Aufschlüsse und Bohrungen in der Altstadt von Schwäbisch Hall

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Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1993 Konrad Theiss Verlag.

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Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1993

Konrad Theiss Verlag.

Redaktion: Gabriete Süsskind und Britta Rabold Herstellung: Siegtried Fischer

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg ... lhrsg. vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg . .. -Stuttgart: Theiss

Erscheint jährl. 1981, 1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993 (1994)

Umschlagbild: Freiberg-Beihingen. Goldene Filigranscheibenfibel (Durchmesser 6,5 cm) aus einem fränkischen Adelsgrab; Mitte 7. Jh. n. Chr.

Gedruckt auf Papier aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff

© Konrad Theiss Verlag GmbH & Co., Stuttgart 1994 ISBN 3-8062-1118-3 ISSN 0724-8954 Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: Grafische Betriebe Süddeutsche Zeitungsdienst, Aalen Printed in Gennany

Karte der Städte und Gemeinden, aus denen in diesem Band berichtet wird.

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Inhalt

Vorwort 5 Fortsetzung der Sondagen in der endneolithi­schen Moorsiedlung Seekirch-Stockwiesen,

Verzeichnis der Autoren 13 Kreis Biberach (H. Schlichtherle) 57

Das Archäologische Landesmuseum Baden­Württemberg im Jahre 1993 (D. Planck, J. Heiligmann) 17

Neue jungpaläolithische Funde aus dem H~hle Fels bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis (A. Scheer) 24

Eine mesolithische Stratigraphie in Aueleh­men bei Rottenburg, Kreis Tübingen (C.-J. Kind) 27

Die ersten 14-C-Daten aus der ältestbandkera­mischen Siedlung in Rottenburg a. N., Kreis Tübingen (H. Reim) 31

Zum Abschluß der Ausgrabungen beim Viesenhäuser Hof, Stuttgart-Mühlhausen (G. Kurz) 34

Siedlungsreste der Hinkelstein- und Großgar­taeher Kultur bei Heilbronn-Neckargartach, »Böllinger Höfe« (J. Biel) 38

Abschluß der Grabungen am Erdwerk der Mi­chelsberger Kultur in Bruchsal, Landkreis Karlsruhe (R.-H. Behrends) 41

Nachuntersuchungen in der Schussemieder Siedlung Alleshausen-Hartöschle im nörd­lichen Federseeried, Kreis Biberach (M. Stro­bel, P. Schweizer, U. Maier) 47

Sechzig Jahre danach: Neues vom Goldberg, Riesbürg-Goldburghausen, Ostalbkreis (A. Zeeb) 54

Zum Stand der taucharchäologischen Unter­suchungen im Steeger See bei Aulendorf, Kreis Ravensburg (J. Köninger, H. Schlicht­herle) 61

Zum vorläufigen Abschluß der Ausgrabungen in Hornstaad-Hörnle, Kreis Konstanz (B. Dieckmann, R. Vogt) 67

Nußdorf-Strandbad - Die Tauchsoorlagen 1992 und 1993 in der Horgener Siedlung west­lich der Liebesinsel, Überlingen-Nußdorf, Bo­denseekreis (J. Köninger, H. Schlichtherle)

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Taucharchäologische Untersuchungen 1m Zuge von , Erosionsschutzmaßnahmen in der Pfahlbaubucht von Sipplingen , Bodenseekreis (M. Kolb, H. Schlichtherle) 78

Ein Gräberfeld der Urnenfelderzeit in Mann­heim-Sandhofen, Scharhof (H. P. Kraft, A. Wieczorek, R.-H. Behrends) 83

Eine Siedlungsgrube mit reichhaltigen Kera­mik-, Botanik- und Tierknochenresten der späten Urnenfelderkultur in Knittlingen, Enz­kreis (E. Schallmayer) 87

Rettungsgrabungen im Taubertal bei Distel­hausen, Stadt Tauberbischofsheim , Main­Tauber-Kreis (R. Krause) 89

