"Archäologische Relikte kultischer Praktiken in Umm el-Qa’ab/Abydos", in: ROEDER, H. &...

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Archa ¨ologie und Ritual Auf der Suche nach der rituellen Handlung in den antiken Kulturen A ¨ gyptens und Griechenlands herausgegeben von Joannis Mylonopoulos Hubert Roeder Phoibos Verlagȣ Wien 2006

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Archaologie und Ritual

Auf der Suche nach der rituellen Handlung in

den antiken Kulturen Agyptens und Griechenlands

herausgegeben von

Joannis Mylonopoulos † Hubert Roeder

Phoibos Verlag� Wien 2006

roman
Sonderdruck

Gedruckt mit der finanziellen Unterstutzung des Sonderforschungsbereiches 619 „Ritualdynamik.Soziokulturelle Prozesse in historischer und kulturvergleichender Perspektive“ und des Seminars fur AlteGeschichte und Epigraphik der Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg

BibliograWsche Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen NationalbibliograWe;detaillierte bibliograWsche Daten sind im Internet uber http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Abbildungsnachweis zu Einband und Trennblattern S. 23 bzw. S. 123:Agyptisches Relief: Reliefblock aus dem Grab des Amen-em-inet, 18. Dynastie, Sammlung desAgyptologischen Instituts der Universitat Heidelberg (Foto: Eva Hofmann)Griechisches Relief: Weihrelief, ca. 350 v. Chr., Athen NM 1429 (DAI Neg. 1993/341; Foto: Klaus-Valtin von Eickstedt)

Copyright # 2006, Phoibos Verlag, Wien. All rights reservedwww.phoibos.at; [email protected]

Printed in Austria: Robitschek & Co. Ges.m.b.H., 1050 Wien

ISBN 3-901232-68-0

Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

Vera Muller

Die alteste Konigsnekropole Agyptens wurde in Umm el-Qacab/Abydos (Abb. 1) angelegt undumfasst neben den Anlagen der 0. Dyn. samtliche Konigsgraber der 1. und diejenigen der beidenletzten Konige der 2. Dyn. Seit 1977 wird dieser um die Wende vom 19. zum 20. Jh. bereitszweimal vollstandig ausgegrabene Friedhof (Abb. 2) einer neuerlichen Untersuchung seitens desDeutschen Archaologischen Instituts Kairo (DAI) unterzogen.1 Standen zu Beginn der Nachun-tersuchungen vornehmlich architektonische Fragen im Blickpunkt, so wurde Anfang der 1990erJahre beschlossen, die Konigsgraber systematisch, d. h. unter Einbeziehung der in den weitlauW-gen Schutthalden beWndlichen Reste des ehemaligen Grabinventars, aufzunehmen. Parallel dazuwurde auch das unmittelbar nordostlich anschließende pradynastische Graberfeld U komplett aus-gegraben, aus dem heraus sich die altesten Konigsgraber entwickelten (Abb. 2).

Das Areal zeigt sich heute als ein durch Schutthugel und Depressionen relieWertes Gelande,wobei die Vertiefungen jeweils die Position der koniglichen Grabkammern anzeigen. Die archi-tektonische Konzeption der Konigsgraber besteht aus in tiefe Gruben gesetzten Ziegelkammern,die nur wenig unterhalb des Gehhorizontes ihre Xache Dachkonstruktion aufwiesen.2 Uberdecktwaren sie mit Tumuli aus dem anstehenden Erdmaterial, das an diesem Fundort aus verfestigtemSand besteht. Die Schutthalden bestehen nicht nur aus dem Grabaushub, sondern auch aus im-mensen Mengen von Flugsand, der sich im Laufe der Jahrtausende hier ansammelte, vermengtmit den durch die verschiedenen Aktivitaten in diesem Friedhof stark fragmentierten ehemaligenGrabinventaren sowie Unmengen von Opferkeramik aus spateren Perioden.

Der Friedhof durchlief eine sehr abwechslungsreiche Geschichte: Bereits kurz nach den Gra-blegungen durchstoberten Grabrauber die Anlagen und entnahmen sicherlich die wertvollstenBeigaben. Dass dies schon relativ bald nach der Bestattung geschah, wird daraus deutlich, dasssich die Grabrauberlocher etwa in den Nebenkammern unmittelbar unterhalb der Abdeckung be-fanden, d. h. zu einer Zeit entstanden als diese noch intakt war,3 oder etwa beim Grab des Cha-sechemui in Hohe der Konigskammer verliefen,4 was nur bei Kenntnis deren Lage moglich war.Zu einem Zeitpunkt, der sich bislang leider noch nicht genauer fassen lasst, wurden samtliche

1 Von 1895–1898 wurde der Friedhof von E� Ame’li‡neau (E� Ame’lineau, Le tombeau d’Osiris, Paris 1899;ders., Les Nouvelles Fouilles d’Abydos, 1895–1896, Paris1899; ders., Nouvelles Fouilles d’Abydos, 1896–1897, Paris1902; ders., Nouvelles Fouilles d’Abydos, 1897–1898, PartI, Paris 1904; ders., Nouvelles Fouilles d’Abydos, 1897–1898, Part II, Paris 1905 ausgegraben, ehe die Konzessionvon W� M� F� Petrie 1899 ubernommen wurde, der dengesamten Friedhof in den beiden Wintern 1899/1900 und1900/1901 nochmals einer Untersuchung unterzog, s. W�

M� F� Petrie, The Royal Tombs of the Earliest Dynasties I,EEF 18, London 1900; ders., The Royal Tombs of the Ear-liest Dynasties II, EEF 21, London 1901; ders. Abydos I,EEF 22, London 1902, 3V. Danach unterzog E� Naville

1909–1911 die Nekropole einer neuerlichen Erforschung,konzentrierte sich hierbei jedoch weitestgehend auf bislangunberuhrte Bereiche, in der HoVnung noch weitere Graberentdecken zu konnen, s. E� Naville� The Cemeteries ofAbydos I, EEF 33, London 1914, 35V. Leider unveroVent-licht blieben die Nachforschungen von W� B� Emery, der

sich vermutlich auf das Grab des Dewen konzentriert hatte,s. W� Kaiser † G� Dreyer, Umm el-Qaab: Nachuntersu-chungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 2. Vorbericht,MDAIK 38, 1982, Anm. 2. Zu den Grabungergebnissendes DAI s. die in G� Dreyer et al, Umm el-Qaab: Nach-untersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 7./8.Vorbericht, MDAIK 52, 1996, Anm. 1 angegebene Litera-turliste.

2 G� Dreyer� Zur Rekonstruktion der Oberbautender Konigsgraber der 1. Dynastie in Abydos, MDAIK 47,1999, 93V.; C� Lacher� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab: Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfried-hof. 13./14./15. Vorbericht, MDAIK 59, 2003, 112V.

3 G� Dreyer� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab:Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 9./10. Vorbericht, MDAIK 54, 1998, 145 f. Taf. 10c.

4 G. Dreyer� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab:Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof.13./14./15. Vorbericht, MDAIK 59, 2003, 111.

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Konigskammern Ziel von absichtlichen Brandattacken, unter denen besonders das Grab des De-wen litt, sind in diesem Grab doch die bis zu 4 m dicken Kammerwande vollstandig durchgezie-gelt.5 In Frage kommt fur diese großangelegte Aktion entweder die 2. Dynastie, deren Grabernicht betroVen sind, oder die 1. Zwischenzeit. Fur beide Zeitperioden sind burgerkriegsahnlicheUnruhen im Land bezeugt. In einer mittlerweile umstrittenen Textstelle aus der Lehre fur Meri-kare, die aus der 1. Zwischenzeit stammt, konnte ein Hinweis auf diesen Zerstorungsakt gegebensein.6 Zu Zeiten des Brandes muss noch viel des ursprunglichen Grabinventars in der Kammergelegen haben, da noch sehr viele, leider in kleinste Stucke zerbrochene und verbrannte Frag-mente in den Schutthalden vorliegen.

