Krieg und Kriegsursachen in der wissenschaftlichen Debatte
Reinhard Meyers
1 Entwicklungsdynamik
Nicht erst seit der terroristischen Attacke islamischer
Fundamentalisten auf New York und Washington am 11. September 2001,
sondern schon seit den (Bürger-)Kriegen im ehemaligen Jugoslawien der
90er Jahre sehen sich politische Entscheidungsträger mit der
ernüchternden Einsicht konfrontiert, dass der klassische Krieg zwischen
den (Groß-)Mächten zwar langsam ausstirbt (Gat 2013:30ff), dass aber
gleichwohl die Weltpolitik auch weiterhin gekennzeichnet ist durch den
Einsatz organisierter militärischer Gewalt zur Durchsetzung
politischer, ökonomischer und ideologischer Interessen. Während des
Ost-West-Konflikts hatten mögliche Großkriege zwischen nuklear
bewaffneten, zweitschlagsbefähigten Militärblöcken unser Konflikt-
Denken ebenso wie die Militärplanung von NATO und Warschauer Pakt mit
Beschlag belegt und für andere, außerhalb des Ost-West-Gegensatzes sich
entwickelnde Konfliktformen desensibilisiert. Blockantagonistische
Großkriege sind nach dem Ende des Kalten Krieges obsolet geworden. Was
bleibt, ist eine Vielzahl regionaler und lokaler Waffengänge, wie die
Jahrgänge des Heidelberger Konfliktbarometer plausibel demonstrieren.
Gut zwei Drittel bis knapp drei Viertel aller im letzten Jahrhundert
weltweit geführten Kriege waren keine Staaten-, sondern innerstaatliche
oder transnationale Kriege: der klassische Staatenkrieg wird seit Ende des
Zweiten Weltkriegs zu einem historischen Auslaufmodell. Seit dem
Westfälischen Frieden 1648 innerhalb ihres Territoriums Inhaber des
Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit, dem Anspruch nach
Alleinvertreter („gate-keeper“) ihrer Bürger und deren gesellschaftlicher
1
Zusammenschlüsse gegenüber der Außenwelt, müssen sich die Staaten in
zunehmendem Maße parastaatlicher, gesellschaftlicher, privater Gewalt-
Konkurrenz erwehren. Lokale Warlords, Rebellen- und Guerillagruppen,
Befreiungsarmeen, internationale Terrornetzwerke. privatwirtschaftliche
Söldnerfirmen betätigen sich je länger desto mehr als
Kriegsunternehmer, treiben die Entstaatlichung und Privatisierung des
Krieges und die (Re-)Vergesellschaftung organisierter militärischer
Gewalt voran (hierzu Strachan/Scheipers 2013: Kap. 13 – 16).
Ein Blick zurück in die (eurozentrische) Geschichte der Neuzeit macht
dagegen deutlich, dass unter dem Phänomen des Krieges (Gesamtübersicht
Howard 2010) traditionellerweise der Krieg zwischen Staaten bzw. ihren
regulären Streitkräften verstanden wird – im Sinne des Generals v. Clausewitz
die Fortsetzung des diplomatischen Verkehrs unter Einmischung anderer
Mittel, geführt um der Durchsetzung staatlicher Territorial- oder
Machtansprüche willen, gestützt durch eine Produzenten und
Produktivkräfte mobilisierende, allumfassende Kriegswirtschaft. Ex
negatione ist der Friede klassischerweise ein völkerrechtlich
garantierter Zustand des Nicht-Krieges zwischen Staaten. Das Gewaltverbot
des Art. 2 (4) der UNO-Charta ist eine Fundamentalnorm des Völker-
(oder präziser: des zwischenstaatlichen) Rechts. Dieser Staatenzentrismus
hat bis in die Gegenwart das Bild des Krieges wie auch des Friedens
(Wolfrum 2003) in Politik, Streitkräften und Öffentlichkeit geprägt.
Auch die Friedenswissenschaft hat ihre zentralen
Untersuchungsgegenstände weitgehend über das Verhalten von Staaten
definiert und erklärt (Chojnacki 2008), auch wenn gelegentlich
Periodisierungsversuche angeboten werden, die eher auf Natur und Ziele
der Handelnden rekurrieren (Howard 2010). Eine wesentliche Dimension
der neueren Entwicklung bleibt dabei lange außer Acht: der bereits
angedeutete Strukturwandel bewaffneter Konflikte (Sheehan 2011) und
2
seine möglichen Rückwirkungen auf Stabilität und Struktur der
internationalen Ordnung (paradigmatisch Jordan u.a. 2008).
Seit der Auflösung der Kolonialreiche in den 50er und 60er Jahren des
20. Jhs. tritt mehr und mehr an die Stelle des klassischen
zwischenstaatlichen Krieges als zeitlich begrenzter Eruption
organisierter Gewalt, nach Clausewitz gipfelnd in der
Entscheidungsschlacht zur Niederringung des Gegners, der langdauernde
Bürgerkrieg in der Form des low intensity conflict oder low intensity warfare. Aus
einem Instrument der Durchsetzung staatlichen politischen Willens, der
Realisierung staatlicher politischer, territorialer, ökonomischer,
weltanschaulicher Interessen wird der Krieg zu einer Form
privatwirtschaftlicher Einkommensaneignung und Vermögensakkumulation
(Wulf 2005), zu einem Mittel klientelistischer Herrschaftssicherung und
semi-privater Besetzung und Behauptung von nur unter den besonderen
Bedingungen einer spezifischen Kriegsökonomie überlebensfähigen
Territorien, Enklaven, Korridoren, Kontrollpunkten. In einer
Gemengelage von privaten Bereicherungs- und persönlichen
Machtbestrebungen, Interventionen Dritter zur Verteidigung bestimmter
Werte, aber auch zur Durchsetzung je eigener Herrschafts- und
Ausbeutungsinteressen, der gegenseitigen Durchdringung und Vermischung
kriegerischer Gewalt und organisiertem Verbrechen verliert der
klassische Staatenkrieg seine überkommenen Konturen (Münkler 2002:
Kap.10). Partisanen- und Guerillaaktionen, Selbstmordattentate,
terroristische Gewaltexzesse unterlaufen die Trennung von Schlachtfeld
und Hinterland, von zivilen und militärischen Zielen. Die Ausbildung
eines „Lumpenmilitariats“ („tagsüber Soldaten, in der Nacht Gangster“ – Ayissi
2003) durchdringt die Trennlinie zwischen Kombattanten und
Nichtkombattanten. Das Nacheinander bewaffneter Kämpfe, fragiler
Kompromisse und Waffenstillstände, und erneuter bewaffneter
3
Auseinandersetzungen hebt die zeitliche Unterscheidung von Krieg und
Nicht-Krieg auf. Das genuin Neue an dieser Welt reprivatisierter
Gewaltanwendung ist allerdings nicht so sehr das Aufeinandertreffen
staatlicher und nichtstaatlicher, gesellschaftlicher Gewaltakteure im
selben Raum- und Zeithorizont, die Asymmetrie des Akteursverhältnisses.