Spätbronzezeitliche Gräber bei Unterbaibach im Taubertal, Stadt Lauda-Königshofen, Main-Tauber-Kreis (R. Krause) 91

9

Ein Steinhügel bei Burladingen-Melchingen, Zollernalbkreis (S. Oberrath) 95

Abschließende Untersuchungen in Eberdin­gen-Hochdorf, Kreis Ludwigsburg (J. Biel)

97

Zwei Bestattungen der Hallstattzeit bei Non­nenweier, Ortenaukreis (H. J. Behnke) 99

Siedlungsfunde der Hallstattzeit von Forch­heim, Kreis Emmendingen (Cbr. Maise) 102

Fortführung der Grabungen im Fürstengrab­hügel (Hügel 3) von Kappel a. Rh., Kappel­Grafenhausen, Ortenaukreis (R. Dehn) 106

Ein späthallstattzeitliches Fürstengrab von Ihringen, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (R. Dehn) 109

Ein befestigtes Gehöft der Spätlatenezeit bei Heilbronn-Neckargartach (J. Briel) 112

Archäologische Begehungen im Oppidum Heidengraben, Gemeinde Grabenstetten, Kreis Reutlingen (M. K. H. Eggert, Th. Hop­p~ 1M

Zur Viereckschanze »Klinge« bei Riedlingen, Kreis Biberach (F. Klein) 119

Aufschlüsse und Bohrungen in der Altstadt von Schwäbisch Hall (E. Fischer, M. Rösch)

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Latenezeitliche Eisenerzverhüttung mit Gru­benöfen in LieVKarlshof, Gemeinde Schlien­gen, Kreis Lörrach (A. Deffner, G. Gass­mann) 125

Eine Siedlung der Neckarsueben in Heidel­berg-Kirchheim (R. Ludwig) 126

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Spuren eines römischen Militärstützpunktes auf dem Rettig in Baden-Baden (P. Knier­riem, E. Löhnig, E. Schallmayer) 129

Elektro- und geomagnetische Prospektion des Welzheimer Ostkastells, Rems-Murr-Kreis (H. v. d. Osten) 135

Die römische Stadtmauer von Ladenburg und andere Aspekte des antiken LOPODVNVM, Rhein-Neckar-Kreis (C. S. Sommer, M. G. Meyer, H. Schaeff) 140

Neues zur Stadtmauer von Sumelocenna, Rot­tenburg, Kreis Tübingen (H. Reim) 147

Untersuchungen im römischen und mittelal­terlichen Rottweil (C. S. Sommer) 151

Archäologische Ausgrabungen im römischen Kastellvicus bei Burladingen, Zollernalbkreis (H. Reim) 154

Neues zum römische9 Vicus Grinario-Kön­gen, Kreis Esslingen (D. Planck) 158

Abschließende Ausgrabungen in der Heiden­beimer Ploucquetstraße (B. Rabold) 162

Letzte Spurensicherung im Areal der einstigen Brauerei Neff, Heidenheim (B. Rabold) 167

Zu den Grabungen im römischen Lahr-Ding­lingen, Ortenaukreis (G. Fingerlin) 172

Grabungen in Ettlingen, Landkreis Karlsruhe - Neue Aufschlüsse zur Römerzeit und zum Mittelalter in der Altstadt (E. Schallmayer)

175

Der Gesamtplan der Villa urbana von Hei­tersheim, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (H. Allewelt, K. Kortüm, H. U. Nuber) 181

Ein römischer Gutshof bei Herbolzheim, Kreis Emmendingen (D. Rothacher) 185

Villa rustica in Obemdorf-Bochingen, Kreis Rottweil (C. S. Sommer) 190

Wohnbau- Bad- Refugium(?): GebäudeS in Sontheim/Brenz, Kreis Heidenheim (H. U. Nuber, G. Seitz) 192