Vermutlich im Mittleren Reich ging man dann daran, die Konigsgraber zu restaurieren,aber nur soweit, dass die Konigskammer wieder zuganglich wurde, d. h. man beschrankte sichauf die Eingangsbereiche.7 In diesem Zeitraum setzten sodann auch kultische Aktivitaten inUmm el-Qacab ein, da nunmehr das Grab des Djer mit demjenigen von Osiris identiWziertwurde. Dieser Kult wurde ab dem Neuen Reich immer umfangreicher, um im 1. Jt. mit Millio-nen von Opfergefaßen einen Hohepunkt zu erreichen, was zu der modernen Bezeichnung Ummel-Qacab („Mutter der Tonschalen“) fuhrte.8 Die Aktivitaten reichen bis in koptische Zeit, wie esdurch Einbauten etwa in der Eingangsrampe des Chasechemui-Grabes und durch deponierte Ke-ramikgefaße bezeugt ist.9

Alle diese Aktivitaten fuhrten dazu, dass das Gelande vollig durchwuhlt wurde und das ur-sprungliche Grabmaterial weit gestreut in den umliegenden Schutthalden zu liegen kam. Dies er-fuhr eine weitere Forderung durch die Ausgrabungsaktivitaten des 19. und 20. Jhs., die sowohlbei E� Ame’lineau als auch bei W� M� F� Petrie in einem Streifensystem erfolgte, d. h. jeder frei-gelegte Streifen wurde nachfolgend mit dem Aushub des folgenden Streifens wieder verfullt. Vordiesem Hintergrund war nicht zu erwarten, dass bei den neuerlichen Ausgrabungen seitens desDAI irgendwelche Befunde noch in situ zu Wnden seien. Wie die Nachuntersuchungen zeigten,waren jedoch unsere Vorfahren bei ihrer Tatigkeit nicht ganz so sorgfaltig wie erwartet, so dassdoch noch einiges Erstaunliches zu Tage trat.

Von 1993 bis 2002 wurde das Grab des Dewen mit den umliegenden Schutthalden auf ei-ner Flache von rund 7000 m2 freigelegt, wobei der Schutt auf Hohen von 2 bis 5 m angehauftwar (Abb. 2–3). Besonders auf der Nordostseite des Grabes befand sich eine sehr umfangreicheund bis zu 5 m hohe Ablagerung,10 die einerseits durch den auf dieser Seite beWndlichen Trep-penzugang zum Grab des Dewen bedingt war, uber die der Schutt bequem aus der 7 m tiefen Ko-nigskammer herausgetragen werden konnte, andererseits lagen hier auch Aushube aus dennordlich benachbarten Grabern des Wadj und des Djer.11 Schrag nach Nordosten, von derTreppe des Grabes wegfuhrend, befand sich hingegen eine Depression, die vorwiegend durch die

5 Das Baumaterial samtlicher Grabanlagen bestandaus ungebrannten Lehmziegeln. Zu den Brandspuren imGrab des Dewen s. G� Dreyer, in: Dreyer et al., a. O. (n.3), 141f. In den anderen Konigsgrabern der 1. Dynastiewaren hingegen immer nur obere Bereiche der Konigskam-mer vom Brand betroVen, s. etwa zum Grab des Qaa E� M�

Engel� in: Dreyer et al., a. O. (n. 1), 58.6 J. F. Quack� Studien zur Lehre fur Merikare, GOF

IV.23, Wiesbaden 1992, 71. 85 f. diskutiert diese Stelleausfuhrlich und lehnt einen Hinweis darin auf die Zersto-rung der fruhzeitlichen Konigsgraber ab.

7 Zu den Restaurierungsarbeiten mit großeren Zie-geln als sie in der Fruhzeit ublich waren s. E�M� Engel�in: Dreyer et al., a. O. (n. 1), 64V.; G� Dreyer� in:Dreyer et al., a. O. (n. 3), 145 f.

8 Qaab bezeichnet hierbei im Speziellen die zu Mil-lionen auftretenden kleinen Schalchen, s. F� Pumpenmeier�

in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab: Nachuntersuchungenim fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 9./10. Vorbericht,MDAIK 54, 1998, 125 f.; V� Mu¤ller� in: G. Dreyer etal., Umm el-Qaab: Nachuntersuchungen im fruhzeitlichenKonigsfriedhof. 13./14./15. Vorbericht, MDAIK 59, 2003,100V.

9 Dieser Befund wird in dem kommenden Vorberichtin MDAIK 61 (2005) dargestellt werden.

10 Die Himmelsrichtungen wurden in Umm el-Qaabden lokalen Gegebenheiten angepasst: Lokaler Osten istdie Seite, auf der sich die Treppe zum Grab des DewenbeWndet, die Langsseiten der Konigskammer sind demnachals Nord- bzw. Sudseite bezeichnet.

1 1 G� Dreyer� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab:Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof.11./12. Vorbericht, MDAIK 56, 2000, 99; Mu¤ller� a. O.(n. 8), 89.

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Grabungstatigkeit E. Navilles verursacht wurde, der hier entlang seine Loren verlegt hatte, umden Schutt weiter ostlich auf eine eigene Halde abzutransportieren.12 Der Bereich im Sudostendes Grabes war wieder leicht erhaben, jedoch langst nicht in der Hohe des nordostlichen Berei-ches.

Sehr uberraschend war bei der Abtragung der Halden, dass sich unter dem Schutt nochgroße Deponierungen in situ befanden (Abb. 3–8).13 Sie waren von einem festen Gehhorizontbedeckt, der sich in diesem Gelande aus stark verfestigtem Sand und kleinen Steinchen zusam-mensetzt, der bei langerer Benutzung jedoch aufweicht, weswegen es nicht immer ganz einfachist, in diesem Areal die naturlichen OberXachen ausWndig zu machen.

Die Deponierungen sind durch den Zugangsweg zur Treppe des Dewen-Grabes unterbro-chen, der bis zu 1.80 m tiefer liegt als der Horizont, auf dem die Deponierungen ausliegen. Die-ser Zugang durfte wohl auf die alte Situation zuruckgehen, da auf Hohe der Treppenstufen einEstrichrest gefunden wurde. Vermutlich war dieser „Weg“ bei den Bauarbeiten am Grab des De-wen entstanden, um die schweren Granitplatten, die den Boden der Konigskammer belegen,leichter herantransportieren zu konnen. Einen Anhaltspunkt fur die antike Existenz liefert auchdie sudliche der beiden Treppenwangen, die nach außen ausschwingt und damit die Kurvatur des„Weges“ aufgreift. Warum dieser Weg allerdings nicht axial angelegt wurde, muss vorerst oVenbleiben.

Die nordliche der beiden Deponierungen (Abb. 3–6: T-O-K und T-OO-K)14 erstrecktsich auf einer Lange (in Ost-West-Ausdehnung) von 26 m und einer Breite im Westen von ca.3 m, die sich nach Osten hin auf 14 m erweitert. In einer Distanz von etwa 15 m setzt sich dieDeponierung im Sudosten fort (T-SO-K, Abb. 7) und dehnt sich hier auf einer Flache von 23m in West-Ost- und 6 m in Nord-Sud-Ausdehnung.15 Eine weitere Deponierung im Sudostbe-reich wurde 7 m weiter ostlich ausgemacht (T-SOO-K, Abb. 8): Sie konnte auf einer Lange von8 m und einer Breite von 1-2 m ausgemacht werden und war von der Gebel-Kante hinunterge-brochen.

Am besten erhalten war hierbei die nordlich der Treppe gelegene Deponierung T-O-K undT-OO-K (Abb. 3–6), da hier die verfestigte Schicht dick genug war, um die darunterliegendenObjekte zu schutzen. Die Anlage der Deponierung weist mehrere Schwerpunkte auf. So befan-den sich im Westen eine dichte Ansammlung von Gefaßen, in der Mitte eine Konzentration vonKleinfunden und im Osten, in sehr viel lockerer Aufstellung, wiederum Gefaße, wobei letzterestarker zerdruckt waren als die im Westen, sich jedoch wieder vollstandig zusammensetzen lie-ßen. In T-SO-K wurden nur selten Kleinfunde angetroVen, dafur wiederum eine starke Konzen-tration von Gefaßen, die hier noch starker zerdruckt waren als in T-OO-K, was mit der geringenSchutzschicht uber den Gefaßen zusammenhangt. Die Ansammlung in T-SOO-K bestand aus-schließlich aus Gefaßen, die, noch dichter beisammen gestellt als in den restlichen Deponierung-sabschnitten, teilweise noch sehr gut erhalten, teilweise jedoch auch stark zerdruckt waren. Hier

12 Naville markierte auf seinem Plan nicht, wo er dieLoren einsetzte, doch sind die Schienen auf einigen derUbersichtsphotos zu sehen, Naville� a. O. (n. 1), Taf.XVIII 3–4. XIX; außerdem ist noch heute im Gelande eineSchutthalde sichtbar, die am Ende der beschriebenen De-pression sanft ansteigend Wngerformig gestaltet ist und vondem Einsatz der Schienen stammen muss.

