Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus. Innovative Strategien und Produkte

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Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus Kagermeier / Raab (Hrsg.) Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaft e.V. 9 Innovative Strategien und Produkte erich schmidt verlag ES Schriften zu Tourismus und Freizeit Leseprobe, mehr zum Buch unter ESV.info/978 3 503 12443 5

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Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus

Kagermeier / Raab (Hrsg.)

Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaft e.V.

9

Innovative Strategien und Produkte

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ES

Schriften zu Tourismus und Freizeit

^ Viele Destinationen haben ihr kulturtouristisches Angebot aufgrund starker Nachfrage erweitert. Ein verschärfter Konkurrenzkampf um Kultur- und Städte- touristen ist die Folge.

Mit tragfähigen Angeboten und branchenübergreifenden Kooperationen können Sie im Wettbewerb bestehen. Andreas Kagermeier, Fanny Raab und weitere Autoren stellen Ihnen bewährte Marktstrategien und innovative Ansätze vor. Schwerpunkte sind:•  Erfolgsfaktoren für Kulturevents•  Kooperationen im Auslandsmarketing•  Industriekultur und Landschaftswandel

Mit vielen Beispielen – vom Kulturland Rheinland-Pfalz bis zum Heritage-Tourismus in Berlin. Know-how, mit dem Sie die Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Destination stärken!

Trend Kulturtourismus: mit kreativen Strategien zum Erfolg

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Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus

Innovative Strategien und Produkte

Herausgegeben von

Professor Dr. Andreas Kagermeier und Fanny Raab

Mit Beiträgen von

Dr. Dagmar Abfalter, Prof. Dr. Anja Brittner-Widmann, Prof. Dr. Philipp Boksberger, Dirk Brückner, Giulia Dal Bò,

Alice Grabmüller, Prof. Dr. Rainer Hartmann, Prof. Dr. Felix Herle, Verena Huhn, Dr. Angela Jain, Prof. Dr. Andreas Kagermeier, Dr. Kristiane Klemm,

Sandra Lange, Dr. Claudia Möller, Prof. Dr. Heinrich Pachner, Prof. Dr. Harald Pechlaner, Fanny Raab, Dr. Frieda Raich,

Björn Rudek, Prof. Dr. Andreas Sandermann, Dr. Markus Schuckert, Heidi Schumacher, Isabelle Thilo,

Dr. Anita Zehrer

ERICH SCHMIDT VERLAG

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ISBN-13: 978 3 503 12443 5ISBN-10: 3 503 12443 8

ISSN 1612–8672

Alle Rechte vorbehalten© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2010

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Dieses Papier erfüllt die Frankfurter Forderungender Deutschen Nationalbibliothek und der Gesellschaft für das Buch

bezüglich der Alterungsbeständigkeit und entsprichtsowohl den strengen Bestimmungen der US Norm Ansi/Niso

Z 39.48-1992 als auch der ISO-Norm 9706.

Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

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Vorwort der Herausgeber

Kulturell motivierter Tourismus erfreut sich in den letzten Jahren einer zunehmen-

den Nachfrage, insbesondere – aber nicht nur – im Kontext des Städtetourismus.

Dabei ist gleichzeitig eine deutlich Ausdifferenzierung und Ausweitung des Ange-

botes zu konstatieren. Das heißt Kulturangebote werden einerseits vielfältiger –

wobei auch eine deutliche Erweiterung und teilweise Neufassung des traditionellen

Kulturbegriffes stattfindet. Andererseits führt die Erweiterung des Angebotes auch

zu einer Verschärfung von Konkurrenzkonstellationen. Vor diesem Hintergrund

kommt der Evaluierung bestehender und der Entwicklung neuer marktfähiger An-

gebotskonzepte eine wachsende Bedeutung zu.

Dabei ist zu beobachten, dass die Inszenierungsansätze der 90er Jahre, die vor

allem auf ein „Vergnügungs“-Erlebnis abzielten, sich teilweise überlebt haben.

Neue Formen von kulturtouristischen Angeboten bedienen sich zwar nach wie vor

der Erlebnisrhetorik, zielen aber oftmals mit innovativen Ansätzen auf stärker die

Besucher einbeziehende Ansätze der „Bespielung“ von kulturhistorischem Erbe ab,

werden mit anderen touristischen Angebotssegmenten zu „hybriden“ Produkten

kombiniert oder nehmen Ansätze des Trends zur „Entschleunigung“ und der Suche

nach der „Destination Ich“ mit auf.

