GANZHEITLICHE ASTRONOMISCHE NAVIGATION

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1 GANZHEITLICHE ASTRONOMISCHE NAVIGATION VON WOLFGANG KÖSLING DAS LICHT Wenn die Sonne im letzten Augenblick des Tages für uns sichtbar ist, hat sie nicht nur ihre Farbe so wunderbar verändert, dass der Mansch unweigerlich zu ihr hinsieht und mehr Zeit für diesen Anblick verwendet, als wie er es zu einer anderen Tageszeit tut. Auch der Himmel am Horizont, dort wo die Sonne wegtauchen wird, hat gleichsam einen anderen Anstrich bekommen, Wir fühlen uns hingezogen zu jenem all abendlichen Schauspiel und bewundern die Großartigkeit der Natur in ihrer gesamten Pracht und Schönheit. Wir ziehen den Glanz und die Ruhe ein und erwarten den Sog vom Übergang dieser terrakosmischen Symphonie in die Harmonie unseres Geistes. Aber nicht nur diese Lichterscheinung vermag den Menschen zu bannen. Denken wir an eine eiskalte Winternacht, in der sogar unsere Hochatmosphäre mit Eiskristallen durchsetzt ist. In solch einer Winternacht ohne Bewölkung, in der der Mond sein volles Angesicht zeigt, kennen wir die diffuse weißhelle Lichtscheibe, die dann den Mond umgibt. Heute wundem wir uns nicht mehr über diese Eigenheiten der Natur. Wir wissen, dass die optische Physik dahintersteckt. Das Geheimnis heißt Reflexion, Brechung, Streuung und Beugung des Lichtes. Die Richtungsänderung eines schräg auftreffenden Lichtstrahles an der Grenzfläche zweier lichtdurchlässiger optischer Medien wird als Brechung oder Refraktion des Lichtes bezeichnet. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Lichtwellen wird sich verlangsamen, wenn die Lichtwellen von ein Medium mit kleiner Dichte in ein Medium mit größerer Dichte übergehen. Die Änderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit bewirkt gleichzeitig eine Änderung der Richtung der Lichtwellen. Die Grenzfläche zweier in ihrer Dichte unterschiedlichen Medien sei eine Waagerechte. Die errichtete Senkrechte auf dieser Waagerechten sei das Einfallslot. Tritt ein Lichtstrahl schräg aus einem dünnen Medium in ein dickeres Medium ein, wird der Lichtstrahl nach dem Einfallslot hin gebrochen. Tritt ein schräger Lichtstrahl jedoch von einen dicken Medium in ein dünneres Medium ein, so wird die Brechung des Lichtstrahls vom Einfallslot weggebrochen. Die Brechung erfolgt immer so, dass der einfallende Lichtstrahl, das Einfallslot und der gebrochene Strahl in einer Ebene liegen. Trifft ein Lichtstrahl auf die Grenzfläche eines Medium, wird ein geringer Teil des Lichtstrahles reflektiert. Der gebrochene Lichtstrahl ist deshalb etwas schwächer, als der einfallende Lichtstrahl. Willebord Snellius (1580-1626) hat das Brechungsgesetz entdeckt und so formuliert:

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GANZHEITLICHE ASTRONOMISCHE

NAVIGATION VON WOLFGANG KÖSLING

DAS LICHT

Wenn die Sonne im letzten Augenblick des Tages für uns sichtbar ist, hat sie nicht nur ihre Farbe so

wunderbar verändert, dass der Mansch unweigerlich zu ihr hinsieht und mehr Zeit für diesen Anblick

verwendet, als wie er es zu einer anderen Tageszeit tut. Auch der Himmel am Horizont, dort wo die

Sonne wegtauchen wird, hat gleichsam einen anderen Anstrich bekommen, Wir fühlen uns hingezogen

zu jenem all abendlichen Schauspiel und bewundern die Großartigkeit der Natur in ihrer gesamten

Pracht und Schönheit. Wir ziehen den Glanz und die Ruhe ein und erwarten den Sog vom Übergang

dieser terrakosmischen Symphonie in die Harmonie unseres Geistes.

Aber nicht nur diese Lichterscheinung vermag den Menschen zu bannen. Denken wir an eine

eiskalte Winternacht, in der sogar unsere Hochatmosphäre mit Eiskristallen durchsetzt ist. In solch

einer Winternacht ohne Bewölkung, in der der Mond sein volles Angesicht zeigt, kennen wir die diffuse

weißhelle Lichtscheibe, die dann den Mond umgibt.

Heute wundem wir uns nicht mehr über diese Eigenheiten der Natur. Wir wissen, dass die

optische Physik dahintersteckt. Das Geheimnis heißt Reflexion, Brechung, Streuung und Beugung des

Lichtes.

Die Richtungsänderung eines schräg auftreffenden Lichtstrahles an der Grenzfläche zweier

lichtdurchlässiger optischer Medien wird als Brechung oder Refraktion des Lichtes bezeichnet. Die

Ausbreitungsgeschwindigkeit der Lichtwellen wird sich verlangsamen, wenn die Lichtwellen von ein

Medium mit kleiner Dichte in ein Medium mit größerer Dichte übergehen. Die Änderung der

Ausbreitungsgeschwindigkeit bewirkt gleichzeitig eine Änderung der Richtung der Lichtwellen. Die

Grenzfläche zweier in ihrer Dichte unterschiedlichen Medien sei eine Waagerechte. Die errichtete

Senkrechte auf dieser Waagerechten sei das Einfallslot. Tritt ein Lichtstrahl schräg aus einem dünnen

Medium in ein dickeres Medium ein, wird der Lichtstrahl nach dem Einfallslot hin gebrochen. Tritt ein

schräger Lichtstrahl jedoch von einen dicken Medium in ein dünneres Medium ein, so wird die

Brechung des Lichtstrahls vom Einfallslot weggebrochen. Die Brechung erfolgt immer so, dass der

einfallende Lichtstrahl, das Einfallslot und der gebrochene Strahl in einer Ebene liegen. Trifft ein

Lichtstrahl auf die Grenzfläche eines Medium, wird ein geringer Teil des Lichtstrahles reflektiert. Der

gebrochene Lichtstrahl ist deshalb etwas schwächer, als der einfallende Lichtstrahl. Willebord Snellius

(1580-1626) hat das Brechungsgesetz entdeckt und so formuliert:

2

nc

c

β

α==

2

1

sin

sin Lichtes des esetzBrechungsg

Der Zahlenwert des Brechungsverhältnisses c1 : c2 wird als Brechungszahl n bezeichnet. So zum Beispiel

beträgt n für den Übergang gelben Lichtes von Luft zu Glas rund 3:2= 1,5, da c/Luft rund 300 000 km/s

und c/Glas rund 200 000 km/s betragen. Hier die Brechungszahlen einiger Stoffe gegen Luft

Wasserstoff 0.99985 Luft gegen Vakuum 1,00029

Sauerstoff 0,99996 Vakuum gegen Luft 0.99971

Luft 1 Eis 1,31

Kohlendioxyd 1,00016 Wasser 1,3332

Diese Angaben beziehen sich auf die Farbe des Natriumlichts, und zwar auf die D-Linie des Spektrums

mit der Wellenlänge 589 nm

Auch die Farbe des Lichtes spielt bei der Berechnung der Brechungszahl eine Rolle, da die

Ausbreitungsgeschwindigkeit für jede Lichtwellenlänge (Frequenz) in einem Medium verschieden ist.

Im Vakuum pflanzt sich das Licht unabhängig von seiner Schwingungszahl und Farbe gleich schnell fort.

Bewegt sich das Licht jedoch in einem Medium, so nimmt die Geschwindigkeit mit steigender

Schwingungszahl, also von Rot über Gelb, Grün, Blau bis Violett hin, ab. (Bei der Beugung des Lichtes

ist der Einfluss der Wellenlänge gerade umgekehrt.) Da das weiße Licht ein Gemisch vieler

Wellenlängen ist, kann es mit Hilfe eines Prismas in seine einzelnen Wellenlängen zerlegt werden

(Dispersion). Es entsteht ein Farbspektrum. Hat der einfallende Lichtstrahl einen Winkel von 90°

(parallel der Waagerechten), wird er nicht mehr gebrochen. Er läuft dann an der Grenzfläche der

beiden Linien entlang. Dieser Winkel wird deshalb auch als Grenzwinkel bezeichnet. Wenn dieser

Grenzwinkel überschritten wird, erfolgt ein sprunghafter Übergang zur Reflektion des Lichtes. Der

Lichtstrahl wird in das dichtere Medium hinein reflektiert (Totalreflektion). So ist z. B. das Feuer in den

Diamanten (Brechungszahl gegenüber Luft 2,4173 bei gelben Na-D Licht) auf eine vielfache

Totalreflektion zurückzuführen. Hat jedoch der einfallende Lichtstrahl einen Winkel von 0° (parallel

der Senkrechten), ist der Brechungswinkel gleich dem Einfallswinkel. Treffen Lichtwellen auf die Kante

eines Objektes auf, werden sie gebeugt. Diese Beugung ist möglich, weil jeder Punkt, der von der

Lichtwelle erfasst wird, gleichzeitig ein neuer Ausgangspunkt einer neuen Welle ist (Huygenssches

Prinzip). Hinter dem Hindernis überlagern sich dann die so neu entstandenen Wellen und es kommt

zur Interferenz, rotes Licht wird stärker gebeugt als violettes Licht. Bei mehrfarbigem Licht entsteht

ein Beugungsspektrum. Stellen wir einen Stab schräg zur Wasseroberfläche ins Wasser, so finden wir

die Brechungsgesetze bestätigt. Der Stab bekommt an der Wasseroberfläche einen Knick zum

Einfallslot hin. Würden wir uns jetzt auf den Grund dieses Gewässers befinden und am Stab entlang

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schauen, würden wir feststellen, dass der Stab an unserem Auge gehoben erscheint.

Beobachten wir nun den Lichtstrahl eines Gestirns am Himmel, erscheint uns dieses Gestirn ebenfalls

höher, als es in Wirklichkeit ist. Diese Erscheinung wird astronomische Refraktion (R) genannt. Mit

abnehmender Höhe gewinnt das Medium Erdatmosphäre immer mehr an Dichte. Der Lichtstrahl eines

Gestirns wird immer und immer mehr gebrochen. Sein Brechungswinkel ist kleiner als sein

Einfallswinkel. Messen wir nun die Höhe eines Gestirns wird die gemessene Höhe deshalb größer sein,

als die tatsächliche Höhe. Das Vorzeichen der Berichtung auf Grund der Refraktion wird deshalb immer

ein negatives (-) sein müssen.

Je geringer die Gestirnshöhe ist, umso größer ist seine Refraktion. Für Gestirne, die sich im Zenit

befinden, ist der Wert der Refraktion gleich Null.

In der Nähe der Erdoberfläche besteht die Atmosphäre aus einem Gemisch von Gasen. Die

Hauptbestandteile dieses Gemisches sind Stickstoff (78 %) und Sauerstoff (21 %). Der verbleibende

Rest von l % setzt sich aus Edelgasen (Argon mit 0,93 %), Wasserstoff, Ozon und Kohlendioxid

zusammen. Der Sauerstoffanteil der Luft erweist sich in Bodennähe als recht konstant, während er in

größeren Höhen leichten Schwankungen unterworfen ist. Als wichtigste Beimengung der Luft tritt der

Wasserdampf auf, der in stark wechselnder Menge besonders in den unteren Luftschichten vorhanden

ist (Anteil ca. 4 Volumenprozent). Weitere Beimengungen sind verschiedene feste und gasförmige

Bestandteile, die zusammenfassend als Aerosole bezeichnet werden. Gewisse Beimengen der Luft

erlangen eine elektrische Aufladung (Ionen). Innerhalb unserer Atmosphäre bestehen vertikale

Aufwärts- und Abwärtsbewegungen. Die Luftbestandteile setzen sich deshalb nicht der Schwere nach

ab, sondern unterliegen einer dauernden Mischung. Obwohl die Mischungsverhältnisse der Luft bis in

große Höhen konstant bleiben, nimmt die absolute Menge des in einer Volumeneinheit vorhandenen

Luftgemisches mit wachsender Höhe ständig ab. Diese Abnahme der Luftdichte und des Luftdrucks

führt zu einem Übergang in den interstellaren Raum in Höhen von 2000 bis 3000 km.

Aussagen über das Verhalten der Atmosphäre in großen Höhen geben uns optische und elektrische

Erscheinungen. So kann man aus dem Ablauf der Dämmerungsphasen, nach Sonnenuntergang bzw.

vor Sonnenaufgang bestimmte Rückschlüsse auf die Trübungsverhältnisse innerhalb der Atmosphäre

ziehen. Diese unterschiedlichen Trübungsverhältnisse, die durch den Einfluss von Klima und Wetter

entstehen, beeinflussen die Extinktion (Schwächung einer Strahlung) und die Zerstreuung des Lichtes.

Das einfallende Sternenlicht muss somit erst diesen atmosphärischen Filter durchdringen, ehe es zum

Auge des Beobachters gelangt.

Mehrere messbare Erscheinungen weisen darauf hin, wie weit die Erdatmosphäre tatsächlich in den

Kosmos reicht. So werden in Hohen um die 80 km in größeren Breiten - über 45°- leuchtende

Nachtwolken beobachtet. Die Herkunft dieser Wolken ist bis heute nicht restlos geklärt. Während man

annimmt, diese Wolken verdanken ihrer Entstehung dem Vorhandensein von terrestrischen bzw.

kosmischen Staubes, gilt auch die Ansicht, dass diese Wolken Eiswolken seien, die durch den

Wasserdampfausstoß von aktiven Vulkanen entstanden sind. Auch erhalten wir weitere Hinweise auf

das Vorhandensein der Atmosphäre in großen Höhen durch die Leuchterscheinungen, die mit dem

Eindringen von Sternschnuppen und Meteoren in die Erdatmosphäre verbunden sind. Bei den

Sternschnuppen beginnt der Leuchtvorgang in etwa 120 km und endet bei etwa 80 km Höhe. Größere

Meteore leuchten schon in einer Entfernung von ca. 150 km auf und erlöschen dann bei einer Hohe

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von 50 km. Auch die durch Meteore verursachten Leuchtschweife (bei Nacht) bzw. Rauchstreifen (am

Tag) lassen auf Luftbewegungen bis zu 150 km Höhe schließen. Die Erscheinung des Polarlichtes wurde

von Hohen um die 80 km bis zu Höhen um die 100 km, in einzelnen Fällen auch bis zu Hohen um die

1000 km festgestellt. Die meisten Beobachtungen des Polarlichtes beziehen sich jedoch auf Höhen von

100 bis 120 km. Die Intensität und Häufigkeit der Polarlichter nimmt äquatorwärts ab, jedoch wurden

auch schon bis nach Indien hinein Polarlichter beobachtet. Da das Polarlicht durch Ionisierung von

Luftmolekülen hervorgerufen wird, liegt die Tatsache auf der Hand, dass dort wo Polarlichter

beobachtet werden, auch noch Atmosphäre vorhanden sein muss.

Die Atmosphäre unserer Erde ist in verschiedenen Stockwerten gegliedert. Der Übergang von

einem Stockwerk zum anderen ist kein unbedingt fließender, da die verschiedenen Stockwerke auch

unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die Übergangsschichten zwischen den Stockwerken sind

von geringer Mächtigkeit im Vergleich zu der Mächtigkeit der Stockwerke selbst. Unterstes Stockwerk

ist die Troposphäre. Es ist die Mischungszone oder auch Wetterzone genannt, in der der gesamte

Wasserdampfgehalt der Atmosphäre vorhanden ist. Die Temperatur in diesem Stockwerk nimmt mit

wachsender Höhe im Mittel um ca. 5 bis 6 Grad je 1000 Meter ab. Der Luftdruck im unteren Bereich

der Troposphäre beträgt im Mittel um die 1013 mbar. Innerhalb der Troposphäre nimmt er jedoch um

die 225 mbar ab (gemäßigte Klimazone). In den oberen Schichten der Troposphäre hört die

Temperaturabnahme auf. Diese obere Schicht wird deshalb als Tropopause bezeichnet. Es tritt

Isothermie (Isotherme / griech. /-Verbindungslinien zwischen Orten gleicher Temperatur), das heißt

eine gleichbleibende Temperatur ein, die in höheren Lagen (25 - 30 km) in eine Temperaturerhöhung

umschlägt. Abhängig von der geographischen Breite erreicht die Troposphäre eine Höhe am Äquator

um die 8 km und an den Polen um die 17 km. In den gemäßigten Breiten beträgt die Höhe ca. 12 km.

Entsprechend dem Höhenunterschied weist dann die Tropopause auch eine verschiedene Temperatur

auf, so an den Polen um die -45°C, am Äquator um die -80°C und in den gemäßigten Breiten um die -

50°C bis -60°C. Die Tropopause führt dazu noch jahreszeitliche Änderungen bezüglich ihrer Höhenlage

aus. Im Allgemeinen liegt sie im Winter und im Frühjahr am tiefsten, während sie im Sommer bzw. im

Herbst ihre größte Höhe erreicht.

An die Tropopause schließt sich die Stratosphäre (Schichtenzone) an. In diesem Stockwerk

verschwinden die vertikalen Luftbewegungen. Die Obergrenze der Stratosphäre wird bei etwa 50 km

angenommen. Diese Obergrenze ist auch gleichzeitig die Obergrenze der Ozonschicht. Innerhalb der

Stratosphäre liegt bei ca. 25 bis 30 km die Untergrenze der Ozonschicht. An dieser Untergrenze schlägt

die an der Tropopause einsetzende Isothermie in eine Temperaturerhöhung als Folge der

Ozonkonzentration um, die ihren Maximalwert mit von +20 bis +50°C in einer Höhenlage um die 50

km erreicht. Die also oberhalb der Stratosphäre eingebettete Ozonschicht, die den Hauptteil der von

der Sonne kommenden UV-Strahlung absorbiert, ist durch diese Absorption der verantwortliche Faktor

für die Einleitung der Temperaturerhöhung in dieser Schicht. Angemerkt werden muss noch, dass die

Ozonkonzentration in höheren Breiten jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt. So finden wir ein

Frühjahrsmaximum und ein Herbstminimum. Die Ozonschicht ist nicht nur für die

Temperaturverteilung in der Stratosphäre, sondern auch für die Verteilung der Strahlung an der

Erdoberfläche (UV-Sperre) wichtig. Nach der Stratosphäre folgt als nächstes Stockwerk bis zu einer

Höhe von 80 km die Mesosphäre. Zwischen der Stratosphäre und der Mesosphäre liegt die

Stratopause. Die Mesosphäre wird nach oben durch die Mesopause begrenzt. Die Temperatur nimmt

innerhalb der Mesopause wieder ab, so dass im Grenzbereich der Mesopause die Temperatur ca. -50°C

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beträgt. Der Luftdruck beträgt hier 0,01 mbar. Oberhalb der Mesopause nimmt die Temperatur wieder

zu. Dieser Bereich umfasst die Höhen der Atmosphäre von 80 km bis 1000 km und nennt sich

Thermosphäre. Die Dichte des Luftgemisches ist hier sehr gering, weshalb die Werte der dort

anzutreffenden Temperatur nicht unmittelbar mit den Temperaturwerten niedriger Stockwerke

vergleichbar sind. Hervorgerufen durch die Absorption der Wellenstrahlung der Sonne (Sonnenlicht)

durch das Gasgemisch und durch Zusammenstöße der Gasmoleküle mit Teilchen der

Korpuskularstrahlung (Strahlen aus elektrisch geladenen Teilchen -Dualismus des Lichtes /

Korpuskulartheorie) bilden sich in der Thermosphäre ionisierte Schichten (Ionosphäre). Es kommt zur

Ausbildung eines ionisierten Gases, welches sich aus Ionen, neutralen Molekülen der Luft, Elektronen

und Lichtquanten zusammensetzt und als Plasma (griech.) bezeichnet wird. Dieses Plasma zeigt

physikalische Eigenschaften, die vom normalen Gaszustand abweichen. Es wird daher als vierter

Aggregatzustand der Materie bezeichnet (Aggregatzustände: l. fester, 2. flüssiger und 3. gasförmiger

Zustand der Materie). Die unterste Schicht der Ionosphäre reicht noch bis in die Mesosphäre hinein,

Hauptanteil an der Ausbildung der Ionosphäre haben die von der Sonne kommenden UV-Strahlen.

Nach der Thermosphäre folgt in etwa 1000 km Hohe die Exosphäre, auch Dissipationssphäre genannt.

Dieses Stockwerk kennzeichnet sich durch das Vorhandensein eines Gürtels intensiver

Röntgenstrahlung (Van-Allen-Gürtel) in etwa 2000 km Höhe. Mit zunehmender Höhe nimmt hier der

Anteil der Elektronen und der positiven Ionen ab. Anders ausgedrückt mit dem langsamen Abnehmen

der Exosphäre erhöht sich die Elektronenkonzentration, so dass an der Grenze der Atmosphäre

Elektronenkonzentrationen bis zu einigen hundert Elektronen pro Kubikzentimeter auftreten. Die

Exosphäre geht in den Höhen von 2000 km bis 3000 km in den interstellaren Raum fließend über, denn

hier ist der Anteil des Gasgemisches schon so niedrig, dass es in keinem Verhältnis mehr zu der

Elektronenkonzentration steht. Hier ist auch die Grenze unserer Atmosphäre überhaupt zu finden.

Insgesamt wird die Atmosphäre durch die Schwerkraft der Erde an die Erde gebunden, in den unteren

Schichten nimmt die Atmosphäre teil an der Rotationsbewegung der Erde.

Will man nun die Brechungswerte des Lichtes für jedes einzelne Stockwerk berechnen, so muss man

wissen, welche Dichteverhältnisse man in jedem Teil der Atmosphäre antrifft. Um nun wiederum die

Dichte zu berechnen, macht es sich notwendig den genauen Stoff zu kennen für den die Dichte gilt,

denn nur so kann die Brechungszahl n bestimmt werden. Aber nicht nur die Kenntnis des Stoffes ist

notwendig. Die Temperatur im Stoff selbst und der Druck auf diesen Stoff macht hier wiederum den

Wert der Dichte veränderlich. Man wird sicherlich zustimmen, dass es unmöglich ist, für jeden x-

beliebigen Zeitpunkt einer Gestirnsbeobachtung alle diese Werte verfügbar zu haben. Das wäre eine

unüberschaubare Flut von Messwerten, für die eine genauso unüberschaubare Anzahl von Sensoren

zur Verfügung stehen müsste. Diesem Problem kann man nur beikommen, wenn man mit

Kompromissen arbeitet. Eine Vereinfachung ist notwendig, die so gestaltet ist, dass die daraus

resultierende Messwertungenauigkeit noch in Grenzen bleibt. Zur Vereinfachung dieses Sachverhaltes

denkt man sich die Atmosphäre aus sehr vielen beliebig dünnen Kugelschalen zusammengesetzt.

Innerhalb einer Kugelschale wird die Dichte der Luft als konstant angenommen. In der obersten

Kugelschale sei die Dichte mit dem Wert Null definiert. Beobachten wir nun das Licht eines im Zenit

stehenden Gestirns, so fallt dessen Licht parallel mit dem Einfallslot und senkrecht stehend auf die

Grenzen der Kugelschalen ein. Diesen Zustand nehmen wir für alle größeren Höhen (also kleine

Zenitdistanzen) an. Entsprechend der Dichte jedes Mediums ist eine unterschiedliche

Lichtgeschwindigkeit gegeben. Nach dem Brechungsgesetz des Snellius gilt:

6

1

11

2

1

2

1

1

0

1

0

sin

sin

sin

sin

sin

sin

n

n

n

n

c

c

z

z

c

c

z

z

c

c

z

z

−− =

=

=

z0 ist dabei die Zenitdistanz, die über dem scheinbaren Horizont zu messen sein würde, wenn keine

Erdatmosphäre vorhanden wäre

zn ist die scheinbare Zenitdistanz, die unter dem Einfluss der Erdatmosphäre gemessen wird.

Alle obigen Gleichungen miteinander multipliziert, ergibt die mathematische Beziehung

0

00

sin

sinn

c

c

z

z

nn

==

Definiert man die mittleren meteorologischen Verhältnisse am Beobachtungsort mit einem Luftdruck

(Ld) von 1013 hPa und mit einer Temperatur(t) von +10°C, so errechnet sich n0 zu 1,00287. Da wir

jedoch nicht den Zenitabstand des Gestirns, sondern dessen Komplementwinkel, die Höhe messen,

gilt für die zu messenden Höhen:

90° – zn = h' h' ist die Höhe über dem scheinbaren Horizont, wobei die Kt

beachtet wurde. (Kt Kimmtiefe / siehe weitere Ausführungen)

90° – z0 = hs hs ist die scheinbare Höhe als Winkel über dem scheinbaren

Horizont und der Geraden Auge – Gestirn. Als scheinbarer

Horizont wird die sichtbare Kimm bezeichnet, die zum wahren

Horizont wird, bezieht man diese auf den Erdmittelpunkt.

wahre Höhe eines

Gestirns über dem

sichtbaren Horizont

beobachtete Höhe

eines Gestirns über

dem sichtbaren

7

Daraus folgt:

cos h': cos hs = n0

z0 – zn = hs – h' = R R ist die Refraktion

Die Refraktion ist somit der Winkel, um den das Gestirn infolge der astronomischen Strahlenbrechung

gehoben erscheint. Setzt man nun hs = h’ – R, so ergibt sich

cos (h’ – R) cos h' = n0

cos h' cos R + sin h' sin R = n0 cos h'

sin h’ sin R = cos h' (n0 – cos R)

sin R = cot h' (n0 – cos R).

R ist ein sehr kleiner Winkel, so dass man cos R = l setzen kann. Somit benutzt man die

Näherungsformel

sin R = R arc l" = R ( π : 648 000)

R = 0,000287 x (648 000 : π) cot h'

R = 59,198" cot h'

Aus der Formel sin R = cot h' (n0 – cos R) ist ersichtlich, dass die Refraktion nur vom absoluten

Brechungsverhältnis der Luft am Erdboden gegen das Vakuum abhängig ist. Die höheren Luftschichten

haben keinen Einfluss mehr auf die Refraktion.

Die Näherungsformel R = 59,198“ x cot h’ gilt natürlich nur für große Höhen bei mittleren

meteorologischen Verhältnissen am Beobachtungsort. Man kann sie anwenden, wenn die

Messgenauigkeit nicht größer +/- 0,1’ sein soll und die gemessenen Höhen über 22° liegen. Diese

Verallgemeinerung der Brechungstheorie des Lichtes in der Erdatmosphäre führt natürlich bei

kleineren Höhen zu weit komplizierteren Formeln. Für den praktischen Gebrauch stehen dem

genauerem Beobachter Refraktionstafeln zur Verfügung (siehe Anhang). Sie geben die mittleren Werte

für die Strahlenbrechung in der Regel für einen Luftdruck von 1013 hPa (mbar) und einer Temperatur

von + 10°C an. Nimmt die Luftdichte auf Grund eines steigenden Luftdruckes und einer abnehmenden

Temperatur zu, vergrößert sich der Wert der Refraktion. Entgegengesetzt verringert sich die Dichte der

Luft, wenn die Temperatur zunimmt und der Luftdruck fällt. In beiden Fällen sind Ergänzungstafeln

vorhanden, die die Werte der mittleren Refraktion zu den Werten korrigieren, wie sie für den

Beobachtungsort gelten.

Es bleibt feststellbar, dass die Schwankungen des Dampfdruckes in der Atmosphäre sich auch bei

kleinsten Höhen nicht mehr auf die Refraktion auswirken, wenn die Genauigkeitsforderung nicht unter

8

6" liegen. Zur Berechnung der Refraktion für Höhen über 7° kann deshalb auch die nach dem

ADMIRALTY MANUAL OF NAVIGATION aufgestellte mathematische Beziehung

R(in") = 58,29 cot h (in°) – 0,067 cot3 h (in°)

genutzt werden. Biese Formel ist für einen Luftdruck von 101325 Pa und einer Temperatur von + 10°C

berechnet und lässt ebenfalls eine Genauigkeitsforderung bis zu +/- 0,1’ zu. Auch hier wurde der

Einfluss der Temperatur- und Luftdruckänderung auf die Refraktion außer Acht gelassen. Es ist jedoch

möglich für bestimmte Höhenbereiche und für nicht extreme atmosphärische Verhältnisse

Näherungsformeln für diese Veränderlichkeit anzuwenden.

0Rt273

Ld0,00278R

+

=

R = ((0,00278 x Ld): (273 + t)) x (cot h – 0,067 cot3 h)

R = ((0,0000463 x Ld) : (273 + T)) x (58,29 cot h – 0,067 cot3 h)

Aber nicht nur das Licht selbst, vom Gestirn kommend und unsere Erde erreichend, sorgt für eine

Verfälschung der Höhe des Gestirns über den Horizont. Es ist der Standort unseres Beobachtungsortes,

welcher selbst für einige andere Korrekturwerte sorgt. Das astronomische Grunddreieck ist mit seinen

Bezugssystemen –das System des wahren Horizontes und das System des Himmelsäquators- ist immer

auf den Erdmittelpunkt fixiert. Wir müssen deshalb unsere Beobachtungsdaten, die Höhe (h) auf den

wahren Horizont, dessen Ebene nicht unseren Beobachtungsort, sondern den Erdmittelpunkt

schneidet, beziehen. Auch gibt die Betrachtung eines Gestirns- hier Messung des Höhenwinkels- einige

andere Werte wieder, als die tatsächlichen. Denn es besteht ein visueller Unterschied, ob wir ein

Gestirn von der Äquatorposition oder von den Polpositionen der Erde aus einmessen. Auch ist es bei

der Sonne und auch beim Mond nicht möglich, den jeweiligen Mittelpunkt unmittelbar zu messen.

Man misst hier immer den Ober- bzw. Unterrand des Gestirns. Alle diese Ursachen machen zusammen

beachtliche Fehler aus und müssen korrigiert, d. h. beschickt werden. Es ergibt sich eine

Gesamtbeschickung der gemessenen Höhe zur wahren beobachteten Höhe, die durch folgende

astronomische Beziehung zum Ausdruck kommt.

hr = h’ - Kt - R + P +/- r.

h R Ld t Ro

° “ Pa °C “

Ld ...Luftdruck am Barometer

in pa oder mbar

t .…..Temperatur der Luft in °C

R0 …..mittlere Refraktion bei

Ld 101325 Pa und

t = + 10°C

hb ... beobachtete Höhe unter Beachtung aller Beschickungswerte

h’ ... scheinbare oder abgelesene Höhe am Sextant

Kt ... Kimmtiefe R ... Refraktion P ...... Parallaxe

r ... scheinbare Gestirnsradius bei Sonne, Mond und Planet,

veränderlich aufgrund der tatsächlichen Entfernung des Gestirns

von der Erde

9

Für die Beschickung der gemessenen Höhe zur beobachteten Höhe sei an dieser Stelle die

mathematische Beziehung, so wie sie bei der Rechneranwendung benutzt werden kann,

vorweggenommen. Es ist die Formel:

rKAKAt

LdtAhKA

HPKAKAt

LDtAhKAhb

−+

−+−

+−+

−+−=

)cot067,0cot29,58()273(60

278,0)37,0799,1(cos

)cot067,0cot29,58()273(60

278,0)37,0779,1(

3

3

Ah Augenhöhe des Beobachters in Meter

Δt Temperaturdifferenz zwischen Wasser und Luft in Kelvin

Ld Luftdruck in mmbar bzw. hPa

t Lufttemperatur

HP Horizontalparallaxe

Die einzelnen Glieder dieser Formel sind selbstverständlich entsprechender geforderten Beschickung

für die entsprechenden Gestirne zu berücksichtigen. So ist Gestirnsradius nur für Mond und Sonne

nötig. Auch wird bei großen Winkeln der Unterschied zwischen Wasser- und Lufttemperatur nicht

mehr ausschlaggebend sein. Wie wir bereits wissen beschreibt sich die Ebene des Horizontes

rechtwinklig zur Lotrichtung zum Erdmittelpunkt. Mit einer Wasserwaage sind wir in der Lage den

scheinbaren Horizont festzustellen, während der wahre Horizont die parallele verschobene Ebene des

scheinbaren Horizonts in den Erdmittelmittelpunkt darstellt. Wir wissen auch je höher sich die

Beobachtungshöhe über dem idealisierten Meeresspiegel erhebt, je größer wird die sichtbare Fläche

der scheinbaren Horizontebene mit dem Navigationssystem S’ im Mittelpunkt dieser Ebene. So wie

sich die Entfernung der Sichtweite vergrößert, vertieft sich auch die Kimm (K) um den als Kimmtiefe

(Kt) bezeichneten Mittelwert. Die Entfernung des Sichtbereiches und die Kimmtiefe hängen somit auf

das Engste mit der Augeshöhe über der idealisierten Erdoberfläche eines Referenzellipsoides

zusammen.

Wie wir bereits aus dem Abschnitt DAS NAVIGATIONSSYSTEM S’ wissen beschreibt sich die Ebene des

Horizontes rechtwinklig zur Lotrichtung zum Erdmittelpunkt. Mit einer Wasserwaage sind wir in der

Lage den scheinbaren Horizont festzustellen, während der wahre Horizont die parallele verschobene

Ebene des scheinbaren Horizonts in den Erdmittelmittelpunkt darstellt. Wir wissen auch je höher sich

die Beobachtungshöhe über dem idealisierten Meeresspiegel erhebt, je größer wird die sichtbare

Fläche der scheinbaren Horizontebene mit dem Navigationssystem S’ im Mittelpunkt dieser Ebene. So

wie sich die Entfernung der Sichtweite vergrößert, vertieft sich auch die Kimm (K) um den als Kimmtiefe

(Kt) bezeichneten Mittelwert. Die Entfernung des Sichtbereiches und die Kimmtiefe hängen somit auf

das Engste mit der Augeshöhe über der idealisierten Erdoberfläche eines Referenzellipsoides

zusammen. Die Kimmtiefe ist es, die für die Berechnung von Gestirnspositionen im wahren und

scheinbaren Auf- oder Untergang den Zeitpunkt der Beobachtung wesentlich beeinflusst. Für eine

Längenbestimmung bei gegebener Breite kann die Beobachtung eines Gestirns im wahren Auf- oder

Untergang nur genutzt werden, wenn der Beobachtungszeitpunkt des scheinbaren Auf- oder

Untergangs auf den wahren reproduziert wird. Da der Standort des Beobachters(Augenhöhe) sich

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immer über der Kimm befindet, durchläuft ein von der Kimm kommender Lichtstrahl, Luftschichten,

dessen Dichte entsprechend dem Weg des Lichtes von der Kimmlinie bis zum Auge des Beobachters

abnehmen. Ein solcher Lichtstrahl wird auf Grund der Brechungsgesetze somit von Einfallslot

weggebrochen. Diese Lichtstrahlkurve, die der Erde ihre konkave Seite zeigt, wird im Unterschied zur

Refraktion als terrestrische Strahlenbrechung bezeichnet und hat nichts mit dem direkt einfallendem

Licht eines Gestirns zu tun. Diese terrestrische Strahlenbrechung bewirkt, dass der Wert der Kimmtiefe

etwas kleiner ausfällt, als der theoretische nach der Erdkrümmung berechnete. Hier spielt auch der

Unterschied zwischen der Wasser- und der Lufttemperatur eine Rolle. Schon bei Temperaturgleichheit

zwischen dem Wasser und Luft wird die Kimmtiefe im Mittel etwa um 1/13 ihres Betrages verringert.

Unter Beachtung des mittleren Wertes für die Kimmtiefe erhält man dann die mathematische

Beziehung AhKt 779,1)(' = .

Im Gegensatz zur Refraktion hat der Wert der Kimmtiefe immer ein negatives (-) Vorzeichen. Durch

Subtraktion der Kt von der gemessenen Gestirnshöhe (h) erhält man die scheinbare Höhe (h’). Auch

hier sind besonders für Seefahrer Tabellen entwickelt worden, die durch Nachschlagen das Rechnen

erleichtern. Wenn starke Unterschiede zwischen der Luft- und der Wassertemperatur vorhanden sind

und auch wenn bei Windstille eine genügende Durchmischung der Luft fehlt, kommt es zu extremen

Schwankungen der Kimmtiefe, die dann erheblich von dem Wert der mittleren Kimmtiefe abweichen

kann. Ist das Wasser kälter als die Luft, wird der Wert der Kimmtiefe kleiner sein als der mittlere Wert.

Im umgekehrten Fall, wenn das Wasser wärmer, als die Luft ist, wird der Wert größer sein, als der

mittlere Wert der Kimmtiefe. Während im ersten Fall der Unterschied der Dichte der Luft nach oben

hin vergrößert wird - die Krümmung des Lichtstrahls von der Kimm zum Auge nimmt dann zu-, wird im

zweiten Fall die Luft von unten her erwärmt, was den Dichteunterschied der einzelnen Luftschichten

verringert - die Krümmung des Lichtstrahls von der Kimm zum Auge nimmt ab-.

Bei normalen hydrometeorologischen Verhältnissen wird diese Abweichung vom mittleren Wert der

Kimmtiefe jedoch nicht mehr als l’ betragen. Gleichwohl sind auch hier Korrekturtafeln vorhanden, die

es gestatten, dieser Beschickung Rechnung zu tragen (Tafeln befinden sich im Anhang dieses Buches).

Um den beobachteten Wert der Höhe eines Gestirns über dem Horizont auf seine wahre Höhe zu

beschicken, haben wir bisher die Erscheinung der Kimmtiefe und Refraktion untersucht. In der Natur

gibt es aber noch eine andere Erscheinung. Diese wird als Parallaxe bezeichnet und ist eine

Erscheinung rein optischer Natur. Wenn wir uns einen Gegenstand in einer gegebenen Entfernung

betrachten, liefert uns das Auge ein Abbild dieses Gegenstandes. Jedoch besitzt der Mensch, wie alle

Tiere der Welt auch, zwei Augen. Betrachten wir also einen Gegenstand vermittels unserer Augen, so

erscheint es uninteressant, welches Auge wir für die Betrachtung verwenden. Das Bild ändert sich

nicht. Nähern wir uns jedoch diesem Gegenstand derart, dass der Abstand Auge-Gegenstand nur noch

ca. 30 cm betragt, stellen wir fest, indem wir im Wechselspiel ein Auge offenhalten und das andere

schließen, dass sich die Position des Gegenstandes verschiebt. Schließen wir das rechte Auge und

öffnen wir zur gleichen Zeit das linke Auge, wird der Gegenstand seine Position nach rechts

verschieben. Im umgekehrten Fall ist es natürlich umgekehrt. Diese Erscheinung wird als Parallaxe (P)

bezeichnet.

Bezogen auf die Himmelskörper ergibt sich genauso ein Unterschied der Position, wie dies bei

Betrachtung unseres Gegenstands mit wechselnden Augen passiert. Steht ein Himmelskörper z. B. auf

der Verlängerung der Ebene des Erdäquators und beobachten ihn wir auch von dort, so stellt sich seine

11

Position anders dar, als wenn wir diesen Körper vom Standort des Erdpols aus beobachten. Hier

entspricht der Standort am Südpol dem linken und der Standort am Äquator dem rechten Auge.

Die Parallaxe eines Himmelskörpers ist somit der Winkel, um den sich durch die

perspektivische Wirkung die Himmelskörper am Himmel verschieben, wenn man ihn von zwei

Punkten der Erde aus betrachtet, die genau einen Erdradius voneinander entfernt sind.

Für die genaue Untersuchung dieser Erscheinung; eignet sich besonders der Mond. Er besitzt

eine relativ geringe Entfernung zur Erde und hat einen großen Durchmesser. Seine Entfernung auf

Grund seiner elliptischen Bahn ändert sich in Bezug auf die Erde ständig. Wollen wir also an Hand des

Mondes die Erscheinung der Parallaxe genauer untersuchen.

Da die Parallaxe jedes Weltkörpers immer ebenso groß ist, wie der Radius der Erde, vom

Standpunkt des betreffenden Weltkörpers ausgesehen, lassen sich verschiedene Rückschlüsse, auch

betreffs der wirklichen Entfernung der Himmelskörper ziehen.

Die Erde vom Mond aus betrachtet, muss doppelt so groß erscheinen, wie der Wert ihrer Parallaxe.

Der Beweis dieser Aussage lässt sich an folgender Darstellung ablesen.

An Hand eines Beispiels soll die Berechnung des Parallaxenwinkels nachvollzogen werden (siehe obige

Zeichnung).

Gestirn: Mond Datum: 04. Mrz. 2001 Uhrzeit: 11-43-40 (UT-1)

GrtMond = 148° 03’ 24“ δMond = 0° 00’ 00“ N/S

Die Mondposition befindet sich demnach auf λ = 148° 03’ 24“ W; φ = 0° (Äquator)

Die Höhe des Mondes soll zunächst mit 0° 00,0’ gegeben sein. Weiter nehmen wir an, dass wir uns auf

gleicher Länge der Mondposition befinden. Eine Höhe von 0° bedeutet eine Distanz zur Mondposition

von 90° oder in Seemeilen (90° x 60’=) 5400 sm. Da 5400 sm eine Viertel des Umfangs der als Kugel

a c γ

β Äquator

A B

C

A...Erdmittelpunkt α....geographische Breite φ

B...Gestirnsmittelpunkt β parallaktischer Winkel am Gestirn

C...Beobachtungsort γ 90° Der Beobachter sieht Auf- und

Untergang

α

b

c

scheinbarer Horizont

Parallaxe

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angenommenen Erde ist (360° entsprechen 21600’), befinden wir uns auf dem Nord- bzw. Südpol und

würden den Mond mit einem Azimut von genau Süd (180°) auf dem Nordpol oder genau Nord (360°)

vom Südpol peilen. Somit lautet der Beobachtungsort φ = 90° N; λ = 148° 03’ 24“ W (für den Nordpol).

Wie aus der Zeichnung leicht ersichtlich, kann der Mond nicht gleichzeitig im Zenit über dem Äquator

stehen und am Pol zum Mondmittelpunkt eine Höhe von 0° gemessen werden. Der Höhenwinkel am

Pol verschiebt sich um den Wert der Parallaxe.

Ersichtlich wird, dass der Wert der Parallaxe (α) bei einer beobachteten Höhe von 0° am größten ist.

Das Gestirn steht dabei in seinem Auf- bzw. Untergang über dem Horizont. Die Parallaxe wird dann mit

dem Begriff Horizontparallaxe (HP) bezeichnet. Der Wert der Parallaxe ist dagegen Null, wenn das

Gestirn im Zenit steht.

Da die Parallaxe jedes Weltkörpers immer ebenso groß ist, wie der Radius der Erde, vom Standpunkt

des betreffenden Weltkörpers ausgesehen, lassen sich verschiedene Rückschlüsse, auch betreffs der

wirklichen Entfernung der Himmelskörper ziehen.

Mit der mathematischen Beziehungc

bHP =sin des rechtwinkligen Dreiecks ABC gelingt die

Berechnung der Horizontparallaxe.

Die Parallaxenwerte betragen für die Sonne 8,795“(≈ 8“ = 0,1’) und für den Mond 3422,62“ (≈ 54’...61’)

und für die Planeten 0,0’ ...0,5’.

Um die Werte der Parallaxe für bestimmte Höhen zu erhalten, wird mit der mathematischen Beziehung

P = HP cos h’ gerechnet, denn man setzt aufgrund der sehr kleinen Winkel von P und HP sin P =

P arc1’

sin HP = HP arc 1’.

Nun ist die erste Basis der Seeorientierung immer noch das Licht in seiner vielfältigen Art, welches der

Orientierung und letztlich damit im Zusammenhang der messbaren Ortung dient. Wir haben gesehen,

welchen Einflüssen das Licht beim Durchlaufen der Atmosphäre unterliegt.

13

DIE ZEIT

„Die Zeit ist kein empirischer Begriff, der irgend von einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das

Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen würde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die

Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde läge. Nur unter der Voraussetzung kann man sich

vorstellen, dass einiges zu einer und derselben Zeit (zugleich) oder in verschiedenen Zeiten

(nacheinander) sei.“

Immanuel Kant (1724-1804) aus „Kritik der reinen Vernunft“

Zeit existiert nach Kant somit nicht für sich, sondern nur in Zusammenhang mit dem Wahrnehmenden.

Heißt das etwa Zeit existiert nur dann, wenn sie wahrgenommen wird? Hier eine andere Definition.

Die Zeit ist - ebenso wie der Raum - eine objektiv reale Existenzform der Materie. Alle Vorgänge in

Natur und Gesellschaft sind von einer bestimmten Zeitdauer und folgen in bestimmter Weise

aufeinander. Der Ablauf der Zeit hängt nicht vom persönlichen Erleben des Einzelnen ab, sondern ist

bestimmt durch objektive Gesetzmäßigkeit des Vorganges. Man kann die kausal miteinander

verbundenen Prozesse in ihrer Reihenfolge nicht umkehren. Deshalb ist auch der Ablauf der Zeit nicht

umkehrbar, sondern erfolgt nur in der Richtung von der Vergangenheit zur Zukunft.

Somit hängt der Zeitbegriff auf engste mit den Begriffen Raum und Materie zusammen. Die Zeit

existiert außerhalb des menschlichen Bewusstseins und davon unabhängig. Den absoluten Zeitbegriff

(Newton) kann es nicht geben (siehe Einstein’sche Relativitätstheorie ).

Obwohl sich bei der Betrachtung des Zeitbegriffes philosophische Ansichten mit denen der

Naturwissenschaftler kreuzen, wollen wir den Zeitbegriff mehr von der naturwissenschaftlichen Seite

her beleuchten. Aber eines lässt sich nicht ohne das andere definieren. Bleiben wir bei der

letztgenannten Definition und fügen wir dieser neueren wissenschaftlichen Ansicht noch eine ältere

hinzu:

„Wir erfassen die Zeit nur, wenn wir erkennbare Bewegungen haben. Wir messen jedoch nicht nur die

Bewegung durch die Zeit, sondern auch die Zeit durch die Bewegung, da beide einander definieren“

Aristoteles

Die beiden letzten Definitionen, auf philosophische Ansichten begründet und wissenschaftlich

untermauert, mögen es sein, die uns von nun an begleiten sollen. Wollen wir nicht so sehr die Frage

stellen, wie der Zeitbegriff noch philosophischer oder auch wissenschaftlicher zu beantworten wäre.

Wollen wir lieber der Frage nachgehen, wie wir uns den Zeitbegriff am besten praktisch nutzbar

machen können. Folgen wir den Worten des Physikers und Philosophen, Professor Ernst Mach aus

Wien, der Ende des letzten Jahrhunderts Newtons Darstellung vom absoluten Zeitbegriff verwarf und

als Wegbereiter A. Einsteins feststellte, in dem er Newtons absoluten Raum- und Zeitbegriff als

»Begriffsungetüm“ bezeichnete: „Wo ist denn die ideale Uhr die entscheiden könnte, ob die Zeit

absolut und gleichförmig fließt? Man kann nur geeignete Uhren bauen, nach denen eine ,Standardzeit’

definiert wird.“

14

Die Suche nach der absoluten Uhr war also erfolglos. Aber die Suche nach den geeigneten

Messverfahren, den besten Messtechniken nachzugehen, ist für unsere praktischen Bedürfnisse der

Navigation schon erfolgreicher.

Blättern Sie doch mal in einer renommierten astronomischen Zeitschrift und betrachten Sie die Bilder

von italienischen Sonnenuhren. Alte Meister binden hier die Zeit mit einem Bild. Das Bild ist fest mit

der Erde verbunden und die Zeit bewegt sich. Sie haben den wandernden Schatten der Sonne mit der

Erde verknüpft. Dieses Schauspiel ins Materielle zu übertragen heißt ein Instrument bauen, um die Zeit

zu messen. Als wenn dieses nicht schon längst passiert ist und heutzutage zum normalen Alltag gehört.

Eine Sonnenuhr bauen. Warum?

Weil eine Sonnenuhr das gesamte Universum auf einer waagerechten Steinplatte oder sonst wie

vereinigen kann. Und genau diese Philosophie ist Urträger menschlicher Ideen. Die menschliche Art ist

es sich selbst zu befriedigen, in der Gier nach Offenbarung. Wozu wohl sonst gibt es Menschen auf der

Erde? Einer muss ja die Welt erforschen, oder?

So haben schlaue Vorfahren schon lange das Konstruktionsgeheimnis der Sonnenzeitmesser gekannt.

Sie haben in ihren Vorgärten oder an ihren Häuserwänden die Existenzformen der Materie in Raum

und Zeit erblickt und ahnten: Das eine existiert nicht, ohne das andere!

Alle Bewegungen materieller Körper können nur relativ zu anderer bewegter Materie aufgefasst

werden. So ist das Intervall zwischen zwei Ereignissen, welches allgemein Zeit genannt wird, nichts

weiter als die relative Geschwindigkeit der Uhren, mit denen die Zeit gemessen wird. Für die Zeit gilt

es eine Zeiteinheit zu kennen, die unveränderlich ist und jederzeit reproduzierbar sein muss.

Als Ernst Mach aus Wien Ende des letzten Jahrhunderts Newtons „Begriffsungetüm“ des absoluten

Zeitbegriffs verwarf, so hat er den Zeitbegriff außerhalb des menschlichen Bewusstseins und davon

unabhängig bewiesen. Wir messen also nicht nur die Bewegungen durch die Zeit, sondern auch die

Zeit durch die Bewegungen.

Orientierung ist Raumsinn und Orientierung ist Zeitsinn. Die Zeit im Raum, unserer Umwelt also,

mathematisch zu erfassen und ausdrücken zu können, ist Grundbedingung der Wiederauffindbarkeit

von mathematisch definierten Zeitpunkten.

Wenn sich der Sonnenschatten der Sonnenuhr auf der großen Platte bewegt, so ist das

veranschaulicht, was sich gegenseitig definiert. Zeit durch Raum und Raum durch Zeit.

Die Menschen haben sich angewöhnt, die Zeit nach dem Laufe der Sonne oder des Mondes zu messen.

Die Sonne ist das stärkste Symbol aller menschlichen Kulturen. Ungezählte Mythen kreisen um diesen,

unseren Heimatstern. Und so verwundern es uns auch nicht, - denn wer will wohl abstreiten- dass die

Sonne das Leben auf der Erde regelt.

Als sich im Laufe von 10 Jahrhunderten in Mittelamerika, die hohe Kultur der Maya entwickelte, die

untrennbar mit einem hohen Stand astronomischer Kenntnisse verbunden war, so hat sich auch

gleichzeitig eine vollkommende Kalender- und Zeitrechnung entwickelt. Im 9. Jahrhundert ging diese

Kultur ihrem Ende entgegen. Als die spanischen Eroberer ab 1524 das Land im heutigen südöstlichen

Mexiko und Guatemala eroberten, verschwanden durch Verbrennung bzw. Vernichtung der Conquista

15

zahlreiche Zeitdokumente dieser Kultur. So sind von den tausenden Schriften nur noch drei erhalten

geblieben. Eins dieser Kodexe befindet sich Madrid, ein zweites in Dresden und ein drittes in Paris.

Obwohl diese Schriften bis heute noch nicht vollständig entziffert werden konnten, liefern uns doch

diese und andere Zeugnisse ein recht eindrucksvolles Bild jener vergangenen Kultur. Leistungen auf

geistigem Gebiet überraschen mit dem Wissen um die Zeit. Die vielen Altäre und Steinsäulen

markieren bestimmte Zeitabläufe und Zeitdaten. Sie sind gleichzeitig Kalender und Geschichtsbuch in

einem. Bei den Mayas standen nicht nur die Tage unter dem Einfluss der Götter, Die Tage selbst waren

göttlich. Die Tage werden durch die Handlungen der Götter hervorgerufen und der Mensch ist

gehalten, dieses göttliche Handeln aufzudecken. Jeder Tag stand unter der Aufsicht eines Gottes, der

von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang herrschte. Daneben herrschte noch ein weiterer Gott. Seine

Herrschaft belief sich auch von Sonnenuntergang, jedoch nicht bis zum Sonnenaufgang, sondern bis

zum Sonnenuntergang des folgenden Tages. Somit herrschte jeden Tag ein anderer Gott mit niemals

den gleichen Gott zusammen, außer wenn nach bestimmten Tagen wieder die gleiche

Götterkonstellation zusammenfiel. Natürlich war die Sonne selbst und der Mond auch Gottheiten, die

regelmäßig beobachtet werden mussten. Aus der Konstellation der Tage, dabei den Einfluss der

verschiedenen Gottheiten Rechnung tragend, mischte sich nun noch die Konstellation von Sonne und

Mond hinzu. Die verschiedenen Stellungen der Gottheiten (Gestirne) regelten das Leben und

verpflichtete zur Einhaltung bestimmter Kulte und Riten. Hinzu kam noch die Beobachtung der Venus.

Mit Hilfe dieses Planeten wurde der Mayakalender zusätzlich korrigiert.

Die Maya übten sich in einem besonderen Ballspiel. Dieses Ballspiel, wobei der Ball mit den Hüften

bzw. mit den Schultern weiter gereicht wird, war für die Maya kein sportliches Spiel als solches.

Vielmehr war es Nachahmung. Sollte es doch den Kampf der Gestirne am Himmel verdeutlichen. Das

Ballspiel war somit ein göttliches Spiel, zahlreichen Mayagenerationen ist es zu danken, wenn dieser

Kulturkreis einen Kalender erstellen konnte, der seinesgleichen an Genauigkeit sucht. So legt der

Dresdener Mayakodex Themen der Astronomie und Astrologie offen. Man findet Angaben zu

Sonnenfinsternissen genauso, wie Tafeln über die Bewegung der Venus. So sind für einen Zeitraum

von 33 Jahren 69 Angaben über den Zeitpunkt von Sonnenfinsternissen zu finden. Dieser Kodex wurde

wahrscheinlich um 1200 u. Z. gezeichnet und stellt eine Neuausgabe eines in früheren Zeiten

geschaffenen Werkes da. Die Mayakultur, sowie die Kultur der Azteken vertraten die Auffassung, dass

die Welt zu einem plötzlichen Ende kommen würde. Übermächtige Götter (Gestirnsstellungen)

würden dieses Ende bewirken. Ein solcher Zeitpunkt könnte nach einem Schaltjahr bzw. nach Ablauf

einer Periode von 52 Jahren nahen. Um dieser sternlosen Zeit zu entgehen, wurden zu den genannten

Zeitfolgen strenge religiöse Opfer dargebracht und rituelle Handlungen durchgeführt. Auch die

Sonnenfinsternisse strahlten, genauso wie der Aufgang der Venus als Morgenstern etwas Bedrohliches

aus. War doch gerade die Sonne der mächtigste Gott. Wenn sie im Westen unterging, wanderte sie als

Jaguar durch die Unterwelt, um am anderen Tag im Osten wieder aufzugehen. Rechtzeitige

Vorhersagen über den Beginn der Sonnenfinsternisse waren deshalb notwendig, um rechtzeitig die

rituellen Handlungen einleiten zu können. Das irdische Weltbild wurde durch das göttliche geformt.

Im Zentrum der Welt standen die Mayas. Ihr Land war vom Meer umgeben, von dem man in fünf

Himmelsrichtungen blicken konnte. Die fünfte Himmelrichtung war die Mitte der Erde und das Herz

des Himmels zugleich. Jede Himmelsrichtung hatte ihre Symbolik in einer entsprechenden Farbe.

Während für den Osten die rote Farbe verbindlich war, stellte sich der Westen in einer schwarzen

Farbe vor. Der Norden wurde durch die weiße Farbe und der Süden durch die gelbe Farbe

16

gekennzeichnet. Jede Farbe hatte ihre eigene Charakteristik. So stand weiß für den Schnee, das Eis

und die Kälte und galt als Symbol der Reinheit.

Die Welt wurde in drei horizontale Ebenen eingeteilt. So gab es die Überwelt, aus Erdoberfläche und

den Himmel und die Unterwelt.

Beachtlich ist auch das ausgeklügelte System der Rechenkunst. Das Rechnen mit der Null und der

Gebrauch eines der Bruchrechnung ähnliches System zeigten hier Ansätze einer guten Mathematik.

Die Ziffern wurden in vertikaler Reihenfolge geschrieben. Als Methode schriftliche Aufzeichnungen

anzufertigen, kannten die Maya die entwickelte Bilderschrift. Für jeden Gedanken kam ein bestimmtes

Symbol in Frage. Dieses System war einer heutigen Schrift sehr ähnlich. So trägt die berühmte

Hieroglyphentreppe von Copan 2200 eingemeißelte Zeichen. Für die Entschlüsselung ist

selbstverständlich das Verstehen der Mayakultur Voraussetzung, denn die Schriftzeichen sind

zusammengesetzte Zeichen und haben immer ein Hauptzeichen mit verschiedenen Affixen, Zudem

kommt noch, dass gleiche Schriftzeichen eine unterschiedliche Farbe aufweisen. In erster Linie bezeugt

der Inhalt dieser Schriftzeichen der Treppe von Copan neben der Sammlung des astronomischen

Wissenstandes, die Darstellung des geschichtlichen Zeitablaufes, wobei die Namen und Einflüsse der

Götter für jeden Zeitabschnitt beschrieben sind.

Natürlich standen die Maya mit ihrer Kultur nicht allein. Gegenseitige Einflüsse zwischen dem Leben

der angrenzenden Völker (Zapoteken, Azteken usw.) und den Mayas waren auch hier vorhanden.

Wichtige Zentren der Maya waren die Orte Palenque, Chichten Itza und Copan.

Kehren wir unseren Blick zur anderen Seite der Erdkugel und begeben wir uns zwischen den Euphrat

und dem Tigres. Hier zwischen diesen beiden Flüssen befand sich vor 5000 Jahren die Hochkultur der

Sumerer, eine Kultur, welche die älteste ist, die sich in Mesopotamien nachweisen lässt. Die unter der

Herrschaft von Priesterfürsten gegliederten Stadtstaaten entstanden im 4-Jahrhundert v. Chr. Mit

einer Keilschrift beschriebene Tontafeln geben uns Zeugnis, dass dieser Kulturkreis auch über eine

Kalenderrechnung verfügte. Notwendig machte sich ein Kalender aus ganz praktischen Erwägungen.

Mesopotamien war ein Land von riesigen Sümpfen, Feuchtgebieten und Wüsten. Die Sumerer

machten das Land urbar. Legten ein System von Bewässerungskanälen und Deichen an und nutzten es

so für die Landwirtschaft. Koordiniertes Arbeiten war nicht nur für den Bau von Be- und

Entwässerungsanlagen notwendig. Kunstvolle Tempel und Städte entstanden und regelten das

gesellschaftliche Leben. Ein Zeitplan zur Bestimmung der Aussaat, der Ernte und der Gestaltung von

kulturellen und rituellen Höhepunkten war notwendig. Und so entstand ein Kalender, der auf den

Mond ausgerichtet war. Sicherlich wurden auch hier Korrekturen angebracht, denn das aus 12

Monaten zu je 30 Tagen bestehende Jahr musste bald im Widerspruch zu den tatsächlichen

Beobachtungen des Mondes stehen. Es sind nämlich 12,3 Monate nötig, um ein Sonnenjahr von 365,25

Tagen zu erhalten. Man kann die babylonische Kultur als Nachfolgekultur der Sumerer bezeichnen.

Die Babylonier nun machten den auf den Mond bezogenen Monat flexibel. Sie ließen manchmal einen

Tag weg, manchmal rechneten sie auch mit den Monat zu 30 Tagen. Alle drei Jahre schoben sie dann

einen dreizehnten Monat ein. So korrigierten sie die Zeit ständig, indem sie die gemachten

Gestirnsbeobachtungen mit der Vorausberechnung verglichen. 15 Jahrhunderte lang wurde dieses

Korrekturschema beibehalten. Bis schließlich um ca. 500 v. u. Z. der Zusammenhang zwischen Sonnen-

und Mondbewegung erkannt wurde und der Kalender auch nach der Sonne korrigiert wurde. Die

Griechen richteten sich nachfolgend auch nach dem babylonischen Kalendersystem, das jedoch

17

gebietsabhängig leicht abgeändert wurde. Aber nicht nur die Sumerer und die Babylonier waren es,

die auf Grund ihrer gesellschaftlichen Struktur einen Kalender nötig hatten. Als man in Ägypten eine

vor 2000 Jahren v. u. Z. geschaffene Elfenbeintafeln im Grabmal von Abydos fand, war hier ein Zeugnis

aus der Ersten Ägyptischen Dynastie entdeckt. Weitere Entdeckungen aus der Zeit des Mittleren

Ägyptischen Reichs (2050 bis 1700 v.u.Z.) und aus der Zeit des Neuen Ägyptischen Reiches (1560 bis

1080 v. u. Z.) z. B. des Originalsargdeckels des Königsgrabs Ramses IV. (um 1155 v.u.Z.) zeigen uns hier

eindeutige Belege für das Vorhandensein einer entwickelten Astronomie und Kalenderrechnung.

Anschaulichtes Beispiel ist wohl das Deckengemälde des Grabes von Senmut aus der Zeit der

altägyptischen Königin Hatschepsut um 1480 v.u.Z. Wir haben es dem ägyptischen Totenkult zu

danken, wenn wir heute zahlreiche Zeugnisse dieser Hochkultur vorfinden. So war es der Stern Sothis

(Sirius, Sternbild Großer Hund), der mit seinem ersten Auf gang das neue Jahr brachte und gleichzeitig

als Verkünder des Beginns der sehnsüchtig erwarteten Nilüberschwemmungen galt. Denn von den

Nilüberschwemmungen hing im starken Maße das Leben der meist bäuerlich orientierten ägyptischen

Bevölkerung ab. Während ursprünglich der ägyptische Kalender, genauso wie der babylonische

Kalender ein Jahr zu 12 Monaten und ein Monat zu 30 Tagen umfasste, wurden bald fünf zusätzliche

Tage am Monatsende einführt, um den Unterschied zur Beobachtung zu korrigieren. Dennoch

wanderte der Jahresanfang, gekennzeichnet durch den heliaktischen Aufgangs des Sirius durch das

Jahr. Erst mit der Einführung eines sechsten Tages nach einem Verlauf von vier Jahren im Jahr 2038

v.u.Z. gelang der Ausgleich und der Sirius begann das Jahr immer zur gleichen Zeit einzuläuten. Aber

nicht nur der Mond und die Sonne dienten der Beobachtung zur Zeitzählung. Vielmehr wurden auch

die Sterne dazu verwendet. Heliaktische Auf- und Untergänge, - das Erscheinen bestimmter Sterne am

Horizont kurz vor Sonnenauf- oder Sonnenuntergang- sind bevorzugte Rechenansätze dafür. So ist es

erwiesen, dass auch australische Ureinwohnerstämme den richtigen Zeitpunkt zur Termitenjagd

festlegten, indem sie die Position des hellen Sterns Arktur (Sternbild Bootes) beobachteten. Auch stand

eine bestimmte Position der Wega (Sternbild Leier) für den Beginn die Eier des Laubenwallnisters zu

suchen. Immer wieder begegnet man den Plejaden, wenn es um den Beginn oder das Ende bestimmter

jahreszeitlichen Verrichtungen geht. So begannen die nordwestbrasilianischen Tukano-Indianer des

Feldfruchtanbaus mit dem Zeitpunkt, als die Plejaden nicht mehr über den Horizont kamen. Die

Griechen richteten Beginn und Ende ihrer Mittelmeerschifffahrt nach den Plejaden aus und die

Polynesier kannten die Plejaden unter dem Begriff Mataliki

Der zentralafrikanische Stamm der Bakongo spricht den Plejaden als den „Wächtern, die den Regen

beaufsichtigen“ Aber nicht nur die Plejaden waren geeignete Beobachtungsobjekte. Die Bedeutung

des Sirius für die ägyptische Kalenderrechnung haben wir schon erwähnt. Die Buschmänner in

Südafrika schleuderten brennende Fackeln zum Himmel, um die Wintersterne Sirius und Kanopus zu

beschwören, noch höher aufzusteigen, damit endlich der Winter zu Ende geht. Es war Sache der

Medizinmänner, der Schamanen oder der Priester hier in die Lage versetzt zu sein, Auskünfte über den

Saat - oder Ente beginn, der Schifffahrtsperiode, des Einhaltens von rituellen Handlungen usw. geben

zu können. Hier ist der Anfang der Astronomie, die selbstverständlich mit der Astrologie verwoben ist,

zu suchen. Als der schwedische Historiker Martin Persson Nilsson (1874 bis 1967) sich mit den Kenyah-

Stämmen auf Borneo beschäftigt, schrieb er folgenden Text nieder: „Die Festsetzung der Saatzeit ist

so wichtig, dass jedes Dorf diese Aufgabe einem Mann anvertraut, dessen einzige Beschäftigung es ist,

die Zeichen zu beobachten. Er braucht selbst keinen Reis anzubauen, da er seinen Bedarf von den

anderen Dorfbewohnern erhält. Das Verfahren ist geheim, und seinem Rat wird immer Folge geleistet.“

Aus der Notwendigkeit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung heraus war der Beginn der

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Astronomie/Astrologie geboren. Wie sehr der Glaube, die Mythen, und die Rituale eingewoben sind,

in den praktischen Bedürfnissen, dafür sei die Astronomie der Beweis. Waren es anfangs die Gestirne

und der Mond, so gibt es zahlreiche Ereignisse, wie der Jahresablauf nach der Sonne gestaltet worden

ist. Alljährlich erreicht die Sonne den höchsten Punkt ihrer scheinbaren Bahn. Sie beginnt dann auf der

Ekliptik wieder äquatorwärts zu wandern. Dieser Zeitpunkt, als Sonnenwende bezeichnet, war nicht

nur den Hochkulturen in Ägypten, Babylonien, Indien, China oder Arabien bekannt, vielmehr sind auch

Beispiele vorhanden, die nicht den Einfluss dieser Hochkulturen unterstanden. Besten präsentiert sich

diese Entwicklung am Beispiel der Druiden. Die Druiden sind ein Orden aus der Bronzezeit im heutigen

England. Unter dem Einfluss der dortigen Stammesfürsten von Wessex stehend, haben sie ein Bauwerk

erschaffen, dass heute noch viele Schaulustige anzieht, wenn um die Betrachtung der Sonnenwende

geht. Gemeint ist das bekannte Bauwerk in der Ebene von Salisbury in Mittelengland. Hier erhebt sich

in Form gewaltiger Steinbauten ein Monument gewaltigen Ausmaßes, dass vor ca. 4000 Jahren gelegt

wurde.

Diese dort stehenden Steinblöcke sind nun nicht wahllos, einem bestimmten Einfluss einer dort

existierenden Götterwelt Rechnung tragend, dorthin gesetzt worden. Es war nicht nur ein Hinzufügen

von Steinen, wie es gerade der Zeitgeist bzw. der Riten Kult erforderte. Man hat entdeckt, dass das

Setzen dieser großen Steinböcke schon einem System unterlag, welches wohl gewollt war. Als 200

dieser Blöcke hinsichtlich ihrer Aufstellung vermessen hat, gelang der Nachweis, dass diese nach dem

Lehrsatz des Pythagoras angeordnet stehen. Diese Lehrsätze waren zumindest den Menschen der

Steinzeit unbekannt. Dennoch unterliegt dieses Bauwerk Konstruktionseigenschaften. Das Geheimnis

ist: Hier wurde die Natur einfach nachgebaut. Das Anlegen dieses Monument war vorausberechnete

Absicht, die Konstruktionsart, die mit der alithische Elle verwirklicht wurde, ergab sich durch die

Beobachtung der kosmischen Natur. Man muss auch hervorheben, dass nicht nur das Monument

Stonehenge die einzigen Zeitzeugen solcher Bauwerke darstellen. Vielmehr sind auch Bauwerke

unweit von Güstrow (Norddeutschland) entdeckt worden, die in vielen Beziehungen denen von

Stonehege ähnlich sind. Die Vermutung ist offen, dass es wahrscheinlich im germanischen-

angelsächsischen für Gebiet noch weiterer Monumente gleichartigerer Art gab. Leider kann Geschichte

dieses nicht mehr nachvollziehen.

Die drei Steinkreise, die unweit von Güstrow gefunden worden sind, beschreiben einen Steinkreise aus

je neun Steinen von l,2 Meter Höhe. Die Verbindungslinie zweier dieser Kreise liegt in der Nord-

Südrichtung. Verbindet man drei bevorzugte Orte dieser Kreise ergibt sich, dass diese den nach dem

Aufgangs - und Untergangspunkt des Mondes orientiert sind. Diese Linien wurden aber nicht

willkürlich gewählt. Es sind genau die Linien, die der Mond während seines Auf- bzw. Unterganges

einnimmt, wenn der Mond seine größten Extremen (+/- 29°) - Auf- und Untergang- bzw. seine kleinsten

Extreme (+/- 19°) zeigt. Es hat sich weiter gezeigt, dass diese Linien nur l° von den berechneten

Azimuten für die Zeit 1800 v.u.Z. abweichen.