Ein zweites Gräberfeld und weitere Grabbau­ten in Sontheim/Brenz >>Braike<<, Kreis Hei­denheim (A. Hagendorn, H. U. Nuber, J. Scheuerbrandt) 198

Ausgrabungen im Gutshof von Hechingen­Stein, Zollemalbkreis (S. Schrnidt-Lawrenz)

202

Die Villa rustica in Ohmberg bei Öhringen, Hohenlohekreis (H. v. d. Osten) 205

Frühalamannische Siedler in einem römischen Gutshof bei Wurmlingen, Kreis Tutdingen (G. Fingerlin) 207

Zum Abschluß der vor- und frühgeschicht­lichen Siedlungsgrabungen im Neuseser Tal bei lgersheim, Main-Tauber-Kreis (R. Krau­se) 210

Eine langobardische Gürtelgarnitur aus dem Reihengräberfeld von Deißlingen, Kreis Rott­weil (G. Fingerlin) 214

Das Reihengräberfeld von Bad Schönborn­Mingolsheim, Landkreis Karlsruhe (K. Bang­hard) 217

Ein Reihengräberfeld von Illingen, Enzkreis (R.-H. Behrends) 220

Zur Fortsetzung der Untersuchung des fränki­schen Gräberfelds in Beihingen, Stadt Frei­berg am Neckar, Kreis Ludwigsburg (1. Stork)

223

Neue Siedlungsstrukturen und Holzbefunde in Lauchheim, Ostalbkreis (I. Stork) 227

Neue Untersuchungen im Friedhof und der Siedlung >>Beim alten Kirchhof<< von Leon­berg-Eitingen, Kreis Böblingen (Chr. Moll, I. Stork) 231

Funde aus einem frühmittelalterlichen Hand­werkerareal in der Bäderstraße in Neuhausen, Kreis Esslingen (U. Gross) 235

Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Herrenberg-Kuppingen, Kreis Böblingen (S. Amold) 239

Grabungen im Bereich des Kirchhofs in Schwieberdingen-Vöhingen, Kreis Ludwigs­burg (S. Arnold) 242

Ein erwähnenswerter Siedlungsbefund aus Leonberg-Höfingen, Kreis Böblingen (S. Ar­nold) 245

Ein Beitrag zur Frühgeschichte von Schries­heim, Rhein-Neckar-Kreis (D. Lutz, U. Gross) 248

Neufunde aus der Töpferei der rotbemalten Feinware in Remshalden-Buoch, Rems-Murr­Kreis (U. Gross) 253

Nachuntersuchungen in der Ruine Waiden­burg, Stadt Neuenbürg, Enzkreis (D. Lutz, U. Gross) 255

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Bauarchäologische Dokumentation an der Ka­pelle St. Ulrich am Glöcklehof in Bad Krozin­gen-Oberkrozingen, Kreis Breisgau-Hoch­schwarzwald (M. Untermann) 261

Zur Auswertung der Klostergrabung von 1958 in St. Georgen im Schwarzwald, Schwarzwald­Haar-Kreis (St. Westphalen) 265

Baugeschichtliche Beobachtungen in der ev. Kirche in Neckargemünd, Rhein-Neckar­Kreis (D. Lutz) 268

Feinstratigraphie mit römischen Funden am alten Seerheinufer in Konstanz (M. Dumitra­che) 271

Zum Abschluß der Untersuchungen auf dem Münsterplatz in Ulm (A. Bräuning) 273

Hochmittelalterliche Siedlungsreste im Be­reich der Metzgergasse in Tübingen (E. Schmidt) 277

Archäologische Beobachtungen im Sanie­rungsgebiet Gänsbühl in Ravensburg (E. Schmidt) 282

Archäologische Untersuchungen im Konstan­zer Neugasse-Viertel (M. Dumitrache) 285

Mittelalterliche Keramik aus einer Latrine und einem Töpferofen in Schwäbisch Hall (U. Gross, M. Weihs) 297

