"Weil nun die Seefahrt die Seele der Commercien ist ...". Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie...

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Jürgen G. Nagel „Weil nun die Seefahrt die Seele der Commercien ist ...“ Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie als Handelsunternehmen 1682 - 1717 Magisterarbeit im Fach Geschichte am Fachbereich III der Universtität Trier 1. Gutachter: Professor Dr. Klaus Gerteis 2. Gutachter: Professor Dr. Kurt Düwell Tag der letzten mündlichen Prüfung: 15. April 1994 Für die online-Publikation geringfügig revidierte und aktualisierte Fassung, Trier 2004

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Jürgen G. Nagel

„Weil nun die Seefahrt die Seele der Commercien ist ...“

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie als Handelsunternehmen

1682 - 1717 Magisterarbeit im Fach Geschichte am Fachbereich III der Universtität Trier 1. Gutachter: Professor Dr. Klaus Gerteis 2. Gutachter: Professor Dr. Kurt Düwell Tag der letzten mündlichen Prüfung: 15. April 1994 Für die online-Publikation geringfügig revidierte und aktualisierte Fassung, Trier 2004

Inhalt I. Brandenburg und Afrika - Eine Einleitung 4

1. Das Thema 4 2. Vorbild und Nebensächlichkeit - Die Rezeptionsgeschichte 6 3. Afrika und Europa 11

II. Von Admiral van Lier bis zu John Konny - Die Ereignisgeschichte 16

1. Die unverwirklichten Pläne 16 2. Der verwirklichte Plan und seine Geschichte 19

III. Die Situation in Brandenburg-Preussen 30

1. Der Kameralismus 30 2. Die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburg-Preußens 32

a) Der Große Kurfürst 32 b) Friedrich III./I. 35 c)Friedrich Wilhelm I. 35

3. Die brandenburgischen Staatsfinanzen 37 4. Fazit 41

IV. Die Situation an der Goldküste 42

1. Die geographischen und ethnographischen Grundlagen 43 2. Die Gesellschaften an der Goldküste in der frühen Neuzeit 45 3. Die Geschichte der Goldküste in der frühen Neuzeit 47 4. Der Handel an der Goldküste in der frühen Neuzeit 51

a) Der innerafrikanische Handel 51 b) Die Beziehungen zu den Europäern 53

5. Fazit 55

V. Die Situation der Konkurrenz 57

1. Die Europäer in Westafrika 57 a) Die Niederländer 57 b) Die Engländer 60 c) Die übrigen europäischen Mächte 62 d) Die Interlooper 63

Inhalt 3

2. Der atlantische Dreieckshandel 64 a) Die Bedeutung des europäischen Westafrikahandels 64 b) Der europäische Sklavenhandel 67

3. Fazit 71

VI. Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie - Ein Handelsunternehmen 73

1. Die Struktur einer Handelsgesellschaft 73 a) Der Aufbau des Unternehmens 73 b) Privilegien und Verträge 76

2. Die Finanzen 87 a) Das Kapital 88 b) Das Vermögen 89 c) Staatliche Zuschüsse 91 d) Renten und Kredite 92 e) Debit und Credit 93

3. Der heimatliche Besitz 98 a) Die Niederlassung in Emden 98 b) Die Schiffe 99 c) Die Werft in Havelberg 103

4. Der Besitz in Übersee 105 a) Die Festung Groß-Friedrichsburg 105 b) Die kleineren Schanzen an der Goldküste 109 c) Die Festung Arguin 111 d) Die Niederlassung auf St. Thomas 116

5. Die Personen 119 a) Teilhaber und Geldgeber 119 b) Direktoren und Kaufleute 124 c) Soldaten, Seeleute, Handwerker 127

6. Die Exporte Brandenburgs 132 7. Die Importe Brandenburgs 138 8. Der brandenburgische Sklavenhandel 145 9. Bergbauversuche an der Goldküste 154 10. Zusammenfassung 156

VII. Brandenburg, Afrika und Europa - Versuch einer Einordnung 159

VIII. Literatur 164

I Brandenburg und Afrika

Eine Einleitung 1. Das Thema Für die einen war sie eine Kuriosität der Weltgeschichte. Ein Abenteuer, das keinen zählbaren Nutzen haben konnte. Das Steckenpferd eines visionären Herrschers, das sein Sohn aus Loya-lität mehr schlecht als recht weiterführte und sein Enkel dank besserer Einsicht schließlich beendete. Für die anderen war war sie die große Leistung eines bedeutenden Herrschers. Zug-rundegegangen an einer feindlich gesonnenen Umwelt und zwei ignoranten Nachfolgern. Ein Vorbild und eine Grundlage für ähnliche, spätere Unternehmungen deutschen Ursprungs. Die Rede ist von der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie,1 einem Unternehmen des atlanti-schen Überseehandels, das der Große Kurfürst 1682 gründete und dessen Enkel, der „Solda-tenkönig“ Friedrich Wilhelm I., 35 Jahre später auflöste und verkaufte.

Als sich das kleine Kurfürstentum Brandenburg gegen Ende des 17. Jahrhunderts anschick-te, an der Westküste Afrikas aktiv zu werden, lag diese Weltregion schon seit zwei Jahrhun-derten im Blickpunkt der seefahrenden Mächte Europas. Dabei waren die Küsten des „schwar-zen Kontinentes“ gar nicht das zentrale Interesse dieser Nationen gewesen, sondern lagen nur „auf dem Weg“. Vielmehr stand die Suche nach dem Seeweg nach Indien im Mittelpunkt der Bemühungen. Auf dieser Suche befanden sich die portugiesischen Marinheros, als sie im Ver-laufe des 15. Jahrhunderts die afrikanische Westküste Schritt für Schritt erkundeten und die ersten Stützpunkte auf ihr hinterließen. Der mißglückte, aber letztendlich doch gewinnbringen-de Versuch der spanischen Rivalen, Asien unter Mißachtung des afrikanischen Kontinents via Weltumseglung zu erreichen, führte wider alle Planung schließlich dazu, das westliche Afrika in die Rolle einer Drehscheibe zu heben. Daß Kolumbus statt in Ostasien versehentlich in der Karibik landete, schuf die Grundlage für die Entwicklung eines Dreieckshandels zwischen Europa, Afrika und Amerika, der nach Spanien auch seefahrende Nationen wie die Niederlan-de, England, Frankreich oder Dänemark, aber auch den maritimen Außenseiter Brandenburg auf den Plan lockte. Zusätzlich wurde Westafrika auch ein Absatzgebiet asiatischer Waren, vor allem Textilien, welche den inzwischen vollendeten Handelsweg portugiesischer Prägung nahmen.

Zu dieser Zeit war Afrika noch weit davon entfernt, in Kolonien der europäischen Expansi-onsmächte aufgeteilt zu werden. Das in der Geschichtsschreibung viel zu gern benutzte Pau-schaletikett „Kolonialismus“ muß, gerade auch in Bezug auf das hier behandelte Thema, we-sentlich vorsichtiger und differenzierter benutzt werden. Was in der frühen Neuzeit für Ameri- 1 1692 wurde die Gesellschaft im Zuge einer weitreichenden Reform in Brandenburgisch-Africanisch-

Amerikanische Compagnie umbenannt; im Folgenden wird die Gesellschaft jedoch der Einfachheit halber durchgehend Brandenburgisch-Africanische Compagnie oder BAC genannt.

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ka galt, wo in der Tat Kolonien entstanden, die den Namen verdienten, hatte für Afrika und Asien noch lange keine Berechtigung. Die europäischen Handelskompanien fuhren nach Afri-ka, um zuallererst Handel zu treiben. Die Afrikaner waren für sie zunächst einmal Handels- und Vertragspartner;2 die europäischen Festungen waren keine Kolonien, sondern Handelsnie-derlassungen, zumal sie das Hinterland ihrer Besitzungen nie ernsthaft kontrollieren konnten. Der Begriff des Kolonialismus führt häufig zu falschen Assoziationen und somit zu einer fal-schen Vorstellung von der jeweiligen Situation. In Bezug auf Afrika muß für die hier behan-delte Epoche von der vorkolonialen Phase der europäischen Expansion gesprochen werden.

Die Studie, der diese einleitenden Worte gelten, kann keine abschließende Antwort auf die Frage finden, ob es sich bei der BAC um eine Kuriosum der Geschichte gehandelt hat oder um einen wesentlichen deutschen Beitrag zur Europäisierung der Welt. Auch kann sie nicht die inzwischen überfällige detaillierte Gesamtdarstellung bieten. Eine solche setzt ein wesentlich aufwendigeres Studium des umfangreichen, aber unsystematischen Quellenmaterials voraus, als es im Rahmen dieser Untersuchung möglich war.3 Was die Studie jedoch leisten kann ist der Versuch, eine Einordnung der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie anzubieten. Sie kann den Platz suchen, den die Gesellschaft jenseits von Glorifizierung und Verachtung in der Realität ihrer Zeit innehatte. Und damit kann sie vielleicht eine Richtung aufzeigen, in die bei der zukünftigen Erforschung der BAC gedacht werden kann – oder gedacht werden sollte.