Der Hauptteil der Anlage besteht aus fünf Trilithen (l) von 7 m Höhe, die jeweils paarweise überdacht

sind und von einem Steinkreis umgeben werden, die wiederum aus überdachten Steinsäulen besteht.

Jede der 30 Säulen dieses sogenannten Sarsenkreises (2) ist 5 m hoch. Der Sarsenkreis entstand

ca.1600 v.u.Z., während die weiter innen liegenden Kreise ca. 150 Jahre älter sind. Die weiter innen

liegenden Kreise, die aus sogenannten Blausteinen bestehen, sind gleich alt mit dem kreisförmigen

Wal l(4), der die gesamte Anlage umschließt. Vor der Öffnung des Walls befindet sich eine angelegte

Straße (5), die in nordöstlicher Richtung verläuft. Der Wall verläuft noch ca. 500 m entlang dieser

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Straße. Der innere Wall wird von 56 Löchern (6), ehemaligen Feuerstellen, abgeschlossen, die ca. l m

tief sind. Innerhalb des inneren Kreises sind vier Punkte (I bis IV) markiert, die ein gleichschenkliges

Viereck bilden Der Kreuzungspunkt dieses Vierecks ist der Mittelpunkt der gesamten Anlage. Auf der

schon bezeichneten Straße befindet sich 79 m vom Mittelpunkt entfernt, ein Stein (7), der als

Heelstone bezeichnet wird. Gräben (8) deren Endpunkt kleine Hügel bilden, umziehen die Anlage.

Zahlreiche Wissenschaftler bemühten sich, das Rätsel um die Steinbauten von Stonehenge zu klären.

Als der englische Astrophysiker erstmals im Jahre 1906 Sir Joseph Nonnan Lokkyer vermittels

astronomisch - geodätischer Vermessungen Gewissheit über das Geheimnis um Stonehenge erlangen

wollte, stellte er fest, dass die Vorzugsrichtung der gesamten Anlage vom Mittelpunkt zum Heelstone

(Fersenstein) mit der Nordrichtung einen Winkel von 51,23° bildet. Diese Richtung entspricht genau

der Richtung, in der die Sonne zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende aufgeht. Auch ließen sich die

Punkte finden, die mit dem Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende und mit dem Auf- und

Untergang der Sonne zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende zusammen liegen.

Allen Völkern, für die die Erforschung des Himmels für eine Kalenderberechnung gesellschaftlich

notwendig war, ist gemeinsam, dass sie nicht nur die Bewegung der Fixsterne beobachteten, sondern

auch dass sie indem sie die Sonnenbahn beobachteten, die Sonnenbahn mit Ihrer Sommer- und

Winterwende kannten. Ob wir nun die Anlage von Stonehege oder die Anlage auf der Insel Tongatapu

auf Tonga betrachten, immer ergibt sich jenes gleiche Bild, dass von der Beobachtung der Tag- und

Nachtgleichen bzw. von den Zeitpunkten der Sommer- und Wintersonnenwende ausgegangen wird.

So war man, unabhängig von den Hochkulturen jener Zeit, schon veranlasst, astronomische

Beobachtungen zu betreiben und auszuwerten, so wie sie das Zusammenleben und die Existenz der

jeweiligen Gesellschaftsordnung forderten. Und wiederum erkennen wir, dass eine mystische Welt im

Glauben an die Gestirne, indem sie als Gottheiten geehrt wurden, abhängig sind von den Bedürfnissen,

die das Leben selbst fordert.

Aber wenn wir auf die Anfänge der Kalenderrechnung schauen, so haben wir noch nicht definiert,

woher unsere heutige Kalenderrechnung eigentlich kommt.

Wir stellen fest, dass die europäische Zeitzählung auf den Einfluss verschiedener Religionen

zurückgeht. Sicher stand hier die Vermischung germanischer Kulte mit römischen religiösen

Anschauungen Pate. Daneben ist die römische Kultur natürlich vom Einfluss der hellenistischen Epoche

geformt. So entstand z. B. die Formierung der Monate und Wochentage. Während der Monat Mai

wahrscheinlich auf die Götter Janus oder Mars zurückgeht, erinnern die Wochentage auch an

germanische Gottheiten. Der Sonntag entspringt der lateinischen Bezeichnung „dies solis“, Sonne,

während der Montag für den Mond steht (lat. dies lunae). Der Dienstag wurde nach dem germanischen

Gott Tyr (Tyr, althochdeutsch Ziu, verwandt mit dem griechischen Gott Zeus), dem Gott des

germanischen Rechts benannt. Für den Mittwoch ist keine weitere Bezeichnung bekannt, nur dass er

die Mitte der Woche festlegt. Donar, der germanische Kriegsgott, steht für den Donnerstag und der

Freitag ist der germanischen Göttin der Liebe, Freya, geweiht. Schließlich ist es noch der Samstag, der

auf den hebräischen Sabbat zurückgeht.

Nun geht unser Kalender, der nun in der Welt maßgebendes Element ist, auf die Römische

Zeiteinteilung zurück. Der römische Kalender jedoch beruhte auf den ägyptischen Kalender. Als 238

v.u.Z. Ägypten von der Dynastie der Ptolemäer beherrscht wurde, schlug der Monarch Ptolemäus III.

20

Euergetes ( Wohltäter; um 280 bis 221 v.u.Z.) vor, das Sothis - Jahr der Ägypter nach einem Zeitraum

von vier vergangenen Jahren durch Einfügung eines sechsten Tages (29.Februar) zu ergänzen. Jedoch

fasste diese Verordnung keinen Fuß, denn über 25 Jahrhunderte kam die ägyptische Priesterschaft

ohne diese Einfügung aus. Erst als Ägypten unter römischer Vorherrschaft stand, war es der

Staatsmann und Feldherr Galius Julius Cäsar (100 bis 44 v. Chr.) der diesen Tag einzufügen befahl und

damit der ägyptischen Kalenderreform die Anpassung an die astronomischen Beobachtungen

gestattete. Nun war es aber nicht Cäsar selbst, der das Wissen und die Idee hatte, den altägyptischen

Kalender zu verbessern. Obwohl die Einfügung eines zusätzlichen Tages alle vier Jahre verfügt war,

brauchte es noch einiger Zeit, ehe der Kalender durchgesetzt war. Der eigentliche römische Kalender

fußte auf die Zählung von 355 Tage für ein Jahr. Die Kluft zwischen den römischen Kalender und der

realen Beobachtung betrug über zwei Monate. Erst auf Rat des griechisch-ägyptischen Astronoms

Sosigenes wurde das Jahr 46 v .Chr. das entscheidende Jahr für eine Kalenderreform. So hatte das Jahr

46 v. Chr 445 Tage, indem 23 Tage an den Februar angehängt wurden. Weitere 67 Tage wurden

zwischen den Monaten November und Dezember eingeschoben. Dieses „Jahr der Verwirrung“ war die

eigentliche Reform des ägyptisch-römischen Kalenders, denn nun stimmte der Kalender mit den

Jahreszeiten wieder überein und sollte von nun an unter Einfügung eines zusätzlichen Tages nach

einem Zeitraum von vier Jahren (Schaltjahr) auch so bleiben. Der julianische Kalender war geboren.

16 Jahrhunderte vergingen und der julianische Kalender hatte immer noch Bestand, obwohl das

römische Reich längst nicht mehr existierte. Nun muss man jedoch feststellen, dass der christliche

Kalender, als unmittelbar übernommener römischer Kalender Eigentümlichkeiten aufzeigt, die mit der

römischen Kalenderzählung nicht im Einklang stehen. Die christliche Religion hervorgegangen aus dem

jüdischen Kulturkreis, hatte bestimmte heilige Rituale dem jüdischen Kalender entnommen. Der

jüdische Kalender hatte jedoch die babylonische Mond-Sonnen-Zeitrechnung zur Grundlage. Das

Weihnachtsfest und die Heiligentage waren festgelegte Tage nach dem jüdischen Kalender, daneben

kamen noch bewegliche Feste hinzu. So fällt das Osterfest mit dem Passahfest der Juden zusammen.

Schließlich wurde das Osterfest auf dem 325 n.Chr. stattfindenden Konzil zu Nicäa auf den ersten

Sonntag nach dem ersten Vollmond folgend auf den 21. März (Frühjahrs-Äquinoktium) festgelegt.

Auch die Festlegung der Sieben-Tage-Woche rührt von der altjüdischen Glaubensauffassung her. Diese

Wocheneinteilung ist nun eine auf Glaubensrituale eingefügte künstliche Erscheinung, die nichts mit

der Mond- oder Sonnenbeobachtung gemein hat. So scheint es nur ein relativ kleiner Kulturkreis zu

sein, der das Jahr in Bezug auf Wochentage definiert Die Polynesier z.B. kannten keine Wochentage,

denn ihre Zeiteinteilung war rein astronomisch. Doch auch der julianische Kalender war nicht

fehlerfrei. Obwohl alle vier Jahre ein Schaltjahr eingefügt war (29. Februar), stellte man fest, dass alle

128 Jahre ein Tag gewonnen wurde. Im 16. Jahrhundert ging der julianische Kalender schon um 13

Tage vor der Sonne her. Während dem einfachen Volk wohl dieses Vorgehen nicht auffiel, so fiel doch

diese Ungenauigkeit der christlichen Kirche sehr wohl auf, die kirchlichen Feste fielen auf die falsche

Jahreszeit.

Als 1582 der Papst Gregor XIII. (1502 bis 1582) seine neue Kalenderreform verkündete, brach die

katholische Kirche einmalig ein Dogma und passte die Zeit den astronomischen Beobachtungen an.

Auf Rat des italienischen Physikers und Astronomen Alois Lillus (um 1510 bis um 1579) und des

deutschen Mathematikers, dem Jesuiten Christopf Clavius (1537 bis 1612) wurde nun das Jahr um 10

Tage verkürzt. Im Verlaufe von vier Jahrhunderten wurde dann das Schaltjahr fallen gelassen. Danach

ging die als gregorianische Kalender, bezeichnete Zählweise der Jahre so genau, dass innerhalb von

3323 Jahren erst ein Tag Unterschied zur astronomischen Beobachtung aufkommt. Während

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folgerichtig die zu diesem Zeitpunkt europäischen regierten katholischen Länder diese Korrektur sofort

annahmen, war es nicht verwunderlich, wenn die gerade reformierten evangelischen Länder auf

dieses, wie es schien katholische „Dogma“ nicht reagierten. Über kurz oder lang schlossen sich die

evangelisch regierten Länder aus wirtschaftlichen und anderen Erwägungen aber doch dem neuen

logischen System an. England zum Beispiel kam dieser neuen Reform erst 1752 nach, der alte

julianische Kalender ging zu diesem Zeitpunkt dem Gregorianischen schon um 11 Tage voraus. Zuletzt

war es das orthodoxe Russland, welches auf Grund seines Bruchs durch die orthodoxe Kirche mit Rom,

geschehen schon vor der Reformation in Mitteleuropa, sich dem neuen Kalender anpasste. Hier war

es nicht die Kirche selbst, die diese Reform einleitete, sondern es war das Ergebnis der sozialistischen

Oktoberrevolution, die mit dem alten Staat und der Kirche brach und demzufolge die neue

Kalenderzählung einführte. Im Jahre 1918 ließ die russische Oktoberrevolution einfach 13 Tage

ausfallen und der Kalender stimmte mit dem europäischen überein.

Natürlich verfügten auch die Araber über eine Kalenderrechnung. Es war der Mond-Sonne-Kalender,

der hier immer wieder korrigiert wurde. Als der zweite Kalif in der Nachfolge Mohammeds, Kalif Omar

I. (592 bis 644, Kalif seit 634) aus irgendeinem heute nicht mehr nachzuvollziehenden Grund diesen

Sonne-Mond-Kalender abschaffte, wurde gleichzeitig ein nur nach dem Mond ausgerichteter Kalender

eingeführt. Die religiösen islamischen Feste verschieben sich somit durch das ganze Jahr hindurch.

Heute ist dieser Kalender für den Islam immer noch bindend, die staatlichen Angelegenheiten werden

jedoch nach dem westlichen Kalender geregelt.

Der Kalender (lat. calendae, der erste Tag im Monat) Ist somit eine Einteilung der Zeit durch

Zusammenfassung von Vielfachen des Sonnentages. Die natürlichen germanischen Zeiteinheiten

Monat und Jahr sind nicht ganzzahlige Vielfache des Sonnentages, daher ergeben sich unterschiedliche

Möglichkeiten für die Zeiteinteilung. Das Jahr ist die Zeitspanne, die die Erde für einen Umlauf um die

Sonne benötigt. Dieses astronomische Sonnenjahr lässt sich an Hand von verschiedenen

Bezugspunkten bestimmen. Man unterscheidet das sidirische Jahr mit dem Zeitraum zweier

nachfolgender Durchgange der Sonne durch denselben Punkt der Ekliptik (beliebiger Stern). Es beträgt

365d 6h 9 min 9s; das tropische Jahr mit dem Zeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden

Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt. Es beträgt 365d 5h 48min 46s und das anomalische

Jahr mit dem Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden Durchgängen der Sonne durch den

sonnennächsten Punkt der Erdbahn.

Für die Kalenderrechnung wird das tropische Jahr verwendet.

Der Julianische Kalender zählt sich zu 1461,0000 Tagen in vier Jahre, während vier tropische Jahre

1460,9688 Tage zählen. Demzufolge muss das Julianische Jahr mit 365 Tagen und 6 Stunden zu kurz

sein. 6 Stunden machen in vier Jahren einen Tag aus. Deshalb schaltet man jede vier Jahre einen

zusätzlichen Tag, den 29 Februar ein.

Der Gregorianische Kalender berücksichtigt nun den sich auftuenden Rest von 11min und 14s. Indem

dieser Rest durch 24 Stunden geteilt wird, ergeben sich 128,189911 Jahre. Das heißt, es müssen 128

Jahre vergehen und der julianische Kalender geht dem gregorianischen Kalender um einen Tag voraus.

Der Gregorianische Kalender behebt diesen Fehler, indem man nachfolgender Regel verfährt: Alle

Jahre, deren Jahreszahl durch 4 ohne einen Rest teilbar ist, sind Schaltjahre. Hier wird der 29. Februar

eingefügt. Aber alle vollen Jahrhunderte, bei denen die Jahreszahl nicht ohne Rest durch 400 teilbar

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ist, sind keine Schaltjahre, sondern Gemeinjahre. So sind 1800, 1900, 2100 Gemeinjahre. 1988, 1992,

1996, 2000, 2004, 2008, 2012, 2016 usw. sind Schaltjahre. Es dauern 400 tropische Jahre 146096,88

Tage.

Es dauern 400 Gregorianische Kalenderjahre 146097,00 Tage. Der kleine verbleibende Rest kann für

die nächsten Jahrtausende vernachlässigt werden.

Für die Astronomie gilt das sogenannte Julianische Datum. Dieses Datum ist zur Berechnung der

Epherimiden (scheinbare Gestirnsörter) von entscheidender Bedeutung. Er unterscheidet sich

dadurch, dass er von einem willkürlich festgesetzten Tag die vergangenen und die kommenden Tage

durchgängig zählt. Der festgelegte Tag ist der 01.01.4713 vor unserer Zeitrechnung. Nach dieser

Zählung entspricht

nach dem gregorianischen Kalender das julianische Datum

01.09.1980 2444484 Tage

01.01.1990 2447893 Tage

01.01.2300 2451545 Tage

(Genaue Angaben und Tabellen zur Berechnung des Julianischen Datums befinden sich im Abhang

dieses Buches.)

Der jüdische Kalender zählt sich nach dem gebundenen Mondjahr. Das freie Mondjahr umfasst 12

Monate zu abwechselnd 29 und 30 Tage. Das sind 354 Sonnentage. Es ist somit 11 Tage kürzer als ein

Sonnenjahr. Der Jahresbeginn durchlauft alle Jahreszeiten. Fügt man alle drei Jahre nun einen Monat

von 30 Tagen ein, so ergeben sich für einen Zeitraum von drei Jahren 1092 Tage, aus (354 Tage x 3

Jahre) + 30 Tage = 1092 Tage. Drei tropische Jahre sind jedoch 1095,7266 Tage. Der jüdische Kalender

bleibt somit dem tropischen Kalender um 3,7266 Tage, das ist 1,2422 Tage jährlich zurück.

Der ägyptische Kalender gliederte sich ursprünglich nach den Erfordernissen der Landwirtschaft. Er

umfasste 12 Monate zu 30 Tagen und fünf zusätzliche Tage am Jahresende. Somit zählte es sich zu 365

Sonnentagen. Es gab drei Jahreszeiten. So die Monate der Überschwemmung, die Monate des

Wachstums und die Monate der Hitzezeit. Der ägyptische Kalender blieb somit den tropischen Jahr um

einen viertel Tag zurück, in vier Jahren um einen Tag. Der heliaktische Aufgang des Sirius wanderte

somit durch das Jahr. Erst im Jahr 238 v.u.Z. wurden alle vier Jahre statt fünf sechs Tage zusätzlich

gerechnet. Der ägyptische Kalender stimmte dann mit dem Sonnenjahr überein.

Der babylonische Kalender rechnete ab dem 2. Jahrhundert v.u.Z. mit dem sogenannten

Lunisolarjahr mit 12 oder 13 Monaten Dauer. Das Jahr begann zum Zeitpunkt der Tag- und

Nachtgleiche, wobei jedoch der Jahresanfang auf Grund der wechselnden Jahreslänge von 13 bzw. 12

Monaten schwanken musste. Dieses Lunisolarjahr hatte einen Zyklus von 19 Jahre. 12 Jahre. Davon

hatten je 12 Monate, während die restlichen 7 Jahre mit je 13 Monaten berechnet wurden. Diese

Einteilung beruhe auf die Grundlage, dass 235 synodische Monate recht genau 19 tropischen Jahren

gleichkamen. Eine geringe Abweichung von 124,7 min machte auch diesen Kalender recht genau. Die

Korrekturen wurden jedoch nicht mit der Rechnung (12 x 12) + ( 7 x 13) = 235 Tage ausgeglichen,

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sondern durch Beobachtungen des Aufgang bestimmter Sterne ausgeführt. Die Sterne wanderte auf

drei Wegen, dem „Enlil“, dem „Anu“ und dem „Ea“ - Weg. Bezugskreis dieser Wege war der Äquator.

Im Frühling und im Herbst wanderte die Sonne im Anu - Weg , das ist Breite bzw. Sonnendeklination

von 15° nördlich bis 15° südlich des (Himmels)äquators. Im Sommer wanderte sie dann im Enlilweg,

das ist der Weg nördlicher als 15°Nord des Himmelsäquators. Schließlich wanderte die Sonne dann im

Winter im Eaweg. Dieser Bereich verlief südlicher als 15°Süd des Himmelsäquators. Den Babyloniern

war also bekannt, dass sich die Sonne während des Jahres auf einer gegen den Äquator geneigten Bahn

bewegt.

Der Kalender der Azteken glich der Kalenderführung anderer mittelamerikanischer Völker. Dieser

Kalender bestand aus einen riesigen Stein. Der Sonnengott, in die Mitte des Steins gesetzt, umgeben

vier in Katastrophen untergegangene Sonnen. Als nächster Kreis folgt eine Darstellung aus 20 Feldern.

Je ein Feld stellt ein Tag dar. Mit fünf Punkte werden weitere fünf Tage angedeutet. Es sind fünf Tage

der Menschenopfer für den Sonnengott. Damit hat dieser Kalender 18 Monate zu je 20 Tagen zuzüglich

fünf weiteren Tagen, gleich 365 Tage.

Der Maya-Kalender, ebenso mit den Kalendern anderer mittelamerikanischer Kulturen verwandt,

höher entwickelt, als der z. B. aztekische Kalender. So wurde die Zeitrechnung durch die

Vervielfältigung von 20 erweitert. Die Maya rechneten

23 x 18 Tage = 360 Tage = l tun

20 x 360 Tage = 7.200 Tage = l katun

20 x 7200 Tage = 144.000 Tage = l baktun (usw.)

Da ein tun jedoch nur mit 360 Tagen veranschlagt war, musste, wenn lange Zeiträume zurückgerechnet

werden sollten, jeweils noch kleiner Korrekturbetrag hinzugefügt werden. Hier beginnt das Einmalige

dieser Kalenderrechnung. Die Maya kannten die Korrektur, die sie anzubringen hatten, denn

Nachrechnungen ergaben, dass die berechneten Daten tatsächlich des Sonnenjahr zu 365 Tagen

ausdrückten. So erhielten sie das rechte Maß eines Zeitabschnitts, indem sie dem Doppelcharakter der

durch zwei Götter vertretenen Tage aufrechneten. Einmal wurde die Zählung der Tage nach den

herrschenden Gott eines tuns von 20 Tagen und daneben des anderen herrschenden Gottes des Katuns

von 360 Tagen vorgenommen. Unter Berücksichtigung der Stellungen von Mond, Venus und anderen

Planeten ergab sich dann der Korrekturwert. Nach der einen Art der Mayakalender , dem sogenannten

Tzolkin, waren es 260 Tage, aufgegliedert in 13 Monaten zu je 20 Tagen, die das Jahr zählte und nach

dem anderen Kalender zählte das Jahr 18 Monate zu ebenfalls 20 Tagen, zu denen aber noch fünf

zusätzliche Tage hinzugefügt wurden. So kam man dann auf die 365 Tage für das Jahr. Schaltjahre

wurden dann eingefügt, wenn der Rechnungsstand nicht mehr mit dem astronomischen beobachteten

Stand übereinstimmte. So bestand jeder Tag aus einen Doppelnamen, der genau den Gott eines tuns

und den Gott eines katuns enthielt und dessen Zusammentreffen sich erst nach einer Zeitspanne von

52 Jahren wiederholte. Mit Hilfe von genauen Venusbeobachtungen, die über Jahrhunderte

durchgeführt worden sind, wurde der Kalender korrigiert. Es ergab sich z. B. für eine berechnetet

Zeitspanne von 481 Jahren nur eine Abweichung von 0,08 Tage, das sind 1h 55min und 12s zum

heutigen astronomischen Jahr. Der Mayakalender zog alle drei großen astronomischen Bewegungen

heran: die tägliche Erdrotation, den Mondumlauf und das Sonnenjahr. Unbestreitbar ist hier eine

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kulturelle Leistung sichtbar, die Geschichte einmalig ist und erst heute mit modernen Methoden der

Kalenderberechnung wiederholbar geworden ist.

Nun gab es neben den hier aufgezeigten Kalendertypen auch noch die des indischen und chinesischen

Kulturkreises. Der chinesische Kalender des Liu Hsin teilt sich als ein „Drei – Zyklen – Kalender“. Das

alte China verwendete einen ähnlichen Kalender, wie die Babylonier. Sie benutzten das Lunisolarjahr

und einen 19jährigen Zeitzyklus. Auch hier wurde der Himmel ständig beobachtet.

Der indische Kalender zeichnet sich durch den Umgang mit großen Zeiträumen aus. 360 Jahre

wurden zu einen Jahr der Götter zusammengefasst. 1200 dieser Götterjahre ergaben dann das Große

Jahr. 1000 Große Jahre sind einem großen Tag, dem Tag des Brahma, gleichzusetzen. Danach sollte

eine genauso lange Nacht folgen. Unter Zuhilfenahme des Jahres zu 365,25 Tagen wäre ein Brama -

Tag dann 1,57788 Tage bzw. 4.320.000.000 Jahre lang. Diesem Brama - Tag sollte dann eine ebenso

lange Nacht folgen.

Der polynesische Kalender war ein rein auf die Monatsphasen ausgerichteter Kalender. Es bleibt

jedoch anzunehmen, dass das Kennen der Tag- und Nachtgleichen bzw. der Zeitpunkte der

Sonnenwenden auch den Kalender in irgendeiner Form beeinflusst hat. Das Jahr selbst benannte sich

Tau und nahm Bezug auf den Anbau der Yamswurzel. So haben auch sicherlich die Zeichen des

Himmels den Beginn, den Verlauf bzw. das Ende bestimmter Handlungen dieser Ureinwohner

richtungsweisende Zeichen gesetzt.

Bezeichnend für fast alle Kalendersysteme ist immer wieder, dass der Einfluss der Tag- und

Nachtgleichen bzw. der Winter- und Sommersonnenwende beachtet wurde. Oder drücken wir es

anders aus: Ob nun mit der Anlage von Stonehenge oder dem Trilithon auf der Insel Tongatapu, immer

wieder haben die Völker vermittels geeigneter Anlagen die Auf- und Untergänge der Gestirne zum

Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleichen bzw. zum Zeitpunkt der Sonnenwende festgehalten. Nun

unterteilt sich das Jahr nicht nur in Tage, sondern auch in Stunden(h), Minuten (min) und Sekunden(s).

Blicken wir noch einmal nach Ägypten in die Zeit im Jahr 2000 v.u.Z. und betrachten wir uns die

Inschriften die in dieser Zeit hergestellten Sargdeckel der Könige. Uns wird auffallen, dass dort

Inschriften zu finden sind, die in Listen von Sternbildern ihren Ausdruck finden. Solche Listen werden

als Dekane bezeichnet um geben den Zeitpunkt wieder, wann die Sterne erste Mal über den Horizont

kommen. Genau an 36 Sternen bzw. Sternbildern ist hier aufgezeigt, wie danach die Bestimmung der

Jahreszeit berechnet werden konnte. Auch besaßen die ägyptischen Astronomenpriester so die

Möglichkeit mit Hilfe verschiedenen Stellungen der entsprechenden Dekane am Himmel die

Nachstunde zu bestimmen. Die Dekane liegen alle südlich der Ekliptik in einem Gürtel. Vom ersten

Aufgang eines Dekans bis zum ersten Aufgang des folgenden Dekans vergehen genau 10 Tage. Das Jahr

konnte man so in 36 Wochen zu je 10 Tagen gliedern. Weil nun gleichermaßen innerhalb einer Nacht

12 Dekane aufgehen, ließ sich die Nacht in 12 Teile (12 Sternstunden) teilen. So kam die Stunde auf.

Diese Einteilung des Himmels nach Dekanen ist auch sehr bald bei den Babyloniern zu finden. Sie

stellten übrigens auch als erstes fest, dass der Abendstern und der Morgenstern ein identischer Stern,

die Venus ist. Die Venusbeobachtungen wurden mit so einer Feinheit und Genauigkeit ausgeführt, dass

sogar die Zeitfolgen des Aufgang am Abend- bzw. am Morgenhimmel bekannt waren. Um diese

Gesetzmäßigkeit zu finden, hat man z. B. eine Beobachtungsreihe für einen langen Zeitraum erstellt.

Schon die Sumerer kannte eine Tageseinteilung. Da das sumerische Jahr aus 12 Monaten zu je 30 Tagen

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bestand, so rechneten sie diese Teilung weiter auf und teilten den Tag in 12 danna. (vergleichbar mit

Stunden) zu je 30 ges (vergleichbar mit Minuten). Ein danna bestand somit aus 2 Stunden zu 30 ges,

gleich je ges 4 min.

1 Jahr 12 Monate

1 Monat 30 Tage

1 Tag 12 danna

1 danna 30 ges

1 danna entsprechen 2 Stunden = 120 Minuten

1 ges entsprechen 4 Minuten

aus: 1 Tag = 12 danna = 24 Std.

30 ges x 12 danna = 360 ges 60 Min. x 24 Std. = 1440 Min.

360 ges = 1440 Min.

min 4ges 360

min 14401 ==ges

Besonders auffallend ist die Errechnung der Zahl 360, die heute noch für den Vollkreis 360° steht und

die Basis der nautischen Längenberechnung bzw. der astronomischen Zeitrechnung ist. In diesem

Zusammenhang müssen nochmals die Babylonier erwähnt werden. Bekannter Weise haben die

Babylonier große Teile der Kultur der Sumerer übernommen und weiterentwickelt.

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Als Wurzel unserer europäischen Stunde gilt das ägyptische Stundensystem. Das ägyptische Wort für

Stunde ist zugleich das Wort für „Aufgabe des Priesters“. Die ägyptischen Priester waren auch

gleichzeitig als „Stundenwächter“ bzw. „Sternbeobachter“ zu sehen. Die Bedeutung dieser Worte

hängt mit den ägyptischen Begriff für die Stunde eng zusammen. Die Tagesstunden hingen vom

Voranschreiten des Sonnengottes Ra am Taghimmel ab. Die Tagstunden wurden von l bis 10 gezählt,

wobei noch jeweils eine Stunde für die Morgen- und Abenddämmerung hinzukam. Zusammen mit den

Nachtstunden hatte der Tag somit 24 Stunden. Natürlich mussten entsprechend der Länge des

Sonnentages auch die Tagstunden ungleich lang ausfallen. Eine Vereinfachung dieser Zeiteinteilung

ergab sich gleichlaufend mit Aufkommen der mechanischen Uhren (Klepsydren, Wasseruhren), die die

Sonnenuhren nach und nach ablösten. Als erste Kultur führte der mittelalterliche Islam eine

Stundeneinteilung ein, in der die Stunden gleichlang waren. Jedoch sollte noch lange Zeit vergelten,

bis auch Europa und dadurch die übrige Welt ihr Zeitmaß in gleich langen Stunden einteilte.

Uns ist .heute klar, dass in früheren Zeitepochen die praktische Bedeutung der Zeit für das tägliche

Leben nicht in einer präzisen Zeitformulierung lag. Dafür bestand auch keine gesellschaftliche

Notwendigkeit. Heute hängt das tägliche Leben von der Minutenorientierung ab. Fahrpläne der Bahn,

des Flugverkehrs bedürfen heute dieser Notwendigkeit. Sogar die Sekunde ist heute entscheidend,

wenn wir an Nachrichtenkommunikation oder computergesteuerte Systeme denken Und noch kleiner

wird das Zeitmaß, wenn es um die Auswertung elektromagnetischer Wellenimpulse in der GPS Ortung

oder der Radartechnik geht. Hier genügt nicht einmal mehr die Länge einer Zeitsekunde. Das Leben in

früheren Zeiten bedurfte dieser genauen Zeiteinteilung nicht. Hier genügte die Einteilung nach

Angaben Abend, Morgen, Mittag usw. Der Gebrauch der Stunden und kleinerer Einteilungen (Minuten)

war den Astronomen und Zeitrechnern vorbehalten. Beispielsweise wurde noch im alten Rom mit den

Angaben ante meridiem (vor dem Mittag) und post meridiem (nach dem Mittag) der Tag geteilt. Der

Morgen wurde durch das Wort mane und der Abend durch das Wort suprema dies ausgedrückt. Diese

grobe Zeiteinteilung regelte hinreichend die römischen Belange.

Doch es begab sich, da schlug ein Donnerblitz ins mittelalterliche Wissen ein. Kopernikus stellt

das Weltbild auf den Kopf und die Sonne steht still. Es dreht sich die Erde und alle Planeten. Keplers

kosmische Symphonie erklingt und der Mensch ist geheißen, einem gleich großen Kepler zu folgen.

Newton erscheint und nennt die Quelle dieses sich drehenden, pulsierenden und evolutionierenden

Kosmos’. Schach Matt dem König der starren Welt, Europa wacht auf und schaut sich um in der Welt.

Europas Macht geht nach Übersee und treibt große Kriege durch die Welt und weiter noch als Platons

philosophische Idee reicht der Geist der Europäer, der alles überrennt und überholt, um sich zu finden

in heutiger Zeit. Die Aufklärung schickt seine Vorkämpfer hinaus. James Cook entdeckt die Welt und

Daniel Defoe schreibt „Robinson Crusoe“.

Die Erde besteht zu sieben Teilen aus Wasser und zu drei Teilen aus Land. Das Land besteht aus großen

Inseln, die sich Kontinente nennen. Ein Kontinent heißt Amerika. Hier leben Menschen, die von

anderen Menschen den Namen Indianer erhielten. Diese Namensgebung war eine historische

Verwechslung, weil man im 15. Jahrhundert die Welt nicht kannte. Menschen, die zum ersten Mal von

dem Kontinent Europa kommend, ihren Fuß auf diesen anderen Kontinent setzten, dachten sie wären

in Indien gelandet. Nachdem die europäischen Menschen den indianischen Menschen erfolgreich ihr

Land weggenommen hatten, bauten sie Städte und nannten sich selbst Amerikaner. Eine dieser Städte

heißt Washington. In Washington gibt es irgendwo einen Bergabhang, Auf diesem Bergabhang

befindet sich ein kleines, fensterloses, quadratisches Häuschen. In diesem Häuschen befindet sich ein

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Teleskop, das genau senkrecht nach oben ausgerichtet ist. Dieses Gerät wird als Photografic Zenith

Tube (fotografisches Zenitteleskop), abgekürzt PTZ bezeichnet. Es gehört dem United States Naval

Observatory. Aufgabe des PTZ ist es, die Positionen der Zenitsterne zu fotografieren und damit die

Dauer einer Erdrotation festzustellen. In Verbindung mit einer Kontrolluhr erfolgt so der Vergleich der

mittleren Sonnenzeit mit der wahren Sternzeit. Die Kontrolluhr wird durch die gleichmäßigen

Schwingungen des Cäsiumatoms gesteuert und nennt sich Atomuhr.

Man misst einfach die Dauer von 9192631770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen

den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes des Atoms Caesium 133 entspricht und die

gleichmäßige Zeitsekunde ist definiert. So einfach ist es heutzutage, sich über eine Standardzeit zu

einigen. Ganz nebenbei vollzieht die Erde ihre Bewegungen um die Sonne. Die jährliche Bewegung um

die Sonne (Revolution), die tägliche Bewegung um ihre Achse (Rotation), die Präzession und die

Nutation. Denn die eigentliche Zeitmessung ist eine astronomische und beruht auf die Bewegung der

Erde und der damit verbundenen scheinbaren Bewegung der Gestirne. Wozu braucht man sonst wohl

die Kontrolle der Atomzeit nach den Sternen?

Denn die Sonne bewegt sich mit ungleichförmiger Geschwindigkeit auf der Ekliptik und ist für eine

gleichmäßige Zeitmessung nicht geeignet. Man bedient sich deshalb zur Zeitmessung einer mittleren

Sonne, die mit einer mittleren Geschwindigkeit im Äquator durchläuft. Der Zeitwinkel der Sonne ist

somit der sphärische Winkel am Pol vom unteren Meridian bis zum Stundenkreis der Sonne. Es

entsteht die Zeitgleichung.

Zur Zeitmessung sind zwei Bezugspunkte notwendig. Zum Ersten ist es der Greenwicher Meridian

(Nullmeridian) oder ein anderer benannter Ortsmeridian. Zum Zweiten ist es der Frühlingspunkt oder

ein ausgewählter Fixstern. Der Frühlingspunkt (), als ein festgelegter rechnerischer Punkt am

Fixsternhimmel, ist an der Himmelskugel nicht sichtbar. Er liegt auf dem Kreuzungspunkt der Erdbahn

mit dem Himmelsäquator.(Frühlingsanfang) Zur Zeitmessung wird deshalb ein sichtbarer Fixstern

bevorzugt, wobei der Abstand des ausgewählten Fixsternes zum Frühlingspunkt hinzugefügt wird.

Es wird nun genau die Zeit gemessen, die der Nullmeridian aufgrund der Achsendrehung der Erde

benötigt, um an den im Raum feststehenden Frühlingspunkt oder an einen ausgewählten Fixstern

vorbeizukommen. Dieser Vorgang wird als Durchgang bezeichnet. So bezeichnet man die Zeitspanne

eines Tages durch zwei nachfolgende Durchgänge des Nullmeridians durch den Frühlingspunkt

(Fixstern). Hierbei vergeht eine Zeit von 24h 00 min 00s. Diese Zeitmessung wird als Sterntag

bezeichnet. Durch den Begriff Kulmination wird der Ort eines Gestirns (Sonne, Mond, Planet, Fixstern)

in Bezug auf den Horizont bezeichnet, zu einem Zeitpunkt bei dem es am höchsten über einen

Beobachtungsort auf der Erde steht. Ein Tag ist somit die Zeitspanne zweier Kulminationen des

Frühlingspunktes oder eines Fixsterne von einem Beobachtungsort der Erde aus. Bezieht sich die

Zeitmessung auf einen Fixstern, so wird diese Zeitmessung als Sterntag bezeichnet. Die Astronomie

richtet sich nach dieser Zeitmessung.

1 Sterntag = 24h Sternzeit = 23h 56 min 4,1s Sonnenzeit

1.Sonnentag = 24h Sonnenzeit = 24h 3 min 56,6s Sternzeit

Seit alters her regelt sich die Zeitmessung in der menschlichen Gesellschaft jedoch nach der Sonne. Ein

Sonnentag entspricht der Zeitspanne zwischen zwei Kulminationen der Sonne. Da das Tagesdatum um

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Mitternacht wechselt, ist die Sonnenkulmination nicht auf den Nullmeridian, sondern auf dem

einhundertachsigsten Längengrad bezogen. Der Längengrad 180° wird deshalb auch als Datumsgrenze

bezeichnet. Bezieht man die Zeitmessung auf die Sonne, so muss beachtet werden, dass sich die Erde

erstens in 24 Std. einmal um sich selbst dreht (Rotation) und gleichzeitig im Laufe eines Jahres auf einer

Ellipsenbahn einmal um die Sonne läuft (Revolution). Betrachtet man die Erde als stillstehend, so kann

man von der scheinbaren täglichen und von der scheinbaren jährlichen Bewegung der Sonne um die

Erde sprechen. Die Sonne führt also eine scheinbare Doppelbewegung aus, die beachtet werden muss.

Würde die Sonne keine scheinbare jährliche Bewegung haben, würde die Zeitmessung bezogen auf die

Sonne mit der Zeitmessung bezogen auf den Frühlingspunkt übereinstimmen. Der Sterntag wäre gleich

lang dem Sonnentag. Jedoch summiert sich die scheinbare jährliche Bewegung der Sonne mit der

scheinbar täglichen Bewegung der Sonne. Und tatsächlich fällt ein Sonnentag um 3 min 56s länger aus,

als ein Sterntag. Er ist 24h 03 min 56s lang. Die Zeitspanne dieser scheinbaren Gesamtbewegung der

Sonne wird als wahre Sonnenzeit bezeichnet.

Ein weiteres Merkmal der scheinbaren Bewegung der Sonne ist die verschiedene Geschwindigkeit der

Erdkugel auf ihrer Jahresbahn um die Sonne Die Erde umläuft mal schneller, mal langsamer die Sonne.

Diese Veränderlich bewirkt unterschiedliche Zeitlängen eines Tages. Mit einer gleichförmig gehenden

Uhr gemessen bedeutet dies, dass der Sonnentag mal etwas kürzer und mal etwas länger wird. Um

diese Besonderheit auszugleichen, hat man den mittleren Sonnentag eingeführt. Hierbei handelt es

sich um eine gedachte Sonne, die für einen scheinbaren täglichen Umlauf um die Erde 24h 03 min 56s

benötigt.

Für das praktische Leben und zur Berechnung von Kalendern ist es jedoch von Vorteil eine Sonnenzeit

zu haben, die sich glatt rechnet. Man hat deshalb den mittleren Sonnentag gleich 24h 00 min 00s

gesetzt. Der Sterntag wird dadurch etwas kürzer. Er beträgt demzufolge nur noch 23h 56 min 04s.

Viermal im Jahr stimmt die mittlere Sonnenzeit mit der wahren Sonnenzeit überein. Der Unterschied

zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit findet in der Zeitgleichung ihren Ausdruck.

Zeitgleichung = wahre Zeit − mittlere Zeit

Die Zeitgleichung kann ein positives (+), wie auch ein negatives (−) Vorzeichen haben

Die Erde dreht sich in 24 Stunden von Westen nach Osten um ihre Achse. Sieht man von oben

(nördlicher Himmelspol) auf die Erde herab, erfolgt die Rotation gegen den Uhrzeigersinn. Die

scheinbare Bewegung der Gestirne ,auch der Sonne verläuft als Widerspiegelung der Erdrotation somit

von Ost über Süd nach West, also im Uhrzeigersinn. Alle Orte, die auf demselben Meridian liegen,

haben dieselbe Ortszeit. Der Umfang der Erde ist mit 360° bestimmt. Es ergibt sich das Verhältnis:

360° 00’ 00“ zu 24h 00 min 00s

15° 00’ 00“ zu 1h 00 min 00s

1° 00’ 00“ zu 0h 04 min 00s

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0° 30’ 00“ zu 0h 02 min 00s

0° 15’ 00“ zu 0h 01 min 00s

0° 01’ 00“ zu 0h 00 min 04s

0° 00’ 30“ zu 0h 00 min 02s

0° 00’ 15“ zu 0h 00 min 01 s

Der Zeitunterschied von Meridian zu Meridian beträgt je Längengrad 4 min. Ein Zeitunterschied von 1

Stunde sind deshalb 15° Längenunterschied (360° : 24h = 15°). Der Ortsunterschied zweier Orte

errechnet sich aus dem Produkt: Unterschied der geographischen Längen beider Orte (in °) mal 4 min

Als mittlere Ortszeit (MOZ) wird die für den Längengrad eines bestimmten Ortes geltende mittlere

Sonnenzeit bezeichnet. Als wahre Ortszeit (WOZ) wird die für den Längengrad eines bestimmten Ortes

geltende wahre Sonnenzeit bezeichnet. Der Unterschied zwischen MOZ und WOZ ist die Zeitgleichung

(e). Die Zeit, die auf 0° Länge herrscht, wird als Weltzeit bezeichnet. Da dieser Längengrad durch die

alte Sternwarte von Greenwich verläuft, wird diese Zeit auch als Greenwich Mean Time (GMT) bzw. als

Greenwicher Zeit bezeichnet.

Die Rundfunksender senden nach dieser Atomzeit ihre internationalen Zeitzeichen Diese Atomuhrzeit

wird als Universal Time-Coordinated (UTC) bezeichnet. Zwischen der GMT und UTC bestehen geringe

Unterschiede, die auf die ungleichförmige Erdrotation usw. gegenüber der sehr gleichmäßigen

laufenden Atomzeit zurückzuführen sind. Dieser Unterschied, der nie größer als 0,3s ist, wird an der

Atomuhr korrigiert. Es ergibt sich die Zeit Universal Time 1 (UT1). Auf Grundlage der UT1 sind alle

nautischen Jahrbücher aufgebaut

Die Erdoberfläche ist in 24 durch Längengrade begrenzte Zeitzonen von je 15° Längenunterschied so

eingeteilt, dass der Längengrad von Greenwich die Zone 0 halbiert, der Längengrad 15° östlich von

Greenwich die 1 und zuletzt der Längengrad 15° westlich von Greenwich die Zone 23 halbiert. Die

Ortszeit des in der Mitte einer Zone verlaufenden Längengrades ist für diese Zone gültige Zonenzeit.

Diese Zonenzeiten rechnen vom Nullmeridian, der durch Greenwich (bei London) geht, nach Ost (+)

oder West (−). Die Grenzen der Zonen und die Zonenzeiten werden nur auf dem offenen Meer und in

unbewohnten Gebieten eingehalten. In bewohnten Gebieten sind die Grenzen der Zeitzonen nach

politischen, wirtschaftlichen, verkehrstechnischen, topographischen und anderen Gesichtspunkten

gezogen, und die in den Zonen gebräuchlichen Zeiten stimmen aufgrund mancherlei Erwägungen

oftmals nicht mit den Zonen überein. So hat die GUS (Sowjetunion) 1930 in ihren 11 Zeitzonen die

Dekret Zeit eingeführt, welche der Zonenzeit um 1 Stunde voraus ist. Die Dekret Zeit der Zone 2 ist

besonders bemerkenswert. Sie wird nach in der Zone 2 liegenden russischen Hauptstadt Moskauer

Zeit (MOSKZ) genannt und wird im Eisenbahnfahrplänen und im Nachrichtenverkehr im gesamten

Russland verwendet.

Der Zeitunterschied ist die Differenz zwischen der MOZ und der GMT (UT1).

30

Es gilt: ZU = MOZ − UT1

Da der Meridian von Greenwich für die geographische Länge und den Zeitunterschied

Bezugskoordinate ist, ergibt sich die Folgerung:

Der Zeitunterschied (ZU) entspricht der geographischen Länge des Ortes, für den die MOZ angegeben

ist. das heißt:

Für die Umwandlung der geographischen Länge in Zeitunterschied (i° in iZ) gilt nach den o.g.

Entsprechungen

Zeit/h x 15° = Grad/° Grad/° : 15° = Zeit/h

Zeit/min x 15’ = Grad/’ Grad/’ : 15’ = Zeit/min

Zeit/s x 15“ = Grad/“ Grad/“ : 15“ = Zeit/s

Die 12. Zeitzone liegt der 0. Zeitzone gegenüber und hat die Länge 180° als mittleren Meridian. Dieser

Meridian ist die eigentliche Datumsgrenze. Beim Überschreiten gilt:

Von Ost nach West, halte das Datum fest. (das aktuelle Datum wird wiederholt)

Von West nach Ost, lasse das Datum los. (das folgende Datum wird ausgelassen).

31

DAS RUHENDE INERTIALSYSTEM DES RAUMES

Orientierung ist Raumsinn und Orientierung ist Zeitsinn. Diesen Raum, unsere Umwelt, mathematisch

zu erfassen und ausdrücken zu können, ist Grundbedingung der Wiederauffindbarkeit von

mathematisch definierten Raumpunkten.

Im Universum ist kein Punkt vor dem anderen ausgezeichnet. Es herrscht Homogenität, auch ist keine

Richtung vor einer anderen ausgezeichnet. Es herrscht Isotropie. So existiert keine ausgezeichnete

Stellung und demzufolge kein Mittelpunkt im Universum. Demzufolge kann völlig gleichberechtigt der

Ursprung eines Inertiales S mit seinem Koordinatensystem x, y, z in den Mittelpunkt einer Galaxie, der

Sonne, der Erde, des Mondes, eines Schiffes oder in irgendeinen anderen Körpers bzw. in einen frei

gewählten Fixpunkts gelegt werden. Werden beispielsweise zwei gleichberechtigte Bezugssysteme S

und S‘ errichtet und wird die Umrechnung der jeweiligen Koordinatenmaßstäbe der

Koordinatensysteme S und S‘ durch entsprechende Umrechnungskoeffizienten realisiert oder wird

einfacherer Weise ein gleiches Koordinatensystem mit gleichem Maßstabsmodus für S und S‘ benutzt,

kann S mit S‘ verknüpft werden. Denn ein System S‘, das sich mit der Geschwindigkeit v gleichförmig

gegen das Inertialsystem S bewegt, bildet ebenfalls ein gleichwertiges Inertialsystem.

Um zu errechnen, wo man sich befindet, benötigt man zwei entscheidende Voraussetzungen: ein

Bezugssystem S mit den räumlichen Koordinaten x, y, z und ein Bezugssystems für die Zeit. Ausgehend

vom Einstein’schen Relativitätsprinzip, wonach es unmöglich ist, aufgrund irgendeiner physikalischen

Erscheinung ein absolutes Bezugssystem zu bestimmen, kann es auch für die Seenavigation kein

absolutes Bezugssystem S geben. Versuche einen absoluten Zeitbezug im Kosmos zu finden, mussten

wie der Versuch eines absoluten Raumbezuges an der dieser Einstein’schen Relativitätstheorie

scheitern. Genauso wie es keinen absoluten Raumbezug gibt, existiert auch kein absolutes Zeitsystem,

denn das Problem der Zeit- oder Raumdefinition ist der Umstand, dass die Zeit und der Raum eine

Existenzform der Materie ist.

Da ein wirklich festliegendes, unverändertes und kräftefreies Inertialsystem nicht existent ist, wird ein

theoretisch kräftefreies bewegungsloses Kugel inertial angenommen, d. h. es wird die Existenz einer

absoluten Zeit und die eines absoluten Raumes still vorausgesetzt. Dazu ist es erste Voraussetzung ein

für alle Systeme gleiches Zeitmaßes zu vereinbaren. Das einheitliche Raummaß und das einheitliche

Zeitmaß ist somit Grundvoraussetzung der mathematischen Erfassbarkeit von Raum- und Zeitpunkten.

Die physikalische Zeitdefinition legt die Zeiteinheit als ein periodisch ablaufender Vorgang fest, der mit

physikalischen Mitteln überwacht werden kann. Die Astronomie definiert die Zeiteinheit Tag als Dauer

einer Umdrehung der Erde um ihre Achse, bezogen auf den →Meridiandurchgang der Sonne oder des

Frühlingspunktes. Die Erde rotiert je Sterntag um 360°, je Stunde um 15°, je Minute um 0,25° (15’). Da

jedoch die Erdrotation nicht völlig gleichförmig verläuft, macht sich die Einführung einer gleichmäßigen

Zeitmessung an Hand eines reproduzierbaren und messbaren Vorgangs notwendig. Bis 1956 wurde die

Länge einer Sekunde als 86400. Teil des mittleren Sonnentages festgelegt. Infolge der

Rotationsschwankungen der Erde weist die so definierte Zeitsekunde jedoch Schwankungen im

Bereich von 10-8s auf. Deshalb die Zeitmessung statt auf die →Rotation der Erde auf die →Revolution

der Erde in einem Jahr bezogen. Als Ephemeridenzeit galt, dass die Länge einer Sekunde der

31.556.925,9747. Teil des tropischen Jahres für 1900 ist. Im Jahr 1967 wurde nun die Atomsekunde als

32

die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen beiden

Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes des Atoms Cäsium 133 entspricht, manifestiert und

1972 international den Zeitsignalen zugrunde gelegt.

Das kaliumähnliche Element Cäsium (Cs) hat die Ordnungszahl 55 im Periodensystem der chemischen

Elemente. Seine relative Atommasse beträgt 132,91. Seine Strahlungsperiode lässt die beste

Annäherung an die astronomisch definierte Sekunde als der 31.556.925,9747. Teil des tropischen

Jahres für 1900 zu. Die Abweichungen sind minimal gehalten. Sie übersteigen keine 0,7 s, denn bei

Bedarf wird eine positive oder negative Schaltsekunde bei der letzten Sekunde des 31. Dezember oder

(und) des 30. Juni eingefügt.

In Bezug zu dem als absolut anzusehendes Inertial S steht das relativ zu S sich bewegende System S‘,

welches entsprechend der Modifizierung noch näher zu definieren sein wird. Da sich die Seenavigation

mit der Bewegung eines Schiffes auf einer Wasserfläche der Erde von einem Abfahrtsort A zu einem

Bestimmungsort B beschäftigt, ist es der gegeben Praxis nach sinnvoll die Erde als absolutes (ruhendes)

Inertialsystem des Raumes zu bestimmen. Durch ein einheitliches Raummaß ist die Notwendigkeit

erfüllt, ein oder mehrere Inertialsysteme gegenseitig in eine gleiche Beziehung setzen zu können – das

Inertialsystem S (z. B. Erde) zu S‘ (z. B. Schiff), oder zu S‘‘ (z. B. Flugzeug) oder zu S‘‘‘ (z. B. Sonne) oder

S‘‘‘‘ (Fixstern) usw. – . Dieses einheitliche Raummaß wird in erster Näherung durch Anwendung des

ruhenden Kugelinertials der Erde realisiert. Wegen der Erdrotation, der Bahnbewegung der Erde um

die Sonne und der Bewegung des gesamten Sonnensystems im Milchstraßensystem bildet die Erde

jedoch kein ideal ruhendes System. Das bedeutet, da ein festliegendes, unverändertes Inertialsystem

im Kosmos nicht existent ist, dass die tatsächlichen Bewegungen der Erde (im Planetensystem um die

Sonne - im Einzelnen die Revolution, die Rotation, Präzession und die Nutation) und erst recht die

Auswirkungen dieser Bewegungen (Kräfte und Scheinkräfte) auf das theoretisch als unveränderlich

und fest angenommene Inertialsystem Erde bekannt sein müssen. Das Schiff kann nur dann als Inertial

S’ zu verstehen sein, solange keine Trägheitskräfte auf diesem wirken. Nur wenn eine geradlinige

gleichförmige Bewegung des Schiffes vorliegt, gilt es als Inertial. Das dies nie der Fall ist, muss das

Objekt Schiff als ein „Navigationssystem“ verstanden werden, welches sich im angenommenen

Inertialsystem Erde in Bezug auf die Erdoberfläche mit seinen Größen x’, y’, z’ bewegt. Die räumlichen

Koordinaten x, y, z auf der Erde sind somit fest mit der Erdoberfläche verbundene Koordinaten. Die

Koordinaten x’, y’, z’ sind mit dem Schiff fest verbunden, bewegen sich jedoch in Bezug auf die festen

x, y, z Koordinaten der Erde. Soll das räumliche Koordinatensystem der Erde wirklich als absolut gelten,

muss die Bewegung des Inertialsystems Erde als Teil des Planetensystems um die Sonne im kosmischen

Raum mit einem im Kosmos befindlichen Inertialsystem vergleichbar gemacht werden. Es besteht

somit die Veranlassung das Navigationssystem Schiff, das Inertialsystem Erde und das Inertialsystem

Fixpunkt Kosmos gegenseitig in gleiche Beziehungen zu setzen.

Grundlage eines ruhenden Kugelkoordinatensystems sind die Achse und die Grundebene, sowie ein

Leitpunkt auf dem Grundkreis. Mit diesem Kugelinertial ist ein Raumkoordinatensystem definiert, dass

auf die Kugel und dessen Oberfläche anwendbar ist. Alle anderen Inertialsysteme müssen auf dieses

Kugelkoordinatensystem übertragbar sein.

33

Als Kugeloberfläche gilt der geometrische Ort aller Punkte des Raumes, die von einem festen Punkt M

den gleichen Abstand r haben. In Anwendung eines rechtwinkligen räumlichen Koordinatensystems,

welches um die Kugel gelegt wurde, wobei M der Koordinatenursprung ist, erhält man als Gleichung

für die Kugeloberfläche r2 = x2 + y2 + z2. M...............Kugelmittelpunkt

r.................Radius

Im folgendem sei ein Kugelinertial betrachtet, dessen Ursprung in einem frei gewählten Fixpunkt im

Kosmos liegt.

Das Inertialsystem S mit kartesischen und Kugelkoordinatensystem

z

x

M‘ des Inertial S‘ im

Koordinatensystem eines Kugel

– Inertials S

0°; 0°

Leitpunkt L

= 0°

= 0°

y Bildpunkt des Inertials S‘ in

der x y - Ebene von S

M

M‘

34

Die xy-Ebene spannt den Grundkreis des Inertials S auf, und die z-Achse durchstößt die Fläche

senkrecht stehend auf dem Grundkreis. Die positive x-Achse liegt im Schnittpunkt der

Grundkreisebene und einem ausgezeichneten senkrecht auf der Grundkreisebene stehendem

Großkreis. Die Ebenen der Kleinkreise bilden sich parallel zum Grundkreis.

Die Entfernung (r) zwischen M und M‘ bildet den Radius der nicht im Durchmesser definierten Kugel.

Durch das Vorhandensein einer gedachten Kugeloberfläche mit einem gegebenen Radius ist es

möglich, statt mit den Funktionswerten x, y, z mit den Koordinaten der Kugeloberfläche zu arbeiten.

Durch diese Kugelummantelung der →kartesischen Raumkoordinaten ist so ein Koordinatensystem

gestaltet, das die Größe des Abstandswinkels () von der Grundkreisebene bzw. des Richtungswinkels

() auf der Grundkreisebene durch jeweils einen Kugelkreisbogen definiert und im Bogenmaß angibt.

Als Winkelmaßstab wird das Grad (°) verwandt.

y

PS

Leitpunkt

y

z

x

090°

000°

-090°

000°

y

z‘

x‘

S‘

M‘

Navigationssystem S‘

in Bezug auf das

Inertial S

M

A

y‘

PN

Abstandswinkel

Grundkreis

r

z

x Richtungswinkel

Leitpunkt

y

x

z

180°

270°

000°

090 Zählrichtung

35

Für den Richtungswinkel () gilt der Wertebereich − .

Die Koordinatenbögen stellen krummlinige Gaußsche Koordinaten der Kugeloberfläche dar. In jedem

Kugelpunkt (P) schneiden sich so genau eine senkrecht auf dem Grundkreis stehende Großkreisebene

und eine parallel dem Grundkreis befindliche Kleinkreisebene. An den Schnittpunkten der senkrecht

auf dem Grundkreis stehenden Großkreise Punkten geht die z - Achse hindurch. Dort kann sich somit

kein Richtungswinkel ergeben ( = 90°).

Ein beliebiger Punkt auf der Kugeloberfläche ist dann durch folgenden Ortsvektor erfassbar:

Wird die Verbindungsstrecke zwischen dem Ursprung S und dem Ursprung S‘ aus der Nullrichtung um

den festbleibenden Ausgangspunkt von S herausgedreht, so beträgt der 360-Teil einer Volldrehung 1

Grad (1°). Geschieht diese Drehung entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn, so ist der mathematisch

positive Drehsinn definiert. Geschieht diese Drehung im Uhrzeigersinn, so werden entsprechende

negative Maßzahlen angeben.

Beschreibt ein sich im gleichbleibenden Abstand r von S mit einer Geschwindigkeit v in Bewegung

befindliche Inertial S‘ in einer Zeitspanne t einen Großkreisbogen auf der Kugeloberfläche S mit der

Länge b, so ist das Verhältnis b/r → das Bogenmaß des Winkels . Die Bogenlänge b erhält genau wie

der Winkel im Bogenmaß je nach der Drehrichtung ein positives oder negatives Vorzeichen. Diese

Bogenlänge b ist als Quotient zweier Längen eine dimensionslose reelle Zahl, die der Einheit Radiant

(rad) zugeordnet wird. (1 rad = 1m/1m). Zwischen dem Gradmaß und dem Bogenmaß des Winkels

gilt

(in °) = (in rad) • 180°/ bzw.

(in rad) = (in °) • /180°

Da zur Ortung S‘ in Bezug auf S oder umgekehrt der Abstandswinkel und der Richtungswinkel nötig ist,

wird das definierte Bogenmaß sowohl für die Abstandskoordinate (Winkel ) und als auch für die

Richtungskoordinate (Winkel ) eingeführt.

Die Bewegung eines Inertialsystem S‘ bezüglich eines Inertialsystem S oder umgekehrt definiert sich in

einer Bewegung in Raum und Zeit. Die Ortsveränderung von S oder S‘ wird mittels geeigneter

Ortungsmessmittel sowohl im Raum, als auch in der Zeit ermittelt und findet in der mathematischen

Form V= S / t ihren Ausdruck.

cos cos

x (, ) = sin cos

sin

22

−Für den Abstandswinkel () gilt der Wertebereich

36

Für die Darstellung der Geschwindigkeiten wird ein sphärisches Vektordreieck benutzt.

Der kürzeste Weg zwischen den Punkten A und B stellt sich auf der Kugel als Großkreis dar. Als

Großkreis bezeichnet man den Bogen zwischen den Punkten A und B auf der Kugeloberfläche, wobei

der Mittelpunkt M dieses Kreisausschnittes der Kugelmittelpunkt ist. Das heißt ein Großkreis ergibt

sich nur, wenn eine Kugeloberfläche so geschnitten wird, dass die Schnittebene den Mittelpunkt der

Kugel schneidet. Schneidet die Ebene nicht den Mittelpunkt der Kugel, so wird man als Ergebnis einen

Kleinkreis erhalten. Legt man durch den Kugelmittelpunkt M eine Gerade, welche die Kugeloberfläche

in zwei Punkten schneidet, so erhält man die zwei Gegenpunkte (P und Q). Die Strecke innerhalb der

Kugel zwischen den beiden Gegenpunkten ist der Durchmesser der Kugel. Der die beiden Gegenpunkte

verbindende Bogen entsprechend der Kugeloberfläche ist der entsprechende Großkreis, da sein

Mittelpunkt auch gleichzeitig das Zentrum der Kugel ist. Liegen zwei Positionspunkte A und B auf den

eben beschriebenen Bogen, so ist bewiesen, dass der Bogenausschnitt der Positionen A und B zu einem

Großkreis gehört. Es ist somit offensichtlich, dass man zwischen zwei Punkte A und B beliebig viele

Kleinkreise legen kann, aber genau nur einen Großkreis. Da die kürzeste Verbindung zwischen zwei

Punkten interessiert, wird die Frage nach dieser durch die Betrachtung der kürzeren Distanz auf einem

Großkreises beantwortet. Die kürzere Verbindung zwischen zwei auf einem Großkreis liegenden

Punkten A und B wird daher als sphärischer Abstand oder sphärische Entfernung bezeichnet und ist

auch tatsächlich die kürzeste Verbindung der Punkte A und B auf der Kugel.

Um die Distanz und die Richtung ausgehend vom Punkt A zum Punkt B berechnen zu können, ist es

erforderlich, die mathematischen Gesetzte der sphärischen Trigonometrie anzuwenden.

Wird der Kugelradius mit r und der Zentriwinkel des Großkreisbogens PQ mit a bezeichnet, dann gilt

für die sphärische Entfernung zwischen PQ: PQ = r a (a im Bogenmaß)

Ist für die Kugel ein bestimmter Radius festgelegt bzw. einigt man bei einer Kugel auf einen

bestimmten Radius, so ist durch a die sphärische Entfernung PQ bestimmt.

Sind auf einer Kugel zwei Großkreise gegeben, schneiden sie sich auch in zwei Gegenpunkten. An

jedem der Gegenpunkte P und Q treten zwischen den Großkreisen Schnittwinkel auf. Dieser

Schnittwinkel, z. B. im Gegenpunkt P, definiert sich durch eine an die beiden Großkreise im Punkt P

angelegte Tangente. Die Tangenten der Großkreise stehen immer senkrecht auf dem Durchmesser

PMQ der Großkreise, die Schnittwinkel dieser Tangenten schließen den Punkt P ein.

Befinden sich auf der Kugel nun drei Punkte A; B und C und wird angenommen, dass diese

Punkte nicht auf dem gleichen Großkreis liegen und von zwei davon auch keine Gegenpunkte sind,

entsteht durch Verbindung dieser Punkte auf dem kürzesten Wege ein sphärisches oder Eulersches

Dreieck (Euler, Leonhard: schweizerischer Mathematiker; von 1707 bis 1783). Um die Beziehungen

zwischen den Winkeln in einem solchen sphärischen Dreieck auszudrücken, stellt man sich folgende

zwei Grenzfälle bei der Darstellung eines sphärischen Dreiecks vor:

1.) Das Dreieck ist auf eine Kugel geprägt. Verkleinert man es derart, dass es sich dem ebenen

Dreieck annähert, muss man dennoch feststellen, dass seine Winkelsumme stets größer als 180° sein

muss, denn sonst wäre es kein sphärisches Dreieck.

37

2.) Vergrößert man andererseits das sphärische Dreieck solange bis sich eine Halbkugel bildet,

so tritt dreimal (in den Punkten A; B; C) ein Winkel von 180° auf. Ein ebenes Dreieck wäre als Linie

zusammengefallen.

Die obere Grenze für die Winkelsumme im sphärischen Dreieck ist somit gefunden, sie kann

maximal 3 x 180° = 540° betragen. Somit gilt im sphärischen Dreieck die Relation:

180° + + 540°

Die Beziehung + + = 180° der ebenen Trigonometrie, wonach durch zwei bekannte Winkel bereits

der dritte Winkel definiert ist, findet in der sphärischen Trigonometrie somit keine Anwendung mehr.

Es folgt aus Kenntnis zweier Winkel nicht sofort der dritte, sondern es müssen alle drei Winkel

berechnet werden. Während in der ebene Trigonometrie nur vier Fälle zur Berechnung eines Dreiecks

bekannt sind, müssen in der sphärischen Trigonometrie sechs Fälle gerechnet werden, wobei hier drei

gegebene Stücke vorhanden sein müssen.

Entsprechend der Herleitung gelten die mathematischen Beziehungen der Seiten und Winkel

in →rechtwinkligen sphärischen Dreiecken.

sin = sin c sin (1)

cos = cos a sin (2)

cos c = cos a cos b (3)

sin b = sin c sin (4)

cos = cos b sin (5)

cos c = cot cot (6)

cos = cot c tan b (7)

cos = cot c tan (8)

Setzt man in (1) für sin c und sin die aus (4) und (5) und (4) für sin c und sin die aus (1) und (2)

folgenden Ausdrücke ein, ergibt sich

sin = cot tan b (9)

und sin b = cot tan a (10)

Ordnet man die Stücke eines sphärischen Dreiecks entsprechend ihrer Reihenfolge auf einem Kreis an,

lässt dann den rechten Winkel fort und ersetzt man jetzt die Katheten durch die Komplimente, so hat

man die Möglichkeit gefunden, die mathematischen Beziehungen (1) bis (10) zu reproduzieren. Es ist

dann feststellbar:

38

Im rechtwinkligem sphärischen Dreieck ist der Kosinus eines Stückes gleich dem Produkt der

Sinusse der gegenüberliegenden bzw. dem Produkt der Kotangenten der benachbarten Stücke.

(Nepersche Regel). Analog zur ebenen Trigonometrie kann nun die Berechnung von allgemein

sphärischen Dreiecken erfolgen. Mit Hilfe der →Neperschen Regel, des Sinussatzes, des

Seitenkosinussatzes und des Winkelkosinussatzes ist man in der Lage sämtliche allgemeinen

sphärischen Dreiecke berechnen, sofern drei Stücke eines solchen Dreiecks gegeben sind. Es sind hier

sechs Fälle der Berechnung für die Navigation ausgewählt.

39

Gegeben Auflösung

1. Fall zwei Seiten und

ein

eingeschlossener

Winkel

a) Anwendung des Sinussatzes zur Berechnung des zweiten

gegenüberliegenden Winkels;

b) Fällen des sphärischen Lotes, Berechnen des dritten

Winkels oder der dritten Seite durch zweimaliges Anwenden

der Neperschen Regel;

c) Berechnung des letzten Stückes mit dem Sinussatz.

2. Fall zwei Winkel und

eine Gegenseite

a) Anwendung des Sinussatzes zur Bestimmung der zweiten

gegenüberliegenden Seite;

b) und c) wie im 1. Fall.

3. Fall zwei Seiten und

der

eingeschlossene

Winkel

a) Anwendung des Seitencosinussatzes zur Berechnung der

dritten Seite;

b) zweimaliges Anwenden des Sinussatzes zur Bestimmung

der fehlenden Winkel.

4. Fall alle drei Seiten a) Anwendung des Seitencosinussatzes zur Bestimmung eines Winkels;

b) zweimaliges Anwenden des Sinussatzes zur Bestimmung

der anderen beiden Winkel.

5. Fall zwei Winkel und

eine

Zwischenseite

a) Anwendung des Winkelcosinussatzes zur Berechnung des

dritten Winkels;

b) zweimaliges Anwenden des Sinussatzes zur Berechnung

der restlichen zwei Seiten.

6. Fall alle drei Winkel a) Anwendung des Winkelcosinussatzes zur Bestimmung einer Seite;

b) zweimaliges Anwenden des Sinussatzes zur Berechnung

der restlichen zwei Seiten.

40

Um die drei Punkte A, B, C eines auf einer Kugeloberfläche befindlichen sphärischen Dreiecks genau

festzulegen, bedient man sich eines Koordinatensystems, welches im Folgenden erläutert werden soll

und welches als Koordinatensystem des kräftefreien Inertials dient.

Ausgehend von den für die als Kugel angenommenen Erde eingeführten Begriffe und Definitionen, soll

ein Ort auf einer Kugel festgelegt werden. Es bedarf zweier Bezugsebenen, auf die man die Lage des

Ortes oder eines Punktes bezieht. Der erste Bezugskreis ist die Ebene des Äquators (lat. Gleicher), der

die Kugel in eine nördliche und eine südliche Hälfte teilt, und der zweite Bezugskreis ist die Ebene eines

frei definierten Nullmeridians (lat. circulus meridianus, →Mittagskreis). Der Begriff Meridian soll hier

wegen der noch zu erläuternden Zeitmessung eingeführt werden. Auf diesen beiden Großkreisen baut

sich das geographische Koordinatensystem auf. Die Breitenkreise als Abstandswinkel verlaufen als

Kleinkreise parallel zum Äquator (00°) und nehmen um den Kosinus der Breite zu den Polen hin ab, so

dass sie an den Polen (90°) als Punkt erscheinen. Zum Nordpol hin spricht von nördlichen Breiten (N).

und zum Südpol hin von südlichen Breiten (S). Die Meridiane oder Mittagskreise verbinden die Pole

und stehen senkrecht auf den Äquator. Diese als Länge bezeichneten Richtungswinkel sind Großkreise

und zählen von 000° bis 180° Ost (E) (engl. East) und von 000° bis 180° West (W). Geographische

Koordinaten (lat. Zugeordnete) sind somit immer ein Längen- und ein Breitengrad. Das Grad in der

360° Einteilung ist als einzige Angabe von Koordinaten jedoch zu ungenau. Hier besteht die Teilung des

Grades zu 1° = 60’ (nautische Minuten); 1’ = 60“ (nautische Sekunden) bzw. 1“ zu 60’“ →

(Meridiantertien). Somit kann jedem Ort der Kugel eine genauen Koordinate zugeordnet werden. Ist

die Kugel mit ihren Maßen definiert, ist es möglich, aus dem Kugelumfang die metrische Länge eines

Grades zu ermitteln (Länge eines Grades in Meter = U in Meter : 360°).

