Den Strommarkt für Innovation und Wettbewerb öffnen

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Den Strommarkt für Innovation und Wettbewerb öffnen EnerNOCs Stellungnahme zum Diskussionspapier „Ein Strommarkt für die Energie- wende“ (Grünbuch) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie 31. Januar 2015 Ansprechpartner: Andreas Flamm – Director of Regulatory Affairs Europe EnerNOC / Entelios AG, Claudius-Keller-Str. 3c, 81669 München T: +49 89 552 9968-39 | M: +49 172 820 8685 | [email protected]

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Den Strommarkt für Innovation und Wettbewerb öffnen

EnerNOCs Stellungnahme zum Diskussionspapier „Ein Strommarkt für die Energie-

wende“ (Grünbuch) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

31. Januar 2015

Ansprechpartner:

Andreas Flamm – Director of Regulatory Affairs Europe

EnerNOC / Entelios AG, Claudius-Keller-Str. 3c, 81669 München

T: +49 89 552 9968-39 | M: +49 172 820 8685 | [email protected]

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Zusammenfassung

EnerNOC spricht sich für eine Öffnung des Strommarktes für neue Marktteilnehmer mit innovativen Ge-

schäftsmodellen aus, um insbesondere den Wettbewerb um Dienstleistungen zur Hebung nachfrageseiti-

ger Flexibilität (Verbraucher, Speicher und dezentrale Erzeuger) zu stärken. Um dies zu erreichen, sollten

aus unserer Sicht folgende Themen priorisiert werden:

• Die Rolle von Demand Response Aggregatoren im Marktmodell sollte definiert, und in einem

schnellen ersten Schritt die StromNZV1 §26(3) um die Sekundärreserve erweitert werden.

• Die Netzentgelte sollten so reformiert werden, dass sie nachfrageseitige Flexibilität nicht länger be-

strafen.

• Die Kapazitätsreserve sollte so gestaltet werden, dass sie für die Nachfrageseite offen ist.

• Die Präqualifikationsbedingungen in der Regelleistung sollten angepasst werden, um weiteren

nachfrageseitige Flexibilitäten den Zugang zu ermöglichen.

• Die Anreize zur Nutzung nachfrageseitiger Flexibilität auf Verteilnetzebene sollten gestärkt werden.

Einleitung – Innovation und Wettbewerb für die Energiewende ermöglichen

EnerNOC begrüßt die Gelegenheit der Stellungnahme und gratuliert dem BMWi für eine gelungene Zu-

sammenfassung der Situation im deutschen Strommarkt. Es ist erfreulich zu sehen, dass das Grünbuch

Erzeugung und Verbrauch sowohl für Kapazität (Vorhaltefunktion) als auch für Arbeit (Einsatzfunktion)

durchweg gleichberechtigt erwähnt.

Wir unterstützen die Aussage von Bundeswirtschaftsminister Gabriel im Vorwort des Grünbuches, wonach

von der Energiewende „Impulse für Innovationen und neue Technologien aus[gehen], insbesondere für die

Verknüpfung der klassischen Industrie mit der IT-basierten Steuerung einer komplexen Stromversorgung.“

EnerNOC sieht sich als Dienstleister, der genau an der Schnittstelle zwischen IT und Energiewirtschaft Lö-

sungen für die Energiewende anbietet. EnerNOC aggregiert bereits heute die Flexibilitäten von mehr als

8.000 Industrie- und Gewerbebetrieben, an mehr als 14.000 Standorten in 11 Ländern2 und hat damit

weltweit flexible Kapazitäten von über 9 GW im Portfolio.

Ferner betont Minister Gabriel, dass sich ein ganz neuer Markt für Flexibilitäten entwickeln werde, sofern

das künftige Strommarktdesign die richtigen Signale setze. Ein richtiges und wichtiges Signal wäre aus un-

serer Sicht die Öffnung des Marktes für neue Marktteilnehmer mit innovativen Geschäftsideen, um mehr

Wettbewerb zu schaffen und den Verbrauchern Wahlmöglichkeiten zu geben. Ein offener Markt ist auch

nötig, um die Erfahrungen und Entwicklungen auf der IT-Seite für die Energiewende nutzbar zu machen.

Leider ist der gegenwärtige Strommarkt weitestgehend einseitig für die Erzeugungsseite ausgelegt, und es

bestehen zahlreiche Markteintrittsbarrieren für innovative Geschäftsmodelle, die bei der Nachfrageseite

ansetzen (z.B. Aggregatoren, Prosumer). Das ist aus historischer Sicht, in der die Nachfrage als gegeben

angesehen und die Erzeugerseite dementsprechend ausgebaut wurde, verständlich. Wir erleben nun aber

1 Die Stromnetzzugangsverordnung sieht aktuell nur die Öffnung der Bilanzkreise für Minutenreserve vor. 2 USA, Kanada, Deutschland, Schweiz, Österreich, Großbritannien, Irland, Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea.

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einen Paradigmenwechsel. Technischer Fortschritt ermöglicht es immer mehr Verbrauchern (und dezent-

ralen Erzeugern), flexibel auf die Signale im Strommarkt zu reagieren. In der Zukunft wird sich die Nach-

frage vermehrt nach dem Angebot richten – nicht nur wie bisher umgekehrt. EnerNOCs praktische Erfah-

rungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass man mit einem entsprechenden Marktdesign ca. 10% der

Spitzenlast eines Landes wirtschaftlich tragfähig flexibilisieren kann, wovon wir in Deutschland noch weit

entfernt sind. Dazu braucht es ein Marktmodell, das innovative nachfrageseitige Geschäftsmodelle diskri-

minierungsfrei an allen Segmenten des Strommarktes teilnehmen lässt, wie von der EU-Energieeffizienz-

richtlinie (Artikel 15.8) vorgegeben.

EnerNOC unterstützt den Grundsatz des technologieneutralen Wettbewerbs der Flexibilitätsoptionen. Al-

lerdings müssen alle Optionen gleichberechtigt in den Wettbewerb eintreten können, auch neue Markt-

teilnehmer wie die unabhängigen Aggregatoren, die nicht das Glück haben, über eine definierte Rolle im

bestehenden Marktmodell zu verfügen.

Den Markt für unabhängige Aggregatoren öffnen

Das größte Hemmnis für die Hebung der Potentiale auf der Nachfrageseite ist aus unserer Sicht die Diskri-

minierung der unabhängigen Aggregatoren im existierenden Marktmodell. Dieser Aspekt fehlt im Grün-

buch leider vollkommen. Unabhängige Aggregatoren sind Dienstleister wie EnerNOC, die sich auf die Iden-

tifikation, Erschließung und Vermarktung von Nachfrageflexibilität (im internationalen Kontext auch De-

mand Response genannt) spezialisiert haben. Diese sind gegenwärtig von der Zustimmung der jeweiligen

Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) und Lieferanten abhängig, bevor sie die Flexibilität eines Verbrauchers

erschließen können. Aus unserer Sicht ist es eine ganz klare Markteintrittsbarriere, wenn ein neuer Markt-

teilnehmer die Zustimmung potentieller Wettbewerber benötigt, bevor er in den Markt eintreten kann.

Natürlich werden klar definierte Prozesse benötigt, wie mit Flexibilitäten von Verbrauchern und dezentra-

len Erzeugern umgegangen werden kann – u.a. wie mögliche Auswirkungen auf den Bilanzkreis korrigiert

werden und wie für beschaffte und nicht abgesetzte Energie (im Falle einer Nachfragereduktion) bezahlt

wird. Fehlende Standards in diesem Bereich sorgen für den unhaltbaren Zustand, dass für jeden Einzelfall

bilaterale Korrekturvereinbarungen (zwischen Aggregator und BKV/Lieferant) nötig werden, welche die

BKV/Lieferanten öfters zu einer Blockade unabhängiger Aggregatoren nutzen. Die Flexibilität gehört dem

Verbraucher (oder dem dezentralen Erzeuger, z.B. Biogasanlagen) – er sollte deshalb frei entscheiden dür-

fen, ob, wie und durch wen er seine Flexibilität vermarktet. Er sollte die Wahl haben, dies selbst, durch

seinen Lieferanten, oder eben auch durch einen spezialisierten Dienstleister (einen Aggregator) zu tun.