Zwei Leitgedanken werden den folgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zum einen wird die BAC als das gesehen werden, was sie nach den Vorstellungen ihrer Gründer sein sollte: eine Handelsgesellschaft und somit ein wirtschaftliches Unternehmen. Die Beteiligten wollten mit der Compagnie Geld verdienen, einen Anteil an den Gewinnen der europäischen Expansi-on erkämpfen, und nicht den Afrikanern die europäische Zivilisation bringen oder ein bran-denburgisches Weltreich gründen. Zum anderen soll die BAC nicht in einem luftleeren Raum, gewissermaßen unter Laborbedingungen, betrachtet werden, sondern eingebettet in die Situati-on ihrer Zeit, in den Rahmen, den die Verhältnisse des Ausgangslandes Brandenburg, die Tä-tigkeit der konkurrierenden Unternehmen und die Situation des Operationsgebietes Westafrika absteckten. Nur in einem solchen Zusammenhang können Antworten auf die Frage, warum die BAC letztlich nicht bestehen konnte, gesucht werden. 2 Auch wenn es makaber klingt: Sklaven müssen in diesem Zusammenhang als einheimische Handelsware

angesehen werden, welche die Europäer bei ihren einheimischen Handelspartnern einkauften. 3 Bei dem hier vorliegenden Text handelt es sich um die leicht überarbeitete Version meiner Magisterarbeit, die

im Dezember 1993 am Fachbereich III der Universität Trier vorgelegt wurde. An dieser Stelle bin ich vor al-lem meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Professor Dr. Klaus Gerteis, für seine Betreuung, Bera-tung und seine wissenschaftliche Offenheit zu Dank verpflichtet. Mittlerweile liegt auch eine komprimierte Fassung der Ergebnisse dieser Studie gedruckt vor: Jügen G. Nagel, Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie - ein Handelsunternehmen, in: Scripta Mercaturae 30 (1996) 1, S. 44-94. Das Quellenmaterial, soweit es nicht veröffentlicht ist , befindet sich hauptsächlich im Geheimen Preußischen Staatsarchiv, heute Berlin-Dahlem, zum Zeitpunkt der Bearbeitung durch den Autor noch in Merseburg. Nur wenige Akten sind im Stadtarchiv Emden erhalten. Leider sind die Berliner/Merseburger Bestände zu Com-pagnie und Marine rein chronologisch geordnet, was für eine Gesamtdarstellung die Durchsicht des Gesamt-bestandes erfordern würde und dies mit ungewissem Erfolg. Weitere Informationen zu Quellen bezüglich der BAC befinden sich bei Adam JONES, Archival Material on the Brandenburg African Company, in: History in Africa 11 (1984), S. 379-389.

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2. Vorbild und Nebensächlichkeit - Die Rezeptionsgeschichte Als Objekt der Historiographie erlebte die Brandenburgisch-Africanische Compagnie eine wechselvolle Geschichte. Zeiten der Mißachtung und Geringschätzung wechselten sich mit solchen besonderer Beachtung ab. Dabei spielte die aktuelle politische Situation zumeist eine entscheidende Rolle.

In der Zeit zwischen dem Verkauf der Compagnie im Jahr 1717 und dem Entstehen dieser Zeilen gab es drei Phasen, in denen sich Forscher und Autoren mit der BAC beschäftigten – in welcher Qualität, sei für einen Augenblick noch dahingestellt. Die erste Phase datiert in die Zeit des Kolonialismus des Deutschen Reiches. Die zweite Phase ist zur Zeit der nationalsozia-listischen Diktatur zu verzeichnen. Schließlich gibt es eine dritte Phase, die eigentlich noch andauert und weniger mit politischen Ereignissen zu tun hat als mit der Tatsache, daß seit eini-ger Zeit die historische Forschung mehr und mehr die Geschichte der europäischen Expansion und die der nicht-europäischen Kulturen entdeckt.

Die erste Phase war, rein quantitativ betrachtet, die produktivste. Jedoch ließ nur allzuoft die Qualität des Produzierten zu wünschen übrig, auch nach den wissenschaftlichen Maßstä-ben des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Es waren zu häufig propagandistische Interessen be-geisterter Kolonialanhänger, welche die Feder führten und der Wissenschaft recht kleine Spiel-räume gewährten. Die zweite Phase war sicherlich inhaltlich die krudeste, da die NS-Ideologie an die Stelle der Kolonialpropaganda getreten war. Zudem war diese Phase von allen am we-nigsten ergiebig. Die dritte Phase zeichnet sich dadurch aus, daß in ihr wissenschaftlich seriöse Arbeit geleistet wird. Ihr Ausstoß ist noch nicht so groß wie derjenige der ersten Phase, doch bleibt zunächst abzuwarten, was sie noch zu bieten hat.

Zwischen den drei Phasen des Interesses lagen Phasen des genauen Gegenteils. In der preu-ßischen Geschichtsschreibung vor Bismarck fand die BAC entweder gar keine Erwähnung oder spielte nur die Rolle einer Anekdote. In der Weimarer Republik war, nach dem Untergang des kurzlebigen deutschen Kolonialreiches, das Interesse an früheren Expansionsbestrebungen deutlich schwächer geworden. Und nach der Katastrophe des Nationalsozialismus war die deutsche Geschichtswissenschaft zunächst anderwärtig beschäftigt, so daß die europäische Expansion und Überseegeschichte erst sehr spät entdeckt wurde, und dies bis jetzt auch nur von einigen „Exoten“ der Zunft.

Die erste umfassende Darstellung der BAC erschien 1839, als eine Art Vorläufer der kolo-nialpropagandistisch geprägten Phase. Der Autor war Peter R. Stuhr, ein außerordentlicher Professor der Berliner Universität, der ein von etlichen Fehlern durchzogenes Werk vorlegte,4 das keinerlei Beachtung fand. Die Zeit kolonialer Begeisterung war noch nicht gekommen, das Werk Stuhrs galt lediglich als Kuriosum.

4 Peter R. STUHR, Die Geschichte der Seeund Kolonialmacht des Großen Kurfürsten von Brandenburg, Berlin

1839.

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Der Anstoß dazu, eine neue Sichtweise auf die brandenburgische Kompanie zu finden, kam bezeichnenderweise nicht aus den Kreisen der professionellen Historiker, sondern aus dem kaiserlichen Militär. In einer Rede vor dem Offizierskorps der Kölner Garnison rief im Jahr 1885 ein Bataillonskommandeur die Tätigkeit der Brandenburger zweihundert Jahre zuvor in das Gedächtnis zurück und verstieg sich zu der erstaunlichen Behauptung, daß sich die Stäm-me in Afrika die brandenburgische Gesellschaftsordnung zum Vorbild nahmen und sich die-sem folgend selbst organisierten.5 Noch im selben Jahr folgte aus der Feder der Militärs in Ber-lin eine Gesamtdarstellung der BAC.6 Der verantwortlich zeichnende Generalstab zog in dieser Veröffentlichung konsequent eine Verbindung zwischen dem gescheiterten Projekt des Kur-fürsten und den aktuellen Kolonialprogrammen, die als eine Wiederaufnahme der kurfürstli-chen Pläne gesehen wurden. Veröffentlicht wurde diese Schrift vorrangig zu dem Zweck, daß die mit Afrika befaßten Menschen im Kaiserreich ihre Lehren aus der Geschichte ziehen konn-ten. Zudem eignete sich die Geschichte der BAC trefflich, um den neuen Kolonialismus zu legitimieren und auf Grund 200jähriger Wurzeln Ansprüche auf afrikanisches Land zu formu-lieren.7 In ähnlichem Geiste folgten drei Abhandlungen von M. Beheim-Schwarzbach, H. Hofmeister und Eduard Heyck, von denen letzterer die Pläne wiederentdeckte, die der Große Kurfürst lange vor der Gründung der BAC gehegt hatte.8 Für die Autoren war klar: es gab eine eindeutige Kontinuität zwischen dem Wirken der BAC und dem deutschen Kolonialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dabei wurde wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß es sich bei den Niederlassungen der BAC genauso um Kolonien handelte wie bei den neu erwor-benen Gebieten in Kamerun oder Togo. Leider hält sich diese Gleichsetzung – zumindest ver-bal – mancherorts bis zum heutigen Tag.9

Sowohl für die erste Phase der Beschäftigung mit der BAC als auch für die Erforschung der Gesellschaft insgesamt nimmt das 1889 erschienene zweibändige Werk von Richard Schück eine herausragende Stellung ein;10 und dies aus zwei Gründen. Zum einen weht erstaunlicher-weise ausgerechnet in dieser umfangreichsten Arbeit der Zeit nicht der Wind der kolonialen und vaterländischen Begeisterung. Einen solchen Ton schlägt nur das Vorwort an, das von dem hochrangigen Diplomaten Paul Keyser stammt, der wahrscheinlich die Arbeit Schücks

5 Wilfried WESTPHAL, Geschichte der deutschen Kolonien, München 1984, S. 13. 6 Auf der Westküste von Afrika; verf. vom Großen Generalstab, Abteilung für Kriegsgeschichte, Berlin 1885. 7 Klaus-Jürgen MATZ, Das Kolonialexperiment des Großen Kurfürsten in der Geschichtsschreibung des 19.

und 20. Jahrhunderts, in: Gerd Heinrich (Hg.): Ein sonderbares Licht in Deutschland, Berlin 1990, S. 195. 8 M. BEHEIM-SCHWARZBACH, Die maritime und koloniale Tätigkeit Friedrich Wilhelms, der Große Kurfürst,

in: Zeitschrift für allgemeine Geschichte 2 (1885); H. HOFMEISTER, Die maritimen und colonialen Bestrebun-gen des Großen Kurfürsten, Emden 1886, Eduard HEYCK: Brandenburgisch-deutsche Kolonialpläne, Aus den Papieren des Markgrafen Hermann von Baden-Baden, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 2 (1887) 2, S. 129-200.