Die zwischen zwei Orten A und B gegebenenfalls vorhandene Differenz ist erstens der

Breitenunterschied (), als das Bogenstück eines Meridians zwischen den Breitenparallelen dieser

Orte ( = B − A) und zweitens der Längenunterschied () zwischen diesen Orten, als das

Bogenstück des Äquators oder der sphärische Winkel am Pol zwischen den Meridianen dieser Orte (

= B − A).

Der Breitenunterschied erhält seine Bezeichnung Nord oder Süd nach der Richtung vom Abfahrtsort

(A) zum Bestimmungsort (B) der Bewegung des Systems S‘. Der Längenunterschied erhält seine

Bezeichnung Ost oder West ebenfalls nach der Richtung vom Abfahrtsort (A) zum Bestimmungsort (B)

der Bewegung des Systems S‘.

Da die Breitenparallele mit wachsender geographischer Breite ihren Umfang verringern, ist auf

ihnen die Bogenminute nicht gleich lang. Dieser Unterschied wird durch den Begriff der Abweitung (a)

berücksichtigt.

Die Abweitung (a) ist das zu einem Längenunterschied gehörende Bogenstück eines

Breitenparallels, ausgedrückt in einer definierten Längeneinheit (nautisch: Seemeile – sm –).

a = cos (18)

= a : cos (19)

Der Breitenparallelbogen und Äquatorbogen verhalten sich zueinander wie ihre Radien.

41

Die in geographischen Koordinaten ausgedrückten Punkte eines beliebigen sphärischen Dreiecks A, B,

C nehmen im Koordinatensystem der Kugel folgende Entsprechungen ein

Punkt A Abfahrtsort in den Koordinaten A; A des Koordinatesystems

Punkt B Bestimmungsort in den Koordinaten B; B des Koordinatesystems

Punkt C Nord- oder Südpol des Koordinatesystems

und bilden das nautische Grunddreieck.

Als Winkel im nautischen Grunddreieck bilden sich:

Winkel Richtungswinkel des Großkreises zwischen Strecke AB und Strecke AC

Winkel Richtungswinkel des Großkreises zwischen Strecke BA und Strecke BC

Winkel Winkel des Längen- oder Zeitunterschieds zwischen Strecke CA und Strecke CB

Als Seiten im nautischen Grunddreieck bilden sich:

Seite a (90° - B) Strecke CB auf dem Meridian B

Seite b (90° - A) Strecke CA auf dem Meridian A

Seite c Großkreisdistanz zwischen A und B

Als Loxodrome bezeichnet man die Linie, die alle Meridiane unter gleichem Winkel schneidet. Wird

eine Linie mit konstanter Richtungszahl auf die Kugel gezeichnet, entsteht eine Loxodrome. Somit sind

Loxodromen sphärische Kurven, deren Tangenten mit der Nord-Südrichtung in jedem ihrer Punkte

einen konstanten Winkel einschließen. Eine loxodromische Linie wird den Nord- oder Südpol auf einer

Spiralkurve umlaufend erreichen. Dieser Kurvenbogen ist kein Großkreis, denn ein Großkreis schneidet

die Meridiane nicht unter einem konstanten Winkel. Der Großkreis, als die kürzeste Verbindung

zwischen zwei Orten auf der Kugel wird dagegen als Orthodrome bezeichnet. Sie schneidet auf einer

winkeltreuen Karte → (Mercartorprojektion) die Meridiane unter einem sich ständig ändernden

Winkel. Konstruiert man ein Abbild der Kugel als stereographische Normalprojektion, bei der die

Meridiane als Geradenbüschel von einem Pol ausgehen, so stellt das Bild der loxodromen Verbindung

zweier Punkte eine logarithmische Spirale dar. Wegen der Winkeltreue ist das Bild der Loxodromen

eine Kurve, die die Geraden des Büschels unter einem festen Winkel schneidet. Dies leistet nur eine

logarithmische Spirale. Wenn eine Karte nun so verzerrt wird, dass die Meridiane parallel in einem

gleichen Abstand zu einander stehen, während die Abstände der Breitenparallele ständig wachsen, um

die Abweitung auszugleichen, wird sich die Loxodrome als Gerade darstellen, die die Meridiane unter

42

gleichen Winkel schneidet. Das logarithmische Verhalten der Loxodrome bleibt davon natürlich

unberührt.

Auf Grundlage des Kugelkoordinateninertials sind die Achse und die Grundebene, sowie ein Leitpunkt

auf dem Grundkreis definiert. Für die sphärische Trigonometrie in Verbindung mit der Astronomie sind

derzeit verschiedene sphärische Referenzkoordinatensysteme in Gebrauch, die sich wie folgt

definieren:

➢ Äquatorsystem geozentrisch

➢ Ekliptikalsystem heliozentrisch

➢ Galaktisches System geozentrisch

r =

r =

3

0 Achse

• Die Archimedische oder

Logarithmische Spirale im

Polarkoordinatensystem.

43

Für die Seenavigation hat das ruhende Äquatorsystem als Inertial die entscheidende Bedeutung.

Begriff Definition geographisches

Koordinatensystem ruhendes Äquatorsystem

rotierendes

Äquatorsystem

Achse Gerade durch den

Kugelmittelpunkt

Erdachse vom Nordpol

zum Südpol

Himmelsachse vom Nord-

zum Südpol des Himmels

Himmelsachse vom

Nord- zum Südpol

des Himmels

Grundebene

Ebene durch den

Kugelmittelpunkt,

senkrecht zur

Achse

Äquatorebene Äquatorebene Äquatorebene

Grundkreis Umfang der

Grundebene Erdäquator Himmeläquator Himmeläquator

Pole

Schnittpunkte der

Achse mit der

Kugeloberfläche

Nord- und Südpol der

Erde

Himmelsnordpol und

Himmelssüdpol

Himmelsnordpol

und Himmelssüdpol

Mittelpunkt Kugelmittelpunkt Erdmittelpunkt Erdmittelpunkt Erdmittelpunk

Koordinate

Winkel mit dem

Scheitel im

Kugelmittelpunkt

Winkel am

Erdmittelpunkt

Winkel am

Beobachtungsort, auf den

Erdmittelpunkt bezogen

Winkel am

Erdmittelpunkt

Abstands-

Winkel

erste Koordinate,

Abstand von der

Grundebene

Winkel AMS

geographische Breite

() Deklination () Deklination ()

Richtungs-

Winkel

zweite Koordinate,

gemessen auf der

Grundebene von

einem Leitpunkt

aus.

geographische Länge

() Stundenwinkel (t)

Rektaszension ()

oder Sternenwinkel

()

Leitpunkt

Schnittpunkt des

Meridians von

Greenwich mit dem

Erdäquator

Schnittpunkt des

Himmeläquators mit dem

Meridian

Frühlingspunkt ()

44

So setzt das Kugelinertial eine geozentrische Betrachtung des Kosmos voraus. Da jedoch die

Bezugssysteme im Kosmos als völlig gleichwertig gelten, kann unvoreingenommen, diese Betrachtung

gelten. Hier jedoch wird es notwendig sein, die Bewegung der Relativität zu verstehen.

45

DIE SIMULATION DES KOSMISCHEN INERTIAL

Wird für ein Referenzsystem die Erde als mathematisches Modell simuliert, so muss dieses Modell als

Nachbildung verstanden werden, dass die für die untersuchte Problematik wesentlichen Eigenschaften

des kräftefreies Inertial besitzt. Es ist jedoch tatsächlich unmöglich, die Erde völlig kräftefrei zu

rechnen. Nur durch Beschränkung und Vereinfachung auf die wesentlichen Eigenschaften des Systems

Navigation ermöglicht die Simulation eines ruhenden Inertials mit vertretbaren Aufwand. Nur nach

dem Prinzip: nicht so genau, wie möglich, sondern nur so genau wie notwendig, kann ein für den

Navigationsgebrauch ruhendes Refenzinertial entstehen.

Das Simulationsmodell muss den Grundprozess der Navigation insofern berücksichtigen, als dass der

Bahnführungsprozess und der Kollisionsverhütungsprozess als zeitabhängige Größen erfasst werden,

die sich gleichzeitig in die Nautik als Schiffsführungsprozess insgesamt eingliedern.

So bleibt vorerst zu erfassen, welche Kräfte und Scheinkräfte auf die Erde wirken und wie diese Kräfte

das System S‘, das Navigationssystem S‘ beeinflussen.

Seit Kepler wissen wir, dass die Ellipse maßgebend für die Bahn eines Planeten, so auch der

Erde ist. Das Wesen der Ellipse ergibt sich aus dem Kegelschnitt. Die Grundebene des Kegels ist der

Kreis. Die Verbindung der Kegelspitze mit dem Kegelmittelpunkt (M des Grundkreises) ergibt die

Kegelachse. Schneidet man den Kegel nun schief zu seiner Achse, so bezeichnet sich die gewonnene

Schnittfläche als Ellipse.

Johannes Kepler berief sich in der Definition einer Ellipse auf der „Messekunst des Archimed“, in die

Ellipse folgendermaßen definiert ist:

„Nimm zwei Stifte, stecke sie auf ein Reizbrett in zwei Punkten beliebig weit auseinander, dann

nimm einen Faden, schlage ihn um die Stifte und knüpfe ihn zusammen, so dass die Schlinge länger

wird, wie die Entfernung der beiden Punkte zueinander. Nun setze einen Schreibstift hinein, ziehe mit

derselben den Faden also herum, so wird der Schreibstift eine Ellipse aufmalen.“

Die Bewegungen der Planeten erfolgen nach den Keplerschen Gesetzen. Sie bilden die Grundlage zur

Berechnung der Planetenbahnen sowie anderer das Zentrum, hier der Sonne, umkreisender

Himmelskörper. Die Keplerschen Gesetze lauten:

1) Der Radiusvektor (Sonnenmittelpunkt- Planetenmittelpunkt) überstreicht in gleichen Zeiten gleiche

Flächen.

2) Der Bahnverlauf der Himmelskörper (Planeten) um das Zentrum (Sonne) ist ellipsenförmig. Das

Zentrum ist dabei ein Brennpunkt, der allen Planetenbahnen gemeinsam ist.

3) Die Quadrate der (siderischen) Umlaufzeiten T der Himmelskörper (Planeten) verhalten sich wie die

dritten Potenzen der großen Halbachsen ihrer Ellipsenbahnen um das Zentrum. Die große

Halbachse ist die mittlere Entfernung der Himmelskörper (Planeten) vom Zentrum (Sonne)

während seines Umlaufs.

46

Wenn wir die Planeten mit ihren Monden und der Sonne im Sonnensystem betrachten, so gilt die

Sonne als ruhendes oder absolutes Bezugssystem gegenüber den sie umkreisenden Himmelskörpern.

Jedoch können wir auch die Erde oder einen anderen Planeten oder auch einen der zahlreichen im

Planetensystem vorhandenen Monde als ruhendes Bezugssystem annehmen. Je nach Wahl des

Bezugssystems zeichnet sich der Bahnverlauf der Himmelskörper in der absoluten bzw. relativen

Bewegung. Beziehen wir die Bewegung der Erde auf die Sonne, erkennen wir die absolute Bahn der

Erde um die Sonne. In einer umgekehrten Betrachtung wird die Sonne, die Erde somit als ruhend

angenommen, eine relative Bahn zeichnen. Um die absoluten Bahnen der Himmelskörper zu erhalten,

muss man wissen, auf welches Bezugssystem man den entsprechenden Himmelskörper zu beziehen

hat. Bezieht man die Bahn des Erdmondes auf die Sonne, wird ein relativer Bahnverlauf die Folge sein.

Wird die Mondbewegung jedoch auf die Erde bezogen, entsteht der absolute Bahnverlauf des Mondes.

Älterer Anschauung nach scheint im Universum somit eine aufsteigende Ordnung der Bezugssysteme

zu bestehen. Dabei fügen sich, als ein Teil der kleinsten Bausteine, die Monde als unterste Ebene ein,

gefolgt von den Planeten, den Sonnen und den Zentren der Galaxien. Eine solche aufsteigende

Ordnung geht wahrscheinlich ins Unendliche, wenn wir von der Betrachtungsweise der dritten

Dimension ausgehen.

Heute muss man selbstverständlich die Annahme einer höheren Ordnung über eine andere ablehnen.

Das mechanistische Weltbild nach Newton ist nicht dazu geeignet, das ganze Universum als ein

einheitliches System von funktionellen Beziehungen, als Netzwerk sozusagen, zu erfassen. Alle Teile

des Universums sind nicht nur von den physikalischen Beziehungen her gleichberechtigt, denn ein

System greift ins andere beeinflussend ein und unzählbare Wechselwirkungen, Rückkopplungen usw.

entstehen. Eine höhere Systemstruktur, die sich auf eine untere Struktur aufbaut, ist aufgrund des

dynamischen Verhaltens aller Teile im Kosmos zueinander nur in einer mechanisierten

Betrachtungsweise zu erkennen.

47

Hauptcharakteristika der Planeten unseres Sonnensystems

Planet mittlerer heliozentrischer

Abstand

(große

Halbachse

der

Umlaufbahn

in AE)

Exzentrizität Neigung

der

Umlaufbahn

gegen die

Ekliptik

siderische Umlauf-

Periode

in

Erdjahren

Rotations-

Periode

in

Erdtagen (d)

oder

Stunden (h)

MERKUR

0,387 0,206 7,0° 0,24 58,6d

Venus 0,723 0,007 3,4° 0,62 243d

Erde 1,000(1) 0,017 0° 1,00(2) 23,9h

Mars 1,524 0,093 1,8° 1,88 24,6h

Jupiter 5,203 0,048 1,3° 11,86 9,9h

Saturn 9,539 0,056 2,5° 29,46 10,2h

Uranus 19,182 0,047 0,8° 84,01 24h +/- 4h

Neptun 30,058 0,009 1,8° 164,8 17,8h

Pluto 39,439 0,250 17,2° 247,7 6,4h

48

Planet Volumen

(Erde= 1)

Masse

(Erde = 1)

Dichte

in g/cm3

Neigung des Äquators

gegen die Ebene

der Umlaufbahn

Rotationsrichtung Albedo

Merkur 0.05 0,06 5,44 30° mitläufig 0,09

Venus 0.90 0,82 5,24 177° gegenläufig 0,77

Erde 1,00(3) 1,00(4) 5,52 23,5° mitläufig 0,30

Mars 0,15 0,11 3,95 25,2° mitläufig 0,20

Jupiter 1318 318 1,33 3,1° mitläufig 0,42

Saturn 755 95,1 0,69 26,4 mitläufig 0,50

Uranus 63 14,6 1,26 98° gegenläufig 0,50

Neptun 58 17,2 1,67 29° mitläufig 0,50

Pluto 0,01 0,002- 0,004 0,70- 1,20 ? mitläufig 0,40

1)1,5x108 km, 2) 365,26d, 3) 1,08x1012 km3, 4) 5,98x1024Kg,

49

Die Planeten mit ihren Monden

MERKUR JUPITER SATURN URANUS

keinen I Io I Mimas I Arie

II Europa II Enceladus II Umbriel

VENUS III Ganymed III Tethys III Titania

keinen IV Kallisto IV Dione IV Oberon

V Amalthea V Rhea V Miranda

ERDE VI Himalia VI Titani

Mond VII Elara VII Hyperion NEPTUN

VIII Pasiphae VIII Japetus I Triton

MARS IX Sinope IX II Nereide

Phobos X Lysithea X Epimetheus

Deimos XI Carme XI Janus PLUTO

XII Ananke VI Titan Charon

XIII Leda XIII Telesto

XIV Adrasthea XIV Calypso

XV Thebe XV Prometheus

XVI Metis XVII Pandora

XVII Atlas

Die Planeten Merkur und Venus werden als innere Planeten bezeichnet, weil sie sich zwischen der

Sonne und der Erde befinden, Folglich werden die Planeten Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und

Pluto als äußere Planeten bezeichnet. Die Keplersche Ellipsenbahn muss als eine Idealbahn eines

Planeten angesehen werden. Die Bahnen weichen von dieser Idealbahn ab, da durch andere Planeten

auf Grund der Gravitation Störungen entstehen, diese untereinander ausüben. Die unterschiedliche

Wirkung, welche die Gravitation auf die Planeten ausüben, hängt von der relativen Lage ab, welche die

Planeten im Laufe der Zeit einnehmen.

Von der Konjunktion spricht man, wenn die Planeten und die Sonne von der Erde aus in

gleicher Richtung stehen, dabei unterscheidet man bei den inneren Planeten Merkur und Venus die

obere und untere Konjunktion. So spricht man von der oberen Konjunktion, wenn die inneren Planeten

in der Reihenfolge Erde - Sonne - Planet, und von der unteren Konjunktion, wenn die Reihenfolge Erde

- Planet - Sonne erkennbar sind. Dagegen spricht man bei den äußeren Planeten von der Opposition,

wenn sich die Erde zwischen Sonne und Planet befindet. Eine Opposition kann nur bei den äußeren

Planeten beobachtet werden. Die Quadratur tritt auf, wenn zwischen der Sonne und den Planeten,

von der Erde aus gesehen, ein Winkel von 90° beobachtet werden kann. Zum Zeitpunkt der

Konjunktion ist der Planet dann unsichtbar. Während der nachfolgenden Wochen und Monate

erscheint der Planet am Morgenhimmel, zuerst kurz von Sonnenaufgang und dann immer früher, bis

50

die Aufgangszeit auf Mitternacht und danach in die Abendstunden fällt. Zum Zeitpunkt der Opposition

geht der Planet abends auf und unter. Er ist über die ganze Nacht, und würde das Sonnenlicht ihn nicht

überblenden, auch den ganzen Tag lang sichtbar. Am Abend sieht man den Planeten am besten, da er

dann der Sonne am nächsten steht. In den nachfolgenden Wochen und Monaten geht er nachmittags

auf und ist deshalb bei Sonnenuntergang bereits am Himmel. Die Untergangszeit rückt demzufolge

immer mehr an Mitternacht und später in die Abendstunden, bis er wieder in Konjunktion geht. Die

Planeten, außer Uranus, Neptun und Pluto sind mit bloßem Auge sehr gut erkennbar, da sie alle im

Unterschied zu den Fixsternen, dessen Sternenlicht funkelt, ein sehr ruhiges Licht ausstrahlen. Auch ist

ein räumlicher Abstand zwischen den Fixsternen und den Planeten erkennbar. Alle Planeten bewegen

sich in der Tierkreiszone. Die Bewegung ist gleichläufig mit der Erde. Wir beobachten aber die

Planetenbewegung als keine gleichmäßige und in einer Richtung zu den Fixsternen verlaufende

Bewegung. Wegen der relativen Betrachtungsweise von der sich bewegenden Erde aus sind die

Planetenbewegungen mal recht - und mal rückläufig. Sie bewegen sich mal von Ost nach West und

auch umgekehrt am Himmel Alle rechtläufigen Bewegungen kennzeichnen sich als mitlaufend zur

Bewegung der Himmelskugel und deshalb auch der Fixsterne, während sich die rückläufigen Bewegung

entgegen der Drehbewegung der Himmelskugel vollziehen. So beginnt die rückläufige Bewegung der

äußeren Planeten vor ihrer Opposition. Als eine relative Bewegungskomponente versteht man hier die

Revolution (Erdbewegung um die Sonne) und die Rotation (Erdbewegung um die eigene Achse). Die

zweite Bewegungskomponente ist die absolute Bewegungsform der Planeten um die Sonne, wobei die

Sonne als ruhend angenommen wird. Erst wenn Himmelskörper so weit weg stehen, dass der

Erdbahndurchmesser im Verhältnis zur Entfernung der Himmelskörper gegen Null geht, d. h. die

Bewegung der Erde um die Sonne kann vernachlässigt werden, kann die relative oder scheinbare Bahn

als absolute oder wahre Bahn verstanden werden. Zur Definition dieser Entfernungen sind Strecken

von Lichtjahren erforderlich. Wenn z. B. der Bahnradius eines beliebigen Himmelskörpers mit einem

Meter definiert ist und ein Punkt dazu die Entfernung von z. B. eine Million Meter hat, würde ein

Beobachter auf diesem Punkt den Bahnradius eines beliebigen Himmelskörpers nicht bemerken

können. Ihm würde dieser Körper als für sich feststehend erscheinen. In wie weit sich diese Entfernung

praktisch erfassen lässt, sei mit der Beschreibung der Parallaxe angekündigt. In der wahren Bewegung

um die Sonne bewegen sich alle Planeten entgegengesetzt des Uhrzeigersinns, wenn man das System

vom nördlichen Punkt des Himmeläquatorsystems um die Sonne (oben) betrachtet. Wir müssen nun

lernen, alle Planeten in relativer Bewegung zu verstehen, wenn wir sie am Himmel erkennen und

beobachten wollen.

Wenden wir zur Berechnung der Umlaufbahnen nun die Keplerschen Gesetze an, werden wir

überrascht feststellen, dass diese Berechnungen von den tatsächlichen Bahnen abweichen werden.

Verantwortlich für diese Abweichungen sind sogenannte Störungen, die andere Himmelskörper auf

diese für die Berechnung angezogene Bahn ausüben. Um statt den genäherten Orten, die möglichst

genauen Örter (Ephemeriden) der Planeten zu erhalten, müssen wir die Störungen kennen, die diese

Abweichungen verursachen. Eine der Größen dieser Störungen liegt in der gegenseitigen

Anziehungskraft der Planeten untereinander begründet. Die Stärke dieser Anziehungskraft hängt von

der relativen Lage ab, welche die Planeten zueinander einnehmen. Sie ist somit einer zeitlichen

Änderung unterworfen. So ist z. B. bei der Umlaufbahn des Merkur eine zusätzliche Störung

vorhanden, die sich in seiner Periheldrehung äußert. In 100 Jahren weicht Merkur 42“ von seiner Bahn

ab. Dieser Effekt ist mit der allgemeinen Relativitätstheorie erklärbar, jedoch noch nicht hinreichend

bewiesen. Die Bewegung der Planeten wird ausdrücklich durch die im Sonnensystem herrschende

51

Gravitation bestimmt, die an einem Ort im Universum vorherrscht. Dabei muss man feststellen, dass

die großen Halbachsen und folglich auch die Umlaufperioden der Planeten um die Sonne unverändert

bleiben. Auch sind die Exzentrizitäten und die Bahnneigungen der äußeren Planeten starken

Beschränkungen unterworfen. Man muss das gesamte Sonnensystem mit all seinen Körpern und

Kräften als dynamisches System ansehen, wobei sich die Planeten in der Gesamtheit dieser Dynamik

einordnen. Diese Dynamik äußert sich z. B. darin, dass alle Planeten einen Umlaufsinn besitzen, der

mit der Rotationsrichtung der Sonne übereinstimmt. Auch besitzen die Planeten gegenüber dem

Sonnenäquator eine geringe Neigung (Tierkreiszone) sowie nur kleine Exzentrizitäten, die fast der

Kreisbahn ähneln. Nur Merkur, auf Grund der geringen Entfernung zur Sonne, und Pluto bilden eine

Ausnahme. Die Anordnung der Planeten wurde von Kepler mit Hilfe der Harmonie in der Musik erklärt.

Diese Abstandsregel ist heute unter dem Namen Titius - Bodesche Reihe bekannt und drückt das

Gesetz aus, welches das Verhältnis der großen Halbachsen trotz wachsenden Abstand von der Sonne

für konstant definiert. Die Halbsachsen errechnen sich nach a = 0,1 (3 x 2n) AE. Für den Merkur ergibt

sich n = unendlich, für die Venus n = 0, für die Erde n = 1 usw. Für den Asteroidengürtel gilt n = 3. Der

Asteroidengürtel wurde in früherer Zeit als einen zerstörten Planeten vermutet. Heute sind

Erkenntnisse aktuell, die diesen Gürtel als einen nicht entstandenen Planeten darstellen. Dieser Gürtel,

ein Relikt aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, beinhaltet eine nicht genau bekannte Zahl von

Asteroiden. Er befindet ich zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Leider lässt sich das Gesetz von

den Planetenabständen nicht mehr auf die entfernten Planeten Neptun und Pluto anwenden. Diese

Erscheinung muss als eine Folge der Dynamik des Sonnensystems verstanden werden.

Eine weiterer Beweis für das dynamische Verhalten im Sonnensystem findet man, wenn man

die Verteilung des Bahnimpulses betrachtet. So ist die Verteilung des spezifischen Bahnimpulses im

Sonnensystem proportional der Quadratwurzel des Bahnradius r der Planeten vorhanden. Diese

Erkenntnis ist charakteristisch für das gesamte Sonnensystem. Auch ist das Verhältnis der Masse eines

Planeten zu seiner Rotationsgeschwindigkeit eine weitere Abhängigkeit. Je größer die Masse eines

Planeten ist, umso größer ist auch seine Rotationsgeschwindigkeit. Wenn man das Trägheitsmoment,

bezogen auf die Rotationsachse eines Planeten mit C kennzeichnet, drückt sich der Drehimpuls pro

Planet (Masseneinheit) mit j = C r aus. Der spezifische Drehimpuls j eines Planeten entspricht hier

etwa dem Prozentsatz von j = m 5/6. Dieses dynamische Verhalten entspricht außerordentlich dem

harmonischen Verhalten, welches mit den klassischen Gesetzen der Physik erst beschreibbar wird.

Kepler hat die Harmonie mit den Tönen der Musik erfasst. Newton hat als Dirigent dieser Symphonie

des Kosmos’ die Gravitation entdeckt. Einstein hat diese Symphonie neu dirigiert und einige andere

nicht hörbare Tonarten dabei entdeckt. So wie das menschliche Ohr nur einen Teil der in der Natur

vorherrschenden Töne erfassen kann, hat der menschliche Geist bislang auch nur einen Teil der

symphonischen Tondarstellung des Universums erkannt. Sicher werden hier noch viele Geheimnisse

der Aufklärung bedürfen. So ist heute noch nicht sicher, ob es sich bei der Periheldrehung des Merkur

um einen tatsächlichen Wert handelt oder ob dieser Effekt möglicherweise nur scheinbar durch das

Quadrulmoment, einer Polarisierung des Sonnenlichtes durch den Merkur, vorhanden ist und

innerhalb der Fehlergrößen der derzeitigen Messungen liegt.

Die Gesamtmasse aller Planeten des Sonnensystems ist mit 1/750 der Sonnenmasse bekannt.

Die gesamte Kraft des Drehimpulses der Sonne wirkt sich zu 98 % auf die Planeten aus. Die

Planetenmonde haben daran kaum einen Anteil. Vergleicht man die Größenverhältnisse der Planeten

und der Sonne mit den irdischen Objekten, so erkennt man die absolute Abhängigkeit der Planeten

52

von der Sonne. Die Störungen erscheinen dazu klein, sind aber dennoch ausschlaggebender Bedeutung

für die Bestimmung der Planetenörter.

Wenn man den Durchmesser der Sonne mit 1,4 Meter annimmt, so haben die Planeten

folgende Größen und Abstände:

Planet Durchmesser

in mm

Vergleich mit

einem Erdkörper

Abstand

in Meter

Umlaufzeit

in Jahren

Merkur 5 Erbse 58 0,24

Venus 13 Kirsche 108 0,62

Erde 13 Kirsche 149 1,00

Mars 7 Erbse 228 1,88

Jupiter 144 Kokosnuss 778 11,86

Saturn 121 Kokosnuss 1400 29,46

Uranus 53 Apfel 2900 84,02

Neptun 50 Apfel 4500 164,79

Pluto 6 Erbse 5900 248,4

In diesem System würde sich der nächste Fixstern in einem Abstand von ca. 41 000 km befinden.

Die Gemeinsamkeiten bzw. Gleichheiten der Planeten äußern sich in den mittleren Bewegungen, die

durch die Winkelgeschwindigkeiten, durch die Umlaufzeiten oder durch die großen Halbachsen ihrer

Bahnen und der Masse der Sonne gegeben ist.

= 2 : T = (G m) : a3

So bestehen viele Paare, in denen sich diese Verhältnisse in ganzen Zahlen ausdrücken, die überwiegen

kleiner als sieben sind. Als Beispiel sind hier die mittleren Bewegungen der Jupitermonde Io, Europa

und Ganymed, die Bahnbewegungen von vier Monden des Uranus und die mittleren Bewegungen von

Merkur und Venus sowie von Jupiter und Saturn. So wiederholt sich die relative Lage von Jupiter und

Saturn alle 14.400 Jahre. Auch können sich Neptun und Pluto nur bis auf eine Entfernung von 18 AE

nähern, und das obwohl im Perihel Pluto zur Sonne einen geringeren Abstand hat als Neptun. Eine

weitere Gesetzmäßigkeit spiegelt sich in den mittleren Bewegungen der meisten Asteroiden und dem

Jupiter wider. So sind im Asteroidengürtel (2,17 bis 3,64 AE zur Sonne) einige Gebiete entdeckt

worden, in den denen keine Asteroiden anzutreffen sind. In diesen Gebieten wäre die Umlaufperioden

53

ein ganzzahliges Vielfaches der Umlaufzeit des Jupiters. Auch muss angemerkt werden, dass sich die

Monde der Planeten zu den Planeten genauso verhalten, wie die Planeten zur Sonne. In Bezug auf das

Verhältnis der Gesamtmasse aller Monde ist das Verhältnis zur Masse der Planeten größenförmig

gleich den Verhältnis der Planetenmasse zur Sonnenmasse. Es ergibt sich somit die Feststellung., dass

alle Bewegungen im Sonnensystem synchron ablaufen. Als Hauptursache für diesen synchronen Ablauf

gilt eine Kraft, die sich als Gezeitenkraft bezeichnet. Man hat die Erkenntnis gewonnen, dass dieser

Kraftmechanismus auf die Umwandlung der Energie der gravitativen Störungen in den

Himmelskörpern in Wärmeenergie zurück zu führen ist. Die Umwandlung ergibt sich in Folge der ideal

elastischen Himmelskörper und entspricht dem Unterschied zwischen einem nicht oder nur zu einem

gewissen Teil elastischen Körper und einem ideal elastischen Körper. Ursache wiederum für diese

physikalische Tatsache sind Schwingungsabläufe, die auf Grund der verschiedenen elastischen

Eigenschaften von Körpern auch eine verschiedene Dämpfung von Schwingungen veranlassen. Ohne,

dass hier auf die Ursachen des Entstehens dieser Gezeitenreibung in einem Himmelskörper näher

eingegangen werden soll, soll doch ein Ergebnis dieser Erscheinung genannt werden. Durch die

Wirkung der Reibung, Gravitationsenergie in Wärmeenergie, in einem Planeten werden die großen

Halbachsen der Monde der Planeten ständig vergrößert. Beim Erdmond sind es drei cm pro Jahr. Da

jedoch in Wechselwirkung der Gravitation auch die Drehimpulse der Monde sich untereinander

gegenseitig beeinflussen, werden die Umlaufperioden der Monde untereinander gekoppelt und es

entstehen Kommensurabilitäten (lat. Gleichheiten, mit einem Maß messbar). ihrer mittleren

Bewegungen. Gleiches lässt sich nun auch die Planeten in Bezug auf die Sonne annehmen.

Verallgemeinert gesagt, liegt hier auch die Begründungen für die elliptischen Bahnen der

Himmelskörper um ihr Zentrum.

Aber nicht nur die Zeit muss betrachtet werden, sondern auch das Verhältnis der Zeit im Raum. Hier

spielt das Licht als Beobachtungsobjekt zur astronomischen Orientierung eine erste Rolle.

Das Licht der Sonne bewegt sich mit 299 792 458 Metern in der Sekunde und benötigt acht Minuten,

um von der 149 600 000 km weit entfernten Sonne zu uns auf die Erde zu gelangen. So sehen wir die

Vergangenheit der Sonne, aber niemals ihren Zustand im jeweiligen Augenblick. Diese Vergangenheit

ist nur 8 Minuten alt. Aber wir empfangen auch Licht von Sternen, welches Millionen von Jahren

unterwegs war. Dies ist eine echte Rückschau in die Vergangenheit des Universums., eine Rückschau

in die Zeit.

Wir können den Urknall erkennen, den A. Einstein schon 1916 in den Grundzügen formuliert hatte und

denen weitere Theorien über das expandierend Weltall folgten. Heute mag niemand mehr daran

zweifeln, dass sich vor ca. 11 bis 15 Milliarden Lichtjahre das Weltall urplötzlich ausbreitete. Aber diese

Ausbreitung war keine Ausbreitung der Materie schlechthin, vielmehr breitet sich der Raum mit den

darin befindlichen Formen der Materie selbst aus.

Wir werden später noch sehen, inwieweit die Lichtgeschwindigkeit und die Bewegung der Erde um die

Sonne (Revolution) etwas mit der Orientierung des Menschen auf dem Meer zu tun hat.

Vorweggenommen sei der Umstand, dass durch die Revolution der Erde die Sichtweise auf einen Stern

beeinflusst wird. Dieser Einfluss wird als Aberration des Lichtes bezeichnet und muss bei der

Berechnung der Sternenörter an der scheinbaren Himmelskugel beachtet werden.

54

So wird augenscheinlich, welche komplizierten Bewegungsabläufen im Kosmos, der Erde

eingeschlossen, berücksichtigt und mathematisch erfassbar gemacht werden müssen, um ein

ruhendes Inertial theoretisch zu schaffen und die Erde dadurch als Inertial S völlig kräftefrei und

stillstehend vorauszusetzen. Zuerst macht es erforderlich, die Gesetze eines in Rotation versetzten

homogenen Drehkörpers zu verstehen. An Hand eines physikalischen symmetrischen Kreisels, der drei

Freiheitsgrade aufweist und dessen Trägheitsellipsoid bezüglich des Stützpunktes

rotationssymmetrisch ist, formulieren sich die Gesetze, die besagen, dass ein kräftefreier Kreisel die

Lage seiner Drehimpulsachse im Raum unverändert beibehält, solange keine äußeren Kräfte auf diese

Achse wirken. Einer Parallelverschiebung setzt ein Kreisel wegen dieser Beharrlichkeit keinen

Widerstand entgegen. Versucht jedoch eine äußere Kraft die Rotationsachse des rotierenden Kräfte

freien Kreisels zu kippen, so weicht diese aus. Die so entstehenden Nickbewegungen werden als

Präzessionsbewegungen bezeichnet.

Aus dem Trägheitsmoment und der Winkelgeschwindigkeit entsteht als erstes Produkt dieser

physikalischen Funktionen der Drall des Kreisels.

L = J x w L Drall

J Winkelgeschwindigkeit

w Trägheitsmoment

Der Drall und die Winkelgeschwindigkeit lassen sich als Vektoren darstellen, wobei die Vektorrichtung

des Dralls der Vektorrichtung der Winkelgeschwindigkeit entspricht. Die Vektorrichtung der

Drehbewegung ist vergleichbar mit der Vorausbewegung einer rechts gedrehten Schraube. Das

Trägheitsmoment des Kreisels bleibt konstant. Nur der Drall ändert sich proportional zur

Winkelgeschwindigkeit. Nach der physikalischen Beziehung

F = m x a F Kraft

M Masse

a Beschleunigung

für die lineare Bewegung gilt angewandt auf die Rotationsbewegung des Kreisels, dass ein an einem

Kreisel mit dem Trägheitsmoment angreifendes Moment eine Winkelbeschleunigung bewirkt.

M =J x dv/ dt M angreifendes Moment

J Trägheitsmoment

dv/ dt Winkelbeschleunigung

Dieses Moment bewirkt die Drallveränderung am Kreisel.

DL/dt = M

Ein angreifendes Moment an einem Kreisel besitzt zwei Komponenten. Die erste Komponente weist

parallel zum Drall, während die zweite senkrecht darauf steht. Die parallele Komponente bewirkt

lediglich eine Veränderung des Dralls durch Beschleunigung oder Verlangsamung der

Kreiselrotationsgeschwindigkeit, die zweite Komponente hingegen bewirkt die Änderung der

55

Drallrichtung. Das trifft zu , wenn der Drehpunkt eines auf der Spitze stehendes Kreisels nicht senkrecht

über dem Kreiselschwerpunkt liegt.

Die z-Achse, auch als Symmetrie -, Dreh- oder Hauptachse bezeichnet, bewirkt die Rotation des

Kreisels. Die x-Achse ist die innere Dreh- oder Knotenachse. Sie bewirkt die Veränderung der Höhe des

Kreisels. Die senkrecht auf der x-Achse stehende y-Achse bewirkt die Veränderung des Azimuts. Diese

Achse wird auch äußere Drehachse oder Schwungachse genannt.

Der Kreiselpol „H“ ist das Ende der z-Achse vom dem die Bewegung des Kreisels entgegen dem

Uhrzeigersinn beobachtet wird. Ein Kreisel weist entsprechend seiner x, y, und z Achse drei

Freiheitsgrade auf. Wirken keine äußeren Kräfte, wie Reibung und Schwerkraft auf einem der drei

Freiheitsgrade, bleibt der Drehimpuls konstant. In einem geschlossenen System ist M=0 , daraus folgt

L = konstant. Ein kräftefreier Kreisel hält damit seine Lage im Raum unverändert bei. Ein um seine

Figurenachse (F) mit gleichförmiger Geschwindigkeit sich drehender Kreisel dreht mit gleichem

Drehsinn auch um die raumstabile Drehimpulsachse (D) und beschreibt dabei einen Kegelmantel, der

sich Nutationskegel nennt. Dabei wandert die weder im Raum, noch im Rotationskörper feste

Momentenachse (M) um die Drehimpulsachse und beschreibt den Mantel, der sich Sparkegel nennt.

Gleichzeitig beschreiben die aufeinanderfolgenden Lagen der Achse (M) bezüglich der Figurenachse

(F) den Polkegel des Kreisels. Die dabei zu beobachtenden Nippbewegungen des Kreisels werden als

Nutation bezeichnet (nutare: lat. schwanken, nicken). Die Drehimpulsachse, die Figurenachse und die

Momentenachse liegen dabei ständig in einer Ebene, die um die Drehimpulsachse rotiert. Dadurch

wird einer Parallelverschiebung keinen Widerstand entgegengesetzt. Bei ständiger Einwirkung einer

angreifenden Kraft (F) auf die Figurenachse außerhalb des Kreiselschwerpunktes entsteht die typische

Ausweichbewegung der Drehimpulsachse. Diese Ausweichbewegung wird als Präzession (wP)

bezeichnet.

wp = M : D = M : J

Ein rotierender kräftefreier Kreisel sucht somit seine Drehachse so einzustellen, dass sie mit der im

aufgezwungenen Drehung, d. h. der Richtung des äußeren Drehmomentes den kleinsten Winkel bildet

und beide Drehungen gleichsinnig werden. Mit anderen Worten: Die am Schwerpunkt angreifende

Kraft (F) bewirkt die Erzeugung eines Moments (M), dessen Betrag sich aus Produkt der Kraft und der

angreifenden Richtung der Kraft ergibt. Aus dem angreifenden Moment wird eine fortwährende

Kreiselpol

„H“ Y

X

Z

56

Änderung der Richtung des Dralls und damit der Kreiselachse eingeleitet. Greift die Kraft (F) horizontal

an, erfolgt die Präzession vertikal. Greift die Kraft vertikal an, erfolgt die Präzession horizontal. Die

Präzession ist umso größer., je größer das angreifenden Moment ist, jedoch ist sie dem Kreiseldrall

umgekehrt proportional. Den Zusammenhang liefert die Vektorgleichung M = L x wp.

Die Präzession des Kreisel erfolgt unverzüglich, denn bei M = 0, ist auch wp = 0.

Die Präzessionsbewegung des Kreisels wird durch die Nutationbewegung überlagert, die sich bei

Einwirkung des äußeren Drehmomentes durch ergeben, dass die resultierende Drehimpulsachse und

die Figurenachse nicht mehr zusammenfallen. Fallen beim Kreisel der Masseschwerpunkt (S) und der

Stützpunkt (O) nicht zusammen, spricht man von einem „schweren Kreisel“. Stützpunktbewegung und

Drehbewegung erfolgen nur dann unabhängig voneinander, wenn keine Beschleunigung auf den

Kreisel einwirkt.

Da sich die Erde im Gravitationsfeld der Sonne befindet und die Erde als Kreisel ein ungleichförmiges

bewegtes System darstellt, ist die Beschleunigungsfreiheit in Sinne von drei freien Freiheitsgraden

nicht gegeben. Nach F = m x a wirken somit Gravitationskräfte auf den Schwerpunkt der Erde ein. Die

Richtungen dieser Kräfte, die nicht in Richtung der Verbindung 0 – S verlaufen, bewirken ein äußeres

Drehmoment und zwingen die Erde zur Präzession. Wirken die Gravitationskräfte jedoch nur für eine

differenziert kurze Zeit, d. h. der Betrag der auf die Erde einwirkenden Gravitationskraft ist ab- und

zunehmender Art, so entsteht zusätzlich oder an Stelle der Präzession die Nutationsbewegung der

Erde. Da die Gesamtheit der einwirkenden Gravitation auf die Erde zum Hauptteil von der Sonne

ausgeht, jedoch auch entsprechend ihrer Entfernung und der relativen Lage zueinander der Mond und

die anderen erdnahen Planeten ihren gravitativen Einfluss zeigen, wirken auf den Äquatorwulst der

Erde ständig wechselnde Gravitationskräfte ein, die ihren Ausdruck in der Präzessions- und

Nutationsbewegung der Erde haben. Die Präzessionsbewegung der Erde beträgt im Jahr 50,4“. Davon

entfallen 30“ auf den Mond und 20“ (wechselnd) auf die Sonne. Ein kleiner nicht konstanter Rest wird

von den Planeten hervorgerufen. Die Weltachse beschreibt einen Kegelmantel mit einem Winkel von

23° 27“ um den fest im Raum stehenden Pol des Kugelinertials (Pol der Ekliptik). Die Umlaufrichtung

ist der Erddrehung entgegensetzt und erfolgt im Uhrzeigersinn und ist somit eine rückläufige

Bewegung. Die Umlaufzeit der Weltachse beträgt für den 360° Winkelbogen 25.700 Jahre und

bezeichnet sich als Platonisches Jahr. Da der Herbst- und Frühlingspunkt diese Bewegungen rückläufige

Bewegung mitmachen, verschiebt sich der Frühlingspunkt bzw. der Herbstpunkt jährlich im Mittel von

50,4“ rückläufig auf der Ekliptik gegenüber der Position des Vorjahres. Die Präzesionsbewegung kann

jährlich um 18“ aufgrund der Nutation abweichen. Somit wirkt die Präzessionsbewegung der jährlichen

Bewegung der Erde um die Sonne entgegen.

Wird die tägliche Drehung der Erde vom →nördlichen Pol des Kugelinertials betrachtet, so ist

feststellbar, dass die Rotation der Erde um die Erdachse entgegen dem Uhrzeigersinn verläuft. Die

Erddrehung erfolgt also von West nach Ost. Da die Erde um sich selbst rotiert, kann sie nicht

kugelförmig sein. In ihrer dynamischen Gesamtheit unterliegt sie hauptsächlich der Zentrifugalkraft

und der Gravitationskraft. Mit Hilfe des Äquatorumfangs der Erde kann die Winkelgeschwindigkeit der

Erde berechnet werden. Die Äquatorumfang umfasst 40075,180 km. Aus dem Verhältnis 24 Stunden

oder 360° : 40075180 Meter ergibt sich:

57

24 Stunden 360° 40075180 Meter

1 Stunde 15° 1669799,2 m

Das sind 16697, 992 km/h Rotationsgeschwindigkeit eines festen Bahnpunktes auf dem Erdäquators.

Wird das Kugelinertial mit dem geographischen Koordinatensystem auf einen Punkt der

Erdumlaufbahn projekziert und die Erde in dieses Inertial gelegt, so ist die Schiefe der Ekliptik

erkennbar.

Insgesamt muss also für die Simulation eines Inertial Modells in Bezug auf die Erde

1. Die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne (Revolution)

2. Die tägliche Bewegung der Erde um ihre Achse (Rotation)

3. Die Bewegung der Erdachse um den Pol der Ekliptik (Präzession und mit Einfluss

der Nutation)

beachtet werden.

58

Das Modell des Kugelinertials erhält die Bezeichnung Stundenwinkel- oder Äquatorsystem, wobei die

Erde im diesem System als unbeweglich und fest im Raum stehend gedacht ist. Alle Bewegungen der

Himmelskörper projekzieren sich als relative Bewegungen. Die Festlegung der Bahnpunkte anderer

Systeme in Bezug auf dieses Stundenwinkelsystem basiert auf die Ortung von Abstands- und

Richtungswinkeln des Horizontsystems.

Die Himmelsachse ist die Verlängerung der Erdachse und wird durch den nördlichen und den südlichen

Himmelspol begrenzt. Der obere Pol ist der Himmelspol an der unendlich großen Himmelskugel über

dem Betrachter. Der Himmeläquator liegt in der Ebene des Erdäquators. Die Stundenkreise führen, so

wie die Meridiane im geographischen Koordinatensystem von Pol zu Pol, während die

Deklinationskreise, gleich den Breitenkreisen der Erde, parallel zum Äquator verlaufen. Die

Himmelskugel dreht sich innerhalb von 23h 56 min 4s einmal um die Erde. Die Stundenwinkel (t)

werden von 000° beginnend im Uhrzeigersinn bis 360° gezählt, denn die Erde dreht sich aus dem

Weltall betrachtet von West nach Ost. Demzufolge führt die scheinbare Himmelskugel, da die Erde als

feststehend betrachtet wird eine Drehung von Ost nach West aus. Alle Gestirne, die auf- und

untergehen, gehen im Osten auf und im Westen unter. Somit wächst der Stundenwinkel im gleichen

Sinne wie die Zeit. Die Zählung des Stundenwinkels erfolgt entgegen der halbkreisigen Zählweise der

geographischen Länge vollkreisig im Uhrzeigersinn. Auf die Ebene des Himmelsäquators wird die 360°-

teilige Kompassrose aufgelegt. Die 0° Marke entspricht dem 12 Uhr Kreis, analog dem Null- oder

Greenwicher Meridian, (Süd oder Mittagskreis) die 90° Marke entspricht dem 18 Uhr Kreis (West oder

Abend), die 180° Marke entspricht dem 24 Uhr kreis (Nord oder Mitternacht) und die 270° Marke

entspricht dem 6 Uhr Kreis (Ost oder Morgen). Dieser Stundenwinkel kann somit sowohl in Grad- als

auch im Stundenmaß angeben werden. Für Berechnungen ist es jedoch vorteilhafter den

Stundenwinkel in Gradmaß anzugeben. Um den Standort des Beobachters mit in das

Stundenwinkelsystem einbeziehen zu können, wird die Länge des Beobachtungsstandortes in den

vollkreiszähleigen Stundenwinkel umgerechnet. Der Stundenwinkel (t), auch als Greenwicher

Stundenwinkel (Grt) bezeichnet, wird zum Stundenwinkel eines Beobachtungsortes oder zum

Ortstundenwinkel (OSW), indem wir die östliche Länge des Beobachtungsortes zum Grt addieren bzw.

indem wir die westliche Länge unseres Beobachtungsortes vom Grt subtrahieren. Dieser errechnete

Wert ist dann der OSW, der in eine halbkreisige Zählweise umzurechnen ist. Ist der OSW kleiner als

180°, wird er als westlicher Stundenwinkel (tw) bezeichnet. Ist er dagegen größer als 180°, erhält er die

Bezeichnung östlicher Stundenwinkel (tö). Diese Umrechnung deckt sich dann mit den Richtungs- bzw.

Zeitmarken im Stundenwinkelsystems.

Ein erster Fehler tritt auf, wenn die Erde als Kugel angenommen wird. Schon die 1736 durchgeführte

Gradmessung, auf das 1615 entwickelte Triangulationsverfahren von Snellius zurückgreifend, ließ die

elliptische Form der Erde erkennen. Die an den Erdpolen abgeplattete Erde ist mathematisch gesehen

ein Rotationsellipsoid. Die Schwierigkeit besteht nun darin, die Erdoberfläche auch wirklichkeitsgetreu

abbilden zu können. Um die Lagebeziehungen zwischen allen Orten auf der Erde zueinander zu

ermitteln, müssen genaue Kenntnisse über wirkliche Form und Größe der Erde vorliegen. Mit den

optisch ermittelten, triangulierten Landesnetzkarten ließ sich nur eine Genauigkeit von +/- 8 mm auf

10 km Strecke, bei Höhenvermessungen sogar +/- 4mm auf 1km Länge erreichen. Diese Fehler

brachten mit sich, dass 100 km weit entfernte Punkte infolge der Erdkrümmung schon 784 m tiefer

lagen. Genaue Messungen wurden durch die →terrestrische Refraktion verfälscht, so dass diese Fehler

nicht beseitigt werden konnten. Konstruiert man eine Fläche, auf der die Schwerkraft der Erde überall

59

senkrecht steht, ergibt sich die ideale Oberfläche der Erde. Der so gefundene theoretisch formulierte

Körper wird seit 1873 als Geoid bezeichnet und stimmt in etwa mit dem ungestörten Meeresspiegel

überein. Ein Vergleich der für einzelne Gebiete geschaffenen Referenzellipsoide konnte bis in die

sechziger Jahre des 20 Jahrhunderts nur bis zu einer Genauigkeit von +/- 100m erfolgen. Konnte die

Lage der Berghöhen und der Meerestiefen auf Ellipsoid Grundlage nur ungefähr ermitteln werden,

mussten diese auf die theoretische Fläche des Geoids bezogen werden, um überhaupt Angaben

machen zu können. So betrugen die Abweichungen (Undulationen) zwischen Erdellipsoid und Geoid 1

bis 2 Bogensekunden und bringen Messungenauigkeiten von 5 bis 15 m mit sich.

Eine genaue Erfassung des Erdkörpers, welche die →terrestrische Refraktion ausschließt, ist erst mit

der heutigen Satellitentechnik aus dem erdnahen Kosmos heraus für die gesamte Erdoberfläche

gegeben, kann jedoch aufgrund der ungleichen Dichte und Form der Erdkruste nicht als gesamtes,

sondern nur in Teilen als tatsächliches Modell vereinheitlicht werden.

Verlauf der Oberflächen von Geoid (blau), Rotationsellipsoid (rot) und physischer Erdform (grün)

Die beste Approximierung des Geoids erfolgt durch ein an den Erdpolen abgeplattetes Ellipsoid, der so

konstruiert ist, dass das Zentrum des Erdellipsoids gleichzeitig der Massemittelpunkt der Erde ist und

das Volumen dieses Erdellipsoids dem Volumen der Erde entspricht. Die physische Erdachse soll dabei

mit der ellipsoiden Achse zusammenfallen. Die Gesetze der Ellipse gestatten genauere

Koordinatenberechnungen, als dies durch die mathematischen Beziehungen für die Kugel gegeben ist.

So gilt für die Berechnung der numerischen Exzentrizität einer Ellipse mit der halben Hauptachse a

(Äquatorradius) und der halben Nebenachse b (halbe Erdachse) die Beziehung: =−a b

a

2 2

.

Die Differenz zur Kugel wird durch die lineare Abplattung ' = −a b und die numerische Abplattung

=−a b

a ausgedrückt. Analog dazu muss zwischen der linearen Exzentrizität e a b' = −2 2

und

der numerischen Exzentrizität ea b

a=

−2 2

2 unterschieden werden.

Zwischen e und a besteht die Beziehung: e2 = 2 .

Nun tritt an der Oberfläche eines ellipsoiden Körpers der Umstand auf, dass diese verschieden

gekrümmt ist. So ist eine meridionale Krümmung und eine Querkrümmung als

Krümmungshauptrichtung benannt.

60

Während der Krümmungshalbmesser einer Kugel wegen der Kugelsymmetrie überall gleich ist, ändert

sich der Meridiankrümmungshalbmesser (M) mit der geographischen Breite. Der Erdellipsoid ist an

den Polen flach und in der Äquatorgegend am stärksten gekrümmt. Das kommt in der Werten der

Abplattung zur Geltung.

Die z-Achse im geographischen Koordinatensystem ist der Erdradius der volumengleichen Kugel,

jedoch mit der praktischen Einschränkung, dass die metrischen Angaben von Wasserständen oder von

Höhen und Tiefenwerten des Wassers oder anderer Objekte entsprechend dem verzeichneten

Seekartennull entsprechen und somit nicht auf den Erdmittelpunkt, sondern auf den Meeresgrund

oder auf das Kartenniveau einer Seekarte bezogen sind. (Siehe Seevermessung und Gebrauch von

Seekarten)

Großkreis mit der

sphärischen Distanz d

und der

Nordpol

Äquator

Greenwicher

Südpol

Leitpunkt

Richtung der Erdrotation

geogr. Ort A

= 54°20,5’N

geogr. Ort B

= 51°56,9’S

A

B

C Darstellung eines Großkreises auf

dem Erdellipsoid

61

DIE GRÖßE DER ERDE NACH DEM INTERNATIONALEN REFERENZELLIPSOID

Erdradius äquatorial........................... a = 6378,168 km

Erdradius polar................................... b = 6356,777 km

Abplattung......................................... c = (a − b) : a = 1 : 297

1° in Länge......................................... 111,418 km cos − 0,094 km cos 3

1° in Breite......................................... 111,137 km − 0,562 km cos 2

Radius der volumengleichen Kugel…. 6371,221 km

Volumen............................................ 1083,320 109 km3

Oberfläche.......................................... 510,101 106 km2

Soll der Krümmungshalbmesser berechnet werden, so muss der Radius des entsprechenden Punktes

auf der Ellipsenoberfläche als Kreispunkt gesehen werden. Für den Krümmungshalbmesser der

Meridianellipse M gilt: Ma e

e

=−

( )

( sin )

1

1

2

2

2

3

und für den Querkrümmungshalbmesser N gilt:

Na

e

=

−( sin )1 2 2

1

2

Die Berechnung ergibt entsprechend der unterschiedlichen Krümmung auch unterschiedliche lange

Radiusstücke, die alle lotrecht zur Ellipsenoberfläche stehen. Die Krümmungshalbmesser M und N

stehen senkrecht aufeinander, womit die Krümmungen auf dem Ellipsenkörper erfasst sind. M steht

senkrecht auf seinem entsprechenden Meridianstück, und N steht senkrecht zu der Meridianrichtung

vom M. Das Verhältnis von N und M ist eins. wenn der Körper eine Kugel ist. An den Erdpolen ist

dieses Verhältnis eins. Wird ein ausgewähltes Gebiet der Erde berechnet, so wird mit dem mittleren

Krümmungshalbmesser R gerechnet. Um R zu erhalten, gilt: R MN= . Entsprechend den

verschiedenen Referenzellipsoiden der Gebiete der Erde gelten nun auch verschiedene

Krümmungshalbmesser.

62

Meridiankrümmungshalbmesser und Querkrümmungshalbmesser

Die Meridiane auf der als Kugel angenommenen Erde werden hier zu Halbellipsen, während sich die

Form der Breitenparallele nicht ändert. Entsprechend der Richtung des Radius des

Krümmungshalbmessers gehen die Lotrechten nicht mehr durch den Erdmittelpunkt, sondern

schneiden die Erdrotationsachse unterhalb oder oberhalb des Äquators. Demzufolge definiert sich die

geozentrische Länge analog der geographischen Länge, für die Definition der geozentrischen Breite ’

kommt eine Differenz, die sich in der Breitenreduktion r = − ’ ausdrückt, zum Tragen. Diese wird in

Bogensekunden durch die Formel rarc

= sin

"

2

1 bestimmt. Wird die Länge einer Seemeile anstatt auf

die Erdkugel auf das gültige Erdellipsoid bezogen, errechnet sich die Länge einer Bogenminute in

Anwendung der Bogenmaßgleichung auf dem elliptischen Meridian 1’ zu: 11 1

1

2

2 2

3

2

'( ) '

( sin )

=−

a e arc

e

=

1852 − 9,4 cos 2.

Insgesamt ergeben sich folgende Werte für das internationale Referenzellepisoid:

1° in Länge 111,418 km cos − 0,094 km cos 3

1° in Breite 111,137 km − 0,562 km cos 2

Da die Länge einer Bogenminute somit auf einem Erdellipsoid nicht einheitlich sein kann, an den Polen

beträgt sie ca. 1842,9 m und am Äquator ca. 1861,6 m, wird die Seemeile entsprechender

internationaler Vereinbarung mit 1852 m angewandt.

M b

a

Äquator

N b

a

Äquator

63

Benutzt man als Näherung für das Geoid das internationale Rotationsellipsoid nach HAYFORD (bekannt

unter ED-50), so gilt

a = 6378388, 000 m

b = 6356911, 946 m

a − b = 1 .

b 297,00

während als Radius der Erdkugel 6371,221 km aus dem ED-50 heraus berechnet sind. Es ist somit

zwischen geographischer Breite und geozentrischer Breite ‘ zu unterscheiden. Aus einem

ausgewählten Meridianausschnitt (siehe Bild) ergibt sich, dass die Richtung der Normalen in einem

Punkt P (x, y) des Ellipsoids wie folgt aus den Gleichungen der Normalen an eine Ellipse berechnet

werden kann, wenn und laufende Koordinaten sind.

,22 ya

y

xb

x −=

,)(2

2

yb

a

x

yx +−=

.tan2

2

x

y

b

a=

Ferner ergibt sich aus dem Bild „Meridianausschnitt“

tan ‘ = y : x

Für = 0° (Äquator) und = +/− 90° (Pole) ist ‘ = .

Die maximale Abweichung für die Bereichsmitte ‘ = 45° kann folgendermaßen abgeschätzt werden:

a : b = 1,0033784,

64

a2 : b2 = 1,0067682.

Der mit ‘ = 45° vergleichbare Winkel ergibt sich dann zu

tan = (a2 : b2) tan 45 = 1,0067682

= 45° 11’ 36“.

Einer Bogenminute auf dem elliptischen Meridian des Internationalen Ellipsoids (ED-50) entspricht

demzufolge am Äquator ein Bogenstück der Länge von 1842,8 m und von 1861,5 m an den Polen. Da

die Länge einer Seemeile auf der dem Ellipsoid (ED-50) zugeordneten Kugel gleich 1852,2 m beträgt

und die 1928 vom Internationalen Hydrographischen Büro in Paris vorgeschlagene Länge 1852 m ist,

beträgt die maximale Abweichung vom Standard 0,5 %.

Bei der Bewegung eines Fahrzeuges mit konstanter Geschwindigkeit vom Äquator zum Pol verläuft die

Normale zur Plattformebene also nur am Äquator und am Pol durch den Erdmittelpunkt. In allen

Positionen des Fahrzeugs auf der Nordhalbkugel durchstößt sie die Erdachse in Punkten, die südlich

der Äquatorebene liegen. Bei Fahrzeugpositionen auf der Südhalbkugel ergäben sich Durchstoßpunkte

der Erdachse auf der Nordhalbkugel. Die Breiteparallele haben auf dem Ellipsoid unterschiedliche

Abstände.

Da der Radius eines Breitenparallels auf der Kugel durch

r = R cos

bestimmt wird, ist noch die Abweichung für das Ellipsoid zu ermitteln. Vergleiche des Radius der

Erdkugel mit den Halbachsen a bzw. b des Erdellipsoids ergeben, dass die Abweichung der

zugeordneten Längenminuten maximal etwa 0,2 % ausmacht.

Ein zweiter Fehler tritt durch das dynamische Verhalten des Systems Erde auf. So muss das

System Erde als ein dynamisches System verstanden werden, welches sich ständig fern vom

Gleichgewicht befindet. Das System Erde ist einem ständigen Zufluss von kosmischer Materie und

Energie ausgesetzt. Dieser Zufluss gewährleistet erst die Gesamtheit der Funktion der Erde als

kosmischen Organismus. Das dynamische Verhalten der Erde zur Aufrechterhaltung des inneren

Systemgleichgewichtes, dessen Struktur nur durch nichtlinearen Gleichungen erfassbar wird, machen

die Beschreibung von Bestandteilen des System Erde kompliziert und verlangen ein abstraktes

mathematisches Modell, welches nicht aus dem Sonnensystem und dem Kosmos als ganzes System zu

trennen ist. Das Formulieren einer hydrostatischen Gleichgewichtsfigur unterliegt ständiger Dynamik.

Diese Erscheinungen dieser Dynamik des Systems müssen somit berücksichtigt werden, wenn die

Änderung des Massemittelpunkt der Erde definiert und mit dem Erdellipsoid übereinstimmen soll.

Dabei muss die Änderung der Neigung der physische Rotationsachse muss ermittelt und mit der

geometrischen verglichen werden können. Ferner muss das Volumen des Erdellipsoids gleich dem

Volumen der Erde sein. Die gedachte Rotationsachse der Erde durchstößt die Erde im Nord- und

Südpol. Der Mathematiker Euler bewies jedoch, dass die Rotationsachse einer rotierenden starren

65

Kugel nicht notwendiger Weise starr mit dem Rotationskörper verbunden bleiben muss, sondern dass

die Polpunkte um eine mittleren Lage kreisen. Er errechnete für die Erde, dass hier eine theoretische

Polverlagerung mit einer Periode von 305 Tagen erfolgen kann. In den achtziger Jahren des 19.

Jahrhunderts griff nun der deutsche Astronom Friedrich Küstner (1856 bis 1936) dieses Problem erneut

auf. Er fand mittels genauer Messungen am Meridiankreis diese periodischen kleinen Schwankungen

bestätigt. Als ein wenig später der amerikanische Astronom Seth Carlo Chandler (1846 bis 1913) die

Breitenmessungen der englischen Greenwicher Sternwarte sorgfältig analysierte, fand er, dass diese

periodischen Schwankungen in einem Rhythmus von 435 Tagen mit einem Mittelwert von ca. 0,3“

auftraten (Chandlersche Periode). Der zu Anfang des 20 Jahrhunderts sich organisierte

Internationale Breitendienst stellte schließlich für den Zeitraum von 1900 bis 1912 einen

im Durchmesser von 20 Meter großen Kreis fest, in dem innerhalb dieses Kreises die Polschwankungen

mit ca. 0,3“ stattfinden. Da Euler in seinen theoretischen Berechnungen von einer starren Erde

ausgegangen ist, musste sein ermittelter Periodenwert mit 305 Tagen kleiner ausfallen, als der

wirkliche Wert von 435 Tagen. Werden die von Euler formulierten Berechnungsgrundlagen nun für

rotierende elastische Körper angewandt, so kann aus dem Vergleich zwischen der theoretischen

Berechnung eines starren rotierenden Körpers im Vergleich mit den ermittelten Messungen auf den

Grad der Elastizität eines rotierenden Körpers geschlossen werden.

So wird durch Massenverlagerung auf und in der Erde bzw. in der Erdatmosphäre, hervorgerufen u. a.

durch Verschiebung von Erdschollen, wechselnde Schnee- und Eisverhältnisse in der Polargegend oder

durch Verlagerung von Luftmassen der Erdachse nicht nur der Masseschwerpunkt der Erde ständig

verlagert, sondern auch die Erdachse.

Durch diese Schwankungen wird nicht nur das geographische Gradnetz um den Betrag der

Schwankungen verschoben, sondern es verändert sich auch fortlaufend das Trägheitsmoment der

Erde. Welche Berücksichtigung diese Gesetzmäßigkeiten in dem System Navigation erfahren muss,

werden später noch sehen.

Erst durch exakte Messmethoden wurde es der astronomischen Forschung möglich, die Grundlagen

für eine Bestimmung der Konstanten der →Präzession, →Nutation und →Aberration und den exakten

Wert der Schiefe der Ekliptik zu bestimmen. Es ist das Verdienst des Mathematikers Friedrich Wilhelm

Bessel (1784 – 1846) hier neue mathematische Wege zu ergründet zu haben. So hat die Nutation eine

Periode von 18,5 Jahren und die Präzession eine Periode von 25.800 Jahren (Platonisches Jahr). Neben

diesen regelmäßigen Schwankungen verringert sich die Rotationsgeschwindigkeit kontinuierlich durch

die Gezeitenreibung.

Ein dritter Fehler wird durch das Wirken der Scheinkräfte sichtbar. Physikalisch stellt die Erde

einen Kreisel dar. Als der französische Physiker Le´on Foucault (1819 bis 1868) 1851 ein langes Pendel

im Innern der Kuppel des Pariser Pantheons aufhing und in Schwingungen versetzte, zeigte sich dass

diese Schwingungen nicht dauern in einer Ebene verliefen, sondern sich im Uhrzeigersinn drehten. Die

Ursache liegt in der entgegen dem Uhrzeigersinn sich drehenden Erde von West nach Ost. Die Erde

dreht sich sozusagen unter dem bewegendem Pendel hinweg und zwar in einem Sterntag um volle

360°. Während diese Erscheinung am Äquator nicht auftritt, erfolgt sie an den Erdpolen umso

schneller. Am Südpol wurde diese Bewegung entgegen dem Uhrzeigersinn erfolgen. Diese nach den

Gesetzen der Mechanik auftretenden Kräfte bezeichnen sich als Scheinkräfte. Sie bewirken die

Bahnablenkung eines auf der Erdoberfläche bewegten Körper auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf

66

der Südhalbkugel nach links und wurden nach ihrem Entdecker dem französischen Mathematiker

Gaspard Gustave Coriolis (1792 bis 1843) als Coriolis-Kraft benannt. Am augenscheinlichsten wird diese

Kraft, wenn die Passatwinde betrachtet werden. Da am Äquator der Erde die Luftmassen durch die

senkrecht einfallende Sonneneinstrahlung besonders stark erwärmt werden, erfolgt eine Abnahme

der Dichte dieser Luftmassen und sie steigen nach oben. Diese aufsteigenden Luftmassen halten nun

einen andauernden Zirkulationsprozess in Gang, denn während die erwärmte Luft nach oben steigt,

fließt aus den nördlichen und südlichen kälteren Gebieten kühlere Luft nach. Die dadurch

entstehenden zwei Wirbelringe in der unteren Atmosphäre sind →Steuerzentren, die die Erde in den

Tropen umschlingen und dessen am Erdboden befindliche zum Äquator hinströmende Winde sich

Passate nennen. Bei stillstehender Erde kämen diese Passatwinde genau aus nördlicher bzw. südlicher

Richtung. Durch die Rotationsgeschwindigkeit der Erde, die ihren größten Wert am Äquator mit ca.

900 kn. erreicht und die nach Osten gerichtet ist, kommen die nördlich bzw. südlich und somit

senkrecht auf den Äquator fallenden Luftmassen nicht dort an, wo sie bei stillstehender Erde hätten

eintreffen müssen. Die Erde dreht sich unter den Luftmassen hinweg. Die Luftmassen haben

demzufolge eine etwas geringerer Ostgeschwindigkeit und bleiben nach Westen zurück. Aus

Nordwinden werden so die Nordostpassate und aus Südwinden werden Südostpassate. Aber auch

andere meteorologische Erscheinungen werden erst verständlich, wenn die Betrachtung der

Erdrotation in das Gesamtbild einbezogen wird. So bilden sich in höheren Breiten im Laufe der

Wetterentwicklung Tiefdruck- und Hochdruckgebiete. Würde die Erde nicht rotieren, würde am

Erdboden Luft von außen in das Zentrum eines Tiefdruckgebietes nachströmen. Durch die Erdrotation

wird auf der Nordhalbkugel jedoch die von Norden einströmende Luft nach Westen abgelenkt und die

von Süden einströmende Luft (wegen der größeren Ostgeschwindigkeit) nach Osten. So bilden sich

Windsysteme aus, die auf der nördlichen Halbkugel entgegengesetzt und auf der südlichen im

Uhrzeigersinn um das Zentrum eines Tiefs kreisen. Ursächlich für diese Scheinkräfte ist das von Newton

definierte →Trägheitsgesetz. So kann die Erde kein Inertial darstellen, indem das Trägheitsgesetz

neben dem Gravitationsgesetz alle mechanischen Bewegungen zu deuten erlaubt.

Letztlich wirkt noch ein vierter Fehler, der sich als Gegenkraft der Schwerkraft der Erde ergibt.