13 Die ersten Ergebnisse der Untersuchungen dieserDeponierungen wurden in Vorberichten vorgelegt, V� Mu¤l‡

ler� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab: Nachuntersu-chungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 11./12. Vorbe-richt, MDAIK 56, 2000, 117f.; dies�, a. O. (n. 8), 94V.,sowie in einem Artikel dargestellt; dies�, ArchaeologicalRemains as Social Artifacts – Evidence from a Royal Tombof the First Dynasty at Abydos, in: S. J. Seidlmayer(Hrsg.), Religion in Context. Imaginary Concepts and Social

Reality in Pharaonic Egypt. Symposium in Berlin vom 29.–31. Oktober 1998, OLA (im Druck).

14 Als Grundlage der Bezeichnungen der Areale inUmm el-Qaab werden die von Petrie fur die einzelnenGraber eingefuhrten Kurzel verwendet, was im Falle desDewen „T“ ist. Die Schutthalden wurden mit ihren Rich-tungskurzeln an diese Basis-Abkurzung angehangt, wobeiein Abschnitt ca. 20–25 m einnimmt. Die Abkurzung „K“,welche die Schutthalden-Kurzel erganzt, steht fur „Kerami-klager“ und bezeichnet den Bereich der Deponierungen.

1 5 Die auf dem beigegebenen Plan (Abb. 3) aufge-zeigte großere Breite von T-SO-K ist darin begrundet, dasssich uber und neben der Deponierung weitere antike Abla-gerungen beWnden, die sich nicht auf Anhieb von derDeponierung trennen ließen und daher dieselbe Areal-Be-zeichnung erhielten.

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Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

hatte am Ostende zudem ein Trench, der vermutlich von Naville stammt,16 einen Teil der Kera-mik vollstandig zerstort.

Die hier deponierten Keramikgefaße waren ursprunglich in allen Bereichen vollstandig er-halten und konnen in ihrer ursprunglichen Aufstellung noch am besten im westlichen Bereichvon T-O-K verfolgt werden (Abb. 3– 4). Demnach standen die geschlossenen Gefaße (BierXa-schen mit StandXache, hochschultrige ovoide Gefaße mit StandXache, ellipsoide Gefaße)17 auf-recht und waren nach einiger Zeit leicht zur Seite gekippt. Sie mussen samt Inhalt hier abgestelltworden sein, wie es die heruntergefallenen Gefaßverschlusse aus Nilschlamm nahe legen. Bei sehrwenigen Gefaßen waren die Originalverschlusse zwar intakt, der Inhalt jedoch mittlerweile ver-dunstet. Eine ganze Reihe der Verschlusse trug eine Siegelung, die von lediglich zwei unterschied-lichen Abrollungen stammt: ein Siegel entspricht P. Kaplonys IAF 237 (Abb. 9),18 das andere,bislang nur als Fragment bekannt, kann nun vollstandig erganzt werden (Abb. 10) und ist alsIAF 157 bei Kaplony erfasst. Auf IAF 237 ist Konig Djer in einen Sed-Fest-Mantel auf demThron sitzend dargestellt, einmal die oberagyptische und das andere Mal die unteragyptischeKrone tragend. Vor ihm ist jeweils eine Upuaut-Standarte aufgestellt, zwischen der und demKopf der sitzenden Figur das Serech mit dem Konigsnamen prangt. Diese Art von Siegel wird alsFestsiegel angesprochen, wovon bei Konig Djer nur dieses eine belegt ist. Entsprechende Abrol-lungen wurden bereits von Petrie in Djer’s Grabkomplex gefunden und sind bislang an keinemanderen Ort Agyptens belegt.19 Bei dem anderen Siegel (Abb. 10) handelt es sich um ein sog.Zeltsiegel, die von Narmer bis Dewen hergestellt wurden.20 Auf ihm ist das oberagyptische Zelt-heiligtum pr wr dargestellt, vor dem ein Lowe mit drei Standarten auf dem Rucken liegt. Umge-ben sind diese beiden Zeichen von mehreren anderen, die sich zum folgenden Text erganzenlassen: snw-msh. .w (?) h.m-pr pr-wr h.m-pr pr-wr „Tempeldiener des oberagyptischen Sanktuars“.

snw-msh. .w ware somit als Name aufzufassen, der bedeutet: „Der Eine, der die beiden Kro-kodile trennt/verehrt“. Da dieser Name bislang nicht belegt ist, und die Lesung der fruhdynasti-schen Zeichen nicht immer so eindeutig wie in spateren Zeiten ist, konnte nicht genauermittelt werden, ob in diesem Zusammenhang fur snw „trennen“ oder „verehren“ gemeintist.21 Die unvollstandige Abrollung IAF 157, die mit Sicherheit mit den neuen Fundstuckenvon der Deponierung identisch ist, wurde ebenfalls von Petrie im Grab des Djer gefunden.22

Es ist somit eindeutig, dass die Gefaße, trotz ihrer raumlichen Nahe zum Grab des Dewen,dem Grab des Djer zugehorig sind. Dies wird auch durch die Gefaßformen bestatigt, die in die-ser Art typisch fur die fruhe 1. Dynastie sind, sich in der Zeit von Dewen jedoch bereits weiterentwickelt haben.

Im Gegensatz zu den geschlossenen Gefaßen waren die Schalen fast allesamt auf den Kopfgestellt. Sie sind in drei Großen belegt: Mundungs-Dm. von 9–10 cm (Modellschalen), 13–15cm (Kleine Schalen) und 18–21 cm (Schalen).23 Fur die hier als Modellschalen bezeichneten Ge-faße ware auch eine Funktion als Deckel denkbar, doch lagen sie zu weit von den geschlossenenGefaßen entfernt und an einer Stelle konzentriert, als dass sie diese Funktion hatten einnehmenkonnen. Daneben gab es auch noch zwei weitere Formen von Modellgefaßen: solche in Form

16 Naville, a. O. (n. 1)� Taf. XXI gibt in seinem Plansehr weitlauWg die Areale an, in welchen er Trenche ange-legt hat.

17 Zu den Gefaßformen s. V� Mu¤ller� ArchaeologicalRemains as Social Artifacts – Evidence from a Royal Tombof the First Dynasty at Abydos, in: Seidlmayer (Hrsg.),a. O. (n. 13).

18 Die Bezeichnung IAF ist das Kurzel der von P�Kaplony� Die Inschriften der agyptischen Fruhzeit I–III,AA 8, Wiesbaden 1963 erstellten Untersuchung. Die Siegel-

typen erhielten dabei von ihm eine fortlaufende Nummer,unter der sie nunmehr zitiert werden.

19 W� M� F� Petrie� The Royal Tombs of the EarliestDynasties II, EEF 21, London 1901, Taf. XV:108; Ka‡plony� a. O. (n. 18), I, 76. 78.

20 Kaplony, a. O. (n. 18), I, 14 f.2 1 Eine ausfuhrliche Diskussion zu diesem Siegel beWn-

det sich in Mu¤ller� a. O. (n. 17).22 Petrie� a. O. (n. 19), Taf. XVI:117.23 s. hierzu Mu¤ller� a. O. (n. 17).

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von Miniatur-h. s-Vasen, von denen zwei ebenfalls mit ungesiegelten Nilschlamm-Verschlussenversehen waren, und ein kleines Napfchen.24

In den anderen Deponierungsabschnitten, in denen die Gefaße weniger gut erhalten waren,kamen noch weitere Gefaßformen vor, die dann aber jeweils nur durch ein oder wenige Exem-plare belegt sind. So sind drei fur die fruhe 1. Dynastie typische Zylindergefaße belegt,25 von de-nen ebenfalls noch eines mit einem ungesiegelten Nilschlammverschluss versehen war. Ein 26,4cm hohes breites ellipsoides Gefaß mit Wackelboden ist aus sehr feinem oberagyptischem, weiß-lichgrunem Mergelton hergestellt und mit Ritzmarken auf Schulter und Mundungsrand verse-hen.26 Ein Einzelstuck bildet auch eine große Schale, die innen und, auf der oberen Halfte,außen mit roter Streifenpolitur dekoriert ist – auch sie ist aus feinem Mergelton gefertigt.27 Vonbesonderem Interesse sind auch mehrere Gefaße, die einen sehr langen spitzzulaufenden Bodenbesitzen und sich oben kelchartig ausweiten.28 Unterteile von solchen Gefaßen wurden von W� B�Emery in der zeitgleichen Mastaba-Anlage 3357 gefunden, die der Zeit des Aha angehort.29 Dadie Graber und vor allem das Fundinventar in Saqqara in sehr viel besserem Erhaltungszustandwaren als diejenigen in Abydos, machte man sich oVensichtlich nicht die Muhe, zerbrochene Ge-faße wieder zusammenzusetzen. Man ging daher davon aus, dass die Unterteile komplette Ob-jekte wiedergaben und identiWzierte sie als Imitationen von Rhinozeros-Hornern30 bzw. alsHorner wie sie auf dem oberagyptischen Zeltheiligtum (s. IAF 157) aufscheinen.31

Lagen bzw. standen die Gefaße im Westen von T-O-K noch dicht beieinander, so umfass-ten sie den Osten von T-OO-K annahernd kreisformig in teilweise weiten Abstanden (Abb. 5–6). Auch in T-SO-K war die Aufstellung etwas lockerer, auch wenn durch die starke Zerdruk-kung ein etwas anderes Bild wiedergegeben wird (Abb. 7). Eine Besonderheit von T-SOO-K(Abb. 8) bestand darin, dass hier die Schalen nicht wie in den anderen Bereichen auf den Kopfgestellt waren, sondern aufrecht standen, wobei hauWg mehrere ineinander gestapelt waren. DieSchalen standen hier dicht aneinander und wurden von nur in Fragmenten erhaltenen anderenGefaßen durchsetzt, was hier auf eine Storung zuruckgehen muss. Im Osten der Deponierung lageine uberdimensionale Brotplatte, die leider durch einen Trench in weiten Teilen zerstort wurde.