Bauarchäologische Untersuchungen im Ge­bäude Stadelgasse 1 in Ravensburg (E. Schmidt) 300

Die ehemalige Michaelskapelle in Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis (M. Weihs) 305

Mittelalterliche Eisenverhüttung bei Pricken­hausen, Kreis Esslingen, und Metzingen, Kreis Reuttingen (M. Kempa) 308

Montanarchäologische Ausgrabungen im Bergbaurevier Sulzburg, Kreis Breisgau­Hochschwarzwald (C. Pause, S. Spiong, S. Stelzle-Hüglin, H. Steuer) 314

Mittelalterliche Bleierzverhüttungen in Boll­schweil, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (M. Siebenschock. H. Wagner) 320

Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Ver­hüttung von Antimonerzen bei Sulzburg, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (G. Gol­denberg, M. Siebenschock. H. Wagner) 323

Fundmünzen aus Württemberg (U. Klein) 328

Die Geschichte einer Parzelle, Untersuchun- Ortsregister 339 gen in der Apothekergasse 3 in Heidelberg (Chr. Balharek, D. Lutz) 293 Bildnachweis 345

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Aufschlüsse und Bohrungen in der Altstadt von Schwäbisch Hall

Im Herbst 1993 ließ die Telekom auf dem »Platz hinter der Post« in Schwäbisch Hall, un­mittelbar an der Nordwestecke des Postgebäu­des, eine Grube für den Neubau eines Vertei­lerkastens ausheben. Dabei traten archäologi­sche Befunde zutage, und das Landesdenk­malamt wurde eingeschaltet. Das Vorfinden geschichtsträchtigen Untergrundes konnte in der Altstadt von Schwäbisch Hall keineswegs überraschen. Als bedeutende und schon früh durch Salzgewinnung und Salzhandel zu Wohl­stand gekommene frühere Freie Reichsstadt sollte sie die Spuren ihrer großen, mittelalter­lichen Vergangenheit im Boden bewahrt ha­ben. Zudem waren im Jahre 1939 beim Neu­bau der Kreissparkasse südlich der Post in ei­ner Entfernung von nur 30 m bereits reiche ar­chäologische Befunde und Funde zutage getre­ten und auch untersucht worden. Die tiefsten archäologischen Horizonte waren dabei in Tie­fen bis zu 7 m unter der Oberfläche ange­schnitten und aufgrund datierender archäolo­gischer Funde in die Latenezeit gestellt wor­den. Die Befunde, teilweise mit unverkohlten Hölzern, wurden als keltische Salzsiede-An­Jage gedeutet. Damit wurde eine Nutzung der Haller Salzquellen seit keltischer Zeit belegt. Es wurden damals auch Pflanzenreste beob­achtet und entnommen. Ein Teil davon lag dem Pionier der Archäobotanik in Württem­berg, Karl Bertsch, zur Untersuchung vor. Er identifizierte Getreidekörner von Hafer und Gerste, Fruchtsteine von Pflaumen, Süßkir­schen, Schlehen und Himbeere, Nüßchen der Walderdbeere sowie Traubenkerne, die er der Wilden Weinrebe (Vitis sylvestris), einer Au­enwald-Liane zuwies. Seinerzeit verfolgte die Archäologie andere Fragestellungen als heute mit anderen Metho­den. Inzwischen sind umwelt-und wirtschafts-