So hat der Franzose Jean Richter (1630 bis 1696) ebenfalls mit einem Pendel experimentiert. Nach dem

Newtonschen Gravitationsgesetz nimmt die Schwerkraft um das Quadrat der Entfernung vom

Gravitationszentrum ab. Auf Grund der abgeplatteten Form der Erde wird ein Pendel am Pol somit eine

andere Schwingungsperiode besitzen als am Äquator. Und so stellte J. Richter mittels eines

gleichlangen Pendels eine unterschiedliche Schwingungsperiode zwischen den Orten Cayenne, ein Ort

auf dem Äquator Südamerikas und Paris fest, der besagt, dass die Pendelbewegung am Äquator

langsamer ist, als am Pol. Wäre die Erde kreisrund, so müsste die Schwingungsperiode eines Pendels

überall auf der Oberfläche der als ideale Kugel angenommenen Erde gleich schnell erfolgen. Dieser

Unterschied wird nun noch durch die Zentrifugalkraft der rotierenden Erde verstärkt. Diese Scheinkraft

wirkt der Anziehungskraft entgegen und ist am Äquator gleich Null, hat jedoch ihren größten Wert an

den Erdpolen.

So ist erstens die Schwerkraft aufgrund ellipsoiden Form des Erdkörpers an dessen Oberfläche nicht

gleichstark (Mittelwert 980,62 cm s-2). Sie erreicht an den Polen ihren größten und am Äquator ihren

kleinsten Wert. Zweiten wirkt die Zentrifugalbeschleunigung dagegen, die an Polen gleich Null und am

Äquator einen Wert von 3,3915 cm s-2 besitzt.

67

Drittens besteht ein ständiger Wechsel des gemeinsamen Masseschwerpunktes Erde – Mond, der im

Bereich des physischen Erdkörpers liegt und ständig für eine Verlagerung des Gravitationsfeldes der

Erde sorgt, da die Anziehungskraft gegen die Anziehungskraft der Erde wirkt (→ Gezeiten). Alle diese

Kräfte zeichnen sich nun durch ein stark dynamisches Verhalten aus, welches als Gesamtbild zwar zu

erfassen, aber im Einzelnen nicht zu differenzieren ist. So unterliegt die Erde ständigen

Beschleunigungskräften, die es nicht zulassen, die Erde als Inertial zu betrachten. Es wird nur möglich,

unter Ausschluss von Verfeinerungen das Simulationsmodel eines Erdinertials theoretisch

anzunehmen, wenn die Hauptkräfte der Beschleunigungen herausgerechnet werden und

verschiedene Erdellipsoide unter Verwendung eines weltweiten geodätischen Systems vereinheitlicht

wird (→ WGS 84).

68

DAS NAVIGATIONSSYSTEM S‘ (SCHIFF)

Für das Inertial S‘ kann jeder Körper oder jeder Fixpunkt angenommen werden. Für die Seenavigation

wird das Schiff zu einem Inertial, wenn im System keine Beschleunigungen auftreten.

Das Inertial Schiff (S‘) kennzeichnet sich in seinen drei Achsen als Inertial ohne Trägheitskräfte. Als

einziger Bezug zum ruhenden Kugelinertial (S) wird der Einfluss der Gravitation der Erde (System S) still

akzeptiert. Als Idealfall eines solchen Zustands kann ein Schiff auf Helling betrachtet werden. Ein im

Hafen festgemachtes Schiff kann hier nur unter den Bedingungen der Sollausrüstung (NRT) und

Ladungszustand (BRT) als Idealfall angesehen werden. Da sich das Schiff als physikalischer

Schwimmkörper definiert, müssen die Eigenschaften der Schwimmfähigkeit als auch der Stabilität

eines solchen Schwimmkörpers in die Systembetrachtung des Systems Schiff einfließen. Die Fähigkeit

eines Schiffes mit einem Teil seines wasserverdrängenden Volumens über Wasser zu bleiben, gewährt

die Sicherheit des Schiffes nicht zu sinken. Während die Schwimmfähigkeit die Sicherheit eines Schiffes

gegen Sinken darstellt, ist die Stabilität eines Schiffes die Sicherheit gegen Kentern. Ausgehend vom

Archimedischen Gesetz ist das Gewicht des Schiffes gleich dem Gewicht des Wassers, dass es

verdrängt. So ist die Verdrängungskraft eines Schiffes auch gleich seiner Auftriebskraft, wobei für die

Ermittlung der Auftriebskraft die Elemente der Erdbeschleunigung und der Dichte des Mediums

Wasser berücksichtigt werden müssen. Somit darf die lotrechte Definition der x’ – Achse des Systems

S’ gleich der x – Achse des Systems S nicht unbeachtet bleiben, sondern muss als Element der

Achsenberechnung von x’ mit einfließen und ist hinsichtlich der Orientierung und Fortbewegung auf

den Meeren der Erde mittels Schiffe also ein ganz logische Konsequenz.

z‘

y‘

x‘

M‘

Inertialsystem

S‘

69

Die Konstruktionslinie der Kiellinie des Schiffes stellt die y’ – Achse dar. Wird diese im Winkel von 90°

auf der Lotrechten ausgerichtet, ist die z’ – Achse des Systems S’ gegeben. Die x’ – Achse definiert sich

als Schiffsquerachse, die auf dem waagerechten Schiffsdrehpunkt der y’ – Achse senkrecht steht. Die

Ausrichtung der z’ – Achse auf der Lotrichtung der x – Achse des Inertials S stellt die erste Verknüpfung

der Systeme S und S’ dar. Angesicht der Tatsache, dass aus rein schiffbaulichen Erwägungen diese

Verknüpfung unverzichtbar ist, soll sie an dieser Stelle erwähnt werden. Der gemeinsame Schnittpunkt

der drei Achsen soll gleichzeitig der Gewichtsschwerpunkt des Schiffes sein.

Durch die Einwirkungen von Trägheitskräften aus dem System S’ selbst heraus bzw. von außen treten

die Drehwinkel entsprechend der Lageänderung gegenüber der Ruhelage des Systems S’ auf. Das

Inertial S’ kann damit nicht mehr als Inertial gelten, sondern soll dann als Navigationssystem S’

bezeichnet werden. Ist S‘ ein Schiff, so formuliert sich als Ursprung des Systems S‘ die Schnittpunkte

aller drei Achsen x’, y’ z’. Die Drehwinkel z’, x’, y’ bekommen einen Wert ungleich Null, wenn das

System S’ aus seiner Ruhelage gebracht wird. Es gelten die Begriffe:

Winkel x’ für den Rollwinkel in Bezug auf die Ruhelage S’;

Winkel y‘ für den Gierwinkel in Bezug auf die Ruhelage S’;

Winkel z‘ für den Stampfwinkel in Bezug auf die Ruhelage S’.

Entsprechend der Dreidimensionalität der Körper kann außer bei parallelem Verschub auf einer, zwei

oder drei Achsen ein Drehwinkel sich nur ändern, wenn sich auch ein anderer Winkel ändert.

Demzufolge ergeben sich feste Drehachsen für die verschiedenen Drehwinkel.

Winkel: Gieren feste z‘ Achse: Bewegung der y‘ und der x‘ Achse.

Winkel: Rollen feste y‘ Achse: Bewegung der x‘ und der z‘ Achse.

Winkel: Stampen feste x‘ Achse: Bewegung der y‘ und der x‘ Achse.

Selbstverständlich können alle drei Bewegungen gleichzeitig auftreten.

x‘

x’ 0°

y’

y’ 0° z’ 0°

z‘

70

Wird das System S’ mit einer Kugel umgeben, wobei der Durchmesser der Kugel nicht definiert ist und

wird als Mittelpunkt dieser Kugel der Schnittpunkt der x’, y’, z’ – Achsen des Systems S’ gewählt, so

können die Lagewinkel dann abgelesen werden, wenn als Nullwert der Lagewinkel, die Achsen x, y, z

der als Inertial interpretierten stillen Meeresoberfläche gilt. Die z’ Achse befindet sich dabei lotrecht

in Bezug auf den Mittelpunkt der Schwerkraft der Erde. Die Horizontfläche der x’- y’ – Ebene des

Systems S’ soll bei einer Beobachtungshöhe von Null Meter dabei gleichzeitig der gemeinsame

Drehpunkt aller drei Achsen des Systems S’ sein. Es besitzt folgende Elemente:

Begriff Definition des Horizontsystem

Achse

Gerade durch den Kugelmittelpunkt

z’ – Achse

Lot oder Verbindung zwischen Zenitpunkt Schiff Erdmittelpunkt

Begriff: senkrecht

Grundebene

x – y – Ebene durch den Kugelmittelpunkt, senkrecht zur Achse,

wahre Horizontebene des Schiffes, Lage der x und der y – Achse des Schiffes

Begriff: waagerecht

Umfang des

Grundebene

(Horizontkreis)

Umfang der Grundebene gegeben durch den Unterschied zwischen der

senkrechten Höhe des Beobachtungsortes (scheinbarer Horizont) auf der z’ - Achse

unter oder über dem Koordinatenursprung des Systems S’ in Meter,

Begriff: Augenhöhe oder Beobachtungshöhe

Pole Schnittpunkte der Achse mit der scheinbaren Kugeloberfläche

Erdmittelpunkt, Zenitpunkt

Mittelpunkt Kugelmittelpunkt ist der Schnittpunkt der x’, y’, z’ – Achsen des Systems S’

Leitpunkt Modifizierter Schnittpunkt der y – Achse mit dem Horizontkreis (Kiellinie des

Systems S’)

71

Die Koordinaten des Systems definieren sich dann wie folgt:

Koordinate Definition der Koordinaten im Horizontsystem

Richtung

Koordinate des Polarkoordinatensystems, Gierwinkel oder Peilwinkel in Grad, eventuell auch in

Minuten, Sekunden gemessen auf der Grundebene von einem Leitpunkt (Schnittpunkt der y’

Achse mit den Horizontkreis des scheinbaren Horizonts, Schiffsvorausmarke) aus durch

Anwendung der 360° Vollkreisteilung im Uhrzeigersinn von 000° voraus über 090° querab Stb,

über 180° achteraus, über 270° querab Bb bis 360° voraus. (Schiffspeilung) oder durch

Anwendung der Halbkreisteilung von 000° voraus über jeweils 90° Stb oder Bb bis 180°

achteraus (Schiffseitenpeilung)

Abstand

Koordinate des Polarkoordinatensystems, Abstand oder Distanz auf der Grundebene in

nautischen Minuten (Seemeilen) –Überwasserortung- oder in Meter (Unterwasserortung),

wenn der Höhenwinkel 000° beträgt, oder auf dem Peilstrahl gemessen vom Nullpunkt des

Systems bis zum Ortungsobjekt.

Höhe

Koordinate des Polarkoordinatensystems. Befindet sich das Ortungsobjekt genau auf der

Wasseroberfläche ist der Höhenwinkel 000° Ist es unter der Wasseroberfläche hat der Winkel

einen negativen Wert ungleich Null (Tiefenwinkel), oberhalb der Wasseroberfläche wird ein

positiver Höhenwinkel ungleich Null gewonnen.

Definiert sich der Horizontkreis in erster Näherung als eine das Navigationssystem S’ umgebene Ebene,

so besteht zwischen Höhenwinkel und Abstand eine mathematische Beziehung, die am Beispiel der

Standliniengewinnung mit dem Sextant erläutert werden soll.

In der Küstennavigation wird mit dem Sextant ein Verfahren der Abstandgewinnung zu Objekten,

dessen Höhe bekannt ist, angewandt.

Dieses terrestrische Verfahren der vertikalen Winkelmessung basiert auf der mathematischen

Beziehung, dass sich in einem rechtwinkligen Dreieck ABC die Entfernung entsprechend einem

Vertikalwinkel aus der Formel e = h cot berechnen lässt.

72

Allgemein gelten somit die folgenden Beziehungen:

e = h cot cot = e h h = tan e

Um ausgehend von einer Objekthöhe in Meter auf eine Entfernung in nautischen Meilen zu kommen,

gilt, da die zu messenden Winkel in der Regel kleiner 6° betragen, eine Näherungsformel.

tan1852=

he für tan setzt man tan 1’

und somit folgt:

18520002909,0 =

he

he 86,1= Der Wert 1,86 entspricht dem Bruch

7

13, womit die endgültige Formeln lauten:

he =

7

13

e

h=

7

13

=

7

13

eh

Leuchtfeuerhöhe

über Mittelwasser

oder über MSpNW

Entfernung in

Seemeilen

'7

13

m

sm

he =

e h

m m °

e h

sm m

73

In zweiter Näherung muss die Ebene der das Schiff umgeben Horizontfläche als Kugel und in dritter

Näherung als Ausschnitt des Erdellipsoids betrachtet werden. Für die zweite Näherung gelten die

mathematischen Beziehungen eines sphärischen Dreiecks, während für die Auflösung des wahren

Kursdreiecks in Bezug auf das Erdellipsoid noch kompliziertere Formeln notwendig sind (siehe

Abschnitt Kartographie).

Nun ist der Horizont keine real existierende Linie am Ende der Begrenzung des Gesichtsfeldes eines

Beobachters, sondern nur eine scheinbare Linie, die jedoch bei guter Sicht sehr real sichtbar ist. Die

Begrenzung, die Himmel und Erde abzugrenzen scheint, wird als Kimm oder sichtbarer Horizont

bezeichnet und durch das Vorhandensein der Erdkrümmung hervorgerufen und durch die Augenhöhe

des Beobachters über der Kugeloberfläche ausgedehnt oder verkleinert. Obwohl die Kimm maßgeblich

durch die Krümmung der Meeres- bzw. Erdoberfläche definiert wird, muss sie eindeutig dem

Navigationssystem und nicht dem Kugelinertial zugeordnet werden. Denn erst das Vorhandensein

eines Beobachters auf einen Navigationsobjekt macht es aus, wodurch die Horizontlinie gerechtfertigt

wird. Streng genommen ist die Kimm eine Abstandsortungsstandlinie, da sie einen Kleinkreis um das

Navigationsobjekt beschreibt. Der Mittelpunkt dieser Kreisstandlinie ist das Navigationsobjekt selbst,

so dass die Bewegung dieser scheinbaren Kreisstandlinie von der Bewegung des Navigationsobjektes

in seinem Koordinatensystem x’, y’ z’ und von der Bewegung des Navigationsobjektes auf der Fläche

des Referenzinertials abhängig ist. Hier werden folgenden Beziehungen sichtbar. Je größer die

Augenhöhe des Beobachters, desto größer wird der Teil der Erdoberfläche (des Meeres), der durch

den Beobachter überblickt werden kann. Mit wachsender Augenhöhe entfernt sich aber nicht nur

diese Kimmlinie vom Beobachtungsort, sondern es wächst auch gleichzeitig der Winkel zwischen

sichtbaren Horizont und der Verbindungslinie zwischen Auge und Kimmlinie (siehe nachfolgendes

Bild). Diese Erscheinung wird als Kimmtiefe bezeichnet und nach den folgenden mathematischen

Beziehungen definiert.

Die Navigationsplattform S‘ ist mit den Achsen x‘, y‘, z‘ auf ihrer z‘ - Achse durch die Höhe des

Beobachtungsortes (Bh) gegenüber der Horizontebene verschoben. Dadurch verursacht die so

entstandene Kimmtiefe einen Neigungsfehler der x‘, y‘ – Ebene in Richtung der Ortungsstandlinie,

wenn als Bezug für die Messung die Kimmlinie bzw. ein mit der Erdoberfläche fest verbundenes Objekt

vertikal geortet wird. Solche gemessenen Entfernungsstandlinien müssen somit um den mit negativem

Wert (−) der Kimmtiefe (Kt) beschickt werden.

Diese Beobachtungshöhe ist genau der Ort der z’ Achse auf oder im Navigationssystem, vom dem aus

die Ortung der Standlinie erfolgt. Der Ort kann sowohl der Sensor einer Antenne, eines Echolotes sowie

auch das Auge des messenden Beobachters (Ah) sein.

74

Bild links Bild rechts

Wie in linken Bild dargestellt, ist der Unterschied der Beobachtungshöhe (-tiefe) als Unterschied (Bh)

auf der z’ – Achse zwischen Koordinatenursprung und Beobachtungsstandort auf den System S’ (Schiff)

dargestellt. Dieser Unterschied kann bei entsprechender Größe des Schiffes beachtliche Werte

annehmen. Bild rechts stellt diesen Unterschied bei Kränkung des Schiffes (hier Rollen) dar. Diese

Verschiebungen entstehen selbstverständlich auch auf allen anderen Achsen des Schiffes (Rollen,

Stampfen Gieren). Es kommt auf die geforderte Genauigkeit bzw. auf die Ortungsmethode an, ob

dieser Unterschied beachtet werden muss oder vernachlässigt werden kann.

Wird das Schiff als im Ruhe befindlich definiert, bei dem keine Lagewinkel auftreten bzw. werden die

auftretende Lagewinkel vernachlässigt, so ergibt sich für das System S’ umgeben Horizontsystem die

nachfolgende Darstellung:

Augenhöhe

in Meter

z’ = 0°

Antennenhöhe

in Meter

Sensortiefe in

Meter

z’ 0°

z‘

y‘

x‘

S‘

Inertialsystem

S‘(Schiff)

Zenit

Scheinbarer Vorrauslinie, Kiellinie

Richtung

Erdmittelpunkt

Querablinie

Ortungspunkt

Höhenkoordinate

Richtungskoordinate

in Grad

Abstandskoordinate

in Seemeilen

75

In erster Annahme wird das Navigationssystem S’ (Schiff) als ein fest im Raum stehendes System

betrachtet. Diese relative Betrachtungsweise wird genutzt, um sich in Bezug auf S bewegende und

stationäre Ortungs- bzw. Navigationsobjekte sofort hinsichtlich der Lage zum eigenen Schiff

(Passierabstände, Passierzeitpunkte) zu erhalten. Sie gestattet aber nicht die Position in Bezug auf S

(geographische Lage und Koordinaten) zu ermitteln. In zweiter Annahme befindet sich

selbstverständlich durch die Parameter von Beschleunigung und Verlangsamung (Kurs und Fahrt des

Schiffes) das Navigationssystem in Bezug auf S in Bewegung. Die hier entsprechenden

Systemverknüpfungen werden im Abschnitt -Prozess der Beziehungen zwischen S und S’- abgehandelt.

Diese in einfacher Weise dargestellte Hierarchie der Personenstruktur widerspiegelt die Struktur der

Gesellschaft nach historischen Vorbild. Praktische Entscheidungsgewalt in kritischen Momenten und

in Gefahrensituationen machen scheinbar diese Struktur notwendig und haben das Recht der

absolutistischen Gewalt (Herrscherstruktur) verewigt. Und tatsächlich ist es notwendig, dass bei

plötzlicher Gefahr sofortiges schnelles Handeln erforderlich wird, Entscheidungsgewalt kann dann

keine Diskussion mehr einschließen, sondern muss augenblicklich und sofort verfügbar und sein. Die

Durchführbarkeit von Handlungen hängt somit immer noch allein vom Kapitän und dessen gesetzlich

verankerter Machtbefugnis ab. Missbrauch schaltet das Gesetz aus. Jedoch die Hierarchie der Macht

bleibt unberührt. Es stellt sich die Frage, ob dieses Modell heute in Zeiten von Demokratie und dem

Gleichheitsgedanken aufgeklärter Menschen noch so erforderlich ist.

achteraus

voraus

Darstellung der

Schiffspeilung

Grün 078°

Gelb 282°

76

DER PROZESS DER BEZIEHUNGEN ZWISCHEN NAVIGATIONSSYSTEM UND INERTIALSYSTEM

Eine erste Forderung, die zu erfüllen ist, wenn von der Funktion eines Navigationssystems gesprochen

wird, ergibt sich in der Herstellung eines Bezugs zu einem Inertialsystem. Der Bezug zum Kugelinertial

wurde das Definieren von Richtungen und Distanzen als die voraussetzenden zwei Elemente des

Schiffsweges überhaupt erfüllt. Während die Einhaltung einer Richtung vom Abfahrtort zum

Bestimmungsort ohne eine Zeitinterpretation auskommt, spielen Entfernungen erst dann eine Rolle,

wenn dazu ein Zeitbezug herangeführt ist. Die auf Erfahrungswerte aufbauende über Jahrtausende

alte Seefahrt nahm sehr wohl auf beide Elemente des Schiffsweg ihren Bezug. Die Richtungen wurden

nach terrestrischen Fixpunkten und den Gestirnen und anderen naturtypischen Erscheinungen und die

Distanzen nach Tagen eingeschätzt oder an Hand von Erfahrungswerten verglichen. Der Prozess der

Verknüpfung zwischen dem Navigationsobjekt Schiff und dem angenommenen Kugelinertial

Meeresoberfläche vollzog sich als Denkprozess des Schiffsführers. Die ersten Festlegungen von

Orientierungsrichtungen prägten sich nach den einfallenden Richtungen dem für das Segeln so

notwendigen Wind. Die Einteilung des Horizontkreises durch zwei rechtwinklig zueinander stehenden

Querachsen in die vier Grundrichtungen Nord (N), Ost (E), Süd (S) und West (W) ist schon durch Homer

beschrieben:

Unter sich kämpfen der Ost und der Süd und brausende Westwind,

Auch hellluftiger Nord, der gewaltige Wogen daher wälzt.

Die Hauptachse ist dabei vor Einführung des Magnetkompasses in die Nautik in der Ost -Westrichtung

zu suchen, während die Nord - Südrichtung eine untergeordnete Rolle spielte. Diese Ausrichtung hatte

ihren Grund im scheinbaren Lauf der Sonne um die Erde. Die Sonne im Osten aufgehend, teilte die

Erde in eine Tag- und in eine Nachtseite. So ist die Bezeichnung „Ost" eng mit dem Begriff

„Orientierung" verbunden. Der Aufgangspunkt der Sonne am Osthorizont bildete die Basis zur

Festlegung der anderen drei Himmelsrichtungen. Nun war es ein Leichtes durch Mitteln der vier

Richtungen weitere Himmelsrichtungen zu veranschaulichen. So finden wir das Wort Euronotus in der

griechischen Antike. Dieses aus Euros (Ost) und Norus (Süd) zusammengesetzte antike Wort lässt klar

erkennen, dass der Ost - Westrichtung bei der Bezeichnung der Zwischenrichtung Ost - Süd, (heute

Südost) der Vorrang eingeräumt wurde. Erst später, durch die Erweiterung der Kenntnisse um die

Kugelgestalt der Erde und dem damit verbundenen Verlauf der Meridiane in die Nord -Südrichtung

und gleichzeitig durch die Beobachtung der ungefähr nach Norden ausgerichteten Anzeige der

Magnetnadel sahen sich die Seefahrer veranlasst, der Nordsüdrichtung als grundlegende

Hauptrichtung den Vorzug zu geben. In der antiken Welt schaltete man also vier Zwischenrichtungen

in die Hauptrichtungen ein, die dann nochmals um vier Richtungen erweitert wurden. So hatte der

antike Seemann nunmehr 12 Windstriche verfügbar. Man hat somit die 8 Windrichtungen nicht einfach

verdoppelt, wie es die Kompassrosen des späten Mittelalters zeigen, sondern man hat nur 4 weitere

Winde hinzugefügt und den 360° Horizontbogen gleichmäßig auf 12 Richtungen aufgeteilt. So ergaben

sich also 12 Bögen zu je 30°. Heute noch können wir an Hand des Sprachgebrauches der

Windrichtungen dieses System nachvollziehen. Während der Ausdruck „West" den Richtungsstrahl

bezeichnet, der auf den eindeutigen Westpunkt am Horizonts weist, charakterisiert der Ausdruck „im

Westen" die Weltgegend nach dem zwölfteiligen System, somit den 30° Ausschnitt des westlichen

Horizontbogens mit der Bezeichnung „Westen". Hauptsächlich war jedoch auch neben dieser

77

Zwölfteilung die wesentlich einfachere Achtteilung des Horizontes in Gebrauch. Dass sich dieses

System der zwölfteiligen Horizontbezeichnung noch bis über die Zeit Karl des Großen (747 bis 814) im

europäischen Raum erhalten hat, zeigt im Bibliotheka rerum Germanicum Band 4 der Herausgeber,

Jaffe, P. im Kap. 29 „Einhardi vita Caroli Magni" Berlin 1867. Hier lesen wir:[l]

Item venos duodecim propriis appellationibus insignivit; cum prius non

amplius quam vix quattuor ventorum vocabula possent inveniri. - Ventis vero

hoc modo nomina imposuit, ut Subsolanum vocaret Ostronivint, Eurum

Ostsundroni, Euroaustrum Sundostroni, Austrum Sundroni, Austroafricum

Sundwestroni, Africum Westsundroni, Zefyrum Westroni, Chorum Westnordroni,

Circium Nordwestroni, Septemtrionem Nordroni, Aquilonem Nordostroni,

Vulturnum Ostnordroni. Einhard berichtet hier wie Karl der Große die 12 Windrichtungen

bezeichnet hat. Auch hier beginnt die Zählung im Ostpunkt.

Heutige

Bezeichnung

Deutsche Bezeichnungen in der Zeit

Karl des Großen

Ost Subsolanum vocaret Ostronivint

Ost Süd Eurum Ostsundroni

Süd Ost Euroaustrum Sundostroni

Süd Austrum Sundroni

Süd West Austroafricum Sundwestroni

West Süd Africum Westsundroni

West Zefyrum Westroni

West Nord Chorum Westnordroni

Nord West Circium Nordwestroni

Nord Septemtrionem Nordroni

Nord Ost Aquilonem Nordostroni

Ost Nord Vulturnum Ostnordroni

Richtungsbezeichnungen im zwölfteiligen Horizontsystem

Breusing nimmt an, dass diese Einteilung in 12 Bereiche auf den Umstand zurückgeht, dass der

Horizont durch den Meridian (Nord, Süd), den Äquator (Ost, West), die beiden Wendekreise (Westsüd,

Westnord, Ostsüd, Ostnord) und die beiden Polarkreise (Südwest, Nordwest, Südost, Nordost) in 12

Punkten geschnitten wird und somit auf den scheinbaren jährlichen Sonnenumlauf zurückgeht. Auch

wird ein Kreis mit der Zirkelweite des Kreisradius in sechs gleiche Teile zerlegt. Ein weiterer Bezug wird

deutlich, wenn die zweimal 12 Stunden Teilungen eines Tages beachtet werden. Hier muss jedoch

angemerkt werden, dass die antike Zeitzählung den Tag nicht in 24 gleiche Stundeanteile teilte,

sondern dass die 12 Tagstunden gegenüber den 12 Nachtstunden der verschieden langen Tag- und

Nachtperioden entsprechend der Jahreszeiten mal kürzer oder länger sein konnten. Deutlich wird auf

78

jeden Fall, dass die Richtungsbestimmung, wie auch die Zeitdefinition mit der täglichen und jährlichen

scheinbaren Sonnenbahn um die Erde verknüpft worden ist. Schon die Begriffe Orient für Morgenland

(Asien, Arabien usw.) und Okzident für das Abendland (Europa) bergen diese Verbindung in sich. Eine

durch Zweiteilung der vier Grundrichtungen (Nord, Süd, Ost und West) erreichte Erweiterung in acht

gleichberechtigte Hauptrichtungen ist durch die Italiener des frühen Mittelalters und bald auch bei

allen romanischen Völkern zu finden.

Die acht Hauptwinde nach der

romanischen Bezeichnungsweise

Die vier Haupt- und die

vier Nebenwinde nach der

nordische Bezeichnungsweise

Tramontana Nord

Greco Nordost

Levante Ost

Scirocco Südost

Ostro Süd

Libeccio Südwest

Ponente West

Maestro Nordwest

Entsprechend der Herkunftsrichtung wurden den Winden acht eigene süditalienisch landschaftliche

Namen zugeteilt, wobei eine weitere Zweiteilung der Hauptwinde dann zum Gebrauch weiterer acht

Richtungen führte, welche als halbe Winde bezeichnet wurden. Diese acht halben Winde erhielten ihre

Namen aus den Wortverbindungen der acht Hauptwinde. (Grego - Tramontana usw.) Die weitere

Zweiteilung des halben Windes ergab den Viertelwind. Die Benennung geschah in Bezug auf den vollen

Wind, neben den diese lagen, so z. B. ergaben sich nach der französischen Benennung: Tramontana -

Grego für N 1/4 NE; Grego - Tramontana für NE 1/4 N; usw. Während durch das romanische

Übergewicht der Seefahrt langsam die romanische Zweiteilung des Winkels die Dreiteilung des Winkels

auch bei den nordischen Völkern Europas ersetze, so ergab sich doch ein Unterschied in der Form

dieser Zweiteilung. Die nordischen Seefahrer übernahmen zwar die Zweiteilung des Winkels, legten

dieser Teilung jedoch nur die Hauptrichtungen Nord, Ost, Süd, und West zugrunde. Die Benennung der

Zwischenrichtungen wurden dann aus der Zusammensetzung der Bezeichnungen der Hauptrichtungen

gebildet und bedeutete praktisch eine Umsetzung der Bezeichnungen vom zwölfteiligen

Horizontsystems auf das nun sechszehnteilige System (siehe obige Tabelle).

Das Prinzip dieser Umsetzung gestattete den nordischen Völkern der Strichrose noch 16 weitere

Richtungen hinzu zufügen, was bei der romanischen Teilung der Rose aufgrund der begrifflichen

Gestaltung der Viertelwinde nur umständlich möglich war. Auch sprachen die nordischen Völker nicht

von „Winden“, sondern vom „Strich“ (engl. Point) als erstmalig vom Wind unabhängige nautisch

definierte Maßeinheit einer für damalige Verhältnisse sehr genauen Richtungsanzeige. Diese

Richtungsanzeige wurde dann auf die Rose der Magnetkompasse übertragen. Die Zählweise dieser

Stricheinteilung vollzieht sich nach Form des folgenden Beispiels, l 1/2 Strich ergeben die Bezeichnung

NzO 1/2 0 oder N l 1/2 0, wobei 11,25° einem Strich und somit 90° acht Strich entsprechen. Diese

Einteilung der Kompassrose war noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in der Seefahrt gebräuchlich.

79

Erst zwischen den beiden Weltkriegen wurde diese durch die 360 Gradeinteilung der Kompassrose

ersetzt. Am Augenscheinlichten wird heute noch die Einteilung der Topplicht- und Seitenlichtsektoren

der Positionslaternen, die einen Sektor von 112,5° von voraus zu jeder Schiffseite bescheinen und

damit 10 Strichen entsprechen oder wenn wir an die Methoden der terrestrischen

Standortbestimmung der Vier - Strich - Peilung erinnert werden, wo einmal ein terrestrischer Fixpunkt

in 45° ( 4 Strich) und das andere Mal in 90° (8 Strich) gepeilt wird. So war durch den Aufgangspunkt der

Sonne am Osthorizont ein Bezug hergestellt, der vor Einführung des Magnetkompasses in die Nautik

am Tag und ohne Küstensicht der einzige war, den die Natur mit hinreichender Genauigkeit bot. Ein

Bezug für die Nacht bot sich auf der nördlichen Halbkugel in der Orientierung nach dem Nordstern.

Wie wir später noch sehen werden, war der astronomische Zufall einen hellen Fixpunkt in der

unmittelbaren Nähe des nördlichen Pols an der sich drehenden Himmelskugel zu haben, nicht nur

prägend für die Methodik der ersten europäischen Navigation, sondern für die Navigation aller

seefahrenden Völker, die aufgrund ihrer geographischen Lage den Nordstern sehen konnten. Die erste

analytische Verknüpfung eines Navigationssystems mit dem Kugelinertial wurde durch die Einführung

des Magnetkompasses realisiert. Hier wurde praktisch das in seinen Richtungen Nord, Ost, Süd und

West gegebene Horizontsystem des Beobachters an das ruhende Äquatorsystem der Erde gefesselt, in

dem der Kompass die Himmelsrichtungen theoretisch auf den Ortmeridian bezog. Mit anderen

Worten: Die Meridianrichtung Nord Süd des Inertials wurde auf das Navigationssystem übertragen.

Welche Schwierigkeiten dabei im Laufe der Jahrhunderte durch diese Art der „magnetischen

Meridianinstallation“ bewältigt werden mussten, beschreibt die Geschichte des Magnetkompasses.

Die seefahrenden Nationen nutzen praktisch ein Gerät, dessen physikalisches Verhalten zwar durch

Beobachten erkannt, jedoch dessen Wirkungsprinzip anfangs vollkommen unbekannt war. Auch nach

Kenntnis der magnetischen Gesetze vollzog sich das Bewältigen der Fehlerbestimmung und dessen

Korrektur als sehr schwierig. Das Vorhandensein und die Wirkung der magnetischen Erdpole konnte

ohne eine geographische Erweiterung des Weltbildes nicht ermittelt werden. Anderseits konnten aber

nur allein gestützt auf das richtungsbestimmenden Moment des Magnetkompasssystems keine weiten

Fernreisen zu unbekannten Küsten durchgeführt werden. Zum Steuern einer Richtung wurde der

missweisende Kurs benutzt, der erheblich vom rechtweisenden Kurs abweichen konnte.

Fernbezügliche Seepositionen oder vorher unbekannte Fixpunkte an fremder Küste mussten folglich

falsch interpretiert werden. Erst im Zusammenwirken der Richtungsbestimmung nach dem

Magnetkompass mit den Verfahren der autonomen Breitenbestimmung nach den Höhen des

Nordsterns bzw. später nach Meridianhöhen der Sonne und durch Anwendung der Koppelnavigation

auf Seekarten unter Berücksichtigung der geschätzten oder geloggten Schiffsgeschwindigkeit gelang

zuerst das Erkennen der Missweisung und wenn auch erheblich später dessen Berechnung. Der Grund

für diese Unvollkommenheit lag in der Unkenntnisse der Quelle der physikalischen Erscheinung des

Erdmagnetismus. Vorstellungen von einem im Norden liegendem großen Eisenberg prägten die

geographische Weltansicht des elften und zwölften Jahrhunderts. Wollte der mittelalterliche Pilot nun

die Genauigkeit des Magnetkompasses kontrollieren, bediente er sich der Peilung zum Polarstern. Hier

musste der Pilot die Azimutabweichungen kennen, die der Polarstern vom Pol hatte. Erst in genauer

Kenntnis dieser Abweichung gelang die Bestimmung der Missweisung des Kompasses. Doch für

Azimutkontrollen ist zumindest annähernd die Kenntnis der geographischen Breite notwendig.

Dennoch ist der Vorteil unverkennbar, dass mit Schaffung dieser praktischen Möglichkeit überhaupt

erst einmal ein Richtungsbezug in die Seefahrt eingeführt war, der auch ohne das Vorhandensein von

klaren Sichtverhältnissen funktionierte. Wenn zwischen zwei Orten der missweisende Kurs bekannt

ist, kann dieser bei schlechter Sicht mit hinreichender Genauigkeit erreicht werden, da die jährliche

80

Änderung der magnetischen Missweisung verhältnismäßig gering ausfällt. Um jedoch die magnetische

Kompassanzeige für ein Seenavigationssystem tauglich zu machen, musste dieser wirklich an das

Kugelinertial Erde gefesselt werden. Mit anderen Worten funktioniert der Magnetkompass nur wenn

das Navigationsobjekt sich wirklich frei um die fest geprägte Kompassrose drehen konnte. Um die

Messung des Gierwinkels (x' MgK -x mwK.) zu erreichen, wurde der Landkompass zum Seekompass

weiterentwickelt. Im Unterschied zum Landkompass, bei dem die Horizontbezeichnungen auf dem

Kompasskörper selbst beschriftet sind, wird beim Seekompass die richtungszeigende

Horizonteinteilung als Rose auf der missweisend zeigenden Nadel befestigt.

Landkompass Seekompass

Die Kompassrose wird frei um die auf den missweisenden Die Kompassrose ist auf Stabmagnete befestigt,

Meridian stehende Magnetnadel bewegt. so dass die Rose auf den magnetische Meridian

justiert ist.

Diese Konstruktionsart ist die erste wesentliche Voraussetzung der Fesselung der Magnetkompassrose

an den missweisenden Nordsüdmeridian. Die zweite wesentliche Voraussetzung wurde durch das

Prinzip der Kardanischen Aufhängung geschaffen. Zwei den Kompasskessel umgebene Ringe, die durch

jeweils zwei um 90° versetzte Gelenke miteinander verbunden sind, bewirken die Fesselung des im

inneren Ring befestigten Kompasskessels an die x, y, z Ebene und somit an die lotrechte z – Achse des

Kugelinertial. Hier wird die Wirkung der Gravitation der Erde genutzt, um die Aufhängung von

Gegenständen in der Waagerechte zu ermöglichen.

Kardanische Aufhängung eines Kompasses

Kompassrose

Lager

Lager

81

So haben wir es Flavio Gioja, einem aus Positano in der Nähe der Stadt Amalfi stammenden

Süditaliener, zu verdanken, dass der Magnetkompass seit (ca.) dem Jahre 1302 seine Rose auf der

Nadel trägt, während Cardanus wohl zwar nicht der unmittelbare Erfinder seiner nach ihm benannten

Aufhängung ist, wohl aber derjenige, der diese zuerst erwähnt hat. Nun geschah die Kontrolle der

Missweisung vornehmlich nach der Peilung zum Nordstern. Aus der Abhandlung zum Thema der

Präzession wissen wir, dass diese ein westliches Vorrücken des Frühlingspunktes um 50,27" in einem

Jahr bewirkt. So ändern sich die scheinbaren Örter der Fixsterne mit der Zeit. Der Polarstern ist so im

Laufe der Jahrtausende immer weiter an den Himmelsnordpol gerückt. Heute beträgt seine

Abweichung höchsten 70’. Steht der Nordstern rechts oder links vom Pol, so ist sein größtes Azimut

ablesbar. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Änderung des Azimuts und der Deklination

von Polaris für Hamburg jeweils am 01. 01. eines Jahrhunderts, ( = 53° 33’ N; = 10° 00’ E)

Jahrhundert Deklination

des Nordsterns

Größtes Azimut

des Nordsterns

10. Jhdt. 83° 48' N 10,4°

11. Jhdt. 84° 21’ N 9,4°

12. Jhdt. 85° 54’ N 8,5°

13. Jhdt. 85° 28’ N 7.5°

14. Jhdt. 86° 01’ N 6,6°

15. Jhdt. 86° 34’ N 5,7°

16. Jhdt. 87° 09’ N 4,8°

17. Jhdt. 87° 41' N 3,8°

18. Jhdt. 88° 14’ N 2,9°

19. Jhdt. 88° 46,6’ N 2,0°

20. Jhdt. 89° 16,5’ N 1,2°

21. Jhdt. 89° 38,1’ N 1,1°

Die Tabelle zeigt deutlich, dass Polaris aufgrund dieser Auswirkungen im Verlaufe der Jahrhunderte

immer dichter an den Pol herangerückt ist. Erst das Bekanntsein dieser Tatsache und die Kenntnis der

genauen Breite machten die Berechnungen dieser Ausgangswerte damit die Kontrolle des

Magnetkompasses möglich.

82

Da die Bestimmung des Azimutes mittels astronomischer Tafel noch gänzlich unbekannt war, half man

sich durch Beobachtung der den Nordstern umgeben Sterne. So wurden im Mittelalter aus reiner

Beobachtung Regeln in Form einer menschlich aussehenden Polfigur hergeleitet, die es gestattete, den

Durchgang von Polaris durch den Meridian vorherzusagen und zu peilen.

So heißt es: „Steht der Nordstern in gerader N-S Linie zum Pol, stehen die Wächter im Nordosten, so

steht der Nordstern in gerader Richtung 3 ¼° unterhalb des Pols und zu dieser Zeit kannst du die

Abweichung deiner Magnetnadel feststellen". Als Wächtersterne werden die Sterne Kochab und

Pherkad im Sternbild „Kleiner Bär" bezeichnet.

Eine andere Erscheinung ist die stetige Abnahme der horizontalen Komponente des Magnetfeldes der

Erde. Die Werte der Missweisungen haben sich im Laufe der letzten Jahrhunderte verringert. Heute

finden wir an den Nord- und Ostseeküsten nur noch sehr geringe missweisende Werte. So zeigt die

Geschichte der Einführung des Magnetkompasses in die west- und nordeuropäische Nautik den ersten

erfolgreichen Versuch die Meridianlinie des Kugelinertial auf das Navigationssystem „Schiff' zu

beziehen Zu nennen sind an dieser Stelle die hervorragenden Beiträge u. a. des Naturforschers und

Wissenschaftlers Alexander von Humboldt (1769 bis 1859), des Direktors der Bremer

Steuermannsschule Arthur Breusing (1818 bis 1892) oder auch des Kapitäns Albert Schück (1833 bis

1918), die in makelloser Kleinarbeit den historischen Weg des Magnetkompasses nachzuvollziehen

suchten. Der Anfang des Weges dieser Erfindung ist in China suchen. Hier wurde die Magnetnadel

schon 1100 vor Beginn der Zeitrechnung zur Zeit der Tscheu -Dynastie zur Landorientierung genutzt.

Auf die frei schwimmende Magnetnadel wurde eine kleine Figur aufgesetzt, dessen Hand nach Süden

wies. Das gesamte Gerät fse – nan (Andeuter des Südens) bezeichnet, wurde in einem „Magnetwagen“

untergebracht und auch noch unter Anbringung von Verbesserungen (Aufhängung der Nadel an einem

seidenen Faden) bis ins 15. Jahrhundert hinein an Land benutzt. Unter der Tsin — Dynastie im 4

Jahrhundert u.Z. besuchten mit einem Magnetweiser ausgestattete chinesische Schiffe indische Häfen

und die Ostküste von Afrika. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass der Magnetweiser schon

im 4 Jahrhundert u.Z. unter den arabischen und persischen Seefahren bekannt war. Obwohl die

während der Regierungszeit des Marcus Aurelius durchgeführten Reisen der Römer über Tunkin nach

China im 2. Jahrhundert u.Z. auf eine erste Verbindung zu China verweisen, bezeugen die Quellen doch

erst das 12 Jahrhundert u.Z. für die Übertragung des Magnetweisers in die europäischen Seefahrt des

Mittelmeeres. Entweder muss der Kompass eine rasante Beschleunigung seiner Verbreitung in Europa

Polaris

Kochab Pherkab

Stellung des Sternbildes „Kleiner Bär"

mit seinen Wächtersterne

im 15. Jahrhundert.

„Polaris" steht genau Nord,

wenn „Kochab" und „Pherkab"

Himmels-

83

erfahren haben oder er war, was eher der historischen Wahrscheinlichkeit entspricht, schon vor dem

12 Jahrhundert zumindest im Mittelmeerraum als Kursweiser bekannt, denn Anfang des 13.

Jahrhundert benutzen ihn nicht nur die Katalanen für ihre Fahrten zu den nordschottischen Inseln oder

zu der Westküste des tropischen Afrikas, sondern auch die Normannen auf ihren Fahrten zu den

Azoren, den Bracir - Inseln des Pizzigano usw. Schließlich beschreibt Vincenz van Beauvais im Jahre

1254 in seinem Naturspiegel das südliche und nördliche Ende der Magnetnadel mit den arabischen

Begriffen „zohron" und „aphon", ein Hinweis auf die Verbreitung der Nadel in Europa und in der

arabischen Welt. Gleichzeitig bestätigten diese Begriffe aber auch die schon erahnte arabische

Vermittlerrolle bei der Weitergabe der Bussole an die Europäer. Der Vorteil des Magnetkompasses

besteht zweifelsfrei in seiner Handhabung. Der Bezug zur Meridianlinie ist nach heute einfacher

Herausrechnung der magnetischen Missweisung sofort verfügbar.

Magnetkugelkompass für die Magnetkompassstand auf einem

Sportschifffahrt Seeschiff

Die Missweisung hat somit in einem Jahrhundert um ca. 12° abgenommen.

Jahr Mw

1875 − 17,5°

1900 − 15,0°

1925 − 11,0°

1950 − 7,0°

1975 − 5,5°

84

Der arktische Magnetpol wandert gegenwärtig um rund 7,5 km nach

Norden.

1831 hat der britische Naturforscher J. C. Ross die Position des arktischen magnetischen Hauptpols auf

der Position = 70° 15’ N; = 96° 45’ W verlässlich festgestellt. 1964 wurde durch kanadische Forscher

erneut die Position des Magnetpoles vermessen. Die ermittelten Koordinaten = 75° 30’ N; = 100°

30’ W bestätigten die stete Westdrift des Pols.

Wie umständlich das Herausrechnen der Missweisung noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

gestaltet war, kann mit Hilfe historischer Belege nachvollzogen werden. 1847 schreibt der Holländer

Pilaar im Band I S.192 seiner „Handleiting tot de Sturrmanskunst“: „ Die Rose des Kompasses ist bei uns meistens um den Mittelpunkt herum beweglich, um dadurch den Norden

der Rose mit dem wahren Norden in Übereinstimmung zu bringen. Dies wird

dadurch erreicht, dass man die Rose derart verschiebt, dass sie um ebenso

viel nach Osten und Westen den Norden der Rose weist, als die östliche und

westliche Abweichung beträgt.“

Dieses Verfahren hat natürlich einige Konsequenzen hinsichtlich der Genauigkeit des Kompasses. Gilt

der Wert der Verschiebung der Rose auf der Nadel doch nur für eine Seegegend und nicht universell

für die gesamte Fahrt und wird er’s recht dann problematisch, wenn z. B. ein auf östliche Ablenkung

justierter Kompass den Einfluss westlicher Ablenkung unterliegt. Die Beweglichkeit der Rose und damit

die verbundene Möglichkeit ständiger Nachjustierung setzten selbstverständlich die Kenntnis über die

Größe der entsprechenden Missweisung voraus. Während die vorherrschende Meinung vertreten

wird, Kolumbus sei der Entdecker der Missweisung überhaupt, so muss angemerkt werden, dass er sie

tatsächlich auf seiner ersten Fahrt nach Amerika im Jahr 1492 beobachtet hat. Aber ob es Kolumbus

war, der dieses Problem als Erster überhaupt entdeckte, gilt neuzeitlichen Forschungen zufolge, als

nicht gesichert. Vielmehr muss angenommen werden, dass Kolumbus die örtliche Verschiedenheit im

Atlantik feststellte. Gefundene Sonnenkompasse (Sonnenuhr mit Magnetnadel) mit eingravierter

östlicher Ablenkung aus den Jahren 1451 und 1456 belegen dieses Argument, dass zumindest an Land

die Kenntnis des Vorhandenseins der Missweisung in den verschiedenen Gegenden bekannt war.

Gerhard Mercartor beschrieb in einem Brief, 1546 an den Bischoff Granvella gerichtet, das Wesen der

magnetischen Missweisung, die im Wesentlichen mit den heutigen Erkenntnissen übereinstimmt.

Doch diese wissenschaftliche Erklärung der Deklination konnte sich in der seemännischen Praxis nicht

durchsetzen. Obwohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Jahr 1539 durch Georg Joachim von

Lauchen (nach seiner Heimat gewöhnlich Rheticus genannt) unabhängig von Mercartor in einer

„Chorographie“ über die Herstellung von Schiffskompassen auch hier bereits formuliert waren, blieb

die Methode der festen Verschiebung der Rose auf der Magnetnadel uneingeschränkt erhalten. Eine

gute Übersicht über den Gebrauch der Magnetkompasse und den Ausgleich der magnetischen

Abweichung liefert uns der Engländer Robert Norman. In seinem Buch „The Newe Attractiue“, das

1581 zusammen mit einer Ergänzung „A Discourse of the Variation of the Compasse“ von William

Borough erschienen ist, wird die Verschiebung der Nadel als ganz gewöhnliche Praxis der

Instrumentenbauer beschrieben. Die Kompassbauer kannten zu jener Zeit die wissenschaftlichen

Zusammenhänge also nicht. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde mit den unterschiedlichsten

Verschiebewinkeln gearbeitet. Die Magnetkompasse waren so immer auf den Ort ihrer Herstellung

geprägt. So existierten im 16. Jahrhundert die Kompasse mit folgenden Abweichungen:

2000 − 2,0°

85

Ort oder Gegend Abweichung

Levante (Sizilien, Genua, Venedig),

Mittelmeer Meridionalkompass*, keine Abweichung

gesamte südliche und westliche Ostsee

(Danzig, Sund von Dänemark), Belgien

(Flandern)

¾ bis 1 Strich östliche Abweichung

Östliche Ostsee bis Russland 2/3 Strich östliche Abweichung

St. Nicholas, Russland 1 ½ Strich östliche Abweichung

Sevilla, Lissabon, La Rochelle, Bordeaux,

Rouen, ganz England ½ Strich östliche Abweichung

*Meridionalkompasse sind Kompasse, bei der sich die Nadel, ein oval förmiger gebogener Drahtring,

direkt unter dem Süd- oder Nordpunkt des Kompasses befindet.

Wie aus der Quelle erkennbar, beträgt die Abweichung für die westliche Ostsee im 16. Jahrhundert ¾

bis 1 Strich östlich, das sind ca. 8° bis 11° östliche Missweisung gegenüber den heutigen Werten von

0° bis 0,5°. Auch zeigen die Werte eine Abnahme der Stärke der Deklination von Osten nach Westen.

Aufgrund dieser Tatsache nahm man lange Zeit an, der sogenannte natürliche Anfangsmeridian der

Längenzählung (0°) verlaufe durch die Insel St. Michael auf den Azoren, denn die damaligen

Beobachtungen zeigten auf den Azoren die keine Ablenkung. Diesen Umstand der „stetigen“ Ost- West

– Abnahme der Stärke der Missweisung für eine Längenberechnung zu nutzen, war ein kühner

Gedanke, der sich jedoch aufgrund des wirklichen Verlaufs der Linien gleicher Ortsmissweisung

unmöglich durchsetzen konnte. Insgesamt muss dennoch festgestellt bleiben, dass schon allein die

Nutzung der magnetischen Richtkraft in Form eines Seekompasses eine ungeahnte Verbesserung der

Seenavigation bedeuten musste. Auch wenn lange Zeit durch unbekannte bzw. ungenaue

Missweisungen ein Bezug zum astronomischen Nordrichtung fehlen musste, so ist die Bedeutung nicht

zu unterschätzen überhaupt erst einmal bei dunkler Nacht oder in offener und stürmischer See einen

unabhängigen Richtungsbezug zu haben. So wurde auf der missweisenden Loxodrome gesteuert, der

sich, wenn die Beschickungsfehler bekannt waren, durchaus der rechtweisenden Loxodrome anglich.

Besser noch, als über keine Verknüpfung zum Kugelinertial Erde, und damit über keinen Gierwinkel

(Kurs) zu verfügen.

Aber es existiert noch eine andere Form der richtungssuchenden Orientierung. Diese, obgleich

schwieriger zu handhaben, dennoch einen hervorragenden Platz einzunehmen gebührt. Dieser Platz

wurde für diese Form zwar nicht durch die Europäer reserviert, denn diese stützten sich in der

Orientierung auf ihren Großen Geographischen Entdeckungen hauptsächlich auf den zuvor im

Mittelmeerraum eingeführten Magnetkompass. Es handelt sich dabei um die Festlegung von

86

Orientierungsregeln nach den Sternen. Diese Regeln bestanden vor allem in der Verknüpfung von

geographischen Fixpunkten (Häfen, Inseln) mit dem scheinbaren Lauf der Sterne. Die arabische

Navigation kannte einen Sternenkompass, dessen Richtungen sich nach den Auf- und

Untergangspunkten der verschiedensten Sterne bezeichnete. Auch in der polynesischen Navigation

kennzeichnet der polynesische Begriff „Kaveinga" (Sternenweg) ein System der Richtungsfestlegung

nach den über bestimmte Inseln ziehenden Sternen. So hatten die Tonganer den Himmel in drei Teile

geteilt, die sie Fanakanga nannten Es gab einen südlichen, einen mittleren und einen nördlichen Teil

der Himmelskugel. Jeder Teil hatte seine besonders auffälligen Sternbilder. Im südlichen Teil war es

7ö/ö, das Kreuz des Südens und Lua a Tangana, das Sternbild der Zwillinge Castor und Pollux, während

im mittleren Teil das Sternbild Mataliki, die Plejaden und Matamemea^ der Mars vorherrschend

waren. Die Hawaiianer unterschieden zwischen Hokupaa (Fixsternen) und Hokuhele (Planeten). Die

Venus hieß Mamamalo wenn sie als Morgenstern und Naholoholo, wenn sie als Abendstern sichtbar

war. Auf anderen Inseln hieß die Venus auch Taurua. Die Plejaden hießen Mata Riki (kleine Augen), auf

manchen Inseln auch die „sieben kleinen Schwestern". Das Kreuz des Südens hieß Taua, der Orion Uru

Merenore, der Mars Fetia Uru „flammender Stern". Von den Gilbert-Inseln ist bekannt, dass dessen

Astronomen mit Hilfe der Plejaden jeden zehnten Tag einen bestimmten Standort an Land festlegten.

Mit Hilfe von Altares wurde dann die herbstliche Tag- und Nachtgleiche fixiert. Für die Durchführung

der Beobachtungen wurden Plattformen angewandt, dessen nach oben spitz zulaufende Steinfiguren

eine Höhe von 0,6 m bis 3,7 m hatten. Das Ritual dieser morgendlichen Beobachtung, das te kauti sollte

Kraft für die Liebe und für den Krieg verleihen. Auch befinden sich auf den Gilbert-Inseln zwei große

Steinkomplexe. Die eine Plattform liegt am Nordrand des Butaritari-Atolls. Sie stellt ein steinernes

Kanu mit einer Länge von 18 m dar und ist so aufgestellt, dass ein Sternenpfad zu den 264 km

entfernten nordwärts liegenden Marschall-Inseln erkennbar ist. Die zweite Plattform befindet sich im

Südteil der Gilbert-Insel. Er wird Te Atibu ni Borau genannt. Als E. V. Ward 1946 diese Plattform

untersuchte fand er dreizehn Korallenplatten unverändert vor. Er konnte dieser Anordnung noch

weitere vier Platten hinzufügen. Aus der bestehenden Anordnung dieser Steinplatten in Dreiergruppen

konnte man die Richtung zu den verschiedenen Inseln ablesen.

Die Wikinger benutzten einen sogenannten Sonnenkompass in Form einer gezackten Holzscheibe.

Doch dazu später.

Über sieben Jahrhunderte nun war der Magnetkompass Hauptorientierungsinstrument der

europäischen und der mit einigen Ausnahmen globalen Hochseefahrt. Als 1789 der italienische Arzt

und Naturforscher L. Galvanie (1737 bis 1798) die Elektrizität in tierischen Präparaten

(Froschschenkelversuch) entdeckte und auch als der italienische Physiker A. Volta (1745 bis 1827) im

Jahr 1796 seinen „Fundamentalversuch" anstellte, der den Beweis erbrachte, dass aus der

„Berührung" zweier Metalle Elektrizität entsteht, war nur eingeleitet, was sich als gesellschaftliche

Forderung mit dem Aufkommen des kapitalistischen Zeitalters formulierte. Die kapitalistische

Produktionsweise forderte ungeheure Mengen von Energie. Zuerst war es der Dampf, dann, als der

wissenschaftliche Zweig der Elektrizitätslehre geboren war, die Elektrizität. 1893 schließlich gelang es

dem kroatischen Physiker und Elektrotechniker die nach ihm benannten hochgespannten und

hochfrequenten Ströme zu erzeugen. Der Weg aus Brennstoffen mechanische Energie und aus dieser

elektrische Energie mittels Stromgeneratoren zu erzeugen, zu transportieren und letztendlich auch zu

speichern, fand selbstverständlich auch den Einzug in der Seefahrt. Augenscheinlich wird diese

navigatorische Nutzung der elektromagnetischen Gesetze für die Entwicklung des Kreiselkompasses.

87

Schon die Förderung der Entwicklung dieses Kreiselsystems, ist auch bezeichnend für alle folgenden

Entwicklungen weiterer technischer Navigations- und Ortungssysteme und schon daran erkennbar,

dass immer diese Systeme zuerst militärisch eingesetzt wurden. Die frühkapitalistische

Zielorientierung prägte die Seefahrt als Sicherungsfaktor zur Erhaltung und zum Ausbau der

wirtschaftlichen und damit auch der politischen Macht. Damit verbunden sind auch die militärisch

geprägten technischen Entwicklungen in der Seefahrt, die immer erst einen späteren Eingang in den

zivilen Bereich der Seefahrt gefunden haben. So wurde auch der Kreiselkompass zuerst militärisch

genutzt. Erst als alle anderen frühkapitalistisch orientierten Staaten mit einem Geltungsanspruch zur

See diese Entwicklung nach vollzogen hatten, es somit keinen erkennbaren militärischer Vorteil mehr

gab, wurde das System für die zivile Nutzung eingeführt. Nun gelingt das technische Kreiselprinzip nur

auf der Grundlage des umgekehrten Wegs. Aus dem Stromnetz des Schiffes wird die elektrische

Energie in mechanische Energie zurückverwandelt. Ein mit einer homogenen Metallmasse umgebener

Rotor wird durch elektrischen Strom in 20.000 Umdrehungen pro Minute versetzt. Nun machte der

französische Physiker Leon Foucault (1819 bis 1868) seinen Pendelversuch, erforschte also Erdrotation

und Kreiselbewegungen und benutzte dazu auch den ersten sich frei bewegenden Kreisel. Aber

schließlich gelang es erst ab 1908 einen für die Navigation brauchbaren Kursanzeiger auf dem

Wirkungsprinzip von Kreiselgesetzen zu entwickeln. Als 1908 bei der Vorbereitung einer

Tauchbootfahrt zum Nordpol Dr. Anschütz-Kämpe (1872 bis 1931) auf das Problem der Navigation in

geschlossenen stählernen Behältern (Unterseeboote) stieß, war die Foucaultsche Idee neu geboren.

Es musste ein richtungsweisendes System erdacht werden, dass in einem solchen Fahrzeug den Kurs

anzeigen konnte. In Zusammenarbeit mit dem bekannten Techniker Dr. Schuler begann Anschütz die

Erforschung von Kreiseln. Bedingt durch die Kreiselgesetze und durch dessen technische Umsetzung in

Form eines Kreiselkompasses wurde nun ein Richtungssystem entwickelt, dass seinen Erfolg nur dem

industriellen sowie wissenschaftlich - technischen Entwicklungsstand einer kapitalistischen

orientierten Gesellschaft verdankte. Die Grundlagen des technischen Kreisels unterscheiden den

richtungshaltenden und den richtungssuchenden Kreisel. Aus den Kreiselgesetzen ergibt sich, dass der

Kreisel das Bestreben hat, eine einmal eingenommene Lage im Raum beizubehalten. Dieses Bestreben

ist kein stabiles Gleichgewicht, sondern ein Beharrungsvermögen. Die Kreiselachse verbleibt solange

in ihrer augenblicklichen Lage, solange keine äußeren Kräfte auftreten und dauerhaft auf sie einwirken.

Ist sie aber einmal aus ihrer Lage hergebracht, kehrt sie nicht wieder die in alte Lage zurück, sondern

behält ihre neue Lage im Raum bei. Ein Kreisel mit drei uneingeschränkten Freiheitsgraden würde also

die Lage im Raum beibehalten auch wenn das Navigationsobjekt sich bewegt. So ein

richtungshaltender Kreisel findet Anwendung zur Stabilisierung von Waffen- Antennen- und anderen

Systemen und kann zur Steuerung z. B. von Raketen und Torpedos dienen. Zunächst wurde ein

Einkreiselkompass gebaut, d.h., das nordweisende System bestand aus einem Kreisel, dem Rotor eines

Drehstrommotors mit horizontaler Achse. Die Drehzahl betrug - wie heute noch - 20000 U/min. Er

hatte den Nachteil, dass infolge der ungünstigen Masseverteilung beim Schlingern des Schilfes ein

Schlingerfehler auftrat. Die Firma Anschütz und die nach den amerikanischen Elektroingenieurs und

Erfinders Eimer Ambrose Sperry, (1860-1930) benannte Firma Sperry Gyroscope Co., New York

entwickelten deshalb Kreisel-Kompasse mit drei Kreiseln, von denen zwei mechanisch so miteinander

gekoppelt sind, dass ihr resultierender Drallvektor mit der N-Richtung der Kompassrose

zusammenfällt. Die Drallachse des dritten Kreisels wird durch Fesselungsfedern in der N-Richtung der

Rose gehalten. Durch diese Verteilung der Kreisel wurde der Schlingerfehler aufgehoben. Da der

kräftefreie Kreisel raumstabil ist, und somit zum Koordinatensystem der Erde eine relative Bewegung

ausführt, auch treten durch die Reibung weitete äußere Kräfte auf, ist dieser Kreisel für eine

88

dauerhafte Kursmessung nicht geeignet. Ursache für die relative Bewegung des kräftefreien Kreisels in

Bezug auf das geographische Koordinatensystem ist die Eigenrotation der Erde. Um den Kreisel für

eine Kursmessung tauglich zu machen, wurde dieser an den Erdmeridian gefesselt. Das technische

Gelingen dieser Fesselung an Meridian ist erst das besondere Merkmal von sogenannten „schweren

Kreiseln", bei dem ein Freiheitsgrad eingeschränkt ist. Auf „schweren“ Kreiseln wird die immer

senkrecht stehende Gravitation der Erde, die der Richtung der z-Achse des ruhenden Kugelinertials

gleichkommt, genutzt. Dabei befinden sich die Kreiselrotoren in einer Schwimmkugel (Kreiselkugel).

Diese Schwimmkugel wird nun durch ein unter ihr befindliches Gewicht gezwungen, sich lotrecht auf

die z-Achse auszurichten. Sobald sich die Horizontalachse des Kreisels aus ihrer Ebene heraus

schwingen will, wird diese aufgrund der Erdanziehung veranlasst, dies nicht zu tun und in der

Horizontalen zu verbleiben. Die Kreiselkugel besteht in der Hauptachse aus zwei Kreiseln und dem

Flüssigkeitsdämpfer. Nur mit Hilfe des Flüssigkeitsdämpfers verwandeln sich ungedämpften

Schwingungen in gedämpfte Schwingungen, wodurch sich die Kreiselkugel in den Meridian schneller

einschwingen kann. Dabei liegt die N-S-Achse der Kreiselkugel in der Ebenen des Erdmeridians, wenn

der Kreiselkompass auf einem ruhenden Schiff arbeitet. Die Kreisel sind miteinander durch ein

Gestänge und mit der Kreiselkugel über Federn verbunden. Die Kreiselachsen befinden sich in einer

Ebene, die parallel zur Äquatorebene der Kreiselkugel liegt, und haben zwei Richtungen. Während eine

Richtung in der Nordostlinie liegt, liegt die andere Richtung in der Nordwestlinie der Kreiselkugel. Die

entstehenden Kreiseldralle kann man in Komponenten in Bezug auf die Nord-Süd- und Ost-West-Achse

der Kreiselkugel zerlegen. Die Komponenten der Dralle in Bezug auf die Ost-West-Achse sind einander

entgegen gerichtet und haben keinen Einfluss auf die Orientierung der Kreiselkugel im Azimut. Sie

stabilisieren die Kreiselkugel nur in Bezug auf die Nord-Süd-Achse. Die Komponenten der Dralle in

Bezug auf die Nord-Süd-Achse bewirkten die Kreiselkugel stabil im Raum zu halten. Aber infolge der

Erddrehung und des eigenen Pendelmomentes beginnt die Kreiselkugel zu präzessieren und beschreibt

elliptische ungedämpfte Schwingungen um den Erdmeridian. Gegen die Horizontalebene ist die N-S-

Achse so geneigt, dass das dabei entstehende Pendelmoment mg a sin 0 (in Bezug auf die Ost-West-

Achse) eine Präzession der Nord-Süd-Achse hervorruft, deren Geschwindigkeit in Wert und Richtung

der Vertikalkomponente der Umdrehungsgeschwindigkeit der Meridianebene des

Beobachtungspunktes gleich ist. Der Pendeleffekt entsteht durch die Schwerebeschleunigung der

Erde, wobei die Schwerkraft der Erde durch Herausnahme des Gewichtsschwerpunktes aus dem

Aufhängungspunkt der Kreiselkugel wirken kann. Aufgrund des zweiten Kreiselgesetzes schwingt der

Kreisel in den Meridian ein. Durch die Erdanziehung (F), einer senkrecht angreifenden Kraft also,

weicht der Kreisel horizontal aus. Es entsteht das Pendelmoment und der Kreisel ist an den Meridian

gefesselt. Er schwingt in den Meridian ein. Dieses Einschwingen erfolgt durch ungedämpfte Schwingen

und würde ca. 14 Tage dauern. Um dieses Einschwingen zu verkürzen, wird das Pendelmoment mit

Hilfe der Dämpfungseinrichtung abgeschwächt, so dass das Einschwingen nur noch 4 bis 6 Stunden

dauert. Die technische Entwicklung des Kreiselkompasses wurde im Deutschland so beschleunigt, dass

bereits 1912 Kreiselkompassanlagen im großen Stil in der kaiserlichen deutschen Marine betrieben

wurden. 1917 baute der Amerikaner Harry Z. Tanner den ersten, später von der Firma Sperry

hergestellten Zweikreisel-Kompass (Sperry-Kompass). Man war nun unabhängig vom

Magnetkompass, zudem war eine Fernübertragung von Richtungswinkels garantiert. So wurden noch

während des ersten Weltkrieges schon erste Kompassanlagen, Wendeanzeiger und im Ansatz auch

Selbststeueranlagen zuerst in der Fliegerei, aber auch an Bord von Kriegsschiffen eingesetzt. 1920 fahr

dann auch der erste Passagierdampfer mit einem Kreiselkompass zur See und 1927 schließlich baute

die Firma Anschütz ebenfalls einen Kreiselkompass mit zwei T-förmig zueinander angeordneten

89

Kreiseln. Heute befinden sich weltweit modifizierte Entwicklungen von Kreiselkursmesssystemen aus

den USA, Russland und Japan im bewährten Einsatz von Seeschiffen. In diesen Anlagen befinden sich

die beiden Kreisel in einer Kreiselkugel; diese schwimmt zur reibungsfreien Lagerung in einem

Kompasskessel, der mit einem Wasser-Glyzerin-Gemisch, durch einen Elektrolyten leitend gemacht,

gefüllt ist. Die Kreiselkugel trägt die 360°-Teilung und ist von einer in der Tragplatte (Deckplatte des

Kompasskessels) drehbar gelagerten Hüllkugel umgeben; die Zentrierung beider Kugeln wird mit Hilfe

einer oder zweier Blasspulen erreicht. Der Drehstrom zum Antrieb der Kreisel und der Wechselstrom

für die Blasspule werden über die Hüllkugel, der zwischen Hüll- und Kreiselkugel liegenden leitenden

Tragflüssigkeit der Kreiselkugel zugeführt. Ändert das Schiff den Kurs, so dreht sich der Kompasskessel

mit, da er mit dem Fahrzeug fest verbunden ist. Auch die Hüllkugel dreht sich zunächst mit, so dass

ihre Orientierung zur Kreiselkugel um den Kursänderungswinkel abweicht, der elektrisch gemessen

und durch einen Nachdrehmotor automatisch ausgeglichen wird. Auf jede Bewegung auf der Erdkugel,

also auch auf die Achsen des Kreisels im Kreiselkompass, wirkt die Corioliskraft als ablenkende Kraft,

die als Folge der Erdrotation in Erscheinung tritt. Diese Kraft wirkt senkrecht zur vorgegeben

Bewegungsrichtung eines Körpers, und zwar auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel

nach links. Dabei wird jedem bewegten Teilchen eine Beschleunigung (Coriolis-Beschleunigung) erteilt,

die von der Winkelgeschwindigkeit der Erde, der geographischen Breite und der Geschwindigkeit des

bewegten Teilchen (hier. das Schiff) abhängig ist Es ergibt sich als

Coriolis-Beschleunigung = 2 x w x sin (φ x v) (5),

wobei w die Winkelgeschwindigkeit der Erde, (φ die geographische Breie und v die Geschwindigkeit

des bewegten Teilchens (Schiffsgeschwindigkeit) ist. Die ablenkende Kraft der Erdrotation wirkt

senkrecht zu einer gegeben Bewegungsrichtung; sie vermag als Scheinkraft keine Arbeit zu leisten. Als

Folge ergibt sich für die Berechnung des Fahrtfehlers, dass jede horizontale Bewegungsrichtung (Kurs)

auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt wird; die Ablenkung

wächst mit der geographischen Breite und mit der Geschwindigkeit des Navigationsobjektes (Schiff).

Mit Hilfe des Äquatorumfangs der Erde kann die Winkelgeschwindigkeit der Erde berechnet werden.

