Die privaten Geschäfte zweier Soknebtynis-Priester

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ORIENTALIA LOVANIENSIA ANALECTA ————— 231 ————— UITGEVERIJ PEETERS en DEPARTEMENT OOSTERSE STUDIES LEUVEN – PARIS – WALPOLE, MA 2014 ACTS OF THE TENTH INTERNATIONAL CONGRESS OF DEMOTIC STUDIES Leuven, 26-30 August 2008 edited by MARK DEPAUW and YANNE BROUX

Transcript of Die privaten Geschäfte zweier Soknebtynis-Priester

ORIENTALIA LOVANIENSIAANALECTA

————— 231 —————

UITGEVERIJ PEETERS en DEPARTEMENT OOSTERSE STUDIESLEUVEN – PARIS – WALPOLE, MA

2014

ACTS OF THE TENTH INTERNATIONALCONGRESS OF DEMOTIC STUDIES

Leuven, 26-30 August 2008

edited by

MARK DEPAUW and YANNE BROUX

TABLE OF CONTENTS

PREFACE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

LIST OF PARTICIPANTS . . . . . . . . . . . . . . . IX

LIST OF TEXTS . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Maha AKEEL

A Demotic Precursor to Arabic ‘In Shaa Allah’ . . . . . 1

Willy CLARYSSE

Demotic Studies in Leuven . . . . . . . . . . . 7

Philippe COLLOMBERT

Omina brontoscopiques et pluies de grenouilles . . . . . 15

Leo DEPUYDT

The Demoticity of Latest Late Egyptian . . . . . . . 27

Mahmoud EBEID

Inaros Son of Petese in the Galleries of Tuna al-Gebel Necropolis 43

Ola EL-AGUIZY

Demotic Graffiti in Oxyrhynchus . . . . . . . . . 61

John GEE

A New Look at the di ¨nÌ Formula . . . . . . . . . 73

Friedhelm HOFFMANN

Doppelte Buchführung in Ägypten. Zwei Wiener Abrechnungen (P. Wien G 19818 Verso und 19877 Verso) . . . . . . 83

Holger KOCKELMANN

Gods at War. Two Demotic Mythological Narratives in theCarls berg Papyrus Collection, Copenhagen (PC 460 and PC 284) 115

Nikolaos LAZARIDIS

Time in Timeless Wisdom: The Use of Tense in Egyptian and Greek Sayings (with Some Advice to Grammarians) . . . 127

Sandra L. LIPPERT

Ostraca, Graffiti and Dipinti from Athribis in Upper Egypt –A Preview . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

VI TABLE OF CONTENTS

Brian MUHS

Temple Economy in the Nag’ el-Mesheikh Ostraca . . . . 155

Franziska NAETHER and Micah ROSS

The Categorization of Numeric and Magical Texts as Exem-plified by OMM 170+796+844 . . . . . . . . . . 165

Joachim F. QUACK

Bemerkungen zur Struktur der demotischen Schrift und zur Umschrift des Demotischen . . . . . . . . . . . 207

Foy SCALF and Jacqueline JAY

Oriental Institute Demotic Ostraca Online (OIDOO): MergingText Publication and Research Tools . . . . . . . . 243

Harry S. SMITH and Sue DAVIES

Demotic Papyri from the Sacred Animal Necropolis at North Saqqara. Pleas, Oracle Questions and Documents referring toMummies . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

John TAIT

Casting About for the raison d’être of Demotic Narrative Fic-tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Siân THOMAS and John D. RAY

The Falcon King: Ptolemy Philadelphus and the Karnak Ostra-con . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Wolfgang WEGNER

Die privaten Geschäfte zweier Soknebtynis-Priester . . . 345

Andreas WINKLER

Swapping Lands at Tebtunis in the Ptolemaic Period. A Reas-sessment of P. Cairo II 30630 and 30631 . . . . . . . 361

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER1

Wolfgang WEGNER

Universität Würzburg

Ziel meines Dissertationsvorhabens2 ist die kommentierte Neu- bzw. Erstedition und inhaltliche Auswertung von 18 demotischen und drei griechischen Dokumenten, die den ersten Teil eines Corpus von insge-samt 39 demotischen und vier griechischen Texten bilden, dessen zweiter Teil in einem weiteren Band vorgelegt werden wird.3 Die Dokumente stammen all aus dem Ort Tebtynis (ägypt. T-nb-T-tn; heute: Umm el-Breigât), dessen Ruinen am südlichen Rand des Fayum, bereits außer-halb des Fruchtlands liegen. Der älteste Text ist ins Jahr 150/49 v. Chr. und der jüngste ins Jahr 3/4 n. Chr. datiert. Die Mehrheit der Papyri trat bei den 1899/1900 von Grenfell und Hunt in Tebtynis durchgeführten Grabungen4 zutage und befindet sich heute mit Ausnahme der nach Ber-keley gelangten P. Tebt. I 59 [2] und 42 [28] im Kairener Museum. Zwei in Mailand aufbewahrte Dokumente und eine einst im Besitz von Botti befindliche Urkunde, deren Verbleib unbekannt ist, wurden im Laufe der von 1929 bis 1935 dauernden italie nischen Ausgrabungen unter Leitung von Brecchia und Anti5 freigelegt. Neun weitere Texte, welche in Berlin, Dublin, Heidelberg, Köln, London und München aufbewahrt werden, wurden aus dem Kunsthandel erworben.

1 Die hinter den Bezeichnungen der Papyri in eckigen Klammern stehenden fettgedruck-ten Zahlen sind die Publikationsnummern meiner in Vorbereitung befindlichen Edition.In Hinblick auf diese erscheint mir die Angabe früherer Bearbeitungen verzichtbar, des-gleichen die Begründung abweichender Lesungen und/oder Übersetzungen.

2 Es trägt den Titel Demotische und griechische Papyri aus Tebtynis, I: Dokumente aus den Archiven des Sokonopis und seiner Verwandten sowie dem des Haryotes und wird von Prof. Dr. K.-Th. Zauzich betreut.

3 Dieser soll den Titel Demotische und griechische Papyri aus Tebtynis, II: Dokumente aus privaten Archiven und dem des Soknebtynis-Tempels erhalten.

4 Vgl. B. P. Grenfell und A. S. Hunt, ‘A Large Find of Ptolemaic Papyri’, AfP 1 (1901), 376-378; B. P. Grenfell, A. S. Hunt und J. G. Smyly, The Tebtunis Papyri, I (EES GRM 4 = University of California Publications: Graeco-Roman Archaeology 1; London, 1902), v-viii.

5 Vgl. C. Gallazzi, ‘Fouilles anciennes et nouvelles sur le site de Tebtynis’, BIFAO 89 (1989), 179-191 (mit Zusammenstellung der Grabungsberichte).