Ohne den Markteintritt von unabhängigen Aggregatoren, das zeigen uns die Erfahrungen in anderen Län-

dern, wird nur ein Bruchteil des nachfrageseitigen Potentials gehoben werden.3 Aggregatoren bringen

Kompetenzen mit, die sich wesentlich von den Kernkompetenzen eines klassischen Stromlieferanten un-

terscheiden. Dazu gehört das technische Wissen, welche Branchen, welche Prozesse und welche Anlagen

sich besonders zur Flexibilisierung eignen. Außerdem bringen Aggregatoren das IT-seitige Know-how mit,

inklusive der entsprechenden Hard- und Softwarelösung, um die dezentralen Nachfrageflexibilitäten leit-

technisch anzubinden, in einem Pool zu bündeln, die Energie am Markt anzubieten, die Performance der

3 In PJM (USA), dem am weitesten entwickelten Markt für Demand Response, kommt 77% der Nachfrageflexibililtät

von unabhängigen Aggregatoren (siehe PJM Market Activity Report 2014).

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Anlagen zu überwachen und entsprechend so zu steuern (wo möglich automatisiert), dass daraus ein ver-

lässliches, vermarktungsfähiges Produkt wird.

Im Grünbuch wird erwähnt, dass die Nachfrager in Knappheitssituationen ihren Verbrauch reduzieren kön-

nen und dann „z.B. bereits eingekauften Strom am Markt gewinnbringend verkaufen“ können (s. S. 16). Im

heutigen Marktmodell ist dies aber in der Praxis überwiegend nur den (Groß-)Verbrauchern möglich, die

ihre Strombeschaffung selbst organisieren. Für die überwältigende Mehrheit der Verbraucher (auch in der

Industrie und im Gewerbe) gilt dies nicht. Diese Verbraucher benötigen Aggregatoren, die ihnen dabei

helfen, ihre Flexibilität zu vermarkten. Im heutigen Marktmodell ist dies im Spotmarkt überhaupt nicht,

und im Regelleistungsmarkt nur eingeschränkt möglich.

Ein erster, konkreter, schnell umsetzbarer Schritt wäre eine Erweiterung der Stromnetzzugangsverord-

nung §26(3). Dort werden BKV verpflichtet, ihre Bilanzkreise für Minutenreserve Dritten gegenüber zu öff-

nen. Dies sollte auf sämtliche Regelleistungsarten erweitert werden. Gleichzeitig müssen Standardpro-

zesse eingeführt werden, um die Interaktion zwischen Aggregatoren, Lieferanten und BKV im Falle einer

aktivierten Nachfrageflexibilität für die Erbringung von Systemdienstleistungen einheitlich zu definieren.

In einem weiteren Schritt sollte eine entsprechende Regelung für alle Marktsegmente (Spothandel, Kapa-

zitätsprogramme) gefunden werden. Andere Länder, die Ähnliches bereits erfolgreich umgesetzt haben

(z.B. Frankreich, Schweiz), können hierfür als Referenz dienen.

Für den Erfolg der Energiewende braucht es die Einbindung der Nachfrageseite, also der Verbraucher und

dezentralen Erzeuger. Eine Öffnung des Marktes für unabhängige Aggregatoren würde den Wettbewerb

um nachfrageseitige Dienstleistungen stärken und den Weg für innovative Lösungen rund um den Ver-

braucher und dessen Flexibilität frei machen. EnerNOC hat zu diesem – für unabhängige Aggregatoren so

fundamental wichtigen – Thema ein separates Positionspapier erstellt, das als Anlage dieser Stellung-

nahme beiliegt.

Die Netzentgelte für Flexibilität optimieren

EnerNOC begrüßt die Aussagen im Grünbuch (Abschnitt 4.3) in Bezug auf die Netzentgelte und deren hem-

mende Wirkung auf die Nachfrageflexibilität. Dies betrifft insbesondere den §19(2), aber auch den §17 der

Stromnetzentgeltverordnung. Wir stimmen der Problembeschreibung im Grünbuch zu, und unterstützen

die beschrieben Ansätze zur Optimierung der Netzentgeltstruktur.

Energieintensive Unternehmen können signifikante Netzentgeltrabatte erhalten, wenn sie ein möglichst

flaches Nachfrageprofil haben. Ein solches Unternehmen kann diese Rabatte verlieren, wenn es zu Zeiten

von niedrigen Börsenpreisen die Nachfrage (systemdienlich) erhöht – z.B. indem es negative Reserveleis-

tung anbietet. Eine Nachfrageerhöhung wäre in diesen Fällen volkswirtschaftlich sinnvoll, betriebswirt-

schaftlich aber nicht. Bei zahlreichen Unternehmen muss sich deshalb das Lastmanagement der Netzent-

geltoptimierung unterordnen. Kurzfristig sollte hier Abhilfe geschaffen werden, indem die erbrachten Sys-

temdienstleistungen bei der Berechnung der Netzentgelte herausgerechnet werden (wie dies bei der Ver-

ordnung zu abschaltbaren Lasten der Fall ist). Langfristig sollte das Zusammenspiel der Signale aus Netz

und Markt generell optimiert werden. In Zeiten volatiler Einspeisungen von erneuerbaren Energien stellt

sich dabei die Frage, ob Anreize für ein flaches Lastprofil noch zielführend sind. Hier befürworten wir eine

grundsätzliche Reform.

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Kapazitätsprogramme für die Nachfrageseite öffnen

Versorgungssicherheit wird nur dann ohne einen Kapazitätsmarkt erhalten werden können, wenn der

Energy-only Markt (EOM), wie im Grünbuch beschrieben, reformiert wird, Preisspitzen erlaubt und durch-

gehalten werden, und die Nachfrageseite viel stärker in den Markträumungsprozess einbezogen wird.

Dazu sind vor allem die o.g. Themen der Stärkung des Wettbewerbs durch Öffnung des Marktes für Ag-

gregatoren, sowie die Reform der Netzentgeltstrukturen wichtig (im aktuellen Regulierungsrahmen käme

es auf Grund der bestehenden Hemmnisse zu relativ geringer Teilnahme von nachfrageseitiger Flexibilität,

selbst wenn die Preise am Spotmarkt volatiler und höher wären.)

Ob der EOM dann langfristig ausreicht, ausreichend Versorgungssicherheit herzustellen, bleibt dennoch

fraglich. In Hinblick auf die Integration dezentraler Flexibilitäten (Verbraucher und dezentralen Erzeuger)

zeigen internationale Erfahrungen, dass mit einem Kapazitätsmarkt deutlich mehr Potential erschlossen

werden kann als ohne. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass es mit gesicherten Zahlungen für Kapazität

einfacher ist, Unternehmen aus Industrie und Gewerbe davon zu überzeugen, Investitionen in Bezug auf

ihre Flexibilisierung vorzunehmen.

EnerNOC begrüßt es, dass das BMWi sich klar für eine (ggf. regional differenzierte) Kapazitätsreserve aus-

spricht, um den Übergang zu gestalten. Wir halten diese Lösung für sinnvoll, soweit gewährleistet wird,

dass dort die Nachfrageseite gleichberechtigt zur Erzeugerseite teilnehmen kann. Internationale Erfahrun-

gen zeigen, dass die Integration der Nachfrageseite in Kapazitätsprogramme zu erheblichen Einsparungen

bei der Kapazitätsbeschaffung führen kann.4 Es gibt viele Unternehmen, die in der Lage sind, seltene Last-

spitzen abzufangen und zu der Zeit ihre Nachfrage zu reduzieren – und dies auch zu konkurrenzfähigen

Preisen. Um diese in die Kapazitätsreserve zu integrieren, sind folgende Kriterien wichtig:

- Erzeuger und Verbraucher sollten für gleiche Leistung (in MW) bzw. gleiche Arbeit (MWh) gleiche

Bezahlung erhalten.

