Archäologische Voruntersuchung in der Karlskirche, Wien 4

13

Transcript of Archäologische Voruntersuchung in der Karlskirche, Wien 4

1

Archäologische Voruntersuchung in der Karlskirche, Wien 4.

Paul Mitchell , März 2011

D2125

2

Von 7. bis 9. Februar 2011 fand eine archäologische Voruntersuchung in der Wiener

Karlskirche (erbaut 1714-1739) statt. Im Auftrag des Bundesdenkmalamts, Abt. für

Bodendenkmalpflege, betreute der Verfasser einen Suchschnitt im Bereich des

Triumphbogens und überwachte Bohrproben im Fußboden- und Wandbereich der Krypta.

Zusätzlich wurde eine bauarchäologische Untersuchung der Krypta durchgeführt. Am 23.

Februar wurde dann auch eine Bodenöffnung im Erdgeschoss des östlichen Treppenturms

dokumentiert. Nach dem Abschluss der Arbeiten vor Ort wurden ein historischer

Vermessungsplan digitalisiert und die Ergebnisse in graphischer Form zusammengefasst (vgl.

Anhang).

Die Krypta der Wiener Karlskirche wurde nie für Bestattungen verwendet. Sie wird durch

eine Falltür unmittelbar vor den Stufen zum Chorraum erschlossen, die sich zu einer 4,5 m

langen Steintreppe öffnet. Am Ende des angeschlossenen 5,5 m langen Gangs befindet sich

der Hauptraum, ein Rechteck mit gerundeten Enden, das 9,25 x 5,7 m misst und eine Fläche

von ca. 41 m² besitzt. Im südlichen Teil dieses Raums (die Kirche ist nach Süd-Südosten

orientiert) – hier befinden sich massive Stützfundamente – öffnen sich Bögen nach Osten und

Westen, um weitere kleine, längsrechteckige Räume (ca. 14 bzw. ca. 11 m²) zu erschließen.

Während die Krypta im Osten nicht weiter zieht, öffnet sich der westliche Raum in einen fast

quadratischen Raum (ca. 6,2 x 6 m) mit fast 40 m² Grundfläche, der sich unter dem

westlichen Treppenturm befindet. Das Treppenhaus wird hier durch vier quadratische

Ziegelpfeiler unterstützt. Die Krypta ist durchgehend mit Tonnengewölben überspannt.

Suchschnitt

Um den Bodenaufbau an jenem Standort zu untersuchen, an dem eine neue Erschließung der

Krypta angedacht war, wurde ein bodenarchäologischer Suchschnitt im westlichen

Triumphbogenbereich angelegt. Der Schnitt hatte die Maße 2,9 x 0,45-0,79 m (Grundfläche

1,6 m²) und lag in 30-35 cm Abstand zu einem Wandpfeiler und 2,5 bis 5 m vom derzeitigen

Abgang in die Krypta. Unter den nur 2 cm starken Marmorplatten des Fußbodens (SE 1)

wurden zuallererst mehrere Beton- und Isolierungsschichten (SE 3-7) bzw. das

Rollschotterfundament (SE 8) einer nach mündlicher Überlieferung rund 25 Jahre alten

Fußbodenheizung angetroffen (Abb. 1).

Erst in 30 bis 50 cm Tiefe kamen ältere Befunde zum Vorschein. Es handelte sich um eine 20-

25 cm breite Kanalwange (SE 10) auf der ein mehr als 30 cm breites flaches Tonnengewölbe

ruhte (SE 9). Wange und Gewölbe bestehen aus gewöhnlichen Mauer- (27-28 cm Länge, 13,5

D2126

3

cm Breite) und aber auch so genannten Gewölbeziegeln (24 cm Länge, 7 cm Höhe). Der

dazugehörige Mörtel ist hellgrau, fein, meist fest und mit Rollsteinen und Kalkfragmenten

durchsetzt (bis 1 cm groß). Der Kanal schneidet (IF 12) ein eher lockeres, mittelbraunes

sandiges Planiermaterial (SE 11), das wiederum gegen das nur 15-20 cm vorspringende

Fundament des Wandpfeilers – sichtbar durch eine Unterhüllung des Profils – läuft. Die

Oberkante des Gewölbes fällt vom Westen nach Osten ab, also in Richtung Krypta (Abb. 2).