346 W. WEGNER

Das Textcorpus gliedert sich in folgende Gruppen:

1. das Archiv (oder besser Teilarchiv) des Soknebtynis-Priesters Soko-nopis, Sohnes des Sigeris, das aus acht demotischen Urkunden und einem griechischen Brief besteht: P. Kairo CG 31079 [1]; P. Tebt. I 59 [2]; P. Kairo CG 30615 [3]; 30612a+b+ 30632 [4]; 30626 [5]; 30613 [6]; 30630 [7]; 30614 [8]; 30631 [9];

2. zwei demotische Papyri, die möglicherweise aus dem Besitz des Vaters bzw. der Kinder des Sokonopis stammen:P. Mailand D 24 [10]; P. Kairo CG 31250 [11];

3. das Dossier der mit Sokonopis verschwägerten Familie des Sokneb-tynis-Priesters Paopis, bestehend aus vier demotischen Urkunden:P. Kairo CG 30607+JdE 34662 [12]; 30608+30609 [13]; 30628 [14]; 31254 [15];

4. das Dossier der mit Sokonopis nur entfernt verwandten Familie des Soknebtynis-Priesters Hachoes, bestehend aus zwei demotischen Urkunden und zwei griechischen Quittungen:P. Tebt. II 280 [16]; 281 [17]; P. Kairo CG 30620 [18]; 30617a+b [19];

5. zwei demotische Briefe, die wohl aus dem Archiv des tebtynitischen Notars Haryotes, Sohnes des Harmiysis, stammen:P. BM EA 71487 [20]; 71486 [21];

6. vierzehn weitere demotische Urkunden, die entweder Rechtsgeschäfte von Soknebtynis-Priestern oder Verpachtungen dokumentieren oder von einem Angehörigen der Familie des nämlichen Haryotes als Notar ausgefertigt wurden, sowie eine von den Soknebtynis-Priestern aus-gestellte Quittung und ein griechischer Brief, in dem sich ein Priester über den Notar Harmiysis beschwert:P. Heidelberg D 26 [22]; P. Berlin P 13638 [23]; P. Heidelberg D 42a [24]; P. Köln 2412 [25]; P. Kairo CG 31218 [26]; 31228 [27]; P. Tebt. I 42 [28]; P. Kairo CG 30611 [29]; 30625 [30]; 30610 [31]; 30616b+a [32]; 31232 [33]; 30627 [34]; P. Mailand D 26 [35]; P. Kairo CG 50109 [36]; P. Tebt. Botti 1 [37];

7. sechs Dokumente aus dem Archiv des Soknebtynis-Tempels, und zwar drei Beschlußurkunden über Priesterernennungen und drei Briefe:P. Merton D 1 [38]; P. Kairo CG 50016 [39]; 31223 [40]; P. München BSB 26 [41]; P. BM EA 10929 [42]; P. Kairo CG 30629 [43].

Dabei beinhaltet die Dissertation die ersten fünf Textgruppen und der ihr nachfolgende Band die beiden letzteren.

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 347

Im Anschluß sollen einige Dokumente aus dem Archiv (bzw. Teilarchiv) des Sokonopis besprochen werden. Mit Ausnahme des griechischen Briefes P. Tebt. I 59 [2] und der Geldbezahlungs- und Abstandsurkunde P. Kairo CG 30612a+b+30632 [4] über einen Hausteilkauf beziehensich alle Texte dieses (Teil-)Archivs auf die Ackerpachtgeschäfte des Sokonopis. P. Kairo CG 30630 [7] und 30631 [9], die den Tausch zweier Parzellen Tempelland zwischen zwei Soknebtynis-Priestern namens Petosiris und *Sokonoppmois und die spätere Verpachtung der einen an Sokonopis beurkunden, wurden von Andreas Winkler in seinem Kongreß-beitrag6 behandelt, weshalb ich auf sie hier nicht genauer eingehen werde. Die verbleibenden vier Pachturkunden P. Kairo CG 31079 [1], 30615 [3], 30626 [5] und 30613 [6] und vermutlich auch die PachtzinsquittungP. Kairo CG 30614 [8] dokumentieren ein mehrfach verlängertes Pachtverhältnis mit insgesamt ungewöhnlich langer Laufzeit7. Der von Sokonopis gepachtete Acker war Eigentum des Soknebtynis-Tempels8. Als Verpächter fungiert aber nicht die ganze Priesterschaft, sondern der bereits genannte *Sokonoppmois, Sohn des *Sokonoppmois, der nicht nur Priester des Soknebtynis, sondern auch Soknopaios-Priester war9. Demnach handelt es sich bei der betreffenden Parzelle um Tempelland, das (anschei-nend langfristig) an einzelne Priester verpachtet wurde, also um diejenige Art Tempelland, die nach Vandorpe dem îdióktjtov g± der griechischen Texte entspricht10, und die Pachturkunden sind Afterpachturkunden.

Das Grundstück lag in der Flur der Ortschaft Tebtynis und maß zunächst 2 Aruren (= 0,55 Hektar), wurde aber später um ein östlich angrenzendes Stück Tempelland erweitert, das auch 2 Aruren großund unterdessen gleichfalls in den Besitz des *Sokonoppmois gelangt war. Im Norden grenzte der Acker an den Kanal des k†n — gewiß eine demotische Wiedergabe für den griech. Personennamen ˆAgáqwn —, im

6 See further in this volume. 7 Zur Laufzeit der Pachturkunden vgl. H. Felber, Demotische Ackerpachtverträge der

Ptolemäerzeit: Untersuchungen zu Aufbau, Entwicklung und inhaltlichen Aspekten einer Gruppe von demotischen Urkunden (ÄA 58; Wiesbaden, 1997), 129; J. Herrmann, Studien zur Bodenpacht im Recht der graeco-aegyptischen Papyri (MBPF 41; München, 1958), 89-95.

8 Dies ergibt sich aus der Ortsangabe (n) p Ìtp-n†r Sbk-nb-Tn p n†r ¨ ‘(in) der Got-tesopferstiftung des Soknebtynis, des großen Gottes’ (P. Kairo CG 30615 [3], 5; 30626 [5], 6; 30613 [6], 8).

9 Er trägt einmal den Titel eines nb-w¨b Îry-sy-W∂-[wr] N-nfr-sty(.t) (P. Kairo CG 30626 [5], 3).

10 K. Vandorpe, ‘Agriculture, Temples and Tax Law in Ptolemaic Egypt’, in J. C. Moreno García (Hg.), L’agriculture institutionelle en Égypte ancienne: État de la question et perspectives interdisciplinaires (Lille, 2006) = CRIPEL 25 (2005), 167-168.