Gleichzeitig stellt die Inwertsetzung von Kultur als touristische Ressource auf-

grund des Wechselspiels zwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren

aus unterschiedlichen „Sphären“ ein extrem komplexes Leistungsbündel dar, des-

sen Konzeption und Vermarktung hohe Anforderungen an die Beteiligten im Des-

tinationsmanagement und –marketing stellt.

„Kultur als touristische Ressource“ als facettenreiches und vielfältiges Feld bil-

dete das Leitmotiv der im Dezember 2008 an der Universität Trier stattgefundenen

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT). Der

vorliegende Band versammelt auf dieser Tagung gehaltene Beiträge und spiegelt

einen großen Teil der aktuellen Diskussionslinien. Dabei reicht das inhaltliche

Spektrum der Beiträge von Ausführungen zu den kulturtouristischen Gegebenhei-

ten am Tagungsort Trier und der Region Rheinland-Pfalz über kulturtouristische

Marktstrategien bis hin zur Vorstellung innovativer Produktgestaltungs- und

Marktkommunikationsansätzen im Kulturtourismus. Sowohl mehr praxisorientierte

als auch stärker theoretisch-konzeptionell ausgerichtete Beiträge sind vertreten.

!

Trier, im November 2009

Fanny Raab Andreas Kagermeier

Aus: Kagermeier/Raab (Hrsg.), Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus. © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2010.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................ 5

Kapitel I: Kultur und deren Funktion als touristische Ressource in

Rheinland-Pfalz und der Region Trier Heidi Schumacher

Kulturland Rheinland-Pfalz ................................................................................ 11

Andreas Kagermeier

Erfolgsfaktoren für Events im kulturorientierten Städtetourismus – eine

Evaluierung der Kaiser Konstantin Ausstellung 2007 in Trier ........................... 17

Björn Rudek

Kooperationen im Auslandsmarketing kulturtouristischer Destinationen am

Beispiel der Stadt Trier ....................................................................................... 41

Kapitel II: Marktstrategien und Marketingansätze im Kulturtourismus Rainer Hartmann

Freizeitmärkte als kulturtouristische Ressource. Marktabgrenzung,

Segmentierung von Teilmärkten und Marktpotenziale ....................................... 65

Felix Herle

Entwicklung von Marketingstrategien für Stätten des kulturellen Erbes im

Spannungsfeld zwischen Konservierung und Markt .......................................... 83

Andreas Sandermann/Angela Jain

Kultur und Tourismus: Ein Verständigungsproblem. Viele Sprachen, kein

Konzept. Probleme des Kulturtourismus-Marketing am Beispiel der

Akteurskonstellation des deutsch-niederländischen Kulturraums Niederrhein .. 95

Aus: Kagermeier/Raab (Hrsg.), Wettbewerbsvorteil Kulturtourismus. © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2010.

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel III: Heritage-Tourismus – Die Vergangenheit als

kulturtouristische Ressource Dirk Brückner

Ganzheitlicher Erklärungsansatz im Heritage-Tourismus .................................. 109 Fanny Raab

The Significance of Socialist Heritage for Tourism in Berlin: Neglectable

Niche or Important Part of the Tourist Offer? .................................................... 125

Kapitel IV: Kulturtouristische Ressourcen zur Weiterentwicklung von

Destinationen Kristiane Klemm/Isabelle Thilo

Industriekultur und Landschaftswandel als kulturtouristische Ressourcen –

Destinationsentwicklung durch Landschaftswandel am Beispiel der Lausitz .... 143 Claudia Möller/Markus Schuckert/Philipp Boksberger/Alexander

Schuler/Manfred Böhme

Erfolgsfaktoren für das Management von kulturbasierten Attraktionen:

Herausforderungen und Probleme für Kulturtourismus im ländlichen Raum .... 161 Heinrich Pachner

Tourismus und Regionalkultur in dynamischer Wechselbeziehung.