9 So spricht Klaus-Jürgen Matz in der Überschrift seines Aufsatzes von 1990 über die Rezeptionsgeschichte der BAC von dem „Kolonialexperiment des Großen Kurfürsten“ und Ulrich van der Heyden in seiner Überblicks-darstelung (2. Aufl. 2001) im Untertitel von der „brandenburgisch-preußischen Kolonie Großfriedrichsburg“, obwohl längst klar sein müßte, daß es sich um kein Kolonialexperiment, sondern um ein Experiment des Überseehandels gehandelt hatte.

10 Richard SCHÜCK, Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen Nachfol-gern, Leipzig 1889.

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angeregt hatte. Jener blieb den Argumenten der vaterländisch begeisterten Autoren treu und zeigte damit den Platz an, den er sich für das Werk Schücks vorgestellt hatte. Der Verfasser selbst, der Rechtsassessor am Königlichen Amtsgericht in Berlin war, blieb davon weitgehend unbeeindruckt und wurde so zu der großen Ausnahme seiner Zeit. Die Qualität der Darstellung blieb von derjenigen ihres Vorwortes unberührt.

Zum anderen lieferte Schück eine sehr fundierte, auf reichhaltigem Quellenmaterial basie-rende und bis in kleinste Details hinein beschreibende Arbeit. Sie umfaßt sowohl die unver-wirklichten Projekte des Großen Kurfürsten als auch die Geschichte der brandenburgisch-preußischen Kriegsmarine und die vollständige Geschichte der BAC. Gerade seine Detailbe-sessenheit im Umgang mit den Quellen macht das Werk bis in die Gegenwart unentbehrlich. Auch neueste Abhandlungen stützen sich weitgehend auf die von Schück ausgebreiteten Fak-ten. Hinzu kommt, daß der zweite Band des Werkes eine reine Quellenpublikation ist, die 194 Aktenstücke aus den Beständen des Geheimen Staatsarchives enthält. Dem Interesse des Au-tors und der Überlieferungslage entsprechend handelt es sich dabei im wesentlichen um Rechtsquellen. Unterlagen, die ungefiltert wirtschaftshistorische Daten liefern könnten, sind nicht nur bei Schück dünn gesäht. Verkaufsabrechnungen und ähnliches Material sind in der gesamten Hinterlassenschaft der BAC nur sporadisch und verstreut aufzufinden. Am ehesten sind noch Informationen zu den Verkäufen brandenburgischer Waren in Afrika überliefert. Für die umgekehrte Richtung, den Verkauf afrikanischer und karibischer Waren, sind so gut wie keine Belege erhalten. Offensichtlich wurden von ihnen in Berlin keine Kopien angefertigt, während die Originale im Hauptquartier mit dem Großteil der übrigen Emdener Unterlagen verlorengegangen sein müssen – wahrscheinlich schon im Zusammenhang der Versteigerung des Emdener Compagnie-Hauses im Jahr 1725. Zwar hatte die BAC die Vorgabe, alljährlich eine Aufstellung von Vermögen und Finanzen der Compagnie, einen sogenannten Staat, vorzulegen, doch wurde dieser Verpflichtung entweder sehr ungenügend nachgekommen, was wahrscheinlicher ist, oder drei Viertel dieser Staaten sind ebenfalls verloren gegangen. Überlie-fert sind lediglich neun, von denen Schück in seinem zweiten Band vier veröffentlichte. Die übrigen sind nur im Staatsarchiv einzusehen. Sowohl der Quellenband als auch die Darstellung Schücks, in der weitere, nicht edierte Quellen ausführlich zitiert werden, bilden bis heute eine unentbehrliche Grundlage für eine Beschäftigung mit der Geschichte der BAC.11

In der Zeit der Weimarer Republik blieb zwar in vielen Kreisen die koloniale Begeisterung erhalten, doch wurden kaum noch Parallelen oder Kontinuitäten zur BAC betont.12 Es ist be-zeichnend, daß in dieser Zeit in erster Linie zwei ernstzunehmende Aufsätze erschienen, die sich mit Teilbereichen des Themas befaßten. Günther Gieraths legte eine Lebensbeschreibung Benjamin Raules vor,13 die sehr gründlich ist, jedoch ein wenig an der besonderen Sympathie

11 Was durch Schücks Unsitte, Archivalien ohne Seitenangaben zu verwenden, noch verstärkt wird, da dadurch

ein erneutes Auffinden der entsprechenden Stellen im Archiv wesentlich erschwert wird. 12 MATZ, Kolonialexperiment; S. 199. 13 Günther GIERATHS, Benjamin Raule, sein Leben und insbesondere seine volkswirtschaftlichen Ansichten, in:

Economisch Historisch Jaarboek 10 (1924), S. 219-302.

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des Autors für seinen Helden krankt. Hans Szymanski, der bedeutende Seefahrtshistoriker, untersuchte hingegen die Schiffahrt der Compagnie.14 Sein Werk zeichnet sich durch die ihm eigene Akribie aus. Vor allem als Nachschlagewerk zum Schicksal aller Schiffe unter bran-denburgischer und preußischer Flagge hat es bis heute seine Nützlichkeit behalten.

In der NS-Diktatur blieb das Thema BAC durchaus lebendig, doch wurde es abermals unter die Erfordernisse einer Propaganda gestellt. Diesmal ging es in erster Linie darum, das Schei-tern der BAC auf mangelnde militärische Stärke zurückzuführen und somit historische Legiti-mationen für die NS-Politik zu beschaffen.15 Auf einzelne Schriften dieser Zeit näher einzuge-hen, lohnt sich an dieser Stelle nicht.

In der Nachkriegszeit entstanden zunächst keine eigenständigen Werke über die BAC In den westlichen Veröffentlichungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte wurde die Gesellschaft zwar meistens erwähnt, doch handelte es sich dabei nur um Notizen im Vor-übereilen. Das Hauptaugenmerk lag auf der Staatswerdung Preußens, allenfalls die innere Wirtschaftsentwicklung durfte daneben Aufmerksamkeit beanspruchen. Die Außenpolitik Brandenburgs und Preußens wurde nicht selten auf die Kriegsgeschichte reduziert. Die BAC wurde in die Rolle eines Fremdkörpers in der Entwicklung Brandenburg-Preußens gedrängt.

Der Vollständigkeit halber sei hier auch auf die marxistische Sichtweise hingewiesen. Aus ihr wurde die Existenz der BAC ebenfalls zur Kenntnis genommen, doch wurde in diesem Projekt nicht mehr als „koloniale Blütenträume“ gesehen, die den Zweck hatten, „ an der kolo-nialen Ausbeutung Afrikas teilzunehmen“.16 Die Autorinnen dieser Einschätzung wehrten sich zwar gegen eine zu große Geringschätzung der Compagnie, begründeten dies jedoch damit, daß die BAC die Wirtschaft dadurch gefördert und neue Schiffbauplätze in Leben gerufen hatte – eine Behauptung, die nicht gerade für große Faktenkenntnis spricht.17

Es ist vielleicht kein Zufall, daß der wichtigste Forscher der dritten Phase in der Beschäfti-gung mit der BAC von Hause aus kein Historiker, sondern Ethnologe ist. Der aus dem Kreis des Frankfurter Frobenius-Instituts stammende und heute in Jena lehrende Adam Jones hat mit einem Aufsatz über die Archivbestände, der als eine Art Wegweiser zu den Quellen über die BAC dienen kann, und einer wichtigen Quellenedition den Forschungmöglichkeiten zur BAC wichtige Impulse gegeben.18 Zwar gilt der Geschichte Westafrikas, zu deren Erforschung er die Quellen der BAC nutzbar machen will, das Hauptinteresse Jones’, doch ändert dies nichts an der großen Bedeutung seiner Veröffentlichungen zu diesem Thema, die noch nicht abgeschlos-sen sind.19 Vor allem gilt dies für die Quellenedition, die neben Akten aus dem Geheimen Staatsarchiv, die sich zum Teil auch schon bei Schück finden, solche aus dem Allgemeinen

14 Hans SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, 1605 1815, Leipzig 1939. 15 MATZ, Kolonialexperiment, S. 199. 16 Ingrid MITTENZWEI/Erika HERZFELD, Brandenburg-Preußen 1648 1789, Köln 1987, S. 135. 17 Ebd., S. 137. 18 JONES, Archival Materials; DERS. (Hg.): Brandenburg Sources for West African History, 1680 1700; Stutt-

gart 1985. 19 Eine Fortsetzung der Quellenedition für den Zeitraum nach 1700 und die Edierung eines Tagebuches des

letzten Generaldirektors der BAC in Afrika, sind angekündigt, leider aber bis dato nicht erschienen.