348 W. WEGNER

Osten an die große Straße (t Ìy(.t) ¨.t), im Süden an Ackerland im Besitz des Sokonopis und im Westen an Staats- und Tempelland, das zunächst dem Phanesis, Sohn des Sigeris, und später dem *Sokonoppmois gehörte und schließlich zum Teil der Parzelle zugeschlagen wurde. Zwischen dieser und dem östlich angrenzenden Ackerland verlief ein als myt-mw ‘Wasserweg’ bezeichneter Kanal, welcher den südlich gelegenen Acker des Sokonopis vom Kanal des Agathon her erschloß (Abb. 1)11.

P. Kairo CG 31079 [1] vom 7. Sept. 105 v. Chr. referiert zunächst den Inhalt einer früheren, nicht erhaltenen Urkunde. Demnach hatte Sokonopis die fraglichen 2 Aruren für sieben Jahre, von 111/10 bis 105/04 v. Chr., gepachtet:

mtw=k t (s†.t) 2.t Ì [nty Ìry] / (n-)†y p [rd] [Ì].t-sp 7.t (r-)hn Ì[.t-sp] 13 [í.]ír Ì.t-sp 10.t (r) rnp.t 7.t [rd] 7 ¨n‘Dein sind die [obigen] 2 (Aruren) Acker vom Wuchs des [Regierungs]-jahres 7 bis zum Regierungsjahr 13, entspricht Regierungsjahr 10, (macht) 7 Jahre (und) 7 Wüchse wiederum’ (Z. 15-16).

Anschließend wird die am Tag der Urkundenausstellung erfolgte vollstän-dige Entrichtung der Pachtzinsen für die gesamte siebenjährige Laufzeit quittiert:

p sm t (s†.t) 2.t Ì nty Ìry [–] / (n) t rnp.t 7.t nty Ìry mÌ=k †=y dí=k mtr Ìty[=y] n.ím=f dí=k s n=y (n) Ì∂-Ì.t / (n) p hrw

11 Vgl. die Beschreibungen der Parzelle in P. Kairo CG 31079 [1], 13-15, 30615 [3], 5-7, 30626 [5], 5-7 und 30613 [6], 7-10.

ABB. 1. Schematischer Plan der Parzelle vor und nach der Erweiterung.

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 349

‘Der Pachtzins der obigen 2 (Aruren) Acker (in) den obigen 7 Jahren, du hast mich vollständig bezahlt, du hast mein Herz damit zufriedengestellt. Du hast ihn mir heute gegeben (als) Vorausgeld’ (Z. 17-19).

Aus der Charakterisierung der Zahlung als Vorausgeld (Ì∂-Ì.t) ergibt sich, daß der Pachtzins anstatt wie üblich jährlich12 erst am Ende der siebenjährigen Laufzeit fällig gewesen wäre und nun etwa ein Jahr früher gezahlt wurde. Die an sich vom Verpächter zu tragenden staatlichen Abgaben13 in Höhe von 5 Artaben Weizen, also 2,5 Artaben pro Arure, hatte im vorliegenden Fall der Pächter übernommen. Einerseits besagt dies eine allgemein gehaltene Klausel:

mtw=k Ìy p rtb sw 5 / nty sÌ r.r=w r Ì[y]=w (r) pr-¨¨.w.s. Ìr rnp.t nb ‘Und du mißt die 5 Artaben Weizen zu, über die geschrieben ist, sie zuzu-messen (für) den KönigL.H.G. für jedes Jahr’ (Z. 19-20).

Andererseits ist explizit festgehalten, daß Sokonopis diese Abgaben auch für das noch ausstehende siebte Jahr der Pacht zu zahlen hatte:

p rtb sw 5 sm pr-¨¨.w.s. / Ì.t-sp 13 (n-)∂r.†=k m[tw]=k Ìy=w (r) pr-¨¨.w.s. Ìr.r.r=w‘Die 5 Artaben Weizen (für) die Ernteabgabe des KönigsL.H.G. (im) Regierungsjahr 13 kommen aus deiner Hand. Und du mißt sie zu (für) den KönigL.H.G. ihretwegen’ (Z. 25-26).

Ferner verpflichtet sich Sokonopis dazu, die Parzelle mit einem Ringdeich zu umgeben:

mtw=k r[b] t (s†.t) 2.t Ì nty Ìry (n) wn ‘Und du umgibst die obigen 2 (Aruren) Acker (mit) einem Deich’ (Z. 24).

Ziel dieser Maßnahme dürfte es gewesen sein, die Erträge des Ackers durch die Bestellung in Zweierntenwirtschaft14 zu steigern. Denn eine zweite Ernte ließ sich nur erwirtschaften, wenn die Möglichkeit bestand, die Parzelle nach der ersten Ernte für mehrere Tage unter Wasser zu setzen, um den Boden vor der Saat zu durchfeuchten15.

12 Vgl. Felber, Ackerpachtverträge, 157-158; Herrmann, Bodenpacht, 107-109; D. Hennig, Untersuchungen zur Bodenpacht im ptolemäisch-römischen Ägypten (Diss.; München, 1967), 22-24.

13 Vgl. Felber, Ackerpachtverträge, 142; Herrmann, Bodenpacht, 122-123; Hennig, Boden pacht, 7-8.

14 Vgl. dazu M. Schnebel, Die Landwirtschaft im hellenistischen Ägypten (MBPF 7; München, 1925), 145-160; Hennig, Bodenpacht, 54-55.

15 Vgl. Schnebel, Landwirtschaft, 53-54, 145-146; Hennig, Bodenpacht, 54.

350 W. WEGNER

Die Urkunde dokumentiert schließlich eine vorzeitige Verlängerung des Pachtverhältnisses um weitere fünf Jahre, von 104/03 bis 100/99 v. Chr.:

mtw[=k] sk n Ì(.w) nty Ìry (n) p rd Ì.t-sp 1[4] Ì.t-sp [1]5 Ì.t-sp [1]6 / Ì.t-sp 17 Ì.t-sp 18 r rnp.t 5.t rd 5

‘Und du bebaust die obigen Äcker (für) den Wuchs des Regierungsjahres 14, des Regierungsjahres 15, des Regierungsjahres 16, des Regierungs-jahres 17 (und) des Regierungsjahres 18, macht 5 Jahre (und) 5 Wüchse’ (Z. 26-27).

Die Pachtzinsen werden auf 3 Artaben Weizen pro Jahr festgesetzt, wobei abermals eine Zahlung zum Ende der Laufzeit, also im Jahr 100/99 v. Chr., und die Übernahme der an den Staat zu entrichtenden Abgaben in Höhe von 5 Artaben durch den Pächter vereinbart wird:

py=w sm rtb sw 3 Ìr rnp.t nb (n) p bnr ny=w md.w(t)-pr-¨¨.w.s. m[tw]=k dí.t s n=y / (n) Ì.t-sp 18 (n) n Ì(.w) nty [Ìry] (n-)w{r}s swb

‘Ihr Pachtzins sind 3 Artaben Weizen für jedes Jahr abgesehen von ihren KönigssachenL.H.G., und du gibst ihn mir (im) Regierungsjahr 18, (mit) den obigen Äckern ohne swb-Gras’ (Z. 27-28).