Empirische Fallstudie in der Region Independencia/Bolivien ............................ 179

Kapitel V: Innovative Produktansätze im Tourismus Harald Pechlaner/Sandra Lange/Frieda Raich/Giulia Dal Bó

Minderheiten – eine touristische Ressource? Über eine mögliche neue

Angebotsform im Kulturtourismus ..................................................................... 203 Anita Zehrer/Dagmar Abfalter/Alice Grabmüller

Das Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdbild – Inszenierung am

Beispiel des Touriseums in Meran ...................................................................... 221 Anja Brittner-Widmann/Verena Huhn

Das Cittaslow-Konzept – Entschleunigung als Mittel zur Förderung des

Städte- und Kulturtourismus ............................................................................... 239 Autorenverzeichnis .............................................................................................. 255

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HEIDI SCHUMACHER

„Kulturland Rheinland-Pfalz“

1 Einführung

Spätestens seit der gleichnamigen Sendung in ZDF und 3sat vom März 2008 ist die Redensart „Die Welt ist eine Google“ in aller Munde. Sie weist uns darauf hin, dass unser kopernikanisches Weltbild sich zumindest in der Wahrnehmung stark verän-dert hat und sich scheinbar die ganze Welt auf unserem Computerbildschirm erle-ben lässt.

Auch wenn die „Google“-Suchmaschine kein zuverlässiger Indikator für „Be-stenlisten“ ist, zeigt uns doch das Geständnis eines prominenten jungen Autors, sein Arbeitstag am Schreibtisch beginne stets mit dem Blick auf die Anzahl der Nennungen seines Namens bei Google, dass diese Suchmaschine zumindest vielfäl-tig nutzbar ist und genutzt wird. Auch wenn manche meinen, sie habe nur die anti-ke Opferschau abgelöst, die den Willen der Götter und die Perspektiven der Zu-kunft aus der Schafsleber wahrsagen wollte, möchte ich mich zu Beginn meiner Vorstellung des „Kulturlandes Rheinland-Pfalz“ doch kurz darauf beziehen.

Nur vier Punkte, meine ich, lassen sich über die Suchmaschine gut verdeutli-chen: Gibt man die Begriffe „Gutenberg“ und „Mainz“ ein ‚erhält man über eine Million Nennungen. Gibt man nur „Gutenberg“ ein, sind es über 12 Millionen Nen-nungen – das rund 12-Fache also! Das gleiche gilt für „Marx + Trier“ bzw. nur „Marx“ – hier sind es auch rund eine Million gegenüber 32 Millionen Nennungen ohne den regionalen Bezug – das 32-Fache. Wählen wir „Konstantin“ mit oder oh-ne „Trier“ und selbstverständlich auch „Hildegard“ mit oder ohne „Bingen“, so kommen wir auf ähnliche Ergebnisse, wobei der Zusatz „von Bingen“ hier eher der Namensbestandteil ist und daher weniger aussagekräftig.

Ich will damit ausdrücken: Fast „die ganze Welt“ kennt Johannes Gutenberg, Karl Marx oder Hildegard von Bingen, aber erst der Kulturtourismus wird es mög-lich machen, mit diesen Pfunden auch regional, und das heißt: in ihrem Herkunfts-land Rheinland-Pfalz zu wuchern.

Die Konstantin-Ausstellung hat gezeigt, was möglich und was machbar ist. Das Internetportal „Wikipedia“ nennt unter dem Stichwort „Konstantinausstellung“, dass die Ausstellung mit 800.000 Besuchen „auch ein wirtschaftlicher Erfolg“ war und bezieht sich dabei auf eine Information des Europäischen Tourismusinstituts. Auf einmal hat sich im Bewusstsein der Besucher „Kaiser Konstantin“ mit „Trier“ verknüpft. Warum, so meine ich, sollte dies nicht auch mit Johannes Gutenberg, Hildegard von Bingen oder Karl Marx gelingen und mit vielen Anderen mehr?

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Heidi Schumacher

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2 Kulturelle Potentiale in Rheinland-Pfalz im Spiegel der Literatur

Wir haben in Rheinland-Pfalz viel zu bieten. Wir wissen es und wollen dieses Wis-sen mit immer mehr Menschen teilen. Schon vor einigen Jahren haben wir einen „Li-terarischen Reiseführer Rheinland-Pfalz“ herausgegeben, in dem wir Schriftstellerin-nen und Schriftsteller vorstellen, die in Rheinland-Pfalz geboren wurden oder hier lebten und über dieses Land geschrieben haben. Wir haben als erstes Bundesland daraus einen richtigen Reiseführer gestaltet, mit dem wir als Besucher dieses Landes, aufgeschlagen in der Hand oder im Auto auf dem Schoß, die Orte finden und besu-chen können, von denen in den vorgestellten literarischen Texten die Rede ist.