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Reichsarchiv der Niederlande in Den Haag sowie die beiden einzigen Reiseberichte umfaßt, die in Zusammenhang mit der BAC entstanden sind. Der erste Reisebericht stammt aus der Feder des Freiherrn Otto Friedrich von der Gröben,20 der 1682/83 die brandenburgische Expe-dition leitete, welche die erste Niederlassung der BAC an der Goldküste gründete. Von der Gröben hatte seinen Bericht noch zu Lebzeiten selbst veröffentlicht. Den zweiten Bericht ver-faßte der Arzt Johann Peter Oettinger,21 der genau zehn Jahre später einen brandenburgischen Sklaventransport begleitete. Sein Originaltext liegt heute nicht mehr vor; die Veröffentlichung im Jahr 1886 besorgte ein Nachfahre des Autors, wobei einige Zufügungen des 19. Jahrhun-derts ihren Weg in den Text fanden.22 Beide Texte edierte Adam Jones, wobei er sie um einige Passagen kürzte, die für seinen Schwerpunkt Westafrika ohne Bedeutung sind.

In jüngster Zeit wurde durch mehrere Aufsätze die BAC als Thema historischer Forschung wiederentdeckt. Beteiligt daran waren so renommierte Historiker wie Hermann Kellenbenz, Eberhard Schmitt und Heinz Duchardt, aber auch ein Archivar wie Martin Vogt.23 Die Beiträ-ge von Schmitt, Durchardt und Vogt haben ihren Wert weniger in neuen Erkenntnissen – sie basieren inhaltlich im wesentlichen auf Schück – sondern darin, daß sie die BAC wieder in die Erinnerung eines Fachpublikums zurückholten. Die Veröffentlichung von Kellenbenz zur brandenburgischen Präsenz auf der dänischen Karibik-Insel St. Thomas entpuppt sich bei nä-herem Hinsehen als eine gut kommentierte Quellenedition. Sie enthält in den für die BAC re-levanten Teilen das dänische Waagebuchs für den Zeitraum 1692 bis 1694.

Weitaus weniger gelungen ist ein Beitrag von Erich Woldan, dessen Oberflächlichkeit ver-muten läßt, daß die Quellenkenntnis des Autors zu diesem Thema nicht sonderlich ausgeprägt ist.24 Wesentlich ergiebiger sind neuere Arbeiten zu den Schiffen der Brandenburger und der kurzfristig in Havelberg bestehenden Werft.25 Und auch die Reise des Majors von der Gröben ist wieder ein Thema geworden, ohne jedoch sonderlich Neues bieten zu können.26

20 Otto Friedrich von der GRÖBEN, Guineische Reisebeschreibung, Marienwerder 1694, Neudruck Leipzig

1913. Kritisch in englischer Sprache ediert, wenn auch leicht gekürzt, in: JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 23-57, deutscher Text S. 220-249.

21 Paul OETTINGER (Hg.), Unter Kurbrandenburgischer Flagge, Deutsche Kolonialerfahrung vor 200 Jahren, nach dem Tagebuch des Chirurgen Johann Peter Oettinger, Berlin1886. Kritisch in englischer Sprache ediert, wenn auch leicht gekürzt, in: JONES, Brandenburg Sources; Nr. 79, S. 180-198, deutscher Text S. 291 305.

22 Ebd., S. 180, Anm. 1. 23 Hermann KELLENBENZ, Die Brandenburger auf St. Thomas, in: Jahrbuch für die Geschichte von Staat, Wirt-

schaft und Gesellschaft Lateinamerikas 2 (1965), S. 196-217; Eberhard SCHMITT, The Brandenburg Overseas Trading Companies in the 17th Century, in: Leonard Blussé/Femme Gaastra (Hgg.), Companies and Trade. Essays in Overseas Trading Companies during the Ancien Regime (Comparative Studies in Overseas History 3), Den Haag 1981, S. 159-176; Heinz DUCHARDT: Afrika und die deutschen Kolonialprojekte der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Archiv für Kulturgeschichte 68 (1986) 1, S. 119-133; Martin VOGT, Brandenburg in Übersee. Kolonialpläne deutscher Fürsten im 17. Jahrhundert, in: Christof Dipper/Martin Vogt (Hgg.), Ent-deckungen und frühe Kolonisation, Darmstadt 1993, S. 345-379.

24 Erich WOLDAN, Deutsche Kolonialversuche im Zeitalter des Römisch-Deutschen Reiches, in: Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 115 (1978/79) 2, S. 72-93.

25 Reemt Reints POPPINGA, Brandenburgische Kriegsschiffe im XVII. Jahrhundert, in: Schiff unf Zeit 37 (1989), S. 49-62; Günther SCHMIDT, Schiffe unterm Roten Adler, Rostock 1986; Edgar STEINER: Sklaven-schiffe aus Havelberg, in: Zwischen Havel und Elbe 4 (1984), S. 36-48.

26 Hans HUTH, Otto Friedrich von der Groebens Abenteuer in Afrika, in: Der Bär von Berlin, Jahrbuch 1976 für die Geschichte Berlins, S. 30-52.

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Den größten Anteil an der Wiederentdeckung der brandenburgischen Aktivitäten in Afrika für ein breiteres Publikum hatten zwei mehr oder weniger populärwissenschaftliche Publikati-onen. 1981 erschien eine Darstellung der BAC und der brandenburgischen Marine, verfaßt von einem ehemaligen deutschen Botschafter in Ghana, Hans Georg Steltzer.27 Matz bezeichnet dieses Buch als eine „zuweilen der reinen Phantasie entspringende, populäre Darstellung“, die pünktlich zum 300. Jahrestag der Gründung Groß-Friedrichsburgs erschien.28 Dieses Urteil wertet Steltzers Darstellung zu weit ab. Außer einer bewußt spekulativen, romanhaft gestalte-ten Einleitung folgt die Darstellung im wesentlichen derjenigen Schücks, wie es bei den Wis-senschaftlern Schmitt und Duchardt der Fall ist. Zwar wird der Große Kurfürst als positive Figur und die Rolle seiner niederländischen Ausbildung überbetont, doch solches findet sich durchaus auch in der seriösen Wissenschaft. Eine noch anregendere Lektüre für einen Leser, der sich über die BAC informieren will, ohne gleich fundierte wissenschaftliche Studien trei-ben zu wollen, ist eine erstmals 1993 erschienene Monographie des Berliner Afrikahistorikers Ulrich van der Heyden, die 2001 ihre zweite Auflage erlebte.29 Die reichhaltig mit Bildquellen ausgestattete Darstellung ist weitaus knapper als diejenige Stelzers, konzentriert sich ganz auf die Aktivitäten der BAC und setzt ihren Schwerpunkt auf den westafrikanischen Schauplatz, wobei sie sich durch größere Quellennähe auszeichnet, auch wenn die eine oder andere Formu-lierung, der mutmaßlichen Zielgruppe geschuldet, nicht ohne moralisierenden Unterton aus-kommt. 3. Afrika und Europa Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie tauchte weder aus dem Nichts in der Geschich-te der Europäischen Expansion auf, noch trat sie eine Reise in ein Niemandsland an. Mit dem Kurfürstentum Brandenburg, dem späteren Königreich Preußen, hatte sie einen ganz spezifi-schen Ausgangspunkt mit ganz spezifischen Bedingungen. Und mit der Goldküste hatte sie ein Ziel, das seine eigenen spezifischen ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen aufwies. Zwischen diesen beiden Polen lag die – kaufmännische oder auch bewaffnete – Aus-einandersetzung mit den anderen europäischen Mächten. Mit allen drei Bedingungszusam-menhängen hatte sich die BAC auseinanderzusetzen. Entsprechend hat eine historische Be-trachtung derselben auch alle drei Bereiche zu beachten. Dabei sollten alle, wie auch immer entstandenen, einseitigen Gewichtungen vermieden werden, zumal ein Blick über denTeller-rand der europäischen Geschichtswissenschaft lohnende Entdeckungen verspricht.

27 Hans Georg STELTZER, „Mit herrlichen Häfen versehen“, Brandenburgisch-preußische Seefahrt vor dreihun-

dert Jahren, Frankfurt/Main u.a. 1981. 28 MATZ, Kolonialexperiment, S. 201. 29 Ulrich van der HEYDEN, Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfried-

richsburg in Westafrika, Berlin 1993, 22001.

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Wer sich auf den Weg macht, dem so formulierten Anspruch genüge zu tun, sieht sich einer sehr uneinheitlichen Forschungslage gegenüber, die – erwartungsgemäß – Lücken aufweist, diese aber nicht selten an unerwarteten und überraschenden Stellen. So bietet die Forschungs-lage zu Brandenburg-Preußen – zumindest was das zu behandelnde Thema betrifft – diejeni-gen Probleme und Lücken, welche man vielleicht eher in der Erforschung der westafrikani-schen Geschichte vermutet hätte.

Die politische Geschichte des Kurfürstentums Brandenburg und des Königreichs Preußen ist häufig und ausführlich behandelt worden. Von der frühen Neuzeit bis heute liegt eine Fülle an Publikationen vor, seien es Überblicksdarstellungen, Einzeluntersuchungen oder Biogra-phien, seien es bahnbrechende Studien oder populärwissenschaftliche Veröffentlichungen. Auf diese Publikationsflut einzugehen, würde an dieser Stelle jeden Sinns entbehren. Hingewiesen sei nur auf zwei sehr nützliche Werke, die wesentliche Grundlagen für die später folgenden Ausführungen geliefert haben. Zum einen ist die Rede von der ausführlichen Überblicksdar-stellung von Gerd Heinrich,30 zum anderen von der zweibändigen Biographie des Großen Kur-fürsten aus der Feder Ernst Opgenoorths,31 welche das ausführlichste und detaillierteste Le-bensbild des Gründers der BAC bietet, wobei auch die politischen, gesellschaftlichen und wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen einbezogen werden.