Effektiv belief sich der Pachtzins somit auf 8 Artaben Weizen bzw. 4 Artaben pro Arure. Für das fünfte und letzte Jahr wird festgelegt, daß es auf dem Acker keine mtn.t — ich sehe darin einen demotischen Beleg für das m.W. bisher nur hieroglyphisch bezeugte mtn.w ‘Erzeugnisse’ o.ä.16 — geben wird. Die Pachtzinsen für dieses Jahr entfallen wegen der Brache, nicht aber die Zahlung der staatlichen Abgaben seitens des Pächters:

mn mtn.t n.ím=w [(n) Ì.t-sp] 18 r dí.t [s] n=y m-s p rtb sw 5 m[tw]=k Ìy=w / (r) pr-¨¨.w.s. Ìr.r.r=w‘Nicht gibt es ein Erzeugnis in ihnen (im) Regierungsjahr 18, um ihn (= den Pachtzins) mir zu geben, außer den 5 Artaben Weizen, die du zumißt (für) den KönigL.H.G. ihretwegen’ (Z. 28-29).

Auch P. Kairo CG 30615 [3] vom 10. Dez. 98 v. Chr. referiert zunächst eine weitere Verlängerung des Pachtverhältnisses zwischen Sokonopis und *Sokonoppmois durch eine nicht vorliegende Urkunde, nunmehr bis 97/96 v. Chr., wobei für das noch ausstehende Jahr 97/96 v. Chr. der Anbau von Gras (sm) vorgesehen ist:

mtw=k t (s†.t) 2.t Ì nty [Ìry] (n) p rd Ì.t-sp 18 r ír=w (n) sm‘Dein sind die obigen 2 (Aruren) Acker (für) den Wuchs des Regierungs-jahres 18, um sie (mit) Gras zu bestellen’ (Z. 7).

16 Wb., II, 170.15.

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 351

Die Pachturkunde bestätigt sodann die Zahlung der ebenfalls als Voraus-geld (Ì∂-Ì.t) gekennzeichneten Pachtzinsen, vermutlich für die Jahre 99/98 bis 97/96 v. Chr., welche anscheinend abermals erst am Lauf-zeitende fällig gewesen wären:

py=w sm mÌ=k †=y tw=k mtr Ìty=y n.ím=f (n) Ì∂-Ì.t / [(n) p hrw] ‘Ihr Pachtzins, du hast mich vollständig bezahlt, du hast mein Herz [heute] damit zufriedengestellt (als) Vorausgeld’ (Z. 7-8).

Der Verpächter *Sokonoppmois hatte die staatlichen Abgaben, welche zuvor dem Pächter Sokonopis auferlegt waren, inzwischen wieder selbst über-nommen. Doch war er nun offenbar nicht imstande, den für die Jahre 98/97 und 97/96 v. Chr. zu entrichtenden Betrag von je 5 Artaben Weizen aus eigenen Mitteln aufzubringen. Deshalb verpflichtet sich Sokonopis, für das erste Jahr die Hälfte der Steuern, also 2 1/2 Artaben, zu tragen; die restlichen 2 1/2 Artaben Weizen soll Hermon, dessen Beziehung zu *Soko-noppmois unklar bleibt, in Form von 5 Artaben Gerste an den Staat abführen:

m[tw]=k Ìy rtb sw 2 1/2 r pr-¨¨.w.s. (n) Ì.t-sp 17.t mtw Hrmn Ìy ky rtbít 5 r pr-¨¨.w.s. / [(n) Ì.t-sp 17.t r mÌ] [p rtb] sw 5 n [s]m pr-¨¨.w.s. Ì.t-sp 17.t ‘Und du mißt 2 1/2 Artaben Weizen zu für den KönigL.H.G. (im) Regierungs-jahr 17. Und Hermon mißt weitere 5 Artaben Gerste zu für den KönigL.H.G. [(im) Regierungsjahr 17, um] die 5 Artaben Weizen für die Ernteabgabe des KönigsL.H.G. (im) Regierungsjahr 17 [zu vervollständigen]’ (Z. 8-9).

Für das zweite Jahr steuert Sokonopis sogar 3 1/2 Artaben Weizen bei; die noch fehlenden 1 1/2 Artaben soll diesmal Petermuthis, ein Schuldner des *Sokonoppmois, zusätzlich zu seinen eigenen Abgaben aufbringen:

mtw=k Ìy ky rtb sw 3 1/2 (r) pr-¨¨.w.s. (n) Ì.t-sp 18 – / [mtw P-dí-Rnny(.t) …(?) Ìy] ky rtb sw 1 1/2 nty mtw=y (n-)∂r.†=f (n-)Ìw ny=f md.w(t)-pr-¨¨.w.s.

‘Und du mißt weitere 3 1/2 Artaben Weizen zu (für) den KönigL.H.G. (im) Regierungsjahr 18. [Und Petermuthis …(?) mißt] weitere 1 1/2 Artaben Weizen [zu], die mir zustehen aus seiner Hand, zusätzlich zu seinen Königs-sachenL.H.G.’ (Z. 10-11)17.

Bemerkenswerterweise wird dabei ausdrücklich betont, daß *Sokonopp-mois gegenüber Petermuthis keine darüber hinausgehenden Forderungen geltend machen könne:

bn íw=y (r) rÌ ír m-s P-dí-Rnny(.t) / [r Ìy ky rtb sw 3 1/2 r pr-¨¨.w.s. r] mÌ p rtb sw 5 n sm pr-¨¨.w.s. Ì.t-sp 18

17 Zur Ergänzung des Personennamens vgl. die im Anschluß wiedergegebene Passage in Z. 11-12.

352 W. WEGNER

‘Nicht werde ich Petermuthis auferlegen können, [weitere 3 1/2 Artaben Weizen zuzumessen für den KönigL.H.G., um] die 5 Artaben Weizen für die Ernteabgabe des KönigsL.H.G. (im) Regierungsjahr 18 [zu] vervollständigen’ (Z. 11-12).