- Aggregation von Verbrauchern (und dezentralen Erzeugern) sollte erlaubt sein: dies bedeutet, dass

die Anforderungen für die Teilnahme nicht von den Einzellasten, sondern vom Lastpool erfüllt werden

müssen, und der Pool vergleichbar einem Kraftwerk (virtuelles Kraftwerk) behandelt wird.

- Unabhängige Aggregatoren sollten direkt im Markt teilnehmen und (Nachfrage-)Kapazität anbieten

können (nicht nur indirekt über einen Lieferanten).

Darüber hinaus befürwortet EnerNOC eine Novellierung der Reservekraftwerksverordnung (ResKV), da in

deren aktuellen Ausgestaltung die Nachfrageseite trotz (uns gegenüber bestätigter) technischer Eignung

nicht teilnehmen darf. Die ResKV sollte entweder von einer regional differenzierten Kapazitätsreserve ab-

gelöst, oder so novelliert werden, dass ein transparentes Verfahren zur Beschaffung der Kapazitäten, in-

klusive nachfrageseitiger Kapazitäten, gewährleistet ist. Gleiches gilt für die Beschaffung anderer Redis-

patch-Kapazitäten.

4 In den USA führt die Einbeziehung der Nachfrageseite in den Kapazitätsmärkten jährlich zu Milliarden-Einsparun-

gen. Zum Beispiel hat PJM in seiner 2013/14 Base Residual Auction $11,8 Milliarden gespart.

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Regelleistungsmarkt reformieren – insbesondere die Präqualifikationsbedingungen

EnerNOC unterstützt die Weiterentwicklung der Regelleistungsmärkte. Insbesondere begrüßen wir die An-

kündigung im Grünbuch, dass die Bundesnetzagentur die Ausschreibungsbedingungen der Regelleistungs-

märkte überprüft und die Gespräche zur Anpassung der Präqualifikationsbedingungen begleitet, um den

Wettbewerb zu stärken und „neue Stromverbraucher“ zu integrieren. Wir sehen dringenden Änderungs-

bedarf bei den Bedingungen und beim Ablauf der Präqualifikation.

Handlungsbedarf besteht insbesondere bei den Präqualifikationsbedingungen für die Nachfrageseite, da

die aktuellen Regelungen einem großen Anteil von Verbrauchern den Zugang zum Regelleistungsmarkt

versperren. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Frage, auf welcher Ebene die Präqualifikation durchgeführt

wird. Unserer Meinung nach sollte sie auf aggregierter Pool-Ebene, und nicht auf Einzelanlagen/Einzel-

nachfrager-Ebene stattfinden. Flexible Nachfrager haben in Deutschland und auf der Welt wiederholt be-

wiesen, dass sie so verlässlich sind wie Erzeuger. Dies ist auch und besonders dann der Fall, wenn einzelne

Lasten in einem Pool aggregiert und gemeinsam vermarktet werden. Einen Ausfall von einzelnen Nachfra-

gern kann der Aggregator mit anderen Nachfragern im Pool ausgleichen. Der Pool – nicht der einzelne

Nachfrager – agiert im Markt, und der Aggregator trägt die Verantwortung für die Verlässlichkeit des Pools.

In Deutschland (im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern) prüft der ÜNB im Zuge der Präqualifika-

tion jedoch neben der Leistung des Pools auch die Leistung jedes einzelnen Nachfragers im Pool individuell.

Dies bremst den Zubau von Nachfrageflexibilität erheblich, da nicht jede Einzelanlage eigenständig die

Anforderungen des ÜNB erfüllen kann. Dafür gibt es den Pool, und es sollte einzig und allein der Pool sein,

der die Präqualifikation bestehen muss – dieser ist es letztendlich auch, der die Regelenergie an den ÜNB

verkauft und in der Verantwortung steht.

Des Weiteren gibt es in Deutschland viele industrielle Anlagen mit fluktuierenden Lastprofilen, die auf

Grund der Präqualifikationsbedingungen von der Teilnahme in den Regelleistungsmärkten ausgeschlossen

sind. Diese Anlagen beeinflussen heute schon als Netzteilnehmer die Stabilität der Energieversorgung, ihr

Flexibilitätspotenzial kann aber auf Grund der aktuellen technischen Anforderungen an Teilnehmer im Re-

gelleistungsmarkt nicht gehoben werden: Es werden glatte Lastprofile bevorzugt. Wir schlagen eine Revi-

sion der Präqualifikationsbedingungen vor, um solchen Anlagen den Zugang zum Regelleistungsmarkt zu

ermöglichen und damit das schon vorhandene Flexibilitätspotenzial auszuschöpfen.

Ein weiteres wichtiges Thema sind die Prozesse rund um die Präqualifikation und die Reaktionszeiten sei-

tens der ÜNB. Leider haben die ÜNB für dieses Thema aus unserer Sicht viel zu geringe Ressourcen, so dass

es vorkommen kann, dass eine eingereichte Präqualifikation mehr als sechs Monate bei einem ÜNB zur

Prüfung liegt, bevor sie freigegeben wird. Wir würden hierzu einen standardisierten Prozess mit verlässli-

chen Reaktionszeiten der ÜNB begrüßen. Dies würde eine deutlich bessere Planung ermöglichen und die

Unsicherheit auf Seiten der Regelleistungsanbieter reduzieren.

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Anreize für Nachfrageflexibilität auf Verteilnetzebene stärken

Aktuell haben Verteilnetzbetreiber kaum Anreize, über flexible Nachfrager ihre Netze zu steuern bzw. zu

optimieren. Dies liegt daran, dass die Anreizregulierung Investitionen (CAPEX) gegenüber Betriebskosten

(OPEX) begünstigt, und es deshalb tendenziell gewinnbringender ist, in neue Kabel oder Transformatoren

zu investieren, als lokal ansässige Nachfrageflexibilität zum Netz- und Einspeisemanagement zu nutzen.

Dabei könnte eine Stärkung nachfrageseitiger Flexibilität (Lasterhöhung) es ermöglichen, Abschaltungen

von erneuerbaren Energien zu vermeiden bzw. zu reduzieren.

Sofern Verteilnetzbetreiber z.B. gemäß §13 EnWG Verträge mit dezentralen Erzeugern bzw. Verbrauchern

zur Sicherstellung und Zuverlässigkeit der Netzstabilität schließen, sollte dies in einem allen geeigneten

Marktteilnehmern zugänglichen Verfahren erfolgen.

Anlage:

EnerNOC Positionspapier „Mehr Wettbewerb für Demand Response Services durch die Öffnung des Mark-

tes für unabhängige Aggregatoren“, Dezember 2014

Über EnerNOC

EnerNOC ist der weltweit größte Demand Response (DR) Aggregator und Lösungsanbieter sowie ein führender Anbie-

ter von Energy Intelligence Software (EIS). EnerNOCs EIS-Lösungen helfen Unternehmen u.a. ihren Energieverbrauch

zu optimieren, sowie an DR-Programmen teilzunehmen. EnerNOC ist in 11 Ländern mit Demand Response aktiv und

liefert sowohl gesicherte Leistung in Kapazitätsmärkte, als auch flexible Leistung in Spot- und Regelleistungsmärkte.

An über 14.000 Industrie- und Gewerbestandorten hat EnerNOC weltweit insgesamt über 9 GW schaltbare Nachfra-

gekapazitäten im Portfolio.

In Deutschland ist EnerNOC (das bis November 2014 noch als Entelios AG auftrat) führend beim Vermarkten von de-

zentralen Verbrauchsflexibilitäten, vor allem im Regelenergiemarkt. EnerNOC hat dazu eine umfassende Technolo-

gielösung (Hardware und Software) entwickelt, um Verbraucher leittechnisch anzubinden, zu steuern sowie deren

Flexibilität über das Network Operation Center rund um die Uhr vermarkten zu können.

EnerNOC agiert nicht als Stromlieferant oder Direktvermarkter, sondern ist spezialisiert auf die Identifikation, die Ag-

gregation und die Vermarktung der Flexibilitätspotentiale in Industrie und Gewerbe. EnerNOC schafft damit einen

Mehrwert für die teilnehmenden Unternehmen, sowie für das Stromsystem insgesamt.