„Hoch oben in den Eifelbergen liegt ein See, dunkel, tief, kreisrund, unheimlich wie ein Kraterschlund. Einst tobten unterirdische Gewalten da unten, Feuer und Lavamassen wurden empor geschleudert. Jetzt füllt eine glatte Flut das Becken, wie Tränen eine Schale. Es geht hinunter in bodenlose Tiefe. Keine Bäume, keine Blumen. Nackte vulkanische Höhen, gleich riesigen Maulwurfshügeln, stehen im Kranz, zu nichts gut als zu armseliger Viehweide. Mageres Strandgras weht, blas-ses Heidekorn duckt sich unter Brombeergestrüpp.“ So beschreibt die sozialkriti-sche, noch heute gelesene Autorin Clara Viebig im Jahr 1897 die Maare, das „To-tenmaar“ ihrer Heimat.

Ganz anders besingt der Römer Ausonius, der als Prinzenerzieher und später als Konsul im 4. nachchristlichen Jahrhundert in Trier lebte, die Mosel. In seinem Versepos „Mosella“ aus dem Jahr 371 heißt es: „Gruß dir, mein Strom, den die Au-en rühmen, lobpreisen die Siedler, / dir, dem der Belger verdankt jene Mauern, der Kaiserstadt würdig, / Strom zwischen Reben an Hängen, wo duftende Weine ge-deihen, / Strom zwischen grasige Ufer gebettet, tiefgrünster der Ströme.“ Es ist der erste poetische Lobgesang auf die Mosel, bestehend aus 483 wohlgesetzten Versen über eine Moselfahrt. Es ist eine ländliche Vers-Idylle wie in zeitlosen Touristen-träumen: Bevölkert von phantastischen Faunen und Nymphen, von geschäftigen Winzern, weinseligen Wanderern und fröhlichen Schiffern. Ausonius stellte, so schreibt der Autor des „Literarischen Reiseführers Rheinland-Pfalz“, Josef Zierden, das Gegenteil der Wirklichkeit dar: Tatsächlich verfielen die Villen auf dem Land, die Parks verwilderten und die Felder lagen brach. Und die spätrömische Kaiserre-sidenz Trier, das „zweite Rom“, zitterte vor Barbarenüberfällen. Die Mosella war dagegen, so Zierden, „eine poetische Imagekampagne in unsicherer Zeit, zur Beru-higung der feinen Gesellschaft und zur Werbung neuer Investoren“.

Als Ausonius seinerzeit an den Hof nach Trier berufen wurde, landete er mit dem Schiff im alten Mainz und fuhr mit einem Wagen über den Hunsrück nach Trier. Dem Hunsrück konnte er dabei keine guten Seiten abgewinnen, ein Nebel-land erblickte er, durchdrungen von Wolfsgeheul und Einsamkeit. Doch hierher stammt eine der vielseitigsten und bedeutendsten deutschen Gelehrtenpersönlich-keiten des 15. Jahrhunderts, Johannes Trithemius. Auch der „Deutsche Michel“ wurde hier geboren und sogar der „Jäger aus Kurpfalz“, der im damals kurpfälzi-schen Soonwald „durch den grünen Wald“ reitet, „gleich wie es ihm gefallt“.

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Kulturland Rheinland-Pfalz

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Bevor auf der gedanklichen Reise der Hunsrück verlassen wird sei an dieser Stelle noch der „Schinderhannes“ genannt, der „Räuberhauptmann“, den nicht nur Carl Zuckmayers Theaterstück oder der hier auch teilweise gedrehte Film mit Curd Jür-gens unsterblich gemacht hat, ein Schutzgelderpresser, der die Kutschen der Rei-chen, wohlhabende Wanderer und Reisegruppen überfiel und dafür von den klei-nen Leuten geliebt wurde. Es war die Zeit, als das Linksrheinische zur Französi-schen Republik gehörte, als im heutigen Landtag von Mainz die erste freie deutsche Republik von Georg Forster, dem Weltreisenden, ausgerufen wurde und die Freiheitsbäume der Jakobiner Goethe zu seiner berühmten Zeichnung veran-lassten. Werfen wir beim gedanklichen Weitergehen noch einen letzten Blick zu-rück auf die Dörfer des Hunsrücks, von denen sicher eines bestens bekannt ist: „Schabbach“ nämlich, das Filmdorf aus der „Heimat“-Trilogie von Edgar Reitz.