Die von Sokonopis leihweise zur Verfügung gestellten Beträgewurden mit dem für Naturaldarlehen üblichen Zinssatz von 50 % pro Vegetationsperiode18 — diese lief vom 1. Epeiph bis zum 30. Payni — verzinst. Somit belaufen sich die 2 1/2 Artaben Weizen aus dem Jahr 98/97 v. Chr. im folgenden Jahr 97/96 v. Chr. bereits auf 3 3/4 Artaben:

mtw py=k rtb sw 2 1/2 n Ì.t-sp 17.t ír rtb sw 3 2/3 1/12 (n) ∂∂ ms(.t) / [(r-)hn Ì.t-sp 18 bd-2 smm] (sw) ¨rqy

‘Und deine 2 1/2 Artaben Weizen aus dem Regierungsjahr 17 betragen 3 3/4 Artaben Weizen (als) Kapital (und) Zinsen [bis zum Regierungsjahr 18, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit], letzter (Tag)’ (Z. 9-10).

Mit den in diesem Jahr zusätzlich anfallenden 3 1/2 Artaben kommt man auf 7 1/4 Artaben, und noch ein Jahr später summiert sich die Schuld mit Zins und Zinseszins auf 11 Artaben:

m[tw] py=k rtb sw 3 1/2 (r-)wÌ(?) p rtb sw 3 2/3 1/12 – / [n Ì.t-sp 18 ír rtb sw 7 1/4 (n) ∂∂ (r-)h][n] Ì.t-sp 18 bd-2 smm (sw) ¨rqy [m]tw=w ír rtb sw 11 (n) ∂∂ ms(.t) (r-)hn Ì.t-sp 19 bd-2 smm (sw) ¨rqy ‘U[nd] deine 3 1/2 Artaben Weizen und die 3 3/4 Artaben Weizen [aus dem Regierungsjahr 18 betragen 7 1/4 Artaben Weizen (als) Kapital bis] zum Regierungsjahr 18, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit, letzter (Tag). Und sie betragen 11 Artaben Weizen (als) Kapital (und) Zinsen bis zum Regierungs-jahr 19, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit, letzter (Tag)’ (Z. 12-13).

Zur Tilgung wurde das Pachtverhältnis um ein Jahr verlängert und die geschuldete Gesamtsumme mit den Pachtzinsen verrechnet, die Sokono-pis für das fragliche Jahr 96/95 v. Chr. an *Sokonoppmois hätte zahlen müssen, nämlich 15 Artaben Weizen, wobei die als Rest verbleibenden 4 Artaben Weizen von Sokonopis schon am Tag der Urkundenausstellung als Vorausgeld (Ì∂-Ì.t) gezahlt wurden:

[mtw=k t (s†.t) 2.t Ì nty Ìry (n) p rd] Ì.t-sp 19 (n-)ws swb <py=w sm> rtb sw 15 wp-st Ì∂-Ì.t [Ìn=w (n) p] hrw p rtb sw 11 nty Ìry m-s=w [rtb sw 4]‘[Dein sind die obigen 2 (Aruren) Acker (für) den Wuchs] des Regierungs-jahres 19. Ohne swb-Gras: <ihr Pachtzins> sind 15 Artaben Weizen.

18 Vgl. S. L. Lippert, Ein demotisches juristisches Lehrbuch: Untersuchungen zu Papy-rus Berlin P 23757 rto (ÄA 66; Wiesbaden, 2004), 53-55; S. Lippert, Einführung in die altägyptische Rechtsgeschichte (EQÄ 5; Berlin, 22012), 99-100.

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 353

Spezifizierung: Vorausgeld davon heute: die obigen 11 Artaben Weizen, außer ihnen: 4 Artaben Weizen’ (Z. 14)19.

Auffällig ist dabei die Tatsache, daß sich die Pachtzinsen im Vergleich zu den in P. Kairo CG 31079 [1] vereinbarten 3 Artaben Weizen, zu denen noch die vom Pächter zu entrichtenden staatlichen Abgaben von5 Artaben Weizen zu rechnen sind, beinahe verdoppelt haben. Dies erklärt sich gewiß dadurch, daß der Acker aufgrund der Errichtung des Ringdeiches nunmehr in Zweierntenwirtschaft bestellt werden konnte.

Für das Jahr 96/95 v. Chr. verpflichtete sich der Verpächter dazu, die staatlichen Abgaben von 5 Artaben Weizen wieder selbst zu tragen. Zu diesem Zweck räumte er Sokonopis die Verfügungsgewalt über 5 Artaben Weizen ein, die ihm jährlich seitens des Staates zustanden:

[mtw]=y Ì[y] p rtb sw 5 [r] [pr-¨][¨.w.s.] (n) Ì.t-sp 19 íw-[íw]=k [ír-]sÌy (n) py(=y) rtb sw 5 nty mtw=y Ìr / [pr-¨¨.w.s. Ìr rnp.t nb r Ìy=w r pr-¨]¨.w.s. Ìr p rtb sw 5 n s[m] pr-¨¨.w.s. nty Ìry

‘[Und] ich messe die 5 Artaben Weizen zu für [den König]L.H.G. (im) Regierungsjahr 19, indem du Macht [hast] (über) meine 5 Artaben Weizen, die mir zustehen zu Lasten des [KönigsL.H.G. für jedes Jahr, um sie zuzumessen für den König]L.H.G. wegen der 5 Artaben Weizen für die obige Ernteabgabe des KönigsL.H.G.’ (Z. 16-17)20.

Sofern Sokonopis weitere Zahlungsverpflichtungen des Verpächters hätte übernehmen müssen, wäre eine Eventualklausel in Kraft getreten, aufgrund derer sich das Pachtverhältnis vom Jahr 95/94 v. Chr. an solange ver-längert hätte, bis Sokonopis die von ihm vorgestreckte Summe mit Zins und Zinseszins in Höhe von 50 % pro Vegetationsperiode aus dem Acker erwirtschaftet haben würde:

p nkt [nb] [(n) p] [t] nty íw=w dí.t tw=k s (r-)∂∂ n Ì(.w) nty Ìry — / [(n) p bnr p rtb sw 11 nty Ìry íw-íw=k ír-sÌy (n) n Ì(.w)] nty Ìry (n-)†y p rd [Ì.t-sp] [20] r-Ìry s¨-tw=k mÌ=k (n) p nty íw=w dí.t tw=k s írm py=f 1-r-1-1/2 Ìr rnp.t nb ‘Jede Sache [(auf) der] Welt, die man dich geben läßt, geht zu Lasten der obigen Äcker, [abgesehen von den obigen 11 Artaben Weizen, indem du Macht hast (über) die] obigen [Äcker] vom Wuchs [des Regierungsjahres] 20 an in Zukunft, bis du dich vollständig bezahlt hast (mit) dem, wasman dich geben läßt, und (mit) seinem Anderthalbfachen für jedes Jahr’(Z. 18-19).

19 Zur Emendation vgl. die Parallele in P. Kairo CG 30613 [6], 16 (siehe unten). 20 Zur Ergänzung vgl. die Parallele in Z. 21-22 (siehe unten).