Abb. 1: Kirchenraum, Suchschnitt. Beton- und Isolierschichten der 1980er Jahre.

Abb. 2: Kirchenraum, Suchschnitt. Überblick mit Lüftungskanal, der auf die Krypta ausgerichtet ist (oben).

Ein Blick auf die Westseite des Abgangs in die Krypta erklärt diesen Befund. Der Kanal ist

offenbar die Fortsetzung eines primären, also hochbarocken Lüftungskanals, der in die

Treppenwand der Krypta mündet (Abb. 3). Der Anfang des Kanals ist unbekannt. Eine neue

Erschließung an der beprobten Stelle hätte also die komplette Zerstörung dieses barocken

Bauteils und in weiterer Folge des ursprünglichen Abgangs zur Folge.

Abb. 3: Krypta, Abgang. Lüftungskanal mündet in die Westwand.

D2127

4

Bohrproben in der Krypta

Der gesamte Boden der Krypta ist von einer starken Betonschicht überlagert, die zu einem

unbekannten Zeitpunkt im mittleren oder späteren 20. Jahrhundert eingezogen worden ist. Im

Auftrag der Kirchenleitung wurde an drei Stellen im Hauptraum und Ostraum der Krypta der

Betonboden mit einem 30 cm breiten Bohrer geöffnet. Im Ostraum wurde eine Betonstärke

von rund 30 cm Stärke ermittelt. Unter dem Beton lagen in dieser Tiefe zwei Lagen von

Ziegel, wohl der ältere Boden der Krypta, die wiederum auf brauner, toniger Erde lagen. Im

Hauptraum jedoch zeigte sich an zwei Stellen eine erstaunliche Betonstärke von 95 bzw. 113

cm. Darunter lag der wohl anstehende Schotter (Abb. 4). Der Grund für diese aufwändige

Betonierung ist derzeit unklar.

Abb. 4: Krypta, Hauptraum. Schotter an der Sohle eines Bohrlochs.

Abb. 5: Krypta, Ostraum. Mauerziegel mit dem erhabenen Zeichen ‚G M’ = Graf Mollard 1687-1800.

In der Ostwand des Ostraums der Krypta wurde weiters von einem Bauarbeiter ein Loch

geöffnet, das von seiner Unterkante 28 cm über dem Betonboden 1,09 m hoch und von der

Nordostecke des Raums aus 0,74 m breit war. Die Ostwand, ein reines Ziegelmauerwerk,

zeigte sich in diesem Loch 62-75 cm stark. Sie läuft zwar in der Ecke gegen die Nordwand, da

aber jene Wand nach nur 10 cm ausläuft – das heißt ein gemauertes Eck fehlt vollständig –

gehört sie zur selben Bauphase. Das Gewicht der Tonne liegt ausschließlich auf den

Längswänden. Mehrere Mauerziegel der Wand trugen die hochgestellten, erhabenen

Buchstaben ‚G (dieser Buchstabe spiegelverkehrt) M’ (Abb. 5). Dieses Ziegelzeichen

entstammt der Ziegelei des Grafen Mollard im heutigen 6. Bezirk, die von 1687 bis 1800 in

Betrieb war1. Für den Bau der Karlskirche (1714-1739) wurde zwar ein eigener Ziegelofen an

1 Bestimmung durch Dr. Gerhard Zsutty, Wiener Ziegelmuseum.

D2128

5

Ort und Stelle errichtet2, eine damals nicht unübliche Vorgehensweise bei Großprojekten,

doch wie bereits Alois Kieslinger herausgefunden hat, mussten trotzdem Ziegel anderer

Herkunft angekauft werden3. Dass die Mollard’sche Ziegelei ebenfalls die Kirche beliefert

hatte, war aber bislang unbekannt.