Stellt also bereits diese Ansammlung von Gefaßen, die nicht nur durch ihre Form, sondernauch durch die daneben liegenden Siegelverschlusse in die Zeit des Djer datiert sind, einen beson-deren Befund dar, so wird dieser bei Sichtung der ausgelegten Kleinfunde noch erstaunlicher.Die Kleinfunde konzentrieren sich vornehmlich in der Mitte der Deponierung T-O-K / T-OO-K. Am Boden eines umgekippten konischen Gefaßes lagen in einer Reihe eine Flintklinge sowievier Pfeilspitzen aus Knochen, zwischen denen je eine undekorierte Einlage aus Knochen nieder-gelegt war.32 Die Pfeilspitzen weisen dabei alle nach Sudosten. An ihrer sorgfaltigen Auslegungkann kein Zweifel bestehen. Unweit davon entfernt wurde eine trapezoide Klinge gefunden, ne-ben welcher drei parallel gelegte Stabperlen aus Fayence drapiert waren.33 Ein derartiges Arrange-ment, in diesem Fall anstelle der Flintklinge eine Xache Scheibe aus Grauwacke, befand sichebenfalls in der Nahe. Ein Stuck Richtung Osten lagen vier Pfeilspitzen derart arrangiert, dasszwei nebeneinander liegende nach Norden wiesen, wahrend jeweils eine weitere, in einem Ab-stand von 30–35 cm in einer Achse ausgerichtet, mit ihrer Spitze Richtung Suden zeigte. DieAbstande entsprechen dabei der Lange, die ein Pfeilschaft einnehmen wurde.34 Noch einige Me-

24 Abgebildet in Mu¤ller� a. O. (n. 17).25 s. Mu¤ller� a. O. (n. 8), 96 Abb. 10e. 98.26 s. Mu¤ller� a. O. (n. 8), 96 Abb. 10c. 97.27 s. Mu¤ller� a. O. (n. 8), 96 Abb. 10a.28 Mu¤ller� a. O. (n. 17).29 W� B� Emery� Hor-Aha. Excavations at Saqqara

1937–1938, Kairo 1939, 71V. Taf. 16–17.30 L. Keimer� in: Emery, a. O. (n. 29), 72 f.3 1 So H� Ricke� Bemerkungen zur agyptischen Baukunst

des Alten Reiches I, Beitrage zur agyptischen Baukunst und

Altertumskunde 4, Zurich 1944, 30V.32 V� Mu¤ller� in: G. Dreyer et al., Umm el-Qaab:

Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof.11./12. Vorbericht, MDAIK 56, 2000, 117, Taf. 11c; Mu¤l‡

ler� a. O. (n. 17).33 Mu¤ller� a. O. (n. 17).34 In den zeitgleichen Mastabas in Saqqara wurden

noch originale Pfeilspitzen gefunden, s. W� B� Emery� TheTomb of Hemaka. Service des Antiquites de l’Egypte. Excava-tions at Saqqara, Kairo 1938, 45V.

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Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

ter weiter ostlich waren ein Kupferblatt (Spatel ?) und elf knocherne Pfeilspitzen nebeneinanderausgelegt, die samtlich nach Sudosten wiesen.35 Dazwischen befand sich ein ebenfalls knochernesschmales, rundes Stabchen, an dessen Enden umlaufende Einkerbungen angebracht sind, dasaber in seiner Funktion noch unklar ist. Nur wenig nordlich versetzt davon lagen drei weitereknocherne Pfeilspitzen, die nach Nordwesten wiesen, und ein geschmauchtes Kalksteinobjekt,das einen gerundet-dreieckigen Querschnitt und eine langs verlaufende zentrale Durchbohrungaufwies. Auch die Funktion dieses Objektes ist vorlauWg unklar, der Querschnitt zeigt allerdingsAhnlichkeiten mit einem Papyrusstengel.36 In nur geringer Entfernung lag ein bifaziales Silexmes-ser mit GriV, das von einer Perlenreihe umgeben war.37 Die Perlen setzen sich aus Fayence, Mala-chit, Karneol und Amethyst zusammen, folgen aber keinem erkennbaren Muster. Sie durftenursprunglich ein mittlerweile vergangenes Futteral geschmuckt haben. Diesem Messer sudwest-lich folgend lagen vier weitere Silexklingen in paralleler Anordnung bei. In einer Entfernung von2 m in sudostlicher Richtung waren ein Anhangetafelchen, ein trapezoides Objekt, zwei kleineMobelfuße und ein weiteres Anhangetafelchen in einer Linie ausgelegt.38 Bis auf die beiden An-hangetafelchen, die aus Knochen gefertigt sind, bestehen die Objekte aus Elfenbein. Das ersteAnhangetafelchen der Reihe wurde deutlich auf seiner OberXache ausgeschabt, die ursprunglicheAufschrift also intentionell entfernt. Derartige Ausschabungen werden auch gelegentlich bei densog. Jahrestafelchen angetroVen und werden damit in Zusammenhang gebracht, dass der fur dieLieferung zustandige Beamte in Ungnade gefallen ist.39 Das trapezoide Objekt, das auf einer Fla-che konvex und auf der anderen Seite dementsprechend konkav gestaltet ist, weist in einer Eckeder breiteren Schmalseite eine Durchbohrung auf. Auf der Ansichtseite derselben Schmalseite istzudem der Name „Horus Djer“ eingeritzt, wobei die Ritzlinien des Falken mit blauschwarzerFarbe und diejenigen der Hieroglyphe fur Djer mit roter Paste gefullt sind. Das Objekt mussalso so benutzt worden sein, dass der Name sichtbar war. Nach einer vorlauWgen Hypothese wirdhierfur ein Armschutz vorgeschlagen, wobei durch die Durchbohrung etwa eine Lederschnur ge-zogen wurde, mit Hilfe derer das Objekt dann am Arm befestigt wurde. Die beiden Mobelfußedurften aufgrund ihrer kleinen Dimension (H: 4,4 cm) zu einem Spielbrett gehort haben. Daszweite Anhangetafelchen schließlich trug ebenfalls keine Inschrift, die in diesem Fall aber mogli-cherweise aus einer Tintenaufschrift bestanden hat, die vergangen ist.

Bei allen diesen Arrangements, die eindeutig in keinem funktionalen Zusammenhang ste-hen, kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie zufallig in dieser Weise zu liegen ka-men. Es ist vielmehr von einer absichtlichen Deponierung dieser Objekte auszugehen. OVenbleiben muss allerdings, warum sie gerade in diesen Kombinationen niedergelegt wurden.

Nimmt man nun die Befundbeobachtungen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Inunmittelbarer Nahe des Grabes von Dewen beWnden sich beidseitig des zu ihm fuhrenden WegesDeponierungen die ausnahmslos aus dem Grab des Djer stammen, das jedoch rund 50 m von derDeponierung entfernt liegt. Das Gelande nordlich und ostlich der Flachen T-O-K und T-OO-Kist weitlauWg gestort, was auf die Aktivitaten von Naville zuruckzufuhren sein durfte. Betrachtetman die Karte, die er anhand von Petries Plan von dem Gebiet angefertigt und auf der er seineUntersuchungsbereiche eingetragen hat, so fallt auf, dass er immer wieder weiße Flachen be-stehen ließ (Abb. 11). Die Flache, die sich unmittelbar nordostlich der Treppe beWndet, ent-spricht genau unserer Opferdeponierung T-O-K und T-OO-K, die Deponierungen T-SO-K undT-SOO-K liegen hingegen jenseits des engschraYerten Bereiches, in dem Gebiet, das er nur mitTest-Trenchen durchsuchen ließ. Die ondulierte Kante entspricht dabei exakt der Gebel-Abbruch-kante, wie sie von uns vorgefunden wurde. Es muss dabei allerdings unklar bleiben, ob sie dem

35 Mu¤ller� a. O. (n. 8), 98, Taf. 19b.36 Hierauf machte mich D� Wildung bei einem Be-

such in Abydos aufmerksam, wofur ich mich herzlich be-danken mochte.

