Die Fünfeckäxte aus dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz. Veröff. Mus. Westlausitz...

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3 Veröff. Mus. Westlausitz Kamenz 31 Kamenz 2011 x – xx Die Fünfeckäxte aus dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz Daniela Frehse Einleitung Schon seit Langem sind Steinäxte ein wichtiger Bestandteil archäologischer Betrachtungen. Sie sind hinsichtlich ihrer Formen und ihrer zeitlichen Einordnung relativ gut zu unterscheiden und werden in manchen Fällen sogar für die Datierung weniger aussagekräftiger Fundkomplexe herangezogen. Obwohl bereits unzählige steinerne Äxte der bronze- und eisenzeitlichen Lausitzer Kultur bekannt sind, wurde diesen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In den meisten Fällen wurden sie als „fünfeckig“ beschrieben, doch keiner eingehenderen Analyse unterzogen, wie es für die neoli- thischen Steingeräte bereits mehrfach unternommen wurde (u. a. Brandt 1967; ZápotockÝ 1992). Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die bronze- und eisenzeitlichen Steinäxte auf dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz typologisch zu gliedern sowie chronologisch und kulturgeschichtlich zu werten. Dafür konnten insgesamt 105 Fundstücke im Arbeitsgebiet lokalisiert und als Bestandteil einer Qualifikationsarbeit aufgenommen und untersucht werden (Frehse 2009). Forschungsgeschichte Fünfeckäxte weisen den für sie typischen fünfeckigen Umriss auf und sind meist aus hartem und sorgfältig geschliffenem Felsgestein gefertigt. Sie treten während der jüngeren Bronzezeit sowie der frühen Eisenzeit in Südbrandenburg, Ostsachsen und Schlesien auf und sind vorwiegend mit Funden der Lausitzer Kultur vergesellschaftet. Wenige Stücke streuen noch bis in das nördliche Rheingebiet über Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg und Thüringen bis nach Pommern. In diesem erweiterten Verbreitungsgebiet weisen sie einen annähernd fünfeckigen Umriss auf, so dass sie von K.  Tackenberg (1974, 3 f.) als „von der Lausitzer Kultur beeinflusste Steingeräte“ angesprochen wurden. O. F. Gandert (1934, 140) stellte umfangreiches Kartenmaterial der Lausitzer Kultur für das Gebiet der schlesischen Oberlausitz zusammen und wies die Fünfeckäxte bereits der spätbronze- und früh- eisenzeitlichen Stufen der Lausitzer Kultur zu. Dabei betonte er das Vorkommen kleinerer und größerer Fundstücke innerhalb einer chronologischen Stufe und wies die kleinsten Fundstücke dem jüngsten Abschnitt zu. Die erste umfassende typologische Aufarbeitung von Fünfeckäxten erfolgte durch M. Kostrzewska (1953, 239 ff.). Die Autorin bearbeitete die Lausitzer Steinäxte aus dem großpolnischen Gebiet und konnte fünf Typengruppen mit deren Varianten herausstellen. Die Einteilung erfolgte zunächst nach der Axtlänge sowie nach dem Rundungsgrad der Kanten. Bei der Bewertung der Gruppen 3 bis 5 wurde zusätzlich der Verlauf der Außenseiten bzw. die Ausbildung der Schaftlochverstärkung berücksichtigt. Eine detaillierte chronologische Zuweisung der einzelnen Gruppen erfolgte in diesem Rahmen jedoch nicht. Für den mitteldeutschen Raum wurden die fünfeckigen Steinäxte erstmals von W. Schrickel (1954, 158 ff.) bearbeitet. Die Autorin unterschied zwischen Äxten mit fünfkantigem Grundriss und echten „Fünfkantern“, wobei jedoch unklar ist, welche Merkmalskriterien zur Wertung herangezogen wurden. Heft31_211211.indd 3 21.12.11 13:10

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Veröff. Mus. Westlausitz Kamenz 31 Kamenz 2011 x – xx

Die Fünfeckäxte aus dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz

Daniela Frehse

Einleitung

Schon seit Langem sind Steinäxte ein wichtiger Bestandteil archäologischer Betrachtungen. Sie sind hinsichtlich ihrer Formen und ihrer zeitlichen Einordnung relativ gut zu unterscheiden und werden in manchen Fällen sogar für die Datierung weniger aussagekräftiger Fundkomplexe herangezogen. Obwohl bereits unzählige steinerne Äxte der bronze- und eisenzeitlichen Lausitzer Kultur bekannt sind, wurde diesen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In den meisten Fällen wurden sie als „fünfeckig“ beschrieben, doch keiner eingehenderen Analyse unterzogen, wie es für die neoli-thischen Steingeräte bereits mehrfach unternommen wurde (u. a. Brandt 1967; ZápotockÝ 1992). Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die bronze- und eisenzeitlichen Steinäxte auf dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz typologisch zu gliedern sowie chronologisch und kulturgeschichtlich zu werten. Dafür konnten insgesamt 105 Fundstücke im Arbeitsgebiet lokalisiert und als Bestandteil einer Qualifikationsarbeit aufgenommen und untersucht werden (Frehse 2009).

Forschungsgeschichte

Fünfeckäxte weisen den für sie typischen fünfeckigen Umriss auf und sind meist aus hartem und sorgfältig geschliffenem Felsgestein gefertigt. Sie treten während der jüngeren Bronzezeit sowie der frühen Eisenzeit in Südbrandenburg, Ostsachsen und Schlesien auf und sind vorwiegend mit Funden der Lausitzer Kultur vergesellschaftet. Wenige Stücke streuen noch bis in das nördliche Rheingebiet über Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg und Thüringen bis nach Pommern. In diesem erweiterten Verbreitungsgebiet weisen sie einen annähernd fünfeckigen Umriss auf, so dass sie von K.  Tackenberg (1974, 3 f.) als „von der Lausitzer Kultur beeinflusste Steingeräte“ angesprochen wurden.

