
Beide Gruppen zeigten eine kontinuierliche Reduktion der
Reaktionszeiten im Verlauf des Experiments (Block 1 – 16,
mit Ausnahme der Blöcke 9, 12, und 15). Auch zeigten bei-
de Gruppen einen deutlichen Lerneffekt, gemessen durch
einen Anstieg der Reaktionszeiten in Block 9, 12 und 15 im
Vergleich zum jeweils vorangegangenen Block. Insgesamt
reagierten die Studenten mit einer LRS langsamer als die
Studenten ohne LRS (höhere RT über alle Blöcke hinweg).
Dieses Ergebnis weist möglicherweise auf eine verlang-
samte Informationsverarbeitung bei der LRS hin (Nicolson
& Fawcett, 1994; Wolf, 1991; siehe jedoch Stoodley, Har-
rison & Stein, 2006, für einen gegenteiligen Befund). Inte-
ressanterweise unterschieden sich die Lernkurven der bei-
den Gruppen jedoch nicht signifikant voneinander. Beide
Gruppen hatten die Reihenfolgen implizit gelernt und zur
Verhaltensoptimierung genutzt.
Rüsseler, Gerth und Münte (2006) berichten ebenfalls,
dass Erwachsene mit einer diagnostizierten LRS keine
Beeinträchtigung im impliziten Lernen von Reihenfolgen
zeigen. In der Studie wurde eine SRT-Aufgabe bestehend
aus 11 Blöcken mit jeweils 120 Trials eingesetzt. In Block
1 und 10 waren die Positionen der Stimuli («X») zufällig
bestimmt. In den Blöcken 2 – 9 und 11 erschienen die Sti-
muli in einer Reihenfolge mit 12 Elementen (1-3-2-4-3-
4-1-2-3-1-4-2). Wie in der Studie von Kelly et al. (2002)
wurde auch in dieser Studien keine einfache Reihenfolge
eingesetzt. Stattdessen wurde eine sogenannte «second
order conditional sequence» eingesetzt, bei der auf jede
der vier Positionen jede andere Position mit der gleichen
Wahrscheinlichkeit folgen kann. Um die nächste Position
(n + 1) vorhersagen zu können, muss der Proband daher
nicht nur die aktuelle Position (n), sondern auch die voran-
gegangene Position (n − 1) berücksichtigen. Erwachsene
mit einer LRS (n = 12) und Erwachsene ohne LRS (n = 12)
zeigten eine vergleichbare Lernkurve. Die Reaktionszeiten
verringerten sich von Block 1 zu Block 9 kontinuierlich,
stiegen in Block 10 wieder an und waren in Block 11 wie-
der deutlich niedriger. Dieses Antwortmuster unterschied
sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen.
Bennett, Romano, Howard und Howard (2008) setz-
ten in ihrer Studie eine «triplet frequency learning task»
(TRIP), eine Modifikation der SRT-Aufgabe, ein. Bei
der TRIP-Aufgabe sind auf dem Bildschirm vier Kreise
zu sehen. In jedem Trial, genannt triplet, verfärben sich
zwei Kreise nacheinander rot und anschließend nimmt ein
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E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 83
dritter Kreis eine grüne Farbe an. Die Probanden sollen
in 30 Blöcken mit jeweils 50 Trials so schnell wie mög-
lich die Position des grünen Kreises angeben. Die Aufgabe
enthält eine komplexe Reihenfolge (1-r-2-r-3-r-4-r), d. h.
innerhalb eines Triples sagt die Position des ersten Kreises
die Position des dritten Kreises vorher. Auch in dieser Stu-
die wurde demnach eine deutlich komplexere Reihenfolge
eingesetzt als bei Menghini et al. (2006). Die Ergebnisse
zeigen, dass Studenten mit einer diagnostizierten LRS (n =
16) und Studenten ohne LRS (n = 18) eine vergleichbare
Leistung erbringen. Es zeigten sich keine Gruppenunter-
schiede hinsichtlich der Reaktionszeiten, weder in den
Triplets, in denen die Positionen der Kreise konform der
Reihenfolge waren, noch in den Triplets, in denen die Po-
sitionen der Kreise zufällig bestimmt waren. Studenten
mit einer LRS zeigten in dieser Studie demnach keine Be-
einträchtigung im impliziten Lernen von Reihenfolgen.
Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass das implizite
Lernen bei Personen mit einer LRS geringer ausgeprägt ist
als bei Personen ohne eine LRS. In der Studie von Stoodley
et al. (2006) führten Studenten eine SRT-Aufgabe durch,
die drei Blöcke mit jeweils 100 Trials umfasste. In den Blö-
cken 1 und 3 erschienen die Stimuli (nicht spezifiziert) in
zufälliger Reihenfolge an bestimmten Positionen auf dem
Bildschirm. In Block 2 folgten die Positionen, in denen die
Stimuli auf dem Bildschirm erschienen, einer einfachen
Reihenfolge. Die Reihenfolge umfasste 10 Elemente (4-
3-2-1-3-4-2-3-1-2) und erschien zehn Mal innerhalb des
Blocks (insgesamt 100 Trials). Beide Gruppen zeigten eine
deutliche Abnahme der Reaktionszeiten im Verlauf des
zweiten Blocks, welche als Hinweis auf implizites Lernen
interpretiert wird. In den beiden Blöcken mit zufällig be-
stimmten Positionen (Block 1 und 3) unterschieden sich
die Reaktionszeiten von Studenten mit einer diagnostizier-
ten LRS (n = 19) und Studenten ohne LRS (n = 21) nicht
voneinander. In Block 2 reagierten die Studenten mit einer
LRS jedoch langsamer als die Studenten ohne LRS. Wäh-
rend der Unterschied in den Reaktionszeiten in der ersten
Hälfte von Block 2 (1. – 5. Wiederholung der Reihenfolge)
nicht statistisch signifikant war, erreichte der Unterschied
zwischen den beiden Gruppen im zweiten Teil des Blocks
(6. – 10. Wiederholung der Reihenfolge) statistische Signi-
fikanz. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass das implizite
Lernen bei Studenten mit LRS zwar vorhanden, aber gerin-
ger ausgeprägt ist als bei Studenten ohne LRS.
Ein ähnliches Ergebnis berichten Howard, Howard,
Japikse und Eden (2006). Die in dieser Studie eingesetzte
SRT-Aufgabe enthielt Stimuli, die in einer komplexen Rei-
henfolge auf dem Bildschirm erschienen. Die Probanden
nahmen an zwei Sitzungen mit jeweils 20 Blöcken teil. Je-
der Block begann mit 10 Trials, in denen die Positionen der
Stimuli zufällig bestimmt waren, gefolgt durch 80 Trials, in
denen die Positionen der Stimuli einer komplexen Reihen-
folge folgten (z. B. A-r-B-r-D-r-C-r). Bei der Auswertung
wurde für jeden Probanden der Median der Reaktionszeiten
für zufällige Trials und für festgelegte Trials bestimmt und
über die Blöcke gemittelt. Wie in der Studie von Kelly et
al. (2002) reagierten Studenten mit LRS (n = 11) auch hier
insgesamt etwas langsamer auf die Stimuli als Studenten
ohne LRS (n = 12). Beide Gruppen zeigten jedoch einen
Lerneffekt, d. h. sie reagierten auf Stimuli, die in zufälliger
Reihenfolge angeboten wurden, signifikant langsamer als
auf Stimuli, die in der komplexen Reihenfolge angeboten
wurden. Eine signifikante Interaktion zwischen den Variab-
len «Gruppe» (LRS/keine LRS) und «Trial-Typ» (zufällig/
festgelegt) zeigt, dass dieser Lerneffekt bei den Studenten
mit LRS geringer ausgeprägt war. Ähnlich wie die Studie
von Stoodley et al. (2006), zeigt daher auch diese Studie,
dass Studenten mit einer LRS Reihenfolgen zwar implizit
lernen können, aber eine weniger stark ausgeprägte Lern-
kurve zeigen als Studenten ohne LRS.
Studien mit Kindern
Mehrere Studien zeigen, dass die SRT-Aufgabe auch bei
Kindern erfolgreich eingesetzt werden kann (Meulemans,
Van der Linden & Perruchet, 1998; Thomas & Nelson,
2001). Studien, die implizite Lernprozesse bei Kindern
mit einer LRS mittels SRT-Aufgaben untersucht haben,
berichten – ähnlich wie die Studien mit erwachsenen Pro-
banden – zum Teil widersprüchliche Ergebnisse.
Eine der ersten Studien (Waber et al., 2003) berichtet,
dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Lese-
leistung von Kindern und deren Fähigkeit, Reihenfolgen
implizit zu lernen. An der Studie nahmen 7 – 11 jährige
Kinder teil, die zur Abklärung von Lernstörungen in einer
Klinik angemeldet wurden (n = 195), sowie eine Kontroll-
gruppe (n = 227). Um die eingesetzte SRT-Aufgabe kind-
gerecht zu gestalten, erschienen die Stimuli (Sternchen) in
nur drei unterschiedlichen Positionen auf dem Bildschirm.