geschichtliche Fragen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, die hauptsächlich mit na­turwissenschaftlichen Methoden angegangen werden. Hierbei kommt Ablagerungen mit Feuchterhaltung von organischem Material für die bioarchäologische Forschung eine beson­dere Bedeutung zu. Die Brisanz dieses Boden­eingriffs auf dem »Platz hinter der Post<< und die Chance, hier an ein für die keltische Zeit einmaliges Material heranzukommen , wurde zwar sofort erkannt, die praktische Umsetzung erwies sich jedoch als schwierig: Eine systema­tische Ausgrabung auf einer Grundfläche von etwa 5 x 5 m bis in eine Tiefe von knapp 8 m wäre technisch sehr aufwendig geworden und war aus organisatorischen und finanziellen Gründen kurzfristig nicht zu verwirklichen . Das zeichnete sich spätestens ab , als in einer kleinen Sondage ein 1,3 m mächtiges Profil in den mittelalterlichen Ablagerungen aufge­nommen und beprobt werden konnte . Dieses Profil reichte bis zur Sohle der Baugrube, 3,8 m unter dem Gehniveau. Darüber lagen 2,5 m neuzeitliche Auffüllungen. Diese anste­henden mittelalterlichen Ablagerungen waren sehr steinig und relativ trocken, enthielten aber Tierknochen und unverkohlte Pflanzen­reste in großer Menge und bestem Erhaltungs­zustand. Das war bereits vor Ort zu beobach­ten und wurde durch die ersten Analysen be­stätigt. Nachdem an diesem Punkt die Grabungen ab­gebrochen werden mußten, wurde von der Sohle der Baugrube aus eine Bohrung mit ei­nem Stechrohr-Kolbenbohrer abgeteuft. Die­ses Gerät ist eigentlich für Bohrungen in limni­schen oder marinen Lockersedimenten be­stimmt, die keine Steine enthalten und bei ge­ringer Lagerdichte und hohem Wassergehalt leicht zu durchteufen sind. So mußte die Boh-

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rung mit 2,2 m Kerngewinn in einer Tiefe von 5 m unter Pflaster wegen unüberwindlichen Bohrwiderstandes abgebrochen werden. Aufgrund der Beobachtungen von Emil Kost im Jahre 1939 konnte man nicht davon ausge­hen, daß in 5 m Tiefe bereits der anstehende Muschelkalk erreicht war. Zur Klärung des Problems und zum Gewinn eines vollständigen Profils wurde die Baustoff- und Bodenprüf­stelle des Regierungspräsidiums Stuttgart um Amtshilfe zur Durchführung einer technischen Bohrung gebeten. Am 5. November rückte ihr Bohrteam mit schwerem Gerät an, und es ge­lang, eine Rammkern-Bohrung bis 7,8 m un­ter das Pflaster abzuteufen, wo bei 273,3 m ü. NN der anstehende Muschelkalk erreicht wurde. Das Profil besteht durchgehend aus dunklen, humosen, steinigen, nach unten zu­sehends feuchter werdenden Kulturschichten mit zahlreichen organischen Resten. Eine ge­naue Zeiteinstufung ist derzeit noch nicht möglich, doch läßt der Vergleich mit den Un­tersuchungen von Kost die keltischen Schich­ten nahe der Profilbasis etwa 7 m unter Pfla­ster erwarten. Darüber folgen dann mächtige mittelalterliche Ablagerungen. Die gewonnenen Bohrkerne werden nun im Labor für Archäobotanik wissenschaftlich un­tersucht und ausgewertet. Dies geschieht hauptsächlich mit den Methoden der Pollen­analyse und der botanischen Großrestanalyse. Erste Ergebnisse aus den mittelalterlichen Schichten liegen bereits vor. Aus der großen Zahl nachgewiesener Pflanzen seien einige be­merkenswerte Arten herausgegriffen. 24 Nutzpflanzenarten geben Einblick in Speise­zettel und Alltag der mittelalterlichen Stadt. Dabei sind diese Nachweise vorläufig lediglich als Hinweise auf örtlichen Anbau und Nutzung dieser Arten zu sehen, die sich durch den Ver­gleich mit anderen Fundplätzen und mit histo­rischen Quellen untermauern lassen. Für den sicheren Nachweis von Art und Umfang der

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Abb. 66 Schwäbisch Hall, Hinter der Post. Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opu­/us), Steinfrucht, Originallänge 8,3 mm