354 W. WEGNER

Die Schuld wäre dabei wiederum mit den Pachtzinsen verrechnet wor-den, die sich in Abhängigkeit von der angebauten Frucht — Weizen, Gerste oder Gras — auf 15 Artaben Weizen oder Gerste bzw. eine in Lücke stehende Geldsumme belaufen sollten:

[py=w sm (n) ty=w rnp.t sw (n-)ws sw][b] rtb sw 7 1/2 (r) (s†.t) 1.t Ì [r] rtb sw 15 (n) ty=w rnp[.t] ít rtb ít 7 1/2 (r) (s†.t) 1.t Ì (n) ty=w rnp.t s[m] – / [Ì∂ (dbn) … (r) (s†.t) 1.t Ì] ‘[Ihr Pachtzins (in) ihrem Jahr des Weizens ohne swb-Gr]as sind 7 1/2 Artaben Weizen (für) 1 (Arure) Acker, macht 15 Artaben Weizen, (in) ihrem Jah[r] der Gerste 7 1/2 Artaben Gerste (für) 1 (Arure) Acker (und in) ihrem Jahr des Grases [… (Deben) Geld (für) 1 (Arure) Acker]’ (Z. 20-21).

Dabei läßt die Nennung zweier Getreidearten und des sicher als Brach-frucht aufzufassenden Grases darauf schließen, daß ein dreijähriger Frucht-wechsel21 intendiert war. Die an den Staat zu entrichtenden Abgaben sollten in diesem Fall genauso wie im Jahr 96/95 v. Chr. dadurch finan-ziert werden, daß *Sokonoppmois Sokonopis die Verfügungsgewalt über jene 5 Artaben Weizen einräumte, die ihm jedes Jahr seitens des Staates zustanden:

[íw-]íw[=k] ír-sÌy (n) p[y(=y)] rtb sw 5 nty mtw=y Ìr pr-¨¨.w.s. Ìr rnp.t nb [r Ìy=w r pr-¨¨.w.s. Ìr p sm pr-¨¨.w.s.] ‘[in]dem [du] Macht hast (über) meine 5 Artaben Weizen, die mir zustehen zu Lasten des KönigsL.H.G. für jedes Jahr, [um sie zuzumessen für den KönigL.H.G. wegen der Ernteabgabe des KönigsL.H.G.]’ (Z. 21-22).

P. Kairo CG 30626 [5] überliefert den Anfang einer auf den 25. Aug. 96 v. Chr. datierten, mitten in der Beschreibung der Grenznachbarn abbrechenden Pachturkunde zwischen *Sokonoppmois und Sokonopis über dieselben 2 Aruren Ackerland. Vermutlich ist sie deshalb nicht fer-tiggestellt worden, weil durch eine erneute Beratung der Kontrahenten über die Konditionen des Pachtgeschäfts eine Abänderung des Wortlauts der bereits begonnenen Urkunde nötig wurde, die dem Notar zu gewichtig erschien, um einfach eine entsprechende Korrektur vorzunehmen. Ein unvollständig erhaltener Vermerk gibt anscheinend die intendierte Laufzeit des Pachtverhältnisses an:

[…(?) p sÌn r.ír Sbk-(n-)̨py-p-my (s) Sb][k-][(n-)̨py-]p-my (n) Ì.t-sp 19 Ì.t-sp 20 Ì.t-sp 21 (r) rnp.t [3.t]

21 Zum Fruchtwechsel im Fayum vgl. Schnebel, Landwirtschaft, 230-237; Hennig, Bodenpacht, 50-54.

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 355

‘[…(?) der Pachturkunde, die *Sokonoppmois, (Sohn) des *So]konoppmois [ausgestellt hat] (für) das Regierungsjahr 19, das Regierungsjahr 20 (und) das Regierungsjahr 21, (macht) 3 Jahre’ (Z. 8).

Dieses sollte also drei Jahre, von 96/95 bis 94/93 v. Chr., dauern. Unter der Voraussetzung, daß die Eventualklausel von P. Kairo CG 30615 [3] nicht in Kraft trat, entspräche dies genau der zwischen dieser und der im Anschluß zu besprechenden Urkunde P. Kairo CG 30613 [6] bestehenden Lücke. Da das vorliegende Dokument in seiner Unvollständigkeit jedoch keinesfalls rechtsgültig war, wird man demnach davon ausgehen dürfen, daß statt seiner eine andere Pachturkunde ähnlichen Inhalts ausgefertigt wurde, welche nicht erhalten ist.

P. Kairo CG 30613 [6] vom 14(?). Feb. 94 v. Chr. referiert abermals zunächst die Bestimmungen einer nicht vorliegenden Pachturkunde, vermutlich der gerade erschlossenen. Wie bereits oben erwähnt, hatte man darin die von Sokonopis gepachtete Parzelle von 2 auf 4 Aruren ver größert. Das Pachtverhältnis läuft noch bis 94/93 v. Chr., für welches Jahr wohl der Anbau von Gras vorgesehen war:

mtw=k n Ì(.w) nty Ìry (n) p rd Ì.t-sp 21.t / [r ír=w (n) sm]

‘Dein sind die obigen Äcker (für) den Wuchs des Regierungsjahres 21, [um sie (mit) Gras zu bestellen]’ (Z. 10-11)22.

Sodann quittiert die Urkunde wiederum die vorzeitige Zahlung der Pacht-zinsen, wohl für die Jahre 95/94 bis 94/93 v. Chr.:

[py=w sm] mÌ=k †=y dí=k mtr Ìty=y n.ím=f (n) Ì∂-Ì.t (n) p hrw

‘[Ihr Pachtzins], du hast mich vollständig bezahlt, du hast mein Herz heute damit zufriedengestellt (als) Vorausgeld’ (Z. 11).

Der Verpächter *Sokonoppmois, der die staatlichen Abgaben anscheinend nicht in voller Höhe aus eigenen Mitteln aufbringen konnte, verpflichtete sich zumindest zur Übernahme eines Teilbetrags von 2 1/2 Artaben Weizen:

mtw=y Ìy=w — / [(n) rtb sw 2 1/2 r pr-¨¨.w.s.] [(n) Ì].t-sp 21.t ‘Und ich messe sie zu, [(nämlich) 2 1/2 Artaben Weizen, für den KönigL.H.G.] (im) Regierungsjahr 21’ (Z. 12-13)23.

22 Die Ergänzung basiert auf der durch P. Kairo CG 30615 [3], 20-21 nahegelegten Annahme eines dreijährigen Fruchtwechsels (siehe dazu oben).

23 Der in Lücke stehende Betrag ergibt sich aus der unter Zugrundelegung des bishe-rigen Steuersatzes von 2 1/2 Artaben Weizen pro Arure zu ermittelnden Gesamtsumme von 10 Artaben Weizen.