Die SRT-Aufgabe umfasste 7 Blöcke mit jeweils 60 Trials.
In den Blöcken 1 und 6 waren die Positionen, in denen die
Stimuli auf dem Bildschirm erschienen, zufällig bestimmt.
In den übrigen Blöcken (Block 2 – 5 und 7) folgten die Po-
sitionen der Stimuli einer festgelegten, einfachen Reihen-
folge von 6 Elementen (2-3-1-2-1-3). Die Ergebnisse einer
Regressionsanalyse zeigen, dass die Leseleistung der Kin-
der die Leistung in der SRT-Aufgabe (gemessen anhand
der Reaktionszeit) vorhersagen kann. Allerdings zeigten
sich Gruppenunterschiede zwischen guten und schwachen
Lesern nur in den ersten vier Blöcken (langsamere RT bei
den schwachen Lesern). In den Blöcken 5 – 7, welche als
Indikator für implizites Lernen gesehen werden, zeigten
sich keine Gruppenunterschiede. Zudem zeigte sich, dass
die Leseleistung die implizite Lernleistung nicht signifi-
kant vorhersagen konnte, wenn andere Variablen (Alter,
Geschlecht, kognitive Fähigkeiten und Aufmerksamkeit)
kontrolliert wurden. Die Autoren schlussfolgern daher,
dass das implizite Lernen von Reihenfolgen bei Kindern
mit schwachen Leseleistungen nicht beeinträchtigt ist.
Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch eine aktuelle
Studie von Menghini et al. (2010). An dieser Studie nah-
men Kinder und Jugendliche (8 – 17 Jahre) mit sehr schwa-
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
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chen Leseleistungen (LS-Gruppe) und mit durchschnittli-
chen Leseleistungen (Kontrollgruppe) teil. Bei keinem der
Teilnehmer lag eine ADHS vor. In der SRT-Aufgabe sahen
die Teilnehmer auf einem Bildschirm vier leere Vierecke.
Nacheinander färbte sich jeweils eines der vier Vierecke
rot. Die Teilnehmer sollten per Tastendruck angeben, wel-
ches Viereck eine rote Farbe annahm. Die Aufgabe um-
fasste 6 Blöcke mit jeweils 54 Trials. In Block 1 und 6 wa-
ren die Positionen der roten Vierecke auf dem Bildschirm
zufällig bestimmt. In Block 2 – 5 folgten die Positionen
der roten Vierecke einer einfachen Reihenfolge mit neun
Elementen. Es zeigte sich, dass Kinder aus der LS-Gruppe
(n = 60) und Kinder aus der Kontrollgruppe (n = 65) eine
vergleichbare Leistung erbrachten: Der Anstieg der Reak-
tionszeiten von Block 5 zu Block 6 unterschied sich nicht
signifikant zwischen den beiden Gruppen. Dieser Befund
überrascht, da Vicari, Finzi, Menghini, Marotta, Baldi und
Petrosini (2005) zuvor Kinder und Jugendliche (Durch-
schnittsalter: 11 Jahre) anhand derselben SRT-Aufgabe un-
tersucht und ein Defizit im impliziten Lernen bei Kindern
mit einer Lesestörung berichtet hatten. In der Studie von
Vicari et al. (2005) zeigten die Kontrollkinder (n = 16) eine
typische Lernkurve. Anders als bei Menghini et al. (2010)
zeigten die Kinder mit einer Lesestörung (n = 16) in die-
ser Studie jedoch keinen Lerneffekt, d. h. sie reagierten auf
Stimuli in einer festgelegten Reihenfolge ebenso schnell
wie auf Stimuli in zufälliger Reihenfolge. Menghini et al.
(2010) geben als mögliche Erklärung für die widersprüch-
lichen Ergebnisse an, dass Defizite im impliziten Lernen
– ähnlich wie Defizite phonologischer Fähigkeiten – bei
einigen, aber nicht bei allen Kindern mit einer Lesestörung
auftreten. Möglicherweise können die unterschiedlichen
Ergebnisse auch dadurch erklärt werden, dass in der Stu-
die von Vicari et al. (2005) Kinder mit einer ADHS nicht
systematisch ausgeschlossen wurden. Es besteht demnach
die Möglichkeit, dass das beschriebene Defizit impliziter
Lernprozesse primär auf Aufmerksamkeitsdefizite zurück-
geführt werden kann.
Diese Hypothese wird durch eine weitere Studie un-
terstützt. Stoodley, Ray, Jack und Stein (2008) über-
prüften implizites Lernen bei Kindern und Jugendlichen
(7 – 15 Jahre) mit schwachen Lese-Rechtschreibleistungen
(LRS-Gruppe) und bei Kontrollkindern. In der eingesetz-
ten SRT-Aufgabe erschien auf einem Bildschirm jeweils
eines von vier verschiedenen Tieren (grüner Fisch, blauer
Vogel, rosa Schwein oder gelbe Katze). Wenn der grüne
Fisch erschien, sollten die Teilnehmer eine grün markierte
Taste drücken, und wenn der blaue Vogel erschien, eine
blau markierte Taste. Bei den anderen beiden Tieren soll-
ten die Teilnehmer nicht reagieren. Die Aufgabe bestand
aus 3 Blöcken. In Block 1 sahen die Teilnehmer 40 Tiere
in zufälliger Reihenfolge. In Block 2 wurden 84 Tiere in
einer einfachen Reihenfolge abgeboten (14 Mal eine Se-
quenz von 6 Elementen: Katze-Fisch-Katze-Vogel-Fisch-
Schwein). Im dritten Block erschienen 30 Tiere in zufälli-
ger Reihenfolge. Die Ergebnisse zeigen, dass – anders als
in bisherigen Studien – die Kinder mit einer LRS (n = 45)
insgesamt schneller reagierten als die Kinder ohne eine
LRS (n = 44). Es zeigte sich also kein Hinweis auf eine
allgemein verlangsamte Informationsverarbeitung bei der
LRS. Während die Kontrollgruppe eine typische Lernkur-
ve zeigte, reagierten die Kinder mit einer LRS bei den Sti-
muli in festgelegter Reihenfolge (Block 2) langsamer als
bei den Stimuli in zufälliger Reihenfolge (Block 1). Die
Kinder mit einer LRS hatten die Reihenfolge der Stimuli
somit nicht implizit gelernt und nicht zur Verhaltensop-
timierung genutzt. Da Kinder mit einer ADHS auch in
dieser Studie nicht systematisch ausgeschlossen wurden,
könnte das berichtete implizite Lerndefizit allerdings auch
in dieser Studie theoretisch Aufmerksamkeitsdefiziten zu-
geschrieben werden.
Zeigt sich ein Defizit im impliziten Lernen von Rei-
henfolgen bei Kindern mit einer LRS demnach nur dann,
wenn Aufmerksamkeitsdefizite nicht systematisch kont-
rolliert wurden? Zwei Studien widersprechen dieser Hy-
pothese und berichten Defizite im impliziten Lernen bei
Kindern mit einer LRS, bei denen keine ADHS vorliegt.
Hierzu gehört die Studie von Vicari, Marotta, Menghini,
Molinari und Petrosini (2003), in der eine modifizierte
SRT-Aufgabe eingesetzt wurde. An dieser Studie nahmen
nur Kinder teil, die kein ADHS hatten (durchschnittliches
Alter: 10 Jahre). In der SRT-Aufgabe sahen die Kinder auf
einem Bildschirm unifarbene Kreise (grün, blau oder rot),
die jeweils einzeln in der Mitte eines Bildschirms erschie-
nen. Die Aufgabe bestand darin, auf einen grünen Kreis
mit einem Tastendruck zu reagieren. Es wurden 6 Blöcke
mit jeweils 74 Trials angeboten. In Block 1 und 6 wurden
die Kreise in zufälliger Reihenfolge angeboten, während
die Reihenfolge der Kreise in den Blöcken 2 bis 5 einer
einfachen Reihenfolge folgten (Sequenz aus 5 Elementen:
rot-blau-grün-rot-blau). Da die Kinder nur auf die grünen
Kreise reagieren sollten, lernten sie eine Reihenfolge vi-
sueller Stimuli und keine motorische Sequenz (Finger-
bewegungen). Während die Kontrollgruppe (n = 18) eine
typische Lernkurve zeigte, war die Differenz zwischen
den Reaktionszeiten in Block 5 und Block 6, welche als
Indikator für implizites Lernen gilt, bei Kindern mit ei-
ner Lesestörung (n = 18) nicht signifikant. In einem zwei-
ten Experiment lernten die Kinder eine neue Reihenfolge
( rot-rot-blau-grün-blau) auswendig, bevor sie die SRT-
Aufgabe bearbeiteten. Hier zeigte sich, dass – ähnlich
wie bei Kelly et al. (2002) und Howard et al. (2006) – die
Kinder mit einer Lesestörung zwar insgesamt langsamer
reagierten, aber eine vergleichbare Lernkurve zeigten wie
die Kontrollkinder. Diese Ergebnisse können so interpre-
tiert werden, dass Kinder mit einer Lesestörung ein Defi-
zit im impliziten Lernen zeigen, aber nicht im expliziten
Lernen. Da die teilnehmenden Kinder kein ADHS hatten,
können die berichteten Schwierigkeiten im impliziten Ler-
nen in dieser Studie nicht auf Aufmerksamkeitsdefizite zu-
rückgeführt werden.