Charakteristisch scheint vielmehr die Fähigkeit lokal agierender
Rebellen, Condottiere, Warlords, Kriegsunternehmer, ihr Handeln durch
effiziente Nutzung globalisierter Relationen und Prozesse zu optimieren
(Kurtenbach/Lock 2004) und entweder Formhülsen der Staatsgewalt wie
moderne Freibeuter zu kapern oder staatsfreie Räume einzurichten und zu
behaupten, die einer informellen Ökonomie und der organisierten
Kriminalität den zur Finanzierung des Krieges notwendigen Freiraum
verschaffen (Bakonyi/Hensell/Siegelberg 2006). In Abwandlung jenes
berühmten Zitats des Generals von Clausewitz: der Krieg erscheint nicht
länger mehr als Fortsetzung des politischen Verkehrs, sondern als
Fortsetzung des Beutemachens unter Einmischung anderer Mittel! Das
erklärt dann auch, warum gerade in den unkonventionelleren Kontexten
innergesellschaftlicher bewaffneter Auseinandersetzungen zunehmend
Akteure und Gruppen auftreten, die an der Fortführung der
Auseinandersetzung ganz handfeste, an der Stiftung und Befestigung von
Frieden aber überhaupt kein Interesse haben (sogen. Spoilers; hierzu
jetzt auch Hansen 2013).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Umgang mit
militärischer Gewalt wie der Bearbeitung kriegerischer Konflikte im
internationalen System neu. Im Spannungsbogen der klassischen
zwischenstaatlichen und der post-nationalstaatlichen, „Neuen“ Kriege
(Kaldor 2000) entwickelt sich – vor der Kulisse einer auf immer
modernere, präzisere und schnellere konventionelle Militärtechnologien
rekurrierenden Revolution in Military Affairs (http://www. comw.org/rma/index.html
4
sowie Gat 2013:38ff) – der hochtechnisierte, computergestützte,
gleichsam auf virtuelle Schlachtfelder ausgreifende postmoderne Cyberwar
einerseits, der weitgehend in prämodernen Formen verharrende oder zu
ihnen zurückkehrende Kleine Krieg andererseits (Daase 1999). Das klassische
Milieu zwischenstaatlicher Politik – der nullsummenspielartige anarchische
Naturzustand – wird zumindest in schwachen und zerfallenden Staaten
gespiegelt durch einen innerstaatlichen oder besser: innergesellschaftlichen
Naturzustand, dessen Akteure in zunehmendem Maße substaatliche und
transnational organisierte gesellschaftliche Gruppen sind. Dies hat vor
allem Konsequenzen für die Ziele, Motive und das Handlungsumfeld der
Konfliktakteure. So wie sich mit fortschreitender Globalisierung, mit
der Kommerzialisierung und Übernahme vormals staatlicher Handlungsfelder
durch Transnationale Unternehmen und nichtgouvernementale Organisationen
die Weltpolitik zunehmend entstaatlicht und privatisiert
(Gesamtüberblick Baylis/Smith/Owens 2011), so entmonopolisiert,
dereguliert, privatisiert sich auch die Anwendung militärischer Gewalt
(Wulf 2005). Damit aber wird der Prozess der rechtlichen Einhegung und
Verstaatlichung des Krieges, der die Geschichte Europas von der Frühen
Neuzeit bis zum Zweiten Weltkrieg (Übersicht: Wolfrum 2003; Meyers 2004)
gekennzeichnet hat, wenigstens teilweise rückgängig gemacht.
1.1 Krieg - klassisch
Altertum, Mittelalter und Neuzeit gleichermaßen galt der Krieg als
Grundtatbestand menschlichen Konfliktverhaltens, als „... Akt der
Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen...“.
Carl v. Clausewitz (1973: 191ff.) prägte die klassisch-instrumentelle
Sicht:
„Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf. Wollen wir uns dieUnzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheitdenken, so tun wir besser, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder suchtden anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu
5
zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurchzu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen. ... Die Gewalt rüstetsich mit den Erfindungen der Künste und Wissenschaften aus, um derGewalt zu begegnen. ... Gewalt, d.h. die physische Gewalt (denn einemoralische gibt es außer dem Begriff des Staates und Gesetzes nicht),ist also das Mittel, dem Feinde unseren Willen aufzudringen, der Zweck.Um diesen Zweck sicher zu erreichen, müssen wir den Feind wehrlosmachen, und dies ist dem Begriff nach das eigentliche Ziel derkriegerischen Handlung...“
In seiner vollen Ausformung seit der Entstehung gesellschaftlicher
Großorganisationen, d.h. seit der Bildung der ersten Hochkulturen der
Frühgeschichte bekannt, läßt sich der Krieg als der Versuch von
Staaten, staatsähnlichen Machtgebilden oder gesellschaftlichen
Großgruppen begreifen, ihre machtpolitischen, wirtschaftlichen oder
weltanschaulichen Ziele mittels organisierter bewaffneter Gewalt
durchzusetzen. Allerdings war in der Geschichte auch immer wieder
umstritten, wann eine bewaffnete Auseinandersetzung als Krieg zu
bezeichnen sei.
Im Laufe der Entwicklung können wir eine Einengung des vorzugsweise auf
die gewaltsame Auseinandersetzung (bis hin zum Duell zwischen
Individuen) abhebenden Begriffs konstatieren. Mit der Ausbildung des
souveränen Territorialstaates und in seiner Folge des als Gemeinschaft
souveräner Nationen begriffenen internationalen Staatensystems seit dem
17. Jh. galt eine gewaltsame Auseinandersetzung nur dann als Krieg,
wenn daran geschlossene Gruppen bewaffneter Streitkräfte
beteiligt waren und es sich zumindest bei einer dieser Gruppen um eine
reguläre Armee oder sonstige Regierungstruppen handelte,
wenn die Tätigkeit dieser Gruppen sich in organisierter, zentral
gelenkter Form entfaltete, und
6
wenn diese Tätigkeit nicht aus gelegentlichen, spontanen
Zusammenstößen bestand, sondern über einen längeren Zeitraum unter
regelmäßiger, strategischer Leitung anhielt.
Der neuzeitliche Kriegsbegriff stellt darüber hinaus darauf ab, daß die
am Krieg beteiligten Gruppen in aller Regel als souveräne
Körperschaften gleichen Ranges sind und untereinander ihre
Individualität vermittels ihrer Feindschaft gegenüber anderen
derartigen Gruppen ausweisen. Indem dieser Kriegsbegriff einen
(völkerrechtlichen) Rechtszustand bezeichnet, der zwei oder mehreren
Gruppen einen Konflikt mit Waffengewalt auszutragen erlaubt, schließt
er Aufstände, Überfälle oder andere Formen gewaltsamer
Auseinandersetzung zwischen rechtlich Ungleichen aus, vermag damit aber
solche Tatbestände wie Bürgerkrieg, Befreiungskrieg und Akte des
Terrorismus nicht oder nur ungenügend abzudecken. Da die Abgrenzung des
Krieges gegen andere gewaltsame Aktionen (bewaffnete Intervention,
militärische Repressalie, Blockade) in der Praxis der Staaten oft
verhüllt wurde, war der Kriegsbegriff im Völkerrecht lange umstritten.
Erst die Genfer Fünf-Mächte-Vereinbarung vom 12.12.1932 ersetzte den
ursprünglichen Ausdruck „Krieg“ durch den eindeutigeren der „Anwendung
bewaffneter Gewalt“ (Art. III). Die Charta der Vereinten Nationen
folgte dieser Tendenz, indem sie die Anwendung von oder Drohung mit
Gewalt in internationalen Beziehungen grundsätzlich verbot (Art. 2,
Ziff. 4) und nur als vom Sicherheitsrat beschlossene Sanktionsmaßnahme
(Art. 42) oder als Akt individueller oder kollektiver
Selbstverteidigung (Art. 51) erlaubte.
Trotz aller völkerrechtlichen Klärungsversuche: in politischer Hinsicht
bleibt die Ungewissheit darüber, was das Wesen des Krieges ausmacht und
wo er seine Grenzen findet, bestehen. Zwar hat Clausewitz die lange Zeit
gültige Auffassung vom Kriege als eines funktionalen Mittels der
Politik entwickelt, als einer spezifischen Form des Verkehrs der
7
Staaten untereinander, die zwar ihre eigene Logik hat, grundsätzlich
aber den Primat der Politik gelten lässt: Der Krieg hat keinen
Eigenwert, sondern gewinnt seine Berechtigung allein in einem von der
Politik geprägten, der Durchsetzung der Interessen der Staaten nach
außen dienenden Ziel-Mittel-Verhältnis (Übersicht: Heuser 2005; immer
noch lesenswert Aron 1980). Aber: was diese Auffassung nicht erfasst,
ist die Wandlung des Krieges von einer – für die Zeit Clausewitz` noch
typischen – Auseinandersetzung zwischen Souveränen und ihren Armeen –
wie sie am deutlichsten in der Form der mit begrenzter Zielsetzung und
unter weitgehender Schonung von Non-Kombattanten und produktiven
Sachwerten geführten Kabinettskriege des 18. Jhs. aufscheint – zu einer
Auseinandersetzung zwischen hochindustrialisierten
Massengesellschaften, die als Totaler Krieg bezeichnet wird. Ausgehend von
der levèe en masse der französischen Revolutionskriege, erstmals deutlich
manifest im Amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865, erreicht sie im
Ersten und im Zweiten Weltkrieg ihre Höhepunkte. Mobilmachung aller
militärischen, wirtschaftlichen und geistig-weltanschaulichen
Ressourcen für die Kriegführung; Missachtung der völkerrechtlichen
Unterscheidung zwischen kriegführenden Streitkräften (Kombattanten) und
nichtkämpfender Zivilbevölkerung; Zerstörung kriegs- und
lebenswichtiger Anlagen im Hinterland des Gegners; Mobilisierung
gewaltiger Propagandamittel, um die eigene Wehrbereitschaft zu steigern
und die des Gegners zu zersetzen – all diese Elemente haben nur ein
Ziel: die völlige Vernichtung des zum absoluten Feind erklärten
Gegners. Der Totale Krieg kehrt das Clausewitz‘sche Zweck-Mittel-
Verhältnis von Politik und Krieg nachgeradezu um, setzt – im Sinne der
These Ludendorffs vom Krieg als der höchsten Äußerung völkischen
Lebenswillens – die äußerste militärische Anstrengung absolut. Damit
aber wird der Krieg der politischen Operationalisierbarkeit beraubt,
werden Staat und Politik zum Mittel des Krieges erklärt, wird der Krieg
8
stilisiert zum Medium der Selbststeigerung und Überhöhung: des Kriegers
sowohl als auch der kriegführenden Nation.