Weltweit hat EnerNOC mehr als 1.000 Mitarbeiter. In Deutschland sind es etwa 50 Mitarbeiter, verteilt auf die Stand-

orte München und Berlin.

Dezember 2014

I

Mehr Wettbewerb für Demand Response Services durch

Öffnung des Marktes für unabhängige Aggregatoren

Vorschläge für ein faires Marktmodell in Deutschland

Andreas Flamm – Director of Regulatory Affairs Europe

T: +49 89 552 9968-39 | M: +49 172 820 8685 | [email protected]

Jörg-Werner Haug – Leiter Energiewirtschaft

T: +49 89 552 9968-60 | M: +49 173 382 1315 | [email protected]

Dezember 2014

II

Inhalt

Zusammenfassung ................................................................................................................................... 1

1. Einleitung ......................................................................................................................................... 2

2. Prinzipien für die Teilnahme von Verbrauchern im Strommarkt .................................................... 5

3. Die Rolle des unabhängigen Aggregators bei der Hebung des DR-Potentials ................................ 6

4. Größtes Hemmnis für DR in Deutschland: erschwerter Marktzugang für unabhängige

Aggregatoren ................................................................................................................................... 7

5. EnerNOC Lösungsansatz: Standardisierter Korrekturprozess ......................................................... 9

6. Dialog zur praxisgerechten Ausgestaltung des Lösungsansatzes .................................................. 11

Anhang: Über EnerNOC ......................................................................................................................... 12

Dezember 2014

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Zusammenfassung

Für die Integration großer Anteile fluktuierender erneuerbarer Energien ist eine deutliche Flexibilisie-

rung der Stromversorgung nötig. Demand Response (DR, oft auch Lastmanagement oder Demand Side

Management genannt) kann dazu einen wichtigen Beitrag dazu leisten. DR nutzt die Flexibilität der

Nachfrageseite zum Ausgleich der Schwankungen auf der Erzeugerseite. Grundsätzlich besteht ein sig-

nifikantes Potenzial an flexiblen Lasten – insbesondere in Unternehmen aus Industrie und Gewerbe

(BMWi-Studien schätzen 10-15 GW in der Industrie in Deutschland1).

Große, stromintensive Unternehmen mit eigenem Bilanzkreis können die Flexibilität ihrer Lasten im

Einzelfall selbständig vermarkten. Für eine Erschließung der Potenziale in der Breite werden hingegen

Aggregatoren benötigt, die die Flexibilität mittelgroßer und kleiner Einzellasten zu vermarktungsfähi-

gen Produkten für den Strommarkt zusammenführen. Die Funktion des Aggregators umfasst dabei die

Identifikation und kommerzielle Bewertung der flexiblen Lasten (Branchen, Anlagen, Prozesse), die

technische Anbindung in einen Pool (Hardware-/Software-Lösung) sowie die Vermarktung (Steuerung,

Überwachung, Besicherung, Verkauf in den verschiedenen Segmenten des Strommarktes). Auf Grund

dieser sehr spezifischen Tätigkeiten unterscheidet sich das Geschäftsmodell eines Aggregators ganz

wesentlich vom Geschäftsmodell eines klassischen Stromlieferanten.

Aggregatoren sind neue Marktteilnehmer ohne eine definierte eigene Rolle im bestehenden Markt-

modell. Sie müssen sich Stand heute vom Lieferanten und Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) des Ver-

brauchers die Zustimmung einholen, bevor dessen Flexibilität vermarktet werden kann. Ist der

BKV/Lieferant zu einer Zusammenarbeit bereit, wird bilateral vereinbart, wie im Falle einer Schaltung

der Bilanzkreis des BKV korrigiert und der Lieferant entschädigt wird. Diese Korrekturprozesse sind

insoweit berechtigt, als sie sicherstellen, dass weder der BKV noch der Lieferant einen Nachteil durch

die DR-Aktivitäten erfahren.

Leider nutzen viele BKV/Lieferanten diesen „Hebel“ des bilateralen Verhandelns, um das gesamte Vor-

haben des Aggregators zu torpedieren. Interessenskonflikte (z.B. möchte der Lieferant exklusiven Zu-

gang zum Kunden oder befürchtet Absatz- und Margeneinbußen) führen dazu, dass die Zustimmung

verweigert, das Verfahren in die Länge gezogen oder ein unverhältnismäßiger finanzieller Ausgleich

gefordert wird. Ist dies der Fall, kann der Verbraucher seine Flexibilität nicht vermarkten.

Diese Abhängigkeit des Aggregators von den bestehenden Marktrollen BKV und Lieferant stellt eine

erhebliche Markteintrittsbarriere dar und schwächt den Wettbewerb auf dem Markt für DR-Dienst-

leistungen. EnerNOC setzt sich deshalb dafür ein, die aktuell nötigen bilateralen Vereinbarungen durch

standardisierte Prozesse zu ersetzen, die von einer neutralen Instanz (z.B. ÜNB/BIKO) administriert

werden. Die Marktrolle des Aggregators sollte explizit definiert und mit Rechten und Pflichten verse-

hen werden. Es muss weiterhin sichergestellt bleiben, dass BKV und Lieferanten gegenüber einem DR-

Abruf schadlos gehalten werden. Ihnen soll aber gleichzeitig die Möglichkeit entzogen werden, dem

Aggregator den Markteintritt zu blockieren. Dies würde den Wettbewerb um DR-Dienstleistungen stär-

ken, und den Weg frei machen für innovative Lösungen rund um den Verbraucher und dessen Flexibi-

lität. Das ist es, was die Energiewende braucht.

Dieses Papier beschreibt die spezielle Rolle des Aggregators bei der Hebung der Flexibilitätspotentiale

und skizziert einen Lösungsansatz zur Öffnung des Marktes, wie er in ähnlicher Weise bereits in einigen

unserer Nachbarländern (z.B. Frankreich, Schweiz, Belgien) umgesetzt wurde. Ziel ist es, in den kom-

menden Monaten in einen Dialog zur praxisgerechten Ausgestaltung dieses Ansatzes einzutreten.

1 Siehe BMWi Grünbuch: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Strommarkt-der-Zukunft/gruenbuch.html

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1. Einleitung

Paradigmenwechsel – in Zukunft folgt die Nachfrage dem Angebot

Der große Erfolg der Elektrifizierung in den letzten einhundert Jahren war es, das Angebot an Strom-

erzeugung stets so auszubauen, dass die (als vorgegeben angesehene) Nachfrage mit einem hohen

Maß an Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt gedeckt werden konnte. Die Energiewende führt zu

einem Umbau des Strommarktes: steuerbare zentrale (Groß-)Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen

werden ersetzt durch fluktuierende Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (EE) und durch de-

zentrale Kleinerzeuger. Dieser Wechsel zu einer Erzeugerseite, die extremen Schwankungen ausge-

setzt sein kann2, erhöht den Bedarf an Flexibilität im System. Gleichzeitige technologische Entwicklun-

gen ermöglichen es, dass neben einem wachsenden Einsatz von Speichertechnologien mehr und mehr

Nachfrager flexibel auf Signale im Strommarkt reagieren können. Ein Paradigmenwechsel findet statt:

in der Vergangenheit richtete sich das Angebot nach der Nachfrage, in Zukunft gilt dies auch umge-

kehrt.

Allerdings sind die Regeln im Strommarkt überwiegend aus Sicht von Erzeugern und für deren Ge-

schäftsmodelle ausgelegt, was in der Vergangenheit durchaus nachvollziehbar war. Dies muss sich nun

ändern, um der Nachfrageseite gleichberechtigten, diskriminierungsfreien Zugang zum Strommarkt zu

ermöglichen.

Demand Response (DR) könnte in Deutschland etwa 10–15 GW gesicherte Leistung und Flexibilität

liefern

Demand Response (DR, in Deutschland oft auch “Lastmanagement” oder „Demand-side Management

(DSM)“ genannt), also die flexible Anpassung der Nachfrage auf die jeweilige Situation im Stromsys-

tem, hat das Potential zu erheblichem Nutzen für das Stromsystem, und damit letztendlich für den

Verbraucher:

- DR liefert die nötige Flexibilität, um die EE besser in den Markt zu integrieren, gleichzeitig die

Kosten für die EEG-Umlage zu senken und somit zum Gelingen der Energiewende beizutragen.