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Die Zahlung der verbleibenden 7 1/2 Artaben wurde dem Pächter aufer-legt:

[mtw=k Ìy ky rtb s][w] 7 1/2 r pr-¨¨.w.s. (n) Ì.t-sp 21.t ‘[Und du mißt weitere] 7 1/2 [Artaben Wei]zen [zu] für den KönigL.H.G. (im) Regierungsjahr 21’ (Z. 15).

Ferner gewährte Sokonopis dem Verpächter am oder bereits vor dem Tag der Urkundenausstellung ein als Vorausgeld (Ì∂-Ì.t) charakterisiertes Darlehen in Höhe von 3 Artaben Weizen, das mit 50 % pro Vegetations-periode verzinst wurde, so daß sich die Schuld am Ende des folgenden Jahres 94/93 v. Chr. bereits auf 4 1/2 Artaben belief:

wp-st Ì∂-Ì.t nty mtw=k r.Ìr=y (n) p hrw rtb sw 3 (n) ∂∂ / [(r-)hn Ì.t-sp 20.t bd-2 smw] (sw) ¨rqy mtw=w ír rtb sw 4 1/2 (n) ∂∂ ms(.t) (r-)hn Ì.t-sp 21.t bd-2 smw (sw) ¨rqy‘Spezifizierung: Vorausgeld, das dir heute zusteht zu meinen Lasten:3 Artaben Weizen (als) Kapital [bis zum Regierungsjahr 20, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit], letzter (Tag). Und sie betragen 4 1/2 Artaben Weizen (als) Kapital (und) Zinsen bis zum Regierungsjahr 21, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit, letzter (Tag)’ (Z. 13-14).

Zur Tilgung wurde des Pachtverhältnis um ein weiteres Jahr, bis 93/92 v. Chr., verlängert:

[mtw=k t (s†.t) 4.t Ì nty] [Ìry] (n) p rd Ì.t-sp 22.t (n-)ws swb py=w [s]m rtb sw 23‘[Dein sind die] obi[gen 4 (Aruren) Acker] (für) den Wuchs des Regie rungs-jahres 22. Ohne swb-Gras: ihr Pachtzins sind 23 Artaben Weizen’ (Z. 16).

Die für das fragliche Jahr 93/92 v. Chr. fälligen Pachtzinsen betragen 23 Artaben Weizen, die sich nach Maßgabe der Pachturkunden P. Kairo CG 31079 [1] und 30615 [3] aus 15 Artaben für die zwei im Ringdeich gele-genen Aruren und je 4 Artaben für die beiden anderen zusammensetzen dürften. Die beiden Darlehen, welche sich mit Zins und Zinseszins in Höhe von 50 % bis zum Jahr 93/92 v. Chr. auf 18 Artaben Weizen sum-mierten, wurden mit diesen 23 Artaben verrechnet, so daß der Pächter Sokonopis nur noch 5 Artaben zu zahlen hatte:

[mtw py=k rtb sw 12 n Ì.t-sp 21.t] [ír] rtb sw 18 (n) ∂∂ ms(.t) (r-)hn Ì.t-sp 22.t bd-2 smw (sw) ¨rqy mtw=w — / [íp=w(?) Ìn p rtb sw] 23 nty Ìry m-s[=w] rtb sw 5 ‘[Und deine 12 Artaben Weizen aus dem Regierungsjahr 21] betragen 18 Artaben Weizen (als) Kapital (und) Zinsen bis zum Regierungsjahr 22, Monat 2 der Schemu-Jahreszeit, letzter (Tag). Und man [rechnet(?) sie(?)

DIE PRIVATEN GESCHÄFTE ZWEIER SOKNEBTYNIS-PRIESTER 357

an(?) auf die] obigen 23 [Artaben Weizen], außer [ihnen]: 5 Artaben Weizen’ (Z. 17-18).

Am Ende der Pachturkunde findet sich ebenso wie in P. Kairo CG 30615 [3] eine Eventualklausel. Dieser zufolge wäre dem Pächter, sofern er weitere Zahlungsverpflichtungen des Verpächters *Sokonoppmoishätte übernehmen müssen, die Verfügungsgewalt über die Parzelle vom Jahr 92/91 v. Chr. an eingeräumt worden, und zwar solange, bis die vor-gestreckte Summe mit Zins und Zinseszins in Höhe von 50 % durch Verrechnung mit den Pachtzinsen getilgt gewesen wäre:

p nkt nb (n) p t nty íw=w dí.t [tw]=k s (r-)∂∂ n Ì(.w) nty Ìry / [(n) p bnr p rtb sw 18 nty Ìry íw-]íw[=k] ír-sÌy (n) n Ì(.w) nty Ìry (n-)†y p rd Ì.t-sp 23 s¨-tw=y / [mÌ=k (n) p nty íw=w dí.t tw=k s í]rm py=f 1-r-1-1/2

‘Jede Sache (auf) der Welt, die man dich geben läßt, geht zu Lasten der obigen Äcker, [abgesehen von den obigen 18 Artaben Weizen, in]dem du Macht hast (über) die obigen Äcker vom Wuchs des Regierungsjahres 23 an, bis ich [dich vollständig bezahlt habe (mit) dem, was man dich geben läßt, u]nd mit seinem Anderthalbfachen’ (Z. 19-21).

In P. Kairo CG 30614 [8] vom 21. Mai 88 v. Chr. bestätigt *Soko-noppmois dem Sokonopis, daß er die Pachtzinsen für 4 Aruren Ackerland gezahlt hat, die sich zusätzlich zur Übernahme der staatlichen Abgaben in Höhe von 7 1/2 Artaben Weizen auf 4 1/2 Artaben Weizen, anschei-nend pro Jahr, beziffern:

mÌ=k †=y dí=k mtr Ìty=y (n) p sm — / ty(=y) (s†.t) 4.t Ì nty ír rtb sw 4 1/2 (n) p Ìw p rtb sw 7 1/2 / nty-íw íw-íw=k (r) Ìy=w (r) pr-¨¨.w.s. (n-)†y p rd Ìt-sp 26 / nty ír Ì.t-sp 2[9] (r-)hn Ì.t-sp 29 nty ír [Ì][.t-sp] [32] [r rnp.t 4.t] / rd 4 ‘Du hast mich vollständig bezahlt. Du hast mein Herz zufriedengestellt (mit) dem Pachtzins meiner 4 (Aruren) Acker, der 4 1/2 Artaben Weizen beträgt, zusätzlich zu den 7 1/2 Artaben Weizen, die du zumessen wirst (für) den KönigL.H.G., vom Wuchs des Regierungsjahres 26, entspricht Regierungsjahr 29, bis zum Regierungsjahr 29, entspricht Regierungs[jahr] 32, [macht 4 Jahre (und)] 4 Wüchse’ (Z. 4-8).