Dieses Ergebnis konnte in der Studie von Jiménez-
Fernández, Vaquero, Jiménez und Defior (2011) repliziert
werden. Jiménez-Fernández et al. (2011, Experiment 2a)
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 85
untersuchten 8- und 9-jährige Kinder mit sehr schwachen
Leseleistungen (LS-Gruppe) oder sehr guten Leseleistun-
gen (Kontrollgruppe). Auch in dieser Studie hatte keines
der teilnehmenden Kinder eine diagnostizierte ADHS. Die
Kinder wurden mittels einer SRT-Aufgabe untersucht, in
der die Stimuli (Sterne) nacheinander in drei unterschied-
lichen Positionen auf einem Bildschirm erschienen. Die
Aufgabe umfasst 11 Blöcke mit 48 – 60 Trials. Im ersten
Block wurden die Sterne in zufällig bestimmten Posi-
tionen angeboten. Im zweiten Block wurde die Position
der Sterne durch zwei unterschiedliche Reihenfolgen be-
stimmt, einer Trainingssequenz (3-1-2-1-3-2) und einer
Kontrollsequenz (3-2-1-2-3-1). In diesem Block zeigten
sowohl Kinder ohne LS (n = 14) als auch Kinder mit LS
(n = 14) vergleichbare Reaktionszeiten für die beiden un-
terschiedlichen Sequenzen. In den Blöcken 3 – 9 und 11
folgten die Stimuli einer festgelegten Reihenfolge (der
Trainingssequenz). In Block 10 folgten die Stimuli hin-
gegen der Kontrollsequenz. Die Kontrollkinder (n = 14)
zeigten eine typische Lernkurve: Nach einer kontinuierli-
chen Abnahme der Reaktionszeiten, stiegen die Reaktions-
zeiten in Block 10 (Kontrollsequenz) sprunghaft an und
fielen in Block 11 (Trainingssequenz) wieder zurück auf
das Niveau, dass in Block 9 erreicht war. Die Kinder mit
einer LS (n = 14) zeigten ebenfalls eine leichte Abnahme
der Reaktionszeiten von Block 3 zu Block 9. Der Anstieg
der Reaktionszeiten von Block 9 zu Block 10 war jedoch
nicht signifikant, d. h. die Kinder reagierten auf Stimuli,
die einer intensiv trainierten Reihenfolge folgen ebenso
schnell wie auf Stimuli, in denen diese Reihenfolge auf-
gehoben wurde. Dieses Ergebnis bestätigt die Hypothese
eines impliziten Lerndefizits bei Kindern mit schwachen
Leseleistungen.
In einem Folgeexperiment (Jiménez-Fernández et al.,
2011, Experiment 2b) wurde das gleiche Stimulusmate-
rial in vergleichbaren Blöcken in derselben Stichprobe
eingesetzt. Der Unterschied zwischen den Experimenten
lag darin, dass den Kindern nach dem zweiten Block mit-
geteilt wurde, dass die Positionen der Stimuli einer fes-
ten Reihenfolge folgen und dass sie diese lernen sollen,
um schneller antworten zu können. In diesem Experiment
zeigten die Kinder mit schwachen Leseleistungen (n = 14)
und die Kontrollkinder (n = 14) eine vergleichbare Lern-
kurve. Ähnlich wie Vicari et al. (2003) schlussfolgern da-
her auch Jiménez-Fernández et al. (2011), dass Kinder mit
einer LRS zwar ein Defizit im impliziten Lernen zeigen
(Experiment 2a), aber keine Beeinträchtigung im explizi-
ten Lernen von Reihenfolgen (Experiment 2b).
Zusammenfassung und Diskussion
Studien, in denen anhand einer SRT-Aufgabe überprüft
wurde, ob Kinder und Erwachsene mit einer LRS ein De-
fizit im impliziten Lernen von Reihenfolgen zeigen, be-
richten unterschiedliche Ergebnisse. Tabelle 1 gibt einen
tabellarischen Überblick der Studien und stellt die Ergeb-
nisse zusammenfassend dar. Bei Studien mit erwachsenen
Probanden zeigt die Mehrzahl der Studien, dass Menschen
mit einer LRS in der SRT-Aufgabe eine vergleichbare
Lernleistung erbringen wie Probanden ohne eine LRS
und somit kein Defizit im impliziten Lernen von Reihen-
folgen zeigen (Bennett et al., 2008; Kelly et al., 2002;
Rüsseler et al., 2006). Andererseits wird in zwei Studien
berichtet, dass das implizite Lernen von Reihenfolgen bei
Menschen mit einer LRS weniger stark ausgeprägt als bei
gesunden Kontrollpersonen (Stoodley et al., 2006; How-
ard et al., 2006). In einer der beiden Studien (Howard et
al., 2006) lag jedoch bei 36 % der Probanden mit einer
LRS zusätzlich eine diagnostizierte ADHS vor, während
dies bei keiner der Kontrollpersonen der Fall war. Es ist
daher nicht auszuschließen, dass in dieser Studie die ver-
gleichsweise schwache Leistung von Personen mit einer
LRS durch Aufmerksamkeitsdefizite verursacht wurde. In
der zweiten Studie (Stoodley et al., 2006) werden leider
keine Angaben dazu gemacht, ob bei den Probanden eine
ADHS vorlag oder nicht. Auch in der bislang einzigen Stu-
die, in der Erwachsene mit einer LRS keinen Lerneffekt in
einer SRT-Aufgabe zeigen (Menghini et al., 2006), werden
keine Angaben zur Häufigkeit von Aufmerksamkeitsdefi-
ziten in der Stichprobe gemacht. Da die meisten Studien
kein Defizit in der SRT-Aufgabe berichten (auch dann
nicht, wenn Aufmerksamkeitsdefizite kontrolliert werden,
siehe Howard et al., 2006), lässt sich schlussfolgern, dass
Erwachsene mit einer LRS Reihenfolgen implizit lernen
und zur Verhaltensoptimierung nutzen können.
Bei Studien, in denen Kinder anhand einer SRT-Aufga-
be untersucht wurden, zeichnet sich hingegen ein anderes
Bild ab. Die Mehrzahl der Studien unterstützt die Hypo-
these, dass Kinder mit einer LRS ein Defizit im implizi-
ten Lernen von Reihenfolgen aufweisen. In vier Studien
zeigten Kinder mit einer LRS keinen Lerneffekt, d. h. sie
nutzen die Vorhersagbarkeit der Stimuli nicht zur Verhal-
tensoptimierung (Jiménez-Fernández et al., 2011; Vicari
et al., 2003, 2005; Stoodley et al., 2008). Da Kinder mit
einer ADHS in zwei der Studien nicht systematisch aus-
geschlossen wurden (Vicari et al., 2005; Stoodley et al.,
2008), stellt sich auch hier die Frage, ob die berichteten
Defizite im impliziten Lernen auf Aufmerksamkeitsdefi-
zite zurückgeführt werden können. An den anderen beiden
Studien nahmen jedoch ausschließlich Kinder ohne eine
ADHS teil, so dass Defizite in der SRT-Aufgabe bei Kin-
dern mit einer LRS zumindest nicht vollständig durch Auf-
merksamkeitsdefizite erklärt werden können.
Lediglich zwei Studien berichten, dass das implizi-
te Lernen von Reihenfolgen bei Kindern mit einer LRS
nicht beeinträchtigt ist (Menghini et al., 2010; Waber et
al., 2003). Die Interpretation der Ergebnisse von Waber
et al. (2003) wird jedoch dadurch erschwert, dass in der
SRT-Aufgabe die Vorkommenshäufigkeit bestimmter Po-
sitionen nicht kontrolliert wurde. Jiménez-Fernández et
al. (2011, Experiment 1) setzen die gleiche SRT-Aufgabe
ein und konnten zeigen, dass der berichtete Lernerfolg von
Kinder mit einer LRS in der Studie von Waber et al. (2003)
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS86
theoretisch darauf zurückgeführt werden kann, dass die
Kinder die Vorkommenshäufigkeit bestimmter Positionen
gelernt hatten, und nicht die spezifische Reihenfolge.