Mit der Entwicklung nuklearer Massenvernichtungswaffen stellt sich die
Frage nach der politischen Instrumentalität des Krieges vor dem
Hintergrund des thermonuklearen Holocausts erneut (Übersicht Freedman
2003). Der Clausewitz‘schen Lehre von der politischen Zweckrationalität
des Krieges ist im Zeitalter der auf gesicherte Zweitschlagspotentiale
der Supermächte gestützten gegenseitigen Totalzerstörungsoption
(„mutual assured destruction“ - MAD) der Grundsatz entgegenzuhalten,
daß Krieg kein Mittel der Politik mehr sein darf. Denn: sein Charakter
hat einen qualitativen, irreparablen Bruch erfahren: das Katastrophale,
Eigendynamische organisierter militärischer Gewaltanwendung ist auf in
der Geschichte bis zum Jahre 1945 nie dagewesene Weise gesteigert
worden. Es gilt die treffende Bemerkung des Psychologen Alexander
Mitscherlich (1970: 16): Die Atombombe verändere den Charakter des Krieges
„... von einer Streitgemeinschaft zu einer vom Menschen ausgelösten
Naturkatastrophe...“. Oder anders: wo das Mittel den Zweck, dem es
dienen soll, im Falle seines Einsatzes obsolet macht, führt es sich
selber ad absurdum. Damit aber wäre auch die hergebrachte Unterscheidung
von Krieg und Frieden fragwürdig. Ihre Grenzen verschwimmen spätestens
da, wo in der Politik der Abschreckung die Vorbereitung auf den Krieg
zur Dauermaxime politischen Handelns wird. Die spezifischen Konturen
von Krieg und Frieden als trennbare gesellschaftliche Größen gehen
verloren:
„Mit der Entwicklung des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg undder Tendenz zur Totalisierung politischer Ziele und technologischerZerstörungspotentiale wurde überkommenen begrifflichenDifferenzierungen endgültig der Boden entzogen. Dem Begriff des Kriegesund dem Begriff des Friedens entsprechen in Politik und Gesellschaftheute keine eindeutigen Sachverhalte mehr“ (Senghaas 1969: 5).
9
Die Entwicklung der Destruktionsmittel (Übersicht Metz 2006: Teil III)
hat mittels des Luftkrieges Schutzversprechen und Sphärentrennung schon
zu Beginn des 20. Jhs. ernsthaft hinterfragt, und in der Mitte des 20.
Jhs. durch die Entwicklung nuklearer Massenvernichtungswaffen
potentiell aufgehoben. Aber erst die Entwicklung des Neuen Krieges
setzt solchem Denken tatsächlich ein Ende. Die charakteristischen
Elemente jener Schönen Neuen Welt der privatisierten Gewalt (Mair 2003)
– nämlich
– die Verwicklung der Staaten in unkonventionelle Prozesse und Formen
der Kriegführung zwischen staatlichen und sub- oder nichtstaatlichen
Akteuren, oder die Wiederkehr der kleinen Kriege (Heuser 2010: 456ff)
– die Vergesellschaftung, Kommerzialisierung, Privatisierung des
Gewaltmonopols (Percy2013),
– die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Armee und
Zivilbevölkerung, die Zivilisten übergangslos zu Kombattanten werden,
Wohnviertel und Schlachtfeld in eins fallen lässt,
– die die Brutalität der eingesetzten Mittel steigernde quantitative
wie qualitative, zeitliche wie räumliche Entgrenzung eines Konflikts
zwischen sich gegenseitig als illegitim bezeichnenden Einheiten,
– schließlich die Abwanderung all dieser Auseinandersetzungen aus
der Zuständigkeit des Völker- oder besser: zwischenstaatlichen Rechts in
die normative Grauzone zwischen innerstaatlichem und zwischenstaatlichem
Recht
beschwören letztlich die Auflösung des überkommenen staatenzentrischen
Kriegsbildes. Militärische Gewaltanwendung wendet sich aus dem
zwischenstaatlichen Bereich in den innergesellschaftlichen, aus der
Sphäre zwischen den handelnden Subjekten der internationalen Politik in die
innergesellschaftliche Sphäre sich zersetzender und zerfallender staatlicher
Handlungseinheiten. Mit diesen Veränderungen in Kriegsbild und
Kriegführung aber ist militärische Gewaltanwendung heute von einem
10
überwiegend zwischenstaatlichen zu einem überwiegend innergesellschaftlichen
Problem geworden !
1.2 Krieg – postmodern
Wenn der Begriff der Postmoderne in den krisenhaften Entwicklungen des
internationalen Systems während des ersten Jahrzehnts des neuen
Jahrtausends nicht selbst etwas außer Gebrauch und Geltung gekommen
wäre, wäre man versucht, die Entwicklung des Neuen Krieges als ein
typisches Moment der Postmoderne (generelle Übersicht Rosenau 1992;
knapp Butler 2002) zu fassen: Auflösung und Dezentrierung des
herkömmlich handelnden Subjekts, Gleichzeitigkeit von
Ungleichzeitigkeiten: Skepsis gegenüber einer immer stärker
technisierten und industrialisierten Form der Kriegführung („cyber
warfare“), Suche nach oder Rückbesinnung auf alternative („low-tech“)
Handlungsempfehlungen in Strategie und Taktik, Pluralisierung der
militärischen Einsatzdoktrinen und Denkstile, Überschreitung, wenn nicht
bewusste Missachtung angestammter Grenzen klassischer Politik- und
Gesellschaftsbereiche, Skepsis gegenüber dem, wenn nicht gar
entschiedene Ablehnung des herausragenden Projekts der Moderne: der
geschichtsphilosophisch-rational begründeten Hoffnung auf die endliche
Perfektibilität der Gattung Mensch, greifbar in der Zivilisierung des
Austrags von Konflikten durch deren Verrechtlichung ebenso wie in der
ethisch-rationalen Neufundierung der internationalen Politik als
Friedenspolitik (Küng/Senghaas 2003).
Begleitet werden diese Entwicklungen im Zeichen der Globalisierung von
der Ausbildung einer postnationalen Konstellation: Verwischung ehemals
klar gezogener Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Innenpolitik
11
und internationaler Politik, zwischen Krieg und Frieden. Phänomene der
Denationalisierung (Zürn 1998) – Ausweitung gesellschaftlicher
Interaktionen über die Grenzen des Nationalstaats hinaus – sind für die
Politikwissenschaft zwar nichts Neues: die anachronistische Souveränität
war schon 1970 Thema des ersten PVS-Sonderheftes. Aber: Mit der
Infragestellung des nationalen Akteurs als klassischer
Kriegführungsmacht – schlimmstenfalls mit seiner Degeneration zum
schwachen oder gar gescheiterten Staat (Schneckener 2006) – wird auch der
zwischenstaatliche Krieg als alleinige oder hauptsächliche Austragungsform
internationaler Konflikte zum Anachronismus. An die Stelle organisierter
zwischenstaatlicher Gewaltanwendung tritt ein neuer Kriegstyp, in dem sich
Momente des klassischen Krieges, des Guerillakrieges, des bandenmäßig
organisierten Verbrechens, des transnationalen Terrorismus und der
weitreichenden Verletzung der Menschenrechte miteinander verbinden
(Übersicht: Frech/Trummer 2005). Seine asymmetrische Struktur (Münkler 2006:
Teil II) zwischen regulären und irregulären Kampfeinheiten impliziert
seine sowohl zeitliche als auch räumliche Entgrenzung: die Heckenschützen
Sarajevos kämpften weder entlang einer zentralen Frontlinie noch
innerhalb eines durch Kriegserklärung formal begonnenen und durch
Kapitulation oder Friedensvertrag formal geschlossenen Zeitraums. Sie
sind aber ein gutes Beispiel für ein weiteres Kennzeichen Neuer Kriege:
der sukzessiven Verselbständigung und Autonomisierung ehedem militärisch
eingebundener Gewaltformen wie Gewaltakteure (Münkler 2003). Die
regulären Armeen verlieren die Kontrolle über das Kriegsgeschehen –
sowohl räumlich als auch zeitlich. Während nach Clausewitz im
herkömmlichen Krieg zwischen Staaten die Niederwerfung des Gegners in
der nach Konzentration der Kräfte angestrebten Entscheidungsschlacht das
oberste Ziel der Kriegsparteien ist, besteht die Besonderheit des Neuen
Krieges in einer Strategie des sich lang hinziehenden Konflikts, in dem
der Gegner vorgeführt, ermüdet, moralisch und physisch zermürbt, durch
12
punktuelle Aktionen räumlich gebunden, schließlich durch Schnelligkeit
und Bewegung ausmanövriert und durch geschickte, gelegentlich durchaus
auch eigene Opfer kostende Aktionen in den Augen einer internationalen
Öffentlichkeit diskreditiert, moralisch erniedrigt und so bei möglichen
Waffenstillstands- oder Friedensverhandlungen unter Vermittlung
mächtigerer Dritter ins Unrecht gesetzt und zumindest teilweise um die
Früchte seiner Anstrengungen gebracht wird.