Abb. 6: Krypta, Ostraum. Sondage in der Ostwand mit Blick auf das Fundament der östlichen Wendeltreppe.

Hinter der Ostmauer wurde ein lössähnlicher, aber etwas dunkler als in Wien gewöhnlicher,

anstehender Erdboden durchstoßen. In 1,19 bis 1,32 m Entfernung von der Innenkante der

Wand wurde hinter dieser Schicht ein gekurvtes Ziegelfundament, bestehend aus

Mauerziegelbruchstücken und weißem kalkigem Mörtel, angetroffen (Abb. 6). Es handelt sich

offenbar um das Fundament der großen Wendeltreppe im östlichen Treppenturm. Die

Existenz dieses Fundaments erklärt, warum der Lüftungskanal, der sich in der Wand oberhalb

des Suchlochs befindet, scharf nach links (Norden) biegt, anstatt direkt zu seiner Öffnung in

der Ostfassade des Ostturms zu führen. Die Unterkante des Treppenfundaments liegt bereits

90 cm über dem heutigen Kellerboden, ein Detail, das zur Bauzeit unbedenklich war, das aber

heute bei etwaigen Umbauten möglicherweise zu einem Problem führen könnte (vgl. unten).

Der derzeitige Betonboden lässt sich nicht ohne weiteres datieren: Es fällt jedoch auf, dass das

Jahr 1969 an mehreren Stellen in der Krypta an den Wänden geschrieben steht.

2 Gerhard Zsutty, Wiener Ziegelöfen: Wieden, Wiener Ziegelmuseum 13/14, 1996, 280f. 3 Alois Kieslinger, Die Bausteine der Karlskirche in Wien, Kirchenkunst. Österreichische Zeitschrift für Pflege religiöser Kunst IX, 1937, 79-86, s. 81.

D2129

6

Baugeschichte der Krypta (vgl. Anhang)

Bereits während einer kurzen Begehung der Krypta fallen zahlreiche Unregelmäßigkeiten im

Baubestand auf, die darauf hindeuten, dass die Krypta nicht in einem Zug angelegt worden ist.

Um die Baugeschichte zu klären, nahm der Verfasser eine fotografische Dokumentation des

Bestandes vor und untersuchte Mauerwerk und Mörtel. So konnten zwar an manchen Stellen

eindeutige Baufugen identifiziert werden, doch an anderen Stellen waren Mauerteile

miteinander verzahnt, die den Fugen nach eigentlich hätten getrennt sein sollen. Es stellte sich

darüber hinaus heraus, dass die verwendeten Ziegel (Mauerziegel des Formats 27,5-29 x 13-

14 x 5,5-7 cm) und Mörtel (eher fein, hellgräulich-weiß, Kiesel und Rollsteine bis 1 cm

Größe, Kalkfragmente) überall sehr ähnlich sind. Tatsächlich wird die Baugeschichte der

Krypta durch zwei zeitlich nahe zueinander liegende Bauabschnitte charakterisiert. Zum

ersten Bauabschnitt gehören die primäre Erschließung (Treppe und Gang), die nördliche

Hälfte des Hauptraums, das Fundament des Chorabschlusses im Süden, die beiden

längsrechteckigen, seitlichen Räume und ein kleinerer Teil des großen Kellers im Westen.

Zum zweiten Bauabschnitt gehören wiederum die südliche Hälfte des Hauptraums,

einschließlich der großen Stützpfeiler und der eher niedrigen Bögen zu den seitlichen

Räumen, sowie der eigentliche ‚Turmkeller’ im Westen.