Die Ergebnisse weisen somit mehrheitlich auf Schwie-
rigkeiten im impliziten Lernen von Reihenfolgen (Lernen
sequentieller Informationen) bei Kindern, aber nicht bei
Erwachsenen, mit einer LRS hin. Wie kann dieser Unter-
schiede zwischen den beiden Altersgruppen erklärt wer-
den? Zum einen muss kritisch angemerkt werden, dass die
erwachsenen Probanden in allen sechs Studien überdurch-
schnittlich gebildet waren (z. B. Studenten). Es handelt
sich bei den Teilnehmern um sogenannte high-function-ing dyslexics, also Personen, die ihre Schwierigkeiten
im Lesen und Schreiben gut kompensieren können. Dies
schränkt die Generalisierbarkeit der Ergebnisse deutlich
ein. Es ist durchaus denkbar, dass Erwachsene mit einer
LRS, die weniger gut kompensieren können, bei einer
SRT-Aufgabe eine geringere Leistung erbringen.
Eine weitere mögliche Erklärung für die unterschied-
lichen Befunde ist, dass Defizite im impliziten Lernen
bei einigen, aber nicht bei allen Personen mit einer LRS
auftreten. Ähnlich heterogene Befunde wurden in anderen
Bereichen (u. a. für Defizite in phonologischen Fähigkei-
ten) gefunden, so dass man mittlerweile davon ausgeht,
dass verschiedene Subtypen der LRS existieren.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass Unterschiede in
der Durchführung der SRT-Aufgabe die Befunde erklären
können. Zunächst wurde überprüft, ob Variationen in der
Präsentationszeit vorhanden sind. Dies war jedoch nicht
der Fall. In allen SRT-Studien (mit Ausnahme von Vicari et
al., 2003) wurden die Stimuli so lange präsentiert, bis eine
Antwort gegeben wurde. Unterschiede im Interstimulus-
interval (ISI) sind zwar vorhanden, zeigen jedoch keinen
systematischen Zusammenhang mit dem Studienergebnis.
Ein wichtiger Unterschied zwischen den Studien be-
trifft die Komplexität der in der SRT-Aufgabe eingesetzten
Reihenfolge. Während bei Kindern ausschließlich SRT-
Aufgaben mit einfachen Reihenfolgen eingesetzt wurden,
verwendeten die Studien mit Erwachsenen teilweise auch
komplexe Reihenfolgen. Interessanterweise wurde bei
Erwachsenen mit einer LRS nur dann ein Defizit im im-
pliziten Lernen berichtet, wenn die Stimuli in einer einfa-
chen Reihenfolge erschienen (Menghini et al., 2006) und
somit eine Abfolge motorischer Handlungen (Fingerbe-
wegungen) gelernt werden musste. Keine Defizite wurden
hingegen berichtet in Studien, in denen keine motorische
Sequenzen vermittelt wurde, da komplexe Reihenfolgen
eingesetzt wurden (Bennett et al., 2008; Rüsseler et al.,
2006), bzw. zwei einfache Reihenfolgen übereinander ge-
lagert waren (Kelly et al., 2002).
Der Befund, dass in beiden Altersgruppen Defizi-
te im impliziten Lernen vor allem dann auftreten, wenn
eine einfache Reihenfolge einsetzt wird, könnte ein Hin-
weis darauf sein, dass Personen mit einer LRS spezielle
Schwierigkeiten beim Erlernen einer Abfolge motorischer
Handlungen (Fingerbewegungen) haben. Da bei komple-
xen Reihenfolgen die Position eines Stimulus die Position
des übernächsten Stimulus (n + 2) vorhersagt, führen die
Personen hier keine festgelegte Reihenfolge von Fingerbe-
wegungen aus.
Defizite in komplexen motorischen Handlungen wur-
den häufig als Unterstützung der Automatisierungsdefi-
zithypothese (Nicolson & Fawcett, 1999*) bewertet (u. a.
Fawcett et al., 1996). Da das Cerebellum bei der SRT-Auf-
gabe involviert ist (Daselaar, Rombouts, Veltman, Raaij-
makers & Jonker, 2003*; Menghini et al., 2006) haben ei-
nige Autoren ein Defizit in der SRT-Aufgabe ebenfalls als
Folge einer cerebellären Dysfunktion interpretiert (siehe
u. a Vicari et al., 2003). Allerdings wurde in keiner der hier
beschriebenen SRT-Studien überprüft, ob komorbide mo-
torische Defizite vorlagen. Es ist daher fraglich, ob die be-
richteten Defizite von Personen mit einer LRS tatsächlich
auf die motorische Komponente der SRT-Aufgabe oder
auf eine komorbide motorische Störung zurückgeführt
werden können.
Eine weitere mögliche Erklärung für den Befund, dass
Gruppenunterschiede vor allem dann auftreten, wenn eine
einfache Reihenfolge eingesetzt wird, sind Unterschiede
im verbalen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis. Es ist theo-
retisch denkbar, dass Probanden die Reihenfolgen verbal
kodieren, was sich bei einfachen Reihenfolgen positiv auf
die Lernleistung auswirken könnte. In diesem Fall könnten
Beeinträchtigungen im verbalen Kurzzeit- und Arbeitsge-
dächtnis bei Personen mit LRS (siehe u. a. Smith-Spark &
Fisk, 2007) die berichteten Gruppenunterschiede bei Auf-
gaben mit einfachen Reihenfolgen erklären.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Probanden in
den hier beschriebenen Studien die Reihenfolgen verbal
kodiert haben. In den meisten Studien wurde im Anschluss
an die SRT-Aufgabe überprüft, ob die Probanden die ein-
gesetzte Reihenfolge (zumindest teilweise) wiedererken-
nen oder reproduzieren können. Dabei zeigte sich, dass die
Probanden sowohl bei Aufgaben mit komplexen Reihen-
folgen (Kelly et al., 2002; Howard et al., 2006) als auch bei
Aufgaben mit einfachen Reihenfolgen (Jiménez- Fernández
et al., 2011; Menghini et al., 2006, 2010; Stoodley et al.,
2006; Vicari et al., 2003, 2003) kaum explizites Wissen zu
den Reihenfolgen erworben hatten. Bei einer verbalen Ko-
dierung der Reihenfolgen wäre hingegen zu erwarten ge-
wesen, dass die Probanden diese (teilweise) wiedergeben
oder erkennen können. Der Befund, dass Defizite im im-
pliziten Lernen vor allem bei einfachen Reihenfolgen auf-
treten scheint daher nicht durch Unterschiede im verbalen
Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis erklärbar zu sein.
Studien, die ein AGL-Paradigma eingesetzt haben
Studien mit Erwachsenen
Bisher haben nur wenige Studien implizite Lernprozesse
bei Menschen mit einer LRS anhand einer AGL-Aufgabe
untersucht. Die – unseres Wissens – beiden einzigen Studi-
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 87
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Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS88
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Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 89
en mit erwachsenen Probanden kommen zu dem Ergebnis,
dass Erwachsene mit einer LRS keine Beeinträchtigung im
impliziten Lernen einer künstlichen Grammatik zeigen. In
der ersten Studie (Pothos & Kirk, 2004) wurde eine modifi-
zierte AGL-Aufgabe eingesetzt, in der die Buchstaben der
künstlichen Grammatik durch geometrische Formen (z. B.
Kreis, Viereck) ersetzt waren. Mittels dieser Grammatik
wurden Sequenzen bestehend aus 3 – 7 geometrischen
Formen konstruiert. Nach einer Lernphase, bestehend
aus 23 Items, sollten die Studenten in der Testphase 32
Items kategorisieren (16 grammatikalische und 16 nicht-
grammatikalische Items). Die Ergebnisse zeigen, dass die
Studenten mit einer LRS (n = 77) die künstliche Gramma-
tik gelernt hatten: Sie klassifizierten die Items in der Test-
phase überzufällig häufig richtig als grammatikalisch oder
nicht-grammatikalisch (55 % richtig). Im Gegensatz hierzu
lag die Leistung der Studenten ohne LRS (n = 146) nicht
signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit (49 % richtig).
Die Autoren erklären dies so, dass die Studenten aus der
Kontrollgruppe möglicherweise explizit nach einer Struk-
tur in den Stimuli gesucht haben, wodurch sich ihre Leis-
tung verschlechterte. Unterstützt wird diese Interpretation
durch die Ergebnisse einer Studie von Reber (1976), in der
sich zeigte, dass explizite Bemühungen, Regelmäßigkeiten
in den Items einer AGL-Aufgabe zu entdecken, negative
Auswirkung auf das Lernen der künstlichen Grammatik
hat. Es ist jedoch unklar, ob die Studenten ohne LRS in
der Studie von Pothos und Kirk (2004) tatsächlich explizit
nach einer Struktur gesucht haben, da sie – anders als bei
Reber (1976) – nicht instruiert wurden dies zu tun.