O. F. Gandert (1934, 140) stellte umfangreiches Kartenmaterial der Lausitzer Kultur für das Gebiet der schlesischen Oberlausitz zusammen und wies die Fünfeckäxte bereits der spätbronze- und früh-eisenzeitlichen Stufen der Lausitzer Kultur zu. Dabei betonte er das Vorkommen kleinerer und größerer Fundstücke innerhalb einer chronologischen Stufe und wies die kleinsten Fundstücke dem jüngsten Abschnitt zu.

Die erste umfassende typologische Aufarbeitung von Fünfeckäxten erfolgte durch M. Kostrzewska (1953, 239 ff.). Die Autorin bearbeitete die Lausitzer Steinäxte aus dem großpolnischen Gebiet und konnte fünf Typengruppen mit deren Varianten herausstellen. Die Einteilung erfolgte zunächst nach der Axtlänge sowie nach dem Rundungsgrad der Kanten. Bei der Bewertung der Gruppen 3 bis 5 wurde zusätzlich der Verlauf der Außenseiten bzw. die Ausbildung der Schaftlochverstärkung berücksichtigt. Eine detaillierte chronologische Zuweisung der einzelnen Gruppen erfolgte in diesem Rahmen jedoch nicht.

Für den mitteldeutschen Raum wurden die fünfeckigen Steinäxte erstmals von W. Schrickel (1954, 158 ff.) bearbeitet. Die Autorin unterschied zwischen Äxten mit fünfkantigem Grundriss und echten „Fünfkantern“, wobei jedoch unklar ist, welche Merkmalskriterien zur Wertung herangezogen wurden.

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Erstere sollen sich aus den jütländischen Äxten des Endneolithikums im Gebiet zwischen Skandina-vien und dem österreich-schweizerischen Raum entwickelt haben. Letztere wurden dann der Lausitzer Kultur zugewiesen.

K. Tackenberg (1974, 3 ff.) bearbeitete u. a. die bronzezeitlichen Steingeräte Nordwestdeutschlands und stellte erstmals das Gesamtverbreitungsgebiet der Lausitzer Äxte heraus. Anhand des nord-westdeutschen Materials konnte die bereits angedeutete chronologische Einordnung der Lausitzer Steingeräte in die Perioden Montelius IV bis VI bekräftigt werden, eingehendere Untersuchungen konnten aufgrund des sehr geringen Fundmaterials jedoch auch hier nicht erfolgen.

D.-W. Buck (1979, 112; 2010, 19) befasste sich in seinen Arbeiten über die Billendorfer Gruppe mit den früheisenzeitlichen Steinäxten der Lausitzer Raumes. Er stellte erstmals Merkmale heraus, die für die typochronologische Ansprache der Fünfeckäxte relevant sind. So sollen die billendorfzeitlichen Äxte „divergierende Grundflächen“ – also ausschwingende Schneidenpartien – und „durch Rippen betonte Seitenkanten“ besitzen.

Typologie

Für die heutige sächsische Oberlausitz wurden insgesamt 105 Fundstücke dokumentiert, die vorwiegend als Einzelfunde, aber auch als Grab- und Siedlungsfunde in Erscheinung treten. Für die Oberlausitz, den Landkreisen Görlitz und Bautzen, wurden insgesamt 105 Fundstücke dokumen-tiert und bearbeitet. Dabei treten 54 Äxte (51%) als Einzelfunde, 18 (18 %) als Siedlungs- und 17  Fundstücke (16%) als Grabfunde in Erscheinung. Für 16 Steinäxte (15%) sind keine Fundum-stände bekannt.

In Anlehnung an die Typologie von M. Kostrzewska (1953) konnten nach der Ausbildung des Nackens, der Schneide und der Außenseiten folgende Typen unterschieden werden:

1. Äxte mit gerade verlaufenden Außenseiten, pyramidenstumpfförmigem Nacken und gerader Schneide werden als Typ 1 definiert. Sie besitzen meist gerade, seltener konvexe, am Schaftloch stumpfwinklig umgebogene Außenseiten und weisen in der Regel einen quadratischen Querschnitt auf. Anhand der Größe und des Verrundungsgrades des Fundstückes, die nicht selten aus einer mehr oder weniger starken Abnutzung bzw. Verwitterung des Materials resultieren, können zwei Varianten unterschieden werden. Variante A ist durch eine relativ lange Schneide und ein nackenständiges Schaftloch (Abb. 1, 1) charakterisiert. Variante B besitzt dagegen eine kürzere Schneide sowie ein mittelständiges Schaftloch (Abb. 1, 2).

2. Fünfeckäxte vom Typ 2 weisen nun stärker ausgeprägte Schaftlochverstärkungen auf. Diese sind leicht abgesetzt und rundbogig ausgebildet, wobei die Außenseiten eher konkav geschwungen sind (Abb. 1, 3). Daneben kommen auch schlankere Formen mit flacheren Nacken und leicht ausschwin-genden Schneiden vor. (Abb. 1, 4).

3. Fünfeckäxte vom Typ 3 besitzen stark ausschwingende Schneiden sowie flach rechteckig geformte Nacken. Das Schaftloch ist in der Regel nackenständig, der Querschnitt meist hoch rechteckig. Bei diesem Typ sind die Außenseiten konkav gebogen bzw. stärker geschwungen. Die Schaftlochverstär-kung kann zwischen abgesetzt bogenförmig (Abb. 1, 5) und spitzwinklig (Abb. 1, 6) variieren.