Wesentlich dürftiger wird das Feld, wird nach wirtschaftshistorischen Untersuchungen zur fraglichen Zeit gesucht. Es hat den Anschein, als wird Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in Brandenburg-Preußen erst seit Friedrich dem Großen interessant. Ab dessen Regierungszeit sieht die Forschungslage wieder erfreulich aus. Leider war zu dieser Zeit die BAC längst un-tergegangen. Die große fundierte Darstellung der Wirtschaftsgeschichte Brandenburg-Preußens zwischen dem Regierungsantritt des Großen Kurfürsten und dem Tod des „Soldatenkönigs“ fehlt nach wie vor. Als besonders große Forschungslücke in dieser Hinsicht gähnt die Regie-rungszeit der ersten preußischen Königs Friedrich I., der überhaupt im Vergleich zu seinen berühmten Vor- und Nachfahren in der Geschichtsschreibung ein Mauerblümchendasein fris-tet. Es muß in diesem Zusammenhang auf die ältere Forschung und auf einige wenige sehr komprimierte Darstellungen neueren Datums zurückgegriffen werden.32

Auch zum Thema der preußischen Staatsfinanzen in dieser Zeit muß ältere Literatur heran-gezogen werden. Das umfassende Werk von Kurt Breysig über die Finanzen des 17. Jahrhun-derts ist noch immer grundlegend, vor allem für die rechtliche Verfaßtheit der Finanzen, die auch an anderer Stelle in aller Ausführlichkeit beleuchtet werden.33 Geht es um die Gelder

30 Gerd HEINRICH, Geschichte Preußens. Staat und Dynastie, Frankfurt/Main u.a. 1981. 31 Ernst OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg, Göttingen 1987. 32 V.a. Hugo RACHEL, Der Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, in: Otto Büsch/Wolfgang Neugebauer

(Hgg.), Moderne Preußische Geschichte 1648-1947. Eine Anthologie, Berlin, New York 1981, S. 951-993. In der neueren Forschung ist inbesondere hinzuweisen auf Karl Heinrich KAUFHOLD, Leistungen und Gren-zen der Staatswirtschaft, in: Manfred Schlenke (Hg.), Preußen. Versuch einer Bilanz, Bd. 2: Beiträge zu einer politischen Kultur, Reinbek 1981, S. 106-119; sowie auf Fritz BLAICH, Die Epoche des Merkantilismus, Wiesbaden 1973.

33 Kurt BREYSIG, Der brandenburgische Staatshaushalt in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, in: Schmollers Jahrbuch 16 (1892), S. 1-42 und 117-194; DERS., Geschichte der brandenburgischen Finanzen

Brandenburg und Afrika 13

selbst, sind das Werk von Adolph Friedrich Riedel, das trotz seines Alters noch immer die ein-zige veröffentlichte Datengrundlage liefert, sowie die entsprechenden Abschnitte bei Ernst Klein grundlegen.34 Es ist nicht zu übersehen: Die Geschichte der Finanzen Brandenburg-Preußens im 17. und 18. Jahrhundert bietet noch ein weites Feld für die zukünftige Forschung.

Nicht, daß es zur Geschichte des vorkolonialen Westafrikas keinen Forschungsbedarf mehr gäbe, doch stehen hier inzwischen bessere Grundlagen zur Verfügung als in einigen Bereichen der brandenburgischen Geschichte. Trotz aller Quellenschwierigkeiten ist der Kenntnisstand, gerade auch zur Wirtschaft- und Sozialgeschichte, erfreulich hoch. Dies liegt einerseits an dem schon früh entstandenen Interesse amerikanischer Wissenschaftler, vor allem Anthropologen, aber auch Historiker, an diesem Thema. Stellvertretend für viele seien hier nur die beiden pro-minenten Vertreter Philip D. Curtin und Karl Polanyi erwähnt. Noch größer jedoch ist der Bei-trag der einheimischen afrikanischen Forschung, die inzwischen erwacht ist und nicht erst seit dem nicht unumstrittenen Pionierwerk von Joseph Ki-Zerbo einen steilen Aufschwung ge-nommen hat.35 Um auf die Grundlagen der vorliegenden Studie zu verweisen, sei hier vor al-lem Kwame Yeboa Daaku erwähnt, der mit seiner wesentlich erweiterten Dissertation im Jahr 1970 das Standardwerk zur Wirtschaftsgeschichte der Goldküste zwischen 1600 und 1720 vorlegte.36 Auch seine im Umfeld erschienenen Aufsätze zu diesem Thema erlauben interes-sante Aufschlüsse.37

Für die westafrikanische Region insgesamt bietet die ausführliche und fundierte Monogra-phie von Anthony G. Hopkins die herausragende wirtschaftsgeschichtliche Darstellung, die noch lange ihre Bedeutung behalten wird.38 Nicht unberücksichtigt sollten auch zwei ältere Werke zur Goldküste bleiben.39 Zwar ist die Ereignisgeschichte von W. Walton Claridge in-zwischen fast neun Jahrzehnte alt, doch hat sie noch immer ihren Wert, da sie bis in die kleins-ten Begebenheiten hinein die Geschichte der Region auf Grundlage der europäischen Quellen erzählt. Ebenfalls wertvoll ist die Historische Geographie Ghanas von Kwamina B. A. Dick-son, die sich für die frühe Neuzeit auf die europäischen Reiseberichte stützt, welche sie akri-bisch auswertet. Eine sehr ausführliche Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse an der Goldküste dieser Zeit schließlich bietet Ray A. Kea, der aus einer Fülle Quellen ein ausführli-

1640 1697, Leipzig 1895; Franz SCHNEIDER, Geschichte der formellen Staatswirtschaft von Brandenburg-Preußen, Berlin 1952.

34 Adolph Friedrich RIEDEL, Der Brandenburgisch-Preussische Staatshaushalt in den beiden letzten Jahrhunder-ten, Berlin 1866; Ernst KLEIN, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Deutschland, Wiesbaden 1974.

35 Joseph KI-ZERBO, Die Geschichte Schwarz-Afrikas, Frankfurt/Main 1981. 36 Kwame Yeboa DAAKU, Trade and Politics on the Goldcoast 1600 1720. A Study of the African Reaction to

European Trade, Oxford 1970. 37 DERS., Trade and Trading Patterns of the Akan in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: Claude

Meillassoux (Hg.), The Development of Indigenious Trade and Markets in West Africa, Oxford 1971, S. 168-181; sowie DERS., Aspects of Precolonial Akan Economy, in: International Journal of African Historical Studies 5 (1972) 2, S. 235-247.

38 Anthony G. HOPKINS, An Economic History of West Africa, New York 1973. 39 W. Walton CLARIDGE, A History of the Goldcoast and Ashanti, London 1915, 21964; Kwamina B.A. DICK-

SON, Historical Geography of Ghana, Cambridge 1969.

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ches überzeugendes Bild herausfiltert, wenn auch dessen theoretische Durchdringung gelegent-lich überhand gewinnt.40 Darüber hinaus sei noch einer der raren deutschen Beiträge zur west-afrikanischen Geschichte erwähnt, in dem Heinz Duchard die Rechtsbeziehungen zwischen Europäern und Afrikanern behandelt und dazu beiträgt, daß die Art der Kontakte der Handels-gesellschaften mit den Afrikanern in das richtige Licht gerückt wird – ein sehr wichtiger Auf-satz, da genau dieses viel zu selten beachtet oder gar thematisiert wird.41

Überhaupt ist die Geschichte der Ausdehnung Europas über die anderen Kontinente jenseits der Entdeckerromantik noch ein recht junges Gebiet der historischen Forschung. Ganz beson-ders gilt dies für die deutsche Geschichtswissenschaft, in der sich nach wie vor nur wenige mit der europäischen Expansion befassen, die aber immerhin über eine der wenigen Gesamtdar-stellungen verfügt. Wolfgang Reinhard legte dieses vierbändige Werk vor, das sich durch seine Materialfülle auszeichnet, wodurch es mancherorts zu einer wahren Fundgrube wird.42 Natür-lich kann auch dieses Werk nicht alle Aspekte eines so umfangreichen Gebietes abdecken; leider ist es gerade im Bereich des vorkolonialen Afrika etwas dünner als in anderen Berei-chen.