- DR kann gesicherte Leistung liefern, und helfen, Lastspitzen zu senken.

- DR kann die Notwendigkeit des Netzausbaus reduzieren, wenn es zur Reduktion der Spitzen-

last eingesetzt wird.

- DR ist CO2-arm, und je mehr DR im Markt teilnimmt, desto geringer ist der Bedarf an (oft CO2-

intensiven) Spitzenlastkraftwerken.

- DR bietet Zusatzerlöse für teilnehmende Unternehmen aus Industrie und Gewerbe. Ein Un-

ternehmen wird nur DR anbieten, wenn die zu erzielenden Einnahmen die betrieblichen Kos-

ten der Flexibilitätserbringung übersteigen. Wo dies der Fall ist, ist DR eine zusätzliche Einnah-

mequelle, die dem Unternehmen zugutekommt und seine Position im internationalen Wett-

bewerb stärkt.

- DR senkt die Kosten des Stromsystems durch erhöhten Wettbewerb in den jeweiligen Märk-

ten. In vielen Fällen ist DR günstiger als konventionelle Spitzenlastkraftwerke.

2 Das Fraunhofer IWES schätzt, dass es bei 50% Erneuerbaren Energien und Einspeisevorrang zu Schwankungen

von bis zu 12 GW innerhalb von 15 Minuten kommen kann (siehe Fraunhofer IWES „Dynamischen Simulation

der Stromversorgung in Deutschland nach dem Ausbauszenario der Erneuerbaren-Energien-Branche“, Dezem-

ber 2009)

Dezember 2014

3

- DR erhöht die Innovation im Strommarkt. Die Erschließung der Nachfrageseite birgt enormes

Potential für neue Businessmodelle mit innovativen Technologien (Stichworte: Intelligente

Netze, Intelligente Märkte, Smart Appliances, usw.).

Das Grünbuch3 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zitiert eine Studie von r2b

aus dem Jahr 2014, in der das Potential für Lastreduktion in der deutschen Industrie auf 10–15 GW

geschätzt wird. Dies deckt sich in etwa mit EnerNOCs Erfahrungen in anderen Märkten der Welt (z.B.

USA, Australien), wo bei entsprechenden Rahmenbedingungen etwa 10% der Spitzenlast als DR im

Markt aktiv sind. Um diese Potentiale zu heben, wird jedoch ein regulatorischer Rahmen benötigt, der

DR chancengleich am Markt teilnehmen lässt. DR-Kapazität und DR-Energievolumen haben den glei-

chen Effekt auf das Stromsystem wie Erzeugungs-Kapazität und Erzeugungs-Volumen. Sie sollten des-

halb auch vergleichbar, und als Ersatz zu Erzeugung im Markt verkauft werden können.

Den DR-Markt für neue Marktteilnehmer öffnen

DR ist mittlerweile fest in diversen regulatorischen Initiativen auf EU-Ebene verankert, inklusive dem

Dritten Energiepaket der EU, den Netzkodizes und der EU-Energieeffizienzrichtlinie. Insbesondere die

Energieeffizienzrichtline schreibt in Artikel 15.8 die Gleichberechtigung von DR neben Erzeugung im

Strommarkt vor und sagt: „Member States shall ensure that national energy regulatory authorities en-

courage demand side resources, such as demand response, to participate alongside supply in the who-

lesale and retail markets“. Außerdem: „[…] Member States shall promote access to and participation

of demand response in balancing, reserves and other system services markets. […] Such specifications

shall include the participation of aggregators.“ Auch in Deutschland wird die Bedeutung von DR im

Zuge der Energiewende immer wieder als wichtiger Flexibilitätslieferant hervorgehoben, u.a. auch im

Grünbuch des BMWi.

Damit DR seinen Teil zur Energiewende beitragen kann, und um das volle DR-Potential in Deutschland

zu heben, braucht es eine Stärkung des Wettbewerbs auf dem Markt für DR-Dienstleistungen. Dies

bedeutet insbesondere, Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer mit innovativen Geschäftsmodel-

len zu beseitigen. Das in Deutschland bestehende Marktmodell führt dazu, dass unabhängige DR-Ag-

gregatoren sich bisher nur im Einzelfall Zugang zum Strommarkt verschaffen können. Deswegen, und

nicht wie oft beschrieben auf Grund der fehlenden Preissignale, steckt der Wettbewerb um die besten

DR-Dienstleistungen in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen, und ein Großteil des DR-Po-

tentials wird nicht ausgeschöpft.

Ziel dieses Papiers ist es, die Eintrittsbarrieren zu benennen und einen Vorschlag für ein erweitertes

Marktmodell zu beschreiben, das auch unabhängigen DR-Anbietern/DR-Aggregatoren einen fairen Zu-

gang zum Strommarkt in Deutschland ermöglicht, und damit den Wettbewerb auf dem DR-Markt

stärkt.

Die Einsatzgebiete für DR sind so vielfältig wie die Hemmnisse

DR hat vielfältige mögliche Einsatzfelder in allen Bereichen des Strommarktes. Leider ist ein Großteil

dieser Marktsegmente für DR entweder komplett verschlossen, oder es fehlt an Chancengleichheit

zwischen DR und Erzeugern. Das größte Hemmnis für die Verbreitung von DR liegt in der in diesem

Papier detailliert beschriebenen BKV/Lieferanten-Problematik, die sich als Hemmnis durch alle Seg-

mente des Strommarktes zieht. Daneben gibt es diverse Hemmnisse in bestimmten Segmenten des

Marktes.

3 http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Strommarkt-der-Zukunft/gruenbuch.html; Seite 47

Dezember 2014

4

Abbildung 1 zeigt eine Übersicht über potentielle DR Einsatzgebiete und deutet die jeweiligen Hemm-

nisse an. Im Bereich der Netze sind es insbesondere die oft gegenläufigen Anreize aus den Netzentgel-

ten und den Marktsignalen, so kann z.B. die Erbringung von negativer Reserveenergie zu deutlich hö-

heren Netzentgelten führen. Bei den Produkten und technischen Anforderungen im Bereich Re-

gelenergie sollten die Fähigkeiten der Nachfrageseite ebenso berücksichtigt werden wie die der Erzeu-

gerseite. Im Bereich der Verteilnetze gibt es aktuell wenig Anreize für Verteilnetzbetreiber, Alternati-

ven (wie z.B. DR) zum klassischen Netzausbau zu erwägen. Des Weiteren könnte DR einen Beitrag zum

optimalen Bewirtschaften der Bilanzkreise leisten, und damit die Regelenergiekosten senken. Aller-

dings sind in Deutschland aktuell die finanziellen Anreize für die Bilanzkreisbewirtschaftung eher

schwach, da die Ausgleichsenergiepreise u.a. die Kosten der Regelenergievorhaltung nicht beinhalten.

Bei den Kapazitätsprodukten ist DR entweder von der Teilnahme ausgeschlossen (Netzreserve) oder

auf Grund restriktiver Teilnahmebedingungen nur sehr eingeschränkt aktiv (AbLaV).

Abbildung 1: Übersicht DR Einsatzgebiete und Hemmnisse

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2. Prinzipien für die Teilnahme von Verbrauchern im Strommarkt

In diesem Kapitel wird auf die Prinzipien eingegangen, die nötig sind, um DR in einem Strommarkt

tragfähig zu machen. Diese basieren auf dem „Demand Response Action Plan for Europe“4, der von der

Smart Energy Demand Coalition (SEDC) entwickelt wurde. Sie dienen als Grundlage für die in Kapitel 5

beschriebenen Lösungsansätze.

1. Verbraucher sollten die freie Wahl haben, wie sie ihre Flexibilität nutzen bzw. vermarkten

• Dies beinhaltet die Möglichkeit, Drittanbieter, z.B. einen Lieferanten oder einen Ag-

gregator, mit der Vermarktung der Flexibilität zu beauftragen

• Ein Verbraucher sollte nicht von seinem BKV/Lieferanten beim Vermarkten seiner Fle-

xibilität behindert werden können.