4. Zu Typ 4 gehören Fünfeckäxte, deren Umriss nur noch annähernd an den der vorhergehenden Typen erinnert. Äxte dieser Art haben einen völlig verrundeten fünfeckigen Umriss und relativ lange Schneiden. Die Außenseiten biegen verrundet am Schaftloch um (Abb. 1, 7).

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Abb. 1: Typologische Gliederung der Fünfeckäxte. 1. Basankwitz, Einzelfund. 2. Reichenau, Einzelfund. 3. Seidau, Siedlungsfund. 4. Niederkaina, Grabfund. 5. Gnaschwitz, Einzelfund. 6. Niederkaina, Grab-fund. 7. Preuschwitz, Einzelfund.

Variante A

Typ 1

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Typ 2

Typ 3

Typ 4

Variante B

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Chronologie

Fünfeckäxte vom Typ 1 konnten bisher nicht aus Grabfunden in der Oberlausitz nachgewiesen werden. Außerhalb des Arbeitsgebietes lassen sich jedoch einige Grabkomplexe mit Äxten dieses Typs anführen, die hauptsächlich mit Funden der Jüngstbronzezeit vergesellschaftet sind. Grab 2018 aus Klein Lieskow, Lkr. Spree-Neiße, in der Niederlausitz enthält neben der Fünfeckaxt (Buck 1989, Abb. 4. E) waagerecht geriefte Ware und kann der gleichnamigen Stufe der Lausitzer Kultur (nach Grünberg 1943) zugeordnet werden. Eine weitere Fünfeckaxt konnte aus Grab 13 in Rositz-Fichtenhainichen, Lkr. Altenburger Land, geborgen werden (Gomolka 1958, 128 Abb. 37. 12–15). Zum Grabinventar gehören u. a. die Reste gerauter Scherben, Bruchstücke eines Bronzeringes, Gefäßreste mit Warzen sowie das Unterteil eines gerauten Topfes mit Leichenbrand. Vom Lausitzer Gräberfeld Jeßnick 1, Lkr. Elbe-Elster, liegen aus Gräbern eine vollständig erhaltene Fünfeckaxt sowie ein Nackenbruchstück mit kreuzförmiger Ritzung vor (Schneider 1965, 111, 311 Taf. 28). Beide Funde sind mit Keramik der Stufe mit waagerecht geriefter Ware vergesellschaftet. Auch in Grab 9 aus Brandenburg a. d. Havel, wurde neben unverzierter Keramik und solcher mit Horizontalriefung eine Fünfeckaxt auf einem flachen Feldstein liegend aufgefunden (Vos & Stimmig 1890, Abt. III Taf. 5. 9).

Fünfeckäxte vom Typ 2 sind etwas seltener in datierbaren Befunden vertreten. Vom Gräberfeld Klein Lieskow, Lkr. Cottbus, liegen zwei Gräber mit Steinäxten vom Typ 2 A vor. Bei Grab 35 A handelt es sich um eine Doppelbestattung in einem Urnenflachgrab, in dem neben der Steinaxt vorwiegend Gefäße der frühen Billendorfer Stufe beigegeben wurden. Neben der Urne mit Halbkreisriefen und kanneliertem Bauch (Buck 2010, 19 Abb. 30, Taf. 44–46), weist ein stark bauchiges Kännchen mit konkavem Unterteil in die frühste Billendorfer Stufe. Das zweite Lieskauer Grab enthält eine bereits stark verrundete Fünfeckaxt und kann aufgrund der Beigaben ebenfalls in die frühe Stufe der Billendorfer Kultur datiert werden (Buck 2010, Taf. 92–95). Eine vollständig erhaltene Fünfeckaxt vom Typ 2 B vom Gräberfeld in Niederkaina, Lkr. Bautzen, datiert in die Jüngstbronzezeit (Puttkammer 2005, 176 Abb. 95). Hinweise zur Datierung bieten die Wandungsscherbe mit horizontaler Riefung, bei der das schon abgeflaute Schulterprofil der Gefäße (besonders der Amphoren) zu erkennen ist. Neben den flachen Omphalosschälchen mit deren halb-kugeligen Wandungen kann auch der kleine schmale Eitopf mit Fingernageleindrücken als Anhaltspunkt zur Einordnung in die späte Stufe der Jüngstbronzezeit genannt werden. Das Schneidenbruchstück aus Grab III/39 (Coblenz 1958, Bl. 70 a) aus Niederkaina kann anhand der Beifunde in die Stufe Niederkaina 3 a (nach Puttkammer 2005) gestellt werden. Allerdings ist die Typenzuweisung des Bruchstückes eher fraglich, da die Ausbildung der Schaftlochverstärkung kaum zu erkennen ist. Nur auf Grund des Querschnit-tes und der relativ schmalen und länglichen Schneide könnte das Fundstück Typ 2 zugewiesen werden.