37 Mu¤ller, a. O. (n. 8), 98. Taf. 19c.38 Mu¤ller� a. O. (n. 8), 98 f. Taf. 19d–e.39 s. fur ein derartiges Tafelchen Dreyer� a. O. (n. 4),

93 f. Taf. 18 f.

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ursprunglichen Verlauf entspricht oder erst durch Navilles Tatigkeiten so geformt wurde. DieBereiche nordlich und ostlich der Deponierung T-O-K und T-OO-K ist von ihm jedoch als»entirely dug out« bezeichnet, was sich im Gelande durch die OberXachenstorung und diverseunregelmaßige Vertiefungen zeigte. Warum er manche Haldenbereiche stehen ließ, ist allerdingsvollig unbekannt.40 Es ist daher durchaus denkbar, dass die Deponierung ursprunglich bis zumGrabe des Djer verlief und keineswegs auf den erhaltenen Bereich beschrankt war. Bei Betrach-tung des Gesamtplanes (Abb. 2 u. 11) wird ferner deutlich, dass sich das Areal, auf dem sich dieDeponierung beWndet, zwar unmittelbar vor dem Grab des Dewen beWndet, gleichzeitig jedocheine zentrale Position innerhalb des gesamten Friedhofs einnimmt.

Sowohl aus dem Erhaltungszustand, als auch aus der sorgfaltigen Aufstellung bzw. Niederle-gung der Objekte ist klar ersichtlich, dass es sich hierbei nicht um Relikte von Grabraubereienhandeln kann. Die fur Grabrauber wertlose Keramik ware sicherlich nicht derart sorgfaltig in sogroßer Distanz vom ursprunglichen Grab aufgestellt worden – ganz zu schweigen von den Klein-funden in ihrer behutsamen Anordnung. Auch eine Interpretation als Relikte im Rahmen des Be-stattungsrituals ist auszuschließen. Hierfur konnte man zwar bestenfalls die Keramikgefaßeheranziehen, nicht aber die Kleinfunde, die in einem solchen Ritual keinerlei Zweck erfullten.Hinsichtlich der Keramikgefaße konnte man zwar argumentieren, dass die neben den Gefaßen lie-genden Verschlusse nicht durch einen naturlichen Prozess, etwa der Verrottung der Schnure, her-abgefallen waren, sondern gerade zeigten, dass die Gefaße vor Ort erbrochen wurden. Dochliegen ja auch einige Gefaße mit noch intakten Verschlussen vor. Auch ware erstaunlich, dass dasBestattungsritual relativ weit vom Grab des Djer entfernt und so nahe am Grab des Dewen statt-fand. Auch ein Bestattungsritual fur das Grab des Dewen kann ausgeschlossen werden, waren ineinem solchen Fall ja nicht Materialien aus dem Grab des Djer, der sein Großvater gewesen seinmag oder zumindest jener Generation angehorte, sondern eben zeitgleiche, aus der Zeit des De-wen stammende Objekte zu erwarten.

Es hat nach den gegenwartigen Erkenntnissen vielmehr den Anschein, als ob die Deponie-rungen nicht in der Fruhzeit angelegt wurden, sondern im Zuge eines anderen Zusammenhangsan diesem Ort zu liegen kamen. Wie oben erwahnt, weisen samtliche Graber Anzeichen von Re-staurierungsarbeiten in den Konigskammern auf. Diese zeichnen sich durch die Verwendungdeutlich großerer Ziegel aus, die sich chronologisch jedoch nicht genau einordnen lassen, da Zie-gel dieser Große ab dem spateren Alten Reich mindestens bis ins Neue Reich in Gebrauch waren.Auch die Tatsache, dass nur die Grabeingange restauriert wurden, erforderte dennoch die Lee-rung der gesamten Konigskammer, da Restaurierungen des Eingangs ja nur dann Sinn ergaben,wenn eine Zuganglichkeit der gesamten Kammern erwunscht war. Die Leerung samtlicher Kam-mern bedeutete wiederum eine großangelegte und organisatorisch aufwendige Aktion, die sicher-lich von koniglicher Seite erfolgte. Ein solcher Vorgang ist nur in einem Rahmen denkbar, inwelchem die Neuorganisation des Gebietes von Umm el-Qacab als Erfordernis gesehen wurde.

Spatestens seit dem Mittleren Reich sind fur Abydos Prozessionsfeierlichkeiten belegt,41 inderen Verlauf die Neschmet-Barke mit dem Kultbild des Osiris zu dem Ort Poker/Peker gefuhrtwurde, dort uber Nacht verblieb, ehe sie am nachsten Tag wieder zum Osiris-Tempel zuruckge-bracht wurde.42 Allgemein wird Poker/Peker inzwischen mit dem Bereich Umm el-Qacab gleich-

40 Die ostlich von T-O-K+T-OO-K als gedrehtes „u“in der Karte eingetragene Halde liegt noch heute so vorund durfte demnach ebenfalls von Naville vollig unbe-ruhrt geblieben sein.

4 1 J� Assmann�Tod und Jenseits im Alten Agypten, Mun-chen 2001, 307V.; E� Otto� Osiris und Amun, Munchen1966, 28V. postuliert solche allerdings bereits fur das AlteReich. Hierfur konnte die Ausrichtung der im Alten Reichangelegten Grabanlagen entlang der Prozessionsstraße spre-chen. In Umm el-Qaab wurde jedoch bis auf einen von

Ame’lineau (s. u.) gefundenen Opfertisch bislang nichtsaus dieser Zeit entdeckt, allerdings schreibt F� Pumpen‡meier� Eine Gunstgabe von seiten des Konigs. Ein extrasepul-krales Schabtidepot Qen-Amuns in Abydos, Studien zur Ar-chaologie und Geschichte Agyptens 19, Heidelberg 1998, 130m. Abb. 22 das Randfragment eines Ausgussgefaßes vomHeqareshu-Hugel dem Alten Reich zu, von wo bereitsPetrie, a. O. (n. 19), 32 f. Objekte dem Alten Reich zuge-wiesen hat.

42 Am ausfuhrlichsten wird diese Prozession, die ver-

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gesetzt,43 was dadurch eine Bestatigung erfahrt, dass das Konigsgrab des Djer ebenfalls spatestensseit dem Mittleren Reich als dasjenige des Osiris angesehen wurde. In dieses Grab wurde bei denRestaurierungsarbeiten eine Treppe eingebaut44 und eine lebensgroße Osirisbahre aus Basalt depo-niert, die nach den Rekonstruktionen der weitgehend ausgehackten Inschriften von einem Konigder 13. Dynastie angefertigt worden sein durfte.45

Einen weiteren Hinweis liefern Stelen, die auf Grabern und Kenotaphen des Mittleren Rei-ches nordlich der Prozessionsstraße aufgestellt waren, die vom Osiristempel in der Stadt Abydosnach Umm el-Qacab hinausfuhrte.46 Diese Prozessionsstraße verlief entlang eines Wadis, auf des-sen nordlicher Seite sich der sog. Nordfriedhof und die Talbezirke beWnden und auf dessen sudli-cher Seite der middle cemetery liegt (Abb. 1). In beiden Friedhofsbereichen wurden schon seitdem Alten Reich Graber angelegt. Ab dem Mittleren Reich jedoch versuchte jeder, der es sich ir-gendwie leisten konnte, in diesem Bereich entweder ein Grab oder ein Kenotaph errichten zu las-sen. Mit Ausnahme der Stelen von Ichernofret, Mentuhotep und Sehetepibre47 wird in denInschriften dieser Stelen allerdings nur auf die Prozession angespielt. Sehr bedeutsam ist in dieserHinsicht die Stele von Neferhotep I., die Anfang des 20. Jhs. am westlichen Ende des Nordfried-hofs in situ von A. C. Mace entdeckt wurde.48 Auf dieser Stele, die in der 13. Dynastie ur-sprunglich vermutlich von Wegaf angefertigt und dann von Neferhotep I. unter Ersetzung desNamens ubernommen wurde,49 ist ein Dekret niedergeschrieben, aus welchem hervorgeht, dassdie Grenze, die durch diese und drei weitere Stelen am Westrand der Nekropole festgesetzt ist,unter Androhung der Todesstrafe durch Verbrennen weder uberschritten noch mit einem Grabbebaut werden durfe.50 Ausgenommen hiervon waren lediglich Priester in ihrer Amtsausubung.Im Hinblick auf den Befund in Umm el-Qacab ist dies von ganz besonderem Interesse.

mutlich mit dramatischen Schauspielen rund um den Todund die Wiederauferstehung von Osiris zelebriert wurde,auf der Stele des Schatzmeisters Ichernofret beschrieben,die durch Angaben auf den Stelen des Mentuhotep unddes Sehetepibre teilweise erganzt werden, s. H� Scha¤fer�Die Mysterien des Osiris in Abydos unter Konig Sesostris III.Nach dem Denkstein des I-cher-nofret im Berliner Museum,UGAA 4, 1904. Fur eine modernere Ubersetzung der Ste-lentexte des Ichernofret und Sehetibre s. M� Lichtheim�Ancient Egyptian Literature I: The Old and Middle King-doms, Berkely – Los Angeles – London 1973, 123V. s.insgesamt auch Otto, a. O. (n. 41), 38V.