Eine solche Veränderung der Kriegsziele zieht notwendigerweise auch
eine Veränderung in der Art der Kriegführung nach sich: die großen,
statischen Abnutzungsschlachten regulärer Armeen aus der Zeit des
Ersten, die schnelle, raumgreifende Bewegung gepanzerter Verbände aus
der Zeit des Zweiten Weltkriegs weichen Konfrontationen zwischen
kleinen, regulären und/oder irregulären Verbänden, in denen klare
Fronten ebenso selten sind wie große Entscheidungsschlachten. Was
zählt, ist nicht der militärische Sieg über den Gegner, sondern die
Kontrolle über seine Auslandsverbindungen, seine Transportwege, seine
Rohstoffvorkommen, über die Moral und Informationslage seiner
Zivilbevölkerung. Das bevorzugte Mittel der Auseinandersetzung sind
Kleinwaffen, automatische Gewehre, Granatwerfer: die effektivsten
Kampfmaschinen des Kalaschnikow-Zeitalters (Kongo, Liberia) sind
Sturmgewehr-bewaffnete, bekiffte, zugedröhnte männliche Jugendliche,
die außerhalb ihrer als Miliz firmierenden Räuberbande weder die Mittel
zum Lebensunterhalt noch gesellschaftliche Anerkennung oder Respekt für
ihr Tun erwarten können.
Insofern ginge man auch zu kurz, den Neuen Krieg als einen „bloßen“
ethnonationalistischen Bürgerkrieg zu begreifen, in dem die
Gewaltanwendung zur Durchsetzung von Volksgruppen-Zielen gleichsam
privatisiert wird. Er ist ein genuin politisches Phänomen, an dem
externe und interne, regierungsamtliche wie nichtregierungsamtliche
13
Akteure gleicherweise teilhaben. In ihm geht es weniger um klassische
machtpolitische und/oder territoriale Ziele, wie sie etwa die
„Kanonenbootpolitik“ des 19. Jhs. kennzeichneten, sondern um (auch
bewaffneten Zwang als Mittel der Überzeugung oder Verdrängung
Andersdenkender einsetzende) Identitätsstiftung. In Abwandlung des
klassischen Diktums von Carl Schmitt – dass nämlich souverän sei, wer
über den Ausnahmezustand bestimme – ist der eigentliche Souverän des
Neuen Krieges derjenige, der Konflikte der Perzeption des Anderen durch
die eigenen Kampfgenossen, der Interpretation historischer und politischer
Tatsachen auf der innergesellschaftlichen wie internationalen
Referenzebene und der Sinnstiftung auf der Ebene der Weltanschauung, der
Religion oder der Ideologie zu seinen Gunsten entscheiden kann.
Vom Totalitätsanspruch der Sinnstiftung ist es in aller Regel nur ein
kleiner Schritt zum Totalitätsanspruch der Kriegführung. Die
Bezeichnung der Neuen Kriege als Kleine Kriege ist ein gutes Stück
euphemistischen Orwell’schen New Speak: weder in Dauer, Intensität noch
Zerstörungskraft sind die Kleinen Kriege tatsächlich klein. Vielmehr
zeichnen sie sich durch extraordinäre Langlebigkeit (z.B. Sudan,
Angola, Kongo, Kolumbien) aus – vor allem, wenn Kriegsparteien in der
Peripherie von (Rest-) Staaten agieren, Zugang zu wertvollen Ressourcen
(Öl, Diamanten) haben und mit Blick auf einen ungewissen Frieden es
vorziehen, ökonomische Gewinne durch dauerhafte Gewaltstrategien zu
realisieren. Was sie prinzipiell kennzeichnet, ist ihre Durchbrechung,
wenn nicht gar Außerkraftsetzung verbindlicher Regeln für die
Kriegführung: die Kriegsakteure bestreiten die Geltung des
Kriegsvölkerrechts, weil es sich um ein zwischenstaatliches Rechtssystem
handelt, sie sich aber gerade nicht als staatliche Akteure begreifen, die
den das ius in bello kodifizierenden und einhegenden Konventionen
unterworfen sind. Am augenfälligsten wird diese Entwicklung in der
14
Aufhebung der Unterscheidung zwischen Kombattanten und
Nichtkombattanten: im Kleinen Krieg kommen paradoxerweise alle Mittel zum
Einsatz, so dass er in seiner charakteristischen Brutalität Züge
annimmt, die sonst nur mit dem Phänomen des totalen Kriegs in
Zusammenhang gebracht werden.
„Die Gesamtheit des Gegners, und nicht nur dessen Kombattanten, wirdals Feind angesehen und bekämpft. Die Symmetrie, also die Beschränkungdes Kampfes auf die Kombattanten, kennzeichnet den großen Krieg; fürden kleinen Krieg hingegen ist die bewusst angestrebte Asymmetrie imKampf gegen die verwundbarste Stelle des Gegners, eben dieNichtkombattanten, charakteristisch. Daher rührt der hohe Anteil vonZivilisten unter den Opfern kleiner Kriege. Auch reguläre Streitkräfte,die in einem kleinen Krieg gegen irreguläre Kräfte eingesetzt werden,tendieren dazu, sich die regellose Kampfesweise des Gegners zu eigen zumachen...“ (Hoch 2001: 19).
Mit den überkommenen Kategorien des Generals von Clausewitz ist das
Kriegsbild der Neuen Kriege (Kaldor 2000; Forschungsüberblick Daase
2003) nicht länger zu fassen. Denn:
– Die Fragmentierung der staatlichen Handlungssubjekte, die Privatisierung des
staatlichen Gewaltmonopols durch die Akteure informeller Raubökonomien
stellt die These von der politischen Zweckrationalität des Krieges aus
der Perspektive einer Vielzahl von Mikro-Ebenen radikal in Frage
(Übersichten: Voigt 2002). Die Ebene der Gewaltanwendung verschiebt sich
„nach unten“, die über Jahrhunderte erarbeiteten Regeln der
zwischenstaatlichen Kriegführung verlieren sich immer mehr zwischen den
Fronten nichtstaatlicher Kriegs- oder Konfliktparteien (Daase 1999).
– Im Kontext der Neuen Kriege lösen sich die herkömmlichen, dem Primat
der Politik unterstellten und dem Prinzip von strategischer
Rationalität, einheitlicher Führung, Befehl und Gehorsam verpflichteten
militärischen Großverbände als Hauptträger der Kriegführung auf. An ihre
Stelle treten die Privatarmeen ethnisch-nationaler Gruppen,
Partisanenverbände, unabhängig operierende Heckenschützen, marodierende
Banden, Mafiagangs: „What are called armies are often horizontal
15
coalitions of local militia, break away units from disintegrating
states, paramilitary and organized crime groups“ (Kaldor 1997: 16).
Dabei schwindet nicht nur die klassische Unterscheidung von
Kombattanten und Zivilisten – die Schlachtfelder des Neuen Krieges
werden bevölkert von Figuren, die Europa seit dem Absolutismus aus der
Kriegführung verbannt hatte:
– dem Warlord, einem lokalen oder regionalen Kriegsherrn, der seine
Anhängerschaft unmittelbar aus dem Krieg, der Kriegsbeute und den
Einkünften des von ihm eroberten Territoriums finanziert (Rich 1999;
Reno 1999; Azzellini/Kanzleiter 2003; Marten 2013);
– dem Söldner, einem Glücksritter, der in möglichst kurzer Zeit mit
möglichst geringem Einsatz möglichst viel Geld zu verdienen trachtet
(www.kriegsreisende.de)
– dem Kindersoldaten, dessen Beeinflussbarkeit und Folgebereitschaft
ihn zu einem gefügigen Instrument des bewaffneten Terrors macht
(www.kindersoldaten.de) (Gesamtüberblick Förster/Jansen/Kronenbitter 2010;
Goodwin-Gill 2013).