Die Winkelgeschwindigkeit beträgt, wie oben erläutert, 901,62 sm/h oder ~15°, da der Äquatorumfang

40 075,18 km, (21638,87 sm), umfasst. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass diese

Winkelgeschwindigkeit nur für die geographische Breite 00°, also für den Äquator der Erde gilt. Für

andere Breiten gilt der mathematische Umstand, dass die Breitenparallelen in Richtung auf die Pole

mit dem Kosinus der geographischen Breite abnehmen. Die mathematische Beziehung (5) trägt diesem

mathematischen Prinzip Rechnung, denn es gilt für die Berechnung des Umfang eines

Breitenparalleles:

U = 2 r x cos (p x ?t (6) r sei der Radius

des betreffenden Breitenparalleles , so gilt U = 2rx7c (7)

Setzt man nun in die Formeln (6) und (7) die Werte der Winkelgeschwindigkeit der Erde ein, so gilt: w'

= w x cos φ

und man erhält die Winkelgeschwindigkeit der betreffenden Breite. Sie beträgt für

90

Auf dem fahrenden Schiff greifen dann Kräfte an der Drallachse der Kreisel an, deren Vektor bei Fahrt

voraus stets nach Backbord gerichtet und der Meridiankomponente der Fahrt proportional ist. Die

Resultierende dieser beiden Vektoren bestimmt die vom Kreiselkompass angezeigte Nordrichtung, die

von der geografischen Nordrichtung abweicht. Diese Abweichung ist der Fahrtfehler, der sich aus der

geografischen Breite des Schiffsortes und den Bewegungselementen des Schiffes (Geschwindigkeit

und Kurs) berechnen lässt. Wenn sich der Kreiselkompass auf einem ruhenden Schiff befindet, stellt

sich die Kreiselkugel also unter dem Einfluss des Pendeleffektes und der 24stündigen Erddrehung mit

ihrer Nord-Süd-Achse in die Ebene der wahren Nordrichtung ein. Bei einem fahrenden Schiff mit den

Elementen des Kurses (KrK) und der Geschwindigkeit (v) ist die Summe der linearen Geschwindigkeiten

der Schiffsbewegung in Bezug auf den Erdmittelpunkt durch den Vektor Vs bestimmt. In allen Fällen,

in denen der Schiffskurs (KrK) nicht gleich 090° und 270° ist, stellt der Vektor Vg die geometrische

Summe folgender beider Vektoren dar:

1.) die lineare Geschwindigkeit Vs des Punktes auf der Erde, in dem sich im gegeben Moment das Schiff

befindet und

2.) die Fahrtgeschwindigkeit v des Schiffes

Dabei bildet der Vektor v, (aus Vs = Ve + v) mit dem gleichzeitig parallel laufenden zweiten Vektor v.

den Winkel 8. Beim Kurs 90° bzw. 270° stellt der Vektor Vs eine algebraische Summe Vs = Ve v dar und

fallt in seiner Richtung mit dem zweiten parallel laufenden Vektor Ve zusammen. Deswegen wirkt sich

eine Betragsänderung der Summe der Schiffsgeschwindigkeiten bei Fahrt nach Westen bzw. nach

Osten nur auf den Betrag des Richtmomentes der Kreiselkugel aus: Bei Bewegung des Schiffes nach

Osten ist das Richtmoment kleiner vs = ve - v. Bei Bewegung des Schiffes nach Westen ist das

Richtmoment größer vs = ve + v. Die scheinbare Nordrichtung Ns (Drehbewegung des Schiffes um den

Erdmittelpunkt) und folglich auch der Pol P(vs) (dabei entstehendes Wiederherstellungsmoment), zu

dem die Kreiselkugel präzessiert, weicht vom Pol P(ve) -Erddrehung- um denselben Winkel δ ab.

Infolgedessen weicht auch der Wert des Schiffskurses, den der Kompass anzeigt (KrK), vom wahren

Wert des Kurses (rwK) ebenfalls um den Winkel δ ab. (Still vorausgesetzt dabei sei, dass der

Aufstellungsfehler des Kreiseskompasses, das KrA, gleich Null ist.) Da die Ursache für die Ablenkung

der Kreiselkugel aus der wahren Nordrichtung die Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes ist, wird die

beschriebene Erscheinung mit Fahrtfehler und der Winkel δ mit Fahrtfehlerkompensation bezeichnet.

Der Wert des Fahrtfehlers kann ausgerechnet und mit Hilfe des am Kreiselkompass befindlichen

Deltagerätes kompensiert werden. Dazu wird das Dreieck ACD mit dem Winkel δ eingeführt.

Breite w 0° 900,0 kn 15° 869,3 kn 30° 779,4 kn 45° 636,4 kn 60° 450,0 kn 75° 232,9 kn 90° 0,0 kn

91

KrK v v

KrK v

AD

CD

(kn)0(kn)

kn

sincos

costan

+==

V0 ist die Umdrehung eines Bahnpunktes auf der Erdoberfläche ~ 900 sm/h oder 15°/h

Wie aus der Formel ersichtlich, hängt die Größe des Fahrtfehlers von der Fahrtgeschwindigkeit des

Schiffes (v), der geographischen Breite (φ) und dem Schiffskurs (KrK) ab. Bei gegebener (konstanter)

Breite und der Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes ist er nur vom Wert des Kurses abhängig (cos KrK und

sin KrK), d. h. er hat halbkreisförmigen Charakter. Deswegen wurde der Konstruktion der

mechanischen Einrichtung des Deltagerätes am Kreiselkompass eine Scheibe zugrunde gelegt, die so

angeordnet ist, dass sie von der Drehachse der Hüllkugel weg längs der Mittschiffsrichtung des Schiffes

verschoben werden kann. Da der Fahrtfehler universell für alle Kreiselkompassanlagen gültig ist, kann

er nach einer Tabelle korrigiert oder mit Hilfe eines kurz vor dem zweiten „Weltkrieg entwickelten

Gerätes automatisch kompensiert werden. Beschleunigungsfehler treten bei Geschwindigkeits- und

Richtungsänderungen des Schiffes auf. Diese werden nach einem Satz von Schuler unwirksam, wenn

die Schwingungsdauer des Kreiselkompasssystems gleich 84,4 min gemacht wird. Dennoch wird durch

die Wirkung von Beschleunigungskräften bei Kurs- und Fahrtänderungen des Schiffes eine

Manöverbeschleunigung und bei Wirkung Beschleunigungskräften bei Seegang eine

Seegangsbeschleunigung hervorgerufen Weiter kann ein Anzeige- oder Aufstellungsfehler auftreten,

der Kreisel-Aufstellungsfehler, kurz das Kreisel-A genannt. Es ist ortsunabhängig konstant mit gleichem

Vorzeichen, wird in längeren Zeitabständen durch Peilen von Gestirnen o. a. Objekten mit bekanntem

Azimut bestimmt, durch Verdrehen des Kompasskessels bzw. -gehäuses kompensiert und kann dann

an einer Skale abgelesen werden. Der Aufstellungsfehler ist Null, wenn der äußere Peilring am

Peilkompass (000°-180° Linie) mit der Mittschiffslinie übereinstimmt. Die Anzeige des

Mutterkreiselkompasses kann elektrisch durch Drehmelder auf verschiedene (bei Anlagen mit

Übertragungsverstärkern bis über 30) Tochter- oder Fernkompasse, z. B. auf dem Peildeck und in den

Brückennocks (Peiltöchter), im Kartenhaus, in der Selbststeueranlage und im Koppeltisch (Kurstöchter)

übertragen werden; ferner lässt sich das Radargerät zur Nordstabilisierung über Drehmelder mit dem

Mutterkompass verbinden. Das Kr-A kann sich deshalb auch in einem Übertragungsfehler vom

Mutterkreisel zu den Töchtern. Vor dem Auslaufen ist deshalb ein Kompassvergleich zwischen dem

Mutterkompass und den Töchtern (auch Tochter am Funkpeiler und am Radargerät) durchzuführen.

Eine Fernanzeige gibt es auch bei manchen besonderen Magnetkompassen. Steht der

Magnetkompass. auf dem Peildeck, so wird seine Anzeige mittels eines Spiegelsystems oder

fotoelektrisch im Ruderhaus sichtbar gemacht (Reflektions- bzw. Projektionskompass). Der

Mutterkreiselkompass wird häufig in einem schlingerarmen Raum mittschiffs im Schiffsrumpf

untergebracht. Moderne luftgekühlte Zweikreiselkompasse, wie die der Firma Anschütz und Plath

(Deutschland) sowie die der britischen Finnen Brown und Sperry, können aber auch auf der Brücke

aufgestellt werden. Viele Kreiselkompasse übertragen zur Kontrolle des gesteuerten Kurses mittels

eines Drehmeldergebers den Kurswinkel ständig auf einen Kursschreiber (Tochter-Kompass), der ihn

in Verbindung mit einer Uhr unabhängig von der Geschwindigkeit des Schiffes auf einem Papierstreifen

aufzeichnet. Die Anzeigegenauigkeit heutiger Kreisel-Kompasse liegt etwa bei =1= 1°, bei sehr guten

Geräten sogar darunter. Die notwendige Voraussetzung dafür ist jedoch der Gebrauch von elektrischer

92

Energie. Ein Ausfall der autonomen Stromversorgung an Bord von Seeschiffen, vor allen hervorgerufen

durch Notsituationen, bedeutet auf modernen Schiffen eine erhebliche Einschränkung im Prozess der

Schiffsführung hinnehmen zu müssen. So wird heute noch durch den Einbau eines Magnetkompasses

versucht, diese Einschränkung auszugleichen. Wir konnten also sehen, wie die technische Entwicklung

mit der Einführung des Kreiselkompasses auf Navigationsobjekten ein weiteres System integrierte, um

die Ebene der Erdoberfläche als Bezug zur Messung von Gierwinkeln (Kurswinkel) zu nutzen. Mit

Kenntnis der Kreiselgesetze wurde unter Fesselung an die Gravitation der Erde somit ein Prinzip

verwirklicht, dass weitgehend die Kreiselkugel zu einem Inertial macht, wenn die Systemfehler in

annehmbaren Genauigkeitsgrenzen herausgerechnet werden. Das Kreiselsystem kann unter

Beachtung der Korrekturen der Beschleunigungs- und Fahrtfehler als streng lineares System gelten,

indem keine Beschleunigungen bzw. Scheinkräfte auftreten sollen. Während richtungshaltende Kreisel

zur Gewinnung von Lagewinkel verwendet werden, war es in der technischen mechanischen

Entwicklung nicht mehr weit, ein wirkliches Inertialsystem an Bord einzuführen. Da es unter

Berücksichtigung der zweimaligen Integration der gemessenen Beschleunigung möglich ist, eine

Ortbestimmung durchzuführen, wenn als Ausgangsbedingungen der Anfangsort (Position A in

geographischer Länge und Breite) die Anfangsgeschwindigkeit (die auch den Wert „Null" annehmen

kann) bekannt sind, wird eine Methodik der Navigation in die Seefahrt eingeführt, die sich unter dem

Begriff „Trägheitsnavigation" vereinigt.

Die Errichtung von Kursmesssystemen auf Navigationsobjekten muss somit als eine erste Verknüpfung

des Navigationssystem S9 mit dem Inertialsystem S verstanden werden. Es liegt hier die Verknüpfung

der x - y Ebene des ruhenden Kugelinertials mit der x' - y' - Ebene des Navigationsobjektes vor. Die

Bezugsebene ist die auf der Kugeloberfläche liegende Meridianlinie, die nun als Referenzlinie der

azimutalen und horizontorientierten Verbindungslinie zwischen dem Nord- und dem Südpunkt der

Erdoberfläche dient. Das astronomische Stundenwinkelsystem des Systems S ist somit mit dem

Horizontsystem des Systems S1 verknüpft. Diese Verknüpfung allein lässt aber noch keine

Koordinatenbestimmung bezüglich S zu, sondern sagt nur etwas zwischen der Beziehung S und y auf

der Meridianbezugslinie aus. Diese Beziehung gestaltet sich in der Richtung zwischen einem

Abfahrtsort (A) und einem Bestimmungsort (B), wobei die Richtungen auf der Kugeloberfläche von S

mit der Richtungsanzeige von S' übereinstimmen soll. Diese Beziehung des Winkelbezuges zwischen

dem Meridian und der Kielrichtung eines Schiffes gilt als Kursbezug und muss als relativer

Navigationsprozess bezüglich dem Navigationssystem S' verstanden werden und ist eine relative

Beziehung. Somit drückt sich der Kurswinkel a als Richtungswinkel der Verbindung der Orte A und B

und dem Meridian auf der Oberfläche des Kugelinertials aus, der in analytischer Form an den

Kursmesssystemen der Navigationssysteme S' anliegt. Der Kompass ist somit ein Instrument der

Messung von Richtungswinkeln. Die Genauigkeit der Messung lässt bezüglich dem Meridian nur Werte

bis 0,25° zu. Wird jedoch das Grad auf die angenommene Kugeloberfläche der Erde als Längenmaß

ausgedrückt, so stellt das Unvermögen genauere Messdaten als kleiner 0,25° über Kompassanlagen zu

gewinnen, eine Einschränkung gegenüber berechneter Richtungswinkel auf dem Großkreis dar. Wir

werden später in der Betrachtung der Rolle der Azimutberechnungen zu Gestirnen noch sehen, mit

welcher anderen Methodik verfahren wird, um dieses Unvermögen der Messung von Richtungswinkel

kleiner 0,25° auszugleichen. Eine zweite Beziehung ergibt sich, wenn die z - Achse des Kugelinertials

mit der z’ — Achse des Navigationssystems verknüpft wird. Hier ist die Tiefenmessung oder auch

Tiefenortung gemeint. Wir haben bereits gesehen, wie kompliziert sich die Berechnungen eines Geoids

gestalten, um die Erdoberfläche allumfassend beschreiben zu können. Das Geoid soll die Grundlage

93

für die Festlegung eines mittleren Meeresniveaus und somit die Bezugsfläche des theoretischen

Kugelinertials S liefern. Die Feststellung dieser Werte basiert auf Vermessung von Wassertiefen mit

Hilfe von Lotungen. Die Lotungen müssen mit der geographischen Position gekoppelt sein, sonst sind

sie bezüglich einer Erddarstellung wertlos. Der Verlauf der x-Achse mit dem Anfangspunkt einer

gegebenen geographischen Koordinatenposition auf der Meeresoberfläche wird durch das

Durchstoßen dieser Achse durch den Meeresgrund gekennzeichnet. Die Strecke der x-Achse des

Systems S (Erdradius) gliedert sich somit in die zwei Streckenabschnitte vom Erdmittelpunkt bis

Meeresgrund und vom Meeresgrund bis zur Meeresoberfläche (Meerestiefe). Der Streckenabschnitt

Erdmittepunkt bis Meeresgrund soll nun zur Berechnung des Erdellipsoids als absolute Größe erfasst

werden. Diese absolute Erfassung ist nur möglich, wenn das relative Verhalten des submarinen

Bereiches der Hydrosphäre bekannt ist. Um das Bodenrelief zu erfassen, müssen somit zuerst die

ozeanlogischen Prozesse bekannt sein. Eine Modifizierung des Meeresgrundreliefs ist somit nur über

das Meerwasser und dessen Verhalten durchführbar. Die verschieden Ursachen der Veränderung von

Wassertiefen nicht nur zu kennen, sondern auch zu berechnen, dient also nicht nur der Untersuchung

des dynamischen Verhaltens des Meerwassers, sondern auch der absoluten Erfassung der

Erdoberfläche. Die Grundbedingungen für das dynamische Verhaltens des Meeres werden durch die

Existenz der die Erdkugel beeinflussenden physikalischen Gesetze hervorgerufen. Alle

beeinflussenden Faktoren mit ihren Gesetzmäßigkeiten in und über dem Wasser können als Prozess

der fortlaufenden Wandlung der Naturbedingungen aufgefasst werden. Die Erde ist ein Planet fern

vom Gleichgewicht. Das wechselhafte Einwirken der aus dem Kosmos kommenden Einstrahlung, das

alle Bereiche des Spektrum elektromagnetischer Wellen, einschließlich der von der Sonne

ausgehenden Strahlung umfasst, die ständige vorhandene Eigengravitation der Erde und die

Wirkungen der von anderen Himmelkörpern ausgehenden Gravitationskräften und nicht zuletzt die

Erdrotation bestimmen die ständigen Wechselbeziehungen des Klimas und Wetters einerseits und der

Meeresgezeiten andererseits. Dieses in seiner Gesamtheit zu erfassende Verhalten des Meeres ist

jedoch nur ein Teil, dass im Zusammenhang mit der Erde als Ganzes betrachtet und verstanden werden

muss. Die Erde als integriertes Ganzes, als lebenden Planeten zu betrachten, wird im

wissenschaftlichen Vorstellung als „Gaia - Hypothese" formuliert. Die Matrix gleicht einem strukturell

offenen lebenden System, welches jedoch organisatorisch geschlossen ist und sich durch

Selbstorganisation nach außen in einer ganzheitlichen Harmonie hält. Werden nun in einem noch

folgendem Abschnitt diese Systeme des Wetters, Klimas und der Gezeiten untersucht, so ist zu

verstehen, dass eines vom anderen nicht getrennt betrachtet werden kann. Doch dazu an späterer

Stelle. Die systematische Erforschung des Meeresbodens setzte um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein.

Die gesellschaftliche Notwendigkeit nach Kommunikation über die Kontinente hinweg, machten das

Verlegen von transozeanischen Seekabeln notwendig. Die Vorarbeiten für diese Vorhaben verlangten

nach differenzierteren Kenntnissen der Bodenreliefs der Weltmeere. 1854 veröffentlichte der

Amerikaner Maury die erste Tiefenkarte, die den Atlantik zwischen den Breiteparallelen 10°S und 52°

N umfasste. Im gleichen Jahr wurde auch das erste brauchbare Tiefseelot durch den US - Seeoffizier

Brooke gebaut, welches zur Erforschung der Meerestiefen, einer für ein Unterseekabel notwendigen

Trasse zwischen Irland und Neufundland eingesetzt wurde. Auch wenn das Vermessen großer

Meerestiefen nur mit erheblichen technischen Aufwand bewältigt werden kann, so war doch bis in die

Antike zurückgreifend das Vermessen der Küstengewässer ständige Aufgabe der nautisch

interessierten Küstenstaaten der Welt. Hilfsmittel, wie der Peilstock bzw. das Handlot werden heute

noch für die Vermessung von Tiefenbereiche bis 100 m verwendet. Erst mit der Herstellung längerer

Lotleinen und spezieller Lotmaschinen konnten größere Tiefenmessungen bewältigt werden. Zur

94

Zeit der Grossen Geographischen Entdeckungen waren Lotleinen um 200 m bis 400 m in Gebrauch.

Aber erst 1874 gelang dem amerikanischem Schiff „Tuscarora" erstmalig im Nordwest — Pazifik in der

Nähe der Inselgruppen der Marianen und Kurilen Meerestiefen über 8000 m zu vermessen. Und erst

die internationale Zusammenarbeit mehrerer Staaten machten es möglich, eine Tiefenkarte des

gesamten Weltmeeres zu schaffen, die alle wissenschaftlichen Anforderungen erfüllen konnte. So

beschloss der VII. Internationale Geographische Kongress, der 1899 in Berlin stattfand, die Gestaltung

der „General Bathymetric Chart of the Ocean" (GEBCO). 1904 schließlich lag die erste Ausgabe der

GEBCO vor. Mit Hilfe von 18 400 Lotungen wurde sechzehn Blätter im Maßstab l : 10 000 000 und acht

Polblätter im Maßstab l : 3 100 000 angefertigt. In den nachfolgenden Jahres wurde dieses Verzeichnis

immer wieder modifiziert, so dass zwischen 1912 und 1927 eine zweite Auflage mit insgesamt 29 000

Lotungen veröffentlicht werden konnte. Eine dritte Auflage mit insgesamt 370 000 Lotungen wurde in

der Zeit von 1932 bis 1955 herausgegeben. Das Internationale Hydrographische Büro (IHB) in Monaco

zeichnet seitdem für die Herausgabe verantwortlich. Ein entscheidender revolutionärer Fortschritt

wurde mit Einführung des durch Behn im Jahre 1913 entwickelten Echolotes erreicht. Schon nach zehn

Jahren waren die Echolote so verbessert, dass ein erstes Echolotprofil des Nordatlantiks erstellt

werden konnte. Die systematische Tiefenvermessung konnte so auch in größeren Seegebieten in

Angriff genommen werden. 1926 gelang es dem deutschen Kreuzer ,,Emden“ beim Überqueren des

Philippinengrabens eine Wassertiefe auf 10 400 m zu korrigieren. Tiefenmessungen von 10.000 m

waren nun keine Seltenheit mehr. Als dann 1946 das Echolot eine Weiterentwicklung zum

Echographen erfuhr, waren wegen der nun graphischen Darstellungsanalyse neue Möglichkeiten zur

Vermessung eröffnet. Dennoch muss nach wie vor festgestellt werden, dass der Meeresboden der am

wenigsten bekannte Erdraum ist. Obwohl das Meeresrelief hinsichtlich der submarinen Großformen

bekannt ist, liegt eine lückenlose Kartographie der Meeresoberfläche gerade in größeren Tiefen über

1000 m noch nicht vor. Sollte dieses Ziel erreicht werden, so müssten 20 Jahre lang zwanzig

Vermessungsschiffe ständig und zielbewusst eingesetzt werden. Ein am Schiffsboden angebrachter

magnetostriktiver Schwinger sendet in rascher Folge Ultraschallimpulse von 20 bis 30 kHz aus, die vom

Meeresboden oder einem Hindernis reflektiert werden und im ebenfalls am Schiffsboden

angebrachten Empfänger oder in denselben Schwinger (Einschwingerprinzip) zurückgelangen. Die

Schallaufzeit im Meereswasser beträgt 1500 m/s bei 20°C Wassertemperatur und bei einem Salzgehalt

von 20 %. Da die Wassertiefe sich proportional der gemessenen Schalllaufzeit verhält, kann das

Schallimpulssignal in elektrische Spannung umgewandelt werden. Die in einem Anzeigegerät

untergebrachte kreisförmige Meterskale zeigt durch Leuchtblitze die Größe der elektrischen Spannung

und damit die Wassertiefe an. Neben diesen Lichtzeigerlot kann die Anzeige auch digital durch Ziffern

in Meter erfolgen. Soll das Bodenprofil graphisch zur Anzeige gelangen, wird die durch eine

Schreibnadel geführte Spannung elektrochemisch das auf einer Rolle laufende Funkenregisterpapier

an der entsprechenden Stelle schwärzen. Neben den der Navigation dienenden Echoloten mit einem

Messbereich bis 2000 m, wurden auch Vermessungsecholote mit einem Messbereich bis 5000 m

entwickelt. Tiefseeecholote können sogar Wassertiefen bis 12000 Meter erfassen. Für die Vermessung

besonders flach gehender Küstenabschnitte, für Fahrwasser u. ä. kommt die Anwendung von

Flachwasserecholoten bis 30 m Messbereich (Dezimeter Genauigkeit) zur Anwendung. Spezielle für die

Fischerei entwickelte Vertikalecholote mit 20 Messbereichen oder Horizontal - Vertikalecholote,

dessen Schwinger um einen einstellbaren Winkel gekippt und geschwenkt werden kann, dient der

Erfassung von Fischschwärmen bis 2000 m Entfernung und anderen Unterwasserhindernissen. Die als

Fischlupe bezeichnete und an das Echolot angeschlossenen Kathodenstrahlröhre gestattet sogar die

noch genauerer Ortung von Fischschwärmen in Tiefenbereichen von 20 oder 100 Meter. Durch

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lupenartige Spreizung des Tiefenbereiches werden selbst große Einzelfische und die Art des

Fischschwarmes aufgrund des spezifischen Echos erkennbar. Diese Arten der Echolotanlagen lassen

sich selbstverständlich mit dem Prinzip der Dopplerverschiebung koppeln, so dass auch die Fahrt des

Schiffes über dem Meeresgrund erkennbar wird (siehe Fahrtmessanlagen).

Soll die absolute Meerestiefe erfasst werden, ist von einem Referenznull auszugehen. Dabei muss die

Tiefenbezugsfläche mit der Höhenbezugsfläche identisch sein. In den Seekarten ist dieses nicht der

Fall, weil sich die Höhenangaben meistens auf Normalnull und die Tiefenangaben auf Mittelwasser

oder in Tidengewässern auf das mittlere Springniedrigwasser beziehen. Es kann der internationalen

Kartographie schon wegen den nationalen Besonderheiten der Küstengewässer nicht gelingen, ein

einheitliches Seekartennull einzuführen. Die unterschiedlichen Erdellipsoide können diesen Umstand

nicht Rechnung tragen, wenn auf absolute Genauigkeit nicht verzichtet werden soll. Gelotete Tiefen

sind somit immer entsprechend dem korrespondieren Wasserständen auf Kartennull zu reduzieren.

Weiterhin ist die Genauigkeit des geloteten Tiefenwertes von Lotungsverfahren abhängig. Bei

Lotleinen besteht die Gefahr der Durchkrümmung. Bei Echolotungen ist die Eichung der Geräte auf die

entsprechen Schallausbreitungsbedingungen in einem betreffenden Seegebiet entscheidend für den

Genauigkeitsgewinn. Aufgrund der unterschiedlichen Dichte und Temperatur in unterschiedlichen

Tiefen eines Meeresgebietes wird eine unterschiedliche Laufzeitmessung des Schalls zu beobachten

sein, die durch ein am Gerät einstellten Mittelwert (meistens l 500 m/s) nicht ausgeglichen werden

kann. Ein genaues Ergebnis wird erst durch die entsprechend der Schauausbreitungsbedingungen in

den einzelnen Wasserschichten vorzufindenden Korrekturwerte erreicht. Im Allgemeinen ist jedoch zu

erwarten, dass die Tiefenangaben in den Seekarten bis 10 Meter auf 0,1 Meter, die von 10 bis 50 Meter

auf l Meter genau angeben werden können. Erst bei Wassertiefen über 3000 Meter muss ein

Toleranzwert von 10 bis 20 Meter angesetzt werden. Für Navigationsobjekte, die ausschließlich auf

der Meereswasseroberfläche manövrieren, sind diese Genauigkeitsangaben der Tiefen hinsichtlich der

Navigation in Küstennähe als völlig ausreichend anzusehen. Lediglich bei der Bewältigung von

Aufgaben im Meer bzw. am oder im Meeresgrund werden genauere Tiefenangaben in Bezug auf den

relativen Wasserstand vor Ort gemessen, auf das geltende Seekartenull oder Landeskartennull

reduziert und als spezielle Lotungskarte dargestellt. Somit stellt die durch Messung gewonnene

Wassertiefe eine Vermessung des Abschnitts der z-Achse des Kugelinertials einer geographischen

Position dar. So wurden schon vor Einführung des Echolot Verfahrens für die Zeit der

Küstenvermessungen im 18. und 19. Jahrhundert erstaunliche Messergebnisse erreicht. Die Abbildung

von Lottiefen in Form von Lotreihen auf einer Seekarte ohne Zeitbezug zu verwirklichen, konnte nur

erreicht werden, indem zwei geographische Positionen durch eine Leine verbunden worden sind. Man

führ mit einem Lotboot von einem vermessenden Punkt der Strandlinie in Richtung See und spannte

zwischen den beiden so entstandenen Position eine Leine, die in Abschnitten vermessen war.

Entsprechend den Leinenabschnitten wurden die Lotungen durchgeführt und notiert, um später in die

Seekarte übertragen zu werden. Je häufiger man die Methode anwandte, umso mehr Lotlinien kamen

zustande. So wurde langsam die gesamte Tiefenvermessung an der Küste und im Küstenvorfeld, in und

um Fahrwasserstraßen, Schifffahrtswegen und Meeresengen realisiert. Die Zeitspanne der

Anwendung des Handlotverfahren ist gegenüber der Anwendung des Schallaufzeitverfahren eine sehr

geringe, und dennoch wurden allein mit der Handlotmethode ungeheure große Meeresgebiete

vermessen. Erst in heutiger Zeit haben moderne Schallechoanlagen das Handlot weitgehendst

verdrängt. Erwähnt werden muss noch die auf Erfahrungswerte beruhende Schätzung von

Wassertiefen in Küstennähe. Diese Form der Schätzung von Tiefen trifft vor allen für die

96

Kleinschifffahrt zu, die außerhalb von bezeichneten Fahrwassern in unmittelbarer Nähe flacher

Küstengewässer oder anderer Untiefen manövrieren wollen. An Hand der Sichtigkeit des Meerwasser,

der Wasserfärbung, der sich bildenden Wellenformen auf flachen Gewässern gegenüber tieferen ist

hier eine vorsichtige Schätzung möglich. Um hier weiteres nachzulesen, sei der Abschnitt

„Orientierungsräume der Seenavigation und ihre Eigenschaften"' empfohlen.

Nun ist die Form der Tiefenlotung von Bord aus nur ein Aspekt im Navigationsprozess. Ein anderer ist

das Feststellen der Distanz und der Schiffsgeschwindigkeit von Bord eines Schiffes aus. An dieser Stelle

darf das Wort „Gissung" nicht unerwähnt bleiben. Wenn ein Navigationslehrer namens Brarens 1818

schreibt.' „Das Gissen der gesegelten Distanz nach Pulsschlägen oder Zählen nach dem vorbey

fließenden Wasserschaume und nach über Bord geworfenen Holzstücken ist so manchen Seemanne

durch Übung und Erfahrung zu eigen geworden, daß er selten darin fehlen mag" so muss darauf

verwiesen werden, dass allein die Messung der Schiffsgeschwindigkeit, gleich in welcher Form auch

immer, niemals als „Gissung" zu bezeichnen ist. Hinlängliche Quellen bezeugen das Wort „Gissung" als

das verballhornte englische Wort „to guess". Und tatsächlich ist es auch so, to guess heißt schätzen

und nicht messen. Die Schätzung der Schiffsgeschwindigkeit erfolgte ohne eine Nutzung von

irgendwelchen Messinstrumenten zur Messung der Schiffsgeschwindigkeit allein mit Hilfe der

Erfahrung. Wenn also Brarens die Messung von Schiffsgeschwindigkeiten mittel Pulsschlägen oder an

Hand von Holzstücken (Relingslog) beschreibt, so kann er schon keiner Gissung im eigentlichen Sinne

mehr sprechen. Aber eines bezeugt dieses Wort dennoch. Die Gissung durch analytische

Messverfahren zu ersetzen, war erfolglose Suche über Jahrhunderte. Musste erfolglos sein, solange es

an exakten Zeitmessern fehlte und blieb im Anfang stecken, solange astronomisch gewonnene

Mittagsbreiten mit Fehlern um 15' bis 30'' behaftet blieben. Als schließlich die Logge in Gebrauch

genommen wurden, verschwand die Gissung letztlich gänzlich. Ein erstes Rätsel, ob nur Gissung oder

die Messung der Schiffsgeschwindigkeit durch Logge erfolgte, gibt uns Magellan auf seiner

Weltumsegelung. Auf Seite 155 ^m Rechten Fundament der Seefahrt1' finden wir folgenden Text von

A. Humboldt: "Die erste Anwendung des Loggens finde ich in einer Stelle von Pigafettas Reisejournal

der Magellanschen Weltumseglung, das lange in der Ambrosianischen Bibliothek in Mailand unter den

Handschriften vergraben lag. Es heißt darin im Januar 1521, als Magellan schon in die Südsee gelangt

war: secondo la misura ehe facevamo del viaggio colla catena a poppa, noi percorrevamo da 60 in 70

leghe al giomol2. Was kann diese Vorrichtung der Kette am Hinterteil des Schiffes (catena a poppa),

«deren wir uns auf der ganzen Reise bedienten, um den Weg zu messen«, anderes gewesen sein als

eine unserem Log ähnliche Einrichtung? Der aufgewickelten in Knoten geteilten Loglinie, des

Logbrettes oder Logschiffes und des Halb-Minuten- oder Logglases geschieht keine besondere

Erwähnung; aber dieses Stillschweigen kann nicht verwundern, wenn von einer längst bekannten

Sache geredet wird. Auch in dem Teil des <Trattato di Navigazione> des Cavallere Pigafetta, den

Amoretti im Auszug geliefert hat (freilich nur von 10 Seiten), wird die «catena della poppa» nicht

wieder genannt. Gleichzeitig wiederspricht A. Breusing auf Seite 156: „Humboldt spricht hier die

ursprünglich vom Amoretti, dem Herausgeber des Pigafettaschen Tagebuchs aufgestellte Behauptung,

dass die Catena a poppa unsrer Logge sei, so zuversichtlich nach, dass man nicht geglaubt hat, daran

zweifeln zu dürfen, und doch verhält sich die Sache anders. Die catena a poppa, die wir zu Deutsch am

besten mit „Schleppleine" wiedergeben, dient dazu den Kurs des Schiffes genau zu bestimmen. Der

Kurs aber wurde dazu benutzt die Distanz zu messen." Zweifelsohne kann mit nur einer Kette nicht die

Fahrt eines Schiffes bestimmt werden und so geht der Streit weiter, ob diese Kette nun ein Versuch

der Anwendung einer Logge vorstellt oder nur wirklich eine Kette zur Schätzung der Abtrift war.

97

Zweites Argument trifft hier wohl eher den Kern der Sache, denn wir finden in keiner anderen oder

weiteren Literatur die Anwendung der Logge gegen Anfang des 16. Jahrhunderts. Erst 1574 wird die

Anwendung der Logge von William Boume in seinem Werk „A Regiment for the Sea" erstmals deutlich

erwähnt. Nun soll die erste Erwähnung der Logge nicht bedeuten, dass sie vorher nicht bekannt war.

Wurde doch der Buchdruck schon 1440 von Gutenberg erfunden und die Verbreitung von

erfinderischen Neuigkeiten konnte regelrecht publiziert werden. Aber dennoch ist eine ausführliche

Beschreibung der Loggen vor 1574 nicht auffindbar. Freilich muss darauf verwiesen werden, dass das

entwickelte Instrument aus einem viertelkreisigem Holzscheit und die auf einer Rolle befindliche und

am Scheit befestigte Loggleine nicht das einzige bekannte umgesetzte Verfahren war, die

Geschwindigkeit in Abhängigkeit des Sandlaufes einer Sanduhr zu messen. Vielmehr kam die für die

Messung von Geschwindigkeiten bis ca. 5 sm/h das uns heute unter dem Namen „Relingslog" bekannte

Verfahren zum Tragen, bei dem aus dem Verhältnis der durchlaufenden Zeit zur Schiffslänge die

Geschwindigkeit aus einem am Bug hineingeworfenen Holzstückchen herausgerechnet werden

konnte. Die heutige Anwendung dieser Methode basiert auf den mathematischen Zusammenhang,

dass eine Anzahl gelaufener Meridiantertien auch gleich der Anzahl der Seemeilen pro Stunde ist, wie

folgende Rechnung aufzeigt: Aus dem mittleren Erdradius von 6 376 km auf der als Kugel

angenommenen Erde beträgt mittlere Erdumfang 40.000 km. Die Seemeile wurde 1928 vom

Internationalen Hydrographischen Büro in Paris auf 1.852,0 m festgelegt, so dass nachfolgende

Entsprechung gilt:

40000 km = 360° (Grad)

111,1 km = 1° (Grad)

1852,0 m = 1' (Bogenminute)

30,87 m = l" (Bogensekunde)

0,514 m = l"' (Meridiantertie)

m s3600

m

s60min 60

m 514,0

185218521 ==

=

0,1 sm = 1 kbl aus: 30,87 x 6 = 185,2 m

So gilt für die Schiffsgeschwindigkeit:

1 sm / h (kn) = 1 Mt / s,

da eine Meridiantertie pro Sekunde der 3600 Teil einer Seemeile pro Stunde ist.

Für t

sv = gelten die Geschwindigkeitseinheiten:

s

mt/s mt und

kblkbl ndu

h

smkn ===

minmin/

Beispiel:

98

18 sm/h = 33,336 km/h

0,3 sm/min = 555,6 m/min

0,005 sm/s = 9,26 m/s

0,005 sm/s = 18’’’/s

Diese Anwendung des Relingslogs mag schon vor Erwähnung der ersten Loggeinstrumente weite

Verbreitung in der Seefahrt gefunden haben. Denn an Hand von am Schiffsrumpf vorbei treibenden

Gegenständen auf die Fahrt des Schiffes zuschließen, liegt in der jeder logischen Beobachtung des

Menschen. Ob nun die Relingslogmethode oder die Methode des nach achtem ins Wasser geworfenen

und dort senkrecht stehenden (weil mit Blei beschwert) Holzscheites, die Meridiantertie eignete sich

hervorragend, um aus einer gemessenen Distanz sofort die Schiffsgeschwindigkeit in Seemeilen pro

Stunde zu erhalten. Wird die zwischen Holzscheit und an der achteren Bordwand auf einer Rolle

befindliche Logleine durch Knoten markiert, so muss der Abstand zwischen den Knoten genau so lang

sein, dass die Anzahl der durch die Hand rauschen Knoten sofort die Größe der Schiffsgeschwindigkeit

angibt, wenn das Loggescheit ausgeworfen wird und durch dessen Trägheit mehr oder weniger in der

achteren Kielrichtung zurückbleibt. Benutzt man eine Sanduhr mit einer Sanddurchlaufzeit von genau

14s, müssen die Abstände zwischen den Knoten 7 m betragen (0,5 m = l"'). Als 1802 endlich ein

weiterer Engländer das Patentlog erfand, war die endgültige Einführung der Mechanisierung der

Geschwindigkeitsmessung gelungen. Edward Massey, ein Instrumentenbauer aus Newcastle verband

einen vom Schiff nachgeschleppten Propeller durch eine geklöppelte (und sich daher nicht

aufdrehende) Leine mit einem Zählwerk. Entsprechend der Schiffsgeschwindigkeit verhielt sich der

Propeller in seinem Umdrehungen. Als der Edward Masseys Neffe, Thomas Walker das Zählwerk durch

eine Loggeuhr ersetzte, musste nunmehr das Gerät auch nicht mehr eingeholt werden, um die

gelaufene Distanz abzulesen. Bis Ende des 19 Jahrhunderts war dann auf vielen Segelschiffen das

ebenfalls von Walker entwickelte und von ihm patentierte Harpoon-Ship-Log (Harpunenschiffslog) im

Gebrauch. Diese mechanischen Patent- oder auch Chemikeef-Logge konnten bis Geschwindigkeiten

bis zu 20 kn verwendet werden und hatten einen Unsicherheitsfaktor bis zu 5% der tatsächlichen

Geschwindigkeit durchs Wasser. In allen Fällen der bisher beschrieben Anwendung von Logge wurde

Bezug auf die das Schiff umgebene Wasseroberfläche genommen. Aufgrund der Mechanisierung des

Navigationsprozesses gelang es somit die augenblickliche Geschwindigkeit durch das Wasser mit den

Loggen zu messen. Es gab und gibt jedoch noch eine andere Methode die Geschwindigkeit zu finden.

Diese Methode basiert auf den Gesamtvorgang der Orientierung (Seenavigation) und ist durch seine

Gesamtdauer in Bezug auf die Gesamtzeit des Orientierungsprozesses geprägt. Die Aufeinanderfolge

verschiedener im Gesamtprozess ablaufender Beziehungen ist es, die hier den Ausschlag weiterer

Betrachtung gibt. Erst durch die Einführung des Magnetkompasses in die Seefahrt wurde es möglich

auf Teilstrecken einen festen und bestimmten Kurs einzuhalten, wenn man vom Verfahren des

Kurshaltens nach den Gestirnen einmal absieht. Hatte sich der Seemann vor Einführung des Kompasses

damit begnügen müssen, den abgelaufenen Weg seines Schiffes zu gissen, so konnte er nun die

Richtung beobachten und in Abhängigkeit von der Zeit festhalten. Mit der Einführung des

Magnetkompasses wurde nun die Praxis verwirklicht, auf der Loxodromen zu segeln. Auch wenn die

magnetische Missweisung zuerst wegen mangelnder Kenntnis unbeachtet bleiben musste, bald

99

danach zwar ohne die näheren Ursachen zu kennen, einigermaßen beachtet wurde, so bleibt es doch

die Loxodrome, durch dessen Anwendung die Ortsbestimmung einen ungeahnten Aufschwung erhielt.

Segeln bedeutet, den Zielort nicht immer auf einem geraden Kurs ansteuern zu können. Die

Windrichtung und das Verhalten des Schiffes des Schiffes zum Wind bestimmt den zu steuernden Kurs.

Dem Rechnung tragend, müssen oft wechselnde Kurse zum Zielort gefahren werden, d. h. der

Bestimmungsort wird gegeben falls nur über Umwege erreicht werden können. Der Pilot des Altertums

und des frühen Mittelalters musste es nun verstehen, aus mehreren auf wechselnden Kursen

gesegelten Distanzen die geradlinige Strecke zwischen Abfahrts- und Bestimmungsort zu ermitteln.

Mit dem Steuern nach den Kompass, dem Segeln auf der Loxodromen also, war es nun um ein vieles

leichter diese Aufgabe zu bewältigen. Es entwickelte sich ein Verfahren, welches heute unter der

Bezeichnung „Koppeln" bekannt ist. Verschiedene Kursdistanzstücke konnten nun aneinander gereiht

auf der Seekarte den Schiffsweg darstellen. Auf der loxodromischen Karte von Andrea Bianco (1436)

befindet sich eine Tafel, Toleta de Marteloio genannt. Diese Tafel gibt für eine Distanz von 100 Meilen

an, wie viel Meilen man auf der Loxodromen zum Bestimmungsort bei einem seitlichen Kurs in

Vorrausrichtung (avanco) verliert und wie viel Abweichung man zur Seite (a largo) wieder gut zu

machen hat, um auf den geraden Kurs zu kommen.

Suma de martdmft per intender:

una quarta do vento a largo e avanco

mia 20 98

per 2 38 92

per 3 55 83

per 4 71 71

per 5 83 55

per 6 92 38

per 7 98 20

per8 100 0

Abweichender

Kurswinkel

vom Sollkurs

seitlicher Abstand von der

Sollkurslinie nach einer

Distanz von 100 sm

Distanz auf der Sollkurslinie,

wenn auf dem abweichendem

Kurs 100 sm versegelt wurden

11,25° 19,51 sm 98,01 sm

22,5° 38,27 sm 92,39 sm 33,75° 55,56 sm 83,15 sm 45,0° 70,71 sm 70,71 sm 56,25° 83,15sm 55,56 sm 67.5° 92,39 sm 38,27 sm 78,75° 98,01 sm 19,51 sm 90° 100 sm 0 sm

100

Mit Hilfe dieser Tabelle konnte der Pilot seine Abweichung vom Sollkurs leicht berechnen. Die auf der

trigonometrischen Winkelfunktion basierende Tabelle konnte leicht auch zeichnerisch hergestellt

werden. Ein Viertelkreis sei in 8 Strich (per l bis per 8) graduiert. Sein Radius möge eine hunderter

Einteilung (z. B. 10 cm für 100 sm) aufweisen. Fällt man das Lot des Schnittpunkt des Winkelstrahls

1 Strich = 11,25°

2 Strich = 22,5°

3 Strich = 33,75°

4 Strich = 45,0°

5 Strich =56,25°

6 Strich = 67,5°

7 Strich = 78,75°

8 Strich = 90°

mit dem Kreisbogen auf die senkrecht stehende Grundlinie, so erhält man die Distanz der seitlichen

Versetzung und gleichzeitig die auf die Grundlinie bezogene tatsächliche Distanz.

Zeichnerisch stellt sich diese Tabelle folgendermaßen dar:

101

Mit Hilfe der Winkelfunktion a=c-sin« und b =c- cos a lassen sich die entsprechenden Distanzen

berechnen.

Erkennbar wird hier eine Form der Verknüpfung von Kurs und Distanz, dessen Beziehungen sich

mathematisch mit den ebenen Winkelfunktionen ausdrücken ließen. Mit Hilfe dieses Verfahrens

wurden somit die Navigation auf der Loxodrome bewältigt. Bis zu einer Distanz von 300 sm konnte

dieses Verfahren ohne große Ungenauigkeiten angewandt werden. Dieses Verfahren wurde

erfolgreich mit der damaligen Methode der Ortsbestimmung nach Meridianhöhen der Sonne

verknüpft. Nach Gewinnung zweier Breiten durch die Beobachtung von Zenitdistanzen (astronomische

Höhe) der Sonne an zwei Tagen gab das Etmal Auskunft über die gelaufene Distanz zwischen dem

wahren Mittag des Vortages bis zum wahren Mittag des folgenden Tages. Entsprechend dem

astronomisch beobachteten Breitenunterschied fügte sich nun der gesteuerte Kurswinkel zwischen

diesen beiden gewonnenen Breitengraden ein. Einen Unterschied ergab sich, wenn einerseits durch

Abtrift und Strom der wahre Kurs nicht mit den gesteuerten übereinstimmte oder auch wenn

Missweisungen nicht bekannt waren bzw. wenn andererseits ungenaue astronomische

Meridiandistanzen vorlagen. Hier lag der Unsicherheitsfaktor, wenn trotz der vorhanden Theorie

praktische Navigation ihr Ziel verfehlte, denn eines vom anderen zu unterscheiden, dazu fehlten

anfangs genauere Messinstrumente. So ergab sich durch die Kombination von dem Verfahren der

Breitenbestimmung zu zwei Zeiten mit dem Kurs die Voraussetzung loxodrome Kurse und Distanzen

auf der damals verbreiteten Plattkarte zu kontrollieren. Da die genau gehende Uhr fehlte, wurde das

Etmal aus zwei Kulminationsständen der Sonne berechnet. Die Gleichsetzung der wahren

Kulminationszeiten mit dem 24 Stundentagesrhythmus beachtete natürlich nicht die minutiösen

102

Unterschiede der wahren Kulminationszeiten zur mittleren Sonnenzeit und flössen folglich als Fehler

ein. Auch gaben die verwendeten astronomischen Tafeln an und für sich schon genug Fehlerquellen

her, da die scheinbare Sonnenbahn nicht nach den Keplerschen Gesetzen berechnet werden konnte.

Doch dazu an anderer Stelle. So waren Ungenauigkeiten in der damaligen anfänglichen iberischen

Hochseenavigation von 100 heutigen Seemeilen keine Seltenheit. Der zumindest für kurze Distanzen

(Mittelmeer) gelungene Versuch die loxodromen Kurse in Beziehung zur gelaufenen Distanz zu setzen

und in der durch die Spanier und Portugiesen begründete Hochseenavigation (Atlantik) durch

astronomisch beobachtete Distanzen zu vervollkommnen, stellt hier eine eindeutige Anwendung der

Matrix der Orientierung dar. Das Verhältnis Richtung zur Entfernung und umgekehrt wurde

mathematisch erkannt und begründet und ist von der Einführung von analytischen

(wissenschaftlichen) Vorgehensweisen geprägt. Der Gierwinkel y' der horizontale Ebene des

Navigationssystems erhielt einen Distanzvektor, der durch astronomische Beobachtung gestützt

wurde. Obwohl die Plattkarte nicht die wahre Gestalt der Erde abbilden kann, so wurde dennoch

mittels dieser Karte das Inertial Erde mit dem Inertial Schiff verknüpft. Das Horizontsystem

(Navigationssystem) wurde auf das Äquatorsystem (Inertialsystem) bewusst mathematisch bezogen.

Mit der Einführung der Logge war dann ein weiterer Schritt verwirklicht, den Vektor y" durch

Geschwindigkeitsmessung erstens laufend zu erhalten und zweitens mit den astronomisch

gemessenen Distanzen zu vergleichen. Bezug der Geschwindigkeitsmessung war das Wasser des

Meeres. Ein bewegtes Medium somit, dessen Verhalten in horizontaler Ebene die Messung der

Geschwindigkeiten als Fehlergröße beeinflusste. Da ein direkter Bezug zum Meeresgrund bzw. zu

Küstenpunkten auf Hoher See nicht herzustellen war, blieb es somit einzige Möglichkeit der

Geschwindigkeitsmessung. Auch die nach den hydromechanischen Prinzip und im 20. Jahrhundert in

die Seefahrt eingeführten Staudruckfahrtmessanlagen konnten dieses nicht verändern.

Staudruckloggsysteme wurden hauptsächlich in zwei Varianten eingeführt. Das Bodenlog besteht aus

einem pneumatischen oder mechanischen ausfahrbarem Messrohr mit einer Düse in Fahrtrichtung,

wo der statische und dynamische Druck des Meereswassers wirken. Eine zweite in Schiffsquerrichtung

gerichtete Düse, wo nur der statische Wasserdruck wirksam wird. Beide Düsen sind mit zwei durch

eine Membran getrennte Kammern eines Manometers verbunden, das im Schiffsinnern dicht über

dem Boden eingebaut ist. Die von diesem Manometer gemessene Druckdifferenz beider Druckwerte

wird von einem Fahrt — Weg -Geber elektrisch in den entsprechenden Geschwindigkeitswert

umgewandelt. Aus diesem Geschwindigkeitswert kann gegebenenfalls gleich die Zurückgelegte

Strecke integriert werden. Über einen Fahrt- Weg- Empfänger auf der Brücke oder an anderen dafür

vorgesehen Orten des Schiffes kommt der Weg und die Fahrt des Schiffes zu Anzeige. Die vor der

Einführung der Bodenlogs vorhandenen Stevenlogs, bei dem ein Messrohr im Vorsteven des Schiffes

waagerecht und zweites Düse im Schiffsboden eingebaut worden sind, kamen bald wieder aus dem

Gebrauch, weil das Stevenrohr durch das Stampfen des Schiffes neben dem Ziehen von Luft dadurch

nicht auf einer Wassertiefe gehalten werden konnte. Die Messergebnisse wurden bei Seegang somit

stark verfälscht. Weniger störanfällig als hydrodynamischen Logge arbeiten die elektro- - dynamischen

oder magnetischen Logge. Eine Stabsonde, deren Magnetfeld bei Fahrt durch das Wasser eine

bewegungsproportionale elektrische Feldstärke induziert, misst so die Fahrt durch das Wasser. Die

durch die elektrische Feldstärke hervorgerufene Spannung wird verstärkt und den Mess- und

Anzeigeräten zugeführt. Mit diesem System konnte sowohl die Fahrt voraus als auch zurück gemessen

werden. Die Messungen zeichnen sich durch Aktivität am System S' aus und müssen unter der Struktur

der aktiven Ortungsprinzipien eingeordnet werden. Das Navigationsobjekt selbst ist wie beim

Lotverfahren unabdingbare Voraussetzung zur Gewährleistung der Geschwindigkeitsmessung mit

103

anschließender Integration des Schiffsweges. Wir haben gesehen, dass Fahrtmesssysteme nach ihrer

Bauart und der Art der Messmethode zu unterscheiden sind. Wird dabei von den Fahrtgrößen

ausgegangen, so können die Loggesysteme entsprechend ihrer Messfähigkeit klassifiziert werden.

Hier ist zu unterscheiden, zwischen der Fähigkeit die Fahrt durch Wasser (F. d. W.) und die Fahrt über

Grund (F. ü. G.) oder beide Fahrtgrößen gleichzeitig messen zu können. Eine zweite Klassifizierung

gelingt, wenn die zu messenden Fahrtkomponenten betrachtet werden. Einkomponenten

Fahrtmesssysteme messen nur die Fahrt in Richtung der Schiffslängskomponente, während

Zweikomponenten - Fahrtmesssysteme die Fahrt des Schiffes in Längs- und Querrichtung messen

können. Durch eine entsprechende Messwertanalyse können dann die Driftwinkel a, p und schließlich

y ermittelt werden. Die hydrodynamischen und die elektromagnetischen Fahrtmesssysteme eigenen

sich nur zur Messung der Fahrt durch das Wasser. Diese Systeme gehen zur Ermittlung der

Geschwindigkeit von der am fahrendem Schiff vorbeifließenden Fahrtströmung aus, die bei ruhendem

Gewässer der Eigenfahrt des Schiffes genau genug entspricht. Grenzschichten und Verwirbelungen

des Meereswassers an der Messstelle werden vernachlässigt bzw. finden sich im Anbringen einer

Loggberichtigung (in Prozent) wieder. Den Dopplereffekt bei der Ausbreitung hydroakustischer Wellen

ausnutzend, wurden in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts Fahrtmesssysteme

entwickelt, die zur Messung der Fahrt über Grund in der Lage sind. Infolge der Schalldämpfung können

dabei jedoch nur Wassertiefen im Bereich bis 600 m genutzt werden. Bei größeren Wassertiefen kann

nach wie vor nur die Fahrt durch das Wasser bestimmt werden. Ein im Schiffsboden eingebauter

Sender strahlt unter scharfer Bündelung der Schallkeule (3° bis 6°) einen Sendestrahl im

Ultraschallfrequenzbereich ( f= 100 kHz bis 2 MHz) unter einem Abstrahlwinkel S gegenüber der

Schiffslängsachse nach voraus auf den Meeresboden ab. Aufgrund der nach voraus laufenden

Schiffsbewegung erfährt der Sendestrahl beim Eintritt in das Meerwasser eine erste

Dopplerverschiebung der Frequenz. Der Schall trifft eine Position auf dem Meeresboden. Da im

Ultraschaubereich gesendet wird, stellt der Meeresboden immer eine raue Fläche dar, von der aus

eine diffuse Reflexion der Schallwellen erfolgt. Durch einen ebenfalls im Schiffsboden eingebauten

Empfänger wird ein geringer Teil der gesendeten Strahlen wieder aufgefangen. Der Auftreffpunkt der

gesendeten Schallenergie am Meeresboden wirkt hier also wie ein zweiter Sender geringerer Leistung.

Im Empfänger wird eine zweite Dopplerverschiebung der Frequenz des vom Meeresgrund

eintreffenden Schallstrahls gemessen. Die so durch den Hin- und Rücklauf des Schallstrahl erreichte

zweifache Dopplerverschiebung der Frequenz des Schallstrahls gegenüber dem Sendestrahl entspricht

näherungsweise proportional der Fahrt des Schiffes über Grund. Die fundamentale

^f

Dopplergleichung für die Fahrtmessung auf Schiffes deshalb: F = 2 f, —v Grund •

c

Da die durch die Schallausbreitungsgeschwindigkeit im Meereswasser (c) auftretende

Dopplerverschiebung (F) linear von der Fahrt des Schiffes über Grund (F. ü. G.) abhängig ist, kann die

unter einem Abstrahlwinkel (8) gesendete Schallenergie für eine doppelte Messung (Hin- und Rücklauf

des Schallstrahls) der Dopplerverschiebung genutzt werden. Je größer die Sendefrequenz (/) ist, je

größer ist auch die Empfindlichkeit der Dopplermessung. Dieses Einstrahlverfahren zeigt in der

praktischen Anwendung Fehler auf, die durch die Anwendung eines Zweistrahlverfahrens

(Janusprinzip) weitgehend ausgeglichen werden können. Geht man bei der Realisierung des

Einstrahlverfahrend von der linearen Form der Dopplergleichung aus, so werden Prozesse nicht

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berücksichtigt, die nichtlinear ablaufen. Dazu gehört insbesondere das quadratische Glied der

Gleichung Formel einfügen Diese Funktion gibt die gesamte Dopplerverschiebung der Frequenz

bezüglich der Sendefrequenz bei der Schallausbreitung auf dem Weg Schiff - Meeresgrund - Schiff

wieder und zeigt unter aufsteigender linearer Berechnung (Glieder höher als 2. Ordnung

vernachlässigt) das Verhalten der Dopplerschiebung. Dieser Linearisierungsfehler besteht neben

Fehler, die infolge der Stampf- und Rollbewegung und des Trimmwinkels des Schiffes entstehen. Hier

wird ein Fehler im Abstrahlwinkel die Folge sein. Auch entsteht ein dynamischer Messfehler aufgrund

der vertikalen Tauchschwingungen des Schiffes, wenn diese der Richtung der Schallausbreitungswellen

entspricht. Diese vertikale Schiffsbewegung wird dann bei der Schallausbreitungsgeschwindigkeit als

Gegenkomponente wirksam. Weitere Fehler zeigen sich in die Schallausbreitungseigenschaften im

Seegebiet (c Meerwasser = 1500 m/s) insgesamt. Die unterschiedlichen Dichten, Salzgehalte,

Temperaturen des Meerwassers in verschieden Tiefen haben jedoch keinen messbaren Einfluss auf

den Dopplereffekt, da durch das Brechungsgesetzt das Verhältnis cos S : c konstant bleibt. Auch bleiben

horizontale Wasserströmungen ohne Einfluss auf den Dopplereffekt. Der Weg des Verlauf eines

Schallstrahls durch das somit inhomogene Medium Wasser muss bei der Geschwindigkeitsmessung

nicht bekannt sein. Das Janusverfahren (dessen Namensgebung dem römischen Gott Janus angelehnt

ist, da dieser mittels einem Doppelgesicht nach vom und hinten sieht), ist nun ein Zweistrahlverfahren,

bei dem die Schallwellen unter gleichem Abstandswinkel in der Schiffslängsachse nach voraus und

zugleich achteraus zum Meeresboden abgestrahlt werden und wieder empfangen werden. Die

achteraus und die voraus gerichteten Schallwellen werden jeweils durch ein hydroakustisches Sende-

und Empfangssystem realisiert. Der Vorteil besteht im Ausgleich des Linearisierungsfehlers, da sich die

(nichtlinearen) quadratischen Glieder in obiger Gleichung durch Differenzierung gegen Null fast

aufheben. Die anderen Fehler sind ebenfalls so gering, dass sie vernachlässigt werden können.

Moderne Zweistrahlfahrtmesssysteme messen die Fahrt über Grund und durch das Wasser. Die

Messung der Fahrt durch das Wasser wird durch Messung der Dopplerschiebung an den im Wasser

sich befindlichen Beimengungen (Schwebeteilchen, Gasbläschen usw.) realisiert. Die

Dopplerverschiebung dieser beiden gleichzeitig empfangenen Messwerte gestattet den Vergleich

zwischen der F. ü. G. und F. d. W. und lässt bei Anwendung eines Zweikomponentendopplerlogs, bei

dem mit dem Janusverfahren die Schiffsgeschwindigkeiten in schiffsquer- und schiffslängsorientierter

Richtung aufgefasst werden, die Analyse und Anzeige der Gesamtdrift nach Richtung und Stärke zu.

Werden Zweikomponentendopplerfahrtmessanlagen mit einem Kursmesssystem und einer digitalen

Uhr koordiniert, kann der Schiffsweg über Grund (nur bei Messung der F. ü. G. möglich) sowohl

analytisch berechnet, als auch graphisch darstellt werden. Diese automatische Koppelortung (Doppler

- Sonar — Navigations- System) kann unter modernen Gesichtspunkten mit der Satellitenortung (GPS)

gekoppelt werden. Die so erhaltenen und durch Satellitennavigation berichtigten

Schiffswegdarstellungen machen jedoch das Vorhandensein eines Rechners zur

Datengesamterfassung und -analyse notwendig und werden als schiffsautonome Systeme bezeichnet,

da sie von den klimatischen und sonstigen Umweltfaktoren unabhängig genau arbeiten können. Eine

Kombination zwischen Richtung und Entfernung in Bezug auf die z" Achse und

Geschwindigkeitsmessung wird durch die Doppler – Sonar – Systeme erreicht.

Werden die Schallschwinger um einen Winkel gekippt, so können im entsprechend gewählten

Richtungsbereich (z. B. Voraus- oder Achterausrichtungen) Unterwasserkontakte nach

Laufzeitmessung und Dopplereffekt geortet und nach Stärke des Echos klassifiziert werden. Mit

gleichzeitiger Anzeige der Wassertiefe wird die Fahrt über Grund angezeigt. Diese Anlagen sind heute

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so weit entwickelt, das Doppler – Sonar Docking Systeme gute Hilfsmittel für Großschiffe zum

Manövrieren in engen Gewässern und zum Anlegen darstellen- Außer der Wassertiefe und der Fahrt

über Grund wird auch der Gierwinkel, die Größe der Giergeschwindigkeit sowie die Geschwindigkeit

der Annäherung an Kaianlagen usw. angezeigt. So wird heute eine Vielzahl von Echolottypen

entsprechend ihren Verwendungszweck eingesetzt.

An dieser Stelle soll nochmals auf die Bedeutung der Entfernung im Orientierungsprozess eingegangen

werden. Während einige bisherige Auffassungen die Entfernungen als „untergeordnete" abhängige

Komponente von den Richtungen darstellen, gilt dennoch ein gegenseitiges Abhängigkeitsprinzip.

Aufgrund der visuellen Beobachtung von terrestrischen und außerterrestrischen Fixpunkten bzw. der

einführten Kursmessmittel gelingt die Feststellung einer Richtung im direkten Bezug auf das

Navigationsobjekt auch ohne direkter Betrachtung von Entfernungen. Eine Entfernungsangabe mit

direktem Bezug auf das Navigationsobjekt kann jedoch ohne den Richtungsbezug nicht angegeben

werden, wenn auf Ortungsverfahren mit künstlich erzeugten elektromagnetischen oder Schallwellen

von Bord oder Land aus verzichtet wird. Dennoch ist eine gleichberechtigte, wenn auch gegenseitig

abhängige Beziehung zwischen Entfernung und Richtung vorhanden, auch wenn diese nicht sofort

erkennbar wird. So ist aufgrund des orthodromen Verhaltens der Erdoberfläche ohne das

Vorhandensein einer Entfernung die Interpretation der Richtung unmöglich. Ebenfalls kann ohne eine

Richtung auch keine Entfernung definiert werden. Diese gesetzmäßige Matrix im System der

Orientierung wird uns in irgendeiner Form immer wieder begegnen. Augenscheinlich wird dieses

Muster, wie oben beschrieben, bei der Gewinnung von Lotungen. Die als lotrecht definierte Richtung

wird mit der Entfernung zum Meeresgrund verknüpft. Die Frage zu beantworten, in weit es analytisch

immer möglich und notwendig ist, in Bezug auf die x - y - Ebene des Kugelinertials beide Elemente des

Schiffsweges oder die Strecke der Verbindung zweier Positionen mit geeigneten Ortungsverfahren in

Richtung und Entfernung zu erfassen, ist durch das Aufzeigen der Entwicklung der Fahrtmessanlagen

geschehen. Doch zeigt die Geschichte der Navigation vor der Einführung der Logge den gelungenen

Versuch der Verknüpfung der Richtung (Kurs und Peilung) mit der Entfernung. Dabei war das

Feststellen von Richtungen immer stille Voraussetzung Entfernungsangaben zu gewinnen. Erst mit

Einführung von technischen modernen Ortungsverfahren gelang es ohne direktes Messung von

Richtungen, Entfernungen direkt in Bezug auf das Navigationsobjekt zu gewinnen.

Grundvoraussetzung für die Gestaltung der Struktur dieses Prozesses der Beziehungen zwischen

Navigationssystem und Inertialsystem ist jedoch die Verknüpfung über einen definierten Zeitaspekt.

Ohne Einführung eines Zeitbezuges, gleich welche Zeitspanne dieser umfasst, kann es keine direkte

Erfassung von Entfernungen geben. Es wird ein Zeitbezug notwendig, wenn erstens

Entfernungsortungsstandlinien ohne Zuhilfenahme von Richtungen direkt gewonnen und zweitens

gewonnene Entfernungsortungsmesswerte in Verbindung mit geographischer Koordinatendarstellung

auf einem Inertialausschnitt (Seekarte) eingezeichnet werden sollen. Hier mag der Grund für die

irrtümliche Annahme zu suchen sein, das Element der Entfernung als ein dem Element der Richtung

untergeordneten Aspekt zu betrachten. Im sphärischen Dreieck mit der als Schiffsweg bezeichneten c

— Seite kann ein Zeitbezug unerwähnt bleiben. Alle Elemente des Schiffsweges können allein aus dem

sphärischen Verhältnis zwischen Abfahrt- und Bestimmungsort heraus berechnet werden. Kurse und

Peilungen einerseits und Entfernungen andererseits sind hier durch das Verhältnis der Koordinaten

zueinander bestimmt. Ein Zeitbezug wird im Navigationsprozess erst notwendig, wenn Entfernungen

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ohne Zuhilfenahme von Richtungen ermittelt werden sollen und wenn dabei das Navigationssystem S'

mit dem Inertialsystem S verknüpft werden soll. Andererseits kann ein Zeitbezug nur über ein Inertial

definiert werden. Praktischer Weise wird dieser Bezug über das geographische Kugelinertial

hergestellt. Die mit dem Begriff der Geschwindigkeit dargestellte Bewegungsform eines

Navigationsobjektes S' ist im eigentlichen Sinne die Verknüpfung einer Systemzeit mit dem Schiffsweg.

Philosophisch findet sich das praktische Prinzip der beiden nicht voneinander zu trennenden

Existenzformen von bewegter Materie wieder. Der durch das Kugelinertial definierte Raum der Erd-

bzw. Meeresoberfläche hat das Nebeneinanderbestehen, die Entfernung, die Ausdehnung und die

gegenseitige Lage der auf das Inertial bezogenen Objekte zum Inhalt. Das Feststellen der gegenseitigen

Lage zweier Orte an Hand des Vergleichs von geographischen Koordinaten hat die Bestimmung des

Abfahrtsortes A und Bestimmungsortes B zum Inhalt. Zur Berechnung der Richtung und der Entfernung

zwischen A und B ist allein das geographische Kugelinertial (z. B. Seekarten), nicht aber ein Zeitbezug

zwingend erforderlich. Erfolgt die Darstellung des so ermittelten Schiffswegs als Vektor, wobei der

Vektoranfangspunkt dem Ort A und die Vektorspitze dem Ort B entspricht, so kann diese Darstellung

nur sinnvoll sein, wenn die Länge des Vektor auch gleichzeitig als Zeitbezug interpretiert werden kann.

Der als Prozess aufzufassende gesamte Vorgang der Orientierung (Seenavigation) ist durch seiner

Gesamtdauer und von der Aufeinanderfolge verschiedener im Gesamtprozess ablaufender

Beziehungen geprägt. Die einzelne Zeitdauer der jeweiligen Prozessabschnitte prägen den Begriff der

Geschwindigkeit. Um Prozessabschnitte vergleichbar zu machen, wird die Zeit mit einem Zeitmaß

benötigt. Die Geschwindigkeit eines Navigationsobjektes bestimmt somit die Dauer eines Teilabschnitt

des Navigationsprozesses. Im Unterschied zur Messung von Richtungswinkeln über die

Kursmessanlagen in Bezug auf die x' - Achse muss bei Anwendung von Lotungen von einer

Entfernungsmessung auf der z'- Achse des Navigationsobjektes S' gesprochen werden. Diese

Entfernungsmessung basiert bei Leinenloten auf die Erdanziehungskraft eines mit einer durch Marken

markierte Lotleine verbundenen Gewichtes und bei Echoloten auf die Laufzeitmessung von

Navigationsobjekten gesendeter Schallimpulswellen. An dieser Stelle seinen besonders drei Aspekte

der Struktur des Systems Navigation hervorgehoben. Erstens wird bei der Lotung die Länge der

Lotrechte durch Entfernungsmessung bestimmt und nicht durch Richtungsmessung. Zweitens wird die

auf der z' Achse des Navigationsobjektes zu messenden Strecke in Form einer Entfernung

ausschließlich durch ein auf dem Navigationssystem eingesetztes Verfahren verwirklicht. Es wird die

Form einer aktiven Ortung verwirklicht. Mit anderen Worten: Das an einer Leine auf dem Meeresgrund

durch Erdanziehung herabzulassende Lotgewicht oder der über einen Schwinger zuerst als Primärwelle

gesendete und danach als Sekundärwelle empfangene Schallimpuls macht das Navigationsobjekt

selbst zur unerlässlichen Bedingung der Ortung. Ohne Navigationsobjekt y würde es keine

Wertefeststellung geben. Wassertiefen können nun mal nur gemessen und nicht vorher berechnet

werden. Es können nur gemessene Wassertiefen auf einen anderen Referenzwert umgerechnet bzw.

korrigiert werden (Gezeitenrechnung). Das System S' ist somit erster Bezug der Messung. Anders ist es

mit der Richtung zwischen einem Abfahrtsort A und einem Bestimmungsort B. Der Schiffsweg ist hier

eine Seite des sphärischen Dreiecks der als Inertial angenommen Kugel der Erde. Die notwendigen

Vorausberechnungen der Elemente Distanz (d) und Kurswinkel (rwK) beruhen allein auf das

Koordinatensystem des Kugelinertials. Der Schiffsweg zwischen zwei geographische Koordinaten

besteht somit auch ohne das Vorhandensein des Navigationsobjektes auf dem Schiffsweg. Die

Richtungsmessung über Kompassanlagen muss somit als Vergleich zwischen der Vorausberechnung

und der tatsächlichen Lage des Gierwinkels auf rwN aufgefasst werden und kann als passives Orten

bezeichnen werden. Drittens schließlich ist die Form der Schallmessung eine Ortungsform, bei das

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Navigationsobjekt aktiv Wellen erzeugen und aussenden muss, um zu einer Messwertgewinnung zu

gelangen. Auf die durch die natürliche Umwelt abgestrahlten Wellen wird bewusst verzichtet.