Vom Typ 3 liegt eine Miniaturaxt aus Grab 1963/E-58 (Hoppel & Jansen 2007, Taf. 67) vom Gräberfeld Niederkaina vor. Sie kann auf Grund der Grabbeigaben, die aus reich verzierten, flachen und stark profilierten Tassen mit überrandständigem Henkel, Schalen sowie aus einem reich verzierten Krug mit steilem konischen Hals und überrandständigem Bandhenkel bestehen, in die ältere Phase der Billen-dorfer Gruppe (nach Buck 1979) datiert werden. Aus dem Kammergrab 1951/Ia-13 von Niederkaina stammt ebenfalls eine Fünfeckaxt vom Typ 3 (Heyd 2002, 116 ff. Taf. 43). Es handelt es sich hierbei um eine Doppelbestattung, wobei Bestattung 2 eine vasenartige Urne mit Kinderleichenbrand enthielt. Zu den Grabbeigaben gehörten mehrere Bronzestückchen und einige verzierte Gefäße, unter denen die spitzbodige Kanne, ein Schälchen sowie ein Miniaturspitzkännchen ebenfalls in die ältere Phase der Billendorfer Gruppe zu datieren sind. Neben den Funden vom Gräberfeld in Niederkaina stammt vom früheisenzeitlichen Gräberfeld in Klix, Lkr. Bautzen, eine Axt, die ebenfalls aufgrund der Beigaben in die frühe Eisenzeit datiert wurde (Herbach 1926, 77 ff. Taf. 10. 64). Grab I wies eine größere Steinpackung, die Reste von mehreren Personen sowie die auf dem Gräberfeld größte Anzahl an Gefäßen auf. Da die Gefäße jedoch nicht abgebildet wurden und heute nicht mehr auffindbar sind, kann eine genaue Stu-fenzuweisung nicht erfolgen. Auch aus Groß Särchen, Lkr. Görlitz, ist ein Grab mit einer Fünfeckaxt vom Typ 3 bekannt, welches in die ältere Stufe der Billendorfer Kultur datiert wird (Buck 1977, 69, Taf. 56, 41).

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Aus Siedlungskomplexen sind zwar Fünfeckäxte bekannt, jedoch gestaltet sich deren chronologi-sche bzw. typologische Zuordnung oftmals schwierig. Auf der Innenfläche der bekannten Wallanlage auf dem Protschenberg in Bautzen konnten 1975 bei Notbergungen mehrere Siedlungsgruben der späten Bronzezeit und des Mittelalters dokumentiert werden (Eckardt 1962). Eine Siedlungs-grube enthielt eine vollständig erhaltene Fünfeckaxt vom Typ 2, mehrere Wandungsscherben, eine Randscherbe, Hüttenlehm sowie einen Klopfstein mit Feuergeschwärzten Flächen. Die Steinaxt kann durch die Grubenfunde zwar nur als „urgeschichtlich“ angesprochen werden, eine Zuweisung in die späte Bronzezeit scheint ist aufgrund der Datierung der Anlage jedoch gerechtfertigt (Abb. 2).

Bei systematischen archäologischen Erkundungen im Bereich der bereits bekannten jung- und jüngstbronzezeitlichen Siedlung Altdöbern 44, Lkr. Oberspreewald-Lausitz, konnten mehrere flache Siedlungsgruben dokumentiert werden. Unter den Funden gab es neben einigen Webgewichte und Bruchstücken von Hohlkegel-Briquetage auch eine unvollendete Fünfeckaxt. Diese kann mit Vorbehalt als Typ 1 angesprochen werden und stellt somit einen weiteren spätbronzezeitlichen Siedlungsnach-weis dar (Bönisch 1995, 59 Abb. 2). Eine weitere Fünfeckaxt mit Ritzzeichnungen auf dem Nacken ist in der jungbronze-/früheisenzeitlichen Siedlung bei Waltersdorf, Lkr. Dahme-Spreewald gefunden worden (Stark 2006, 68, Abb. 57). Eine Typenzuordnung der Steinaxt sowie die genaue Datierung der mit ihr vergesellschafteten Keramik können jedoch nur nach zeichnerischer Vorlage erfolgen. Eine Datierung in die späte Bronzezeit könnte jedoch möglich sein.

Auch während der Ausgrabungen einer befestigten früheisenzeitlichen Siedlung in Nieder-Neundorf, Lkr. Görlitz, konnten mehrere Steinäxte geborgen werden. Die zeitliche Einordnung der Funde gestaltet sich jedoch schwierig, da die publizierten Fundstücke größtenteils als Lesefunde aus jüngerer Zeit in Erscheinung treten und mit Ausnahme von zwei Exemplaren auch nur als Bruchstücke vorliegen (Coblenz 1963, 34, Anm. 31). Da es sich bei den Fragmenten lediglich um Nacken- oder Schneiden-partien handelt, kann eine genaue typologische Ansprache nicht erfolgen.

Abb. 2: Siedlungsfunde vom Protschenberg Bautzen: 1–2 Keramik, 3 Hüttenlehm mit Negativabdrücken der Holzkonstruktion, 4 Reibstein, 5. Fünfeckaxt.

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Größenverteilung

In verschiedenen Aufsätzen wurde bereits die These geäußert, es könnte sich bei den frühen Fünfeckäxten um die größeren Exemplare und bei den Späten um die kleineren Fundstücke handeln (Gandert 1934, 140 ff.; Tackenberg 1974, 6; Puttkammer 2005, 178). Da zu diesem Thema bisher keine weiterführenden Untersu-chungen vorliegen, soll im Folgenden ein Überblick über die typenabhängige Größenverteilung der oberlau-sitzer Fünfeckäxte geschaffen werden. Alle vollständig erhaltenen Fundstücke aus dem Arbeitsgebiet wurden in Abhängigkeit ihrer metrischen Daten abgebildet (Abb. 3). Das Diagramm zeigt nicht nur die Größenvarianz der metallzeitlichen Steinäxte auf, es lassen sich zudem drei Größengruppen voneinander unterscheiden:

Gruppe 1 umfasst die kleinsten Exemplare mit einer Länge zwischen 6 und 9 cm und einer Breite von 3 bis 5,5 cm. Damit ergibt sich für Gruppe 1 eine durchschnittliche Größe von 7,5 x 4,25 cm. Dieser Gruppe gehören auch Fünfeckäxte an, die bereits unter dem Begriff „Miniaturfünfeckäxte“ bekannt sind.