• Verteilnetzbetreiber sollten die Flexibilitätserbringung nur zur Behebung eines akuten

Netzproblems einschränken können. In diesen Fällen sollte der Verbraucher – ähnlich

wie bei der Abschaltung von EE-Anlagen – eine Kompensation erhalten.

• Dies sollte für alle Verbraucher gelten, egal auf welcher Spannungsebene sie ans

Stromnetz angeschlossen sind.

• Grundsätzlich sollte Flexibilität als ökonomisches Gut angesehen werden.5

2. Alle Strommärkte sollten für Verbraucher offen sein

• Grundsätzlich sollte es der Nachfrageseite möglich sein, gleichberechtigt mit Erzeu-

gern in den Wettbewerb eintreten zu dürfen. Eine MWh Nachfragereduktion hat netz-

seitig die gleiche Wirkung wie eine MWh Erzeugung.

• Day-ahead, Intraday, Regelleistung, Netzengpassmanagement, Strategische Reserven,

Kapazitätsmärkte, Netzreserve, etc.: Alle Segmente des Strommarktes sollten für Ver-

braucher zugänglich sein, wie dies in Artikel 15.8 der EU-Energieeffizienzrichtlinie fest-

geschrieben ist.

• Markteintrittsbarrieren für die Nachfrageseite sollten abgebaut werden

3. Klare Mess- und Verifizierungsmethoden sollten definiert sein

• Wo die existierenden Zähler dies nicht leisten können, soll es dem Verbraucher mög-

lich sein, seinen eigenen, geeichten, Zähler zu installieren (oder sich von seinem

Dienstleister installieren lassen) und diesen für die Messung der eigenen Leistung ver-

wenden (dies ist aktuell in Deutschland schon Praxis).

• Ein geeignetes Baseline-Verfahren zum Nachweis für das Erbringen von Nachfragefle-

xibilität sollte – nach Möglichkeit standardisiert – entwickelt werden.

4. Faire Bezahlung für die Flexibilität sollte gewährleistet, und Auswirkungen auf Dritte neutra-

lisiert werden

• Nachfrager sollten für vergleichbare Leistungen vergleichbar mit Erzeugern bezahlt

werden. Idealerweise sollte Nachfrage regelmäßig in den direkten Wettbewerb mit

Erzeugung gestellt werden.

• Bei einem DR-Abruf sollte sichergestellt werden, dass die davon betroffenen Akteure,

insbesondere der BKV und Lieferant des geschalteten Verbrauchers, schadlos gehal-

ten werden. Diese Thematik wird im Folgenden ausführlich diskutiert.

4 SEDC, „A Demand Response Action Plan For Europe; Regulator requirements and market models“, April 2014 5 Vgl. „BDI – Impulse für eine smarte Energiewende“, Oktober 2013

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3. Die Rolle des unabhängigen Aggregators bei der Hebung des DR-Po-

tentials

Aggregation ist wichtig, um die Breite der Potentiale in der Industrie und dem Gewerbe zu heben

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, die Rolle des Aggregators für die DR-Potentialhebung zu ver-

stehen. Nur wenige große, stromintensive Unternehmen sind im Einzelfall in der Lage, ihre Flexibilität

selbst zu vermarkten. Für die Erschließung der Potentiale in der Breite werden auf die technische und

kommerzielle Erschließung von DR spezialisierte Dienstleister benötigt, die Einzellasten zu vermark-

tungsfähigen Produkten zusammenführen. Der Aggregator ist ein Dienstleister, der flexible Lasten in

Unternehmen identifiziert, diese bündelt und gemeinsam vermarktet. Diese Bündelung hat den Vor-

teil, dass eine höhere Verfügbarkeit, längere Schaltzeiten sowie größere Schaltleistungen erreicht wer-

den können. Sie macht die Teilnahme an den Strommärkten für mittelgroße bis kleinere Stromver-

braucher überhaupt erst möglich.

DR-Aggregation erfordert ausgeprägte anwendungs- und informationstechnische Kompetenz und

unterscheidet sich grundlegend von der Lieferantentätigkeit

Ein DR-Aggregator braucht das Wissen, welche Branchen, welche Anlagen und welche Industriepro-

zesse sich besonders gut für DR eignen. Er bringt zudem das nötige technische Know-how mit, inklusive

der entsprechenden Hard- und Softwarelösung, um die dezentralen Nachfrageflexibilitäten in einem

Pool zu bündeln, die Energie am Markt anzubieten, die Performance der Anlagen zu überwachen und

entsprechend so zu steuern, dass daraus ein verlässliches, vermarktungsfähiges Produkt wird. Dieses

Know-how und diese Fähigkeiten unterscheiden sich von denen der übrigen Marktrollen. Sie unter-

scheiden sich insbesondere von den Kernkompetenzen und dem Geschäftsmodell eines Lieferanten.

Es ist deshalb wichtig, die Aggregationstätigkeit nicht zwangsweise (z.B. durch das gewählte Marktmo-

dell) mit der Lieferantentätigkeit zu verheiraten. Der Stromkunde sollte die freie Wahl haben, den bes-

ten Dienstleister für die Stromlieferung zu wählen, und unabhängig davon den besten Dienstleister für

die Vermarktung seiner Flexibilität.6

Internationale Erfahrung zeigt: Der Großteil des DR-Potentials wird von unabhängigen DR-Aggrega-

toren gehoben

Theoretisch kann sich ein Lieferant ebenfalls die Kompetenzen eines Aggregators aneignen, und einige

ganz wenige tun dies auch. Im deutschen Strommarkt zeigt sich jedoch, dass Lieferanten relativ wenig

zur Hebung des DR-Potentials beitragen, was sich mit EnerNOCs internationalen Erfahrungen deckt.

Vertikal integrierte Versorger haben einen internen Interessenskonflikt, da DR im eigenen Portfolio im

direkten Konkurrenzkampf zu Erzeugungsanlagen steht. Außerdem reduziert eine kontrollierte Nach-

fragereduktion die Menge an Strom, die dem Stromverbraucher in Rechnung gestellt werden kann.

Dies sind neben der erforderlichen Erschließungskompetenz Gründe, warum DR nur in ganz begrenz-

ten Umfang von den etablierten Marktteilnehmern entwickelt wird. In der Region PJM in den USA (das

6 Die Erfahrung aus der Liberalisierung des Strom- und später des Gasmarktes zeigt, dass insbesondere industri-

elle Verbraucher in der Regel nicht über ihren Stromlieferanten auch Gas beziehen. Der Grundsatz der Wahl-

freiheit zwischen verschiedenen Anbietern für verschiedene Dienstleistungen sollte auch bei der Vermarktung

von Flexibilität gelten. Eine zwangsweise Verknüpfung von Stromlieferung und Flexibilitätsvermarktung führt

dazu, dass nur wenige Anbieter (die beides anbieten) für den Verbraucher in Frage kommen. Ein Wechsel zu so

einem Anbieter kann auf Grund von gängigen langfristigen Lieferverträgen Jahre dauern. Einen solchen Wech-

sel nötig zu machen ist deshalb erstens nicht im Sinne des Verbrauchers und führt zweitens zu einer stark ver-

zögerten und reduzierten Potentialhebung.

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Land mit dem am weitesten entwickelten DR-Angebot), werden 77 % der bislang erschlossenen DR-

Potenziale von unabhängigen DR-Aggregatoren angeboten.7 Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Ag-

gregatoren-Rolle.

Unabhängige Aggregatoren stimulieren den Wettbewerb um DR-Lösungen

Unabhängig davon ob und in welchem Umfang die bestehenden Marktteilnehmer das DR-Potential

heben, sollte es das Ziel sein, möglichst viel Wettbewerb im Markt für DR-Dienstleistungen zu schaffen,

damit möglichst viel Potential gehoben wird und die Stromverbraucher eine breite Auswahl an DR-

Dienstleistern zur Verfügung haben. Das nächste Kapitel beschreibt den Grund für den mangelnden

Wettbewerb in diesem Markt.