– Angesichts der so fassbaren Entgrenzung der Kriegsakteure – verstanden
nicht nur als die Verwischung der Differenz von Regularität und
Irregularität, sondern auch als Wandel von ehedem regional oder national
verankerten Akteuren zu transnationalen Einheiten – die etwa in einem
Staat kämpfen, aber in einem benachbarten ihre Rückzugs- und Ruheräume
(teils auch gegen Widerstreben der dortigen Autoritäten) besetzen –
wundert es nicht, dass militärische Gewalt sich immer seltener nach
außen richtet, in den Bereich zwischen den Staaten. Vielmehr kehrt sich
ihre Stoßrichtung um, in die Innensphäre der zerfallenden
einzelstaatlichen Subjekte hinein. Ihr übergeordneter Zweck ist nicht
mehr die Fortsetzung des politischen Verkehrs unter Einmischung anderer
Mittel, sondern die Sicherung des innergesellschaftlichen Machterhalts
von Interessengruppen, Clans, Warlords, Kriminellen; die Garantie von
16
Beute und schnellem Profit; die Erzwingung und Erhaltung von
klientelistischen und persönlichen Abhängigkeiten, die Etablierung und
der Ausbau von Formen quasi-privatwirtschaftlich organisierter
Einkommenserzielung. Schon wird der low intensity conflict als Fortsetzung der
Ökonomie mit anderen Mitteln bezeichnet: eher als im zwischenstaatlichen
Krieg geht es in ihm um handfeste materielle Interessen, um die
Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen und Chancen, in welcher
ethnischen, religiösen oder ideologischen Verkleidung die
Konfliktparteien auch auftreten.
– Damit aber verändert sich auch die Ökonomie des Krieges: rekurrierte
der klassische Staatenkrieg noch auf die Ressourcenmobilisierung durch
den Staat (Steuern, Anleihen, Subsidien, totale Kriegswirtschaft),
passte er die Wirtschaft als Kriegswirtschaft an den Ausnahmezustand an,
ordnete er das, was sonst dem Markt überlassen blieb, planwirtschaftlich
den Anforderungen des Krieges und der Kriegsziele unter (Ehrke 2002), so
finanzieren sich die Guerrilla- und low intensity-warfare-Konflikte der
Gegenwart aus Kriegsökonomien, die durch die Gleichzeitigkeit von
(nationaler) Dezentralisierung und globaler Verflechtung gekennzeichnet
sind (Ballentine/Sherman 2003). Offizielle Machthaber, Interventionsarmeen,
Kriegsherren, Warlords und Rebellen organisieren von einander getrennte
Wirtschaftsräume, die aber mit den Wirtschaften anderer Staaten und/oder
der globalen Weltwirtschaft vernetzt sind. Die nationale Ökonomie informalisiert
sich. Die Wirtschaften des Bürgerkrieges, des Neuen Krieges sind
Ökonomien mit ungeschützten Märkten, die ihre Akteure vor andere
Handlungsnotwendigkeiten stellen als jene, in denen der sich ausbildende
Zentralstaat Rechtssicherheit und Verkehrswegesicherheit ebenso
garantiert wie Eigentum und Besitzverhältnisse. In einer solcherart
dezentralisierten Wirtschaft haben die illegale Aneignung von Gold und
Edelsteinen, der Menschen- und Rauschgifthandel, der Zigaretten- und
Treibstoffschmuggel Hochkonjunktur (Jean/Rufin 1999) – und das nicht nur
17
während der Phase militärischer Auseinandersetzungen, sondern gerade
auch in den Zwischenzeiten, in denen Fronten begradigt, Kräfte
gesammelt, Waffenarsenale neu aufgefüllt werden. Trennende Kulturen und
Religionen liefern der Ökonomie des Neuen Krieges allenfalls den
Vorhang, hinter dem Akteure mit klaren wirtschaftlichen Interessen zu
erkennen sind – die Kriegsherren, die auf den sich entwickelnden
Gewaltmärkten Gewalt als effektives und effizientes Mittel
wirtschaftlichen Erwerbsstrebens einsetzen. Die politische Ökonomie
dieser Konflikte ist nicht mehr staatszentriert: vielmehr sind die
Kriegsökonomien in regionale und globale, sich der staatlichen Kontrolle
entziehende mafiöse und/oder parasitäre Transaktionsnetze eingebunden.
– Und: wie erfolgreiche transnationale Konzerne geben die Akteure des
Neuen Krieges in ihrer Organisationsstruktur das herkömmliche Prinzip einer
pyramidal-vertikalen Kommandohierarchie auf, nähern sich den komplexen
horizontalen Netzwerken und flachen Hierarchien, die die
Führungsstrukturen moderner Wirtschaftsunternehmen kennzeichnen. Zu
einem Gutteil ist selbst ihre Kriegführung transnational: sie werden
finanziert durch Spenden oder „Abgaben“ in der Diaspora lebender
Volksangehöriger oder ihren Zielen geneigter Drittstaaten (Tanter 1999);
sie greifen logistisch auf einen globalisierten Waffenmarkt zu; sie
rekrutieren ihre Kämpfer aus Angehörigen (fundamentalistisch-)
weltanschaulich gleichgerichteter Drittgesellschaften; sie nutzen die
Dienste weltweit operierender kommerzieller Anbieter militärischer
Beratungs-, Trainings- und Kampfleistungen (Shearer 1998; aktuelle
Übersicht Michels/Teutmeyer 2010); und sie beschränken ihre Aktionen
nicht auf das angestammte Territorium oder regionale Kriegsschauplätze,
sondern tragen ihren Kampf mittels spektakulär-terroristischer Akte an
solche Orte, an denen ihnen die Aufmerksamkeit einer multimedial rund um
den Globus vernetzten Weltöffentlichkeit sicher sein kann.
18
– Schliesslich: Der wichtigste Unterschied zwischen klassischen und
Neuen Kriegen betrifft die überkommene begriffliche wie faktische
Trennung von Krieg und Frieden: im Neuen Krieg werden Krieg und Frieden
zu nur noch relativen gesellschaftlichen Zuständen. Der Neue Krieg wird
nicht erklärt und nicht beendet: vielmehr wechseln in ihm Phasen
intensiver und weniger intensiver Kampfhandlungen, in denen Sieger und
Besiegte nur schwer ausgemacht werden können. Entscheidungsschlachten
werden nicht mehr geschlagen; Gewaltanwendung diffundiert als
bevorzugtes Mittel der Konfliktbearbeitung in alle gesellschaftlichen
Lebensbereiche.
Halten wir fest – trotz aller Diskussion und teils entschiedenem
Widerspruch im Einzelnen (locus classicus die Diskussion der Münkler’schen
Thesen in EWE 19: 2008; ferner kritisch Berdal 2013): mit dem eingangs
skizzierten Konzept des klassischen Krieges ist die Entgrenzung – oder
noch besser: Ausfransung und Molekularisierung – zwischenstaatlicher
Formen der Kriegführung nicht zu fassen. Und die realpolitisch-
instrumentelle Sicht eines Phänomens, das wie in Afghanistan bei
näherem Hinsehen in Hunderte von Klein- und Kleinstkriege zerfällt, an
denen sich rivalisierende Clans und Warlords, religiöse Fanatiker,
ausländische Soldaten und lokale Straßenräuber (Voigt 2002: 323)
beteiligen, reduziert sich nicht immer, aber immer öfter, auf die
gewaltsamen Kontexte von greed, corruption, and dominance.
Selbstverständlich kann man in der Diskussion eine Volte zu
Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus schlagen und behaupten, seit dem
Dreißigjährigen Krieg hätten sich die Formen kleinteiliger
Gewaltsamkeit nur unwesentlich verändert, seien zwischen dem als
Schwedentrunk bekannten Folterinstrument nicht nur der schwedischen
Soldateska jener Zeit und der Praxis des Waterboarding nur graduelle
Unterschiede geltend zu machen. Aber dieses Argument ignoriert doch
wenigstens einen entscheidenden Hintergrundfaktor in der Entwicklung
19
der Kriegführung: den Fortschritt nicht nur der Produktiv-, sondern vor
allem auch der Destruktivkräfte mitsamt ihren kontingenten Konsequenzen
für den politisch-gesellschaftlichen Überbau von Krieg und Frieden. Wir
werden auf diesen Punkt sogleich zurückkommen, fassen aber zunächst
die bisherige Argumentation schematisch.