Auch in einigen Nachbarländern herrscht noch Nachholbedarf, was die frühneuzeitliche Expansion über den Atlantik angeht. In Großbritannien liegt das Hauptaugenmerk der hier traditionsreichen Expansionsforschung auf dem Ostindienhandel und dem späteren Empire, wodurch die Darstellung von Kenneth G. Davies für den britischen Dreickshandel im Atlantik nach wie vor Gültigkeit hat.43 Auch in Dänemark muß zum Thema der Dänen auf den Westin-dischen Inseln auf ältere Literatur zurückgegriffen werden.44

Vorbildlich für alle Bereiche der Expansionsgeschichte sind die Niederlande. Dieses relativ kleine Land verfügt über eine traditionsreiche und gut ausgebaute Forschungslandschaft zu diesem Feld, die sich nicht zuletzt in der eigens dazu eingerichteten Forschergruppe an der Universität Leiden manifestiert. Gerade in jüngster Zeit sind zentrale Werke zum vorliegenden Thema erschienen. So löste Ruud Spruit die lange gültige Gesamtdarstellung der niederländi-schen Westindien-Gesellschaft von W.R. Menkman ab.45 Mindestens ebenso bedeutend sind die Untersuchungen von Johannes Menne Postma zum niederländischen Sklavenhandel, die 1990 in einer breit angelegten Synthese ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.46 Neben einer hervorragenden Aufbereitung und Analyse des Sklavenhandels bietet dieses Buch gewisser-

40 Ray A. KEA, Settlement, Trade and Politics in the Seventeenth Century Gold Coast, Baltimore 1982. 41 Heinz DUCHARDT, Europäisch-afrikanische Rechtsbeziehungen in der Epoche des „Vorkolonialismus“, in:

Saeculum 36 (1985), S. 367-379. 42 Wolfgang REINHARD, Geschichte der europäischen Expansion, 4 Bde., Stuttgart 1983. Inzwischen liegt auf

dieser Grundlage eine komprimierte, einbändige Überblicksdarstellung vor: DERS., Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 1996.

43 Kenneth G. DAVIES, The Royal African Company, London u.a. 1957. 44 Waldemar WESTERGAARD, The Danish West Indies under Company Rule, New York 1917. 45 Ruud SPRUIT, Zout en Slaven. De Geschiedenis van de Westindische Compagnie, Houten 1988; W.R.

MENKMAN, De West-Indische Compagnie, Amsterdam 1947. 46 Johannes Menne POSTMA, The Dutch in the Atlantic Slave Trade, 1600 1815, Cambridge u.a. 1990.

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maßen en passant auch eine überzeugende Darstellung der Handelsgesellschaft selbst nebst ihres Umfeldes. Ein weiterer wichtiger Vertreter der Leidener Forschergruppe ist Piet C. Em-mer, der wesentliche Beiträge zur Stellung der Niederländer im transatlantischen Handel vor-legte.47 Insgesamt stellt die niederländische Expansion ein häufig untersuchtes Thema dar, was auch etliche ausländische Gesamtdarstellungen von Bedeutung belegen.48

Ein weiteres zentrales Thema der internationalen Expansionsforschung ist der atlantische Sklavenhandel. In diesem Bereich ist die Zahl der Abhandlungen Legion. In die Höhe getrie-ben wurden sie vor allem dadurch, daß erstaunlich viele Wissenschaftler ihre eigenen Schät-zungen der Quantität des Sklavenhandels vorlegten, was zu Arbeiten äußerst unterschiedlicher Seriosität führte. Fast alle Veröffentlichungen dieser Art aus der Zeit vor 1969 können getrost beiseite gelegt werden, da in diesem Jahr der Amerikaner Philip D. Curtin eine Synthese zum Sklavenhandel vorlegte, die alles vorangegangene aufarbeitete.49 Durch diese Studie wurden weitere wirtschaftshistorische und quantifizierende Untersuchungen angeregt, deren Diskussi-on an dieser Stelle ins Uferlose führen würde. Mit der Gesamtdarstellung des atlantischen Sklavenhandels von Herbert S. Klein, die noch lange als Standardwerk gelten wird, kann neu-erdings auf eine uneingeschränkt gelungene Synthese all dieser Forschungsergebnisse zurück-gegriffen werden.50

Einige schmerzliche Lücken sind in der gegenwärtigen Forschungslage zwar – wie gesehen – noch zu finden, doch ist der Grund allemal sicher genug, um eine angemessene Behandlung der BAC innerhalb der Rahmenbedingungen ihrer Zeit zu gewährleisten. Die obigen Ausfüh-rungen sollten zeigen, auf welcher Grundlage im Folgenden die Kulisse aufgespannt werden soll, in der sich die BAC bewegte. Alle Fragen werden auf diese Weise wohl nicht zu klären sein, doch kann auf dieser Grundlage ein fundierter Versuch unternommen zu werden, die BAC in die Verhältnisse ihrer Zeit einzuordnen.

47 Seine wichtigsten Aufsätze zu diesem Thema liegen inzwischen in einem Sammelband vor: Piet C. EMMER,

The Dutch in the Atlantic Economy, 1580-1880 (Variorum Collected Studies Series, CS614), Aldershot 1998; neueren Datums sind darüber hinaus: DERS., In Search of a System. The Atlantic Economy, 1500 – 1800, in: Horst Pietschmann (Hg.), Atlantic History. History of the Atlantic System 1580-1830, Göttingen 2002, S. 169-178; und DERS./W. W. KLOOSTERS, The Dutch Atlantic, 1600-1800. Expansion without Empi-re, in: Itinerario 23 (1999), S. 48-69.

48 V.a. Charles Ralph BOXER, The Dutch Seaborne Empire 1600-1800, London 21977; aber auch Jonathan I. ISRAEL, Dutch Primacy in World Trade, 1585 1740, New York 1989.

49 Philip D. CURTIN, The Atlantic Slave Trade. A Census, Madison 1969. 50 Herbert S. KLEIN, The Atlantic Slave Trade, Cambridge 1999.

II Von Admiral van Lier bis zu John Konny

Die Ereignisgeschichte 1. Die unverwirklichten Pläne Brandenburg war nicht das erste Land des Deutschen Reiches, von dem Unternehmungen des frühneuzeitlichen Überseehandels ausgingen. Schon bei der Eroberung des amerikanischen Kontinents witterten deutsche Kaufleute ihre Chance.51 1526 unternahmen die Welser einen ersten Niederlassungsversuch auf Santo Domingo. 1528 begannen sie, ausgestattet mit einem kaiserlichen Privileg, ihren Handel mit Venezuela. Die Fugger wollten dem nicht nachstehen und bemühten sich um die Region des heutigen Peru, wo ihnen allerdings Pizzaro zuvorkam. Auch ihr zweiter Versuch in Übersee, der dem Aufbau eines Gewürzmonopoles gewidmet war, scheiterte 1587. Etwas erfolgreicher verlief für einige Jahrzehnte der Levantehandel der Augsburger Firma Manlick, die jedoch im Jahre 1574 zusammenbrach. Ein Zeitgenosse des Großen Kurfürsten, der Herzog Jakob von Kurland, ließ 1651 an der Mündung des Gambia-Flusses eine Niederlassung errichten. 1654 kam ein Fort auf der westindischen Insel Tobago hinzu. Lange konnte der Herzog sein Überseeunternehmungen allerdings nicht halten; in einem Vertrag von 1664 wurden alle kurländischen Besitzungen den Engländern übereignet.52 1673 schließlich wurde eine Glücksstädter Guinea-Gesellschaft ins Leben gerufen, die mit Hambur-ger Kapital ausgestattet war und auf Grund der geographischen Lage Glückstadts unter däni-scher Flagge fahren konnte.53 Alle diese Unternehmen zeichneten sich dadurch aus, daß sie nur geringen bis gar keinen Erfolg aufzuweisen hatten.

In Brandenburg selbst wurden – sieht man von einem schwedischen Angebot an Georg Wilhelm, sich an einer schon existierenden Gesellschaft der Skandinavier zu beteiligen, einmal ab54 – zwei Pläne geschmiedet, ehe es schließlich zur Gründung der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie kam, die ihr Planungsstadium überleben konnte. Die unverwirklich-ten Pläne des Großen Kurfürsten sind eng mit dem Namen Arnoult Gijsels van Lier (ca. 1593 – 1676) verbunden. Der niederländische Admiral, den Friedrich Wilhelm 1647 kennenlernte, hatte seine Karriere im Dienst der niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) gemacht, wo-bei er es bis zum Gouverneur des molukkischen Ambon brachte. 1638 schied er aus freien Stücken aus der Compagnie aus und zog sich auf seine Güter zurück. Diese verließ er erst wieder, als ihm 1641 das Kommando über eine niederländische Flotte übertragen wurde, die er

51 Percy Ernst SCHRAMM, Deutschland und Übersee. Der deutsche Handel mit den anderen Kontinenten,

insbesondere Afrika, von Karl V. bis zu Bismarck, Braunschweig 1950, S. 21 23. 52 WOLDAN, Deutsche Kolonialversuche, S. 79. 53 SCHRAMM, Deutschland und Übersee; S. 32 und S. 167; sowie Hans SIEVEKING, Die Glückstädter Guinea-

fahrt im 17. Jahrhundert, in: Afrika-Rundschau 2 (1937). 54 SCHMITT, Brandenburg Overseas Trading Companies, S. 161.