43 So bereits Scha¤fer� a. O. (n. 42), 28; s. zudem dieDiskussion zur Lokalisierung in A� Leahy� A ProtectiveMeasure at Abydos in the Thirteenth Dynasty, JEA 75,1989, 57V.

44 Petrie, a. O. (n. 19), 9 konnte den Einbau nichtgenau datieren, sondern lediglich angeben, dass er ausspaterer Zeit stamme und mit der Zuganglichkeit zumOsirisgrab zusammenhangt.

45 A� Leahy� The Osiris “Bed” Reconsidered, Orienta-lia N.S. 46, 1977, 424V. schlug als Rekonstruktion fur denausgehackten Konigsnamen Chendjer vor, der nach J� v�Beckerath, Handbuch der agyptischen Konigsnamen,MAS 49, Mainz 1999, 94. 285 als 17. Konig der 13.Dynastie regierte. Dies wird von K� Ryholt� The PoliticalSituation in Egypt during the Second Intermediate Period c.1800–1550 B.C., Carsten Niebuhr Institute PublicationsVol. 20, Kopenhagen 1997, 217 zuruckgewiesen, der stattdessen Djedcheperure in den Kartuschenresten liest. DieserKonig ware nach den Neuanalysen nach ebenda 408 zurKonigsabfolge in der 2. Zwischenzeit in Wirklichkeit an

die 17. Stelle zu setzen, wahrend Chendjer als 22. Konigregiert haben wurde.

46 Die meisten der Stelen wurden bereits von Ma‡

riette im 19. Jhd. ausgegraben und ohne Dokumentationentfernt, so dass die Art ihrer Aufstellung lediglich seinenkursorischen Angaben entnommen werden kann, s. B. Por‡ter † R� Moss� Topographical Bibliography of Ancient Egyp-tian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings,Vol. V: UpperEgypt : Sites, Oxford 1937, 56V. Einige wurden auch nochvon spateren Ausgrabern in Abydos gefunden, doch habenauch sie keinen Plan ihrer Herkunft erstellt, ebenda 61V.Neuere Untersuchungen von D. O’Connor� The «Cen-otaphs» of the Middle Kingdom at Abydos. Melanges Ga-mal Eddin Mokhtar, BdE 97.2, 1985, 161V. und W. K.Simpson�The Terrace of the Great God at Abydos : The OVer-ing Chapels of Dynasties 12 and 13, Publications of the Penn-sylvania-Yale Expedition to Egypt 5, New Haven – Philadel-phia 1974 konnten einige der Kenotaphe lokalisieren.

47 s. o. Anm. 42.48 D� Randall‡Maciver † A� C� Mace� El-Amrah and

Abydos 1899–1901, EEF 23, London 1902, 4. 83. 93. Taf.XXIX.

49 Neferhotep I. wird von Ryholt, a. O. (n. 45), 408an die 27. Stelle in der 13. Dynastie gesetzt, Beckerath�a. O. (n. 45), 285 hatte ihn in der 22. Position eingeord-net. Die IdentiWzierung des ausgekratzten Namens des Vor-gangers rekonstruierte Leahy, a. O. (n. 43), 43. 46V. mitWegaf, der nach Beckerath� a. O. (n. 45), 284 der ersteKonig der 13. Dynastie gewesen ware, nach Ryholt� a. O.(n. 45), 408 jedoch erst der 21.

50 Zu einer neueren Ubersetzung und Besprechungdieser Stele s. Leahy� a. O. (n. 43).

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Abgesehen von einem Altar, der dem Alten Reich zugeschrieben wird und von Ame’lineauin Umm el-Qacab beim Grab des Djer gefunden wurde,51 treten Relikte erst mit der 1. Zwischen-zeit auf.52 Es sind Siegelabdrucke in den Schutthalden aufgetaucht, die aufgrund ihres Mustersmit Sicherheit in die 1. Zwischenzeit zu datieren sind und nicht zu den Objekten gehoren, diegemeinhin verschleppt werden.53 Es darf also davon ausgegangen werden, dass Aktivitaten irgend-welcher Art hier stattgefunden haben. Ist dies bislang der erste unmittelbare Nachweis in Ummel-Qacab selbst, so haben bereits B. J. Kemp und A. Leahy anhand anderer Funde und Befundeam Heqareshu-Hugel (Abb. 1) in der Stadt und dem Friedhof in Abydos auf das in der 1. Zwi-schenzeit auf keimende Interesse an Abydos hingewiesen.54 Abgesehen von Einzelfunden undBauarbeiten am Osiris-Tempel ist es vor allem auch das Aufkommen der Abydos-Formel auf the-banischen Stelen und die Abydos-Fahrt in den Grabdekorationen, die zum ersten Mal am Endeder 11. Dynastie auf kommt.55 Mit der 12. Dynastie treten dann die erwahnten Stelen und Ken-otaphe auf, die auch in den nachfolgenden Epochen reges Zeugnis fur den praktizierten Osiris-Kult ablegen. In Umm el-Qacab sind aus dieser Zeit noch einige weitere Siegelabrollungen fest-stellbar, die anhand ihrer ruckseitigen Abdrucke kleinen Kisten und Textilbeuteln zugewiesenwerden konnen.56 Fur das Mittlere Reich und die 2. Zwischenzeit liegen zudem verschiedene Ke-ramikgefaße vor, die jedoch bis auf einen kompletten Trinknapf, der in der Grabkammer desQaca aufgefunden wurde,57 ausschließlich aus Fragmenten von kleinen Bottichen und Schalenstammen, die sich nur schwer feinchronologisch fassen lassen. Sie sind in ihrer Menge allerdingsgering, so dass sie vor allem im Vergleich zu den ab dem spaten Neuen Reich explosionsartig an-steigenden Opfergefaß-Massen kaum ins Gewicht fallen.

Dies wiederum lasst sich sehr gut mit dem auf der Neferhotep-Stele verfassten Dekret inVerbindung bringen. So darf wohl mit Recht davon ausgegangen werden, dass von der 1. Zwi-schenzeit bis zum Neuen Reich nur ausgesprochen wenige Menschen Zutritt zu Umm el-Qacabhatten. Wie in dem Dekret gefordert, durfte es sich bei diesen ausschließlich um den Konig undum Priester gehandelt haben, die ihren Dienst taten, d. h. bei den Prozessionsfeierlichkeiten zuge-gen waren. Geht H. Scha¤fer auch von großen Menschenmassen aus, vor denen das Osiris-My-sterium dramatisch aufgefuhrt wurde,58 so mussen diese sich im Osiris-Tempelbereich undwomoglich auf der Prozessionsstraße aufgehalten haben, jedoch nur bis zu der Stelle, an der dieGrenzstelen des Neferhotep, die mit Sicherheit auf altere Vorgaben zuruckgehen, ein weiteresVoranschreiten verboten. Den Weg nach Poker bzw. Umm el-Qacab durften hingegen nur we-nige, auserlesene Priester betreten haben, um das „geheime“ Mysterium in aller Abgeschiedenheitzu zelebrieren. Zumindest legt dies die geringe Menge an Votivgaben und Opfergefaßen nahe.Was bei dieser Zeremonie vor Ort geschah, lasst sich nach der bisherigen Lage nicht eruieren.59

5 1 E. Ameline’au� Nouvelles Fouilles d’Abydos, 1897–1898, Part I, Paris 1904, 33 f. 299; ders.� Nouvelles Fouillesd’Abydos, 1897–1898, Part II, Paris 1905, 618 f.

52 Die von Hall in Naville, a. O. (n. 1), 38 ins AlteReich datierte Keramik gehort der Fruhzeit an und ist mitder Keramik der Deponierungen, die bei den Ausgrabun-gen des DAI zutage gebracht wurden, identisch. Nichtberucksichtigt werden hier die Funde aus dem Heqareshu-Hugel, der uber 500 m westlich von Umm el-Qaab liegtund eine eigene Kultstelle bildete.