Abb. 1 Wandel des Kriegsbildes
2 Grundkonstanten der Diskussion: Entwicklung des Staates, der
Produktivkräfte und der Destruktionsmittel
Bei der Klassifizierung von Kriegen wird oft mit binären Codierungen
gearbeitet – Angriffs-/Verteidigungskrieg, Staaten-/Bürgerkrieg,
gerechter/ungerechter Krieg, traditioneller/Neuer Krieg, Kleiner/Großer
Krieg - heuristische Hilfskonstruktionen, die unsere Tatbestände
näherungsweise eingrenzen, dabei aber vermeiden, Aussagen über „das“
Wesen „des“ Krieges machen zu müssen, die angesichts der
Geschichtlichkeit sowie des beständigen Gestalt- und Formwandels der
unter die Begriffe subsumierten Phänomene sehr schnell Schiffbruch
erleiden müssten (Geis 2006: 14ff). Gleichwohl wird immer wieder gern
versucht, aus der realhistorischen Entwicklung des Krieges langfristige
Trends herauszudestillieren, wie sie etwa im über Jahrhunderte
verfeinerten Ersatz menschlicher und tierischer Muskelkraft durch
Maschinen und Explosionsmotoren und damit in der Mechanisierung der
Bewegung ebenso aufscheinen wie in der Entwicklung der Explosionsmittel
und der Intensivierung von Feuer- und Durchschlagskraft sowie
Präzisierung der Zielgenauigkeit artilleristischer und ballistischer
Sprengkörper einerseits, der im Festungsbau und der Entwicklung der
Panzerwaffe greifbaren Streben nach immer besserem Schutz gegen diese
Waffenentwicklungen andererseits. Das führt dann zu der historische
Einzelentwicklungen übergreifenden Aussage, die Entwicklung des
20
modernen Krieges sei durch die Phänomene der Modernisierung,
Demokratisierung, und den technischen Fortschritt gekennzeichnet
(Näheres Gat 2013). Selbstverständlich erfreuen wir uns auch
formalisierterer Kategorisierungssysteme, die bei der inhaltlichen
Bestimmung der Begriffe helfen sollen – so z.B. die Kriege und Konflikte
anhand einer vertikalen Akteurs-Achse (von der Dorfgemeinschaft bis zur
Supermacht) und einer horizontalen Gewaltsamkeits-Achse (vom sichtbaren
Interessenkonflikt bis zum globalen Nuklearkrieg) ordnende
Klassifizierung von Ruloff/Schubiger (2007: 10 – 17; hilfreich dort v.a.
das Schema auf S.11). Was aber fehlt, ist ein leistungsfähiger
analytischer Zugang zum Problemkomplex Krieg, ein orientierender
Untersuchungsrahmen, wie ihn das Konstrukt der multi-level governance
zunächst für die europäische Integrationsforschung, später dann generell
für die Untersuchung politischer Systeme darstellte (knapper Überblick
Bevir 2012) – eine multi-level disgovernance - Perspektive vielleicht ! Denn: der
politikwissenschaftlichen Forschung mangelt es an eineindeutigen
konsensfähigen Begriffen der zu untersuchenden Tatbestände (Rudolf 2010:
526) – der Krieg ist frei nach Friedrich dem Großen ein launisches
Luder (Kluss 2008), das in der Clausewitz’schen Perspektive auftritt wie
ein wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Fall seine Natur etwas
ändert (Ruloff/Schubiger 2007: 11). Schon diese Beobachtung legt eher
einen historisch-hermeneutischen denn einen sozialwissenschaftlich-
nomothetischen Zugriff auf unseren Gegenstand nahe – und unterstützt
wird dies durch eine Einsicht aus der politischen Ideengeschichte:
Dass traditionellerweise Krieg und Frieden begrifflich als zwei klar
voneinander unterscheidbare, sich gegenseitig ausschließende politische
Zustände gelten, ist Ergebnis einer spezifisch frühneuzeitlichen
Argumentation: Angesichts der Situation des konfessionellen
Bürgerkrieges in Europa konstituiert vor allem Thomas Hobbes den Staat
als einen öffentliche Ruhe und innere (Rechts-)Sicherheit
21
garantierenden unbedingten Friedensverband, der auf
gesellschaftsvertraglicher Grundlage den Naturzustand des bellum omnium
contra omnes durch Setzung eines rechtlich geordnete Machtverhältnisse
im Staatsinnern schützenden Gewaltmonopols aufhebt. Gedanklich wird
damit der Weg frei, den Krieg auf das Binnenverhältnis der Souveräne,
den internationalen Naturzustand, zu beschränken und ihn als rechtlich
geregelte Form bewaffneter Konfliktaustragung zwischen Staaten zu
begreifen. Zugleich ermöglicht diese Operation die Definition des
Friedens als Nicht-Krieg (Schwerdtfeger 2001: S. 89ff) – und liefert
damit eine politisch-juristische Konstruktion, mittels derer die
Vielfalt sozialer und politischer Konfliktlagen begrifflich eindeutig
bestimmbar scheint.
Allerdings weist die real- und ideengeschichtliche Analyse
(Gesamtüberblick Vasquez 2009) auf, dass die so gewonnenen Begriffe von
Krieg und Frieden mit der Ontologie des klassischen staatenzentrischen
Systems internationaler Politik – dem gern auch mit Blick auf die
Friedensregelung von 1648 so bezeichneten Westfälischen System (hierzu
kritisch Meyers 2012) - aufs engste verknüpft sind. Veränderungen der
realhistorischen Randbedingungen internationaler Politik ziehen
Veränderungen im Gebrauch wie im Gehalt der Begriffe von Krieg und
Frieden unmittelbar nach sich. Seit der frühen Neuzeit setzt sich in
der europäischen Geschichte der Staat als Schutzverband und territorial
fassbarer internationaler Akteur (Übersicht Schulze 2004) vornehmlich
deshalb durch, weil er seine Tätigkeit über die erfolgreiche Produktion
von Sicherheit legitimiert: von Verkehrswege- und Rechts-, später dann
auch wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit im Binnenverhältnis, von
nationaler Sicherheit im Außenverhältnis zu anderen vergleichbaren
Akteuren, von internationaler Sicherheit in der durch die Prozesse von
Konkurrenz und Konflikt ebenso wie von Kooperation und
Friedensbewahrung strukturierten Staatengesellschaft. In dieser
22
Entwicklung erscheinen Sicherheit und Territorialität als notwendige
Korrelate: je mehr sich der frühneuzeitliche Staat territorial
verfestigt, seine Herrschaft im Binnenverhältnis unwidersprochen
durchsetzen und behaupten kann, desto erfolgreicher vermag er sein
Schutzversprechen seinen Bürgern gegenüber im Inneren wie auch in der
sich herausbildenden Staatenwelt nach außen einzulösen. Und:
begriffsgeschichtliches Ergebnis des sich ausbildenden und
intensivierenden Konnexes zwischen staatlicher Herrschaft – Ausübung
von Macht durch zentrale politische Institutionen – und Kriegführung
war, dass Frieden und Sicherheit über Jahrhunderte hinweg in politisch-
militärischen Kategorien bestimmt, vom Staat als ihrem Produzenten und
Garanten her gedacht wurden, dass sie sich auf den Schutz des
Individuums ebenso wie auf den Schutz der schützenden Institution
bezogen. Schließlich: Sicherheit und Schutzgewährung als Voraussetzung
einer erfolgreichen Politik der Herstellung und Bewahrung von Frieden
kristallisieren sich in der Verteidigung der Integrität des staatlichen
Territoriums ebenso wie in der Behauptung der Freiheit der politisch-
gesellschaftlichen Eigenentwicklung.