Wir sind jetzt im Westerwald bei dem Bildhauer und Kunstpreisträger Erwin Wortelkamp, der aus einem Tal bei Hasselbach ein Gesamtkunstwerk geschaffen hat, eben das „TAL“, ein Stück Land im Westerwald zwischen Weide- und Acker-flächen, Feldwegen, Straßen und Häusern, das ein Terrain für zeitgenössische Kunst bildet, „einen unprätentiösen Landschaftsgarten, in dem eine ganz eigene Positionsbestimmung heutiger Kunst versucht wird“, wie es Wortelkamp selbst sagt mit den Arbeiten von rund drei Dutzend von ihm eingeladener Künstler-Kolleginnen und -Kollegen. Und mitten darin ein „Sander-Haus“ zu Ehren des gro-ßen Fotografen August Sander. Einer der bekanntesten zeitgenössischen deutschen Schriftsteller, Hanns-Josef Ortheil, veranstaltet hier, wo das Haus seiner Eltern steht, aus Liebe zu seiner Heimat die jährlichen „Westerwälder Literaturtage“, vom „Kultursommer Rheinland-Pfalz“ gesponsert.

Dass wir auf unserer gedanklichen Reise durch das Kulturland Rheinland-Pfalz jetzt den Rhein hinab fahren, dürfte nicht überraschen. Es ist unser touristisches Kulturgebiet par excellence. Im 17. Jahrhundert waren es die niederländischen Ma-ler, und schon im 18. Jahrhundert gab es keinen englischen Adeligen und vermö-genden Bürger, der nicht die reizvollen Seiten des Rheintals in sentimentalen Tex-ten und romantischen Landschaftsbildern festhalten wollte.

Und natürlich sind da auch die Dichter, von denen nur Heinrich Heine als Ver-fasser des „Loreley“-Liedes genannt sei, aber auch Victor Hugo, Lord Byron oder Dostojewski. Und viele Andere. Und so scheint es selbstverständlich, dass das erste Reisehandbuch hier gedruckt wurde, in Koblenz, wo folgerichtig als Band 1 im Verlag Karl Baedeker die „Rheinreise von Mainz bis Köln“ im Jahre 1827 er-schien. Und ebenso folgerichtig ist es, dass diese schöne Landschaft von Bingen bis Koblenz im Jahre 2002 zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal erklärt wurde. „Folgerichtig“ ja, auch wenn es dazu einer wirklich großartigen Zusam-menarbeit zwischen Kulturpolitikern und Touristikern bedurfte.

Wir durchqueren Rheinhessen mit der schon erwähnten Hildegard von Bingen aus Bermersheim bei Alzey, mit Stefan George aus Bingen und Johannes Guten-

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berg in Mainz, wo auch viele Romane der Mainzerin Anna Seghers spielen, mit Carl Zuckmayer aus Nackenheim und dem Nibelungenlied in Worms.

Je bekannter ein Landesteil ist, desto rascher durchqueren wir ihn, da die Topoi als bekannt vorausgesetzt werden können. Jeder Name setzt Bilder, gelesene Bü-cher, gesehene Theaterstücke und positive Erinnerungen frei, wobei ich davon aus-gehe, dass dies stets auch mit dem Topos „Rheinland-Pfalz“ verbunden wird.

3 Welterbestätten als kulturelle Highlights

Über das ganze Land verteilt sind schließlich unsere von der UNESCO anerkann-ten Welterbestätten. Der Dom zu Speyer war 1981 die erste Auszeichnung, dann folgten 1986 Trier mit seinen römischen Monumenten, dem Dom und der Lieb-frauenkirche und nach dem Oberen Mittelrheintal schließlich 2005 noch der Ober-germanisch-raetische Limes mit seinen 75 rheinland-pfälzischen Kilometern.