Auch in der zweiten Studie (Rüsseler et al., 2006) zeig-
ten erwachsene Probanden mit einer diagnostizierten LRS
keine Beeinträchtigung in einer AGL-Aufgabe. In der
Studie sahen die Probanden in der Lernphase 20 Buchsta-
benfolgen bestehend aus 3 – 7 Buchstaben, die nach einer
künstlichen Grammatik konstruiert waren. Die Buchsta-
benfolgen wurden so oft präsentiert, bis die Probanden sie
vollständig reproduzieren (aufschreiben) konnten. Auch
in der Testphase wurden 48 Buchstabenfolgen präsentiert,
davon 24 grammatikalische und 24 nicht-grammatikali-
sche. Die Ergebnisse zeigen, dass Erwachsene mit einer
LRS (n = 12) und Erwachsene ohne LRS (n = 12) in der
Lernphase gleich viele Versuche benötigten, bis sie die
Buchstabenfolgen fehlerfrei aufschreiben konnten. Auch
in der Testphase zeigte sich kein signifikanter Unterschied
zwischen den Gruppen. Beide Gruppen klassifizierten
mehr Buchstabenfolgen korrekt als grammatikalisch rich-
tig oder grammatikalisch falsch, als man aufgrund der Ra-
tewahrscheinlichkeit erwarten würde (LRS: 62.1 % richtig,
Kontrollgruppe: 64.1 % richtig).
Studien mit Kindern
Ebenso wie die SRT-Aufgabe eignet sich auch die AGL-
Aufgabe für den Einsatz bei Kindern (Don, Schellenberg,
Reber, DiGirolamo & Wang, 2003). Bisher haben allerdings
nur sehr wenige Studien implizite Lernprozesse von Kin-
dern mit einer LRS anhand einer AGL-Aufgabe überprüft.
Pavlidou, Williams und Kelly (2009) verglichen in zwei
Experimenten die Leistung von Kindern mit und ohne
LRS in einer AGL-Aufgabe und überprüften, ob die Art
der Instruktion einen Einfluss auf die Lernleistung hat. An
der Studie nahmen ausschließlich Kinder ohne Aufmerk-
samkeitsdefizite teil. Beide Experimente zeigen, dass Kin-
der mit einer diagnostizierten LRS in einer AGL-Aufgabe
eine schwächere Leistung aufweisen als Kinder ohne eine
LRS. Im ersten Experiment führten Kinder (9 – 12 Jahre)
eine AGL-Aufgabe durch, in der – ähnlich wie bei Pothos
& Kirk (2004) – Buchstaben durch geometrische Formen
ersetzt waren (z. B. Kreis, Viereck, Diamant). Anhand der
Grammatik wurden Sequenzen bestehend aus 3 – 6 geo-
metrischen Formen konstruiert. In der Lernphase wurden
23 Lernitems je drei Mal angeboten (insgesamt 69 Lern-
trials). In der Testphase wurden 32 Items angeboten, da-
von 16 grammatikalische und 16 nicht-grammatikalische.
In der Testphase lag die Leistung der Kinder ohne LRS
(n = 16) signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit (59 %
richtig). Die Leistung der Kinder mit einer LRS (n = 16)
lag hingegen nicht signifikant über der Ratewahrschein-
lichkeit (52 % richtig).
In einem zweiten Experiment untersuchten Pavlidou et
al. (2009) Kinder (9 – 12 Jahre) anhand derselben AGL-
Aufgabe. Der Unterschied zum ersten Experiment bestand
darin, dass die Kinder vor der Lernphase zwei explizite
Hinweise erhielten. Zum einen wurden sie über Art und
Länge der Items informiert (Reihenfolgen, die zwei bis
sechs geometrische Formen umfassen). Zum anderen er-
hielten die Kindern einen Hinweis auf das Vorhandensein
einer Regelmäßigkeit (auf einige Formen können nur be-
stimmte andere Formen folgen). Die spezifischen Regeln
der künstlichen Grammatik wurden jedoch nicht explizit
vermittelt. Die Ergebnisse zeigen, dass unter diesen Be-
dingungen die Leistung der Kontrollkinder (n = 17) eben-
falls signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit lag (55 %
richtig), während die Leistung der Kinder mit einer LRS
(n = 17) sich nicht signifikant von der Ratewahrscheinlich-
keit unterschied (51 % richtig). Die Autoren schlussfol-
gern, dass das implizite Lernen einer künstlichen Gram-
matik bei Kindern mit einer LRS beeinträchtigt ist, und
zwar auch dann, wenn ein Hinweis auf das Vorhandensein
einer künstlichen Grammatik gegeben wird.
In einer weiteren Studie replizierten Pavlidou, Kelly und
Williams (2010) den Befund, dass Kinder mit einer diag-
nostizierten LRS eine schwächere Leistung in einer AGL-
Aufgabe zeigen als Kinder ohne LRS. In dieser Studie
führten Kinder (9 – 12 Jahre) dieselbe AGL-Aufgabe durch,
die Pavlidou und Kollegen vorher (Pavlidou et al., 2009)
eingesetzt hatten. Anders als bei Pavlidou et al. (2009)
lernten die Kinder diesmal in der Lernphase zunächst acht
Lernitems bestehend aus 2 – 5 geometrischen Formen aus-
wendig. Dabei wurde aufgezeichnet, wie viele Versuche
die Kinder benötigen, bis sie die Lernitems anhand von
geometrischen Formen aus Papier vollständig produzieren
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS90
können. Es zeigte sich, dass die Kinder mit einer LRS (n =
16) und die Kinder ohne LRS (n = 16) die Lernitems gleich
schnell lernten. In der Testphase sollten die Kinder 20 neue
Items (Testitems, ebenfalls bestehend aus 2 – 5 geometri-
schen Formen) als grammatikalisch richtig oder falsch ka-
tegorisieren. Hier lag die Leistung der Kinder ohne LRS
signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit (55 % richtig).
Im Gegensatz hierzu lag die Leistung der Kinder mit LRS
im Ratebereich (49 % richtig). Der Gruppenunterschied
war signifikant, d. h. die Kontrollkinder erbrachten eine si-
gnifikant bessere Klassifizierungsleistung.
Zusammenfassung und Diskussion
Nur wenige Studien haben bislang eine AGL-Aufgabe
eingesetzt um zu überprüfen, ob Menschen mit einer LRS
Defizite im impliziten Lernen einer künstlichen Gram-
matik zeigen. Tabelle 2 stellt diese Studien zusammen-
fassend dar. Studien mit erwachsenen Probanden (Pothos
& Kirk, 2004; Rüsseler et al., 2006) berichten, dass Er-
wachsene mit einer LRS keine Schwierigkeiten haben,
Regelmäßigkeiten aus angebotenem Stimulusmaterial zu
abstrahieren und auf neues Material anzuwenden. Studien
mit Kindern (Pavlidou et al., 2009, 2010) zeigen hinge-
gen, dass Kinder mit einer LRS Schwierigkeiten haben,
eine künstliche Grammatik zu lernen und anzuwenden und
zwar auch dann, wenn Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizi-
ten ausgeschlossen wurden.
Pavlidou et al. (2009, Experiment 1, 2010) berichten,
dass Kinder mit einer LRS in der AGL-Aufgabe nicht
signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit liegen. Die
Autoren sprechen daher von einem Defizit im impliziten
Lernen einer künstlichen Grammatik. In beiden Studien
wurde nach Abschluss der Testphase ein Interview durch-
geführt. Die meisten Kinder berichteten, bei der Klassi-
fizierung geraten zu haben. Nur wenige Kinder gaben an
eine Strategie eingesetzt zu haben, welche sie allerdings
nicht verbal beschreiben konnten. Dieser Befund unter-
stützt die Annahme, dass die Abfolgen nicht verbal kodiert
wurden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eventuelle
Unterschiede im verbalen Kurzzeit- und Arbeitsgedächt-
nis die berichteten Gruppenunterschiede erklären können.
Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte beachtet
werden, dass in beiden Studien die gemessenen Unter-
schiede zwischen Kindern mit einer LRS und Kontroll-
kindern eher gering waren. In der ersten Studie (Pavlidou
et al., 2009) wurden in der Testphase 32 Items angebo-
ten. Die Ratewahrscheinlichkeit lag demnach bei 16
richtig kategorisierten Items. Betrachtet man, wie viele
Items die Kinder richtig kategorisiert haben, so sieht man
in beiden Experimenten, dass der Unterschied zwischen
den Gruppen nicht sehr groß ist. Vor allem im zweiten
Experiment lag die Leistung der Kontrollkinder (M =
17.7) nur geringfügig über der Leistung der Kinder mit
einer LRS (M = 16.2). In der zweiten Studie (Pavlidou et
al., 2010) sollten die Kinder 20 Testitems kategorisieren,
d. h. die Ratewahrscheinlichkeit lag bei 10 richtig kate-
gorisierten Items. Die Leistung der Kontrollgruppe (M =
11.1) war zwar signifikant besser als die der Kinder mit
einer LRS (M = 9.8), insgesamt liegen die Leistungen
jedoch nicht weit auseinander. Aufgrund der schwachen
Datenlage sollte vorerst von einer Beeinträchtigung an-
stelle eines Defizits bei Kindern mit einer LRS gespro-
chen werden.
Allgemeine Diskussion
Implizites Lernen bezeichnet einen Lernprozess, der un-
bewusst abläuft und bei dem das Erlernte nur schwer ver-
balisiert werden kann (Berry & Dienes, 1993). Beim Le-
sen- und Schreibenlernen sind sowohl explizite als auch
implizite Lernprozesse involviert. Durch häufigen Kontakt
mit geschriebenen Wörtern lernen Kinder implizit, wie oft
und unter welchen Bedingungen bestimmte Buchstaben
und Laute aneinander gekoppelt sind und welche Buch-
stabenkombinationen häufig vorkommen (siehe Pacton
et al., 2001*; Steffler, 2001). Möglicherweise können die
Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben bei Kin-
dern mit einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS) dadurch
erklärt werden, dass die Fähigkeit, Regeln bzw. statistische
Zusammenhänge zwischen Lauten und Buchstabenfolgen
aus der geschriebenen Sprache zu abstrahieren und auf
neue Wörter anzuwenden, beeinträchtigt ist.
Es stellt sich daher die Frage, ob es einen Zusammen-
hang gibt zwischen der LRS und Defiziten im impliziten
Lernen von Regeln und Fragmenthäufigkeiten. Um diese
Frage zu beantworten, wurden in der vorliegenden Arbeit
Studien vorgestellt, in denen überprüft wurde, ob Personen
mit einer LRS Schwierigkeiten in experimentellen Auf-
gaben zum impliziten Lernen aufweisen. Es zeigte sich,
dass die Leistung von Kindern mit einer LRS in impliziten
Lernaufgaben tatsächlich beeinträchtigt ist. Studien, in de-
nen eine Serial Reaction Time (SRT) Aufgabe eingesetzt
wurde, berichten mehrheitlich Defizite im impliziten Ler-
nen von Reihenfolgen (Lernen sequentieller Information)
bei Kindern, aber nicht bei Erwachsenen, mit einer LRS.
Interessanterweise treten Defizite in der SRT-Aufgabe
vor allem dann auf, wenn die Positionen der Stimuli einer
einfachen Reihenfolge unterworfen sind (u. a. Jiménez-
Fernández et al., 2011; Menghini et al., 2006). Bei ein-
fachen Reihenfolgen lernen die Probanden eine Abfolge
motorischer Handlungen (Fingerbewegungen). Defizite in
komplexen motorischen Handlungen (z. B. Balancieren)
wurden unter anderem als Unterstützung der Automati-
sierungsdefizithypothese (Nicolson & Fawcett, 1999*) in-
terpretiert (u. a. Fawcett et al., 1996). Da das Cerebellum
bei der SRT-Aufgabe involviert ist (Daselaar et al., 2003*;
Menghini et al., 2006) haben einige Autoren ein Defizit
in der SRT-Aufgabe ebenfalls als Folge einer cerebellären
Dysfunktion interpretiert (u. a. Vicari et al., 2003).
Es ist jedoch fraglich, ob die berichteten Defizite im
impliziten Lernen tatsächlich durch die motorische Kom-
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 91
ponente der SRT-Aufgabe erklärt werden können. Studien,
in denen eine Artifial Grammar Learning (AGL) Aufgabe
eingesetzt wurde, zeigen nämlich, dass Kinder mit einer
LRS auch dann Schwierigkeiten im impliziten Lernen auf-
weisen, wenn die Aufgabe keine motorische Komponente
enthält. Die AGL-Aufgabe überprüft die Fähigkeit, kom-
plexe statistische Zusammenhänge in seriell präsentiertem
Material (z. B. Buchstabenfolgen) zu erkennen und auf
neues Material anzuwenden. Sie weist somit eine größere
Ähnlichkeit mit dem Schriftspracherwerb auf als die SRT-
Aufgabe. Die wenigen Studien, in denen eine AGL-Aufga-
be bei Personen mit einer LRS eingesetzt wurde, berichten
eine Beeinträchtigung impliziter Lernprozesse bei Kin-
dern, aber nicht bei Erwachsenen. Während Erwachsene
mit einer LRS eine künstliche Grammatik implizit lernen
und anwenden können (Pothos & Kirk, 2004; Rüsseler et
al., 2006), haben Kinder mit einer LRS offenbar Schwie-
rigkeiten, Regelmäßigkeiten aus komplexem Stimulusma-
terial zu abstrahieren und auf neues Material anzuwenden
(Pavlidou et al., 2009, 2010). Da in der AGL-Aufgabe
keine komplexen motorischen Handlungen erlernt werden
und keine Beteiligung des Cerebellum bekannt ist (Opitz
& Friederici, 2003; Thiel et al., 2003*), ist es eher unwahr-
scheinlich, dass eine cerebelläre Dysfunktion für die be-
richteten Schwierigkeiten verantwortlich ist.
Einige Autoren haben kritisch hinterfragt, ob in einer
SRT-Aufgabe tatsächlich ein impliziter Lernprozess statt-
findet (u. a. Shanks & St. John, 1994; Wilkinson & Shanks,
2004). Die Definition von implizitem Lernen beinhaltet,
dass das Erlernte nicht oder nur schwer verbalisiert werden
kann (Berry & Dienes, 1993). Implizites Lernen zeigt sich
demnach, wenn eine Dissoziation vorliegt zwischen dem
Verhalten von Probanden und der Bewusstheit bezüglich
des Wissens, auf dem das Verhalten basiert. Wenn Proban-
den in einer SRT-Aufgabe zeigen, dass sie die festgelegte
Reihenfolge der Stimuli zur Verhaltensoptimierung nut-
zen, aber die Reihenfolge nicht explizit angeben können,
kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die
Probanden über implizites Wissen verfügen und somit ein
impliziter Lernprozess stattgefunden hat.
Shanks und St. John (1994) argumentieren hingegen,
dass wenn Probanden die Regeln nicht benennen können,
dies nicht zwingend bedeutet, dass ein impliziter Lern-
prozess stattgefunden hat. Zum Beispiel könnten Proban-
den sich des Erlernten nicht ausreichend sicher sein, um
es korrekt zu benennen. Oder das Wissen des Probanden
könnte zwar ausreichend sein, um das Antwortverhalten zu
erklären, aber es ist ein anderes als das, welches anhand der
Fragen überprüft wird (z. B. Fragen zu Regeln, obwohl die
Probanden Wissen zur Häufigkeit einzelner Fragmente ein-
Tabelle 2
Übersicht der Studien, in denen eine AGL-Aufgabe eingesetzt wurde
Stichprobe Stimuli Anzahl
Elemente
pro
Stimulus
Anzahl
Lernitems/
Testitems
Ergebnis
N Alter
(Jahre)
IQ Bildung ADHS
Erwachsene
Pothos & Kirk
(2004)LRS:
N = 77
KG:
N = 146
Gesamt-
stichprobe:
18 – 30 J.
- Studenten - geome-
trische
Formen
3 – 7 23/32 nur LRS-Gruppe zeigt
sign. Lern effekt1
Rüsseler et al.
(2006)LRS:
N = 12
KG:
N = 12
LRS:
28.8 (11)
KG:
32.8 (10)
LRS:
104 (10)
KG:
112 (7)
years of education
LRS:
11.7 (2)
KG:
13.2 (2)
- Buch-
staben
4 – 7 20/48 beide Gruppen zeigen
sign. Lerneffekt1,
kein signifikanter
Gruppenunterschied
Kinder
Pavlidou et al.
(2009)LRS:
N = 16
KG:
N = 16
Gesamt-
stichprobe:
10.6 (1)
- ausge-
schlossen
geome-
trische
Formen
3 – 6 23/32 nur KG zeigt sign.
Lerneffekt1,
signifikanter
Gruppenunterschied
Pavlidou et al.
(2010)LRS:
N = 16
KG:
N = 16
LRS:
9.3
KG:
9.3
> 85 ausge-
schlossen
geome-
trische
Formen
2 – 5 8/20 nur KG zeigt sign.