Von zentraler Bedeutung in diesem Kontext ist die Annahme, dass zum
einen die Entwicklung des Kriegsbildes und der Kriegsformen Resultat
der Entwicklung der Produktivkräfte und der Destruktionsmittel ist, zum
anderen aber auch die Existenz, physisch-territoriale Gestalt,
politische Struktur und politisch-gesellschaftliche Funktion des
Staates mit der Ausdifferenzierung und dem Wandel der Ziele, Formen und
Prozesse der Kriegführung aufs engste verknüpft sind (Übersicht Metz
2006: Teil III). Dabei stellt schon der die Entwicklung der
Destruktionsmittel antreibende technische Fortschritt das klassische Symbol
der erfolgreichen Umsetzung staatlicher Schutzversprechen – nämlich die
militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit
23
staatlicher Grenzen für Außeneinflüsse (Herz 1974) – sukzessive in
Frage und hebt sie schliesslich auf. Die insbesondere durch die
Entwicklung der Luftkriegführung und der ballistischen Trägerwaffen im
20. Jh. bewirkte prinzipielle Durchdringbarkeit der harten Schale des
nationalen Akteurs wird intensiviert durch die moderne
industriewirtschaftliche Entwicklung und die Folgen einer immer weiter
voranschreitenden internationalen Arbeitsteilung (Übersicht Dicken
2011), in deren Konsequenz der nationale Akteur unter
Globalisierungsdruck gerät. Die Ressourcen, deren er auch weiterhin
nicht nur zur Produktion von Sicherheit, sondern mehr noch angesichts
seiner Wandlung vom liberalen Nachtwächterstaat der ersten Hälfte des
19. zum Daseinsvorsorgestaat der zweiten Hälfte des 20. Jhs. zur
Erfüllung seiner sozialen Staatsaufgaben bedarf, werden bedroht,
geschmälert, in Frage gestellt. Die Entgrenzung der Staatengesellschaft
als Folge von Prozessen der Verregelung, Institutionalisierung und
formalen Organisation internationaler Beziehungen, der Ausbildung
transnationaler Interessenkoalitionen in einer Situation des Regierens
ohne Staat (Neyer 2004), der Entwicklung inter- und
transgouvernementaler Politikverflechtungen und von Mehrebenensystemen
des Regierens in staatenüberwölbenden (Integrations-) Zusammenhängen
(Schuppert 2005; Botzem u.a. 2009) überdeckeln, unterlaufen oder
ignorieren seine überkommenen Handlungsspielräume. Der Informalisierung
des internationalen Systems korrespondiert die Informalisierung der
innerstaatlichen Politik – fallen doch nicht nur die räumlichen und
zeitlichen Reichweiten ökonomischer Prozesse und (formeller)
politischer Entscheidungen auseinander, sondern gehen auch im Zuge von
Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Teilbereiche staatlicher Souveränität an private ökonomische Akteure
über. Damit aber wird die Leistungsfähigkeit des Staates als Garant von
Daseinsvorsorge wie als Ordnungsmacht gesellschaftlichen Zusammenlebens
24
im binnen- wie im zwischenstaatlichen Handlungsbereich weiter
ausgehöhlt. Der noch von Max Weber als unhinterfragter alleiniger
Inhaber des Monopols legitimer physischer Gewaltanwendung in einem
angebbaren Territorium beschriebene nationale Akteur hat in weiten
Teilen der Welt bereits zugunsten anderer Gewaltakteure abgedankt (gute
Übersicht Bonacker/Weller 2006). In Angola, Somalia, Sierra Leone,
Liberia oder dem Kongo ist er den Parteien, Handlangern und Profiteuren
des Neuen Krieges, den kleptokratischen Eliten, den Patronen neo-
patrimonialer Herrschaftsstrukturen und politischer Netzwerke, den
Diamantensuchern und den jeglicher sozialen Bindung entfremdeten
Jugendbanden (Bakonyi/Hensell/Siegelberg 2006) längst zum Opfer gefallen. In
Teilen des Balkans und des ehemaligen Sowjetimperiums ist immerhin noch
seine Hülle begehrt, weil diese wie ein Theatermantel mafiösen
Unternehmungen einen Rest von Legitimität und Respekt zu verschaffen
scheint, wenn nicht gar ihre Durchführung mit Blick auf Usurpation und
Kontrolle staatlicher Rest-Machtmittel entschieden erleichtert. In
beiden Fällen aber wird die klassische neuzeitliche
Legitimationsgrundlage staatlicher Existenz und staatlichen Handelns
insgesamt deutlich in Frage gestellt: Nämlich die Überwindung des von
Hobbes postulierten vorgesellschaftlichen Naturzustands des bellum
omnium contra omnes durch die Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden
im Binnen- wie Schutz vor militärischen Angriffen im Aussenverhältnis.
Die herkömmliche Legitimation des Krieges als Ausdruck des Rechtes der
Staaten auf Inanspruchnahme des Instituts der Selbsthilfe zur
Verteidigung eigener Interessen in einer anarchischen Staatenwelt ruht
eben auf der Erfüllung dieses Schutzversprechens: seiner Durchsetzung
dienen Monopolisierung der Gewaltanwendung und Verstaatlichung des
Krieges. Erst als sich der Staat als Kriegsmonopolist durchgesetzt
hatte, konnten Kombattanten und Nichtkombattanten, konnten Erwerbsleben
und Kriegführung, konnten letztlich auch Krieg und Frieden begrifflich
25
als zwei klar voneinander unterscheidbare, sich gegenseitig
ausschließende politische Sphären voneinander getrennt werden. (Münkler
2006: Kap.1). Es wird abzuwarten bleiben, welche begrifflichen
Konsequenzen die Aufweichung, wenn nicht gar Aufhebung dieser Trennung
durch die Entwicklung der Neuen Kriege haben wird. Die
charakteristischen Stationen der bisherigen Entwicklung sollen
jedenfalls hier abschliessend noch kurz skizziert werden.
Abb. 2 Elemente einer historischen Formenlehre
von Krieg und Frieden
Weiterführende Überblicksliteratur:
Wolfrum, Edgar: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom WestfälischenFrieden bis zum Zweiten Weltkrieg. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft2003.
Howard, Michael: Der Krieg in der europäischen Geschichte. VomMittelalter bis zu den neuen Kriegen der Gegenwart. 2. Aufl. Bonn:Bundeszentrale für politische Bildung 2010 [Schriftenreihe Bd. 1106].
Jäger, Thomas/Beckmann, Rasmus (Hrsg.): Handbuch Kriegstheorien.Wiesbaden 2011.
Weiterführende Internetquellen:
http://www.berghof-conflictresearch.org / sowie http://www.berghof-handbook.net/
http://www.crinfo.org/ sowie http://www.beyondintractability.org/(University of Colorado)
26
http://www.hiik.de/de/konfliktbarometer/index.html seit 1992 jährlicherscheinendes Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts fürInternationale Konfliktforschung
Literaturverzeichnis
Aron, Raymond: Clausewitz. Den Krieg denken. Frankfurt/Main 1980.Azellini, Dario/Kanzleiter, Boris (Hrsg.): Das Unternehmen Krieg. Paramilitärs,Warlords und Privatarmeen als Akteure der Neuen Kriegsordnung. Berlin2003.Ayissi, Anatole: Der Aufstieg des Lumpenmilitariats. Militärmacht undpolitische Ohnmacht in Afrika, in: Le Monde Diplomatique, Januar 2003,S.18ff.Bakonyi, Jutta/Hensell, Stephan/Siegelberg, Jens (Hrsg.): Gewaltordnungen be-waffneter Gruppen. Ökonomie und Herrschaft nichtstaatlicher Akteure inden Kriegen der Gegenwart. Baden-Baden 2006.Ballentine, Karen/Sherman, Jake (Hrsg.): The Political Economy of ArmedConflict. Beyond Greed and Grievance. Boulder, CO 2003.Baylis, John/Smith, Steve/Owens, Patricia (Hrsg.): The Globalization of WorldPolitics. An introduction to international relations. 5. Aufl. Oxford2011.Berdal, Mats: The ‘New Wars’ Thesis revisited, in: Strachan/Scheipers 2013,S.109 – 133.Bevir, Mark: Governance. A Very Short Introduction. Oxford 2012.Beyrau, Dietrich/Hochgeschwender, Michael/Langewiesche, Dieter (Hrsg.): Formen desKrieges. Von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn 2007.Bonacker, Thorsten/Weller, Christoph (Hrsg.): Konflikte der Weltgesellschaft.Akteure – Strukturen – Dynamiken. Frankfurt/M. 2006.Botzem, Sebastian u.a. (Hrsg.): Governance als Prozess. Koordinationsformenim Wandel. Baden-Baden 2009.Butler, Christopher: Postmodernism. Avery Short Introduction. Oxford 2002.Chojnacki, Sven: Zum Formwandel bewaffneter Konflikte, in: Münkler,Herfried/Malowitz, Karsten (Hrsg.): Humanitäre Intervention. Ein Instrumentaußenpolitischer Konfliktbearbeitung. Wiesbaden 2008, S. 177 – 202.Clausewitz, Carl von: Hinterlassenes Werk vom Kriege. 18. Aufl., Hrsg.Hahlweg, Werner. Bonn 1973.Daase, Christopher: Kleine Kriege – Große Wirkung. Wie unkonventionelleKriegführung die internationale Politik verändert. Baden-Baden 1999.Daase, Christopher: Krieg und politische Gewalt: Konzeptionelle Innovationund theoretischer Fortschritt, in: Hellmann/Wolf/Zürn 2003, S.161-208.Dicken, Peter: Global Shift. Mapping the Changing Contours of the WorldEconomy. 6. Aufl., London 2011.