Die primäre Erschließungssituation ist allem Anschein nach komplett erhalten. Dazu gehören

die Steinstufen und die Auflagefläche der Falltür, einschließlich zweier Verankerungslöcher

der Tür (Abb. 7). Treppe und Eingang gehen nahtlos in den Hauptraum über, der

Nordabschluss dieses Raums ist durch einen durchaus eleganten kuppelartigen Übergang zum

Gewölbe gekennzeichnet. Doch nach 4,35 m enden Mauerwerk und Gewölbe des ersten

Abschnitts abrupt – Fehlstellen von Ziegeln in der Seitenansichtsfläche der Tonne (Abb. 8)

beweisen, dass diese ursprünglich weiter nach Süden führen sollte. Stattdessen wurde mit

Hilfe von ca. 1 m breiten und niedrigen Ziegelbögen (heutige Scheitelhöhe im Osten nur 1,53

m), die eher grob an den älteren Seitenwänden anschließen, ein um 90 cm höheres

Tonnengewölbe eingebracht. Dieses Gewölbe wird auch durch zwei große Pfeiler unterstützt

(1,33 x 1,14 bzw. 1,2 x 1,07 m), die zwar zuletzt eingezogen worden sind, aber zur selben

Phase gehören (vgl. Titelseite). Beide Pfeiler bestehen aus Ziegeln, verwenden aber im

unteren Bereich auch Bruchsteine und verschiedene Architekturspolien. So finden sich im

linken, östlichen Pfeiler, neben einem Stein mit einem 5,7 cm hohen Steinmetzzeichen (Abb.

D2130

7

9), zwei identische 76-80 x 42 x 43 cm große Voluten, die ursprünglich eine repräsentative

barocke Fassade geschmückt haben oder hätten sollen (Abb. 10).

Abb. 7: Krypta, Abgang. Verankerungslöcher einer früheren Falltür.

Abb. 9: Krypta, Hauptraum. Steinmetzzeichen am östlichen Stützpfeiler.

Abb. 8: Krypta, Hauptraum. Blick nach Norden mit Ansätzen für die Fortsetzung des Tonnengewölbes.

Abb. 10: Krypta, Hauptraum. Architekturspolien (Voluten) im östlichen Stützpfeiler.

In dem schmalen Raum hinter den Pfeilern, also südlich von ihnen, ist der älteste Bauteil das

runde Fundament des Chorabschlusses. Dieses besteht bis in einer Höhe von 2,8 cm über dem

heutigen Boden aus unregelmäßigem Mischmauerwerk (Bruchsteine bis 30 cm Seitenlänge),

an dem Löss bzw. Sand haftet. Das heißt, dieses Mauerwerk wurde als Fundament gegen eine

Baugrube errichtet und erst im Nachhinein freigelegt. Die seitlichen Ost- und Westwände

kamen in einem zweiten Schritt dazu; sie bestehen ebenfalls aus unregelmäßigem

Mischmauerwerk (Bruchsteine bis 42 cm Seitenlänge, mehr Ziegel als Stein), das gegen ein

Erdprofil gebaut wurde (bis 2,0-2,8 m Höhe). Als letzte Maßnahme wurden die Pfeiler

eingesetzt, diese schließen an die Seitenwände unten mit deutlichen Fugen, sind im oberen

Teil mit diesen jedoch verzahnt und zeigen im unteren Teil (bis 1,7-2,95 m Höhe) ebenfalls

die Spuren einer ehemaligen Erdverankerung. In den östlichen, südlichen und westlichen

oberen Wandteilen dieses Raums deuten bis zu 15-25 cm tiefe und 40 cm lange Aussparungen

bzw. Vorsprünge im Mauerwerk vielleicht auf die Nutzung von Hölzer während des Baus

dieses im Grundriss ungewöhnlichen Bereichs. Die Fugen und unterschiedlichen Mörtel

D2131

8

lassen annehmen, dass das Chorfundament als erstes eingesetzt wurde, die anderen Wände

bzw. die Pfeiler jedoch erst in einem zweiten Schritt, während zu guter Letzt die restliche

Erde entfernt worden ist.