Nutzung bestimmter Pflanzen, insbesondere wildwachsender, bedarf es weiterer Untersu­chungen. Mit Hafer, Roggen und Einkorn wurden bis­lang drei Getreidearten gefunden. Der Ge-

Abb. 67 Schwäbisch Hall. Hinter der Post. Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis), Nüßchen, größter Durchmesser des Originals 3,8mm

baute Lein war einerseits Nahrungspflanze, andererseits -und hier lag wohl seine Haupt­bedeutung - Lieferant pflanzlicher Fasern als Grundlage zur Textilherstellung. In der Ru­brik Gemüse/Gewürze trug die Linse als Hül­senfrucht wesentlich zur Versorgung mit pflanzlichein Eiweiß bei. Die Sellerie- seit rö­mischer Zeit im Land bekannt- kann als Wur­zel- oder Blattgemüse, aber auch als Gewürz oder Heilpflanze verwendet werden. Der Fuchschwanz (Amaranthus blitumlgraecizans) ist heute als Gemüse nicht mehr gebräuchlich. Während die vorgenannten Arten in Gärten kultiviert wurden, konnte man die als Würze verwendeten Beeren des Wacholders in den Wäldern sammeln. Dort war dieser bewehrte Strauch häufig zu finden, denn die Wälder wa­ren infolge der Waldweide und ungeregelter Holznutzung licht und in schlechtem Zustand. Wenn es um Obst und Nüsse ging, stand der Haller Bevölkerung ein breitgefächertes An­gebot zur Verfügung, das vermutlich bislang nur teilweise erlaßt wurde. An kultivierten Ar­ten sind dies Walnuß, Apfel, Birne, Süßkir­sche und Pflaume, an wildwachsenden und ge­sammelten Arten Weißdorn, Wald-Erdbeere, Judenkirsche (Physalis alkekengi), Schlehe, Eichel (Quercus spec.), Hagebutte (Rosa div. spec), Brombeere, Himbeere und Gewöhn­licher Schneeball (Viburnum opulus, Abb. 66). Die Blutwurz (Potentilla erecta), eine Fingerkraut-Art feuchter, sauerer, humo­ser Böden in Heiden und lichten Wäldern, hat einen rötlichen Wurzelstock, reich an Bitter­stoffen. Der alkoholische Auszug ist als Ma­genbitter beliebt. Vor der Erfindung syntheti­scher Farbstoffe färbte man Textilien u. a. mit Naturfarben, die großenteils aus Pflanzen ge­wonnen wurden. Eine solche Färbepflanze ist der Färber-Wau (Reseda luteola). Seine blü­henden Triebe liefern einen gelben Farbstoff, deshalb wurde er früher auch angebaut. Wild wächst er in Unkrautfluren auf trockenen Bö-

den, an Wegrändern usw. Von den zahlreichen Wildpflanzen seien nur wenige erwähnt. Aus der großen Gruppe der Acker- und Gartenun­kräuter, die überwiegend als Nahrungsabfälle oder Nahrungsbeimengungen abgelagert wor­den sind, sind das Kornblume ( Centourea cy­anus) und Kornrade (Agrostemma githago) , Stinkende und Acker-Hundskamille (Anthe­mis cotula und A. arvensis), Acker-Frauen­mantel (Aphanes arvensis/microcarpa) , Acker-Hahnenfuß (Ranunculus arvensis) , Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis, Abb. 67), Gefurchter Feldsalat (Valerianella rimosa) und Breitblättrige Wolfsmilch (Eu­phorbia platyphyllos). Diese Arten sind heute durch erfolgreiche Maßnahmen der Unkraut­bekämpfung in Garten- und Feldbau sehr sel­ten geworden und gelten als bedroht. Korn­rade, Frauenmantel, Feldsalat und Acker­Hundskamille kommen heute in der Gegend um Schwäbisch Hall nicht mehr vor. Als Rude­ralpflanzen im weitesten Sinne (Unkräuter wüster Plätze in Siedlungsnähe) können die Wegwarte (Cichorium sp.), der Sardische Hahnenfuß (Ranunculus sardous), der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor) , der Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnalis) , der Gift-Schierling (Conium maculatum) und das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) gelten. Von diesen fehlen Hahnenfuß, Schierling und Bilsenkraut heute um Schwäbisch Hall. Bei Ci­chorium sp. war noch keine sichere Artbestim­mung möglich. Deshalb könnte es sich hier statt um die wildwachsende Wegwarte ( Cicho­rium intybus) auch um die angebaute Salat­pflanze Cichorium endivia (Endivie, Abb. 68) handeln. Zahlreiche Pflanzen nasser Stand­orte wurden gefunden, dabei neben unter­schiedlichen Sauergräsern auch Früchte der Seebinse (Schoenoplectus lacustris, Abb. 69) . Das spricht für erhebliche Nässe im Stadtge­biet in der Umgebung der Salzquelle. Bis zum Abschluß der Untersuchungen wird