Die Ereignisgeschichte 17

erfolgreich vor Portugal befehligte.55 Als sich Admiral und Kurfürst erstmals begegneten, trug sich der Niederländer mit Plänen einer eigenen Gesellschaft in Konkurrenz zu seinem ehemali-gen Arbeitgeber, die er jedoch in seiner Heimat auf Grund der Privilegierung der beiden nie-derländischen Gesellschaften nicht verwirklichen konnte. Immerhin hatte er einige einheimi-sche Kaufleute an der Hand, die zumindest ihr Interesse bekundet hatten. Die Anwesenheit des brandenburgischen Herrschers in Den Haag 1646/47 kam Gijsels gelegen. Bei einer Audienz trug er dem Kurfürsten seine Vorstellungen zum Überseehandel vor und überreichte ihm eine Denkschrift zur Schiffahrt nach Ostindien.56

In dieser Denkschrift breitete Gijsels ein breites Spektrum an asiatischen Waren aus, deren Erwerb er als Kenner der Region in Aussicht stellte (§ 3). Es handelte sich dabei vorrangig um verschiedene Sorten an Gewürzen und Textilien aus allen Regionen Indiens, Südostasiens, Indonesiens sowie aus Persien. Hinzu kamen Diamanten aus Koromandel und Borneo, eben-falls aus Borneo Gold, sowie Sklaven und Hölzer aus einigen kleineren südostasiatischen Kö-nigreichen. Auch China und Japan wurden erwähnt, jedoch mit wenig detaillierten Angaben. Wesentlich für Gijsels war wohl das Gebiet, daß er durch seine Tätigkeit für die niederländi-sche Kompanie beurteilen konnte. Das auffälligste Moment der Denkschrift ist die Tatsache, daß schon hier die wesentlichen Hoffnungen auf die Beteiligung von Niederländern gelegt wurden, was nicht nur mit der Herkunft des Verfassers zu tun haben konnte. Er empfahl so-wohl die Indienstnahme niederländischen Personals auf Grund ihrer Erfahrungen in der Indien-fahrt (§ 6) als auch die Einwerbung holländischer Geldgeber, vor allem solcher, die keinen Zutritt zu der privilegierten holländischen Gesellschaft gefunden hatten (§ 11). Er ging sogar so weit zu prophezeien, daß Niederländer im Dienst einer brandenburgischen Compagnie wei-tere Landsleute nach Pillau locken und dort eine regelrechte Siedlungslandschaft, deren Le-bensgrundlage die Kompanie wäre, errichten könnten (§ 7 und § 14). Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß der erfahrene Admiral den Ostseehafen Pillau als idealen Stützpunkt einer solchen Compagnie ansah (§ 13), ja sogar als Keimzelle einer von der Gesell-schaft lebenden Region. Zumindest war ihm klar, daß mit dem König von Dänemark Verhand-lungen zu führen wären, um möglichst günstige Bedingungen für die Sunddurchfahrt zu errei-chen (§ 16). Bemerkenswert schließlich ist die Summe von einer Million,57 die er als Startkapi-tal veranschlagte; eine Summe, die der späteren Kompanie nie zur Verfügung stand.

Der Große Kurfürst nahm sich die Denkschrift des Admirals zu Herzen. Gijsels wurde in brandenburgischen Dienst genommen und mit der Ausarbeitung eines Oktrois für die zu grün-dende Gesellschaft beauftragt.58 Mit den von Gijsels völlig zu Recht geforderten Zollverhand-lungen mit Dänemark wurde der geheime Kammersekretär Johann Friedrich Schlezer beauf-tragt. Er erhielt im Juli 1647 die Instruktion,59 am dänischen Hof Zollfreiheit einzufordern, wie 55 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 13/14. 56 Ebd., Bd. 2; Nr. 1, S. 1-8. 57 Eine bestimmte Währung erwähnte Gijsls nicht, doch es kann wohl davon ausgegangen werden, daß er die

von ihm gewohnten niederländischen Gulden meinte. 58 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 19. 59 Ebd., Bd. 2, Nr. 2, S. 8-10.

Die Ereignisgeschichte 18

sie den Schweden bereits zugestanden worden war. Sollte dies nicht gelingen, hatte er wenigs-tens Zollfreiheit für eine feststehende Anzahl von Schiffen auszuhandeln. Sollte sich der däni-sche Hof auch darauf nicht einlassen, war eine Pauschale pro Mast ohne Taxierung der Schiffsladung das von Schlezer anzustrebende Ziel. Als letzte Möglichkeit war schließlich ein pauschaler Zoll pro Last vorgegeben; auf eine Visitation brandenburgischer Schiffe durch dä-nische Zöllner wollte sich der Kurfürst nicht einlassen.

Großen Erfolg konnte Schlezer seinem Herrscher nicht vermelden. Zunächst ließ sich der dänische König auf keine Zugeständnisse an die Brandenburger ein. In einem zweiten Anlauf erreichte Schlezer dann zumindest, daß Schiffe unter brandenburgische Flagge die gleiche Be-handlung wie niederländische Schiffe erfahren sollten.60 Dies bedeutete, Visitationen des däni-schen Zolles sollten nicht stattfinden; es war ein Pauschalzoll zu entrichten. Schlezer konnte also nur die Vereinbarung erreichen, die der Kurfürst als letzte Möglichkeit vorgegeben hatte.

Neben diesem Mißerfolg war es wohl vor allem die schwierige, noch ungeklärte politische Lage des Kurfürstentums und die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, die den Hand-lungsspielraum des Herrschers so weit einschränkten, daß er das Projekt vorläufig zurückstell-te. Am 24. Mai 1649 schrieb er in einem Brief an Gijsels van Lier, daß er die Verwirklichung der Vorschläge des Admirals für unbestimmte Zeit zurückstellte, und sagte ihm eine Entschä-digung für die geleisteten Aufwendungen zu.61 Grundsätzlich hielt der Kurfürst jedoch an dem Plan fest. Gijsels sah sich nach eigener Aussage seinen holländischen Partnern gegenüber in eine schwierige Lage gebracht.62 Er entschädigte diese Partner, von denen keine weiteren Ein-zelheiten überliefert sind, vorläufig mit der ihm vom Kurfürsten zugestandenen Summe.

Tatsächlich wurde der Plan in Brandenburg weiterhin verfolgt. Die Suche nach finanzkräf-tigen Teilhabern ging – wenn auch nicht als wesentliches Staatsziel – weiter. Dem Beschluß Frieslands, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, folgte die Entsendung Schlezers in die Han-sestädte, vornehmlich nach Hamburg, um diese für die Kompanie zu gewinnen. Er wurde zwar einigermaßen wohlwollend aufgenommen, doch waren die hansischen Kaufleute und Magi-strate letztendlich so vorsichtig, daß eine Beteiligung nicht zustande kam.63

Eine letzte Chance für das Unternehmen tat sich auf, als Dänemark ein Verkaufsangebot machte, das sich auf einige ostindische Besitzungen bezog, vor allem auf ein Fort an der Küste von Koromandel. Trotz der Mahnungen von Gijsels van Lier, die Besitzungen wären nicht das wert, was die Dänen angaben, wurde 1651 erst ein Kaufvertrag und dann auch ein Oktroi für die Gesellschaft aufgesetzt.64 Doch abermals scheiterten die Versuche, die notwendigen finan-ziellen Mittel aufzubringen. Das Projekt wurde beendet.

Der erste brandenburgische Versuch einer Überseehandelsgesellschaft war erst sehr spät ge-scheitert; ein Oktroi existierte schon, und selbst Zeichnungsscheine lagen bereit. So weit

60 Ebd., Bd. 1, S. 24. 61 Ebd., Bd. 2; Nr. 3, S. 10/11. 62 Ebd., Bd. 2, Nr. 4, S. 12/13. 63 Ebd., Bd. 1, S. 26/31. 64 Ebd. Bd. 2, Nr.10, S. 23-32.

Die Ereignisgeschichte 19

brachte es der zweite Versuch des Großen Kurfürsten nicht. Das Projekt, eine Brandenbur-gisch-Ostindische Gesellschaft unter Beteiligung von Österreich und Spanien ins Leben zu rufen, blieb schon in der Verhandlungsphase stecken.

Wahrscheinlich ging auch dieses Vorhaben, das nach dem Frieden von Oliva im Jahr 1660 begonnen wurde, auf einen Vorschlag Gijsels van Lier zurück. Zumindest wurde er mit einem kurfürstlichen Empfehlungsschreiben an den Hof Kaiser Leopolds I. zur Sondierung ge-schickt.65 Hier fand er in dem einflußreichen Franziskaner Christoval de Rojas y Spinola und dem Markgrafen Hermann von Baden wichtige Verbündete.66 De Rojas legte dem Kaiser ein Memorandum vor, das auf den Vorschlägen Gijsels basierte.67 Zwei bemerkenswerte Punkte hierin sind das vorgeschlagene Stammkapital von einer Million Thalern und die Tatsache, daß neben Indien auch erstmals Afrika in den Blick der Handelsplaner geriet. Der Kaiser reagierte auf die Vorschläge positiv und beauftragte Hermann von Baden mit der Reise nach Spanien, dessen König sich nach de Rojas' Vorstellungen mit 100.000 Thalern beteiligen sollte. Wäh-rend der Kaiser in Wien weiterhin an den Plänen festhielt, kamen aus Spanien nur wenig kon-krete Nachrichten. Dies nahm der Große Kurfürst schließlich zum Anlaß, am 5. November 1661 Hermann von Baden und Christoval de Rojas mitzuteilen, daß Brandenburg nicht mehr an einer Beteiligung an einer solchen Gesellschaft interessiert wäre.68 Wahrscheinlich sah Friedrich Wilhelm auch seine eigenen Vorstellungen einer solchen Gesellschaft gefährdet, zu-mal die Auslassungen de Rojas' – aus religionspolitischen Zielsetzungen – und von Badens – aus machtpolitischen Zielsetzungen zugunsten des Kaisers – immer wieder von seinen und Gijsels Vorgaben abwichen.69

2. Der verwirklichte Plan und seine Geschichte Arnoult Gijsels van Lier hatte kein Glück mit seinen Vorstellungen, in Brandenburg ein Kon-kurrenzunternehmen zu den niederländischen Überseehandelsgesellschaften zu etablieren. Dies in die Tat umzusetzen blieb einem Landsmann von ihm vorbehalten, dem aus Vlissingen stammenden und in Middelburg tätigen Reeder Benjamin Raule (1634 – 1707). In der Zeit vor seiner Tätigkeit in brandenburgischen Diensten befaßte sich Raule vor allem mit dem Seehan-del nach Frankreich und nach Hamburg.70 Doch kann dieser nicht allzu erfolgreich gewesen sein, denn Ende der 1660er Jahre verschuldete sich der Reeder immer mehr, was auch durch seine Liegenschaften in der Vlissinger Gegend und seine Ehe mit einer Tochter aus vermögen-dem Middelburger Hause nicht verhindert werden konnte. So kam es, daß die erste Kooperati-

65 Ebd., Bd. 2, Nr. 17, S. 49. 66 OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, Bd. 2, S. 53. 67 STELTZER, "Mit herrlichen Häfen versehen", S. 38/39. 68 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 28, S. 63; Nr. 29, S. 63. 69 OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, Bd. 2, S. 53. 70 GIERATHS, Benjamin Raule, S. 222.