4. Größtes Hemmnis für DR in Deutschland: erschwerter Marktzugang

für unabhängige Aggregatoren

Nach einem DR-Abruf sind Korrekturprozesse nötig

Ein DR-Abruf hat Auswirkungen auf den BKV und Lieferanten des Stromverbrauchers, die korrigiert

werden müssen. Zur Verdeutlichung folgende Beispielsituation: Ein Nachfrager entschließt sich, seine

Flexibilität vermarkten zu lassen, und schließt dazu einen Vertrag mit einem DR-Dienstleister seiner

Wahl. Der DR-Dienstleister vermarktet diese Flexibilität z.B. im Regelleistungsmarkt. Im Falle eines Ab-

rufes von positiver Regelenergie8 reduziert der Verbraucher seine Nachfrage entsprechend dem Abruf.

Ohne entsprechende Korrekturmechanismen hätte der DR-Abruf zwei direkte Auswirkungen auf den

BKV/Lieferanten des Nachfragers:

1. Der Bilanzkreis, dem der Stromverbraucher zugeordnet ist, wäre um die Menge der Nachfra-

gereduktion überspeist9

2. Der Stromlieferant hätte weniger Energie an den Verbraucher verkauft als im Vorfeld prognos-

tiziert und über den BKV eingekauft

Es ist wichtig, an Prinzip Nr. 4 aus Kapitel 2 zu erinnern, wonach es das Ziel sein muss, Dritte gegenüber

dem DR-Abruf schadlos zu halten. Deshalb gibt es im Status quo in Deutschland Korrekturmechanis-

men, um die beiden beschriebenen Auswirkungen auf BKV/Lieferanten zu korrigieren. Der Bilanzkreis

des BKV wird am auf den Abruf folgenden Werktag durch einen Korrekturfahrplan so angepasst und

damit wieder ins Gleichgewicht gebracht, dass die überschüssige Strommenge an den Bilanzkreis des

Aggregators geliefert wird. Der Lieferant bzw. BKV wird im Gegenzug für die Energiemenge, die im

Vorfeld auf dem Großhandelsmarkt gekauft, dann aber nicht abgesetzt wurde, entschädigt. Abbildung

2 stellt diesen Zusammenhang am Beispiel einer Nachfragereduktion grafisch dar.10

7 PJM Market Activity Report 2014 8 Das Beispiel gilt symmetrisch auch für negative Regelenergie 9 Immer angenommen, er war zuvor ausgeglichen 10 Bei einer Nachfrageerhöhung würden die Pfeile für die Korrekturprozesse entsprechend in die andere Rich-

tung zeigen.

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Abbildung 2: Problematik am Beispiel einer Nachfragereduktion, z.B. für Regelenergie (vereinfachte Darstellung

mit nur einem flexiblen Verbraucher)

Bestehendes Marktmodell ermöglicht Blockade von DR-Aggregatoren durch BKV/Lieferanten

Das Problem in Deutschland hierbei liegt darin begründet, dass es für die beschriebenen Korrekturpro-

zesse und Entschädigungszahlungen keine standardisierte Lösung gibt. Vielmehr muss der DR-Aggre-

gator (als Vermarkter der Nachfrageflexibilität) einen bilateralen Vertrag mit dem BKV sowie mit dem

Lieferanten des Nachfragers schließen, um die entsprechenden Korrekturen der Bilanzkreise sowie die

Entschädigungszahlungen zu vereinbaren. Solche Verträge kommen häufig nicht zustande, da weder

BKV noch Lieferant einen Anreiz (oder gar eine Verpflichtung) haben, mit dem DR-Aggregator kon-

struktiv zusammenzuarbeiten. Im Gegenteil, es bestehen mehrere gegengelagerte Interessen, solche

bilaterale Verhandlungen scheitern zu lassen: Lieferanten sehen die Aktivitäten des DR-Aggregators

oft als ungewünschten Eingriff in deren Kunden-Lieferanten-Beziehung. Manche Lieferanten liebäu-

geln mit dem Gedanken, selbst irgendwann das Thema DR als Geschäftsfeld aufzubauen. Aus der Sicht

vieler Lieferanten ist es deshalb von Vorteil, dem DR-Aggregatoren den Zugang zur Flexibilität des

Stromverbrauchers, und damit zum Markt, zu versperren bzw. zu verzögern.11 Diese Möglichkeit der

Blockade von neuen Marktteilnehmern durch bestehenden Marktteilnehmer stellt eine erhebliche

Markteintrittsbarriere dar, die den Wettbewerb um DR-Dienstleistungen schwächt. Sie – nicht etwa

fehlende Preissignale – ist das größte Hemmnis für die Ausschöpfung von DR-Potentialen im deutschen

11 Praxisbeispiel: Bei konkreten EnerNOC-Projekten warten flexible Stromverbraucher seit mehr als einem Jahr

auf die BKV/Lieferanten-Zustimmung.

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Strommarkt. Sie erschwert es, das vorhandene DR-Potential in den Regelenergiemärkten auszuschöp-

fen und sie verhindert den Marktzugang zum Handel mit DR-Flexibilität (z.B. day-ahead oder intraday).

Erfahrungen in anderen Ländern belegen eindeutig, dass ohne Wettbewerb in diesem Markt, und ohne

neue Anbieter, DR nicht oder nur sehr langsam und in geringem Umfang vorangetrieben wird.

Um in Deutschland die Potentiale der Nachfrageseite für die Energiewende zu heben, ist es nötig, diese

Abhängigkeit des DR-Aggregators vom BKV/Lieferanten zu eliminieren.

5. EnerNOC Lösungsansatz: Standardisierter Korrekturprozess

EnerNOCs Lösungsansatz baut auf den Beispielen einiger unserer europäischen Nachbarländer auf, die

diese Problematik in ähnlicher Form bereits gelöst haben (z.B. Frankreich, Schweiz). Zentrale Kompo-

nenten der Lösung sind dort die Standardisierung der Korrekturprozesse sowie die zentrale Administ-

ration dieser Prozesse durch den ÜNB, der als neutrale Instanz zwischen Aggregatoren und BKV fun-

giert. Diese beiden Lösungskomponenten eliminieren die Abhängigkeit des Aggregators vom BKV/Lie-

feranten, und stellen gleichzeitig sicher, dass der BKV/Lieferant schadlos gehalten wird. Ein Lösungs-

ansatz für solch einen standardisierten Korrekturprozess in Deutschland wird in diesem Kapitel skiz-

ziert.

Abbildung 3 greift das obige Beispiel auf und adressiert die beschriebenen Probleme. Ein Standard-

Korrekturprozess dient dazu, die häufig nicht zu Stande kommenden bilateralen Vereinbarungen zu

ersetzen. Inhaltlich ändert sich sehr wenig, es werden nach wie vor die Energiemengen angepasst und

für diese bezahlt. Der Korrekturprozess besteht aus folgenden wesentlichen Elementen (hier am Bei-

spiel einer Nachfrageabsenkung um 20 MWh):

1. Korrektur der Bilanzkreise: Der BKV/Lieferant hat 20 MWh mehr eingekauft als nach Abruf

bzw. Einsatz von DR konsumiert wurde. Dieser Überspeisung steht eine Unterspeisung im Bi-

lanzkreis des Aggregators gegenüber, der 20 MWh (Flexibilität) vermarktet hat, ohne diese im

Vorfeld eingekauft zu haben. Diese 20 MWh müssen deshalb vom BKV (des Stromverbrau-

chers) in den Bilanzkreis des Aggregators umgebucht werden, um beide Bilanzkreise auszuglei-

chen.

2. Der Aggregator muss für die umgebuchte Energie einen Preis an den BKV/Lieferanten bezah-

len. Dieser Preis sollte idealerweise der Preis sein, zu dem der BKV/Lieferant den Strom einge-

kauft hat. Um eine Standardisierung zu erreichen, sollte anstelle einer individuellen, BKV/Lie-

feranten-bezogenen Vergütung eine indexbasierte Kompensation erfolgen, die beispielsweise

veröffentlichte Großhandels-Preise in einem Mix aus Terminmarkt- und Spotmarkt-Preisen an-

teilig berücksichtigt. Eine solche Standard-Vergütung bildet die marktübliche Beschaffung für

Strom am Großhandelsmarkt nach und minimiert die Auswirkung auf den BKV/Lieferanten.