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Abb. 68 Schwäbisch Hall. Hinter der Post. Wegwarte oder Endivie (Cichorium intybusil -endivia), Frucht (Achäne), leicht beschädigt, Originallänge 2,1 mm

Abb. 69 Schwäbisch Hall. Hinter der Post. Seebinse (Schoenoplectus lacustris), Nüß­chen, Originallänge 3,1 mm: Die erhaltenen Perigonborsten belegen den hervorragenden Erhaltungszustand des pflanzlichen Mate­rials.

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noch einige Zeit vergehen, doch ist jetzt schon abzusehen, daß die Telekom mit ihrer Bau­grube die Initialzündung geliefert hat zu einer Entwicklung, die Schwäbisch Hall den Stellen­wert für die Landesarchäologie verschaffen könnte, der dieser Stadtaufgrund ihrer histori­schen Bedeutung und der hier gegebenen ar­chäologischen Quellenlage zukommt. Groß­flächig ausgebildete Kulturschichten mit Feuchterhaltung organischen Materials aus prähistorischer Zeit und aus dem Mittelalter sind nämlich innerhalb der Städte im Land eine seltene Erscheinung. Vergleichbares hat allenfalls noch Konstanz zu bieten. Ansonsten sind solche Materialien nur punktuell in künst­lichen Eintiefungen wie Brunnen oder Gru­ben, bestenfalls noch, wie in Esslingen, in Grä­ben erhalten und als Spezialfälle zu werten, aus denen allgemeine Aussagen schwer abzu­leiten sind; anders in Schwäbisch Hall, wo sich die Bewohner am Osthang des Kochertals of­fenbar über Jahrtausende auf ihrem eigenen Müll in die Höhe gewohnt haben. Dadurch be­wahrt die Stadt in ihr~m Untergrund ihr eige­nes Archiv, bestehend aus kulturhistorischen Dokumenten materieller Art und in bestem Erhaltungszustand. Darüber hinaus enthalten die Fehlböden und Gefache noch stehender Haller Häuser, die in ihrer aufgehenden Bau­substanz mindestens bis ins Späte Mittelalter zurückreichen, reichhaltiges Pflanzenmaterial sozusagen in Herbarqualität, wie Untersu­chungen an Gebäuden in der Langen Straße gezeigt haben. Dadurch können die Erkennt­nisse aus Bodenfunden in idealer Weise er­gänzt werden. Die Erhaltung sowie die sachge­mäße Bergung und Untersuchung dieser Schätze, wo es aufgrund von Baumaßnahmen und Bodeneingriffen notwendig werden wird, ist eine Aufgabe der Zukunft. Die besondere wissenschaftliche Bedeutung dieses Bodendenkmals sei noch an einem Bei­spiel für die eisenzeitlichen Schichten erläu-