53 s. V� Mu¤ller, The Chronological Implication ofSeal Impressions: Further Evidence for Cultic Activitiesin the Middle Kingdom in the Early Dynastic Royal Ne-cropolis at Umm el-Qaab/Abydos, in: M� Bietak † E�Czerny (Hrsg.), Scarabs of the Second Millennium BC fromEgypt, Nubia, Crete and the Levant : Chronological and Hi-

storical Implications. Papers of a Symposium, Vienna, 10th–13th of January 2002, Contributions to the Chronology of theEastern Mediterranean 8, Wien 2004, 141–150.

54 Lexikon der Agyptologie I (1975) 31. 38 s. v. Abydos(B� J� Kemp); Leahy� a. O. (n. 43), 56 f.

55 s. hierzu die in Leahy� a. O. (n. 43), Anm. 57–58angegebene Literatur.

56 Mu¤ller, a. O. (n. 53).57 E.-M. Engel� in: Dreyer et al., a. O. (n. 1), 65 f.58 Scha¤fer� a. O. (n. 42), 64V.59 s. hierzu auch S. Kubisch�Wer wurde eingeweiht in

die ‘Geheimnisse des Heiligen Platzes’?, MDAIK 59, 2003,269V. Genauere Aufschlusse konnten eventuell noch Aus-grabungen in der Umgebung des Djer-Grabes ergeben, so-weit die Befunde durch die Grabungsaktivitaten unsererVorganger nicht vollig gestort sind.

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Erst ab dem Neuen Reich treten verstarkt Opfergefaße, aber auch andere Objekte in Ummel-Qacab auf, wie etwa Ushebtis oder Votivgaben.60 So wurden etwa ostlich des Dewen-Grabeszwei Gruben mit Ushebti-Sargen aus der Zeit Amenophis II. entdeckt, die von Qenamun hier de-poniert worden waren.61 Uberwiegend liegen die Opfergaben jedoch verstreut in den Schutthal-den. Darf man von der Anzahl der Votivgaben auf die Menge derjenigen schließen, die Umm el-Qacab betreten durften, so sind es schon deutlich mehr als in den Epochen zuvor. Am Ende desNeuen Reiches wurde dann oVenbar das Tabu aufgehoben und es konnte wohl nun buchstablichjeder nach Umm el-Qacab pilgern, um seine Opfergaben niederzulegen, zumindest legt dies dieMenge der Votivgaben nahe. Hinsichtlich der Keramik scheint dabei ein relativ enges Repertoirefestgelegt gewesen zu sein, das sich auch in den spateren Epochen nicht wesentlich andert. Essind vor allem Flaschen und nur in geringer Menge Xache Schalen, die deponiert wurden. Ab der25. Dynastie kommen zu diesen noch kleine Schalchen hinzu, die aber auch als Deckel verwen-det worden sein konnten. Ritualgefaße treten hingegen uberhaupt keine auf. Lediglich Lampenbzw. kleine als Lampen verwendete Schalchen werden hier und da gefunden. Die Anzahl der klei-nen Opferschalchen geht dabei in die Millionen, die der Flaschen in die Zehntausende.

Im Laufe der Ausgrabungen des DAI haben sich mehrere spatzeitliche Deponierungennoch in situ befunden.62 So wurden westlich von T-SO-K vier Anhaufungen von kleinen Qacab-Schalchen ausgemacht, die fast samtlich auf dem Kopf lagen und kleine Korner (vermutlich Ki-chererbsen) und kleine Zweige enthielten.63 Diesem Befund kommt besondere Bedeutung zu,wurden die Qacab-Schalchen bislang lediglich als symbolische Gaben betrachtet. Die Beigabevon Kornern und Zweigen wiederum passt bestens zu den vegetabilen Aspekten des Gottes Osi-ris. Im Osten von T-SO-K und im Suden von T-SOO-K befand sich ein Bereich (Abb. 3: T-SSOOO-K), in dem Flaschen aus der 25. Dynastie, dicht aneinander gelegt, in einem Abstandvon ca. 10 m eine Art Straße markieren.64 Diese „Straße“ fuhrt von Sudosten aus in Richtungder Grabanlage des Djer. Bereits Naville hatte einen Teil dieser „Straße“ entdeckt, sie jedoch le-diglich in Form zweier Photos publiziert,65 ohne ihre Position im Gesamtplan einzutragen. Nachder Aufnahmeposition der Photographie zu urteilen, durften wir die Fortsetzung von Naville’sDeponierung in sudlicher Richtung erfasst haben. Diese Flaschen wiederum waren uberdeckt mitQacab-Schalchen, die sich bis zu einem Meter uber den liegenden Gefaßen aufturmten. Auchdiese waren, wie bereits bei den oben erwahnten Depots, auf den Kopf gestellt und enthielten Ki-chererbsen. Nach einer Analyse von D. A. Aston datieren die Schalchen genauso wie die Fla-schen in die 25. Dynastie.66 Dies ließ sich aber schwerlich mit dem Befund in Einklang bringen,da fast samtliche Flaschen Spuren von extremem WindschliV aufwiesen, der bei vielen die Wan-dung entfernt hatte, was nur bei langerem OVenliegen der Gefaße stattWnden konnte. Bei nahe-rem Studium der Publikationen konnte jedoch festgestellt werden, dass die kleinen Qacab-Schalchen bis in die romische Zeit durchlaufen.67 Hier ist also kein kurzfristiger, nur auf die 25.Dynastie beschrankter Kult belegt, sondern vielmehr ein uber Jahrhunderte verlaufender, beidem die gleichen Opfergefaße an denselben Stellen niedergelegt werden. Ein erstaunlicher Be-fund dabei ist, dass die Gefaße auf nur wenigen Zentimetern Flugsand unmittelbar uber der Wu-stenoberXache ausgelegt sind. Dies bedeutet, dass das Gelande oVensichtlich in bestimmten

60 Die Objekte im Zusammenhang des Osiris-Kultesin Umm el-Qaab und dem Heqareshu-Hugel werden der-zeit von U� Effland bearbeitet, mit Ausnahme der hiervorgestellten Deponierungen, die von der Autorin unter-sucht werden.

61 Pumpenmeier� a. O. (n. 41).62 Westlich des Qaa (pers. Mitteilung E�‡M� Engel)

und westlich des Chasechmui (noch unpubl.) lagen jeweilsQaab-Deponierungen auf dem Gebel auf. Von Pumpen‡meier wurden 1994 Qaab-Deponierungen im Heqareshu-Bereich in situ vorgefunden, s. Pumpenmeier� in: Dreyer

et al., a. O. (n. 1), 125 f.63 Mu¤ller� a. O. (n. 8), 100V.64 Dieser und die folgenden Befunde werden im kom-

menden MDAIK 61 (2005) vorgelegt.65 Naville, a. O. (n. 1), Taf. XVIII, 4. XIX, 1.66 D. A. Aston� A Group of Twenty-Fifth Dynasty

Pots from Abydos, MDAIK 52, 1996, 7f.67 s. etwa D. A. Aston� Elephantine XIX: Pottery from

the Late New Kingdom to the Early Ptolemaic Period, AV 95,Mainz 1999, 284. Taf. 92 Nr. 2453; 308, Taf. 102 Nr.2693 fur das 3. Jh. v. Chr.

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Abstanden vom Flugsand gereinigt wurde. Moderne Beobachtungen zeigen, dass nur wenige Mo-nate erforderlich sind, um bereits etliche Zentimeter Flugsand anwehen zu lassen.