Dass die längsrechteckigen Seitenräume, deren Wände an den Längsseiten aus

Mischmauerwerk bestehen, zu dem älteren Abschnitt gehören, sieht man nicht nur an einer

deutlichen Baufuge zwischen dem westlichen Raum und dem westlichen Ziegelbogen,

sondern auch an der Erde, die an den Enden beider Nordwände dieser Räumen in den Nähten

zu den Bögen und unter dem Verputz zu finden ist. Diese Mauerteile sollten in der

ursprünglichen Planung offenbar an den Hauptraum in einem rechten Winkel anschließen,

aber das Einbringen der Stützpfeiler führte zur Versetzung der verbindenden Öffnungen nach

Norden, womit Mauerflächen, die Anfangs im Erdreich lagen, frei gegraben und verputzt

werden mussten.

Abb. 11: Krypta, Keller unter westlichem Treppenturm. Abgebrochenes Gewölbe an der Ostwand.

Im Kellerraum unter dem westlichen Treppenturm ist der ältere Bauabschnitt durch wenige

Hinweise nachvollziehbar. Dazu gehören, erstens, das massive Verputzen (Flickung) des

Gewölbes des westlichen längsrechteckigen Raums an jener Stelle, wo das Gewölbe in der

Ostwand des Kellers zu sehen ist und, zweitens, an den Nord- und Südwände des Kellers,

verzahnte, 19-37 cm vorspringenden Mauerteile, die an ihren Oberkanten schräg

abgeschlossen sind und möglicherweise Teil der Auflagefläche eines Gewölbes bilden sollten.

An der Ostwand finden sich, drittens, in einem leicht vorwölbenden Wandteil bei 1,5-1,9 m

D2132

9

Höhe einige schräg vermauerte Ziegel, die nachträglich und in situ abgeschlagen worden sind

(Abb. 11). Hier wurde also ein begonnenes Gewölbe am Ansatz wieder abgebrochen. Ein

wesentlicher höherer Raum wurde stattdessen anstelle des ursprünglich geplanten Kellers

gebaut. Das Ziegelmauerwerk der Pfeiler enthält, wie auch die Stützpfeiler im Hauptraum,

nicht nur Mauerziegel, sondern auch den damals (im frühen 18. Jahrhundert) bereits eher

antiquierten, so genannten Fortifikationsziegel, d.h. Ziegel von ungewöhnlicher Länge (bis zu

33-34 cm), die wohl zur Stabilisierung der Architektur beitragen sollten. Im Nordwesten des

Raums befindet sich oberhalb 1,85 m Höhe eine 70 cm breite, primäre, aber nun vermauerte

Öffnung, vielleicht ein Transportschacht.

Die Krypta hätte also Anfangs einen T-förmigen Grundriss mit leichter Rundung im

Chorabschlussbereich haben sollen, doch nach einer Planänderung wurde sie mit massiven

Pfeilerfundamenten im Süden und Westen ausgeführt, die mit erheblichen höheren Gewölben

einhergingen. Der bereits im Bau befindende Keller im Westen wurde neu errichtet. Diese

Änderungen fanden mit hoher Wahrscheinlichkeit ab 1722 statt, als Johann Bernhard Fischer

von Erlach erkrankte (†1723). Sein Sohn Johann Emanuel wurde mit der Fortsetzung des

Baus beauftragt und setzte eine Planänderung durch, die laut Dehio eine steilere Kuppel, die

Ostpartie und den Hochaltar betraf4. Das ist der Grund für die baulichen Maßnahmen des

zweiten Kryptaabschnitts, denn die neuen Pfeiler befinden sich unter dem westlichen

Treppenhaus und unter bzw. neben dem Hochaltar. Die Gewölbe sind höher weil, die Pfeiler

direkt an der Unterkante der oberen Bauteile anschließen mussten. Gleichzeitig erklärt eine

Planänderung während der laufenden Baustelle das Beibehalten der Bautechnik und Baustoffe

der Krypta. Warum auf einen Raum unter dem östlichen Treppenturm von Anfang an

verzichtet worden ist, bleibt unklar. Jedenfalls hat die historische Bauforschung durch die

Aufnahme der Krypta neue Daten zur Baugeschichte der Karlskirche beisteuern können.