Während noch beim Magnetkompass auf das in Bezug auf das Navigationsobjekt Schiff autonome

magnetische Feld der Erde, bei Verwirklichung der kreiselgesteuerten Kursanzeige ebenfalls die

autonome Erdgravitation und Erdrotation bzw. bei dem Handlotverfahren die Erdgravitation genutzt

wird, ist Schallaufzeitmessung eine von der Umwelt nicht beeinflusste Methode der Ortung, wenn von

den Einflüssen des Mediums Meerwasser abgesehen wird. Eine anderes Ortungsverfahren, ebenfalls

mit Erfolg und zuerst großen technischen Aufwand in die Navigation eingeführt, ist die Radarortung

auf Grundlage der Laufzeitmessung von elektromagnetischen Wellen.

Das Navigationssystem S" gilt der Bezugspunkt, weil die Lage nach Richtung, Entfernung und gegeben

falls der Höhe der umgebenen anderen Ziele auf dem Radarbildschirm bezüglich des eigenen Schiffes

festgestellt wird. Um nun andere Radarkontakte auswerten zu können, geschieht die Bilddarstellung

auf der Kathodenstrahlröhre des Anzeigegerätes durch ein den Standort umgebenes

Polarkoordinatensystem. Der Radarbildschirm, besser gesagt unser Schiff mit der Radarantenne als

Mittelpunkt unseres Standortes ist der Koordinatenursprung, die Nordrichtung ist die Polachse. Als

Radius dient die Entfernung in Seemeilen (l sm = 1852m) und als Richtungswinkel dient die

Kompasspeilung am Radargerät. Die Entfernung kann zwischen einem Sender und einem aktiven oder

passiven Rückstrahler dann gewonnen und auf einem Bildschirm einer Kathodenstrahlröhre zur

Anzeige gebracht werden, wenn die Rückkehrzeit einer kurzen elektromagnetischen Welle mit hoher

Frequenz, vom Sender ausgestrahlt, gemessen wird. Kombiniert man diese Ausstrahlung mit einer

Richtsende- und -empfangsantenne, wobei die elektromagnetischen Wellen entsprechend horizontal

und vertikal gebündelt als Strahlungskeule erscheinen, gelingt die Anzeige der Richtung. Da der

Bildschirm mit dem Kompass gekoppelt ist, kann sowohl der eigene Kurs (Winkel zwischen der

geographischen Nordrichtung und der Fahrtrichtung des Schiffes, gezählt auf der 360° Kompassrose

im Uhrzeigersinn), als auch die Peilung (Winkel zwischen der geographischen Nordrichtung und der

Verbindung Radarziel - eigenes Schiff) angezeigt werden. Das Radarziel erscheint als Leuchtpunkt auf

dem Bildschirm und kann somit nach Richtung und Entfernung bestimmt werden. Diese Auswertung

der Anzeige bezieht sich im eigentlichen Sinne auf ein Polarkoordinatensystem, wie oben angedeutet.

Im Bildschirmmittelpunkt steht immer das eigene Schiff (System S’), welches scheinbar als ruhend

angenommen wird. Da dieser Mittelpunkt sich nicht bewegt, das eigene Schiff jedoch Fahrt auf einem

bestimmten Kurs macht, werden die Größen Geschwindigkeit und Kursrichtung des eigenen Schiffes

sich vermischen mit den Fahrt- und Richtungsgrößen der das eigene Schiff umgebenen Ziele. Feste

Landpunkte (Inseln oder Landpunkte) und verankerte Objekte (Tonnen oder vor Anker liegende

Fahrzeuge usw.) werden dann die Fahrt und die Richtung des eigenen Schiffes anzeigen, wobei sich die

Richtung entgegengesetzt des eigenen Kurses darstellt. Alle Ziele führen eine relative Bewegung

bezüglich des eigenen Schiffes aus. Diese relative Darstellungsart auf dem Radarbildschirm hat den

Vorteil, dass der Radarnavigator sofort den Passierabstand der Radarkontakte entsprechend der

relativen Bewegung bezüglich des Bildschirmmittelpunktes erkennen und entsprechende Manöver zur

Vermeidung einer Kollision rechtzeitig einleiten kann. Diese Bewegung lässt sich mit Hilfe von Vektoren

zeichnen. Der Länge eines Vektors entspricht dabei der Größe der Geschwindigkeit, das zweite

Vektorargument ist die Richtung selbst. Mittels der Vektorrechnung, der Trennung des eigenen

Geschwindigkeits- und Kursvektors von dem relativen Geschwindigkeits- und Kursvektor, kann der

tatsächliche Geschwindigkeits- und Kursvektor der Zielkontakte in einem bestimmten Zeitintervall (At)

108

ermittelt werden. Verändert man nun den relativen Geschwindigkeits- und Kursvektor so, dass dieser

nie in den Bereich um den Radarmittelpunkt zeigt, sondern in einem festgelegten Abstand am

Radarmittelpunkt vorbei führt, kann man einer Kollision rechtzeitig vorbeugen. Diese Veränderung

lässt sich durch Änderung der eigenen Geschwindigkeit, durch Änderung des eigenen Kurses oder

durch gleichzeitige Änderung beider Größen herbeiführen. Natürlich muss beachtet werden, dass der

Radarpartner gegebenenfalls auch Kurs- und Geschwindigkeitsänderungen durchführen kann, was

selbstverständlich auch zur Änderung der Größen der relativen Bewegung führt. Zwischen dem

eigenen Schiff und einem fremden Schiff wird sich somit immer ein sogenanntes

Geschwindigkeitsdreieck bilden lassen, welches zusammenfassend folgende Argumente besitzt:

• das eigene Schiff mit den Vektorargumenten: eigene Geschwindigkeit und der eigenen Kurs;

• das fremde Schiff mit den Vektorargumenten: fremde Geschwindigkeit und der fremde Kurs;

• relative Bewegung mit den Vektorargumenten: relative Geschwindigkeit und des relativen Kurses.

Mit Hilfe der mathematischen Beziehungen zur Vektorrechnung bzw. auf analytischen Wege kann der

Radarnavigator das Dreieck auflösen. Mittels Ortungen werden dazu in einer bestimmten Zeiteinheit

die Peilungen und die Entfernungen zum Radarpartner festgestellt, um einen relativen Verlauf der

Bahn zu erhalten. Angemerkt sei noch, dass sich das Radarbild, den Anschluss einer Fahrtmessanlage

vorausgesetzt, auch in absoluter Darstellung schalten lässt. Dabei wird die Bewegung aller Ziele, auch

die des eigenen Schiffes in der tatsächlichen Bewegung dargestellt. Das Schiff fahrt praktisch auf dem

Bildschirm mit. Gerät es an den Rand des Radarbildschirmes, springt das gesamte Bild an das andere

Ende des Schirmes zurück. Aufgrund fortschreitender Automatisierung des Bahnführungs- und

Kollisionsverhütungsprozess in der Seefahrt erfassen und errechnen in heutiger Zeit spezielle

Rechneranlagen alle Werte, die der Kollisionsverhütung dienen.

Kimmtiefe

in sm (‘)

B

A

C

r

Bh + r

Erdmittelpunkt (M)

Wahrer Horizont

Scheinbarer Horizont

A‘

Kimmtiefe

minimal = 0° 00‘ 00,01“

min Max

109

Da der Wert der Beobachtungshöhe (Bh) gegenüber dem mittleren Erdradius von 6367000 m sehr klein

ausfällt und somit der Punkt des Dreiecks ABC sehr nah an A‘ gelangt, kann mit den Gesetzen der

ebenen Trigonometrie gearbeitet werden. Die Strecke A’C (e) kann somit dem Winkelbogen am

Erdmittelpunkt gleichgesetzt werden.

Gemäß der mathematischen Funktion

e2 = (r + Bh)2 – r2 wird der Wert der Kimmtiefe errechnet. Es ist zu setzen:

e2 = r2 + 2r Bh + Bh2 – r2

e2 = 2r Bh + Bh2

Somit beträgt die Kimmtiefe bei Bh = 0 m

e = 2r

e1 = 3571,60 m (Erdradius über die Äquatorebene 6378163 m)

e2 = 3565,61 m (Erdradius über von Pol zu Pol: 6356777 m.

e3 = 3569,66 m (Radius der volumengleichen Kugel: 6371221 m)

Da die Länge einer Bogenminute (1‘) auf einem Großkreis der als Kugel angenommenen Erde mit 1852

m festgelegt ist, kann e in nautische Minuten (‘) und somit in Seemeilen ausgedrückt werden.

Kt sm = m

e

1852 Kt1 = 1,929 sm; Kt2 = 1,925 sm Kt3 = 1,927 sm

Es genügt hinreichender Genauigkeit, wenn mit dem e 3 Wert als Mittelwert gerechnet wird.

In der mathematischen Beziehung e2 = 2r Bh + Bh2 ist der Wert (Bh2) gegenüber (2r Bh) sehr klein, so

dass er vernachlässigt werden kann.

Für eine Beobachtungshöhe von 12m ist somit einzusetzen:

Kt sm = 12127424421852

1 oder

Kt sm = 12927,1

Kt sm = − 6,677 sm

Als scheinbare Horizontebene oder sichtbarer Horizont (Kimm) wird somit die Tangentialebene an der

Erdkugel im Standort des Beobachters bezeichnet.

110

Treten in dem Navigationsobjekt keine Beschleunigung auf, was nur aus einer theoretischen Sicht der

Betrachtung heraus angenommen werden kann, so ergibt sich aufgrund der elliptischen Form der Erde

der Umstand, dass die z’ – Achse des auf dem unbewegten Meer ohne Beschleunigung liegenden

Navigationssystem nur auf den Erdpolen und auf dem Äquator den Erdmittelpunkt schneiden kann.

Befindet sich das Navigationssystem auf der nördlichen Halbkugel wird die z’ – Achse einen Punkt

durchstoßen, der südlich der Äquatorebene liegt. Bei einer Position des Fahrzeuges südlich des

Äquators liegen die Durchstoßpunkte auf der Nordhalbkugel. Dieser Umstand hat Konsequenzen in

Ausrichtung der y’ – x’ Ebene des Navigationsobjektes gegenüber dem theoretischen Horizont der

Erde. Mit dem Navigationsobjekt festverbundene und auf das Lot bzw. auf den Horizont ausgerichtete

Winkelortungsmesssysteme werden in Regel vertikale Messwerte zu groß anzeigen. Wir werden an

anderer Stelle sehen, inwieweit, dieser Umstand bei der Kalibrierung verschiedener Ortungssysteme

bzw. der Messwertbeschickung beachtet werden muss. Es ist hierbei ein ähnliches Verhalten zu

erwarten, wie bei der Betrachtung der Kimmtiefe erläutert, auch wenn hier eindeutig verschiedene

Ursachen ausschlaggebend sind.

Dieses als Horizontsystem bezeichnetes System in S‘ kann als das in Bezug auf das System S als das

bewegte System gelten.

z‘ y‘

x‘ M‘

111

ORTUNGSVERFAHREN UND NAVIGATIONSMETHODEN

Die verschiedenen Navigationsverfahren entsprechen immer der Anwendung des nautisch-

sphärischen Grunddreiecks auf die Erdkugel bzw. auf das Erdellipsoid.

Aus der Kenntnis der Struktur dieser Verfahren werden im Einklang mit der geforderten Genauigkeit

die loxodrome und die orthodrome Navigation angewandt. Wenn die Erdkrümmung wegen der

geringen Ausbreitung des betreffenden Navigationsgebietes unberücksichtigt bleiben kann, in der

Regel handelt es sich um abgeschlossene Meeresgebiete in denen die Küstennavigation - ca. 300 sm2

ununterbrochene Meeresfläche - angewandt wird, wie Ostsee und Nordsee, Mittelmeer, Schwarzes

Meer usw., so werden loxodrome Navigationsverfahren Anwendung finden. Das wahre Kursdreieck

wird auf ein loxodromes Dreieck reduziert werden können.

Der Breitenunterschied (Δφ) zweier Orte ist das Bogenstück eines Meridians zwischen den

Breitenparallelen dieser Orte. Der Breitenunterschied erhält seine Bezeichnung Nord oder Süd nach

der Richtung vom Abfahrtsort (A) zum Bestimmungsort (B).

Δφ = φB – φA

Der Längenunterschied (Δλ) zweier Orte ist das Bogenstück des Äquators oder der sphärische Winkel

am Pol zwischen den Meridianen dieser Orte.

Der Längenunterschied erhält seine Bezeichnung Ost oder West nach der Richtung vom Abfahrtsort

(A) zum Bestimmungsort (B).

Δλ = λB – λA

Δφ

Δλ

c b

a C

A

B

α λA

φA

φB

λB

112

Allgemein wird die Länge einer Bogenminute auf einem größten Kreis (Meridiane und Äquator) der

Erdkugel definiert. Es ergibt sich dann die einfache Beziehung, dass sie der 21600. Teil des Erdumfangs

ist. Damit wird beim Fahren auf einem Meridian oder dem Äquator mit jeder Seemeile ein Breiten-

bzw. Längenunterschied von 1’ zurückgelegt.

Auf Grund von in den einzelnen Ländern unterschiedlich durchgeführten hydrographischen

Vermessungen der Erde haben sich auch unterschiedliche Längen für eine Seemeile ergeben.

zum Beispiel: Japan mit 1853,18 m

Dänemark mit 1851,85 m

Portugal mit 1850,00 m

Zur Vereinheitlichung und für Vergleichszwecke wurde deshalb im Jahre 1928 vom Internationalen

Hydrographischen Büro (Sitz in Paris) vorgeschlagen, die Länge einer Seemeile auf 1852,00 m zu setzen.

Da die Breitenparallele mit wachsender geographischer Breite ihren Umfang verringern, ist auf

ihnen die Bogenminute nicht gleichlang. Dieser Unterschied wird durch den Begriff der Abweitung (a)

berücksichtigt.

Die Abweitung (a) ist das zu einem Längenunterschied gehörende Bogenstück eines

Breitenparallels, ausgedrückt in Seemeilen (sm).

Δλ sec φm

oder

Δλ = a cos φm

Der Breitenparallelbogen und Äquatorbogen verhalten sich zueinander wie ihre Radien.

Die Tabelle gibt an, wie viel Seemeilen einem Längenunterschied von 1° (60’) auf einem Breitenparallel

entsprechen.

113

Breitenparallel in Grad 1° Längenunterschied in sm

90° 0,0 sm

80° 10,4 sm

70° 20,5 sm

60° 29,9 sm

50° 38,5 sm

40° 45,8 sm

30° 31,8 sm

20° 56,3 sm

10° 58,9 sm

0° 60,0 sm

Zur Berechnung der loxodromen Stücke eines ebenen Dreieck haben sich zwei Verfahren durchgesetzt.

Es ist einmal die Berechnungsmethode mit der aus den Breitenkoordinaten des Abfahrts- und

Bestimmungsortes gemittelte Breite (φm) und die Methode der ebenfalls aus φA und φB gewonnenen

vergrößerten Breite

BESTECKRECHNUNG NACH MITTELBREITE

2

Δ oder

2Am

BA +=

+=m

a = a a ...........Abweitung

b = Δφ φm ……Mittelbreite

c = d d ...........Distanz in Seemeilen

α = Kurswinkel

Zwischen den Seiten und Winkel des loxodromen Dreiecks bestehen nun die einfachen Beziehungen

der ebenen Trigonometrie

a = c sin α a = d sin α

b = c cos α Δφ = d cos α

c = b sec α d = Δφ sec α

tan α = a ÷ b tan α = a ÷ Δφ

114

Aus diesen Verhältnissen kann entsprechend den gegebenen und gesuchten Komponenten das

loxodromische Dreieck nach Mittelbreite berechnet werden. Der Kurswinkel α kann jedoch nur in

quadrantaler Kurszählung (0° bis 90°) erhalten werden. Entsprechend des Zählsinn der geographischen

Längen – und Breitenunterschiede vom Abfahrtsort zum Bestimmungsort ist jedoch die Zuordnung des

entsprechenden Kursquadranten für den Kurswinkel (0° bis 90°; 90° bis 180°; 180° bis 270° oder

270° bis 360°) leicht möglich. Liegt jedoch der Kurswinkel im einem Bereich zwischen 85° bis 90°, so

sollte mit der Formel d = a cosec α die Distanz genauer ermittelt werden. Die Einführung der

Mittelbreite setzte sich als annähernde Lösungsvariante für relativ kurzes Distanzen durch, da mit der

Mittelbreite genau genug die Abweitung auf verschieden Breiten ausgeglichen werden konnte. Für

größere Distanzen oder für Berechnungen in Polnähe wird die Berechnungsmethode nach der

vergrößerten Breite empfohlen. Soll für größere Distanzen die Nord- Süd Verzerrung der

geographischen Breite (entsprechend der Konstruktion einer Seekarte im Mecartor – Entwurf) mit

berücksichtigt werden, so muss mit dem vergrößertem loxodromen Dreieck gerechnet werden.

Mit der mathematischen Beziehung (Näheres siehe im Abschnitt „Das System der

kartographischen Abbildungsverfahren“)

y = 7915,7045 x lg tan ( /4 + /2 ).

oder

= 7915,7045 x lg tan (45° + /2 )

werden die Meridionalanteile bzw. wird die vergrößerte Breite () berechnet, wobei sich die Tabelle

entsprechend Tafel 1 ergibt (siehe Tafel 1)

Die Größen und die mathematischen Beziehungen seien an dieser Stelle zusammengefasst:

Breitenunterschied Δφ = d cos α

Bestimmungsbreite φB = φA + Δφ

vergrößerter Breitenunterschied ΔΦ = ΦB – ΦA

Längenunterschied Δλ = ΔΦ tan α

Bestimmungslänge λB = λA + Δλ

Kurswinkel tan α =

Distanz d = Δφ sec α

Für Reisedistanzen, bei den die Ozeane zu überqueren sind, treffen die orthodromen

Navigationsverfahren zu. Befinden sich die Ortungsobjekte jedoch selbst über ca. 300 sm vom

Navigationssystem entfernt, müssen für einige Ortungsmethoden (astronomische Navigation,

115

Funknavigation, Sattelitennavigation) die orthodromen Navigationsprinzipien angewandt werden, um

in erster Näherung die Line of Position (LOP) an die Erdkugel oder auch in zweiter Näherung die

Standlinie an das Erdellipsoid anzugleichen. Wird die Erdkugel in erster Näherung mit einem

theoretischen Kugelinertial umgeben, dass gleich der Größe der Erdkugel ist und werden alle dahinter

stehenden Gestirne und künstlichen Himmelskörper auf diese so entstandene scheinbare

Himmelskugel projekziert, so können die scheinbaren Örter der Gestirne mit den geographischen

Koordinaten der Länge () und Breite () erfasst werden. Die Gestirne und künstlichen Himmelskörper

bekommen somit einen Bildpunkt auf der Erdoberfläche. Der Bildpunkt eines Gestirns oder künstlichen

Himmelskörpers definiert sich somit als Gerade, die den Erdmittelpunkt mit dem Gestirn oder

Himmelskörper verbindet. Trägt man den exakten Erdradius nun vom Erdmittelpunkt aus ab, ergibt

sich als Endpunkt (an der Erdoberfläche) der Gestirnsbildpunkt. Betreffs der Gestirne geben die

Nautische Ephemeriden die Gestirnsörter für jeden Zeitpunkt eines Tages und Jahres an. Will man

diese Nautischen Ephemeriden in geographische Koordinaten umrechnen, so ist der Deklinationswert

() gleich der geographischen Breite des Gestirns. Der Greenwicher Stundenwinkel (Grt) eines Gestirns

ist gleich der geographischen Länge. Bei der Umrechnung Grt in muss jedoch beachtet werden, dass

sich der Grt vollkreisig im Uhrzeigersinn zählt, während sich die in halbkreisiger Zählweise zählt. Ist

der Grt kleiner 180°, so entspricht der Greenwicher Stundenwinkel des Gestirns der westlichen Länge,

ist jedoch der Greenwicher Stundenwinkel größer als 180°, so gilt 360° − Grt = östliche Länge.

Beim orthodromen Navigieren (auf Großkreisen) ergibt sich somit die Möglichkeit

Gestirnsbildpunkte zum Ansteuern von Bestimmungsorten zu nutzen. Die nautischen Ephemeriden

eines Gestirns entsprechen den geographischen Koordinaten des Bestimmungsortes B, wenn ein

Gestirn über den Bestimmungsort im Zenit steht. Das Nautische Grunddreieck formuliert sich damit

wie folgt:

A

B

C

α

β

γ

c

b

a

116

Astronomische Koordinaten Geographische Koordinaten

Punkt A Zenit (Z) geographischer Abfahrtsort A

Punkt B Gestirn (G) geographischer Bestimmungsort B

Punkt C Himmelspol (P) geographischer Pol (P)

Winkel Azimut (Az) Kurswinkel () oder rechtweisender Kurs (rwK)

Winkel parallaktischer Winkel(q) parallaktischer Winkel (q)

Winkel Ortsstundenwinkel (t) Längenunterschied ( )

Seite a* Deklination () geographische Breite des Bestimmungsortes (B)

Seite b* geographische Breite () geographische Breite des Abfahrtsortes (A)

Seite c* Höhen (h) sphärische Distanz (d)

* Die Seiten verstehen sich als Komplemente (90° − n)

Berechnet werden können die Argumente:

in der astronomischen Navigation in der Großkreisnavigation

Beobachtungsstandort der Abfahrtsort

Gestirnsbildpunkt der Bestimmungsort

Ortsstundenwinkel Längenunterschied zwischen A und B

Azimut zum Gestirn Kurswinkel zum Ort B

Höhe eines Gestirns Distanz zum Ort B

Es kommt zur Berechnung der fehlenden Winkel und Seiten der 3. Fall zur Berechnung allgemeiner

sphärischer Dreiecke in Betracht. Die sphärische Trigonometrie hat in Anwendung des

Seitencosinussatzes zur Berechnung der fehlenden Winkel und in Anwendung des Sinussatzes zur

117

Berechnung der fehlenden Seiten neben anderen Möglichkeiten folgende Endformeln entwickelt und

angewandt.

Vor Einführung der digitalen Rechentechnik wurde in einem zeitraubenden Verfahren mit den für die

Navigation entwickelten Nautischen Tafeln logarithmisch gerechnet. Der Vollständigkeit halber und für

Nutzer dieser Tafeln soll hier diese Berechnung der Argumente Höhe und Azimut nochmals hergeleitet

sein.

Auch hier wurde, um die Höhe eines beobachteten Gestirns zu erhalten oder um eine Distanz zwischen

zwei geographischen Orten auf einem Großkreis zu erhalten, den Seitenkosinussatz der sphärischen

Trigonometrie angewandt. Ausgehend vom nautischen Grunddreieck, war die Zenitdistanz zu

berechnen, die dann in Höhe umgewandelt wurde, denn es ist z = 90° - h.

In der mathematischen Beziehung

cos z = cos b cos p + sin b sin p cos t

cos z = sin sin + cos cos cos t.

wurde für cos t die Formel cos = 1 - 2 sem gesetzt Diese Funktion gilt gleichzeitig als

Definitionsgleichung für die Funktion Semiversus (sem ).

cos z = sin sin + cos cos (1-2 sem t).

Wegen sin sin + cos cos = cos ( - ) ergibt sich

cos z = cos ( - ) - 2 cos cos sem t).

- ist gleich der Meridian-Zenitdistanz des Gestirns z0.

Ferner ist cos z und cos z0 durch die Semiversusfunktion zu ersetzen.

1 - 2 sem z = 1 - 2 sem z0 - 2 cos cos sem t,

also ist sem z = sem z0 + cos cos sem t.

Das Produkt cos cos sem t ist stets kleiner als 1, da jeder einzelne Faktor kleiner oder höchsten

gleich 1 ist und mindestens einer der Faktoren immer kleiner als 1 ist, auch ist das Produkt stets größer

oder gleich Null, da keiner der Faktoren negativ wird.

Folglich gibt es einen Hilfswinkel y, für den gilt

sem y = cos cos sem t.

Damit lässt sich die Rechnung nach obiger Formel wie folgt durchführen:

Zunächst aus der Beziehung

sem z = sem z0 + cos cos sem t,

118

ersichtlich, dass die auf ihr aufgebaute Höhentafel die Logarithmen der Funktionen cos und sem

sowie die natürlichen Werte der Funktion sem enthalten muss. Wegen der eben angestellten

Überlegung kommt man damit aus, denn man kann den natürlichen Wert lg (cos cos sem t) unter

den natürlichen Werten der Semiversusfunktion finden und benötigt nicht die Tafel der Logarithmen

der Zahlen dazu. Es ist dann

sem z = sem z0 + sem y

Will man die Distanz auf einem Großkreis zwischen zwei bekannten geographischen Orten benutzen,

muss man die Glieder der Semiversusformel

sem z = sem z0 + cos cos sem t

ersetzen durch z0 durch

durch A

durch B

t durch Δλ

die Sermiversusformel für die Distanzberechnung lautet dann:

sem d = sem + cos A cos B sem Δλ.

Die Distanz bzw. Höhenberechnung unter Verwendung der Semiversusformel wurde vielfach noch bis

in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts angewendet. Heute gibt es Tafelwerke und

Rechenprogramme, die weitgehend die Anwendung der Semiversusformel und die daraus

resultierende logarithmische Berechnung des Ergebnisses ausschließen. Da jedoch die logarithmische

Berechnungsmethode zur Berechnung der astronomischen Höhe bzw. der orthodromen Distanz an

Ausbildungsstätten noch teilweise in Gebrauch ist, soll die logarithmische Rechnung im Anhang dieses

Buches vorgestellt werden. Einfacher ist selbstverständig die Anwendung eines Taschenrechners mit

Winkelfunktionen. Hier können nun folgende Formeln bequem angewandt werden.

119

Zur Berechnung der Winkel:

Azimut oder Kurswinkel

sin /B

cos a/ = ( _________________ + / − tan /A ) x tan h/d

cos /A x sin h/d (1)

Stundenwinkel oder Längenunterschied

sin h/d

cos t/ = ( _________________ + / − tan /B ) x tan /A

cos /B x sin /A (2)

Parallaktischer Winkel

sin /A

cos q = ( __________________ + / − tan h/d ) x tan /B

cos /A sin h/d (3)

Ist /A ungleichnamig mit /B, gilt das positive (+) Vorzeichen;

Ist /A gleichnamig mit /B, gilt das (-) Vorzeichen

Zur Berechnung der Seiten:

120

Höhe oder sphärische Distanz

cos /B x cos t/

sin h/d = ( ___________________ + / −sin /B ) x sin /A

tan /A (4)

90° − h = d° (d in ° x 60’ = d in sm)

Deklination oder Breite des Ortes B

cos /A x cos a/

sin /B= ( ___________________ + / −sin /A ) x sin h/d

tan h/d (5)

Breite oder Breite des Ortes A

cos h/d x cos q

sin /A = ( __________________ + / −sin h/d ) x sin /B

tan /B (6)

Ist /A gleichnamig mit /B, gilt das positive (+) Vorzeichen;

Ist /A ungleichnamig mit /B, gilt das (-) Vorzeichen

121

Mit diesen astronomisch - mathematischen Beziehungen können nun entweder die astronomischen

Argumente oder die Elemente des Großkreises berechnet werden, denn sowohl die

Großkreisnavigation, als auch die astronomische Navigation unterliegen den gleichen sphärischen

mathematischen Gesetzen. Das Berechnen der Argumente gelingt mit einem einfachen

Taschenrechner. Das Nautische Jahrbuch ist zum Berechnen der Gestirnspositionen erforderlich. Zur

Durchführung von astronomischen Beobachtungen sind als weitere Hilfsmittel eine Seekarte, eine Uhr

und ein Sextant notwendig.

Die astronomische Navigation basiert auf dem Prinzip, dass der Sternenhimmel, einschließlich

der Himmelskörper Sonne, Mond und Planeten

1.) zur gleichen Zeit auf verschiedenen Positionen der Erdkugel anders erscheint;

2.) zur verschiedenen Zeit auf gleichen Positionen der Erdkugel anders erscheint;

3.) zur verschiedenen Zeit auf verschiedenen Positionen anders erscheint.

Für die Seefahrt und für die damit verbundene astronomische Navigation trifft in der Regel der dritte

Zustand zu. Während das Schiff in einer Zeitspanne (t) laufend seine Position wechselt, wechseln

auch die Gestirne bezogen auf das geographische Koordinatensystem laufend ihren Bildpunkt auf der

Erdoberfläche.

Wenn als Zeitpunkt die abgelesen Uhrzeit der Gestirnsbeobachtung gilt, so hat die

astronomische Navigation den dritten Zustand zum ersten Zustand reduziert, indem zu einem festen

Beobachtungszeitpunkt die Gestirnskoordinaten ( und t mit Hilfe des Nautischen Jahrbuchs)

festgestellt werden. Nebenbei wird unbewusst sozusagen die vierte Dimension (Zeit) der

philosophischen Rauminterpretation auf eine annehmbare dritte Dimension reduziert, denn der

Sternenhimmel wird zum Zeitpunkt t wie im Stillstand betrachtet. Die astronomische Navigation ist

somit eine Betrachtung der Stillstände zwischen zwei Zeitspannen.

Wenn die Gestirnspositionen im Zeitstillstand als geographische Bildpunktpositionen auf der

als Kugel definierten Erde aufgefasst werden, so kommt ein sphärisches kartesisches

Koordinatensystem mit den Funktionen x und y zur Anwendung.

cot x = cot δ · cos t

xcos

y coscot tAzcot

=

Az cos

ycot hcot =

y = 90° - φ + x (wenn φ und δ gleichnamig)

y = 90° - φ - x (wenn φ und δ ungleichnamig)

122

In Ableitung dieser Funktion sind die mathematischen Beziehungen zur Berechnung der Seiten und

Winkel im sphärischen Dreieck entwickelt (Formel 1 bis 6).

Die Anwendung von mathematisch -sphärischen Beziehungen macht es also möglich, im Stillstand der

Zeit das astronomisch-nautische Grunddreieck auszuwerten., wenn entsprechende

Eingangsargumente vorhanden sind. Jedoch soll an dieser Stelle nicht versäumt werden, einen

anderen Aspekt der Navigation in die sphärischen Gesetzmäßigkeiten des Kugelinertials mit ein zu

beziehen.

Aus der Physik ist bekannt, dass die Ausbreitungsrichtungen aller Formen der für die Orientierung

verwandten Wellen geradlinig, wenn von den üblichen Fehlereinflüssen der Brechung, Streuung und

Absorption abgesehen wird, verlaufen. Nun wird jedoch beobachtet, dass künstlich erzeugte

elektromagnetische Funkwellen nicht geradlinig, sondern dem Großkreis folgen, wenn diese von

einem weit entfernten terrestrischen Sender zu einem zum Navigationssystem S’ gehörendem

Empfänger gelangen. Diese Besonderheit wird durch die Abstrahleigenschaften eines schwingen

Dipols bewusst geschaffen, um die Signalübertragung durch Raum – bzw. Bodenfunkwellen zwischen

terrestrischen Sendestellen und terrestrischen Empfangsstellen zu gewährleisten. Eine Art der

Nutzung der künstlich erzeugten Funkstrahlen liegt im Richtungsempfang von Funkwellen zur

Standlinienbestimmung. Aufgrund der Bedeutung in der Seefahrt sei, obwohl die Peilfunkanlagen

wegen der Einführung des weltweiten Satellitenfunkverkehrs schon so gut wie der Vergangenheit

anhören, dennoch eine kurze Beschreibung einiger Kenngrößen dieses Systems erlaubt. Der Übergang

von der terrestrischen zur extraterrestrischen Funkortung muss die Ausbreitungsgesetze von

Funkwellen im terrestrischen Raum berücksichtigen, da das ausgesendete Satellitenfunksignal auch

hier die Grenzschichten der Atmosphäre durchlaufen muss, um das Navigationssystem Schiff zu

erreichen. Die sich ergebene Funkfehlweisung für Richtfunkempfänger mit Kreuzrahmen kennzeichnet

sich durch die Wirkungsfelder der Wegablenkung, dem Dämmerungs – oder Nachteffekt und der

Funkdeviation. Die Wegablenkung kommt durch Brechung des Funkstahls beim Übergang durch

Schichten unterschiedlicher Leitfähigkeit zustande und wird im Allgemeinen mit Küstenbrechung

bezeichnet und ist besonders ausgeprägt, wenn Funkstrahlen im spitzen Winkel die Küste schneiden.

Werden während der Dämmerung oder der Nacht gleichzeitig Raum- und Bodenwellen empfangen,

kommt es zu einer Überlagerung der Funkwellen. Da Raumwellen den größeren Weg zum Empfangsort

zurücklegen, verfälschen diese Überlagerungen das Empfangssignal.

Bei Entfernungen größer 30 Seemeilen treten jedoch kaum Überlagerungen auf, so dass während der

Nacht gute Peilergebnisse erlangt werden können. Nur durch Anwendung des Impulspeilverfahrens

lassen sich die Signale von Raum- und Bodenwelle trennen und können sogar zur Messung des

unterschiedlichen Laufzeitunterschiedes von Raum – und Bodenwelle und damit zur Gewinnung von

Standlinien (Funknavigationssystem LORAN) genutzt werden. Die Funkdeviation beschreibt dagegen

die Funkstahlablenkung am Ort einer Rahmenempfangsantenne durch Erfassung des Unterschiedes

zwischen der scheinbaren und wahren Funkstrahleinfallsrichtung. Die Entstehung der Funkdeviation

beruht auf den Einfluss der dem Senderfunksignal gleich – oder gegenphasigen Rückstahlfelder der

metallischen Leiter am Schiff und ist entsprechend dem unterschiedlichen Bau der Schiffe und dem

Aufbauort der Funkrahmenempfangsantenne auf dem Schiff von Schiff zu Schiff und von

Schiffsseitenpeilwinkel zu Schiffsseitenpeilwinkel verschieden.

123

Unter der Voraussetzung, dass die Großkreispeilung von Funkstrahlen auf den landseitigen

terrestrischen Festpunkt der empfangenen Standlinie bezogen wird, ist die kürzesten Verbindung

zwischen Sender und Empfänger durch den polwärts gekrümmten Großkreis auf der als Kugel

angenommenen Erdoberfläche definiert. Hier werden somit die gleichen Gesetzmäßigkeiten

angewandt, die für die Definition des Großkreises zwischen den geographischen Koordinaten für die

Orte A und B auf einem Kugelinertial gelten. Der Ort A gilt hier als Senderstandort und kann mit der

Begriffsabkürzung S“ erfasst werden. Der Ort B gilt als Standort des Navigationssystem S’. Um in der

terrestrischen Funkpeilnavigation die orthodromen Richtungen der Funkstandlinien auf das loxodrome

Kursdreieck zu beziehen und in der Mecartorkarte auswertbar zu machen, wurden der Begriff der

Loxodrompeilung eingeführt. Mit Hilfe des Nautischen Grunddreiecks lassen sich jedoch auch die

durch die terrestrische Peilfunknavigation gewonnenen Standlinien für die loxodrome Auswertung und

die Beziehungen zwischen S’ und S“ aufbereiten. Die scheinbar unabhängige Methodik der Gewinnung

von astronomischen Gestirnsstandlinien und terrestrischen Funkstandlinien sind durch die

Gemeinsamkeit ihres Richtungsverlaufs verknüpft und somit nicht mehr scheinbar. Diese

Gemeinsamkeit bezieht sich auf den Großkreisverlauf. Fallen der Standort eines terrestrischen

Funksenders und eines astronomischen Gestirnsbildpunktes auf eine gemeinsame geographische

Position des Kugelinertials, so wird der Verlauf des Gestirnsazimut mit dem Verlauf des Funkstrahls

zum System S’ übereinstimmen. In Reduktion der Auswertung auf das Kugelinertial wird somit auch

ein gleicher Großkreis berührt. Um jedoch diese Gemeinsamkeit zu erläutern, muss jedoch auf eine

besondere Unterscheidung hingewiesen werden, die auf die Gesetze der Ausbreitung von

terrestrischen Funkwellen einerseits und auf die Ausbreitung der Lichtwellen andererseits zurück

greift.

Wir haben gesehen, dass elektromagnetische Wellen sich geradlinig ausbreiten. Durch die

Dipolsendeeigenschaften wurde der technisch terrestrische Funkstrahl faktisch für den Großkreis

zurechtgebogen. Würden die technischen Eigenschaften der Ausstrahlung von Funkwellen nicht

erzwungenermaßen an den Verlauf der Erdkrümmung angepasst worden sein, so würden alle

Funksignale in Richtung der waagerechten angelegten Tangenten an die Erdoberfläche abgestrahlt

werden. Der Bildpunkt eines Gestirns auf der Erdoberfläche basiert auch nur auf eine rechnerisch

sphärische Annahme eines Ortungsprinzips und spiegelt sozusagen eine mathematisch abstrakte

Orientierungsmöglichkeit wieder. Somit ist, um Großkreisrichtungen und – distanzen zu erhalten, die

rechnerische Aufbereitung eines Gestirnsbildpunktes der faktischen Aufbereitung durch einen

terrestrischen Richtfunkstrahl gleichzusetzen. Sicher liegt hier eine unabhängige Entwicklung vor, die

dennoch den bestehenden natürlichen Gesetzen der sphärischen Trigonometrie gefolgt ist. Natürlich

breiten sich die Lichtstrahlen eines Gestirns geradlinig aus. In der sphärischen Navigation interessiert

das eigentliche Gestirn ja auch nur am Rande, wichtig für die Orientierung auf rechnerischer Basis ist

eigentlich nur der Gestirnsbildpunkt auf dem Kugelinertial, der jedoch ohne direkte Beobachtung des

Gestirns nicht gewonnen werden kann.

Das Nautische Grunddreieck ist damit zum kräftigsten Argument, zum wichtigsten Baustein der

modernen Orientierung zur See geworden. Mit Hilfe dieses Nautischen Grunddreiecks wird es möglich,

(um wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen) die Aufgaben der Großkreisnavigation,

eingeschlossen die astronomischen Navigation und die Funknavigation zu bewältigen, die jetzt

zusammenfassend vorgestellt werden sollen.

124

In der Funknavigation ist es nötig, die mittels Funkpeiler gewonnenen orthodromen Richtungen in

loxodrome Peilungen umzuwandeln. Dazu wurde der Begriff der Loxodrombeschickung (u) eingeführt.

Näherungsweise hat zur Berechnung von „u“ die mathematische Funktion m sin

2

Δλu =

bewährt,

wobei die Verknüpfung zu den mathematischen Beziehungen der Großkreisberechnung aus

nachfolgend dargestelltem Beispiel hervorgeht.

Beispiel: φA = 41° 36,0’ N φB = 59 03,8’° N Δλ = 20° 15,4’ E

φA … Abgangsort (Sendeort des Funkstrahls)

φB ... Ankunftsort (Empfangsort des Funkstrahls)

Δλ ... Längenunterschied zwischen den Orten φA und φB

Mit den mathematischen Beziehungen (1) zur Höhenberechnung und (4) zur Azimutberechnung

werden die Argumente Höhe bzw. Distanz, Anfangsazimut und Endazimut ermittelt.

h = 68° 27’ 20“

d = 1292,67 sm

Az A→B = N 28° 59’ 33“ E Az B→A = N 135° 10’ 03” W

rwAz = 28,99° rwAz = 224,83°

Die Formel 2

AzAzrwP

EndeAnfang

LOX

)180( −+=

liefert die Loxodrome zwischen den Orten A

und B. rwPLOX = 36,91°

damit beträgt der Unterschied zwischen rwPLOX und rwPORTH aus:

rwPLOX – rwPORTH = u

28,99° – 36,91° = + 7,92°

u = + 7,92°

Als Kontrolle kann die Loxodrome mit den ebenen trigonometrischen Winkelfunktionen des wahren

Kursdreiecks nachgerechnet werden. Wir erhalten:

= B – A = 17° 27’ 48” N

= B – A = 20° 15,4’ E

125

+=

2

Am = 50° 19’ 54” N

a = cos m = 12° 55’ 50”

=

atan

α = 36° 31’ 04” = 36,52°

d = sec = 1303,77 sm

Die Näherungsformel zur Berechnung der Loxodrombeschickung ist aus dem nautischen Grunddreieck

wie folgt entwickelt:

M

M

M

EndeAnfang

EndeAnfang

sin 2

Δλu

uist damit

2

Δλtan sin

2

Δ secutan

und

2

Δλcot cosec

2

Δ cosucot

:folgt es

1802u)Az(180Az

:giltsomit

2

Δλcot

2

Δcos

2

)Az(180Aztan

=

=

=

=+−+

=−+

'9,1950sin2

'4,1520u

=

u = + 7° 47’ 48“ = + 7,8°

Das Ergebnis weicht hier lediglich um 0,12° ab. Somit kann die obige Formel hinreichend genau zur

Berechnung der Loxodrome angewandt werden.

126

In der astronomischen Navigation sollen folgenden Aufgaben bewältigt werden:

1.) Bestimmung von astronomischen Standlinien nach der Höhenmethode.

Dabei wird der Umstand ausgenutzt, dass zu einer Zeit (t) alle Beobachter einen gleichen sphärischen

Abstand von einem Gestirnsbildpunkt haben, wenn sie die gleiche Höhe messen. Für ein ausgewählten

Koppelort wird die Höhe und das Azimut vorausberechnet. Durch Einmessen der Höhe gelingt es die

Abweichung der Standlinie des Beobachtungsortes in Seemeilen vom Koppelort zu berechnen.

2.) Bestimmung der geographischen Breite und geographischen Länge des Beobachtungsortes durch

Beobachtung eines Gestirns im Meridian.

Bei der Kulmination des Gestirns fällt das Nautische Dreieck als eine Linie zusammen. Wenn der

Deklinationswert des Gestirns bekannt ist, kann die geographische Breite des Beobachtungsortes

algebraisch bestimmt werden. So gilt für den oberen Meridian die astronomische Beziehung = z0 +

(z0 ist dabei die Meridian-Zenitdistanz des Gestirns). Die geographische Länge wird durch Zeitvergleich

zwischen der MOZ und der mitgeführten UT1-Zeit gewonnen. Die in Stunden, Minuten und Sekunden

gemessene Zeitdifferenz (t) zwischen der Ortszeit t1 an einem Beobachtungsort und der vom Ort des

durchlaufenden Nullmeridians (hier UT1) mitgeführten Zeit t0 lässt sich durch folgende Formel in nach

Grad zu messende Längendifferenz umsetzen:

° = ¼ (t1 − t0)’

Ist das Ergebnis positiv, liegt der Beobachtungsort östlich des Nullmeridians, andernfalls ist die

Lagebeziehung umgekehrt.

3.) Bestimmung der geographischen Breite nach dem Nordstern (Polaris) bzw. nach einem

Zirkumpolarstern.

Bei der Bestimmung der geographischen Breite nach dem Nordstern wird angenommen, dass der

Nordstern genau im Himmelsnordpol steht. Berichtigungstabellen geben Auskunft über die tägliche

und stündliche Abweichung des Sternes von der Polposition, so dass mit einer Beschickung die

gemessene Höhe zur beobachteten Breite direkt nach der Beziehung

90° − h = umgerechnet werden kann. Wird die geographische Breite nach einem Zirkumpolarstern

bestimmt, so wird der Höhenwinkel h1 und h2 bei zwei Meridiandurchgängen, die knapp 12 Stunden

hintereinander liegen, gemessen. Es gilt die Beziehung: h1 + h2 + − 2 = , daraus folgt die

geographische Breite: = ½ (h1 + h2) . Dieses Messverfahren kann vornehmlich zur Bestimmung der

Abplattung der Erde angewandt werden.

127

4.) Durchführung einer Kompasskontrolle.

Hier wird das berechnete Azimut eines Gestirns mit der Kompasspeilung verglichen. Besonders schnell

erfolgt die Berechnung des Azimuts nach der mathematischen Beziehung

cos a = sec x sin , wenn das Gestirn im wahren Auf- oder Untergang steht.

5.) Berechnung von Auf-, Untergangszeiten und Kulminationszeiten von Gestirnen.

Durch Anwendung der mathematischen Beziehung cos t = − tan x tan wird der halbe Tagbogen des

Gestirns berechnet. Unter Beachtung der Herausrechnung der Kulminationszeit aus dem Nautischen

Jahrbuch erfolgt dann das Berechnen der Auf- und Untergangzeiten von Gestirnen.

6.) Zeitkontrollen

Eine Zeitkontrolle des Schiffschronometers kann nach der Methode der Monddistanzen erfolgen.

Dabei wird der Winkelabstand zwischen dem schnell an den Fixsternen vorbeiziehenden Mond und

einem auf der Mondbahn liegenden Fixstern gemessen. Durch Berechnung des Sollwinkelabstandes

und der Mondhöhe gelingt das Herausrechnen der Uhrzeit.

Diese Verfahren spiegeln jedoch nur Teilaspekte der astronomischen Navigation wieder. Soll die

astronomische Navigation als eigenständiges Ortungssystem gelten, welches zu jeder Zeit, die Sicht

der Sterne natürlich vorausgesetzt, anwendbar wird und ohne den Bezug zum Horizont auskommt,

muss eine ganzheitliche Betrachtung der Positionsastronomie angestrebt werden. Es wird dabei

bewusst davon ausgegangen, dass zu jeder Zeit der Sternenhimmel auf jeder beliebigen Position der

Erde anders erscheint. Es ist ein Verfahren, um sozusagen an der sich drehenden Himmelskugel entlang

zu navigieren.

An einem Beispiel aus der polynesischen Navigation wollen wir uns einmal das Navigieren an der sich

drehenden Himmelskugel veranschaulichen.

Der polynesische Sternennavigator hatte nun weder Kompass, noch Seekarte, noch Sextant zur

Verfügung. Statt dem nautischem Jahrbuch, indem der heutige Nautiker alle scheinbaren Gestirnsorte

am Firmament findet, hatte der polynesische Sternennavigator nur seinen Erfahrungsschatz, der von

Generation zu Generation weitergetragen wurde. Der heutige Navigator besitzt natürlich diesen

Erfahrungsschatz nicht mehr. Er muss mit Hilfe der Mathematik sich den augenblicklichen

Erkenntnisstand errechnen. Soll eine Navigation ohne nautische Geräte erfolgen, so kann dieses nur in

Anwendung des Nautischen Jahrbuchs erfolgen, denn das Bekanntsein der Gestirnspositionen am

nächtlichen Himmel ist Grundvoraussetzung für die Durchführung der Navigation ohne Hilfe nautischer

Geräte. Grundlage dieser Navigation ist das Fahren nach Sternenazimuten. Der Nautiker muss nun

wissen, welche Sterne er auf seiner Kurslinie von A nach B ansteuern muss. Da der moderne Nautiker

keinen Erfahrungsschatz in dieser Hinsicht besitzt, muss er sich vorher diese Sterne errechnen. Mit

Hilfe eines Beispiel soll die Vorgehensweise dabei erläutert werden. Die Uhr bzw. der Kompass soll

128

allein dazu dienen, die Richtigkeit dieser Vorausberechnungen zu prüfen. Einmal diese Methodik für

den Weg zwischen zwei Positionen erprobt, kann später auf die Anwendung von Uhr und Kompass

ganz verzichtet werden. Bei der polynesischen Art der Navigation wird der Umstand ausgenutzt, dass

zu verschiedenen Zeiten auf verschiedenen Positionen der Sternenhimmel anders erscheint, d. h. die

laufende Bewegung der Gestirne wird bewusst beachtet. Je mehr Sterne als Leitsterne betrachtet

werden, d. h. je mehr Rechenvorgänge zur Gewinnung der entsprechenden Sternenazimute

durchgeführt werden, desto genauer wird die Durchführung der Navigation selbst sein, da die

durchgeführten Rechnungen nur die Stillstände zwischen zwei oder mehreren Zeitspannen der

Sternbewegungen betrachten kann. Je mehr Stillstände berechnet werden, desto mehr erfolgt die

Annäherung an die tatsächliche Bewegung. Da keine Positionsbestimmung zur Kontrolle des

Schiffsweges erfolgt, ist die Methode in erster Linie für die hohe See geeignet. Die Küstennavigation

kann dadurch nicht ersetzt werden. Es wird aber hinreichend genau das Segeln auf den größtem Kreise

möglich sein, wie wir nachfolgend noch sehen werden.

Somit vollzieht sich die polynesische Sternennavigation, die ohne den Bezug Horizont auskommt, nur

mit Hilfe der Sternenazimute, der Gestirnsbildpunkte und den unterschiedlichen Richtungen und

Distanzen, die verschiedenen Sterne zueinander einnehmen. Der Umstand, dass Sterndistanzen

zueinander, wie auch die Deklinationswerte über lange Zeit unverändert sind, spielt dabei die

entscheidende Rolle, denn davon hängt die periodische Wiederkehr der Sternbilder über bestimmte

Orte bzw. Positionen der Erde ab. Es handelt sich sozusagen um eine Navigation an der drehenden

Himmelskugel entlang. Die polynesische Navigation wendet dabei folgende Verfahren an:

1.) Kursausrichtung nach dem für den Bestimmungsort geltenden Zenitstern, der über dem

Bestimmungsort von Ost nach West zieht.

2.) Kursausrichtung nach einem Leitstern, der die geplante Großkreisbahn schneidet bzw. auf dem

Großkreis auf- oder untergeht.

3.) Kursausrichtung nach dem Winkel, die ein Stern oder mehrere Sterne zum geplanten Großkreis

einnehmen, während sie kulminieren bzw. auf- oder untergehen.

4.) Kursänderung nach der Richtung, die zwei ausgewählte Sterne untereinander verbindet. Diese

Richtung ist die unveränderte Sterndistanz zweier Sterne, parallel zum Großkreis oder in einem Winkel

zum Großkreis, wobei ein dritter Stern über dem Großkreis zieht.

5.) Kursausrichtung nach Gestirnen, die erstmals über den Horizont kommen bzw. nicht mehr über den

Horizont kommen und letztmalig sichtbar sind.

Bei dieser Art der Navigation ist zu unterscheiden zwischen Zirkumpolarsternen und Sternen, die

täglich auf- und unter gehen. Auch ist die Kenntnis von Bedeutung, wie der Großkreis zu den

Breitenparallelen steht, d. h. wie die Schiffsrichtung zum Sternenweg am Himmel steht und in welchen

Teil der Himmelskugel sich der Standort des Beobachters befindet. So teilt der polynesische

Sternennavigator abhängig vom Beobachtungsort den Himmel in drei Teile, einen nördlichen, einen

mittleren und einen südlichen Teil. Diese Teilung ermöglicht die Zuordnung der Gestirne , wobei es

von Bedeutung ist, ob das Boot zum Beispiel in einem dieser Teile verbleibt oder von einem Teil zum

anderen wechselt. So bedeuten Nord – Südkurse, ein navigieren vorwiegend nach

Kulminationsgestirnen, Ost - Westkurse bedeuten dagegen von einem Stern begleitet zu werden.

129

Zwischenkurse bedeuten gleichzeitig nach Kulminationssternen und nach Begleitsternen navigieren zu

müssen, da das letzte genannte Verfahren auch vom Rechenaufwand das schwierigste und

komplizierteste Verfahren darstellt, soll es nun erläutert werden.

Wir wollen eine Atlantiküberquerung beginnen und stehen mit unserem Boot an 12. August 1995 um

21.00 Uhr (Weltzeit) im Ausgang des englischen Kanals. Die Fahrt soll mit Südwestkurs nach Puerto

Rico gehen.

GROSSKREISBERECHNUNG ZWISCHEN ABFAHRTS - UND BESTIMMUNGSORT

Zuerst führen wir die Großkreisberechnung durch, die sich zwischen der Startposition (Abfahrtsort)

und der Endposition (Bestimmungsort) ergibt. Dadurch ermitteln wir die sphärische Distanz und den

Anfangs- und Endkurs nach Puerto Rico.

Startposition: φA = 49° 35' N; λA = 5° 00' W

Endposition: φB = 19° 00' N; λB = 65° 00' W

Anfangskurs: = N 100° 18’ 11“ W, rwK = 259,7°

Endkurs: = S 042° 25’ 35“ W, rwK = 222,4°

Distanz: = 3379,92 Seemeilen (aus 90° - h = dsm).

Diese Distanz ist gleichzeitig eine Höhe von 33° 40' 05", d. h. ein im Zenit stehender Stern über

Puerto Rico wird im Ausgang des englischen Kanals (Startposition) 33° 40' 05" Höhe über dem

Horizont besitzen. Ausgehend von diesen Ausgangswerten ergibt sich die folgende Übersicht über

den Verlauf des Großkreises

130

Position Koordinaten rwK Distanz Zeit auf Kurs

mit 8 kn

Tag Uhrzeit (UTC)

Position A φ = 49° 35,0’ N

λ = 5° 00,0’ W

259,7° 200,4 sm 25h 03 min 12.08.1995 21.00 Uhr

Zwischenpunkt 1 φ = 48° 52,6’ N

λ = 10° 00,0’ W

255,9° 423,0 sm 52h 52 min 13.08.1995 22.03 Uhr

Zwischenpunkt 2 φ = 46° 42,9’ N

λ = 20° 00,0’ W

248,5° 467,6 sm 58h 27 min 16.08.1995 02.55 Uhr

Zwischenpunkt 3 φ = 43° 24,2’ N

λ = 30° 00,0’ W

241,4° 532,8 sm 66 h 36 min 18.08.1995 13.22 Uhr

Zwischenpunkt 4 φ = 38° 41,9’ N

λ = 40° 00,0’ W

234,8° 620,7 sm 77h 35 min 21.08.1995 07.58 Uhr

Zwischenpunkt 5 φ = 32° 17,8’ N

λ = 50° 00,0’ W

229,0° 728,5 sm 91h 04 min 24.08.1995 13.33 Uhr

Zwischenpunkt 6 φ = 23° 56,1’ N

λ = 60° 00,0’ W

224,3° 406,9 sm 50h 52 min 28.08.1995 08.37 Uhr

Position B φ = 19° 00,0’ N

λ = 65° 00,0’ W

30.08.1995 11.29 Uhr

gesamt: 3379,9 sm 422h 29 min 17d 14h 29 min

131

FESTSTELLEN DER ZENITSTERNE, DIE ÜBER DEN BESTIMMUNGSORT ZIEHEN

Entsprechend der geographischen Breite des Bestimmungsortes werden die Gestirne gesucht, dessen Deklination (δ) annähernd gleich der geographischen Breite des Bestimmungsortes ist. Der gefundene Stern zieht dann von Ost nach West über den Bestimmungsort. Der Stern Arcturus, aus dem Sternbild Bootes (Bärenhüter) erfüllt genau diese Bedingung. Er besitzt eine Deklination (δ)von 19° 13,2' N und zieht somit 13,2 sm nördlich an Puerto Rico vorbei. Sein Sternwinkel (t) beträgt 146° 09,9'. Wenn er über Puerto Rico kulminiert, wird er von der Startposition aus in einer Höhe von 33° 49' 50" und mit einem Azimut von 259,9° zu beobachten sein. Das entspricht genau dem Kurs, der gesteuert werden muss. Gleichzeitig kann errechnet werden, dass der Stern Mirak, ebenfalls aus dem Sternbild Bootes ebenfalls in Kursrichtung 10° unterhalb von Arcturus zu beobachten ist. Um den Zeitpunkt zu finden, wann Arcturus über Puerto Rico kulminiert, müssen Kontrollsterne verwendet werden, die über der eigenen Position beobachtet werden. Die Größe der Deklination dieser Kontrollsterne wird durch die geographischen Breite des Standortes bestimmt, wobei der Sternwinkel dieser Kontrollsterne um den Längenunterschied zwischen Standort und Bestimmungsort kleiner sein muss, als der des Zenitsternes. Wenn der Stern Eltanin, Sternbild Draco (Drachen) sich auf der Position zwischen dem Zenitpunkt des Abfahrtsortes und dem Stern Polaris, Sternbild Ursa Minor (Kleiner Bär) - genau in Nordrichtung also - befindet, er durchwandert dabei gerade seine obere Kulmination, ist der Zeitpunkt gesetzt, Arcturus anzusteuern. Denn Arcturus kulminiert dann gerade über Puerto Rico. Rechnet man den Kulminationszeitpunkt aus dem Nautischen Jahrbuch, kann festgestellt werden, dass Arcturus am 12. August 1995 genau um 21-11-57 Uhr (Weltzeit) über Puerto Rico kulminiert und dabei auf dem Großkreis steht. Der Stern Eltanin hat zu diesem Zeitpunkt eine Höhe von 86° 26' 38" und steht in einer Richtung am Kompass von 304,2°, genau kulminiert Eltanin um 20-53-06 Uhr (Weltzeit).

So kann die Reise nach Puerto Rico also beginnen. Eltanin hat seine Kulmination gerade durchwandert

und Arturus und Mirak stehen genau auf dem Großkreis. Wir segeln und steuern Arcturus und Mirak

nun voraus an. Die Frage ist: Wie lange können diese beiden Sterne mit hinreichender Genauigkeit

angesteuert werden?

AUFFINDEN WEITERER LEITSTERNE FÜR DIE NACHT

Steuern wir den Sternen Arcturus und Mirak stundenlang hinterher, werden wir unsere Großkreisbahn

sehr bald verlassen, denn diese Leitsternen schneiden den Großkreis und laufen nicht auf ihn mit. Um

nach weiteren Leitsternen zu fahren, dürfen diese nicht sehr hoch stehen und müssen gut sichtbar

sein, denn es ist ein besseres Steuern, wenn die Sterne flach stehen. Stehen sie allerdings sehr flach,

sind sie aufgrund der terrestrischen Strahlenbrechung am Horizont nicht mehr sichtbar, deshalb

eignen sich am besten Gestirnshöhen zwischen 10° und 40°. Da alle Gestirne eine Gestirnsbildpunkt

auf der Erdkugel einnehmen, ist die Entfernung des Gestirnsbildpunktes vom Standort des Bootes

ebenfalls von entscheidender Frage. Denn je weiter ein Gestirnsbildpunkt vom Beobachtungsort

entfernt liegt, je geringer die Differenz seiner Azimutänderung in einer Zeitspanne. Die

Geschwindigkeit eines Bahnpunktes ist 15° 02' bestimmt. Das sind 902 sm/h auf dem Äquator bzw. auf

dem Deklinationsparallel von 45° nur Kosinuswert von 902 sm/h (637,8 sm/h). Es ist in dieser

Bewegung der Grund zu finden, warum der polynesische Navigator den Himmel in drei Teile teilt und

diesen Himmelsteilen die wichtigsten Sterne Sternbilder zuordnet. Denn aufgrund dieser Tatsache

überholt in einer Zeitspanne ein Stern den anderen Stern in seinem Lauf (gleich zwei Punkten auf einer

Fahrradspeiche, dessen Rad sich gleich schnell dreht). Um genügend Leitsterne zur Verfügung zu

haben, musste der polynesische Sternennavigator) Sterne kennen. Er musste sie nicht nur kennen, er

musste auch wissen, über welche Inseln und Positionen sie ziehen, welcher Stern welchen überholt.

Dazu musste er diese in sogenannten Sternreihen ordnen. Er musste die Frage beantworten können:

Welcher Stern ist nach dem ersten Stern weiter anzusteuern, um auf Kurs zu bleiben? Um diese

132

schwierige Aufgabe zu bewältigen, musste der Navigator eine Ausbildung von ca. 10 Jähren hinter sich

lassen und das war noch nicht alles, wie wir vorher schon angemerkt haben. Der heutige Nautiker

muss, will er polynesische Sternennavigation betreiben, mit dem Umstand leben, dass im Nautischen

Jahrbuch nur ca. 80 Hauptsterne verzeichnet sind. Da wir aber heute über genügend andere

Ortungsmöglichkeiten bzw. Kontrollmöglichkeiten auf See (Kompass, Uhr, Sextant) verfügen, muss

dieses kein Nachteil sein. Über eine Nacht benötigen wir ca. acht bis zehn Leitsterne, die den Großkreis

von der Bootsposition bis zum Bestimmungsort bzw. auch darüber hinaus schneiden müssen. Es ist

somit die Sternenreihe zu berechnen, der wir folgen müssen. Mit Vorgabe der Höhe zwischen 10° und

40° und des Kurses (Azimutwinkel) auf dem Großkreis muss zunächst der entsprechende

Deklinationswert (δ) und der dazu gehörige Stundenwinkel (t) berechnet werden. Es sind die Leitsterne

gemäß ihrem Stundenwinkel (t) und gemäß ihrem Deklinationswert (δ) sozusagen auf den Großkreis

zuschneiden. Dazu genügt es vom Abfahrtsort und vom Bestimmungsort und einigen dazwischen

liegenden Punkten des Großkreises auszugehen. Die eigentliche Bootsposition spielt dabei nur eine

untergeordnete Rolle. So wie der Großkreis die Leitsterne fesselt, binden die Leitsterne das Boot an.

den Großkreis. Es ist niemals umgekehrt. Der Bestimmungsort bestimmt den Großkreis, der Großkreis

stimmt die Leitsterne. Dabei ist es völlig belanglos, wie schnell das Boot sich vorwärts bewegt und auf

welchen Koordinaten es sich befindet: Nur der Kurs, die Fesselung des Bootes an die Leitsterne ist von

Bedeutung. Die Gestirnshöhe, das Gestirnsazimut, der Stundenwinkel und die geographische Breite

stehen im Verhältnis und bedingen einander. Dieses Verhältnis ist l : l, wenn Az = t und δ = h betragen.

In unserem Beispiel ist dieses Verhältnis bei φ = 49° 35' N; t = 77° 43' 48" und δ = 30° N erreicht, dann

beträgt das Az ebenfalls 77° 43' 48" und die h beträgt 30°.

Am 12. 08. 1995 um 21-11-57, zur Kulminationszeit des Sterns Arcturus über Puerto Rico beträgt der

Greenwicher Stundenwinkel des Frühlingspunktes Grt = 278° 50’ 06“. Der Sternstundenwinkel (t)

errechnet sich für tW = 75° 42' 58" mit β = 161° 52’ 52“ und für

tW = 55° 20’32“ mit β = 141° 30' 36".

Weiterhin ist am 12. 08. 95 um 19. 15 Uhr Weltzeit Sonnenuntergang und am 13. 08. 95 um 04. 50 Uhr

Sonnenaufgang.

Mit einer entsprechend den loxodromischen Winkelfunktionen für die Koppelkursrechnung erstellter

Koppeltabelle wird der Schiffsweg für die Nacht vom 12. 08. (Sonnenuntergang) zum 13. 08. 95

(Sonnenaufgang) vorausberechnet, zugleich wird der Grt mit dem Nautischen Jahrbuch errechnet.

133

Uhrzeit Position rwKLOX Grt

(UTC) BREITE LÄNGE

21.00 49° 35,0’ N 5° 00,0’ W 260° 275° 50,4’

22.00 49° 33,6’ N 5° 12,1’ W 260° 290° 52,9’

23.00 49° 32,2’ N 5° 24,2’ W 260° 305° 55,3’

00.00 49° 30,8’ N 5° 36,3’ W 260° ----

01.00 49° 29,3’ N 5° 48,4’ W 259° ----

02.00 49° 27,8’ N 6° 00,5’ W 259° ----

03.00 49° 26,1’ N 6° 12,5’ W 258° ----

04.00 49° 24,4’ N 6° 24,5’ W 258° ----

05.00 49° 22,8’ N 6° 36,5’ W 257° 36° 10,1’

Mit dieser Approximation des Großkreises durch Loxodromstücke sind die Eingansargumente

gefunden, die zur weiteren Berechnung der Gestirnsbildpunkte unter Einbeziehung von

Schiffsgeschwindigkeit und gelaufener Distanz notwendig sind.

Unter Vorgabe der gegebenen Großkreisrichtung dem Azimut von 259,7° (N 100°18’ 00“ W), der

Anfangsposition von φ = 49° 35’ N, λ = 5° 00' E, der Uhrzeit in Weltzeit (UT1) von 21.00 Uhr wird unter

Vorgabe der hr von 10° bis 40° die entsprechenden Deklinationswerte und Stundenwinkel errechnet.

für h = 10° δ = 1° 09’ 55” N tW = 75° 42’ 58”

für h = 20° δ = 8° 42’ 36” N tW = 69° 16’ 52”

für h = 30° δ = 16° 16’ 31” N tW = 62° 34’ 38”

für h = 40° δ = 23° 36’ 47” N tW = 55° 20’ 32”

Weiter errechnen sich für den 13. 08. 1995 für 05.00 Uhr (UTC) die folgenden Werte:

134

für h = 10° δ = 0° 05’ 08” S tW = 74° 25’ 37” β = 44° 52’ 01”

für h = 40° δ = 22° 35’ 42” N tW = 54° 15’ 08” β = 24° 41’ 32“

Man entnehme nun alle Sterne dem Sternverzeichnis des Nautischen Jahrbuchs, dessen Deklination

zwischen 0° 05’ 08” S und 23° 36’47“ N und dessen Stundenwinkel zwischen den Werten 161° 52’52“

und 24° 41’ 32“ liegen.

Es sind dies die Sterne:

Stern Sternbild Sternwinkel (β) Deklination (δ)

Vindemiatrix Sternbild VIRGO(Jungfrau) 164° 30,6’ 10° 59,0’ N

Arcturus Sternbild BOOTES (Bärenhüter) 146° 08,1’ 19° 12,4’ N

Gemma Sternbild CORONA (Nördliche Krone) 126° 22,3’ 26° 43,9’ N

Unuk Elhaia Sternbild SERPENS (Schlange) 123° 59,3’ 6° 26,5’ N

Ras Alhague Sternbild OPHIUCHES (Schlangenträger) 96° 19,0’ 12° 33,9’ N

Atair Sternbild AQUILA (Adler) 62° 21,4’ 8° 51,5’ N

Enif Sternbild PEGASUS (Pegasus) 34° 00,4’ 9° 51,4’ N

Mirak Sternbild BOOTES (Bärenhüter) 138° 48,1’ 27° 05,6’ N

135

Um 21. 00 Uhr (UTC) soll nun Arcturus und Mirak angesteuert werden. Der rwK beträgt 260°. Dazu die

nachfolgende weiteren Berechnungsergebnisse.

Stern Arcturus Stern Mirak

21-00-00 tW = 56° 58” 30” tW = 49° 38’ 30”

hr = 35° 44’ 34” hr = 46° 05’ 52“

Az = 257° 17’ 30“ Az = 258° 02’ 42“

22-00-00 tW = 71° 52” 54” tW = 64° 28’ 54”

hr = 26° 09’ 34” hr = 36° 32’ 29“

Az = 269° 21’ 15“ Az = 270° 15’ 05“

An den Ergebnissen wird erkennbar, dass die beiden Sterne senkrecht übereinander stehen.

Die Übersicht nun folgender Berechnungsergebnisse veranschaulicht, die Sichtbarkeit und die

gegenseitige Lage der ausgewählten Leitsterne am Himmel.

136

Stern Stundenwinkel errechnete Höhe viertelkreisiges Azimut Kurs

12. 08. 1995 um 22-00-00 Uhr UT1; Grt = 290° 52,9’φ = 49° 33,6’ N; λ = 5° 12,1’ W

Gemma tW = 37° 00’ 36“ hr = 53° 36’ 21” Az = N 115° 01’ 43” W 244,97°

Unuk Elhaia tW = 34° 37’ 36“ hr = 38° 00’ 30” Az = N 134° 13’ 27” W 225,78°

Ras Alhague tW = 6° 57’ 18“ hr = 52° 33’ 49” Az = N 168° 47’ 19” W 191,21°

Atair tue = 27° 00’ 18“ hr = 43° 29’ 26” Az = N 141° 47’ 59” E 141,80°

Enif tE = 55° 21’ 18“ hr = 29° 34’ 38” Az = N 111° 15’ 09” E 111,25°

13. 08. 1995 um 05-00-00 Uhr UT1; Grt = 36° 10,1’φ = 49° 22,8’ N; λ = 6° 36,5’ W

Gemma tW = 155° 55’ 54“ hr = – 10° 55’ 20” Az = N 21° 46’ 29” W 338,23°

Unuk Elhaia tW = 153° 32’ 54“ hr = – 29° 36’ 24” Az = N 30° 36’ 40” W 339,40°

Ras Alhague tW = 125° 52’ 36“ hr = – 11° 57’ 45” Az = N 53° 56’ 34” W 306,06°

Atair tW = 91° 55’ 00“ hr = 5° 28’ 22” Az = N 82° 46’ 00” W 277,23°

Enif tW = 63° 34’ 00“ hr = 24° 32’ 57” Az = N 104° 09’ 12” W 255,85°

Allein diese Übersicht zeigt nicht, wann die Deklinationsparallele der Leitsterne den Großkreis des

Bootes zum Zielort schneiden. Da die Uhrzeit nicht bekannt ist und dadurch der Stundenwinkel nicht

errechnet werden kann, somit auch keine Berechnung der Gestirnshöhe und des Azimutes erfolgen

kann, muss mit einer Interpolierungsmethode die Lösung bewältigt werden.