27
Ehrke, Michael: Zur politischen Ökonomie post-nationalstaatlicherKonflikte, in: Internationale Politik und Gesellschaft 3/2002, S. 135-163.Förster, Stig/Jansen, Christian/Kronenbitter, Günther (Hrsg.): Rückkehr derCondottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol undPrivatisierung. Von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn 2010.Frech, Siegfried/Trummer, Peter I. (Hrsg.): Neue Kriege. Akteure, Gewaltmärkte,Ökonomie. Schwalbach/Ts. 2005.Freedman, Lawrence: The Transformation of Strategic Affairs. [AdelphiPaper 379]. Abingdon/Oxon. 2006.Freedman, Lawrence: The Evolution of Nuclear Strategy. 3. Aufl.Basingstoke 2003.Gat, Azar: The Changibn Character of War, in: Strachan/Scheipers 2013, S. 27– 47.Geis, Anna (Hrsg.): Den Krieg überdenken. Kriegsbegriffe undKriegstheorien in der Kontroverse. Baden-Baden 2006.Goodwin-Gill, Guy S.: The Challenge oft the Child Soldier, in:Strachan/Scheipers 2013, S.410 – 428.Hansen, Wibke: Mehr Interaktion als geplant: Friedenseinsätze undOrganisierte Kriminalität in fragilen Staaten. Münster 2013.Herz, John H.: Staatenwelt und Weltpolitik. Aufsätze zur internationalenPolitik im Nuklearzeitalter. Hamburg 1974.Heuser, Beatrice: Clausewitz lesen ! Eine Einführung. München 2005.Heuser, Beatrice: Den Krieg denken. Die Entwicklung der Strategie seit derAntike. Paderborn 2010.Hoch, Martin: Krieg und Politik im 21.Jahrhundert, in: Aus Politik undZeitgeschichte. B 20 (2001), S. 17-25.Holsti, Kalevi J.: Peace and war: armed conflicts and international order1648 – 1989. Cambridge 1991.Jäger, Thomas (Hrsg.): Die Komplexität der Kriege. Wiesbaden 2010.Jean, Francois/Rufin, Jean-Christophe (Hrsg.): Ökonomie der Bürgerkriege.Hamburg 1999.Jordan, David, u.a. (Hrsg.): Understanding Modern Warfare. Cambridge 2008.Kaldor, Mary: New and Old Wars. Organized Violence in a Global Era.Cambridge 1997. Kaldor, Mary: Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter derGlobalisierung. Frankfurt/M. 2000.Kluss, Heinz: Krieg ist ein launisches Luder, in: Erwägen, Wissen, Ethik19(2008), H.1, S. 87 – 89.Kroener, Bernhard: Krieg, in: Jaeger, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit.Bd. 7, Darmstadt 2008, Sp. 138 – 162.Küng, Hans/Senghaas, Dieter (Hrsg.): Friedenspolitik. Ethische Grundlageninternationaler Beziehungen. München 2003.
28
Kurtenbach, Sabine/Lock, Peter (Hrsg.): Kriege als (Über-)Lebenswelten.Schattenglobalisierung, Kriegsökonomien und Inseln der Zivilität. Bonn2004.Mair, Stefan: The New World of Privatized Violence, in: InternationalePolitik und Gesellschaft 2/2003, S. 11-28.Marten, Kimberly: Warlords, in: Strachan/Scheipers 2013, S.302 – 314.Metz, Karl H.: Ursprünge der Zukunft. Die Geschichte der Technik in derwestlichen Zivilisation. Paderborn 2006.Meyers, Reinhard: Die Signatur der Neuzeit. Machiavelli, Hobbes und dielegitimatorische Begründung des modernen Staates als Ordnungsmacht, in:Konegen, Norbert (Hrsg.): Politikwissenschaft IV. Politische Philosophie undErkenntnistheorie. Münster 1992, S. 77 – 118.Meyers, Reinhard: Begriffe II. Der Wandel des Kriegsbildes, in: Rinke,Bernhard/Woyke, Wichard (Hrsg.): Frieden und Sicherheit im 21.Jahrhundert. Eine Einführung. Opladen 2004, S. 25-49.Meyers, Reinhard: From Westphalia to Westfailure ? Internationale Akteureund die Fallstricke Humanitärer Intervention, in: Gardemann, Joachim, u.a.(Hrsg.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität. Münster 2012,S.83 – 102.Michels, Carsten/Teutmeyer, Benjamin: Private Militärfirmen in derinternationalen Sicherheitspolitik: Ansätze einer Einordnung, in:Jäger 2010, S. 97 – 124.Mitscherlich, Alexander: Die Idee des Friedens und die menschlicheAggressivität. Frankfurt a.M. 1970.Münkler, Herfried: Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte imSpiegel ihrer theoretischen Reflexionen. Weilerswist 2002.Münkler, Herfried: Die neuen Kriege. Reinbek b. Hamburg 2003.Münkler, Herfried: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zurAsymmetrie. Weilerswist 2006.Münkler, Herfried: Neues vom Chamäleon Krieg, in: Aus Politik undZeitgeschichte 16 – 17 (2007), S. 3 – 9.Münkler, Herfried: Krieg, in: Erwägen, Wissen, Ethik 19 (2008), H. 1, S.27– 43.Münkler, Herfried: Replik. Wie lässt sich eine Theorie des Kriegesentwickeln und eine Geschichte des Krieges schreiben, in: ebd., S. 126– 142.Neyer, Jürgen: Postnationale politische Herrschaft. Vergesellschaftung undVerrechtlichung jenseits des Staates. Baden-Baden 2004.Orend, Brian: War, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (rev. 2005),abger. 22.09.2010, http://plato.stanford.edu/entries/war.Percy, Sarah: The Changing Character of Private Force, in:Strachan/Scheipers2013, S. 259 – 281.Reno, William: Warlord Politics and African States. Boulder, Colorado1999.
29
Rich, Paul B. (Hrsg.): Warlords in International Relations. Basingstoke1999.Rosenau, Pauline Marie: Post-Modernism and the Social Sciences. Insights,Inroads, and Intrusions. Princeton, N.J. 1992.Rudolf, Peter: Krieg, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schulze (Hrsg.): Lexikon derPolitikwissenschaft. Bd. I, 4.erw.Aufl. München 2010, S.526.Ruloff, Dieter/Schubiger, Livia: Kriegerische Konflikte. Eine Übersicht, in: AusPolitik und Zeitgeschichte 16 – 17 (2007), S. 10 – 17.Schneckener, Ulrich (Hrsg.): Fragile Staatlichkeit. „States at Risk“zwischen Stabilität und Scheitern. Baden-Baden 2006.Schulze, Hagen: Staat und Nation in der europäischen Geschichte. 2.Aufl.München 2004.Schuppert, Gunnar Folke (Hrsg.): Governance-Forschung. Vergewisserung überStand und Entwicklungslinien. Baden-Baden 2005.Schwerdtfeger, Johannes: Begriffsbildung und Theoriestatus in derFriedensforschung. Opladen 2001.Senghaas, Dieter: Abschreckung und Frieden. Studien zur Kritikorganisierter Friedlosigkeit. Frankfurt a.M. 1969.Shearer, David: Private Armies and Military Intervention. [Adelphi Paper316]. London 1998.Sheehan, Mike: The changing character of war, in: Baylis/Smith/Owen 2011, S.214 – 228.Strachan, Hew/Scheipers, Sibylle (Hrsg.): The Changing Character of War. Repr.Oxford 2013.Tanter, Raymond: Rogue Regimes. Terrorism and Proliferation. Basingstoke1999.Vasquez, John A.: The War Puzzle Revisited. Cambridge 2009.Voigt, Rüdiger (Hrsg.): Krieg – Instrument der Politik? BewaffneteKonflikte im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert. Baden-Baden 2002.Wolfrum, Edgar: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom WestfälischenFrieden bis zum Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003.Wulf, Herbert: Internationalisierung und Privatisierung von Krieg undFrieden. Baden-Baden 2005.Zürn, Michael: Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung undDenationalisierung als Chance. Frankfurt/Main 1998.
30
Top Related