tert: Aufgrund von Bodenfunden, hauptsäch­lich aus römischen Brunnen, und aufgrundvon historischen Quellen wird der Gartenbau mit kultivierten Obstarten, eingeführten und an­gepflanzten Gemüsen und Gewürzen als eine Errungenschaft der Römer angesehen. Den prähistorischen Epochen billigt man außer­halb der mediterranen und orientalischen Hochkulturen nur Ackerbau mit Getreide und anderen Feldfrüchten zu. Was Obst und son­stige Nahrungspflanzen anbetrifft, geht man von Sammelwirtschaft und der ausschließ­lichen Verwendung einheimischer Wildarten aus. Bislang konnte nämlich aus der vorrömi­schen Eisenzeit nur verkohltes pflanzliches Material untersucht werden, wobei Obst, Ge­müse und Gewürze kaum Nachweischancen besitzen und die schriftlichen Quellen schwei­gen. Bereits die Untersuchungen von Kar! Bertsch mit den Nachweisen von Pflaume, Weintraube und Kirsche lassen hier erste Zweifel an der Richtigkeit dieser Lehrmei­nung aufkommen. Hier besteht nun die Chance, solche Fragestellungen an einem ge-

eigneten, zuverlässig stratifizierten und datier­ten Material neu aufzurollen und die alten An­sichten gegebenenfalls zu revidieren. Wir dan­ken der Telekom, der Baustoff- und Boden­prüfstelle des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Stadt Schwäbisch Hall für ihr Inter­esse, ihr geduldiges Verständnis und für tat­kräftige und hilfreiche Unterstützung!

Elske Fischer und Manfred Rösch

Literaturhin weise H. Haeupler/P. Schönfelder, Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland (2. Auf!.; 1989). - E. Kost, Die Keltensiedlung über dem Haalquell im Kochertal in Schwäbisch Hall. Württembergisch Franken, 20121 , 1939, 39 ff. - J. Oexle, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1986, 253 ff.- J. Oexle, Mittelalterliche Stadtarchäologie in Baden­Württemberg, in: D. Planck, Archäologie in Würt­temberg (1988), 381 ff. - M. Rösch/S. Karg/M. Sill­mann, Vierhundert Jahre alt: Pflanzenreste in Dek-: ken und Wänden. Botanische Dokumente zu Ernäh­rung, Landwirtschaft und Landschaft im alten Hall aus der Langen Straße 49. Haus(ge)schichten. Kata­log zur gleichnamigen Ausstellung im Hällisch-Frän­kischen Museum (1994). -H. Schäfer, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1992, 339 ff.- 0. Sebald/S. Seybold/G. Philippi, Die Farn- und Blütenpflanzen Baden­Württembergs 1-4 (1990 und 1992)

Latenezeitliche Eisenerzverhüttung mit Grubenöfen in Liel/Karlshof, Gemeinde Schliengen, Kreis Lörrach

1992 wurden bei Begehungen mehrere Eisen­schlackenklötze südwestlich des Wohnhauses des Karlshofes aufgefunden, die aufgrund von 14-C-Daten der Latenezeit zuzuordnen sind. Ein Exemplar von 70 kg Gewicht eröffnete die Möglichkeit eines vorläufigen Rekonstruk­tionsversuches zur Verhüttungstechnologie, wonach die Verhüttung in Grubenöfen er­folgte, die wahrscheinlich nur jeweils einmal in Betrieb waren. Dieser Fund legte die Vermu-

tung nahe, daß, trotz Tiefpflügens, der für diese Zeitstellung in Süddeutschland erstma­lige Nachweis eines Grubenfeldes mit Eisen­erzverhüttungsanlagen ohne Schlackenabstich zu finden wäre. An diesem Fundplatz, im Zen­trum der Hohnerzlagerstätten des Markgräf­lerlandes an der Hohen Schule, wurde eine Fläche von etwa 200 m2 untersucht. Das Gra­bungsareal lag im nördlichen Abschluß eines kleinen Tales, in der Nähe eines Bachlaufes.

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