Sofern man annimmt, daß nur drei der vier Aruren bebaut werden konn-ten, weil z.B. eine davon unfruchtbar war, entsprechen diese Beträge den in den vorstehend besprochenen Pachturkunden für normal, d.h. ohne Ringdeich, bewirtschaftetes Land pro Arure berechneten Pachtzinsen von 4 Artaben Weizen bzw. 1 1/2 Artaben Weizen zuzüglich der staatlichen Abgaben von 2 1/2 Artaben. Angesichts der mutmaßlich reduzierten Anbaufläche und der deutlich höheren Pachtzinsen für die zwei innerhalb

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des Deichs gelegenen Aruren in P. Kairo CG 30615 [3] und 30613 [6] mag man Zweifel daran haben, daß es sich bei den vorliegenden 4 Aruren, deren Lage und Grenznachbarn nicht angegeben sind, um dieselben handelt wie in der letzteren Urkunde. Es erscheint jedoch auch keineswegs aus-geschlossen, daß der Ringdeich unterdessen durch eine Überschwem-mung abgetragen oder aus unerfindlichen Gründen wieder abgerissen wurde und daß eine Arure Ackerland z.B. durch Versumpfung unfrucht-bar geworden ist. Quittiert wird die Entrichtung der Pachtzinsen für vier Jahre, nämlich die Jahre 89/88 bis 86/85 v. Chr. Demnach handelte es sich auch in diesem Fall um eine vorzeitige Zahlung, auch wenn dies nicht eigens erwähnt wird.

Das zugrundeliegende Pachtverhältnis, das durch eine einst im Urkun-dentext genannte — die Ergänzung scheint mir zwingend —, aber nicht vorliegende Pachturkunde, mutmaßlich aus dem Jahr 92/91 v. Chr., begründet wurde, lief aber nicht über vier, sondern über zehn Jahre:

[m][tw=k n Ì(.w) nty Ìry (r-)Ì(.t) p sÌn] / r.ír=y n=k (n) rnp.t 10.t [rd] [10] ‘[Dei]n [sind] die obigen Äcker gemäß der Pachturkunde], die ich dir aus-gestellt habe (für) 10 Jahre (und) [10] Wüchse’ (Z. 9-10).

Ebenso wie in den Pachturkunden findet sich in P. Kairo CG 30614 [8] eine Eventualklausel, nach der sich der Pächter für den Fall der Über-nahme zusätzlicher Zahlungsverpflichtungen des Verpächters für die mit 50 % pro Vegetationsperiode zu verzinsende Schuld aus dem gepachteten Acker entschädigen sollte:

p nkt nb (n) p t nty-íw íw=w dí.t tw=k s (r-)∂∂=y (n) p bnr / p rtb sw 7 1/2 íw-íw=k ír-sÌy (n) n Ì(.w) <nty Ìry> s¨-tw=k — / mÌ.†=k n.ím=w írm py=w 1-r-1-1/2 (n) n ss(.w) nty ín-íw.w ‘Jede Sache (auf) der Welt, die man dich geben läßt, geht zu meinen Lasten, abgesehen von den 7 1/2 Artaben Weizen, indem du Macht hast (über)die <obigen> Äcker, bis du dich damit und mit ihrem Anderthalbfachen vollständig bezahlst hast (an) den Tagen, die kommen’ (Z. 12-14).

Die juristische Interpretation dieser fünf Urkunden ist strittig. Partsch ging von einem antichretischen Pachtverhältnis aus24. Derartigen Ver-pachtungen liegt eine Schuld des Verpächters gegenüber dem Pächter zugrunde, die aus den Erträgen des als Nutzpfand (griech. ântíxrjsiv) fungierenden Pachtobjekts getilgt werden soll25. Hughes dagegen war der

24 J. Partsch und U. Wilcken, Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung, III: Juristische Urkunden der Ptolemäerzeit (AHAW 7; Heidelberg, 1927), 32-41.

25 Vgl. Herrmann, Bodenpacht, 236-244; Felber, Ackerpachtverträge, 209.

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Auffassung, daß lediglich eine Vorauszahlung des Pachtzinses vorliegt26. Solche Rechtsgeschäfte bezeichnet man als prodomatische Pacht (griech. prodomatik® mísqwsiv)27, wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß der juristische Gehalt der betreffenden griechischen Pachturkunden bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist28. Felber läßt die Frage offen29, Monson tendiert zur Deutung als antichretische Pacht30, und Lippert äußert sich doppeldeutig zu P. Kairo CG 31079 [1]31.

Wie aus den obigen Besprechungen der Dokumente hervorgeht, liegt tatsächlich ein komplizierter konstruiertes Pachtverhältnis vor. P. Kairo CG 31079 [1], 30615 [3], 30613 [6] und wohl auch 30614 [8] dokumen-tieren zunächst die vorzeitige Zahlung der Pachtzinsen aus einem beste-henden Pachtverhältnis, das in den ersten drei Fällen zudem verlängert wird. P. Kairo CG 30615 [3] und 30613 [6] beinhalten ferner antichreti-sche Nebenbestimmungen zur Tilgung jener Beträge, welche der Pächter dem Verpächter vorstrecken sollte. Ein antichretisches Pachtverhältnis liegt also nur in denjenigen Jahren vor, in denen die Pachtzinsen mit den jeweils geschuldeten Summen verrechnet wurden. Desgleichen hätten die Eventualklauseln, die nicht in Kraft getreten zu sein scheinen, ein anti-chretisches Pachtverhältnis begründet.

26 G. R. Hughes, Saite Demotic Land Leases (SAOC 28; Chicago, 1952), 32-33. 27 Vgl. Herrmann, Bodenpacht, 229-235; Felber, Ackerpachtverträge, 209. 28 Vgl. Hennig, Bodenpacht, 36-41; V. Geginat, Prodoma in den Papyri aus dem ptole-

mäischen und römischen Ägypten (Diss.; Köln, 1964); B. Kramer, Corpus Papyrorum Raineri, XVIII: Griechische Texte, XIII: Das Vertragsregister von Theogenis (P. Vindob. G 40618) (Wien, 1991), 40-42.

29 Felber, Ackerpachtverträge, 209-210. 30 A. Monson, ‘Sacred Land in Ptolemaic and Roman Tebtunis’, in S. Lippert und

M. Schentuleit (Hgg.), Tebtynis und Soknopaiu Nesos: Leben im römerzeitlichen Fajum. Akten des Internationalen Symposions vom 11. bis 13. Dezember 2003 in Sommerhausen bei Würzburg (Wiesbaden, 2005), 81-82.

31 Lippert, Rechtsgeschichte2, 96, 101.