Es liegt nahe, die Relikte der mit Kornern und Zweigen gefullten Opferschalchen im Rah-men der jahrlich stattWndenden Osirismysterien zu sehen, im Zuge derer die gefullten Schalchenund Flaschen an vorgesehenen Orten niederlegt wurden. Die „Straße“ ist dabei so planmaßig an-gelegt, dass es kaum vorstellbar ist, dass sie von den Teilnehmern selbst angelegt wurde. Auch dieGleichformigkeit der Gefaße in ihrer geringen Formvarianz, bei denen es sich im wahrsten Sinnedes Wortes um Massenware handelt, spricht dafur, dass es sich um einen sehr organisierten Kulthandelte. Es brachte also nicht jeder Teilnehmer gerade mit, was er fur geeignet hielt, sondernvermutlich gab es in der Stadt Abydos groß angelegte Verkaufsstatten, in welchen die sehr nor-mierten Opfergefaße erworben und sodann in Umm el-Qacab niedergelegt werden konnten. Obdie Qacab-Schalchen ebenfalls von organisierten Kraften deponiert wurden, wie dies die Flaschennahe legen, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden. AuVallig ist jedenfalls, dass sie nach denbisherigen in situ-Befunden nicht irgendwo abgelegt wurden, sondern oVensichtlich nach festge-legten Kriterien, wie z. B. auf der Westseite des Grabes von Qaca und Chasechemui.68

Vollig uberraschend war ferner, dass inmitten dieser Gefaßstraße eine Grube eingetieft war,die sich im Gelande nicht abzeichnete, sondern nur durch die ein wenig weichere Bodenstrukturerkennbar war. In diese Grube waren zwei stehende, mit Gips verschlossene Gefaße gestellt wor-den, die mit den Uberresten einer Bestattung gefullt waren.69 Außer Mumienbinden und dreiz. T. zerschlagenen Gefaßen befanden sich darin sechs Kilogramm Lapislazuli-Einlagen und uberein halbes Kilogramm Blattgold, eine kleine PaviansWgur aus Kupfer, die eine Siegelplatte vorsich halt, sowie ein kleiner Osirisanhanger aus Massivsilber mit Blattgoldresten. Sowohl die Kera-mikgefaße als auch der Text auf der Siegelplatte datieren ins 4. Jh. v. Chr. Nicht weit entferntdavon lagen in einer anderen Grube drei Gipsmodel, die zur Herstellung einer Kindgottheit dien-ten, die eine Hohe von uber 45 cm einnimmt. In unmittelbarer Nahe wurde noch ein weiterermit Gips verschlossener Topf gefunden, in den mit Gips vermengte Reste von StoV und feinemBlattgold eingefullt waren. Auch diese beiden zuletzt genannten Funde durften aus dem 4. Jh. v.Chr. oder bereits aus der ptolemaischen Zeit stammen und scheinen mit der Herstellung und derVergoldung einer Statuette im Zusammenhang zu stehen. Die Tatsache, dass diese drei Fundgrup-pen in Umm el-Qacab vergraben waren, legt nahe, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mitOsiris gesehen und ihm daher geweiht wurden. Sind auch starke Vorbehalte gegen eine Ubertra-gung der Situation vom Mittleren Reich in die Spatzeit mehr als berechtigt, so fallt doch auf,dass einige der aus den Stelen bekannten, in die Geheimnisse des Osiris Eingeweihten gerade mitder Herstellung von Statuen, Schreinen und Barken sowie diverser dazu benotigter Utensilien imTempel des Osiris in Abydos beschaftigt waren. Nahere Hintergrunde und Umstande bedurfendabei allerdings noch weiterer Klarung.

Um nun auf die alteren Deponierungen aus Djer-zeitlichem Material im Osten des Dewen-Grabes zuruckzukommen, so kann festgehalten werden, dass sich aus dem vorhandenen Materialselbst kein unmittelbares Datierungskriterium anbietet. Wie jedoch oben dargelegt, kann ausge-schlossen werden, dass sie bereits in der 1. Dynastie entstanden. Nach der dargestellten Befund-und Fundsituation in Abydos bietet es sich an, die Deponierungen im Zusammenhang derRestaurierung der Graber und der Errichtung des Osiris-Grabes zu sehen. Mit der IdentiWzierungdes Grabes des Djer als das des Osiris wurden oVensichtlich auch dem ehemaligen Grabinventar,das bei der Restaurierung aus dem Grab entfernt wurde, sakrosankte Qualitaten zugesprochen,aufgrund derer die Gefaße und Kleinfunde nicht einfach weggeworfen werden bzw. auf einer

68 Zu diesen beiden Grabern s. o. Anm. 62. Am Grabdes Dewen wurden hingegen auf der Westseite keine De-ponierungen in situ angetroVen, was aber nicht unbedingtheißt, dass ursprunglich keine vorlagen, da die Befunde

sehr stark von der Umgangsweise der vorherigen Ausgraberabhangen.

69 Auch dieser Befund wird in MDAIK 61 (2005)eingehender dargestellt.

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Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

Halde aufgeturmt werden konnten, sondern auf dem heiligen Boden von Umm el-Qacab depo-niert werden mussten. Es scheint sich bei diesem Vorgang – im Gegensatz zu den spatzeitlichenDeponierungen – um einen einmaligen Akt gehandelt zu haben. Am ehesten ist hierfur die spate1. Zwischenzeit bzw. das fruhe Mittlere Reich als Zeitpunkt festzusetzen, da wir fur diese nichtnur massive konigliche Interessen in Abydos feststellen konnen, sondern sich nun auch der Osi-ris-Kult und die Abydos-Fahrt richtig greifen lassen.

Sind nun also diverse kultische Aktivitaten in Umm el-Qacab greif bar, so wissen wir nachwie vor herzlich wenig, was sich nun wirklich wahrend der Prozessionsfeierlichkeiten in Poker ab-gespielt hat. Die Teilnehmer brusten sich auf ihren Stelen damit, dass sie zu den Auserwahltengehoren, die in die Geheimnisse eingeweiht sind. Als geheim werden auch die Vorgange in Pokergeschildert. Bedauerlicherweise fur uns scheinen die Agypter tatsachlich das Gebot der Geheim-haltung ernst genommen zu haben.

Abbildungsnachweis

Abb. 1: nach J� Wegner, in: D� B� Redford,The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt I, Oxford 2001, 8 (leicht adaptiert vonder Verf.).

Abb. 2: nach A� J� Spencer, Early Egypt – The Rise of Civilisation in the Nile Valley, London 1993, 76 Abb. 53.

Abb. 3–8: DAI Kairo.

Abb. 9: nach P� Kaplony� Die Inschriften der agyptischen Fruhzeit I. AA 8, Wiesbaden 1963.

Abb. 10: nach V� Mu¤ller� in: G. Dreyer et al.,Umm el-Qaab: Nachuntersuchungen im fruhzeitlichen Konigsfriedhof. 11./12.Vorbericht, MDAIK 56, 2000, 118 Abb. 6c.

Abb. 11: nach E� Naville� The Cemeteries of Abydos I, EEF 33, London 1914 Taf. XXI.

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Vera Muller

Abb. 1: Karte von Abydos

Abb. 2: Plan von Umm el-Qacab

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Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

Abb. 3: Plan der AusgrabungsXachen des DAI in Umm el-Qacab

Abb. 4: Deponierung vonT-O-K von Osten

Abb. 5: Deponierung vonT-OO-K von Sudosten

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Vera Muller

Abb. 6: Deponierung von T-OO-K von Nordosten

Abb. 7: Deponierung von T-SO-K von Osten Abb. 8: Deponierung von T-SOO-K von Osten

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Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos

Abb. 9: Siegelabrollung IAF 237

Abb. 10: Siegelabrollung IAF 157

Abb. 11: Navilles Aktivitaten in Umm el-Qacab

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Vera Muller

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Archaologische Wissenschaften und Ritualforschung. Einfuhrende Uberlegungen zu einemambivalenten Verhaltnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Joannis Mylonopoulos – Hubert Roeder

Agypten

Der Kult im fruhen Satet-Tempel von Elephantine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Richard Bußmann

Archaologische Relikte kultischer Aktivitaten in Umm el-Qacab/Abydos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Vera Muller

Die Prozession des Osiris in Abydos. Zur SigniWkanz archaologischer Quellen fur dieRekonstruktion eines zentralen Festrituals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53Andrea Kucharek

Relikte kultischer Mahlzeiten in Auaris/Tell el-Dabca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Vera Muller

Deponierungen von Balsamierungsmaterial und Topfnester im spatzeitlichen Theben (Agypten).Befund, Kontext und Versuch einer Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85Julia Budka

Der Tierfriedhof von Tuna el Gebel in fruhptolemaischer Zeit. Zwischenergebnisse derUntersuchungen zur Ausstattung des Ibiotapheions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105Katrin Maurer

Griechenland

Das minoische Stierspringen. Zur Performanz und Darstellung eines altagaischen Rituals . . . . . 125Diamantis Panagiotopoulos

Votive als Gegenstande des Rituals – Votive als Bilder von Ritualen. Das Beispiel dergriechischen Weihreliefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139Anja Klockner

Das Gottliche im Menschenbild. Religiose Elemente im griechischen Grabrelief . . . . . . . . . . . . 153Katja Sporn

Architektur und Ritual. Architektur als funktionaler Rahmen antiker Kultpraxis . . . . . . . . . . . . 167Torsten Mattern

Das Heiligtum des Zeus in Dodona. Zwischen Orakel und venatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185Joannis Mylonopoulos

Die Schwester des Orakelgottes. Zum Artemiskult in Didyma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215Helga Bumke

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