Es ist erforderlich den Stundenwinkel des betreffenden Gestirns für das Azimut des Großkreises

(100°18’11“) zu erhalten. Unter Vorgabe im Überschlag ausgewählter Stundenwinkel wird die

Gestirnshöhe und das Gestirnsazimut solange berechnet, bis das errechnete Azimut mit dem Azimut

des Großkreises übereinstimmt. Eine weitere Möglichkeit besteht, wenn der Großkreisverlauf mit je

1° Längendifferenz erfasst wird. Auch dann kann der Schnittwinkel herausinterpoliert werden.

Wie sich dieser Interpolierungsvorgang vollzieht sei mittels der nachfolgenden Berechnungen

aufgezeigt:

137

Vorgabe der

Stundenwinkel

berechnete Höhe berechnetes Azimut rechtweisendes

Azimut (Kurs)

Gemma

tW = 45° hr = 48° 45’ 47” Az = N 106° 39’ 03” W

tW = 50° hr = 45° 37’ 16” Az = N 101° 58’ 43” W

tW = 51° hr = 44° 49’ 08” Az = N 101° 05’ 11” W

tW = 51° 40’ hr = 44° 33’ 38” Az = N 100° 29’ 56” W 259° 30’ 04“

Unuk Elhaia

tW = 72° hr = 16° 31’ 59” Az = N 99° 39’ 51” W

tW = 71° 35’ hr = 16° 47’ 57” Az = N 99° 59’ 42” W

tW = 71° 15’ hr = 17° 00’ 43” Az = N 100° 15’ 37” W 259° 44’ 23“

Ras Alhague

tW = 70° hr = 22° 27’ 52” Az = N 97° 01’ 16” W

tW = 65° hr = 25° 40’ 00” Az = N 101° 03’ 18” W

tW = 66° hr = 25° 01’ 46” Az = N 100° 14’ 14” W 259° 45’ 46“

Atair

tW = 70° hr = 19° 39’ 29” Az = N 99° 36’ 59” W

tW = 69° hr = 20° 17’ 49” Az = N 100° 25’ 07” W 259° 34’ 53“

138

Enif

tW = 70° hr = 20° 25’ 04” Az = N 98° 55’ 37” W

tW = 69° hr = 21° 03’ 28” Az = N 99° 43’ 40” W

tW = 68° 30’ hr = 21° 22’ 38” Az = N 100° 07’ 48” W 259° 52’ 12“

Da jetzt die Stundenwinkel für den Durchgangs des Gestirns durch den Großkreis des Bootes

interpoliert worden sind, können nun aus den Stundenwinkelwerten die entsprechenden Zeitpunkte

bestimmt werden. Indem die Größe des Wertes des Greenwicher Stundenwinkels des

Frühlingspunktes aus dem Gestirnsstundenwinkel herausgerechnet wird, kann der Zeitpunkt

entsprechend dem Grt aus dem Nautischen Jahrbuch entnommen werden.

Stern t Grt UT1

Gemma tW = 51° 40’ 00“ Grt = 290° 29’ 48“ UT1 = 21-58-38

Unuk Elhaia tW = 71° 15’ 00“ Grt = 312° 37’ 48“ UT1 = 23-26-06

Ras Alhague tW = 66° 00’ 00“ Grt = 334° 52’ 30“ UT1 = 00-55-30

Atair tW = 69° 00’ 00“ Grt = 11° 50’ 58“ UT1 = 03-22-58

Enif tW = 68° 30’ 00“ Grt = 39° 29’ 42“ UT1 = 05-13-16

Da das Boot selbst seiner Koppelkursgeschwindigkeit von 8 kn folgen soll, ist diese Bewegung für die

Berechnung der Großkreisschnittpunkte und der jeweiligen Gestirnspositionen mit einzubeziehen.

Das Ergebnis dieser Berechnungen entsprechend den Koppelorten und der jeweiligen Uhrzeiten zeigt

die folgende Übersicht.

Ab 21-58-38 (UT1) wird der Stern Gemma angesteuert. Großkreiskurs 259,5°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 33,6’ N; λ = 5° 11,9’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 51° 40’ 12“

hr = 44° 33’ 31“

Az = N 100° 29’ 45“ W rwAz = 259,5°

139

Ab 23-26-06 (UT1) wird der Stern Unuk Elhaia angesteuert. Großkreiskurs 259,5°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 31,6’ N; λ = 5° 29,5’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 70° 57’ 36“

hr = 17° 12’ 11“

Az = N 100° 28’ 52“ W rwAz = 259,5°

Ab 00-55-30 (UT1) wird der Stern Ras Alhague angesteuert. Großkreiskurs 259,3°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 29,4’ N; λ = 5° 47,6’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 65° 24’ 30“

hr = 25° 25’ 11“

Az = N 100° 41’ 16“ W rwAz = 259,3°

Ab 03-22-58 (UT1) wird der Stern Atair angesteuert. Großkreiskurs 258,8°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 25,4’ N; λ = 6° 17,1’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 67° 55’ 00“

hr = 21° 00’ 49“

Az = N 101° 14’ 29“ W rwAz = 258,8°

Ab 05-13-16 (UT1) wird der Stern Enif angesteuert. Großkreiskurs 258,6°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 22,4’ N; λ = 6° 39,1’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 66° 51’ 00“

hr = 22° 27’ 56“

Az = N 101° 23’ 27“ W rwAz = 258,6°

So bestätigen die aufgezeigten Berechnungsmethoden die Richtigkeit der polynesischen

Sternennavigation. Wir müssen feststellen, dass ein immenser Rechenaufwand erforderlich ist, bis die

Gestirnsbahnen für den Großkreis des Bootes „zugeschnitten“ sind. Und doch mag der Leser erleichtert

sein. Für die Praxis ist es nicht nötig, diese Rechnungen nun jedes Mal genauso nachvollziehen zu

müssen. Für einen einmal ausgewählten und berechneten Großkreis wird die Sternenreihe der

140

Leitsterne, die anzusteuern sind immer gleich bleiben. Die Zeitpunkte werden sich jedoch

entsprechend des gewählten Datums im Jahr verschieben. Dennoch bleiben aufgrund der geringen

Änderung der Deklinationswerte die Leitsterne für feste Tage über Jahre fast immer die gleichen. Hier

ist es sinnvoll, die Startzeit auf immer den gleichen Zeitraum eines Jahres zu legen. Für eine Überfahrt

über den Atlantik ist ja nicht nur die navigatorische Sichtbarkeit der Gestirne wichtig ist, sondern

ebenfalls die jahreszeitliche Wetterperiode. Selbstverständlich muss die Wetterroutung und die

Berücksichtigung der globalen Wetterentwicklung sowie die Entwicklung vor Ort mit in die nautische

Vorbereitung einer solchen Fahrt mit einfließen (siehe Abschnitt

„Seenavigationsorientierungsräume“).

Soll ein Fahren auf dem Großkreis ohne Uhr und Kompass erfolgen, so ist es letztendlich nur wichtig

zu wissen, wie sich die Lage der Positionen der Gestirne zueinander und in bezug auf den Großkreis

bei einer Höhe von ca. 10° bis ca. 40° gestaltet.

Wie genau diese Art der Navigation sein kann, sei abschließend mit der zeichnerischen Darstellung des

Seeraumes bezeugt.

141

Die Methode der Orientierung nach Gestirnsazimuten ist im eigentliche Sinne das gleiche Verfahren,

nach dem auch Vögel und verschiedene Insekten navigieren. Schon längst ist bekannt, dass Vögel,

um lange Distanzen während der Nacht zu bewältigen, nach den Gestirnen fliegen. Sie haben nach

ihrer Art die verschiedenen Stellungen der hellen markanten Gestirnsbilder in ihrer Erinnerung.

Bekannt ist auch, dass die Leuchtfeuer an der Küste den Vögeln den falschen Weg zeigen, da diese

für ein tief liegendes Gestirn gehalten werden. Die Vögel können die Leuchtfeuer nicht in ihren

Orientierungssystem nach den Gestirnen einordnen und verhalten sich völlig orientierungslos.

Somit ist die Orientierung nach Gestirnazimuten „an der sich drehenden Himmelskugel“ entlang

ein ganz natürliches Prinzip der Tierwelt.

Um das Prinzip der ganzheitlichen astronomischen Navigation zu verstehen, sind die Bedeutungen

Azimutgleiche und Höhengleiche (Distanzgleiche) die wichtige Aspekte. Aus der Integration der Zeit

erfolgt hieraus dann die Zeitgleiche.

Als Standlinie (LOP) ist der geometrische Ort aller Punkte zu verstehen, von denen ein Wellen

ausstrahlender Fixpunkt (Gestirn – Licht; Funksender, Funkmesssender – elektromagnetische Wellen)

in einer gleichen Peilung oder Entfernung beobachtet wird.

Der geometrische Ort wird dabei auf das geographische Koordinatensystem S bezogen. Dieser Bezug

erfolgt durch bei Gestirnen durch vorherige Berechnung der Gestirnsbildpunkte bezüglich des

geographischen Koordinatensystems und ist im jeweiligen Nautischen Jahrbuch veröffentlicht. Bei

Funksendern ist die geostationäre Position der geographischen Koordinaten in der Seekarte bzw. im

Nautischen Funkdienst angegeben.

Wird von mehreren Systemen S’ (Schiffen) eine Welle in der gleichen Großkreisdistanz geortet, so

befinden sich alle auf einem sphärischen Kleinkreis, dessen Abstand zum Zentrum des geographischen

Bildpunktes oder Senders gleich ist und als Höhengleiche (Hgl.) (Gestirne, Satelliten) oder

Distanzgleiche (Dgl.) bezeichnet wird.

Wird von mehreren Systemen S’ (Schiffen) eine Welle in der gleichen Großkreispeilung geortet, so

befinden sich alle auf einer doppelt gekrümmten Linie, die äquatorwärts vom Großkreis liegt und als

Azimutgleiche (Azgl.) bezeichnet wird.

142

DISTANZ- ODER HÖHENGLEICHE

Die Messung von Gestirnshöhen ist vergleichbar mit einer Distanzbestimmung zu den entsprechenden

Gestirnsbildpunkten bezogen auf das Kugelinertial des geographischen Koordinatensystems der Erde.

Die das Navigationssystem S’ umgebene Horizontebene ist dabei die wichtigste Größe. Bezüglich der

Entfernungsmessung von Gestirnsbildpunkten soll ein Beispiel untersucht werden, dass die Struktur

zwischen Horizont und Kugelinertial verdeutlicht.

Befindet sich ein Gestirn im Zenit des Beobachtungsortes, so ist seine Höhe 90°, die Zenitdistanz

beträgt 0° oder 0 sm. Befindet sich ein Gestirn im seinem wahren Auf- oder Untergang, so beträgt seine

Höhe 0°, der Zenitabstand jedoch beträgt 90°, das sind 5400 sm.

Unter Anwendung der sphärischen mathematischen Beziehung

AB

AB

r tantansincos

hsincos

=

20°N 21°N 22°N 23°N 24°N 25°N 26°N 27°N 28°N 29°N 30°N

40° N 23°

61°09,8’

41° N

42° N

43° N

44° N

45° N

46° N

47° N

48° N

143

Stern-

distanz

α

hr

0° 15° 30° 45° 60° 75° 90°

Δφ Δλ Δφ Δλ Δφ Δφ Δλ Δφ Δλ Δλ Δφ Δλ Δφ Δλ

5400

sm

0° 90° 00° 45° 90°

4500

sm

15° 75° 00°

3600

sm

30° 60° 00°

2700

sm

45° 45° 00°

1800

sm

60° 30° 00°

900

sm

75° 15° 00°

0 sm 90° 0° 00°

144

AZIMUTGLEICHE

Az = N 130° E

20°N 21°N 22°N 23°N 24°N 25°N 26°N 27°N 28°N 29°N 30°N

40° N 23°

61°09,8’

41° N

42° N

43° N

44° N

45° N

46° N

47° N

48° N

nautisch astronomisches Messprinzip

Das Prinzip der astronomischen Standort- bzw. Standlinienbestimmung beruht auf das Einmessen der

Gestirnsbildpunkte des betreffenden Gestirns auf dem Kugelinertial Erde. Hier liegen die folgenden

Gesetzmäßigkeiten zugrunde:

1. Für den Beobachter, der einen Stern genau im Zenit beobachtet, bedeutet es sich auf der

Position des Gestirnsortes zu befinden. Die Höhe zum Gestirn beträgt 90°, die Zenitdistanz

beträgt 0,0 sm.

2. Für den Beobachter, der einen Stern in seinem Aufgang oder Untergang beobachtet, bedeutet

es, sich auf einer geographischen Position zu befinden, bei die Höhe 0° und die Zenitdistanz

5400 sm beträgt.

145

3. Befindet sich der Beobachter auf gleicher Länge des Gestirnsbildpunktes, so beträgt das

Azimut zum Gestirn 180° (Süd) oder 360° (Nord). Der Breitenunterschied (Δφ) zum

Gestirnsbildpunkt beträgt 90°, wenn die Höhe 00° beträgt. Der beträgt Längenunterschied (Δλ)

0°.

4. Befindet sich ein Beobachter auf gleicher Breite eines Gestirnsbildpunktes und beobachtet er

einen Stern mit einer Höhe von 00°, so beträgt das Azimut zum Gestirn 270° (West) – der

Untergang des Gestirns wird beobachtet– oder 090° (Ost) – der Aufgang des Gestirns wird

beobachtet–. Der Breitenunterschied (Δφ) zum Gestirnsbildpunkt beträgt 0°, während er

Längenunterschied 90° beträgt. Die Sterndistanz in Seemeilen entspricht der Abweitung =

a sec Stern t.

Es sei nun angenommen: Am 16. 04. 1999 um 01-28-00 UT1 wird der Stern Mizar des Sternbildes

Großer Bär von zwei Schiffen beobachtet.

Schiff A stellt eine Höhe von 85° 00,0’ fest, während Schiff B eine Höhe von 65° 00,0’ misst. Beide

Schiffe errechnen ein rechtweisendes Azimut von 180,0° zum Stern Mizar.

Die Position des Sterns entsprechend dem Nautischen Jahrbuch 1999 lautet:

GrtΥ = 225° 52’ 24“ für 01-28-00 δ = 54° 55,8’ N

β = 159° 01’ 42“

OSW = 024° 54’ 06“ das entspricht λ = 024° 54,1’ W

Die geographische Bildpunkposition des Gestirns lautet somit:

φ = 54° 55,8’ N und λ = 024° 54,1’ W

Für beide Schiffe bedeutet es, die Kulmination des Gestirnes zu beobachten.

Mit der astronomischen Beziehung (90° – φ) = h – δ) (φ und δ ist gleichnamig) errechnen sich

geographischen Breiten der beiden Schiffsorte. Da das Gestirn während der Kulmination beobachtet

wird, ist die geographische Länge der Schiffsorte gleich der geographischen Länge des

Gestirnsbildpunktes des Gestirns.

Die beiden Schiffspositionen lauten demnach:

Schiff A Schiff B

(90° – φ) = h – δ) (90° – φ) = h – δ)

(90° – φ) = 85° 00,0’ – 54° 55,8’ (90° – φ) = 65° 00,0’ – 54° 55,8’

(90° – φ) = 30° 04,2’ (90° – φ) = 10° 04,2’

146

φ = 59° 55,8’ N φ = 79° 55,8’ N

λ = 024° 54,1’W λ = 024° 54,1’W

Wird der gemessene Höhenwinkel für eingesetzt, so sei der Versuch gemacht , mit Hilfe der

trigonometrischen Beziehung h = tan e die Höhe des Sternes Mirak über seinem Bildpunkt zu

bestimmen.

Die Entfernungen zwischen Gestirnsbildpunkt und Schiffsort ist gegeben durch die Beziehung

dsm = (90° - hr) x 60’

Für das Schiff A beträgt die Distanz zum Gestirnsort bei hr = 85° d = 300 sm.

Für das Schiff B beträgt die Distanz zum Gestirnsort bei hr = 85° d = 1500 sm.

Schiff A Schiff B

h = tan 85° x 300 sm

h = 3429,0156 sm

oder

h = tan 85° 00’ 00“ x 5° 00’ 00“

h = 57° 09’00“

h = 57° 09’00“ x 60’

h = 3429,0155 sm

Somit würde Mizar also 3429,02 sm hoch bzw. 3216,77 sm über seinem Zenitbildpunkt stehen, wenn

wir die Verbindung Gestirnsbildpunkt – Stern theoretisch betrachten.

Rein rechnerisch müsste somit der Stern Mizar in einer Höhe über der Erdoberfläche von ca. 3500 sm,

das sind 6482 km zu finden sein. Dieses wäre physikalisch unmöglich. Die Erde würde auf dieser kurzen

Distanz verbrennen. Die wirkliche Entfernung des Sternes Gemma von der Erde beträgt immerhin 89

Lichtjahre.

Auch ist ein Unterschied in der Berechnung der Höhe von 212,25 sm, das sind 393,09 km erkennbar.

Dieser Höhenunterschied liegt an der Erdkrümmung, wodurch der Fußpunkt der Stecke Erdoberfläche

- Gestirn genau um diesen Höhenunterschied höher liegen muss, wenn wir die Rechnung auf das

senkrecht auf dem Meridian stehende ebene Dreieck ABC beziehen. Setzt man den Höhenwert für

Schiff A für die Errechnung der ebenen Entfernung von Schiff B ein, wobei die Erdoberfläche als Ebene

definiert sei, erhalten wir eine Entfernung von

e = h cot

147

e = 3429,02 sm cot 65°

e = 1598,98 sm.

Eine Entfernung somit, die um 98.98 sm länger ist, als der Großkreisbogen auf dem Meridian von 1500

sm. Der Leser mag die kleine rechnerischen Spielerei mit Nachsicht betrachten, aber deutlich wird

erkennbar, dass die Methodik der terrestrischen Entfernungsbestimmung mit Objekten, dessen Höhe

bekannt ist, sich vollkommen anders darstellt, als dass der astronomischen Höhenauswertung von

Gestirnsorten zur Gewinnung der Höhengleiche.

Somit würde GEMMA also 3437,66 sm hoch über seinem Zenitbildpunkt stehen, wenn wir die

Verbindung Gestirnsbildpunkt – Stern theoretisch betrachten.

Eine zweite Berechnung zur Probe soll nun das erste Ergebnis bestätigen.

Wir verdoppeln einfach die Distanz vom Gestirnsbildpunkt GEMMA zur Schiffsposition und nehmen

an, sie beträgt jetzt 2 x 29,8 sm = 59,6 sm. Unter Einsetzung dieser Distanz vom Gestirnsort weg und

des deshalb westlichen rechtweisenden Kurses (360° – α) von rwK = 275° 47’ 12“ (α = 84° 12’ 48”)

errechnen wir mit der Besteckrechnung die neue Schiffsposition.

= d cos

= 59,6 sum cos 84° 12’ 48”

= 00° 06,0’N

Unterschied der

Höhen zw. Schiff

A und Schiff B

Schiff A Schiff B

148

a = d sin

a = 59,6 sum sin 84° 12’ 48”

a = 000° 59,2’ W

Daraus folgt für die Mittelbreite

+=

2

Am

+=

2

'0,0600'9,4336m

φm = 36°46,9’N

Die Umwandlung a in Δλ ergibt:

= a sec m

= 000° 59,2’ sec 36°46,9’

= 001° 13’ 55”

Der neue Schiffsort hat somit die Koordinaten:

φStern = 36° 43,9’ N λStern = 000° 00,8’ E

Δφ = 00° 06,0’ N Δλ = 001° 13,9’ W

φSchiff = 36° 49,9’ N λSchiff = 001° 13,1’ W

149

Die Stern – Zenitdistanz beträgt 59,6 sm. Das bedeutet den Stern GEMMA von der neuen ermittelten

Schiffsposition mit einer berechneten Höhe (90° – 0° 59’ 36“) von 89° 00’ 24“ zu finden. Mittels den

astronomischen Höhen- und Azimutformeln rechnen wir das Ergebnis nach und bekommen:

hr = 89° 00’ 31“

Az = N 84° 34’ 50“ W

rwAz = 275° 25’ 10“ = 275,42°

Die ersichtlichen Abweichungen zwischen der orthodromen und der loxodromen Rechenmethode

betragen in der Höhe 7“ (~ 1 kbl) und im Kurswinkel 22’ (0,37°). Diese Unterschiede sind in erster Linie

Rundungsfehler aufgrund der verschiedenen angewandten mathematischen Beziehungen und können

leicht vernachlässigt werden.

Wird jetzt unter Einsetzung der astronomischen Höhe von 89° 00’ 24“ und der angenommenen Distanz

von 59,6 sm die theoretische Strecke vom Gestirnsbildpunkt bis zum Stern GEMMA berechnet, müsste

sich ein gleicher Wert von h = 3437,658 sm ergeben.

h = tan 89° 00’ 24“ x 59,6 sum

h = 3437,400 sm

Wir stellen lediglich eine Abweichung von 0,258 sm (15,5“) fest.

Rein rechnerisch müsste somit der Stern GEMMA in einer Entfernung von ca. 3437,5 sm, das sind

6366,25 km neben der Erdoberfläche stehen. Dieses wäre physikalisch unmöglich. Die Erde würde auf

dieser kurzen Distanz verbrennen. Die wirkliche Entfernung des Sternes Gemma von der Erde beträgt

immerhin 76 Lichtjahre

α CrB Gemma RA = 15° 32,6’ Dekln. 26° 53’ N

150

DAS SYSTEM DER KARTOGRAPHISCHEN ABBILDUNGSVERFAHREN

Als im Jahre 235 v.d.Z. der griechische Gelehrte Eratosthenes aus Kyrene (etwa 275 bis 195 v.d.Z.) die

Leitung der Bibliothek im ägyptischen Alexandria übernahm, waren dort hervorragende Schriften der

griechischen Wissenschaft gelagert. Neue Erkenntnisse ergaben eine neue Weltanschauung. Während

noch zu der Zeit des Herodot von Halikarnassos’ (griechischer Geschichtsschreiber und Weltreisender

um 450 v.d.Z.) die Gestalt der Erde als Scheibe angenommen wurde, waren die griechischen

Astronomen und Gelehrten um 200 v.d.Z. von der Kugelgestalt der Erde überzeugt. Lange brauchte

diese Überzeugung, um im alten Griechenland zu reifen. So wurde erstmals der Gedanke, der

Kugelgestalt der Erde schon ca. 100 Jahre vor Herodots Zeit durch den Philosophen, Mathematiker und

Astronomen Pythagoras von Samos angenommen. Dieser Philosoph gründete in Kroton (Crotone)

Mitte des 6 Jh. v.d.Z. einen Geheimbund, dessen Aufgabe darin bestand, wissenschaftliche und

philosophische Ansichten zu systematisieren und immer neue Erkenntnisse über das Weltbild zu

gewinnen. Wissenschaftliche Erfolge, wie z. B. die Entdeckung, dass die Tonhöhe der Musik von der

Länge der schwingenden Seite abhängig ist, prägten den Arbeitsstil dieses Bundes. Die vollkommenste

Fläche erkannte man im Kreis. Der vollkommenste Körper war demzufolge die Kugel und die Zahl Zehn

war die vollkommenste Zahl. Diese philosophische Grundlage war Ausgangspunkt für das Schaffen

einer erneuerten gesetzmäßigen Ordnung im Universum. Die Erde musste und mit ihr alle im Weltraum

vorhandenen Körper die Gestalt einer Kugel aufweisen. Die Bahnen der Planeten mussten Kreisbahnen

um ein Zentralfeuer sein. Diese von mystischen Erscheinungsformen durchdrungene Erklärung der

Welt, von der nicht umsonst nur Eingeweihte Kenntnis hatten, würde zum damaligen Zeitpunkt die

ganze griechische Welt ins Schwanken gebracht haben. Denn die griechische Götterwelt war eine

andere und mit dem heftigen Widerstand der Priester war wohl zu rechnen.

Der erste, wenn auch nur indirekte Beweis der Kugelgestalt der Erde vollzog sich in Auswertung

einfacher irdischer und astronomischer Beobachtungen im 4. Jh. v.d.Z. Es war Eudoxos von Knidos und

Platon, die gleichzeitig an der Akademie in Athen lehrten sowie Aristoteles, die sich intensiv mit diesen

Beweisen befassten.

Der Horizont bildet einen Gesichtskreis, der, je höher man steht, im Durchmesser zu nimmt.

Schiffe, die von Ferne auf einen zu laufen, fahren einen Berg herauf, denn man sieht zuerst die

Mastspitze und später erst den Schiffsrumpf.

Wenn bei einer partiellen Mondfinsternis der Erdschatten auf dem Mond sichtbar wird, stellt er

sich als Kreis dar.

Im Süden sieht man andere Sterne als im Norden.

Diese Beobachtungen ließen die Vermutung zu, dass die Erde eine Kugel ist. Nun musste der

Versuch unternommen werden, auch mathematisch die Kugelgestalt der Erde zu beweisen.

Dikaiarchos aus Messene / Sizilien (heute Messina) ein Schüler des Aristoteles, führte zuerst

151

geographische Vermessungen von Berghöhen durch. Er war es auch, der die damals bekannte

Mittelmeerwelt mit einem Gradnetz versah. Seiner im Jahre 285 v.d.Z. verfassten Erdbeschreibung gab

er eine Erdkarte bei, die sich durch das Vorhandensein einer Mittelachse und einer Längsachse

auszeichnete. Die Mittelachse begann an der Straße des Herakles (Gibralta) und endete am Imaos

(Himalaja), während die Längsachse sich von dem Ort Syene in Oberägypten (Assuan) bis zur Halbinsel

Gelibolu am Hellespont (Lysimacheia) zog. Obwohl diese Karte die Expeditionen und Eroberungen des

Alexanders des Großen darstellte, ist sie doch ein Beleg für den ersten Versuch der Konstruktion eines

Gradnetzes der Erde.

Das war nun das Weltbild, das Erastosthenes kannte, als er als Geograph, Mathematiker und

Astronom in Alexandria wirkte. Von der Erde kannte man erst 10% und von den Meeresteilen kannte

man nur den Mittelmeerraum mit seinen angrenzenden Gewässern. Und dennoch die Erde war als

Kugel charakterisiert und zum Beweise dessen musste eine Vermessung derselben auch durchführbar

erscheinen. So einfach uns heute auch die Vermessungsmethoden erscheinen mögen, die manchmal

erst auf Grund ungewollter Zufälle möglich wurden, so großartig zugleich muss man die Ergebnisse

betrachten, die erst zweitausend Jahre später auf ihre Richtigkeit hin überprüfbar wurden.

Und so wollte es der Zufall, dass sich in Syene ein Brunnen befand, der auf dem nördlichen

Wendekreis gebaut wurde. Zur Zeit der Sonnensommerwende (21. Juni) war im Brunnen das Abbild

der Sonne zu sehen, denn sie stand dann genau im Zenit über dem Brunnen. Wenn man nun genau

zeitgleich zu diesem astronomischen Ereignis in Alexandria den Höhenwinkel der Sonne misst, müsste

es gelingen, den Erdumfang zu errechnen. So musste Eratosthenes überlegt haben, als er eine

Halbkugel mit dem Stab in der Mitte in Alexandria aufstellte, um mit Hilfe der Schattenlänge den

Sonnenwinkel zu erhalten. Und tatsächlich bedeckte der Schatten zur Sonnenwende 1/50. tel des

Umfangs der Schale. Die Sonnenhöhe betrug somit 7,2° (360° : 7,2° = 50). Die Entfernung zwischen

Syene und Alexandria entsprach also einem 1/50 .tel des Erdumfangs. Legt man nun das ägyptische

Stadion mit 300 ägyptischen Ellen, gleich 157,5 m zu Grunde, errechnet sich der Erdumfang zu 39 375

km, da die damals amtliche Entfernung zwischen Syene und Alexandria mit 5000 Stadien angegeben

war. Dieses Ergebnis, auch wenn die geringe Abweichung zum heutigen Wert eher wohl zufällig war,

bestätigt dennoch die Erde als Kugel. Fehlerquellen, die Eratosthenes nicht wissen konnte, waren, dass

Syene und Alexandria nicht genau auf einem Längengrad liegen. Es besteht ein Längenunterschied von

3°01’ zwischen beiden Orten. Auch war der Nord-Südabstand etwas kleiner angesetzt, als wir ihn heute

kennen. Doch ist der errechnete Wert höchst erstaunlich, wenn wir ihn mit den heutigen Werten

vergleichen, nämlich für den Äquatorumfang 40 075,18 km und für den Erdumfang über die Erdpole

39 940,808 km (Werte nach dem internationalen Referenzellipsoid).

Auch wenn 100 Jahre nach dieser Messung, die Messwerte auf Grund der immer noch

unzureichenden oder nicht vorhandenen Instrumente nicht genauer, sondern eher schlechter wurden,

-z. B. hatte Poseidonius in Nordafrika und in Kleinasien an Hand von Gestirnsmessungen einen Umfang

von nur 32 000 km errechnet-, war doch die Kugelgestalt der Erde nicht mehr in Frage zu stellen. Leider

hat der alexandrinische Geograph Klaudios Ptolemaios (lat. Claudius Ptolemaes) in seinen Schriften,

die noch bis ins 16 Jh. in Europa ihre Unfehlbarkeit behielten, den Erdumfang des Poseidonios benutzt,

und diesen damit viel zu klein angegeben. Dieser Fehleinschätzung verdanken wir es letztendlich, dass

Kolumbus seine Reise nach Indien in westlicher Richtung antrat und Amerika wieder entdeckte.

152

Um die Erdoberfläche für die u. a. navigatorische Nutzung darzustellen, macht es sich erforderlich, mit

den Grundlagen der Kartographie vertraut zu sein. Der Globus (lat. Kugel) und die Karte geben die

Lage-, Flächen- und Raumverhältnisse der Erdoberfläche verkleinert, verallgemeinert und erläutert

wieder, und zwar so, dass die geographischen Tatsachen ablesbar und messbar werden.

Das Maß der Verkleinerung wird durch den Maßstab angegeben. So lassen sich verschiedene

Maßstäbe wählen, z. B. für eine Weltkarte 1 : 1 000 000, das entspricht 1 cm auf der Karte : 10 km in

der Natur bzw. 1 km in der Natur : 1 mm in der Karte. Der Kartenmaßstab gibt somit das Verhältnis an,

in dem die Längen auf der Karte zu denen in der Natur stehen. Die Meridiane und Breitenparallele

bilden das Kartennetz. Dieses Netz ist das auf eine Ebene übertragene (projekzierte) Globusnetz. Die

Netzübertragung bezeichnet man daher als Projektion. Es gibt keine Projektion ohne Verzerrung des

Globusnetzes Die Karte kann daher niemals dem Globusnetz ähnlich werden. Sie entweder winkeltreu

oder flächentreu, sie ist niemals längentreu, sondern höchstens mittelabstandstreu, d. h. längentreu

auf den durch den Mittelpunkt der Karte laufenden Großkreisen.. Entsprechend den verschiedenen

Bedürfnissen werden zahlreiche Projektionen unterschieden.

KARTENPROJEKTION

Kegelentwürfe Zylinderentwürfe

orthographische

Projektion

stereographische

Projektion

gnonomische

Projektion

abstandtreuer

Zylinderentwurf

(Plattkarte)

flächentreuer

Zylinderentwurf mit

längentreuen Äquator

winkeltreuer

Zylinderentwurf

(Mecartorentwurf

)

153

Da für die Bedürfnisse der Navigation, hier mit dem Ziel

1. den Kurswinkel zwischen zwei Sterne in der Karte in der gleichen Größe wie auf der

Erdkugel erscheinen zu lassen;

2. die Richtungen zwischen zwei Sternen als Loxodrome in einer geraden Linie zeigen zu

können

und

3. die Distanzen zwischen zwei Positionen abgreifen zu können,

die winkeltreue Mecartorprojektion am besten geeignet ist, soll diese eingehender erläutert werden.

Mit dieser Karte hat man einen Sternenkompass in der Hand, dessen Gebrauch an späterer Stelle erläutert werden soll.

Bevor jedoch so eine Karte konstruiert werden kann, sollen noch einige Grundbegriffe der Navigation eingeführt werden.

Loxodrome und Orthodrome

Als Loxodrome bezeichnet man eine Linie, die alle Meridiane unter gleichem Winkel schneidet. Auf der

Loxodrome bewegt sich ein Schiff, wenn ein konstanter Kurs gehalten wird. Somit sind Loxodromen

sphärische Kurven, deren Tangenten mit der Nord-Südrichtung in jedem ihrer Punkte einen konstanten

Winkel einschließen. Ein auf loxodromischen Kurs fahrendes Schiff würde den Nord- oder Südpol auf

einer Spiralkurve umlaufend erreichen. Dieser Kurvenbogen ist kein Großkreis, denn ein Großkreis

schneidet die Meridiane nicht unter einem konstanten Winkel. Der Großkreis ist die kürzeste

Verbindung zwischen zwei Orten auf der als Kugel angenommenen Erde (siehe vorherigen Abschnitt).

Die sphärische Richtung zwischen diesen beiden Orten bezeichnet man als Orthodrome. Sie schneidet

auf einer winkeltreuen Karte (Mercartorprojektion) die Meridiane unter einem sich ständig ändernden

Winkel. Konstruiert man ein Abbild der Erde als stereographische Normalprojektion, bei der die

Meridiane als Geradenbüschel von einem Pol ausgehen, so stellt das Bild der loxodromen Verbindung

zweier Punkte eine logarithmische Spirale dar. Wegen der Winkeltreue ist das Bild der Loxodromen

eine Kurve, die die Geraden des Büschels unter einem festen Winkel schneidet. Dies leistet nur eine

logarithmische Spirale. Wenn eine Karte nun so verzerrt wird, daß die Meridiane parallel in einem

gleichen Abstand zu einander stehen, während die Abstände der Breitenparallele ständig wachsen, um

die Abweitung auszugleichen, wird sich die Loxodrome als Gerade darstellen, die die Meridiane unter

gleichen Winkel schneidet. Das logarithmische Verhalten der Loxodrome bleibt davon natürlich

unberührt.

154

Grundlagen der Mercartorprojektion

Um den Mercartorentwurf (nach Gerhard Kramer, genannt Mecartor, Kartograph, 1512 bis 1594)

konturieren zu können, muss man sich mit den Kontruktionsgesetzen den Zylinderentwurf kennen, aus

dem die Mercartorprojektion hervorgeht. Es ist die schon im Mittelalter verwandte Plattkarte

(Zylinderentwurf mit längentreuen Äquator).

Ummantelt man den Erdglobus mit einem Zylinder, so dass dieser senkrecht um den Globus

zur Äquatorebene steht, wobei er der Äquatorebene berührt und die Erdachse gleichzeitig die

Mittelachse dieses Zylinders darstellt, kann man die Punkte (P) der Erdoberfläche so abbilden, dass der

sphärische Abstand eines Punktes auf der Erde vom Äquator gleich dem Abstand des Bildpunktes vom

Äquator auf der Innenseite des Zylinders ist. Schneidet man nun den Zylinder längs seiner Mantellinie

auf und wickelt ihn zu einer Fläche ab, so erhält man eine Karte, die eine Breite vom Betrage des

Äquatorumfangs 2 r (r ist der Erdradius) und eine Höhe von vom Betrage des halben Äquatorumfangs

r hat. Das Kartennetz besteht aus lauter quadratischen Netzmaschen. Es besteht Längentreue, da

diese Karte in der Nord-Südrichtung keine Verzerrung aufweist (Verzerrung Nord-Süd = NS = 1). Da

nun jeder Breitenparallel dieselbe Länge wie der Äquator besitzt, jedoch aus der Abbildung der

Breitenparallele auf der Kugel bekannt ist, dass Radien der einzelnen Breitenparallelen mit

zunehmender Breite um den Kosinus der Breite abnehmen, muss eine Ost-West Verzerrung dagegen

gesetzt werden.. Man erhält die Ost-West Verzerrung, in dem man die Länge eines Breitenparallels in

der Karte 2 r durch die Länge des Breitenparallels auf der Erdoberfläche dividiert. Diese Länge ergibt

sich aus dem Äquatorumfang, multipliziert mit dem Kosinus der Breite, U = 2 r cos , somit lautet die

Beziehung für die Ost-West Verzerrung:

Verzerrung Ost-West = EW = (2 r) : (2 r cos )

EW = 1 : cos (20)

Diese Karte kann nicht winkeltreu sein, da die Verzerrung NS eine andere ist, wie die Verzerrung EW,

Lediglich für den Äquator ist Winkeltreue gegeben, da für = 00° die Verzerrung 1 : cos gilt. Distanzen

in der Nord-Südrichtung nimmt man deshalb immer am Äquator ab, während Distanzen in Ost-

Westrichtung auf den verschiedeneren Breiten (außer 00°) einen anderen Maßstab erfordern, und

zwar müssen wegen der Abweitung für x Seemeilen x sec Äquatorminuten entnommen werden. Für

beliebige Kurse gelten somit unterschiedliche Maßstäbe. Die Loxodrome ist somit in der Plattkarte

keine gerade Linie, zudem wächst die Verzerrung Ost-West mit zunehmender Breite. In hohen Breiten

ist stellt sich ein rundes Gebiet in der Ost-West Ausdehnung oval dar, denn nur die Breitenausdehnung

stimmt mit der Realität auf der Erdkugel überein. Somit ist eine Flächentreue auch nicht gegeben.

Um von der Plattkarte zur Mercartorkarte zu kommen, bildet man die Meridiane zuerst nach den

Abbildungsgesetzen der Plattkarte ab.

155

Für den erdachsigen Entwurf gilt:

x Abstand des Meridians der Länge vom

Greenwicher Meridian

x = r x y Abstand des Breitenparallels der vom Äquator

y = r x und sind im Bogenmaß anzugeben

Um das Gradmaß in Bogenmaß umzurechnen, gilt:

Das Bogenmaß eines Winkels ist die Maßzahl der Länge des zum Winkel gehörenden Bogens auf

einem Kreis mit Radius r =1 oder das Verhältnis der Bogenlänge zur Länge des Kreisradius. Wird dieses

Maß mit arc (lat. arcus, Bogen) bezeichnet, so gilt:

arc 360° = 2 , arc ° = 2 ° = ° = ‘ = . (21)

360° 180° 180° x 60’ 180° x 3600“

Im Vermessungswesen ist es wichtig, den Winkel zu kennen, dessen Bogenmaß 1 ist:

arc = 1 = x ° und danach

180°

° = 180 = 57° 17’ 44,8“ oder

= 180° x 3600“ = 206264,81“ = 57° 17’ 44,8“

arc 1’ = 0,000290888

Hat man nun die Meridiane nach den Abbildungsgesetzen der Plattkarte konturiert, gilt es die

mathematische Beziehung für die Verzerrung Ost-West zu finden, so dass ein ausgewählter Kurs (die

156

Loxodrome) alle Meridiane unter einem gleichen Winkel schneiden kann. Das heißt, soll winkeltreue

erreicht werden, muss die Verzerrung in einem Gebiet zu zwei senkrecht zueinander stehenden

Richtungen gleich sein. Die Verzerrung Ost-West ist 1 : cos . Die mathematische Beziehung für die

Verzerrung Nord-Süd muss nun so lauten, dass sie ebenfalls 1 : cos entspricht. Folglich muss man

eine Integrationskonstante

y = r x f () finden, die dieser Bedingung gerecht wird.

Die Funktion f () lautet:

f () = In tan ( /4 + /2 )

Da sich diese Integrationskontante dadurch bestimmt, dass für = 0 auch y = r x f () gleich 0 sein

muss, drückt man r in diesen Einheiten aus. Nur dadurch kann der Äquator auf der x-Achse abgebildet

werden.

Folglich gilt:

y = r In tan ( /4 + /2 )

oder

y = r lg tan ( /4 + /2 ).

0,4342954

Um y in Seemeilen des Äquatormaßstabes zu erhalten, drückt man R in diesen Einheiten aus.

1 Äquatorseemeile = r x arc 1’

oder

157

r = 1 = 3437,7468 Seemeilen des Äquatormaßstabes

arc 1’

So wird

y = 3437,7468 x lg tan ( /4 + /2 ).

0,4342945

y = 7915,7045 x lg tan ( /4 + /2 ).

oder

= 7915,7045 x lg tan (45° + /2 ). (22)

Nach der letzten mathematischen Beziehung werden die Meridionalanteile oder bzw. wird die

vergrößerte Breite () berechnet (siehe Tafel 1)

Die in Tafel 1 angebenden Werte bedeuten den Abstand vom Äquator, in dem ein Breitenparallel in

die Mecartorkarte eingezeichnet werden muss, und zwar in Äquatorminuten. Im Vergleich mit der

Plattkarte wachsen die Breitenparallele zu den Polen ständig an. Die Pole selbst können in der

Mecartorkarte so nicht dargestellt werden, da die Bezugsbreite der Äquator ist und der sec für 90°

unendlich ist. Die Karte ist deshalb nicht flächentreu. Für die Bedingung, dass die Positionen der

Fixsterne in dieser Karte dargestellt werden sollen, und da in der sphärischen Astronomie die Sterne

sowieso als Punkte am Himmel angenommen werden, ist somit diese Kartenprojektion u.a. eine gute

Grundlage um Sternenwege und Schifffahrtswege im groben Überblick darzustellen. Sie ist

winkeltreu und die Loxodrome (Kurse und Peilungen / Azimute) bildet sich als Gerade ab. Distanzen

müssen entsprechend der Breite am linken oder rechten Kartenrand abgenommen und aneinander

angekoppelt werden. Auch kann diese Karte für Ausschnitte kleinerer Weltgegenden dienen, wobei

dann eine Bezugsbreite festzulegen ist.

Umso eine Karte zu zeichnen, muss man zuerst den Kartenmaßstab, die Karteneinheit und

die Ausdehnung der Karte berechnen. Danach berechnet man die Abstände der Meridiane von einem

Randmeridian und die Abstände der Breitenparallele von einem Randparallalel. Weiter werden zur

Kontrolle die Abstände eines Ortes vom Randmeridian und vom Randbreitenparallel berechnet. Man

erhält die Abstände der Breitenparallele auf der Mecartorkarte (unechter Zylinderentwurf), indem

man jeden Breitengrad mit der Sekante der geographischen Breite ( 1: cos = Sekans ) multipliziert

und die gewonnenen Strecken addiert, bis man die gewünschte Breite erreicht hat. Um die

Genauigkeit zu erhöhen, verwendet man statt Breitengrade die Breitenminuten. bzw.

Breitensekunden.

158

Die Berechnung und Konstruktion soll nun an einem Beispiel erläutert werden.

Für das Gebiet zwischen 1 = 80° N, 2 = 80° S und 1 = 180° E, 2 = 180° W soll der Netzentwurf einer

Seekarte (in Mercartorprojektion) gezeichnet werden. Die Bezugsbreite (hier Äquator) soll 250 mm

lang sein, wobei in der Mitte der Nullmeridian liegt. Die Karte soll einen Maßstab von

1 : 100 000 000 haben. Meridiane und Breitenparallele sind in Abständen von zu je 30°

einzuzeichnen. In den Netzentwurf sind die Positionen von Hawaii als Ort A 1 = 19° 30,0’ N; 1 =

155° 30,0’ W und die Position von Rapa Nui als Ort B 2 = 27° 00,0’ S; 2 = 109° 18,0’ W

einzuzeichnen.

Lösung: Auf Grundlage des modifizierten internationalen Referenzellipsoids nach HAYFORD (ED 50)

und mit den entsprechenden Meridionalanteilen werden zuerst die folgenden Berechnungen

durchgeführt, dabei lauten die Ausgangswerte für das HAYFORDsche Rotationsellelipsoid (bekannt

unter ED-50), wie folgt:

a = 6378388, 000 m große Halbachse der Erde

b = 6356911, 946 m kleine Halbachse der Erde

a − b = 1 . Abplattung

b 297,00

Der Kartenmaßstabes (M)drückt das Verhältnis der Länge einer Linie in der Natur (LN) zur Linie in der

Karte (LK) aus. Es gilt die Beziehung

M = 1: (LN : LK) (23)

Der Ausdruck (LN : LK) = wird als Maßstabzahl bezeichnet. Damit gilt

LN = LK

Da in dem ausgesuchten Beispiel der Maßstab 1 : 200 000 000 beträgt, ist = 200 000 000

159

Zuerst muß man wissen, wie groß die Entfernung zweier Punkte in der Natur ist, wenn die Strecke

zwischen diesen zwei Punkten in der Karte 10 mm beträgt.

LN = 200 000 000 x 10 mm

LN = 209 mm

LN = 2000 km = 1079, 9 sm

Auch sollte man wissen, wie groß die Kartenlänge einer Strecke ist, wenn die Naturlänge 1000 sm

beträgt.

LK = LN :

LK = (1000 sm x 1852000 mm) : 200 000 000

LK = 9, 26 mm

Der Hauptmaßstab für das zu berechnende Kartennetz wird entweder auf den Äquator oder auf

einen bestimmten Breitenparallel bezogen. Im Rechnungsbeispiel ist die Maßstabzahl für den

Äquator, so ergibt sich die zugeordnete Karteneinheit K.

K = (a x arc 1’) :

(24)

K = (6378388 m x 0,000290888) : 200 000 000

K = 0, 00000928 m

K = 0, 00928 mm

Die Karteneinheit ist damit die Strecke, die einer Bogenminute entspricht. Sie gilt für Netzentwürfe,

die große Gebiete und den Äquator erfassen.. Bezieht man den Kartenmaßstab statt auf den

Äquator, auf einen anderen Breitenparallel und die Maßstabzahl eben auf diese Breite

(Bezugsparallel), so ergibt sich die zugeordnete Karteneinheit K1 entsprechend der Beziehung

160

K1 = (N cos 1 arc 1’) : 1, (26)

wobei N der Querkrümmungshalbmesser ist. Für die große Halbachse a des Erdellipsoids in Formel

(26) ist hier der Radius r = N cos 1 des Bezugsparallels mit dem Erdellipsoid gleichzusetzen

Die Längenausdehnung der Karte ergibt sich nach der Beziehung

x = K x (27)

x = 0, 00928 mm x 21600’ (aus l = 2 x 180° in nautische Minuten)

x = 200, 38 mm

die Breitenausdehnung nach der Beziehung

y = K x (28)

y = 0, 00928 mm x 16750’ (aus b = 2 x 80° in Meridionalteile)

y = 155, 39 mm

Dabei ist der Längenunterschied zwischen den Randmeridianen der zu konstruierenden Karte

(180° E bis 180° W) und der Unterschied zwischen den Meridionalteilen der Rand-Breitenparallele

(80° N bis 80° S).

Die Abstände x der einzubeziehenden Meridiane von einem Randmeridian ergeben sich dann nach

der Beziehung

x = K x mit ln in nautische Minuten. (29)

Die Abstände y der einzuzeichnenden Breitenparallele vom benachbarten Breitenparallel ergeben

sich aus der Beziehung

161

y = K x mit n in Meridionalanteile. (30)

Dabei befindet sich der Koordinatenursprung auf = 00°, = 000°, so daß die errechneten

Differenzwerte nach beiden Seiten auf der x Achse und auf der y Achse abtragen werden.

° ‘ x

000° 000’ 0, 00 mm 00° N/S 0, 0’ 0, 0 mm

030° 1800’ 16, 70 mm 10° N/S 603, 1’ 5, 60 mm

060° 3600’ 33, 41 mm 20° N/S 1225, 1’ 11, 37 mm

090° 5400’ 50, 11 mm 30° N/S 1888, 4’ 17, 52 mm

120° 7200’ 66, 82 mm 40° N/S 2622, 7’ 24, 34 mm

150° 9000’ 83, 52 mm 50° N/S 3474, 5’ 32, 24 mm

180° 10800’ 100, 22 mm 60° N/S 4527, 4’ 42, 01 mm

65° N/S 5178, 8’ 48, 06 mm

70° N/S 5965, 9’ 55, 36 mm

75° N/S 6970, 3’ 64, 68 mm

80° N/S 8375, 0’ 77, 72 mm

Die Eintragung eines Objektes mit den Koordinaten 1 und 1 in das Kartennetz erfolgt mit den Werten

x1 = K1 x 1 (31)

y1 = K1 x 1 , (32)

wobei 1 und 1 Längenunterschied bzw. vergrößerter Breitenunterschied zu den Berandungen des

Kartennetzes sind. Zur Kontrolle kann zusätzlich der Abstand zu einem Eckpunkt des Kartennetzes

berechnet werden:

_________

162

e = x21 +y2

1 . (33)

163

GANZHEITLICHE NAVIGATIONSMETHODEN

Die polynesische Navigation

Der polynesische Sternennavigator hatte nun weder Kompass, noch Seekarte, noch Sextant zur

Verfügung. Statt dem nautischem Jahrbuch, indem der heutige Nautiker alle scheinbaren Gestirnsorte

am Firmament findet, hatte der polynesische Sternennavigator nur seinen Erfahrungsschatz, der von

Generation zu Generation weitergetragen wurde. Der heutige Navigator besitzt natürlich diesen

Erfahrungsschatz nicht mehr. Er muss mit Hilfe der Mathematik sich den augenblicklichen

Erkenntnisstand errechnen. Soll eine Navigation ohne nautische Geräte erfolgen, so kann dieses nur in

Anwendung des Nautischen Jahrbuchs erfolgen, denn das Bekanntsein der Gestirnspositionen am

nächtlichen Himmel ist Grundvoraussetzung für die Durchführung der Navigation ohne Hilfe nautischer

Geräte. Grundlage dieser Navigation ist das Fahren nach Sternenazimuten. Der Nautiker muss nun

wissen, welche Sterne er auf seiner Kurslinie von A nach B ansteuern muss. Da der moderne Nautiker

keinen Erfahrungsschatz in dieser Hinsicht besitzt, muss er sich vorher diese Sterne errechnen. Mit

Hilfe eines Beispiel soll die Vorgehensweise dabei erläutert werden. Die Uhr bzw. der Kompass soll

allein dazu dienen, die Richtigkeit dieser Vorausberechnungen zu prüfen. Einmal diese Methodik für

den Weg zwischen zwei Positionen erprobt, kann später auf die Anwendung von Uhr und Kompass

ganz verzichtet werden. Bei der polynesischen Art der Navigation wird der Umstand ausgenutzt, dass

zu verschiedenen Zeiten auf verschiedenen Positionen der Sternenhimmel anders erscheint, d. h. die

laufende Bewegung der Gestirne wird bewusst beachtet. Je mehr Sterne als Leitsterne betrachtet

werden, d. h. je mehr Rechenvorgänge zur Gewinnung der entsprechenden Sternenazimute

durchgeführt werden, desto genauer wird die Durchführung der Navigation selbst sein, da die

durchgeführten Rechnungen nur die Stillstände zwischen zwei oder mehreren Zeitspannen der

Sternbewegungen betrachten kann. Je mehr Stillstände berechnet werden, desto mehr erfolgt die

Annäherung an die tatsächliche Bewegung. Da keine Positionsbestimmung zur Kontrolle des

Schiffsweges erfolgt, ist die Methode in erster Linie für die hohe See geeignet. Die Küstennavigation

kann dadurch nicht ersetzt werden. Es wird aber hinreichend genau das Segeln auf den größtem Kreise

möglich sein, wie wir nachfolgend noch sehen werden.

Somit vollzieht sich die polynesische Sternennavigation, die ohne den Bezug Horizont auskommt, nur

mit Hilfe der Sternenazimute, der Gestirnsbildpunkte und den unterschiedlichen Richtungen und

Distanzen, die verschiedenen Sterne zueinander einnehmen. Der Umstand, dass Sterndistanzen

zueinander, wie auch die Deklinationswerte über lange Zeit unverändert sind, spielt dabei die

entscheidende Rolle, denn davon hängt die periodische Wiederkehr der Sternbilder über bestimmte

Orte bzw. Positionen der Erde ab. Es handelt sich sozusagen um eine Navigation an der drehenden

Himmelskugel entlang. Die polynesische Navigation wendet dabei folgende Verfahren an:

1.) Kursausrichtung nach dem für den Bestimmungsort geltenden Zenitstern, der über dem

Bestimmungsort von Ost nach West zieht.

2.) Kursausrichtung nach einem Leitstern, der die geplante Großkreisbahn schneidet bzw. auf dem

Großkreis auf- oder untergeht.

3.) Kursausrichtung nach dem Winkel, die ein Stern oder mehrere Sterne zum geplanten Großkreis

164

einnehmen, während sie kulminieren bzw. auf- oder untergehen.

4.) Kursänderung nach der Richtung, die zwei ausgewählte Sterne untereinander verbindet. Diese

Richtung ist die unveränderte Sterndistanz zweier Sterne, parallel zum Großkreis oder in einem Winkel

zum Großkreis, wobei ein dritter Stern über dem Großkreis zieht.

5.) Kursausrichtung nach Gestirnen, die erstmals über den Horizont kommen bzw. nicht mehr über den

Horizont kommen und letztmalig sichtbar sind.

Bei dieser Art der Navigation ist zu unterscheiden zwischen Zirkumpolarsternen und Sternen, die

täglich auf- und unter gehen. Auch ist die Kenntnis von Bedeutung, wie der Großkreis zu den

Breitenparallelen steht, d. h. wie die Schiffsrichtung zum Sternenweg am Himmel steht und in welchen

Teil der Himmelskugel sich der Standort des Beobachters befindet. So teilt der polynesische

Sternennavigator abhängig vom Beobachtungsort den Himmel in drei Teile, einen nördlichen, einen

mittleren und einen südlichen Teil. Diese Teilung ermöglicht die Zuordnung der Gestirne , wobei es

von Bedeutung ist, ob das Boot zum Beispiel in einem dieser Teile verbleibt oder von einem Teil zum

anderen wechselt. So bedeuten Nord – Südkurse, ein navigieren vorwiegend nach

Kulminationsgestirnen, Ost - Westkurse bedeuten dagegen von einem Stern begleitet zu werden.

Zwischenkurse bedeuten gleichzeitig nach Kulminationssternen und nach Begleitsternen navigieren zu

müssen, da das letzte genannte Verfahren auch vom Rechenaufwand das schwierigste und

komplizierteste Verfahren darstellt, soll es nun erläutert werden.

Wir wollen eine Atlantiküberquerung beginnen und stehen mit unserem Boot an 12. August 1995 um

21.00 Uhr (Weltzeit) im Ausgang des englischen Kanals. Die Fahrt soll mit Südwestkurs nach Puerto

Rico gehen.

Großkreisberechnung zwischen Abfahrts - und Bestimmungsort

Zuerst führen wir die Großkreisberechnung durch, die sich zwischen der Startposition (Abfahrtsort)

und der Endposition (Bestimmungsort) ergibt. Dadurch ermitteln wir die sphärische Distanz und den

Anfangs- und Endkurs nach Puerto Rico.

Startposition: φA = 49° 35' N; λA = 5° 00' W

Endposition: φB = 19° 00' N; λB = 65° 00' W

Anfangskurs: = N 100° 18’ 11“ W, rwK = 259,7°

Endkurs: = S 042° 25’ 35“ W, rwK = 222,4°

Distanz: = 3379,92 Seemeilen (aus 90° - h = dsm).

Diese Distanz ist gleichzeitig eine Höhe von 33° 40' 05", d. h. ein im Zenit stehender Stern über

Puerto Rico wird im Ausgang des englischen Kanals (Startposition) 33° 40' 05" Höhe über dem

Horizont besitzen. Ausgehend von diesen Ausgangswerten ergibt sich die folgende Übersicht über

den Verlauf des Großkreises

165

Position Koordinaten rwK Distanz Zeit auf Kurs

mit 8 kn

Tag Uhrzeit (UTC)

Position A φ = 49° 35,0’ N

λ = 5° 00,0’ W

259,7° 200,4 sm 25h 03 min 12.08.1995 21.00 Uhr

Zwischenpunkt 1 φ = 48° 52,6’ N

λ = 10° 00,0’ W

255,9° 423,0 sm 52h 52 min 13.08.1995 22.03 Uhr

Zwischenpunkt 2 φ = 46° 42,9’ N

λ = 20° 00,0’ W

248,5° 467,6 sm 58h 27 min 16.08.1995 02.55 Uhr

Zwischenpunkt 3 φ = 43° 24,2’ N

λ = 30° 00,0’ W

241,4° 532,8 sm 66 h 36 min 18.08.1995 13.22 Uhr

Zwischenpunkt 4 φ = 38° 41,9’ N

λ = 40° 00,0’ W

234,8° 620,7 sm 77h 35 min 21.08.1995 07.58 Uhr

Zwischenpunkt 5 φ = 32° 17,8’ N

λ = 50° 00,0’ W

229,0° 728,5 sm 91h 04 min 24.08.1995 13.33 Uhr

Zwischenpunkt 6 φ = 23° 56,1’ N

λ = 60° 00,0’ W

224,3° 406,9 sm 50h 52 min 28.08.1995 08.37 Uhr

Position B φ = 19° 00,0’ N

λ = 65° 00,0’ W

30.08.1995 11.29 Uhr

gesamt: 3379,9 sm 422h 29 min 17d 14h 29 min

Feststellen der Zenitsterne, die über den Bestimmungsort ziehen

Entsprechend der geographischen Breite des Bestimmungsortes werden die Gestirne gesucht, dessen

Deklination (δ) annähernd gleich der geographischen Breite des Bestimmungsortes ist. Der

gefundene Stern zieht dann von Ost nach West über den Bestimmungsort. Der Stern Arcturus, aus

dem Sternbild Bootes (Bärenhüter) erfüllt genau diese Bedingung. Er besitzt eine Deklination (δ)von

19° 13,2' N und zieht somit 13,2 sm nördlich an Puerto Rico vorbei. Sein Sternwinkel (t) beträgt 146°

09,9'. Wenn er über Puerto Rico kulminiert, wird er von der Startposition aus in einer Höhe von 33°

49' 50" und mit einem Azimut von 259,9° zu beobachten sein. Das entspricht genau dem Kurs, der

gesteuert werden muss. Gleichzeitig kann errechnet werden, dass der Stern Mirak, ebenfalls aus dem

166

Sternbild Bootes ebenfalls in Kursrichtung 10° unterhalb von Arcturus zu beobachten ist. Um den

Zeitpunkt zu finden, wann Arcturus über Puerto Rico kulminiert, müssen Kontrollsterne verwendet

werden, die über der eigenen Position beobachtet werden. Die Größe der Deklination dieser

Kontrollsterne wird durch die geographischen Breite des Standortes bestimmt, wobei der

Sternwinkel dieser Kontrollsterne um den Längenunterschied zwischen Standort und

Bestimmungsort kleiner sein muss, als der des Zenitsternes. Wenn der Stern Eltanin, Sternbild Draco

(Drachen) sich auf der Position zwischen dem Zenitpunkt des Abfahrtsortes und dem Stern Polaris,

Sternbild Ursa Minor (Kleiner Bär) - genau in Nordrichtung also - befindet, er durchwandert dabei

gerade seine obere Kulmination, ist der Zeitpunkt gesetzt, Arcturus anzusteuern. Denn Arcturus

kulminiert dann gerade über Puerto Rico. Rechnet man den Kulminationszeitpunkt aus dem

Nautischen Jahrbuch, kann festgestellt werden, dass Arcturus am 12. August 1995 genau um 21-11-

57 Uhr (Weltzeit) über Puerto Rico kulminiert und dabei auf dem Großkreis steht. Der Stern Eltanin

hat zu diesem Zeitpunkt eine Höhe von 86° 26' 38" und steht in einer Richtung am Kompass von

304,2°, genau kulminiert Eltanin um 20-53-06 Uhr (Weltzeit).

So kann die Reise nach Puerto Rico also beginnen. Eltanin hat seine Kulmination gerade durchwandert

und Arturus und Mirak stehen genau auf dem Großkreis. Wir segeln und steuern Arcturus und Mirak

nun voraus an. Die Frage ist: Wie lange können diese beiden Sterne mit hinreichender Genauigkeit

angesteuert werden?

Auffinden weiterer Leitsterne für die Nacht

Steuern wir den Sternen Arcturus und Mirak stundenlang hinterher, werden wir unsere Großkreisbahn

sehr bald verlassen, denn diese Leitsternen schneiden den Großkreis und laufen nicht auf ihn mit. Um

nach weiteren Leitsternen zu fahren, dürfen diese nicht sehr hoch stehen und müssen gut sichtbar

sein, denn es ist ein besseres Steuern, wenn die Sterne flach stehen. Stehen sie allerdings sehr flach,

sind sie aufgrund der terrestrischen Strahlenbrechung am Horizont nicht mehr sichtbar, deshalb

eignen sich am besten Gestirnshöhen zwischen 10° und 40°. Da alle Gestirne eine Gestirnsbildpunkt

auf der Erdkugel einnehmen, ist die Entfernung des Gestirnsbildpunktes vom Standort des Bootes

ebenfalls von entscheidender Frage. Denn je weiter ein Gestirnsbildpunkt vom Beobachtungsort

entfernt liegt, je geringer die Differenz seiner Azimutänderung in einer Zeitspanne. Die

Geschwindigkeit eines Bahnpunktes ist 15° 02' bestimmt. Das sind 902 sm/h auf dem Äquator bzw. auf

dem Deklinationsparallel von 45° nur Kosinuswert von 902 sm/h (637,8 sm/h). Es ist in dieser

Bewegung der Grund zu finden, warum der polynesische Navigator den Himmel in drei Teile teilt und

diesen Himmelsteilen die wichtigsten Sterne Sternbilder zuordnet. Denn aufgrund dieser Tatsache

überholt in einer Zeitspanne ein Stern den anderen Stern in seinem Lauf (gleich zwei Punkten auf einer

Fahrradspeiche, dessen Rad sich gleich schnell dreht). Um genügend Leitsterne zur Verfügung zu

haben, musste der polynesische Sternennavigator) Sterne kennen. Er musste sie nicht nur kennen, er

musste auch wissen, über welche Inseln und Positionen sie ziehen, welcher Stern welchen überholt.

Dazu musste er diese in sogenannten Sternreihen ordnen. Er musste die Frage beantworten können:

Welcher Stern ist nach dem ersten Stern weiter anzusteuern, um auf Kurs zu bleiben? Um diese

schwierige Aufgabe zu bewältigen, musste der Navigator eine Ausbildung von ca. 10 Jähren hinter sich

lassen und das war noch nicht alles, wie wir vorher schon angemerkt haben. Der heutige Nautiker

muss, will er polynesische Sternennavigation betreiben, mit dem Umstand leben, dass im Nautischen

Jahrbuch nur ca. 80 Hauptsterne verzeichnet sind. Da wir aber heute über genügend andere

Ortungsmöglichkeiten bzw. Kontrollmöglichkeiten auf See (Kompass, Uhr, Sextant) verfügen, muss

167

dieses kein Nachteil sein. Über eine Nacht benötigen wir ca. acht bis zehn Leitsterne, die den Großkreis

von der Bootsposition bis zum Bestimmungsort bzw. auch darüber hinaus schneiden müssen. Es ist

somit die Sternenreihe zu berechnen, der wir folgen müssen. Mit Vorgabe der Höhe zwischen 10° und

40° und des Kurses (Azimutwinkel) auf dem Großkreis muss zunächst der entsprechende

Deklinationswert (δ) und der dazu gehörige Stundenwinkel (t) berechnet werden. Es sind die Leitsterne

gemäß ihrem Stundenwinkel (t) und gemäß ihrem Deklinationswert (δ) sozusagen auf den Großkreis

zuschneiden. Dazu genügt es vom Abfahrtsort und vom Bestimmungsort und einigen dazwischen

liegenden Punkten des Großkreises auszugehen. Die eigentliche Bootsposition spielt dabei nur eine

untergeordnete Rolle. So wie der Großkreis die Leitsterne fesselt, binden die Leitsterne das Boot an.

den Großkreis. Es ist niemals umgekehrt. Der Bestimmungsort bestimmt den Großkreis, der Großkreis

stimmt die Leitsterne. Dabei ist es völlig belanglos, wie schnell das Boot sich vorwärts bewegt und auf

welchen Koordinaten es sich befindet: Nur der Kurs, die Fesselung des Bootes an die Leitsterne ist von

Bedeutung. Die Gestirnshöhe, das Gestirnsazimut, der Stundenwinkel und die geographische Breite

stehen im Verhältnis und bedingen einander. Dieses Verhältnis ist l : l, wenn Az = t und δ = h betragen.

In unserem Beispiel ist dieses Verhältnis bei φ = 49° 35' N; t = 77° 43' 48" und δ = 30° N erreicht, dann

beträgt das Az ebenfalls 77° 43' 48" und die h beträgt 30°.

Am 12. 08. 1995 um 21-11-57, zur Kulminationszeit des Sterns Arcturus über Puerto Rico beträgt der

Greenwicher Stundenwinkel des Frühlingspunktes Grt = 278° 50’ 06“. Der Sternstundenwinkel (t)

errechnet sich für tW = 75° 42' 58" mit β = 161° 52’ 52“ und für

tW = 55° 20’32“ mit β = 141° 30' 36".

Weiterhin ist am 12. 08. 95 um 19. 15 Uhr Weltzeit Sonnenuntergang und am 13. 08. 95 um 04. 50 Uhr

Sonnenaufgang.

Mit einer entsprechend den loxodromischen Winkelfunktionen für die Koppelkursrechnung erstellter

Koppeltabelle wird der Schiffsweg für die Nacht vom 12. 08. (Sonnenuntergang) zum 13. 08. 95

(Sonnenaufgang) vorausberechnet, zugleich wird der Grt mit dem Nautischen Jahrbuch errechnet.

168

Uhrzeit Position rwKLOX Grt

(UTC) BREITE LÄNGE

21.00 49° 35,0’ N 5° 00,0’ W 260° 275° 50,4’

22.00 49° 33,6’ N 5° 12,1’ W 260° 290° 52,9’

23.00 49° 32,2’ N 5° 24,2’ W 260° 305° 55,3’

00.00 49° 30,8’ N 5° 36,3’ W 260° ----

01.00 49° 29,3’ N 5° 48,4’ W 259° ----

02.00 49° 27,8’ N 6° 00,5’ W 259° ----

03.00 49° 26,1’ N 6° 12,5’ W 258° ----

04.00 49° 24,4’ N 6° 24,5’ W 258° ----

05.00 49° 22,8’ N 6° 36,5’ W 257° 36° 10,1’

Mit dieser Approximation des Großkreises durch Loxodromstücke sind die Eingansargumente

gefunden, die zur weiteren Berechnung der Gestirnsbildpunkte unter Einbeziehung von

Schiffsgeschwindigkeit und gelaufener Distanz notwendig sind.

Unter Vorgabe der gegebenen Großkreisrichtung dem Azimut von 259,7° (N 100°18’ 00“ W), der

Anfangsposition von φ = 49° 35’ N, λ = 5° 00' E, der Uhrzeit in Weltzeit (UT1) von 21.00 Uhr wird unter

Vorgabe der hr von 10° bis 40° die entsprechenden Deklinationswerte und Stundenwinkel errechnet.

für h = 10° δ = 1° 09’ 55” N tW = 75° 42’ 58”

für h = 20° δ = 8° 42’ 36” N tW = 69° 16’ 52”

für h = 30° δ = 16° 16’ 31” N tW = 62° 34’ 38”

für h = 40° δ = 23° 36’ 47” N tW = 55° 20’ 32”

Weiter errechnen sich für den 13. 08. 1995 für 05.00 Uhr (UTC) die folgenden Werte:

für h = 10° δ = 0° 05’ 08” S tW = 74° 25’ 37” β = 44° 52’ 01”

für h = 40° δ = 22° 35’ 42” N tW = 54° 15’ 08” β = 24° 41’ 32“

Man entnehme nun alle Sterne dem Sternverzeichnis des Nautischen Jahrbuchs, dessen Deklination

zwischen 0° 05’ 08” S und 23° 36’47“ N und dessen Stundenwinkel zwischen den Werten 161° 52’52“

und 24° 41’ 32“ liegen.

169

Es sind dies die Sterne:

Stern Sternbild Sternwinkel (β) Deklination (δ)

Vindemiatrix Sternbild VIRGO(Jungfrau) 164° 30,6’ 10° 59,0’ N

Arcturus Sternbild BOOTES (Bärenhüter) 146° 08,1’ 19° 12,4’ N

Gemma Sternbild CORONA (Nördliche Krone) 126° 22,3’ 26° 43,9’ N

Unuk Elhaia Sternbild SERPENS (Schlange) 123° 59,3’ 6° 26,5’ N

Ras Alhague Sternbild OPHIUCHES (Schlangenträger) 96° 19,0’ 12° 33,9’ N

Atair Sternbild AQUILA (Adler) 62° 21,4’ 8° 51,5’ N

Enif Sternbild PEGASUS (Pegasus) 34° 00,4’ 9° 51,4’ N

Mirak Sternbild BOOTES (Bärenhüter) 138° 48,1’ 27° 05,6’ N

Um 21. 00 Uhr (UTC) soll nun Arcturus und Mirak angesteuert werden. Der rwK beträgt 260°. Dazu die

nachfolgende weiteren Berechnungsergebnisse.