Gehörten das „goldene Mainz“ des Mittelalters und die freie Reichsstadt Spey-er zu den bedeutendsten Städten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nati-on, so steht die Pfalz doch auch für die Entwicklung der Demokratie in Deutsch-land einmalig da. Trat in Mainz nach der kurzlebigen „Mainzer Republik“ am 17. März 1793 das erste auf demokratischem Wege zustande gekommene Parlament der deutschen Geschichte zusammen, das einen auf Freiheit und Gleichheit beru-henden Staat von Bingen bis Landau in der Pfalz dekretierte, so ist das Hambacher Schloss der zweite Fixpunkt in der Geschichte der Demokratie. 1832 wurde die Schlossruine zum Schauplatz der frühen Demokratiebestrebungen auf deutschem Boden. Auslöser des „Hambacher Festes“ am 27. Mai 1832 war die Unzufrieden-heit der pfälzischen Bevölkerung über Repressionsmaßnahmen der bayerischen Verwaltung, die wichtige Errungenschaften zurückgenommen hatte, die dem Volk in der Zeit der Besatzung durch Frankreich gewährt worden waren. Seither gilt das Hambacher Schloss als Sinnbild der Demokratie – das wir jetzt zu einem kulturtou-ristischen „Leuchtturm“ der Demokratie restauriert und neu eröffnet haben.

Wehten damals schon die ersten schwarz-rot-goldenen Fahnen, so sprang 1848 der Freiheitsfunke von Paris auch auf Rheinhessen und die Pfalz über. Der Auf-stand wurde blutig niedergeschlagen, viele gingen ins Exil nach Amerika.

Wenig übrig geblieben ist von den kulturellen jüdischen Zeugnissen der einst hochberühmten SCHUM-Städte des Mittelalters, zu denen Speyer, Worms und Mainz gehörten. Im 11. Jahrhundert waren sie die Wiege der in aller Welt ge-schätzten jüdischen Gelehrsamkeit, wovon heute noch die jüdischen Friedhöfe von Mainz und Worms sowie die Synagogen und Mikwen von Worms und Speyer in eindrucksvoller Weise zeugen. Und die Grundsteinlegungen in Speyer und Mainz in diesen Tagen für Synagogen-Neubauten sprechen von den vor allem durch Zu-wanderer aus Russland wieder gewachsenen jüdischen Gemeinden. Das Kulturland Rheinland-Pfalz ist auch ein Land der bedeutenden Orgeln. Das kulturtouristische Stichwort „Stumm-Orgeln“ weist auf eine Dynastie von sieben Generationen der aus dem Hunsrück stammenden Familie Stumm hin, die als die

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Kulturland Rheinland-Pfalz

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bedeutendste Orgelbauer-Dynastie Deutschlands gilt. Es ist ein Land der Maler wie Anselm Feuerbach, Hans Purrmann oder Max Slevogt, der in der Südpfalz das für seine impressionistischen Bilder notwendige toskanische Licht gefunden hatte. Es ist, um ein gängiges kulturtouristisches Schlagwort dieses Landes schon vorweg-zunehmen, das Land der „Römer, Ritter und Romantiker“.

4 Zum Verhältnis von Kultur und Tourismus

Aus der Sicht der Kultur kann festgehalten werden: – Tourismus und Kultur gehören zusammen. Jeder Bereich hat zwar seine eigen-

ständigen Charakteristika, aber es besteht ein breiter Raum für Synergien: – Kultur steht für die historischen und künstlerischen Besonderheiten, den Reich-

tum und die Vielfalt jeder Region. – Der Tourismus soll in- und ausländischen Gästen den Zugang dazu ermögli-

chen. Damit stellt der Kulturtourismus einen wichtigen Wirtschaftsfaktor mit bedeutenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dar.

– Der Kulturtourismus benutzt Bauten, Relikte und Bräuche in der Landschaft, in Orten und Gebäuden, um den Besuchern die Kultur-, Sozial- und Wirtschafts-entwicklung des jeweiligen Gebietes durch Pauschalangebote, Führungen, Be-sichtigungsmöglichkeiten und spezifisches Informationsmaterial nahe zu brin-gen. Kulturelle Veranstaltungen, die vom Ministerium für Kultur und dem Kul-tursommer e.V. jährlich mit großen Summen finanziell gefördert werden, dienen dem Kulturtourismus.