Gruppe 2 können Fundstücke zugeordnet werden, die eine Länge von 9,5 bis 13,5 cm sowie eine Breite von 3,5 bis 6 cm aufweisen. Äxte dieser Gruppe weisen demnach durchschnittliche Maße von 11,5 x 4,7 cm auf und stellen den größten Teil der in der sächsischen Oberlausitz bekannten Fünfeckäxte.

Gruppe 3 umfasst nun die größten Äxte mit einer Länge von 13,5 bis 20 cm und einer Breite von 5 bis 9 cm. Durchschnittlich ergeben sich für diese Größengruppe Maße von 16,75 x 7 cm.

Ergänzt man dieses Diagramm mit den jeweiligen möglichen Typenzuweisungen erhält man eine Übersicht über die Größenverteilung der zuvor erarbeiteten Typen (Abb. 4):

In Größengruppe 1 sind vor allem Fünfeckäxte vom Typ 3 vertreten. Diese stellen sogar innerhalb des zuvor definierten Intervalls die meisten und kleinsten Exemplare dar. Die etwas größeren Fundstücke sind demzufolge Fünfeckäxte vom Typ 1 und Typ 2. Auch in der Größengruppe 2 konnten Fünfeckäxte der Typen 1 bis 3 nachgewiesen werden. Hier scheint sogar die Anzahl der Exemplare vom Typ 1 und 3 in nahezu gleicher Menge vertreten zu sein. Der Größengruppe 3 sind zuletzt vor allem Äxte vom Typ 2, 3 und 4 zuzuordnen. Typ 4 ist zudem nur in dieser Größengruppe vertreten und Fünfeckäxte vom Typ 1 sind nur mit einem Fundstück vertreten.

Abb. 3: Größenverteilung der Fünfeckäxte.

Länge in cm

Breite in cm10

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3

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Zusammenfassend ist zu bemerken, dass alle Fünfeckaxt-Typen auch in allen Größengruppen vertreten sind, so dass sowohl die älteren als auch die jüngeren Exemplare als besonders kleine, aber auch als größere Fundstücke vorliegen. Bei differenzierter Betrachtung sollen nur noch Äxte der Typen 1 und 3 eine Rolle spielen, da diese über Analogien chronologisch gewertet werden konnten. Hier reihen sich fast alle bron-zezeitlichen Äxte (Typ 1) in Größengruppe 2 ein, so dass diese in ihrer Größe relativ homogen sind. Der Großteil der früheisenzeitlichen Äxte (Typ 3) gehört den Größengruppen 1 und 2 an, wobei sich allerdings auch einige als besonders große Exemplare präsentieren. Dementsprechend kann die These der kleinen jüngeren gegenüber den größeren älteren Funden relativiert werden. Vielmehr müssen den jüngeren (bil-lendorfzeitlichen) Exemplaren alle verfügbaren Größen und damit die breiteste Größenvarianz zugeschrie-ben werden, wobei jedoch die kleinsten Äxte einen wichtigen Anteil bilden. Die älteren (bronzezeitlichen) Steinäxte sind in ihrer Größe dagegen eher homogen und nehmen den Großteil der Größengruppe 2 ein.

Halbfabrikate

Da sich unter dem bearbeiteten Fundmaterial auch ein nicht zu verachtender Anteil an Halbfabrikaten befindet, soll im Folgenden die Bewertung eines möglichen Herstellungsprozesses von Fünfeckäxten durchgeführt werden. Einzelne Bearbeitungsschritte von stein- oder metallzeitlichen Steingeräten lassen sich in den seltensten Fällen nachvollziehen. Bronze- oder eisenzeitliche Siedlungsfunde erbrachten in der Oberlausitz bisher kaum aussagekräftige Funde, die Hinweise auf die Verarbeitung von Gesteinen geben. Lediglich in der befestigten Siedlung Nieder-Neundorf, Lkr. Görlitz, konnte die Herstellung von Steinäxten nachgewiesen werden. Bei Grabungen fand man, neben mehreren Bruchstücken und vollständig erhaltenen Fünfeckäxten, den Bohrkern einer Steinaxt, der auf die Fertigung an Ort und Stelle schließen lässt (Coblenz 1963, 48 Abb. 41, 5). Auch auf den brandenburgischen Fundplätzen Heinersbrück 125, Lkr. Cottbus, und Altdöbern 44, Lkr. Oberspreewald-Lausitz, konnten unvollendete Fünfeckäxte aus spätbronze/früheisenzeitlichen Siedlungen geborgen werden (Bönisch 1995, 59 Abb. 2; Schöneburg 2008 Abb. 107). Doch direkte Hinweise auf die Produktion von Steinäxten konnten bisher nicht nachgewiesen werden.

Abb. 4: Größenverteilung der Fünfeckäxte.

Länge in cm

Typ 1

Typ 2

Typ 3

Typ 4

Breite in cm10

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Abb. 5: Unvollendete Fünfeckäxte: 1 Niederkaina, Grabfund; 2 Weifa, Einzelfund; 3 Teichnitz, Einzelfund.