Stern Arcturus Stern Mirak

21-00-00 tW = 56° 58” 30” tW = 49° 38’ 30”

hr = 35° 44’ 34” hr = 46° 05’ 52“

Az = 257° 17’ 30“ Az = 258° 02’ 42“

22-00-00 tW = 71° 52” 54” tW = 64° 28’ 54”

hr = 26° 09’ 34” hr = 36° 32’ 29“

Az = 269° 21’ 15“ Az = 270° 15’ 05“

An den Ergebnissen wird erkennbar, dass die beiden Sterne senkrecht übereinander stehen.

170

Die Übersicht nun folgender Berechnungsergebnisse veranschaulicht, die Sichtbarkeit und die

gegenseitige Lage der ausgewählten Leitsterne am Himmel.

Stern Stundenwinkel errechnete Höhe viertelkreisiges Azimut Kurs

12. 08. 1995 um 22-00-00 Uhr UT1; Grt = 290° 52,9’φ = 49° 33,6’ N; λ = 5° 12,1’ W

Gemma tW = 37° 00’ 36“ hr = 53° 36’ 21” Az = N 115° 01’ 43” W 244,97°

Unuk Elhaia tW = 34° 37’ 36“ hr = 38° 00’ 30” Az = N 134° 13’ 27” W 225,78°

Ras Alhague tW = 6° 57’ 18“ hr = 52° 33’ 49” Az = N 168° 47’ 19” W 191,21°

Atair tue = 27° 00’ 18“ hr = 43° 29’ 26” Az = N 141° 47’ 59” E 141,80°

Enif tE = 55° 21’ 18“ hr = 29° 34’ 38” Az = N 111° 15’ 09” E 111,25°

13. 08. 1995 um 05-00-00 Uhr UT1; Grt = 36° 10,1’φ = 49° 22,8’ N; λ = 6° 36,5’ W

Gemma tW = 155° 55’ 54“ hr = – 10° 55’ 20” Az = N 21° 46’ 29” W 338,23°

Unuk Elhaia tW = 153° 32’ 54“ hr = – 29° 36’ 24” Az = N 30° 36’ 40” W 339,40°

Ras Alhague tW = 125° 52’ 36“ hr = – 11° 57’ 45” Az = N 53° 56’ 34” W 306,06°

Atair tW = 91° 55’ 00“ hr = 5° 28’ 22” Az = N 82° 46’ 00” W 277,23°

Enif tW = 63° 34’ 00“ hr = 24° 32’ 57” Az = N 104° 09’ 12” W 255,85°

Allein diese Übersicht zeigt nicht, wann die Deklinationsparallele der Leitsterne den Großkreis des

Bootes zum Zielort schneiden. Da die Uhrzeit nicht bekannt ist und dadurch der Stundenwinkel nicht

errechnet werden kann, somit auch keine Berechnung der Gestirnshöhe und des Azimutes erfolgen

kann, muss mit einer Interpolierungsmethode die Lösung bewältigt werden.

Es ist erforderlich den Stundenwinkel des betreffenden Gestirns für das Azimut des Großkreises

(100°18’11“) zu erhalten. Unter Vorgabe im Überschlag ausgewählter Stundenwinkel wird die

Gestirnshöhe und das Gestirnsazimut solange berechnet, bis das errechnete Azimut mit dem Azimut

des Großkreises übereinstimmt. Eine weitere Möglichkeit besteht, wenn der Großkreisverlauf mit je

1° Längendifferenz erfasst wird. Auch dann kann der Schnittwinkel herausinterpoliert werden.

Wie sich dieser Interpolierungsvorgang vollzieht sei mittels der nachfolgenden Berechnungen

171

aufgezeigt:

Vorgabe der

Stundenwinkel

berechnete Höhe berechnetes Azimut rechtweisendes

Azimut (Kurs)

GEMMA

tW = 45° hr = 48° 45’ 47” Az = N 106° 39’ 03” W

tW = 50° hr = 45° 37’ 16” Az = N 101° 58’ 43” W

tW = 51° hr = 44° 49’ 08” Az = N 101° 05’ 11” W

tW = 51° 40’ hr = 44° 33’ 38” Az = N 100° 29’ 56” W 259° 30’ 04“

UNUK ELHAIA

tW = 72° hr = 16° 31’ 59” Az = N 99° 39’ 51” W

tW = 71° 35’ hr = 16° 47’ 57” Az = N 99° 59’ 42” W

tW = 71° 15’ hr = 17° 00’ 43” Az = N 100° 15’ 37” W 259° 44’ 23“

Ras Alhague

tW = 70° hr = 22° 27’ 52” Az = N 97° 01’ 16” W

tW = 65° hr = 25° 40’ 00” Az = N 101° 03’ 18” W

tW = 66° hr = 25° 01’ 46” Az = N 100° 14’ 14” W 259° 45’ 46“

Atair

tW = 70° hr = 19° 39’ 29” Az = N 99° 36’ 59” W

tW = 69° hr = 20° 17’ 49” Az = N 100° 25’ 07” W 259° 34’ 53“

172

Enif

tW = 70° hr = 20° 25’ 04” Az = N 98° 55’ 37” W

tW = 69° hr = 21° 03’ 28” Az = N 99° 43’ 40” W

tW = 68° 30’ hr = 21° 22’ 38” Az = N 100° 07’ 48” W 259° 52’ 12“

Da jetzt die Stundenwinkel für den Durchgangs des Gestirns durch den Großkreis des Bootes

interpoliert worden sind, können nun aus den Stundenwinkelwerten die entsprechenden Zeitpunkte

bestimmt werden. Indem die Größe des Wertes des Greenwicher Stundenwinkels des

Frühlingspunktes aus dem Gestirnsstundenwinkel herausgerechnet wird, kann der Zeitpunkt

entsprechend dem Grt aus dem Nautischen Jahrbuch entnommen werden.

Stern t Grt UT1

Gemma tW = 51° 40’ 00“ Grt = 290° 29’ 48“ UT1 = 21-58-38

Unuk Elhaia tW = 71° 15’ 00“ Grt = 312° 37’ 48“ UT1 = 23-26-06

Ras Alhague tW = 66° 00’ 00“ Grt = 334° 52’ 30“ UT1 = 00-55-30

Atair tW = 69° 00’ 00“ Grt = 11° 50’ 58“ UT1 = 03-22-58

Enif tW = 68° 30’ 00“ Grt = 39° 29’ 42“ UT1 = 05-13-16

Da das Boot selbst seiner Koppelkursgeschwindigkeit von 8 kn folgen soll, ist diese Bewegung für die

Berechnung der Großkreisschnittpunkte und der jeweiligen Gestirnspositionen mit einzubeziehen.

Das Ergebnis dieser Berechnungen entsprechend den Koppelorten und der jeweiligen Uhrzeiten zeigt

die folgende Übersicht.

Ab 21-58-38 (UT1) wird der Stern Gemma angesteuert. Großkreiskurs 259,5°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 33,6’ N; λ = 5° 11,9’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 51° 40’ 12“

173

hr = 44° 33’ 31“

Az = N 100° 29’ 45“ W rwAz = 259,5°

Ab 23-26-06 (UT1) wird der Stern Unuk Elhaia angesteuert. Großkreiskurs 259,5°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 31,6’ N; λ = 5° 29,5’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 70° 57’ 36“

hr = 17° 12’ 11“

Az = N 100° 28’ 52“ W rwAz = 259,5°

Ab 00-55-30 (UT1) wird der Stern Ras Alhague angesteuert. Großkreiskurs 259,3°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 29,4’ N; λ = 5° 47,6’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 65° 24’ 30“

hr = 25° 25’ 11“

Az = N 100° 41’ 16“ W rwAz = 259,3°

Ab 03-22-58 (UT1) wird der Stern Atair angesteuert. Großkreiskurs 258,8°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 25,4’ N; λ = 6° 17,1’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 67° 55’ 00“

hr = 21° 00’ 49“

Az = N 101° 14’ 29“ W rwAz = 258,8°

Ab 05-13-16 (UT1) wird der Stern Enif angesteuert. Großkreiskurs 258,6°

Koppelstandort des Bootes: φ = 49° 22,4’ N; λ = 6° 39,1’ W

Gestirnskoordinaten: tW = 66° 51’ 00“

hr = 22° 27’ 56“

Az = N 101° 23’ 27“ W rwAz = 258,6°

174

So bestätigen die aufgezeigten Berechnungsmethoden die Richtigkeit der polynesischen

Sternennavigation. Wir müssen feststellen, dass ein immenser Rechenaufwand erforderlich ist, bis die

Gestirnsbahnen für den Großkreis des Bootes „zugeschnitten“ sind. Und doch mag der Leser erleichtert

sein. Für die Praxis ist es nicht nötig, diese Rechnungen nun jedes Mal genauso nachvollziehen zu

müssen. Für einen einmal ausgewählten und berechneten Großkreis wird die Sternenreihe der

Leitsterne, die anzusteuern sind immer gleich bleiben. Die Zeitpunkte werden sich jedoch

entsprechend des gewählten Datums im Jahr verschieben. Dennoch bleiben aufgrund der geringen

Änderung der Deklinationswerte die Leitsterne für feste Tage über Jahre fast immer die gleichen. Hier

ist es sinnvoll, die Startzeit auf immer den gleichen Zeitraum eines Jahres zu legen. Für eine Überfahrt

über den Atlantik ist ja nicht nur die navigatorische Sichtbarkeit der Gestirne wichtig ist, sondern

ebenfalls die jahreszeitliche Wetterperiode. Selbstverständlich muss die Wetterroutung und die

Berücksichtigung der globalen Wetterentwicklung sowie die Entwicklung vor Ort mit in die nautische

Vorbereitung einer solchen Fahrt mit einfließen (siehe Abschnitt

„Seenavigationsorientierungsräume“).

Soll ein Fahren auf dem Großkreis ohne Uhr und Kompass erfolgen, so ist es letztendlich nur wichtig

zu wissen, wie sich die Lage der Positionen der Gestirne zueinander und in bezug auf den Großkreis

bei einer Höhe von ca. 10° bis ca. 40° gestaltet.

Wie genau diese Art der Navigation sein kann, sei abschließend mit der zeichnerischen Darstellung des

Seeraumes bezeugt.

175

Die Methode der Orientierung nach Gestirnsazimuten ist im eigentliche Sinne das gleiche Verfahren,

nach dem auch Vögel und verschiedene Insekten navigieren. Schon längst ist bekannt, dass Vögel,

um lange Distanzen während der Nacht zu bewältigen, nach den Gestirnen fliegen. Sie haben nach

ihrer Art die verschiedenen Stellungen der hellen markanten Gestirnsbilder in ihrer Erinnerung.

Bekannt ist auch, dass die Leuchtfeuer an der Küste den Vögeln den falschen Weg zeigen, da diese

für ein tief liegendes Gestirn gehalten werden. Die Vögel können die Leuchtfeuer nicht in ihren

Orientierungssystem nach den Gestirnen einordnen und verhalten sich völlig orientierungslos.

Somit ist die Orientierung nach Gestirnazimuten „an der sich drehenden Himmelskugel“ entlang

ein ganz natürliches Prinzip der Tierwelt.

176

Die arabische Navigation

In der Analyse einer ganzheitlichen Navigation darf selbstverständlich die Arabische Seefahrt des Mittelalters

nicht unerwähnt bleiben. Auch wenn es so scheinen mag, dass die wesentlichen Grundzüge der europäischen

Navigation auf die Iberische Hochseefahrt zurückgreifen, so ist dass, was wir heute in der astronomischen und

auch in der terrestrischen Navigation vorfinden unweigerlich mit der arabischen Seefahrt verbunden. Viele

Sterne tragen heute noch arabische Namen. Begriffe wie Azimut, Alhidade, Nadir, Zenit u.a. sind arabischen

Ursprungs. Es würde eine Lücke lassen, die hohen Leistungen der arabischen Seefahrer nicht zu analysieren und

einzugliedern in die ganzheitliche Betrachtung des Systems Navigation.

Nicht von ungefähr trafen sich am 24. April 1498 der arabische Kapitän Ibn Majid und Vasco da Gama

im ostafrikanischen Hafen Malindi (nördlich von Mombassa – Kenia-). Der Grund lag in der

Überquerung des Indischen Ozeans. Kapitän Ibn Majid sollte Lotse sein für diese Ozeanüberquerung

und er war es auch. Aber nicht nur Lotse war dieser Kapitän. Auf der Reiseroute nach Kalikut wurde

unter Vasco da Gama durch eben diesen Kapitän arabische Navigation betrieben.

In Kenntnis und Ausnutzung des Monsunwindes, der von April bis Mai und von August bis September

als Südwestmonsun im Golf von Oman ostwärst weht, während er von Oktober bis März als weitaus

stärkerer Nordostmonsun im Golf von Oman westwärts weht und der dadurch beeinflusste Nord-

Äquatorialstrom gelang die Beherrschung der Seewege im indischen Ozean. Während die Seefahrer

dieser Zeit in Kenntnis dieser natürlichen Wechselspiele der Monsunwinde und in Kenntnis der

Gezeiten in Abhängigkeit von den Mondzyklen mit dem Nordostmosun aus Maskat (Position: = 23°

36’ N; = 58° 32’ E ) ausliefen, war ihnen nicht nur die Reisedauer der Hinreise von 4 Monaten bekannt.

Durch die Wahl des Auslaufszeitpunktes war auch gleichzeitig der Einlaufzeitpunkt der Rückkehr

festgelegt. Nicht nur die Malabarküste Westindiens, die Inseln der Nikobaren (Kole-rue Position: =

8° 13’ N; = 93° 08’ E) im Golf von Bengalen oder die Südspitze Indiens waren als Reiseziel ausgewählt,

sondern auch die Inseln zwischen Singapur und Südchina kamen in Betracht. Schließlich konnte die

Reise bis nach Kanton in China gehen. Den Sommer in China verbringend, liefen die Schiffe dann im

Herbst wieder zurück in die arabische Heimat, den Südwestmonsun im Rücken. Nautische Tabelle,

Küstenbeschreibungen und vieles mehr unterlag einer ständigen Korrektur und Verbesserung, so dass

die praktische Navigation auf sicherer Basis stand. Die sogenannten „Rahmanis“ sind Beispiele für die

Ausübung jener hohen Kunst der Nautik, enthielten sie doch nicht nur Zeichnungen der verschiedenen

jahreszeitlichen bedingten Sonnenstände über den Daus, sondern auch Kompasszeichnungen mit

einer zweiunddreißigteiligen Stricheinteilung der Kompassrose, die zur Richtungsanzeige der

Hauptsterne genutzt wurden. Es bleibt anzunehmen, dass die arabischen Seefahrer den Unterschiede

des Azimutes am Kompass zum Stundenwinkels eines Gestirns sehr wohl kannten. So gibt es kein

Beispiel dafür, dass sie den Versuch unternahmen, mittels der Kompasspeilung die Uhrzeit herzuleiten,

wie es die europäischen Seefahrer des 15. Jahrhunderts anfangs versuchten.

Wie lange schon in der arabischen Navigation die Anwendung des Nordsternes für die

Breitenbestimmung verwendet wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Es würde uns auch

verwundert, wenn gerade die Araber diesen Glückstreffer der Astronomie nicht für ihre

Navigationszwecke nutzen würden, taten es doch alle Kultur- und Naturvölker, für die der Nordstern

sichtbar war und die sich mit den Himmelsbeobachtungen befassten, gleichzeitig und vollkommen

unabhängig von einander. Da dieser Stern in unmittelbarer Nähe des Himmelspols steht und seine

177

Stellung dort kaum verändert, ergab sich das Verfahren der Bestimmung der geographischen Breite

nach diesem Stern fasst von selbst, zu dem dafür auch keinerlei Zeitgeräte, gar noch Tabellen

notwendig sind. Die Polhöhe von Polaris ist (unter Abzug kleinerer Korrekturen) auch gleichzeitig die

geographische Breite des Beobachtungsortes. Zum Einmessen der Polhöhe benutzen die arabischen

Navigatoren zwei Verfahren, die nachfolgend etwas eingehender erläutert werden sollen.

Das erste Verfahren ist die Einmessung von Gestirnshöhen mit der Hand. Diese Methode benötigt

keinerlei weitere Messgeräte und wurde in Ermangelung dieser schon vor tausend Jahren verwendet.

Hierbei wird die Höhe über dem Horizont in Fingerbreiten gemessen. Ein Höhenwinkel, der der Dicke

eines ausgestreckten Fingers entsprach, wurde als ein isba, der von vier Fingern zusammen als ein

dubban bezeichnet. Ein isba wurde zudem noch in acht zam unterteilt, wodurch der Höhenwinkel

verfeinert angeben werden konnte. Wenn man der Fingerbreite ca. 1, 6° zugrunde legt, so entsprechen

ca. 224 isba 360°. Selbstverständlich muss diese Messmethode aufgrund der Unterschiedlichkeit eines

menschlichen Fingers als relativ ungenau eingeschätzt werden. Genauer war dann schon die zweite

Methode der Höhenwinkelmessung. Die Ausführung dieser Methode gelang mit einem Brettchen, in

dessen Mittelpunkt ein Loch eingelassen war. Das Brettchen wurde so senkrecht gehalten, dass es mit

der Unterkante auf den sichtbaren Horizont zum Liegen kam, während im Loch das Gestirn (Polarstern)

sichtbar sein musste. Je nach Höhe des Gestirns musste das Brettchen bald mehr bald weniger weit

weg vom Auge des Beobachters gehalten werden.. Stand der Polarstern sehr hoch, musste das

Brettchen natürlich sehr dicht zum Gesicht des Beobachters stehen. Mittels einer an der Unterseite

des Brettchens befestigten Schnur, dessen loses Ende mit den Zähnen des Beobachters straff in der

Waagerechten gehalten wurde, gelang die Bestimmung des Abstandes vom Gesicht zum Brettchen.

Die Schnur war in Abständen durch Knoten markiert. Jeder Knoten verkörperte einen bestimmten

Höhenwinkel zum Nordstern und damit eine bestimmte geographische Breite. Die geniale Eigenschaft

dieser Schnur war, dass genau für einen Knoten auch die geographische Breite eines Ortes, einer

Hafenstadt, einer Insel oder eines besonderen Landmarke stand. Diese mathematische Klügelei lässt

auf den hohen mathematischen und astronomischen Wissensstand der arabischen Welt schließen. Im

heutigen Jemen war das Kamal, so wird dieses Brettchen bezeichnet noch bis Mitte des 19.

Jahrhunderts in Gebrauch. Als im 8. Jahrhundert dann die ersten Astrolabien in Gebrauch kamen,

verbesserten sich die astronomische Beobachtung ganz erheblich. Aber nicht nur in Arabien findet man

die Quellen jener arabischen Navigation. In China erwähnt ein Chronist, dass seit 671 u. Z. arabische

Schiffe in China Handel treiben. Und schließlich wird sogar ein Name genannt. Um 750 n. d. Z. segelt

ein Omani namens Abu Ubayda Abdullah bin al Quasim nach Guang Zhou, dem bekanntem Canton.

Leider ist mehr nicht bekannt. Es war jene Zeit als Bagdad seine Blütezeit begann und zur

bedeutendsten Handelsmetropole des Orients aufstrebte. Bagdad befand sich im Aufbau und binnen

relativ kurzer Zeit einstand ein Kreuzungspunkt der Seeverbindungen zu China, zu Indien, zum Roten

Meer und zur Küste Ostafrikas. Schließlich wurde 878 u. Z. das chinesische Canton in einen durch

Rebellen verursachten Krieg verwickelt. Der Seehandel nach Arabien brach ab. Dafür entwickelte sich

der arabische Handel nach Malaysia, Sumatra und nach Java noch intensiver. Wenn heute in

Indonesien und Malaysia die islamische Kultur vertreten ist, so ist das ein bleibendes Zeugnis alter und

älterer Handelsbeziehungen zwischen diesen Völkern und Erdteilen. Aber woher stammt so

hervorragendes Wissen. Hier mag es genügen, auf zwei Quellen aufmerksam zu machen.

178

Al-Battarie (877 bis 918), ein arabischer Astronom schrieb:

„Durch die Wissenschaft von den Steren gelangt der Mensch zu dem Beweis der Einheit Gottes und zur der Erkenntnis der

ungeheuren Größe, der höchsten Weisheit, der größten Macht der Vollendung seiner Tat.“

Und ein Zweites:

„ Und betrachtet ihr nicht den Himmel,

wie ER denselben gebaut hat!“

(Sure 88, 19)

Für die Ausübung der islamischen Religion war die Astronomie unentbehrliches Werkzeug. Sollten

doch nicht nur jeder Muezzin in der Lage sein, nach dem Sonnenstand den Beginn der fünf täglichen

Gebete festzulegen. Er musste auch nach den Mondzyklen Anfang und Ende des Fastenmonats

Ramadan errechnen können. Dabei musste er den Anfang des Ramadans mit Zeitpunkt des

Sonnenaufgangs und Ende mit Zeitpunkt des Sonnenuntergangs ankündigen können. Aber auch die

Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen musste gelingen, da damit bestimmte religiöse

Handlungen und die Einhaltung bestimmter Regeln verbunden sind. Vor allem aber muss ein Muezzin

die Himmelsrichtung zu Mekka, den heiligem Ort ermitteln können, denn das tägliche Beten geschieht

in diese Richtung. Astronomische Kenntnisse waren daher unentbehrlich.

Als Ptolemäus seinen Almagest, der alles damalige griechische Wissen zusammenfasste, schrieb und

dieser die griechische Blütezeit überdauerte, war er nicht nur in Bibliotheken des Abendlandes,

sondern auch im Morgenland zu finden. Doch während im Abendland dieses Wissen lange

unkorrigiertes Dogma blieb, dessen Unfehlbarkeit die Kirche beschwor, war dieses Werk in der

islamischen Welt nur Grundlage weiterer Arbeit und Verbesserung, Arabien erweiterte und korrigierte

dieses Wissen lange bevor in Europa im 14. und 15. Jahrhundert damit begonnen wurde. Griechische

Philosophie und babylonische Beobachtungsgabe, untermauert mit indischer Zahlenlogik ließen die

islamischen Wissenschaften sich zu jeder Form entwickeln, die den Beweis und das Experiment kennt,

die nicht glaubt, sondern untersucht. So musste sich diese Einstellung auch auf die Navigation durch

die Weiten einer Wüste, ganz gleich, ob nun Wasser oder Sand auswirken.

Vor ca. 1000 Jahren hatte die arabische Navigation eine Methode entwickelt, die sich rein auf

mathematische Berechnungen belief und mit Recht als einzigartig betrachtet werden kann. Dieser

allein durch Berechnungen bestimmte Schiffsstandort nannte sich tirfa.

Bekannter Weise benutzen die Navigatoren eine Seekarte des indischen Ozeans, auf der die

wichtigsten Häfen mit den Polhöhen zu Polaris und damit mit ihrer entsprechenden Breite eingetragen

waren. Aber jene Karte besaßen ähnlich der Art der Polynesischen Navigation Sternkompassrosen, in

denen jeweils zwei Peilungen für sechzehn Sterne angeben waren. Die erste Peilung bezog auf den

Aufgang des Gestirns, während die zweite Peilung die Richtung des Untergang des gleichen Stern

zeigte. Auch gab es eine Tabelle mit für die im Osten aufgehenden Gestirne und dessen Azimute von

einem im Westen gelegen Abgangshafen aus zu den verschiedenen indischen Häfen.

179

Um nun den Standort und die entsprechenden Entfernungen für die Reiseverlauf zu berechnen, wurde

ein sogenannter tirfa-Faktor benutzt. Dieser Faktor wurde aus dem Azimut des betreffendes Sternes

gebildet. Es ist der reziproke Wert des Cosinus eines Azimutes. (1/cos) . Mit diesem Faktor und der

Kenntnis von der geographischen Breite zweier Orte lässt sich mit den Winkelfunktionen eines ebenen

Dreiecks die Entfernung zwischen diesen Orten berechnen. Die Entfernung zwischen zwei

breitengeographisch benannten Orten musste selbstverständlich bekannt sein. Aber auch diese

konnte berechnet werden.

Mittels heutigen astronomischen Kenntnissen soll einmal diese Art der nautischen Astronomie

nachvollzogen werden.

Zuerst soll für den Indischen Ozean eine Sternenkompasskarte erstellt werden.

Folgende Orte wollen wir in die Berechnung einbeziehen:

Bestimmungshäfen:

Karāchi (Indien, Westküste) = 25° 01’ N; = 066° 48’ E

Bombay (Indien, Westküste) = 19° 05’ N; = 072° 42’ E

Cochin (Indien, Westküste) = 09° 57’ N; = 076° 09’ E

Male (Malediven) = 04° 10’ N; = 073° 29’ E

Kole-rue (Nikobaren –Inseln) = 08° 13’ N; = 093° 08’ E

Sri Javawardhenepura (Sri Lanka) = 06° 57’ N; = 079° 51’ E

Abgangshäfen:

Maskat (Oman) = 23° 36’ N; = 058° 32’ E

Mombasa (Kenia) = 03° 55’ S; = 039° 34’ E

Mit der Großkreisnavigation werden jetzt die Distanzen und Azimute von den Abgangshäfen zu den

Bestimmungshäfen ermittelt.

180

Abgangshafen Maskat

BESTIMMUNGSHAFEN Δλ Höhe Distanz Azimut

Karāchi 008° 16,0’ E 82° 20’ 08“ 7° 39’ 52“

459,865 sm

N 077° 39’ 53“ E

077,234°

Bombay 014° 10,0’ E 76° 03’ 44“ 13° 56’ 16“

836,272 sm

N 106° 21’ 05“ E

106,124°

Cochin 017° 37,0’ E

Kole-rue 034° 36,0’ E 53° 29’ 28“ 36° 30’ 32“

2190,531 sm

N 109° 09’ 10“ E

109,053°

Sri Javawardhenepura 021° 19,0’ E 63° 37’ 00“ 26° 23’ 00“

2374,500 sm

N 125° 42’ 14“ E

125,252°

Abgangshafen Mombasa

BESTIMMUNGSHAF

EN

Δλ Höhe Distanz Azimut

Karāchi 027° 14,0’ E 59° 07’ 11“ 30° 52’ 49”

1852,817 sm

N 021° 37’ 36” E

021.626°

Bombay 033° 08,0’ E 50° 06’ 11“ 39° 53’ 49”

2393,811 sm

N 053° 38’ 35”

053,643°

Male 033° 55,0’ E

Kole-rue 053° 34,0’ E 35° 12’ 56” 54° 47’ 03”

3287,060 sm

N 077° 04’ 32” E

077,076°

Sri Javawardhenepura 040° 17,0’ E 48° 21’ 00” 41° 39’ 00”

2499,006 sm

N 074° 57’ 39”

074,961°

181

Entsprechend müssen jetzt die Sterne benannt werden, die im Aufgang gleich dem Kurs entsprechend

über den Bestimmungshäfen sichtbar sind.

Aus dem Nautischen Jahrbuch wollen wir dazu einige Hauptsterne entnehmen und das Azimut bei

dessen Aufgang berechnen. Dazu verwenden wir die mathematische Beziehung für den wahren Auf-

bzw. Untergang eines Gestirn:

sinseccos =Az

Stern Sternwinkel Deklination Azimut

für Maskat

Azimut

für Mombasa

Capella 280° 50,5’ 45° 59,7’ N N 038° 17’ 09“ E N 043° 51’ 57” E

Wega 080° 46,3’ 38° 47,1’ N N 046° 52’ 36“ E N 051° 06’ 26” E

Castor 246° 21,8’ 31° 53,3’ N N 054° 47’ 48” E N 058° 01’ 41” E

Arcturus 146° 05,6’ 19° 11,3’ N N 068° 58’ 53“ E N 070° 45’ 54” E

Aldebaran 291° 01,8’ 16° 30,4’ N N 071° 56’ 14“ E N 073° 27’ 13” E

Regulus 207° 55,0’ 11° 58,2’ N N 076° 55’ 08“ E N 078° 00’ 06” E

Rigel 281° 22,5’ 8° 12,3’ S N 098° 57’ 35” E N 098° 13’ 28” E

Sirius 258° 43,3’ 16° 43,0’ S N 108° 17’ 38“ E N 106° 45’ 25“ E

Werte entsprechend dem Nautischen Jahrbuch 1999

Leicht wird ersichtlich, dass einige Gestirnsazimute hervorragend zum Auslaufkurs nach einem bestimmten

Hafen passen.

182

BESTIMMUNGSHAFEN Azimute

von Maskat

Azimut

von Mombasa

Karāchi N 077° 39’ 53“ E N 76° 55’ 08“ E

Regulus

N 021° 37’ 36” E

Kole-rue N 109° 09’ 10“ E N 108° 17’ 38“ E

Sirius

N 077° 04’ 32” E N 78° 00’ 06” E

Regulus

Sri Javawardhenepura N 125° 42’ 14“ E N 074° 57’ 39” E N 73° 27’ 13” E

Aldebaran

Der tirfa-Faktor

Um die Anwendung des tirfa-Faktors richtig zu verstehen, wollen wir zuerst ein Beispiel aus der

Küstennavigation untersuchen. Das Verfahren der horizontalen Winkelmessung zwischen zwei

Objekten erfolgt durch die Bestimmung eines Peripheriewinkels über der Basislinie zweier Objekte.

Die zu einem beobachteten Horizontalwinkel gehörende Standlinie ist der Teil eines Kreisbogens, der

durch die Objekte A und C und durch den Beobachtungsort verläuft. Zur Bestimmung des

Kreismittelpunktes werden die Komplementwinkel bei Hw > 90° bzw. die Supplementwinkel bei Hw <

90° errechnet und in Bezug auf die Basislinie in den Objekten A und B angetragen. Im Fall der

Benutzung von Komplementwinkeln ist der Kreismittelpunkt zwischen der Basislinie und dem

Schiffsort, während sich bei Benutzung der Supplementwinkel der Kreismittelpunkt auf der

entgegengesetzten Seite der Basislinie befindet. Der Schnittpunkt ist der Kreismittelpunkt, dessen

183

Radien zu den Objekten A und B und zum Beobachtungsort gleich sind. Wird auf der Mitte der Basislinie

die Senkrechte errichtet, so ergibt sich ein Dreieck mit den Seiten a, b und c, wobei a die Strecke der

halben Basislinie, b der Schenkel des Komplent- bzw. Supplementwinkel und c die auf der Basislinie

errichtete Senkrechte ist. Es gilt dann die mathematische Beziehung:

secαc

r=

r = c sec α

bzw.

r = c cosec Hw

Beispiel:

gegeben: c = 8 sm

Hw = 50°

Gesucht: r

r = 8 sm x cosec 50°

r = 8 sm x 1,30541

r = 10,44 sm

Die mathematische Funktion r = c sec α beschreibt im weiteren Sinn den tirfa-Faktor.

Sind die Werte der geographischen Breiten zweier Orte und sec Az-Wert zu einem von beiden Orte bekannt,

kann der Abstand zwischen diesen Orten berechnet werden.

Dabei gilt folgendes astronomisches Grunddreieck:

c

a

b

A

B

C

Komplement- bzw

Supplementwinkel α

184

Somit ist so ein rechtwinkliges sphärisches Dreieck entstanden.

Der tirfa-Faktor basiert nun auf die Anwendung der trigometrischen mathematischen Funktionen in der Ebene.

Das bedeutet, dass die mathematische Beziehung

esm = Δφ x sec Az

nur in Hinsicht auf eine loxodrome Berechnung anwendbar ist. Will der arabische Navigator nun einigermaßen

genaue Berechnungsergebnisse für den Großkreis erhalten darf dieses auf die Ebene projekzierte astronomische

Dreieck nicht all zu auffällig von dem orthodromen Grunddreieck abweichen.

Zwei Beispiele sollen dafür benannt werden, um diese Anschaulichkeit darzustellen.

Erstes Beispiel:

Auch wenn jetzt seit jenem historischen Treffen zwischen dem arabischen Kapitän Ibn Majid und Vasco

da Gama, dem 24. April 1498 fünfhundert Jahre verflossen sind und der Sternenhimmel sich aufgrund

der Präzessionsbewegung der Erde verschoben hat, so soll dennoch dieses Datum Grundlage sein, dass

wir für das Erstellen eines Beispieles wählen wollen.

So gehen wir einmal von dem 24. April 1999 aus und versuchen an einem Beispiel die Überfahrt nach der

arabischen Navigationsmethode nachzuvollziehen. Vasco da Gama trat am besagten 24. April 1498 von Melinde,

heute Malindi in Kenia (Position: φA = 03° 05’S; λA = 040° 10’ E)die Überfahrt über den Indischen Ozean an und

traf bereits am 20. Mai in Kalikut (Position: φB = 11° 15’N; λB = 075° 46’ E) an der vorderindischen Südwestküste

ein.

φA = 03° 05’ S λA = 040° 10’ E

φB = 11° 15’ N λB = 075° 46’ E

Δφ =14° 20’ N Δλ = 035° 36’ E

Pol

Beobachtungsort

φA und λA

Bestimmungsort

φB und λB

φA φB

Azimut und sphärische

Durch Ermittlung des

Breitenunterschiedes

zwischen Beobachtungs-

und Bestimmungsort

ergibt sich der

Scheitelpunkt

B zum Errichten der

Höhe auf dem

Bogenstück φB und

damit das neue

sphärische Dreieck ABC

B

A

C

Δφ

Δλ

185

Berechnung des wahren Kursdreieckes über Mittelbreite (loxodrom)

φm =04° 05’ N a = 035° 30’ 35” E

α = N 68° 01’ 08” E rwK = 68,0°

d = 38° 29’ 34” dsm = 2309,567 sm

Berechnung des astronomischen Grunddreiecks (orthodrom)

hr = 51° 47’ 51“ αAnfang = N 067° 23’ 46“ E

αEnde = N 070° 02’ 10“ E

d = 38° 12’ 09“ dsm = 2292,154 sm

In ca. 26 Tagen legte da Gama somit 2292,2 sm zurück. Das sind ca. 3,7 sm / h oder ca. 88,2 sm pro Tag.

Wir können nicht sagen, ob da Gama loxodrome oder orthodrome Kurse gesteuert hat. Wenn er während der

Nacht Sterne als Kompass genutzt hat, muss von einem unbewussten Fahren auf der Orthodromen ausgegangen

werden. Auch war sein Kompass von der Missweisung behaftet und es wurde zudem nicht nach Grad, sondern

nach Stricheinteilung gesteuert. 68° entsprechen 6 Strich, also Ostnordostkurs. Ist er vorwiegend nach diesem

Kurs fahren, hat er loxodromen Kurs gesteuert und hat (vergleiche die Berechnungen) 17,5 sm mehr

zurückgelegt, als auf reinem orthodromen Kurs. Dieser Unterschied kann als unerheblich betrachtet werden.

Erkennbar wird, dass die loxodrome Berechnung in Äquatornähe angewandt werden kann, weil hier die

Abweitung (Längenunterschied in Seemeilen) verhältnismäßig gering ausfällt. Man darf nicht annehmen, dass

die arabischen Navigatoren diesen Begriff der Abweitung beherrschten, denn die Länge einer Seemeile war

aufgrund der fehlenden Erdkugelmaße nicht vermessen. Es war ein glücklicher Umstand, dass die arabische

Navigation in Äquatornähe angewandt wurde, ansonsten hätte man den sogenannten tirfa-Faktor nicht nutzen

können.

Nach der astronomischen Funktion sinseccos =Az berechnet sich der Aufgang für den Stern Acturus

wie folgt:

cos Az = sec 03° 05’S x sin 19° 11,3’ N Deklination von Arcturus …19° 11,3’ N

Breite von Malindi………….3° 05,0’ S

cos Az = 0,32867434

Az = 70° 48’ 42“

dsm = 14° 20’ N x sec 70° 48’ 42“ Δφ =14° 20’ N

dsm = 43° 12’ 13” = 2592,22 sm

186

Der 24. April 1999 zeigt die Argumente für die Berechnung der Gestirnazimute und zeigt natürlich nicht den

Deklinationswert für 1498, weshalb heute Arcturus in 70° und nicht in 68° beim Aufgang peilt.

Geht man von der Deklination des Arturus für 1999 von 19° 11,3’ N aus und rechnet diesen Wert auf 501 Jahre

zurück, so hat Arcturus im Jahr 1498 eine Deklination von 21° 47,4’ besessen.

Im Januar 1982 besaß Arcturus einen Deklinationswert von 19° 16,5’ N

Im Januar 1999 besaß Arcturus einen Deklinationswert von 19° 11,2’ N

Das ist ein Unterschied in 17 Jahren von + 5,3’ und in einem Jahr von + 18,4“, so in 501 Jahren ein Unterschied

von + 156,194’ = + 2° 36,2’. Diesen obigen Wert in die astronomische Funktion sinseccos =Az

eingesetzt, ergibt einen Azimutwert von

cos Az = sec 03° 05’S x sin 21° 47,4’ N

= N 68° 10’ 36” E

Der tirfa Faktor des Stern Arcturus betrug (aus 1/ cos 68° 10’ 36“) somit 2,6900235

Die Entfernung konnte nun weiter berechnet werden:

e = Δφ x sec Az

e = 14° 20’ x sec 68° 10’ 36” (oder 860 sm x 2,69)

e = 38° 33’ 25”

esm = 2313,41 sm

Der Unterschied zur realen Großkreisdistanz beträgt hier nur 21,3 sm.

Aber nicht immer kann durch Anwendung der ebenen Trigonometrie die Berechnung so vorteilhaft verlaufen,

wie das nun nachfolgende zweite Beispiel zeigt.

Wenn eine arabische Dau den Hafen von Maskat in Oman ( = 23° 36’ N) verlässt, um nach Kole-rue auf den

Nikobaren –Inseln ( = 08° 13’ N) auszulaufen, so weiß der Kapitän, dass über dem Bestimmungshafen der Stern

Sirius mit dem Azimut von 108° 17’ 38“ aufgeht. Die Entfernung von Maskat bis Kole-rue beträgt auf dem

Großkreis 2190,5 sm, während der Anfangskurs 109° 09’ 10“ beträgt.

187

Die Berechnung der Entfernung mit dem tirfa-Faktor zeigt nun folgende Auswertung:

Maskat A = 23° 36’ N

Kole-rue - B = 08° 13’ N

= Δφ =15° 23’ S

e = 15° 23’ x sec 109° 09’ 10” (wir setzen die Azimutpeilung gleich dem Großkreiskurs)

e = 2813,27 sm

Der Unterschied von 622,8 sm zur wirklichen Großkreisdistanz ist nun doch zu viel. Da die arabischen Nautiker

jedoch auch hervorragend die Nordsternbreite in Zusammenhang mit den tirfa-Faktor zu nutzen in der Lage

waren, kann es nicht verwundern, wenn sie für ihr Navigationsgebiet dem Indischen Ozean so gute

Navigationsunterlagen besaßen.

188

Chronologie der Geschichte der Navigation zur See 4000 v. u. Z.

In Europa entstehen monumentale Steinbauten, die die Positionen der Sonne am Himmel kennzeichnen. Bekanntestes Bauwerk: Steinbau in Stoneshenge/England.

4000 v. u. Z.

Nachweisbar herrscht ein reger Warenaustausch zwischen Mesopotamien (Golf von Oman) und Hinterindien.

1300 v. u. Z.

Die Polynesier beginnen von Ostasien kommend die Südsee zu besiedeln.

1100 v.u.Z.

Die Phönizier segeln durch die Straße von Gibraltar in den Atlantik. Auf ihren Fahrten bis Cornwall und Madeira orientieren sie sich nach den Sternen.

1100 v. u. Z.

Die Polynesier entdecken Tonga, Santa Cruz und Samoa und besiedeln die Inseln. Im Laufe der Zeit entdeckten sie dann u. a. die Cook- und die Tuamotu-Inseln, die ebenfalls besiedelt wurden.

um 700 v. u. Z.

Der griechische Dichter Heloid beschreibt in seinem Werk „Werke und Tage“ u. a. den Gebrauch der Sterne für die Schiffahrt.

600 v. u. Z.

Pharao Necho schickt phönizische Seeleute auf eine Erkundungsfahrt, die in drei Jahren vom Roten Meer um ganz Afrika und zurück zu Nildelta führt. Die Seeleute berichten u. a. die Sonne habe im Norden gestanden.

600 bis 500 v. u. Z.

Die Philosophen und Mathematiker der Ioninschen Scgule tragen zur Verbesserung der Navigation bei. Anaxgoras von Milet, ein Schüler des Thales, soll als erster eine Seekarte gezeichnet haben. Die Ansicht der Pythogoräer, die Erde besitze Kugelform, setzt sich langsam in der Antike durch.

530 v. u. Z.

Der Kartager Hanno gelangt bis in den Golf von Guinea

um 400 v. u. Z.

Der „Periplus des Skylax“, eine erste Segelanweisung beweist, daß es vor diesem Zeitpunkt schon schriftliche Aufzeichnungen zur Durchführung der Navigation im Mittelmeer gab.

330 v. u. Z.

Pytheus von Marseilles bestimmt den „Himmelstrich“ (die geographische Breite) seiner Vaterstadt und stellt fest, daß der Himmelspol nicht mit dem Polarstern übereinstimmt. Er entdeckt den Einfluß des Mondes auf die Gezeiten.

325 v. u. Z.

Der Grieche von Monilia führt, aus dem Mittelmeer kommend, eine Seereise bis zu den britischen Inseln, den Shetland-Inseln und vermutlich bis zur Spitze Norwegens durch.

265 v. u. Z.

Der Grieche Aristarch von Samos verbreitet die Meinung die Sonne bildet den Mittelpunkt der Welt.

235 v. u. Z

Eratosthenes (etwa 275 bis 195 v. u. Z. führt die Bestimmung der geographischen Breite in Graden ein. Aus der Winkeldifferenz des Sonnenschattens zwischen Assuan und Alexandria und der ihm bekannten Entfernung zwischen beiden Städten berechnet er den Erdumfang mit beachtlicher Genauigkeit und sagt voraus, das Indien in westlicher Richtung zu erreichen sei.

189

um 200 v. u. Z

Der Grieche Philon von Byzanz beschreibt in seinen achtbändigen Lehrbuch der Technik (nur teilweise erhalten) eine „kardanische“ Aufhängung, die jedoch in Vergessenheit geriet. Erst 1550 u. Z. entwickelt man sie wieder.

um 150 v. u. Z.

Hipparch von Nikäa bemüht sich um die Bestimmung der geographischen Längendifferenz verschiedener Orte zueinander durch Beobachtungen von Mondfinsternisssen. Er erfindet das Astrolabium und legt den ersten Sternenkatalog mit über 1 000 Fixsternen an. Von Hipparch stammt auch der Entwurf für die stereographische Projektion.

um 140 u. Z

Der alexandrinische Geograph und Mathematiker Claudius Ptolemäus begründet in Alexandria in der „Syntaxis“, nach der arabischen Übersetzung „Almagest“ genannt, sein Weltsystem, nach dem sich die Erde im Mittelpunkt der Welt befindet.

130 v. u. Z.

Der griechische Astronom Hipparch macht auf den Umstand aufmerksam, daß die Mondfinsternis an allen Orten der Erde zur gleichen Zeit sichtbar ist.

85 bis 160 u. Z

Ptolemäus hinterläßt der Nachwelt ein großes Kartenwerk mit Längen- und Breitengraden, das dreizehn Jahrhunderte lang die Grundlage der abendländischen Navigation bildete.

um 600 Die Polynesier entdecken Hawaii und die Osterinseln und besiedeln sie. um 700 Persische und arabische Handelsschiffe segeln unter Ausnutzung der Monsunwinde bis

Kantion in China. um 800 Die polynesieschen Seefahrer entdecken Neuseeland. Auch hier siedeln sie sich an (Maorie-

Stamm). um 880 Der Wikinger Ottar umfährt die Nordküste Norwegens und die Halbinsel Kola, gelangt ins

weiße Meer und zur Mündung der Dwina. 983 Der Winkinger Erik der Rote entdeckt von Island aus die Westküste Grönlands. um 1000 Normannen verkehren über Island, Grönland mit dem nördlichen Amerika um 1000 Der arabische Astronom Ibn Junus gibt das bedeutendste Werk arabischer Astronomie

heraus: Die „Hakimitischen Tafeln“, benannt nach dem Kalifen Al Hakin, der eine bedeutende Sternwarte bauen ließ.

1190 Erwähnung einer Wasserbussole in Europa. Diese auf dem Strohhalm schwimmende Magnetnadel war den Arabern und vorher den Chinesen bereits bekannt.

1250 Der König von Kastilien, Alfons X veranlaßt das Berechnen neuer astronomischen Tafeln. Die

„Alfonsinischen Tafeln“ entstehen. 1270 Die Piloten des französischen Königs Ludwig der Heilige benutzen Seekarten zur Navigation. 1375 Der „Katalanische Atlas“ mit Kreisdiagrammen zur Berechnung der Gezeiten wird vom

Karthographen des Königs von Aragon angefertigt. 1394 bis 1449 Der Tatarenfürst Ulug-Beg erbaut in Sarmakant eine Sternwarte mit zahlreichen

Instrumenten von riesigen Dimensionen 1418 Prinz Heinrich von Portugal, der Seefahrer gründet einer Marineschule und schickt Schiffe auf

Entdeckungsfahrten entlang der afrikanischen Küste. Der Jacobsstab zur Bestimmung von Gestirnshöhen wird eingeführt. Die geographische Breite wird durch Vergleich mit der Höhe der Gestirne über Lissabon ermittelt.

190

1445 Die von Heinrich dem Seefahrer entsandten Portugiesen fahren unter Dinez Fernandez über die Westspitze Afrikas hinaus.

1463 Der deutsche Astronom und Mathematiker Regimontanus (1436 bis 1476) veröffentlicht

seine ersten astronomischen Tafeln, eine wertvolle Hilfe zur Standortbestimmung nach Meridianhöhen der Sonne.

1470 Der russische Seefahrer Nikitin erreicht Indien 1471 Regimontanus errichtet die erste deutsche Sternwarte in Nürnberg. Er gibt neue

astronomische Jahrbücher heraus. 1473 Diedrick Pining aus Hildesheim erreicht von Island aus Nordamerika 1484 bis 1486 Der Portugiese Diego Cao fährt zum Cap Cross in Südwestafrika 1487 bis 1488 Der Portugiese Bartolomeo Diaz (um 1450 bis 1500) umfährt die Südspitze Afrikas zum

großen „Fischzug“. Das von ihm bezeichnete „Cabo tormentoso“ (stürmisches Kap) wird von König Johann von Portugal in „Cabo de boa esperanca“ (Kap der Guten Hoffnung) umbenannt.

1492 bis 1504 Der Genuese Christoph Columbus (Critobal Colon; 1451 bis 1506) orientiert sich auf seiner

ersten Reise bei er Amerika entdeckte, nach einfachster Koppelnavigation, ohne dabei große Fehler zu machen. Er schätzt die Eigengeschwindigkeit und die Abtrifft und mißt die Zeit mit einer venezianischen Sanduhr. Columbus beobachtet auf seiner Reise, das die magnetische Mißweisung sehr verschiedenen Werte annehmen kann. Dabei entdeckte er 1492 die Insel Guanahani, Kuba und Haiti. Auf der zweiten Reise 1494/96 Puerto Rico und Jamaika, auf der dritten Reise 1498/1500 die Insel Trinidad und die Mündung des Orinoco, auf der vierten Reise 1502/04 die Küste von Honduras und den Golf von Darien

1494 Das päpstliche Rom erläßt den Vertrag von Tordesillas. Dieser Vertrag teilt die bekannte und

noch zu erforschende Welt unter Spanien und Portugal auf. Ungeachtet von Ländern und Kulturen wurde eine Demarkationslinie festgelegt, die durch den südamerikanischen Kontinent verläuft.

1497 Der italienische Seefahrer John Cabot, in englischen Diensten, entdeckt bei dem Versuch,

China auf der nordwestlichen Durchfahrt zu erreichen, Labrador und damit das amerikanische Festland.

1498 Der Portugiese Vasco da Gama (um 1469 bis 1524)m erreicht auf der Fahrt um das Kap der

Guten Hoffnung Calicut in Vorderindien 1502 Eine erste Weltkarte von Nic Canerio in Form einer Plattkarte mit einer auf dem Meridian

angegebenen Breitenskala erscheint 1509 Breitentabellen, genannt „Regimento do estrolabio e do quadrante“ erscheinen mit

erstaunlich guten Ergebnissen für diese Zeit. 1512 Der Portugiese gelangt als erster zu den Gewürzinseln, den Molukken 1513 de Leon entdeckt den Golfstrom 1515 Pizòn und de Solis entdecken auf der Suche nach einer Durchfahrt zum Stillen Ozean die la

Plata Mündung. 1517 Der englische Sebastian Carbot (Sohn des J. Carbot) entdeckt auf der Suche nach der

Nordwestpassage die Hudsonstraße

191

1517 Das erste portugiesische Schiff erreicht unter de Andrade einen chinesischen Hafen. 1520 bis 1521 Der Portugiese Fernando de Magalhaes (1450 bis 1521) findet die später nach ihm benannte

Straße und durchfährt den Stillen Ozean bis zu den Philippinen, wo er durch dortige Ureinwohner den Tod findet. Sein Schiff beendet die erste Weltumsegelung.

1526 Der Portugiese Menesess entdeckt Neuguinea 1534 bis 1535 Der Franzose Cartier entdeckt den St. Lorenz Strom 1541 Der Kartograph Gerhard Kremer, genannt Mercartor stellt einen Globus mit eingetragener

Loxodrome vor. 1542 Der Portugiese Pinto erreicht als erster Europäer Japan 1546 bis 1601 Der dänische Astronom Tycho Brache beobachtet im Laufe von vielen Jahren die

Planetenbewegungen und schafft damit praktische Grundlagen für die Erkenntnisse Joh. Keplers.

1550 Der Italiener Geronimo Cardano erfindet die „kardanische“ Aufhängung. 1543 Der polnische Astronom Nicolaus Copernicus veröffentlicht sein Hauptwerk „De

revolutionibus orbium coelestium“, wonach sich die Sonne im Mittelpunkt der Welt befindet. 1553 Britische Kaufleute gründen zwecks Erkundung neuer Handelswege die Gesellschaft der

„Abenteuerfahrer“ (später russische Handelsgesellschaft genannt). Im Auftrag dieser Gesellschaft versuchen Willoughby, Chancellor und Burrough die Nordwestpassage zu erzwingen. Willoughjby erreicht die Insel Nowaja Semlja und geht an der Nordostküste Kolas zugrunde. Chancellor dringt ins Weiße Meer bis zur Mündung der Dwina vor und gelangt von dort über Land nach Moskau. Burrouth erreicht die Karische Straße.

1567 Der Spanier Mendana entdeckt die Salomon-Inseln. 1569 Mecartors Weltkarte für Seefahrer wird veröffentlicht. um 1570 Das „Große Seebuch“ des Niederländers Lucas Janzzon Waghenaer (1533 bis 1606) mit dem

Titel „Spiegel der Seefahrt“ erscheint ungefähr in dieser Zeit und danach mit laufend neuen Auflagen. In diesem Werk befinden sich auch Tafeln der Sonnendeklination für einen Schaltjahresrythmus, die Neumondtage für eine Periode von 19 Jahren und die Rektaszension von ca. 100 Fixsternen sowie Verfahren zur Bestimmung der Nordsternbreite.

1574 William Borne aus Gravesend an der Temse beschreibt die Logge zur Bestimmung der

Schiffsgeschwindigkeit 1576 bis 1578 Der englische Seefahrer Frobisher findet auf der Suche nach der Nordwestpassage Grönland

wieder und entdeckt die nach ihm benannte Bai auf Baffinland. 1577 bis 1580 Der englische Kaperkapitän Sir Francis Drake (1545 bis 1596) führt, um spanischen

Kriegsschiffen zu entgehen, eine Weltumsegelung durch. Er gelangt dabei an die Nordwestküste Nordamerikas

1582 Papst Gregor XII aus Bologne läßt den Kalender verbessern (gregorianische Kalenderreform).

192

1599 bis 1602 Der italienische Seefahrer Americo Vespucci (1551 bis 1612) erkundet die Küste Südamerikas von Kolumbien vis Südbrasilien. Er entdeckt, daß Amerika ein eigener Kontinent ist. Im verdankt dieser Erdteil seinen Namen.

1594 bis 1597 Die Niederländer unter der führenden Beteiligung von Barents versuchen in drei Reisen die

Nordostpassage nach Indien zu finden. Nay erreicht 1594 durch die Jugorstraße die Westküste der Samjedenhalbinsel, während Barents zu der an der Nordspitze Nowaja Semljas auf 78° N gelegene Oranieninsel gelangt. Die ausgesandten Schiffe können das Eis der Karischen See nicht überwinden und kehren 1595 unverrichteter Sache zurück. In gemeinsamer Fahrt werden die Bäreninsel und Spitzbergen entdeckt. Dann trennen sich die Schiffe. Das Schiff unter Heemskeerk und Barents friert an der Nordspitze Nowaja Semlja ein; es kommt 1596 bis 1597 zur ersten Überwinterung im Polareis. Auf der Rückfahrt stirbt Barents an Erschöpfung. Die Mannschaft wird von russischen Fischern gerettet.

1585 bis 1587 Der englische Seefahrer John Davis entdeckt die nach ihm benannte Straße zwischen

Grönland und Baffinland. um 1600 Ein portugiesischer nautischer Almanach mit Himmelsrichtungen des Sonmnenauf- und -

untergangs für verschiedene Breiten erscheint. Erfindung des Davidquadranten, des Azimutkompasses, des Nokturnals und der in 360° unterteilten Kompaßrose.

um 1600 Die Logge zur Bestimmung der Schiffsgeschwindigkeit wird in die Seefahrt eingeführt. 1603 Der Astronom Johann Bayer gibt den Sternatlas „Urano metria“ heraus. 1603 Vossius erkennt drei große Stromkreise im Atlantik 1605 Der Spanier de Torres entdeckt die nach ihm benannte Straße zwischen Neuguinea und der

Nordspitze Australiens. 1606 Der Spanier de Quiros entdeckt Tahiti und die Neuen Hebriden. 1606 Niederländer betreten die Küste Australiens am Carpentariagolf. 1608 In Holland wird das Fernrohr erfunden. 1609 Der deutsche Astronom Johannes Kepler stellt in seinem Werk „Astromia nova“ das erste

und zweite Gesetz der Planetenbewegung vor. Seine Berechnungen beruhen auf den Beobachtungen Tycho Braches.

1610 Der italienische Physiker und Mathematiker Gallilei entdeckt die Jupitermonde, die

Sonnenflecken, die „Dreigestalt des Saturn und den Phasenwechsel der Venus mit seinem verbesserten Fernrohr und sieht darin den Beweis für das copernische Weltsystem.

1611 / 1687 Der Astronom Johannes Hevelius gibt seinen Sternenkatalog heraus. 1616 Der Engländer Baffin durchfährt die Baffinbai, erreicht Smithsund und entdeckt die

Lacasterstraße, den Eingang zur nordwestlichen Durchfahrt. 1616 Die Niederländer Lemaire und Schouten umsegeln Kap Horn. 1619 Joh. Kepler veröffentlicht sein Werk „Harmonices mundi“. Darin stellt er sein drittes Gesetz

der Planetenbewegung vor. 1624 Der Holländer Cernelis Drebbel unternimmt Versuche mit einem aus Holz bestehenden und

mit Leder verkleidetem Unterwasserfahrzeug auf der Temse in England.

193

1627 Keplers neue astronomische Tafeln, die „Tabulae Rudolphinae“ erscheinen und ermöglichen

erstmals eine vorausschauende Berechnung der Sternörter für eine lange Zeitperiode, da diese Tafeln auf das Heliozentrische Weltbild und auf den Keplerschen Planetengesetzen basieren. Für die Seefahrer ist es ein riesiger Zugewinn für die Durchführung astronomischer Standortbestimmungen.

1632 Gallilei Veröffentlicht sein Werk „Dialog über die beiden Weltsysteme“, welches auf heftigen

Widerstand der Kirche stößt. 1633 Gegen Galilei geht die kirchliche Inquisition vor, Galilei schwört seiner Lehre ab, um den Tod

zu entrinnen. 1642 Der Niederländer Tasman entdeckt die nach ihm benannte Insel Tasmanien und die

Inselnatur Australiens, Neuseeland, die Tongo-Inseln und die Fitschi-Inseln sowie den Bismarckarchipel.

1648 Der Russe Deshnjows erforscht das Nordostkap Asiens und erbringt den Beweis, daß das

Eismeer und der Stille Ozean zusammen hängen. 1675 Der englische Astronom j. Flamsteedt (1646 bis 1719) veranlaßt König Karl II zum Bau einer

Sternwarte in Greenwich bei London. Die Greenwicher Sternwarte wird gegründet. 1675 Der dänische Astronom O. Römer (1644 bis 1710) benutzt die Verfinsterung der

Jupitermonde, um eine geographische Längenberechnung durchzuführen. Er berechnet dabei die Lichtgeschwindigkeit.

1678 Kirerus veröffentlicht eine erste Stromkarte des Atlantiks. 1679 Der englische Astronom E. Halley gibt ein erstes vollständiges Sternenverzeichnis des

Südhimmels nach seinen Beobachtungen auf St. Helena heraus. 1687 Der englische Philosoph, Mathematiker und Physiker läßt sein Werk „Philosophia naturalis

principia mathematica“ erscheinen, Er stellt darin das Gravitationsgesetz vor und begründet die Keplerschen Planetengesetze.

1688 E. Halleys Karte über die Windverhältnisse im Atlantik erscheint. 1698 Eine erste meereskundliche Forschungsreise, u. a. zur Erforschung der magnetischen

Mißweisung, wird von dem Engländer Halley durchgeführt. 1706 E. Halley sagt mit Hilfe der Newtonschen Methode die Wiederkehr eines großen Kometen

voraus, der seinen Namen erhält. 1713 Der Preis des „Board of Longitude“ um die beste Bestimmung der geographischen Länge wird

nach langem Gefeilsche zu gleichen Teilen an Mayer, Euler und Harrison vergeben. 1718 E. Halley entdeckt die Eigenbewegung der Fixsterne. 1722 Der Niederländer Roggeveen entdeckt die Osterinseln und die Samoagruppe 1728 Der englische Astronom L. Bradley (1692 bis 1762) erklärt die Aberration des Lichtes (das ist

das Verhältnis der Geschwindigkeit des Sternenlichtes zur Umlaufbewegung der Erde um die Sonne).

194

1728 Der Däne Bering durchfährt im Auftrag des russischen Zaren Peter I die nach ihm benannte Straße zwischen Asien und Nordamerika von Süd nach Nord.

1731 Der Engländer J. Hadley baut den ersten Spiegeloktanten 1734 bis 1743 Die „Große Nordische Expedition“ der Petersburger Akademie der Wissenschaften von Peter

I zur Erforschung der sibirischen Nordküste angeregt und nach seinem Tode von Bering organisiert, beginnt gleichzeitig in Archangels, am Ob, am Jenissei, an der Lenk und in Petropawlowsk. Führend beteiligt waren die Russen Murawjew, Pawlow, Malykin, Skuratow, Minin, Sterlegow, Ch. Laptew, D. Laptew, Tscheljustin, Prontschischtschew, Lasinius und Tschirikow, dazu die deutschen Historiker G. F. Müller und J. E. Fischer, der deutsche Botaniker Gmelin, der Verfasser des Werkes „Flora Sibirica“, und der deutsche Zoologe Stelle sowie der französische Astronom l’ Isle de la Croýere. Bering und Tschirikow durchsegelten 1741 das Beringmeer, entdeckten Alaska und die Aleuten, Tschirikow erreicht das amerikanische Festland einen Tag vor Bering. Bering geht auf der Rückfahrt an Skorbut zugrunde. Nach ihm übernimmt Stella die Führung, Tscheljustin umfährt 1742 im Schlitten das später nach ihm benannte nördlichste Kap Asiens

1735 bis 1743 Die Gradmessung der Pariser Akademie in Peru unter la Condamine und P. Bouguer bestätigt

die Abplattung der Erde und ermöglicht eine genaue Berechnung der Länge des Meridians und des Erddurchmessers.

1752 Erst ca. 150 Orte waren auf der Erde nach der geographischen Länge und Breite sehr genau

vermessen. 1761 Der Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe wird auf Halleys Vorschlag benutzt, um die

Sonnenparallaxe und den Erddurchmesser zu berechnen. 1761 Bei einer Probefahrt von England nach Jamaica wird mit einem von J. Harrison (1693 bis

1776) gebauten Chronometer die geographische Länge mit einem Fehler von nur einer Seemeile bestimmt. Das Chronometer war somit in der Seefahrt eingeführt

1763 Der Mathematiker und Astronom Louis de Lacaille gibt seinen Sternenatlas heraus. 1766 Die britische Längenkommission gibt das Nautische Jahrbuch „Astronomical and Nautical

Ephemeris“ heraus, das auch verbesserte Monddistanztafeln (T. Mayer) und Tafeln für die Bestimmung der Nebenmeridianbreiten enthielt.

1768 bis 1771 Kapitän James Cook (1728 bis 1779) führt seine erste Weltumsegelung in die Südsee durch

Dabei entdeckt er von Tahiti aus die Gesellschaftsinseln, die Ostküste Australiens und die Zweiteilung Neuseelands. Er führt dabei, wie auch auf weiteren Reisen mit Spiegelsextant und Chronometer entsprechend damaligen Verhältnissen hervorragend genaue Standortbestimmungen und Küstenvermessungen durch. Er verwendet Geräte mit künstlichem Horizont (Quecksilber).

1772 bis 1775 Die zweite Weltumsegelung Cooks erfolgt. Er wird dabei von den Deutschen Naturforscher J.

R. Forster und dessen Sohn G. Forster begleitet. Er umsegelt dabei die Erde in hoher südlicher Breite und entdeckt die antarktischen Süd-Sandwich-Inseln. Dabei stellt er fest, daß es kein großes Südland gibt.

1776 bis 1780 Cook führt seine dritte Weltreise durch. Dabei dringt er in das Beringmeer bis zu einer Breite

von 70°41’N vor. Er entdeckt die Hawaii-Inseln, wo er 1779 von Eingeborenen getötet wird. Cook soll auf seiner Reise den Durchgang der Venus im Jahre 1769 beobachten und die Beobachtungsergebnisse aufzeichnen.

195

1769 Der Durchgang der Venus vor der Sonne wiederholt sich, erneute Berechnungen der Parallaxe und des Erddurchmessers erfolgen

1801 Der Amerikaner Robert Fulton baut das erste U-Boot mit Metallverkleidung („Nautilus“) 1833 Sir Lubbock veröffentlicht sein „nonharmonisches Verfahren“ zur Gezeitenberechnung. 1837 Der amerikanische Kapitän Summer führt die Berechnung mit astronomischen Standlinien

ein. 1845 Die USA überträgt über Funk erstmalig Zeitsignale zur Küstenvermessung 1848 bis 1851 der bayrische Unteroffizier Wilhelm Bauer konstruiert das erste deutsche U-Boot

„Brandtaucher“, welches bei Tauchversuchen in Kiel sinkt. 1850 Der französische Physiker Foucault (1819 bis 1868) weist erstmals mit einem

momentenfreien Kreisel die Erddrehung nach. 1853 Durchführung einer ersten internationalen hydrographischen Konferenz zur Koordinierung

von hydrometerologischen Beobachtungen (Wetterkunde, Gezeitenkunde). 1867 Lord Kelvin (1824 bis 1907) veröffentlicht sein „harmonisches Verfahren“ zur

Gezeitenberechnung. 1872 bis 1876 Durchführung einer ersten großen Tiefsee-Expedition unter dem Namen „Callanger“ 1875 Der französische Seemann Marcq St. Hilaire verbessert die Anwendung der astronomischen

Höhenmethode des amerikanischen Kapitäns Summer und führt diese für praktische Zwecke die Navigation ein.

1886 Der Forscher Fornander entdeckt auf Hawaii erste Belege einer polynesischen

astronomischen Beobachtungsstation natürlicher Art. um 1900 Die deutschen Ingenieure Dr. Anschütz-Kämpe und Dr. Schuler begannen den Kreiselkompaß

zu entwickeln. 1904 Der deutsche Ingenieur C. Hülsmeyer erhält ein Patent für ein Gerät zur Aufnahme der von

einem Schiff reflektierten Funkwellen (Vorläufer der Radar-Technik) 1907 Der erste funktionstüchtige Kreisel (Ein-Kreiselsystem) wurde durch Anschütz gebaut. 1912 Der Kreiselkompaß ist in der kaiserlich-deutschen Marine verbreitet 1920 Der erste Passagierdampfer hat einen Kreiselkompaß an Bord 1928 Die Kreiselgeräte für die Luftfahrt (künstlicher Horizont und Kurskreisel) kommen in Amerika

auf dem Markt. ab 1934 Beginn der Entwicklung der Funkmeßtechnik (Radar-Technik) in USA; England, Frankreich,

und Deutschland, z. T. unabhängig voneinander. 1938 Erster Einsatz eines Radargerätes zur Flugabwehr durch das U. S. Army Signal Corps 1939 Rauschenbach vereinfacht die Gezeitenberechnung durch Einführung von 10 Haupttiden.

196

1940 Die Bezeichnung RADAR (Radio Detection and Ranging) wird der offizielle Begriff für die Funkmeßgeräte der U. S. Navy, 1942 von der U. S. Navy, 1943 auch von England übernommen

ab 1942 Aufbau des Sendenetzes für das Langstrecken-Navigationssystem LORAN (Long-Range

Navigation) im Bereich Nordatlantik und Mittel- und Südwestpazifik, zunächst nur für militärische Zwecke der U. S. A.

1944 Das in England entwickelte Mittelstrecken-Navigationssystem Decca für Luft- und Seefahrt

kommt erstmalig zum Einsatz. 1946 Das UKW-Drehfunkfeuer VOR (Very-high-frequency Omnidirectional Radio range), in den U.

S. A. seit etwa 1940 entwickelt, wird von der International Civil Aviation Organization ICAO zur Einführung angenommen.

1946 Der Kapitän E. V. Ward entdeckt auf den Gilbert-Inseln eine künstlich errichtete

astronomische Beobachtungsstation, die der Bestimmung von Sternenpfaden zu benachbarten polynesieschen Inseln dient. Er entdeckt das Geheimnis der polynesischen „Stabkarten“ die schematisch typische Wellenmuster der Südsee darstellen.

1947 Für die Flugnavigation wurden erstmals durch die U. S. Navy. die „SIGHT REDUCTION TABLES

FOR AIR NAVIGATION“, Publ. NO 249 in drei Bänden veröffentlicht, die auch in der Seefahrt zur Berechnung von Gestirnshöhen und Azimuten sehr beliebt sind.

ab ca. 1950 Aufbau des Sendenetzes für das Kurzstrecken-Navigationssystem TACAN (Tactical Air

Navigation), zunächst für die Militärluftfahrt der U. S. A. 1953 Erster Langstreckenflug mit Trägheitsnavigation 1954 Stapellauf des ersten amerikanischen Atom-U-Bootes „Nautilus“ 1958 Das amerikanische Atom-U-Boot „Nautilus“ unterquert mit Hilfe der Trägheitsnavigation auf

der Fahrt vom Pazifik zum Atlantik die Eisdecke der Arktis. Der Nordpol wurde dabei am 03. 08. 1958 erreicht.

1958 Es erscheinen vom Hydrographischen Dienst der Kriegsflotte der (ehemaligen) UdSSR die

„VYSOTY I AZIMUTY SVETIL“, genannt VAS 58, in vier Bänden, die ebenfalls zur Berechnung von Gestirnshöhen und Azimuten sehr gut geeignet sind.

13. 04. 1960 Die U. S. A. starten den ersten Navigationsatelliten Transit I B 1969 Die deutsche Firma Wempe liefert das erste Quarz-Chronometer 1970 Erste Dopplerloganlagen werden in die Schiffahrt eingeführt. 1980 Es werden zuerst im englischen Kanal und in der Irischen See UKW-Funkbaken eingesetzt. Sie

ermöglichen das Peilen dieser Sendebaken (auf Kanal 88), 1983 Es existieren bereits weltweit 51 Decca Ketten, davon sind 25 Ketten in Europa in Betrieb.

Das Decca-Navigationsystem wird nach der Jahrtausendwende voraussichtlich abgeschaltet werden.

ab 1985 Das Satellitennavigationssystem „NAVigation System with Time And Ranging /-Global

Positioning System“ (NAVSTAR/-GPS) durch die U. S. A.wird weltweit eingeführt