Lerneffekt1,
signifikanter
Gruppenunterschied
Anmerkungen: LRS: LRS-Gruppe, KG: Kontrollgruppe. Angabe von Mittelwerten (Standardabweichungen).1 In der Testphase liegt die Leistung der Probanden signifikant über der Ratewahrscheinlichkeit.
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS92
gesetzt haben). Perruchet und Amorim (1992) und Shanks
und Johnstone (1999) berichten, dass Probanden in einer
SRT-Aufgabe explizites Wissen zu Fragmenten aus der Rei-
henfolge haben, welches dann zutage tritt, wenn ein adäqua-
ter Test zur Überprüfung des expliziten Wissens eingesetzt
wird. Zum Beispiel können Probanden Wissen zu einzelnen
Fragmenten (Bi- oder Trigramme) aus der Reihenfolge ha-
ben, welches nur in einer freien Wiedergabe (‹free genera-tion task›) zum Ausdruck kommt. Andere Studien zeigen
hingegen, dass das in einer SRT-Aufgabe erworbene Wissen
nicht bewusst kontrolliert werden kann und dass das Lernen
in einer SRT-Aufgabe daher unbewusst und implizit verlau-
fen muss (u.a. Destrebecqz & Cleeremans, 2001).
Die Frage, ob es sich bei dem in einer SRT-Aufgabe
erworbenen Wissen um implizites oder explizites Wissen
handelt, ist noch nicht abschließend geklärt. Destrebecqz
und Cleeremans (2001) argumentieren, dass es unrealis-
tisch sei, anzunehmen eine experimentelle Aufgabe könne
«pur» sein, also entweder ausschließlich implizites oder
ausschließlich explizites Wissen beinhalten. Auch bei
Wissen zu geschriebenen Wörtern und Buchstabenfolgen
handelt es sich nicht ausschließlich um implizites Wissen.
Die Möglichkeit, dass das in einer SRT-Aufgabe erworbe-
ne Wissen zumindest teilweise explizit ist, schmälert nicht
die Relevanz der Ergebnisse aus den Studien, in denen
Kinder mit einer LRS anhand einer SRT-Aufgabe unter-
sucht wurden, da Kinder auch beim Schriftspracherwerb
explizites Wissen zu geschriebenen Wörtern erwerben.
In welchem Zusammenhang stehen die hier dargestell-
ten Ergebnisse nun mit den Schwierigkeiten im Lesen und
Rechtschreiben, die bei der LRS beobachtet werden? Aus
den hier vorgestellten Arbeiten lässt sich schlussfolgern,
dass zumindest ein Teil der Kinder mit einer LRS sowohl
im impliziten Lernen von Reihenfolgen (gemessen mit
SRT-Aufgaben) als auch im impliziten Lernen von Regeln
und Fragmenten (gemessen mit AGL-Aufgaben) beein-
trächtigt ist. Diese Kinder haben demnach Schwierigkei-
ten, Informationen aus komplexen Lernsituationen zu abs-
trahieren und auf neues Material anzuwenden.
Die Schriftsprache ist eine solche komplexe Lernsi-
tuation. Aufgrund der Komplexität der Schriftsprache ist
anzunehmen, dass Kinder einen großen Teil des Wissens
zu Wörtern und Buchstabenfolgen eher beiläufig durch
vielfältigen Kontakt mit geschriebenen Wörtern erwerben.
Die hier zusammengefassten Befunde unterstützen die Hy-
pothese, dass dieser implizite Erwerb der Schriftsprache
bei Kindern mit einer LRS beeinträchtigt ist. Die berich-
teten Schwierigkeiten im impliziten Lernen können dazu
führen, dass Kinder mit einer LRS trotz häufigem Kontakt
mit geschriebenen Wörtern nicht implizit lernen, welche
Buchstabenfolgen häufig vorkommen und wie oft bzw.
unter welchen Bedingungen Buchstaben an bestimmte
Laute gekoppelt sind. Mehrere Autoren postulieren, dass
die Kombination aus einem phonologischen Defizit und
einer Beeinträchtigung des impliziten Lernens dazu führt,
dass Kinder Schwierigkeiten haben, stabile Phonemreprä-
sentationen zu entwickeln und zu lernen, welche Graphe-
me häufig mit diesen Phonemen assoziiert sind, so dass
Graphem-Phonem-Korrespondenzen nicht ausreichend
automatisieren (siehe Howard et al., 2006; Sperling, Lu
& Manis, 2004). Es ist anzunehmen, dass die Kombinati-
on aus schwachen phonologischen Fähigkeiten und einer
Beeinträchtigung des impliziten Lernens auch dazu führt,
dass die Entwicklung des «stochastischen Gedächtnisses»
für Buchstabenfolgen (Aaron et al., 1998) verzögert ist.
Die resultierende fehlende Automatisierung von Phonem-
Graphem-Korrespondenzen und Rechtschreibkonventio-
nen gehören zu den Hauptmerkmalen der LRS.
Abschließend ist es noch wichtig zu erwähnen, dass bis-
lang keine Längsschnittstudien vorliegen. Eine eindeutige
Aussage darüber, ob Defizite im impliziten Lernen eine
kausale Rolle bei der Entwicklung von Schwierigkeiten
im Lesen und Rechtschreiben spielen, ist daher momen-
tan nicht möglich. Aufgrund der Schwierigkeiten im Lesen
und Schreiben lesen viele Kinder mit einer LRS vergleichs-
weise wenig und haben folglich weniger Kontakt mit ge-
schriebenen Wörtern. Eine fehlende Automatisierung von
Graphem-Phonem-Korrespondenzen und Rechtschreib-
konventionen könnte theoretisch darauf zurückzuführen
sein, dass Kinder mit einer LRS weniger Gelegenheiten
zum impliziten Lernen der Schriftsprache haben. Die hier
vorgestellten Ergebnisse zeigen jedoch, dass Kinder mit ei-
ner LRS auch dann Schwierigkeiten im impliziten Lernen
zeigen, wenn kein sprachliches Material eingesetzt wird
und eine verbale Kodierung äußerst unwahrscheinlich ist.
Dies legt die Vermutung nahe, dass Schwierigkeiten im
impliziten Lernen von visuell präsentierten Reihenfolgen
und Fragmenten bei der Entstehung von Schwierigkeiten
im Lesen und Rechtschreiben eine wichtige Rolle spielen.
Implikationen für die Praxis
Der aktuelle Stand der Forschung zeigt, dass Kinder
mit einer LRS Schwierigkeiten im impliziten Lernen
haben. Möglicherweise ist dies der Grund dafür, dass
Graphem-Phonem-Korrespondenzen und orthographi-
sches Wissen auch bei häufigem Kontakt mit geschrie-
benen Wörtern nicht automatisieren. Bei der Förderung
der Lese-Rechtschreibleistung sollten Förderprogram-
me eingesetzt werden, die explizites Wissen zu Phonem-
Graphem-Korrespondenzen und Rechtschreibregeln
vermitteln. Förderprogramme, die dieses Kriterium
erfüllen und nachweislich die Lese-Rechtschreibleis-
tung von Kindern mit einer LRS verbessern, sind die
«Lautgetreue Lese-Rechtschreibförderung» (Reuter-
Liehr, 2008; Evaluation siehe Reuter-Liehr, 1993) und
das «Marburger Rechtschreibtraining» (Schulte-Körne
& Mathwig, 2009; Evaluation siehe Schulte-Körne,
Deimel & Remschmidt, 1998, 2003; Schulte-Körne,
Deimel, Hülsmann, Seidler & Remschmidt, 2001).
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 93
Forschungsmethoden
Serial Reaction Time (SRT) Aufgabe
In einer typischen SRT-Aufgabe (Nissen & Bullemer,
1984*) sehen die Teilnehmer eine Abfolge von Stimuli
(z. B. Sternchen), die nacheinander in vier unterschied-
lichen Positionen (A, B, C und D) auf einem Bildschirm
erscheinen. Die Probanden haben die Aufgabe, bei jedem
Stimulus per Tastendruck anzugeben, in welcher Posi-
tion der Stimulus erscheint. Hierfür wird jeder Position
auf dem Bildschirm eine korrespondierende Taste auf der
Tastatur zugewiesen. Die Probanden sollen möglichst
schnell und möglichst genau reagieren. Es wird ihnen
nicht mitgeteilt, dass die Stimuli einer festgelegten Rei-
henfolge folgen. Je nach Studie handelt es sich um eine
einfache Reihenfolge (z. B. D-B-C-A-C-B-D-C-B-A)
oder um eine komplexe Reihenfolge («second-order se-quence»), in der die Position eines Stimulus die Position
des übernächsten Stimulus bestimmt (z. B. D-r-B-r-A-r-
C-r-D-r-A-r, wobei «r» für einen Stimulus mit zufällig
(random) bestimmter Position steht). Die abhängigen
Variablen sind die Reaktionsgeschwindigkeit (RT) und
die Anzahl der Fehler. Da die Fehlerzahl üblicherweise
sehr gering ist, basiert die Auswertung in den meisten
Studien auf der Reaktionsgeschwindigkeit.