– Die wichtigsten kulturtouristischen Schätze des Landes sind die „Welterberegi-onen“, die Burgen, Schlösser und Altertümer, die Dome, die historischen Stadt-kerne und die Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz.

– Das Segment „Kulturtourismus“ stellt für den Tourismus in Rheinland-Pfalz eine besondere Bedeutung dar. Bei diesem Segment handelt es sich nach all-gemeiner touristischer Einschätzung um einen stabilen Markt mit guten Wachs-tumsperspektiven.

Die beiden Ministerien für Kultur und für Tourismus haben bereits vor Jahren die Initiative ergriffen, um die strategischen Potentiale einer stärkeren Vernetzung von Kultur und Tourismus besser zu nutzen.

Voraussetzung dafür ist die kontinuierliche Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen Kulturangebotes, die durch das Ministerium für Bildung, Wissen-schaft, Jugend und Kultur unterstützt wird. Nicht allein (manchmal sogar gar nicht!) Veranstaltungs-Leuchttürme sind wichtig, sondern die Betrachtung einer gesamten Region. Denn nicht ein attraktives Ziel bzw. Event allein, sondern zu-meist erst die Summe mehrerer interessanter Ziele (dazu gehören auch nichtkultu-relle, wie Hotels, Spitzengastronomien, Bäder, Zoos etc.) und Ereignisse macht eine Stadt bzw. Region für Kulturtouristen attraktiv.

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Kulturtouristische Events sind häufig unterfinanziert und nicht so professionell geplant, dass sie eine überregionale Sogwirkung entfalten können. Es ist dringend erforderlich, bestehende Events (Festspiele, Festivals) zu stabilisieren und weiter zu profilieren. Dies betrifft auch den Kultursommer mit z.B. Festivals wie Brot & Spiele, Barockfest Engers, Tatort Eifel, Palatia Jazz oder Vokalmusik entlang der romanischen Strasse. Daran arbeiten wir nach wie vor. Insgesamt sind wohl mehr runde Tische und Einzelabstimmungsgespräche mit den Betroffenen erforderlich.

5 Fazit

Die vier touristischen Ziele der Tourismusstrategie 2015 können mit den drei Schwerpunktthemen des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kul-tur gut „gekreuzt“ werden.

Der Wellness-Gesundheits-Bereich hat viel mit dem Bereich der inneren Sammlung und der Entschleunigung zu tun, wie er sich – insbesondere in den spiri-tuell bzw. von Muße geprägten Kultur-Projekten im Bereich der Literatur, der geistlichen Musik, bestimmter Formen von Ausstellungen und Kreativangeboten im Bereich der bildenden Kunst – findet.

Zur Flankierung des touristischen Schwerpunktthemas „Wandern“ bzw. Rad-wandern spielen wettersichere Angebote und Anlaufpunkte, d.h. mit anderen Wor-ten: das kulturelle Erbe des Landes eine besonders wichtige Rolle. Hier sollte ge-prüft werden, welche regelmäßigen bzw. dauerhaften Kunst- bzw. Kulturangebote an den meistgenutzten Wanderstrecken zu finden sind, und was man dort ggf. ver-ändern bzw. zusätzlich anbieten sollte.

Das Thema Wein lässt sich mit sehr vielen Dingen sinnvoll und erfolgreich ver-binden, besonders gut mit dem römischen Erbe (von Trier & Mainz) und auch mit dem der Romantiker (Mosel/Mittelrhein).

„Natürliche“ räumliche Schwerpunkte sind: – die Welterberegionen, – Speyer mit Dom und jüdischem Erbe, dazu die anderen SCHUM-Städte Worms

und Mainz, – Trierer Römerbauten mit Moselregion und Straße der Römer, – Bürgen und Schlösser. Inhaltliche Anforderungen sind: – Das historische Erbe lebendig und erlebbar machen. – Die Qualität des Angebots steigern und sichern. – Die (überregionale) Vermarktung optimieren.

Für die Landesregierung stellt der „Kulturtourismus“ deshalb auch in den kom-menden Jahren ein Schwerpunktthema bei der touristischen Weiterentwicklung sowohl hinsichtlich der Angebotsseite als auch hinsichtlich der Vermarktungsseite dar.

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