Bodenöffnung im Ostturm

In Kalenderwoche 8 wurde ohne archäologische Aufsicht ein Suchloch von 1,9 x 1,4 m und

bis zu 1,7 m Tiefe (Gesamtvolumen ca. 5 m³) im Erdgeschoss des östlichen Treppenturms

ausgegraben, um den Bodenbefund in Vorfeld einer auch an dieser Stelle angedachten

Neuerschließung der Krypta zu erheben. Am 23. 2. konnte der Verfasser den Befund

dokumentieren. Wegen der Kurvatur des Bereichs – das Loch befindet sich direkt unter der

4 Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch: Wien II. bis IX. und XX. Bezirk, Wien 1993, 145.

D2133

10

Wendeltreppe, wo die Unterkante der Treppe ausläuft – und dem Fehlen jeglicher

Vermessung an dieser Stelle musste auf eine Planzeichnung verzichtet werden.

Der historische Ziegelboden wurde in neuerer Zeit, wahrscheinlich zum Zeitpunkt des

Einbaus der Bodenheizung in der Kirche (vgl. oben) neu ausgelegt. Darauf deuten ein

passendes Kabel und die verschiedenen Betonschichten seines Bodenunterbaus. Die Ziegel

sind gewöhnliche Mauerziegel, darunter sind einige mit dem erhabenen Ziegelzeichen ‚G M’

(vgl. oben). Unter dem Boden befindet sich eine Feinabfolge barocker Schuttschichten. In 1,7

m Tiefe liegt eine dunkle lehmige Schicht, die zwar fest, aber noch nicht der gewachsene

Boden ist.

Abb. 12: Östlicher Treppenturm, Bodenöffnung. Jüngerer Lüftungskanal liegt (von links oben nach unten) auf einem älteren (von links nach rechts).

Die Wände des Raums, also das Fundament des Treppenhauses, sind an dieser Stelle aus

Mauerziegeln (27,5-29 x 13,5-14 x 6,5-7 cm, also des in der Karlskirche üblichen Formats)

mit gräulichweißem, feinem Mörtel. In 0,85-0,95 m Tiefe trifft man auf jenen gewölbten

Lüftungskanal, der in der Krypta in die Ostwand des östlichen Raums mündet. Er dreht sich

an dieser Stelle von seinem Anfangspunkt an der Außenwand 90° nach Norden, um das runde

D2134

11

Treppenfundament zu umgehen (Abb. 12). Ganz unerwartet war die Entdeckung eines älteren

Ost-West ausgerichteten Ziegelkanals, auf dem der jüngere Kanal in 1,65 m Tiefe ruht. Mit

30-31 cm lichter Breite wurde er vom Treppenfundament abgeschnitten. Man baute den ersten

Kanal offensichtlich ohne Rücksicht auf das später eingesetzte Treppenhausfundament, so

dass auch der heutige Lüftungskanal das Ergebnis einer kleinen Planänderung ist. Von der

südöstlichen Ecke des Suchlochs ausgehend hatten die für das Suchloch eingesetzten Arbeiter

das innere Eck des Turms in Tunnelbauweise freigelegt. Hier fußt die runde Wand des

Treppenhauses mit der Hilfe eines breiten Bogenfundaments auf dem Rechteck des Gebäudes,

das aus statischen Gründen viele Fortifikationsziegel verwendet (34 cm Länge).

Fazit

Gegen die Absenkung des Bodenniveaus in der Krypta um ca. 30 cm besteht aus

denkmalpflegerischer Sicht kein Einwand, denn diese Maßnahme würde eine

Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bedeuten. Beide bislang angedachte

Neuerschließungen würden jedoch zu schwerwiegenden Eingriffen – Mauerdurchbrüchen,

Abbruch von primären Lüftungskanälen – in der Substanz führen. Besonders schmerzvoll

wäre auch die Zerstörung der gut erhaltenen ursprünglichen Erschließungssituation.

Alle hier zusammengefassten Maßnahmen, aber insbesondere die bauarchäologische

Aufnahme der Krypta, die Licht auf die Planänderung von 1722/23 geworfen hat, haben zu

neuen Erkenntnisse für die Baugeschichte der Karlskirche geführt.

D2135