Eine SRT-Aufgabe besteht aus mehreren Abschnitten
(Blöcken). Im ersten Block erscheinen die Stimuli in
zufällig bestimmten Positionen. In den folgenden Blö-
cken folgen die Positionen der Stimuli einer festgelegten
Reihenfolge. Üblichweise verbessern die Probanden ihre
Reaktionszeiten im Laufe des Experiments kontinuier-
lich. Um zu überprüfen, ob es sich um einen unspezifi-
schen Trainingseffekt handelt, oder ob die Verbesserung
der Reaktionszeiten darauf zurückzuführen ist, dass die
Probanden die Vorhersagbarkeit der Stimuli zur Verhal-
tensoptimierung nutzen, folgt am Ende des Experiments
erneut ein Block mit Stimuli in zufällig bestimmten Po-
sitionen. Typischerweise steigen die Reaktionszeiten nun
wieder an. Die Differenz zwischen den Reaktionszeiten
in dem letzten Block mit festgelegter Reihenfolge und
dem darauf folgenden allerletzten Block mit zufälliger
Reihenfolge wird als Index für implizites Lernen be-
trachtet. Da die Probanden die Reihenfolge der Stimuli
einer SRT-Aufgabe in der Regel nicht verbalisieren oder
reproduzieren können, wird angenommen, dass implizi-
tes Lernen stattgefunden hat.
Artificial Grammar Learning (AGL) Aufgabe
Eine klassische AGL-Aufgabe (Reber, 1967*) besteht
aus einer Lernphase und einer Testphase. In der Lern-
phase lernen Probanden Buchstabenfolgen (Lernitems,
z. B. TPTS, TTXVS). Erst nach Abschluss der Lernphase
erfahren die Probanden, dass die Buchstabenfolgen nach
den Regeln einer künstlichen Grammatik konstruiert
sind (siehe Abb. 1). Die Regeln der Grammatik werden
jedoch nicht erläutert. In der anschließenden Testphase
werden neue Buchstabenfolgen (Testitems) präsentiert
und die Probanden sollen beurteilen, ob diese ebenfalls
nach den Regeln der Grammatik konstruiert sind (z. B.
TTS) oder nicht (z. B. PTTS). Das heißt, sie sollen die
neuen Buchstabenreihen als «grammatisch richtig» oder
«grammatisch falsch» kategorisieren. Üblicherweise
liegt die Leistung der Probanden über der Ratewahr-
scheinlichkeit. Da die Regeln der künstlichen Gram-
matik nur in Ausnahmefällen von den Probanden wie-
dergegeben werden können, geht man davon aus, dass
ein impliziter Lernprozess stattfindet (Reber, 1967*).
In der Literatur wurde diskutiert, was genau in der
Lernphase einer AGL-Aufgabe geschieht. Lernen die
Probanden tatsächlich die Regeln einer künstlichen
Grammatik oder lernen sie die Vorkommenshäufigkeit
einzelner Fragmente? Reber postulierte, dass Probanden
während der Lernphase abstrakte interne Repräsentati-
onen der Regeln formen (Reber & Allen, 1978). Mitt-
lerweile ist die vorherrschende Meinung jedoch, dass
AGL-Aufgaben auch ohne Regelwissen erfolgreich bear-
beitet werden können (siehe Pacton et al., 2001*; Pothos,
2007). So wurde wiederholt gezeigt, dass das Antwort-
verhalten von Probanden vollständig durch die Vorkom-
menshäufigkeiten bestimmter Bi- und Trigamme in der
Lernphase erklärt werden kann (u. a. Channon, Shanks,
Johnstone, Vakili, Chin & Sinclair, 2002; Johnstone &
Shanks, 1999; Redington & Chater, 1996). Es gibt auch
Hinweise darauf, dass Probanden in einer AGL-Aufgabe
sowohl Regelwissen als auch Fragmentwissen erwerben
und beide Arten von Wissen bei der Klassifikation neuer
Buchstabenreihen einsetzen (Knowlton & Squire, 1996;
Meulemans & Van der Linden, 1997). Unabhängig da-
von, ob die Klassifizierung der Testitems auf Regel- oder
auf Fragmentwissen basiert, wird von einem impliziten
Lernprozess ausgegangen.
Abbildung 1. Schematische Darstellung einer künstli-
chen Grammatik nach Reber (1967). Anmerkung: Reproduktion aus Reber (1967) mit Genehmigung
von Elsevier.
S1 S2
S3 S4
S0 S0‘IN OUT
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S1 S2
S3 S4
S1 S2S1S1 S2S2
S3 S4S3S3 S4S4
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T
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T
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S
S
X
X
P
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Extended abstract
Implicit learning and dyslexia: Are Implicit Learning Defi-cits Involved in the Development of Reading and Spelling Difficulties?
Background: About 5 % of school-aged children are affected by dyslexia. There has been intensive research on the causes of dyslexia, but little is known about how the acquisition of read-ing and spelling skills differs between dyslexic and typically developing children. Teachers and parents usually teach graph-eme-phoneme correspondences and spelling rules explicitly, but the inconsistencies and complexities of written language suggest that implicit learning processes are also involved. Chil-dren have indeed been found to have implicit knowledge about the frequency of letter patterns (bi- and trigrams) in written words (Cassar & Treiman, 1997; Pacton, Perruchet, Fayol, & Cleeremans, 2001). It has therefore been hypothesized that im-plicit learning deficits play a role in the development of read-ing and spelling difficulties. Recent studies have examined the performance of dyslexic children and adults on the serial reac-tion time task (SRTT) and artificial grammar learning (AGL). In the SRTT, a stimulus appears in one of four positions on a screen. Participants are asked to indicate the position by press-ing the corresponding key as rapidly as possible. Unknown to them, the position of the stimulus over trails conforms to a fixed sequence. SRTT has therefore been described as a motor sequence learning task that requires the learning of a sequence of finger movements. In AGL, participants are presented with practice items (usually letter strings) that are generated accord-ing to an artificial grammar. Subsequently, they are told that the items followed a set of rules. Participants are then asked to indicate whether new items conform to these rules or not. AGL has been described as a non-motor task that requires the recognition of complex statistical relationships in serially pre-sented material. In addition, AGL requires the ability to apply the resulting knowledge of frequent bi- and trigrams to new material. These processes are very similar to those involved in the acquisition of reading and spelling skills.Aim: The aim of this review is to provide an overview of stud-ies that have investigated implicit learning in dyslexic children and adults using SRTT or AGL. Methods: A literature search resulted in 12 studies that com-pared performance of dyslexic individuals on the SRTT to the performance of healthy controls. Of these, six studies com-pared dyslexic children's performance to the performance of typically developing children. In addition, four studies were found in which AGL was used to study implicit learning in dyslexic individuals. Two studies compared dyslexic children to typically developing children and two studies investigated the performance of dyslexic adults.
Results: Regarding SRTT performance, most studies report a significant learning curve in dyslexic adults. In contrast, the majority of studies with children report impaired implicit learn-ing in dyslexia. It is important to note that the studies differ with regard to the complexity of the sequence used in the SRTT. Successful learning of a simple sequence is considered to be indicative of the learning of a sequence of finger movements, but successful learning of a complex sequence is not. Interest-ingly, in both age groups, implicit learning impairments were particularly evident if a simple sequence was used, suggesting a specific deficit in motor sequence learning. Regarding AGL performance, no implicit learning impairments in adult dyslex-ics are reported. Studies that compared AGL performance of dyslexic and typically developing children, on the other hand, found impaired implicit learning in children with dyslexia. Their classification performance did not exceed chance levels, suggesting that implicit learning had not taken place.
Discussion: Implicit learning is an unintentional and automatic learning process that seems to be involved in the acquisition of reading and spelling skills. Deficits in implicit learning have therefore been hypothesized to be involved in the development of poor literacy skills. Only few studies have so far investigated implicit learning in dyslexia. Most of these studies demonstrate that implicit learning is impaired in dyslexic children. Studies that used the SRTT report impaired performance on simple sequences, suggesting a deficit in sequence learning. Dyslexic children were also found to be impaired in AGL, suggesting a deficit in the ability to learn about statistical relationships in se-rially presented material. This deficit might lead to difficulties in the implicit learning of frequent letter chunks in written words. Implications for reading and spelling intervention are discussed.
Key words: dyslexia, implicit learning, serial reaction time, artificial grammar learning
Lern. Lernstör. 1 (2) © 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
E. Ise & G. Schulte-Körne: Implizites Lernen und LRS 95
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Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Nußbaumstr. 5a
DE-80336 München