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In begrenztem Maße kann jedoch der Fertigungsprozess einer Steinaxt an den Fundstücken selbst abgelesen werden: Aus der sächsischen Oberlausitz sind einige sogenannte Halbfabrikate bekannt (Tab. 1), die jedoch zum größten Teil als Einzelfunde bzw. mit unbekannten Fundumständen in Erscheinung treten. Nur das Fundstück aus Niederkaina, Lkr. Bautzen stammt aus der Steinpackung eines (zerpflügten) Langkammergrabes (Coblenz & Nebelsick 1997, 13 Taf. 59, 25), von dem sonst nur noch Scherben geborgen werden konnten.

In den meisten Fällen sind die Halbfabrikate durch ein fehlendes oder unvollständig gebohrtes Schaftloch charakterisiert. Von den insgesamt 19 unvollendeten Fünfeckäxten weisen vier Steinäxte weder ein Schaftloch noch eine dafür vorgesehene Vertiefung auf. Bei 15 Fundstücken wurde die Schaftlochbohrung zwar begonnen, jedoch nicht vollständig vollendet. Die Bohrungen wurden dabei häufiger als Hohlbohrung (80 %) und seltener als Vollbohrung (20 %) ausgeführt. Letztere wurden alle von der Oberseite gebohrt. Was die Hohlbohrungen betrifft, so wurde das Schaftloch in sieben Fällen von der Oberseite, in zwei Fällen von der Unterseite gebohrt. In zwei weiteren Fällen wurde sogar auf beiden Seiten mit der Bohrung begonnen (Abb. 5).

Tabelle 1. Überblick zu den unvollendeten Fünfeckäxten und deren mögliche Typenzuordnung

Fundort Hohlbohrung Vollbohrungvon

Oberseitevon

UnterseiteTyp 1 Typ 2 Typ 3 Literatur

Commerau (BZ)

x – x – xFrehse 2009, 77 Taf. 49, 101

Kreckwitz (BZ)

– – – – xFrenzel 1929, 19 m. Abb.

Luga (BZ)

x – x – x Frehse 2009, 94 Taf. 48, 304

Gnaschwitz (BZ)

x – x – (x) Frenzel 1931, 15 Abb. 19

Cannewitz (BZ)

x – x x x Frehse 2009, 67 Taf. 49, 91

Brohna (BZ)

x – - x xFrehse 2009, 74 Taf. 49, 68

Oberuhna (BZ)

– – – – xFrenzel 1931, 15 Abb. 17

Niederkaina (BZ)

– – – – xCoblenz & Nebelsick 1997, 13 Taf. 59,25.

Klitten (GR)

x – – – xKaufmann et al. 1967, 521

Lohsa (BZ)

x – x - x Buck 1977, 266

Teichnitz (BZ)

– x x – xFrenzel 1931, 15 Abb. 18

Weifa (BZ)

x – x – xFrehse 2009, 114 Taf. 49, 530

Döbschke (BZ)

– – – – xFrehse 2009 79 Taf. 47, 128

Niedergurig (BZ)

x – x – xSperling 1906, 96 Taf. 5, 18

Wessel (BZ)

– x x x xFrehse 2009, 115 Taf. 48, 541

Cunnersdorf (BZ)

x – – x xFrehse 2009, 77 Taf. 50, 104

Nucknitz (BZ)

x – x – x Frenzel 1927, 278

Bautzen (BZ)

– x x – xBruger 1920. 42f. Taf. 3, 31

Kleinförstchen (BZ)

x – x x (x)Frehse 2009, 89 Taf. 48, 244

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Aus den bisher ermittelten Daten lassen sich folgende Arbeitsschritte zur Fertigung einer Steinaxt ableiten: Als erstes musste das Materialrohstück in die richtige Größe und Form gebracht werden, was vermutlich durch Sägen und Schleifen geschah. Dass die endgültige Form zu diesem Zeitpunkt zum Teil bereits herausgearbeitet wurde, ist am Lausitzer Material ablesbar. Fast alle Stücke weisen den für sie typischen fünfeckigen Umriss, den rechteckigen oder quadratischen Querschnitt sowie ihre typische Schaftloch-verstärkung auf. Schneiden und Nacken sind ebenfalls detailliert bearbeitet (Abb. 6. 1). Im nächsten Schritt wurde das Schaftloch gebohrt, wobei man sich zwei verschiedener Bohrtechniken bediente. Man unterscheidet zwischen Voll- und Hohlbohrung. Bei der Vollbohrung wurde ein massiver Bohrer benutzt, bei dem das gesamte Material im Bereich des Bohrloches entfernt wird. Bei der Hohlbohrung erzielt man mittels eines Röhrenknochens oder eines ausgehöhlten Hartholzstabes das Loch mit wesentlich weniger Aufwand, da ein massiver Bohrkern erhalten bleibt und nicht mit zermahlen wird (ZápotockÝ 1992, 144 f.). Der Unterschied im Arbeitsaufwand spiegelt sich auch im Material des Arbeitsgebietes wieder, da lediglich bei drei Äxten eine Vollbohrung, jedoch bei 12 Äxten eine Hohlbohrung nachgewiesen werden konnte. Vermutlich wurde erst im letzten Schritt die Steinaxt fein überschliffen bzw. poliert. Eine feine Politur ist besonders bei den Grabfunden aus Niederkaina, Lkr. Bautzen, sichtbar (Frehse 2009, 53).