3. Der BKV/Lieferant erhält die erforderlichen Abrufinformationen, so dass er diese bei zukünfti-

gen Prognosen berücksichtigen kann.

Wichtig ist zu erwähnen, dass bei einer Nachfrageerhöhung (z.B. für negative Regelleistung) die Pfeile

entsprechend in die andere Richtung zeigen würden (Energiemenge wird von Aggregator zum BKV

umgebucht, BKV/Lieferant bezahlt den Aggregator für die zusätzlich abgesetzte Energie).

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Abbildung 3: Lösungsansatz am Beispiel einer Nachfragereduktion: Zentrale Abwicklung der Korrekturmaßnah-

men durch eine zentrale Instanz auf Basis eines standardisierten Korrekturprozesses (vereinfachte Darstellung

mit nur einem flexiblen Verbraucher)

Zudem sollte diese Abwicklung einer zentralen Instanz übertragen werden. Der ÜNB bietet sich über

seine BIKO-Rolle für diese Funktion an, da es im Wesentlichen um Korrekturen im Bereich der Bilanz-

kreise sowie der Regel- und Ausgleichsenergie geht. Dies stärkt die angestrebte Unabhängigkeit der

Marktteilnehmer, und vermeidet die in der Praxis häufig auftretende Verzögerungstaktik seitens der

BKV/Lieferanten, die selbst bei standardisierten Prozessen zu befürchten wäre.

Dieser Vorschlag hat entscheidende Vorteile gegenüber dem Status quo:

- Er ermöglicht unabhängigen DR-Anbietern den Zugang zum Markt, ohne vom BKV/Lieferanten

des Stromverbrauchers abhängig zu sein. Der Verbraucher ist somit frei bei der Wahl seines

DR-Dienstleisters. Dies stärkt den Wettbewerb um DR-Dienstleistungen.

- Die Korrektur der Bilanzkreise, die faire Entschädigung und die Informationspflicht des Aggre-

gators stellen sicher, dass BKV/Lieferanten schadlos gegenüber dem DR-Abruf gehalten wer-

den – für keinen Akteur entstehen ungerechtfertigte Kosten

- Die Korrekturmechanismen funktionieren sowohl für Nachfragereduktion als auch für Nach-

frageerhöhung (z.B. negative Regelenergie) – mit entsprechend umgekehrten Vorzeichen

- Grundsätzlich baut der Vorschlag auf den bestehenden Marktregeln auf, was eine zügige Im-

plementierung grundsätzlich möglich macht.

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Konkrete Umsetzung erfordert die Anpassung der Netzzugangsverordnung und der Standard-Bilanz-

kreisverträge, sowie idealerweise die Definition einer Marktrolle für DR-Aggregatoren

Die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) und die Standard-Bilanzkreisverträge verpflichten die

BKV, ihre Bilanzkreise für Minutenreserve zu öffnen – gegen eine angemessene Entschädigung (§26,

Abs. 3). Für Sekundärreserve und andere Produkte gibt es keine derartige Regelung. Es bedarf aus Sicht

von EnerNOC einer gesetzlichen Regelung, die den grundsätzlichen Anspruch des Stromverbrauchers

begründet, seine Flexibilität mit Hilfe eines Dienstleisters im Strommarkt zu vermarkten. Konkret be-

deutet dies eine Erweiterung von §26 (3) StromNZV und der Standard-Bilanzkreisverträge auf alle Pro-

dukte im Strommarkt, sowie spezifische Vorgaben, was eine „angemessene Entschädigung“ darstellt.

Letzteres kann z.B. eine Berechnungsvorschrift für Strommengen-Vergütungen auf Basis von veröf-

fentlichten Preis-Indizes sein, die für Entschädigungen in die eine oder andere Richtung verwendet

werden. Des Weiteren kann durch Anpassung bzw. Erweiterung der relevanten Kommunikationsvor-

gaben (in TransmissionCode, MaBiS bzw. ENTSO-E Richtlinien) festgelegt werden, dass die entspre-

chenden Korrekturprozesse über eine zentrale Instanz (z.B. ÜNB/BIKO) abgewickelt werden, wodurch

die bilaterale Vereinbarung zwischen Aggregator und BKV entfällt.

Das bestehende Marktmodell beschreibt Rollen u.a. für BKV, Lieferanten, ÜNB, BIKO und VNB. Dieses

Modell wurde im Zuge der Einführung von Standardprozessen durch die Bundesnetzagentur (z.B.

GPKE, MaBiS) entwickelt, als die Erschließung von Nachfrageflexibilität noch kein bedeutendes Thema

war. Das Marktmodell stellt einen regulatorischen Eingriff dar, der das Ziel hat, die diskriminierungs-

freie Funktion des Marktes sicherzustellen. Die Rolle des Aggregators gewinnt mit zunehmender Er-

kenntnis über Notwendigkeit und Verfügbarkeit von nachfrageseitiger Flexibilität an Bedeutung.

EnerNOC tritt deshalb dafür ein, diese Marktrolle nun auch explizit zu definieren, in das Marktmodell

mit aufzunehmen und sie mit den entsprechenden Rechten und Pflichten zu versehen. So muss der

Aggregator, wie heute schon der Fall, für mögliche Ungleichgewichte im eigenen Bilanzkreis haften. Er

sollte zudem soweit erforderlich Informationspflichten gegenüber den BKV/Lieferanten unterliegen,

so dass diese ihre Messdaten für zukünftige Prognosen entsprechend anpassen können.

6. Dialog zur praxisgerechten Ausgestaltung des Lösungsansatzes

EnerNOC sucht mit diesem Papier den Dialog zur weiteren Ausgestaltung des beschriebenen Lösungs-

ansatzes. Wir sind uns bewusst, dass dieser Ansatz noch weiter ausgearbeitet und detailliert werden

muss. Zum Beispiel die Frage, welche Informationen der BKV bzw. Lieferant zu einem DR-Abruf benö-

tigt, wann und wie er diese erhält, müssen noch genauer definiert werden.

Wir sind im Prozess, diesen Ansatz mit den relevanten Fachpartnern zu besprechen (ÜNBs, BMWi,

BnetzA, Verbände, etc.) und begrüßen Rückmeldungen und Vorschläge zur Detaillierung und Verbes-

serung dieses Ansatzes.

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Anhang: Über EnerNOC

EnerNOC ist ein weltweit führender Anbieter von Energy Intelligence Software (EIS). EnerNOC’s EIS -

Lösungen helfen Unternehmen u.a. ihren Energieverbrauch zu optimieren, sowie an Demand

Response (DR) Programmen teilzunehmen. EnerNOC ist in 10 Ländern mit Demand Response aktiv und

liefert sowohl gesicherte Leistung in Kapazitätsmärkte, als auch flexible Leistung in Spot- und Regel-

leistungsmärkte. Mit über 14.000 Anlagen aus Industrie und Gewerbe hat EnerNOC weltweit ca. 25

GW dezentrale Leistung unter Management, wovon durchschnittlich etwa 30-35% in DR Programmen

schaltbar sind.

In Deutschland ist EnerNOC12 führend beim Vermarkten von dezentralen Verbrauchsflexibilitäten, vor

allem im Regelenergiemarkt. EnerNOC hat dazu eine umfassende Technologielösung (Hardware und

Software) entwickelt, um Verbraucher technisch anzuschließen und deren Flexibilität über das Net-

work Operation Center rund um die Uhr vermarkten zu können.

EnerNOC agiert nicht als Stromlieferant sondern ist spezialisiert auf die Identifikation, die Aggregation

und die Vermarktung der Flexibilitätspotentiale in Industrie und Gewerbe. EnerNOC schafft damit ei-

nen Mehrwert für die teilnehmenden Unternehmen, sowie für das Stromsystem insgesamt.

Weltweit hat EnerNOC etwas mehr als 1.000 Mitarbeiter. In Deutschland sind es knapp 40 Mitarbeiter,

verteilt auf die Standorte München und Berlin.

12 In Deutschland firmierte EnerNOC bis November 2014 als Entelios AG