Auffallend ist die besondere Oberflächenbehandlung einer Fünfeckaxt aus Cannewitz, Lkr. Bautzen. Das Rohstück wurde durch Schleifen in die gewünschte Form gebracht und mit Hilfe eines Hohlbohrers angebohrt. Trotz des unfertigen Schaftloches wurde die Oberfläche der Axt fein poliert. Dass dies vor der Bohrung geschah, ist zweifelhaft, da auch die Bohrrillen auf beiden Seiten eine glänzende Oberfläche aufweisen. Warum die unvollendete Axt eine so gute Oberflächenbehandlung aufweist, ist unklar. Vermutlich wurde die Durchlochung aufgrund des zu feinen und festen Gesteines aufgegeben und die Axt mittels Klemmschäf-tung am Schaft befestigt. Dass unvollständig durchlochte Steinäxte durchaus in Gebrauch waren, zeigen zahlreiche Fundstücke mit Arbeitsspuren an Nacken und Schneiden. Diese sind in den meisten Fällen leicht bis stärker ausgebrochen (Abb. 6) oder die Steinaxt ist gänzlich im Schneidenbereich durchgebrochen, wie es bei dem Fundstück aus Luga, Lkr. Bautzen der Fall ist (Frehse 2009, 94 Taf. 48, 304).

Nutzung und Deutung

Die Nutzung und Deutung der spät- und frühbronzezeitlichen Steinäxte ist längere Zeit kontrovers diskutiert worden. In älteren Arbeiten (Ekholm 1927, 394; Schroller 1936, 31 ff.; Glob 1938, 57 ff.) wurde ihnen oft jeglicher Gebrauch als Gerät oder Waffe abgesprochen. Später wurden die Fünfeckäxte

Abb. 6: Unvollendete Fünfeckäxte: 1 Bautzen, Fundumstände unbekannt; 2 Cunnersdorf, Einzelfund.

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als reine Gebrauchsgegenstände dargestellt, die in besonderer Ausführung auch dem Grabgebrauch dienten (Schrickel 1953, 164). Weitere Diskussionen (Kostrzewska 1953, 257; Baudou 1960, 144 ff.; Tackenberg 1974, 6, 30; Horst 1986, 109) über die Funktionsweise metallzeitlicher Steinäxte lockerten das Bild etwas auf. Häufige „Gebrauchsspuren“ auf Schneiden und Nacken lassen eher an eine praktische Verwendung als Arbeitsgerät oder Waffe denken. Dabei muss jedoch ein kultischer Charakter bzw. die Verwendung als Waffe oder Statussymbol nicht völlig ausgeschlossen werden.

Die Verwendung steinerner Äxte im kultischen Bereich machen u. a. Untersuchungen an bronze-zeitlichen Deponierungen in Nordhessen deutlich. W. Kubach (1983, 123 f.) bearbeitete mehrere spätbronzezeitliche Deponierungen, die Steingeräte aus Fels- bzw. Feuerstein enthielten. Bei den Niederlegungen handelt es sich überwiegend um Gewässerfunde, unter denen zwei Drittel direkt aus Flüssen oder Bächen stammen. Zudem weisen eine qualitätvolle Zurichtung sowie die Wahl von besonders auffälligem Material auf eine Verwendung der Fundstücke im kultisch-religiösen Bereich hin. Aus dem Lausitzer Kultur-Gebiet sind vor allem Fünfeckäxte mit kreuzförmigen Ritzungen auf Nacken oder Schneide bekannt, die bereits als Kultgegenstände betrachtet wurden (Kostrzewska 1953, 257; Tackenberg 1974, 5; Buck 1996, 272, Buck 2010, 18 f.). F. Geschwendt (1935 65 f.; 1941, 91 f.) ging davon aus, dass es sich hierbei um Radkreuze handelt, die als Sonnensymbole gedeutet werden können. Das Symbol des Radkreuzes bzw. des Vierspeichenrades ist bereits seit der mittleren Bronzezeit bekannt, wo es verstärkt in Form von Nadeln, aber auch auf Schalensteinen oder Fels-ritzungen auftritt. Für die Spätbronzezeit werden diese Symbole gern mit den Vierspeichenrädern der Kessel- und Deichselwagen in Verbindung gebracht (Vosteen 2003, 53.). Äxte mit kreuzförmigen Ritzungen konnten auch für das Arbeitsgebiet nachgewiesen werden. Zu nennen ist zum einen die Miniatur-Fünfeckaxt aus Burk (Frehse 2009, 75 Taf. 43, 76), die eine solche Ritzung auf dem Nacken besitzt (Abb. 7). Die unvollendete Fünfeckaxt aus Kreckwitz (Frehse 2009, 91 Taf. 47, 268) weist die kreuzförmige Ritzung auf der Schneide auf.

Abb. 7: Fünfeckaxt mit kreuzförmiger Ritzung aus Burk, Fundumstände unbekannt

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Bei dem Fundstück aus Burk handelt es sich zudem um eine sogenannte Miniaturaxt. Fundstücke dieser Art sind im Arbeitsgebiet als Miniatur-Fünfeckäxte bekannt. Sie besitzen eine Länge zwischen ca. 6 und 8 cm und können bei dieser Größe kaum als Arbeitsgeräte angesprochen werden. In einigen wenigen Fällen lassen sich Miniatur-Fünfeckäxte in Bestattungen nachweisen, wobei ein gewisser Bezug zu Mehr-fachbestattungen – z. T. mit Kindern – hergestellt werden kann. Bei Grab 1951/Ia-13 (Heyd 2002, 116 ff. Taf. 43, 15) vom Gräberfeld in Niederkaina handelt es sich um ein gestörtes Kammergrab mit einer Doppel-bestattung. Bestattung 2 besteht aus einer vasenartigen Urne mit Kinderleichenbrand und wies mehrere Bronzestückchen, mehrere verzierte Gefäße, darunter ein spitzbodige Kanne, ein Schälchen sowie eine Miniaturspitzkanne und die Miniatur-Axt auf. Bei Grab 1968/XII-23A/57 (Manschus, in Vorbereitung) aus Niederkaina handelt es sich ebenfalls um eine Mehrfachbestattung, die sich unter einer großen Stein-packung befand. Die Axt befand sich außerhalb der Steinpackung – 1,56 m vom Hauptgefäß enfernt und wurde zusammen mit einem zerscherbten Schälchen gefunden. Die Zusammengehörigkeit von Axt und Bestattung ist nicht eindeutig gesichert, allerdings kann diese angenommen werden. Vom gleichen Gräberfeld ist zudem Grab 1955/D-16 (Frehse 2009, 345/21, Taf. 44) anzuführen, welches ebenfalls durch die Beigabe einer Miniatur-Fünfeckaxt charakterisiert ist. Zu den Beigaben gehören mehrere Gefäße, das Unterteil eines Räuchergefäßes sowie eine eiserne Nadel. Bei den Grablegungen aus Klix (Herbach 1926, 78 ff. Taf. 10. 64), Lkr. Bautzen, und Zentendorf (Weiss 2007, 76 f. Abb. 30), Lkr. Görlitz, kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass es sich in diesen Fällen um die Bestattungen eines Kindes und mindestens eines Erwachsenen handelt. Auch wenn die Axt von Klix nicht zu den Miniatu-räxten zählt, ist sie doch ein weiteres Beispiel für die Beigabe von Steinäxten in Mehrfachbestattungen.

Fünfeckäxte können in der Oberlausitz bisher nur in 13 von 105 Fällen (ca. 12%) in Gräbern nachgewiesen werden. Einige wenige Fundstücke sind als Siedlungsfunde zu interpretieren, die meisten Fundstücke sind jedoch als Einzelfunde bekannt. Auffallend ist jedoch, dass die in Gräbern gefunden Fünfeckäxte besonders sorgfältig bearbeitet und in den meisten Fällen sogar poliert sind. Zudem sind an den, in den Gräbern aufge-fundenen Äxten kaum Abnutzungsspuren an Nacken oder Schneiden, dafür jedoch sekundäre Brandspuren, die vermutlich aus der Verbrennung zusammen mit dem Leichnam resultieren, feststellbar. Die Siedlungsfunde sind dagegen meist stark fragmentiert und weisen Ausplatzungen an Nacken und Schneiden auf. Auch Äxte aus Sandstein oder Ton wurden im Grabgebrauch genutzt, sind jedoch als „Nachbildungen“ zu interpretieren (Buck 2010, 19), da Geräte aus weichen Materialien kaum für handwerkliche Arbeiten oder als Waffe zu gebrauchen sind. Ob die Beigabe einer Steinaxt im Grab nun als Ausdruck für einen bestimmten Status oder Prestige des Bestatteten zu dessen Lebzeiten interpretiert werden kann oder sogar direkt mit der Bestattung eines Kindes in Zusammenhang steht, kann aufgrund der wenigen Funde nicht eindeutig geklärt werden.

Eine rein profane Verwendung von Steinäxten tritt höchstwahrscheinlich in den Hintergrund, da sich das archaische Material Stein während der ausgehenden Bronze- und beginnenden Eisenzeit eher einer erneuten Beliebtheit erfreute. Bisher konnte jedoch keine glaubwürdige Beziehung zwischen den jungneolithischen und bronze-/eisenzeitlichen Steinäxten dargestellt werden, so dass die Renaissance dieser Äxte auch nicht mit deren Materialeigenschaften erklärt werden kann (siehe hierzu Brandt 1996, 379 f.; Horst 1982, 36 ff.).

Die Tendenz zur eher religiösen oder profanen Nutzung der Lausitzer Steinäxte kann heute nur noch anhand der Fundumstände und damit von der Art ihrer Niederlegung aus beurteilt werden. Da eine eindeutige Befundlage jedoch nicht nur im Arbeitsgebiet selten vorliegt und die größere Anzahl der Fünfeckäxte als Einzelfunde in Erscheinung tritt, ist eine dahingehende Beurteilung kaum möglich.

Zusammenfassung

Obwohl die Fundgattung der Steingeräte bereits an mehreren Stellen typologisch und kulturge-schichtlich bearbeitet wurde, erbrachten die Untersuchungen an den bronze- und früheisenzeitlichen Steinäxten aus dem Gebiet der heutigen sächsischen Oberlausitz neue Erkenntnisse zu Typologie und

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Deutung. Die Fünfeckäxte des Lausitzer Kulturkreises konnten typologisch gegliedert und in ersten Ansätzen chronologisch eingeordnet werden. Zu deren Herstellung und Funktion konnten zwar einige Wertungen vorgenommen werden, doch sind noch längst nicht alle Fragestellungen zur Genüge beantwortet. Welche Bedeutung haben die steinernen Geräte im Grabbau und wie ist deren Zusam-menhang mit Kinder- bzw. Mehrfachbestattungen zu deuten? Warum liegt der Großteil der Äxte im Arbeitsgebiet als Einzel- und Lesefunde vor? Welche Rolle spielen die Gewässer bei der Niederlegung von Steingeräten? Diese und viele weitere Fragen können nur durch wissenschaftlich übergreifende Analysen sowie die Betrachtung größerer Siedlungsgebiete beantwortet werden, deren Grundlage die vorangegangenen Betrachtungen bilden sollte.

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Anschrift der Verfasserin

Daniela FrehseRißweg 39D - 01324 DresdenE-mail: [email protected]

Manuskript eingereicht am 18.02.2011

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