Die Ereignisgeschichte 20

on zwischen Benjamin Raule und Friedrich Wilhelm in einem Kaperbrief bestand,71 unter des-sen „Schutz“ er in der Ostsee gegen schwedische Schiffe vorging, zum Wohle seiner Kasse und zum Wohle des kurfürstlichen Kriegsglücks.

Kaperer unter seiner Flagge reichten Friedrich Wilhelm auf Dauer nicht aus; er wollte eine eigene Kriegsmarine unter dem roten Adler aufbauen. Mit der Hilfe Raules nahm er das Pro-jekt in Angriff. Die notwendigen Schiffe und Ausrüstungen stellte bis zur Gründung der ersten und einzigen Werft Brandenburgs der seeländische Reeder – zunächst leihweise, später auf Verkaufsbasis. Auch die Organisation der Flotte und anfangs ihre Führung war im wesentli-chen Raules Aufgabe. Dabei führte er seine eigenen Geschäfte in Seeland fort.

Benjamin Raule war Zeit seines Lebens wie auch in der historischen Rezeption danach eine umstrittene Persönlichkeit. Sowohl im Geschäftsleben als auch in der Politik hatte er zahlrei-che Gegner und Feinde. Der Große Kurfürst jedoch vertraute ihm. In seinem Dienst machte Benjamin Raule eine schnelle Karriere.72 Am 14. Mai 1675 erhielt er seine Bestallung zum Rat, der am 20. Februar 1676 diejenige zum Schiffsdirektor folgte. Am 12. August des folgen-den Jahres wurde er schließlich zum Oberdirektor in Seesachen befördert. Den Höhepunkt seine Laufbahn erlebte er, als der Große Kurfürst ihn am 20. Februar zum General-Direktor der Marine ernannte. Er hatte somit sowohl die zivile als auch die militärische Seefahrt Branden-burgs unter seiner Leitung vereint. Zwar war Raule in Brandeburg zunächst mit dem Aufbau einer Kriegsmarine betraut, doch verlor er seine Vorstellungen von einer Handelsseefahrt nie aus den Augen. Selbst von Hause aus ein handeltreibender Reeder, versuchte er den Kurfürsten beständig zu überzeugen, den ersten Schritt zu unternehmen, um aus Brandenburg eine seefah-rende Nation zu machen.

Im Dezember 1679 machte Raule dem Großen Kurfürst wahrscheinlich erstmals einen nä-heren schriftlichen Vorschlag, eine guineischen Compagnie einzurichten.73 Dabei hatte er im Vergleich zu früheren Plänen recht bescheidene Vorstellungen. Er ging zunächst nur von zwei Schiffen aus, einer Fregatte und einem wesentlich kleineren Fahrzeug. Als Grundkapital schlug Raule 20.000 Thaler vor, von denen der Kurfürst die Hälfte zeichnen sollte, Raule selbst 2.000 Thaler. Die restlichen 8.000 Thaler wollte Raule unter seinen Geschäftsfreunden beschaffen. Geführt werden sollte die Compagnie von einem kurfürstlich bestellten Präsidenten, der mit zwei gewählten Partizipanten das Bewinthaberkollegium bilden sollte. Diese drei Direktoren sollten ein Prozent der jährlichen Gewinne als Gage erhalten. Zudem sollte die Gesellschaft für vier Jahre von allen Abgaben befreit werden. Raule ging davon aus, daß innerhalb dieser Zeit die Gesellschaft aus eigener Kraft lebensfähig sein würde. Da dies mit solch geringen Mitteln kaum denkbar erscheint, ist nicht auszuschließen, daß Raule seinen Dienstherrn mit einer solch bescheidenen Vorstellung für den Guinea-Handel ködern wollte.

Raule hielt unbeirrt daran fest, in Brandenburg Handelsseefahrt zu etablieren, und über-sandte am 14. Februar 1680 aus Königsberg dem Kurfürsten eine Denkschrift über die See- 71 Ebd.; S. 223. 72 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 33b, S. 67, Nr. 34, S. 67/68, Nr. 36a, S. 70, Nr. 50, S. 99. 73 Ebd., Bd. 2, Nr. 43, S. 89-92; das Aktenstück ist undatiert, die Datierung stammt von Schück.

Die Ereignisgeschichte 21

fahrt.74 Hierin schlug er vor, einen eigenen brandenburgischen Schiffbau ins Leben zu rufen, „weil nun die Seefahrt die Seele der Commercien ist und vor Augen zu sehen, daß die Schiff-fahrt allerlei Menschen, wes Handwerks und Unternehmung die auch sein, das Brot giebt; daneben die Erfahrung lehrt, wie Holland, England, Hamburg und Lübeck alleine durch die Seefahrt floriren.“75 Der Große Kurfürst hatte Raule nach Königsberg geschickt, um die Mög-lichkeiten zur Verbesserung von Schiffahrt und Seehandel zu untersuchen.76 Raule gewann die Erkenntnis, daß Holz und Hanf am billigsten im eigenen Land zu haben wäre, daß Eisen rela-tiv preiswert und bequem aus Schweden zu beziehen wäre, und daß genügend Handwerker zur Verfügung stünden, die mit einem Aufenthalt in Holland hinreichend zu qualifizieren wären. Er zog daraus den Schluß, daß eine Schiffbaugesellschaft in Preußen eine erfolgversprechende Gründung sein könnte. Diese Gesellschaft sollte ähnlich verfaßt sein wie die von ihm gerade erst entworfenen Guinea-Compagnie, und zunächst einmal den Bau von zehn Schiffen in An-griff nehmen.

Nach den ersten Afrikafahrten von Schiffen unter brandenburgischer Flagge im Jahre 1681, deren Risiko Raule und seine Gesellschafter noch alleine trugen,77 wandte sich Raule mit dem Beginn des nächsten Jahres wieder an den Großen Kurfürsten.78 In diesem Vorschlag entwarf er das Bild einer Gesellschaft, die „am bequemsten Orte auf der Goldküste" ein Fort errichten sollte, um vor allem Sklavenhandel zu betreiben, der nach Raules Einschätzung mehr einbräch-te als Gold-, Getreide- oder Elfenbeinhandel. Von anderen Gütern, ganz im Gegensatz zu dem bunten Prospekt seines Landmanns Gijsels van Lier, war gar nicht mehr die Rede. Eine Be-waffnung der Kompanie sah Raule zwar vor, jedoch nur zur eigenen Verteidigung. Konkurrie-renden Mächten sollte möglichst aus dem Weg gegangen, Kontakte zu ihnen nur in Form von Verhandlungen geknüpft werden. Dem Niederländer Raule waren die Kräfteverhältnisse, be-sonders im Anbetracht der relativ kriegerisch angelegten niederländischen Westindien-Gesellschaft, durchaus geläufig. Als Sitz der Kompanie sah Raule nach wie vor den preußi-schen Hafen Pillau vor.

Raules Pläne fanden endlich Gehör. Von diesem Vorschlag vom 1. Januar 1682 an ging nun alles sehr schnell. Mitte Februar mahnten Raule und die von ihm beigebrachten Gesell-schafter der potentiellen Kompanie noch einmal an, das Projekt nicht mehr auf die lange Bank zu schieben.79 Nur wenig später begann die Geschichte der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie formell mit dem ‚Edict wegen Octroyirung der aufzurichtenden Handelscom-pagnie auf denen Küsten von Guinea’ vom 7. März 1682. Das Oktroi für die Compagnie folgte am 18. November des selben Jahres.

Der eigentliche Startschuß für die Compagnie fiel in der zweiten Maihälfte 1682. Zu dieser Zeit stach die brandenburgische Fregatte Churprinz in Hamburg in See, um eine Expedition an 74 Ebd., Bd. 2, Nr. 45, S. 93/94. 75 Ebd., Bd. 2, Nr. 45, S. 93. 76 Ebd., Bd. 2, Nr. 44, S. 92/93. 77 Ebd., Bd. 1, S. 142/143. 78 Ebd., Bd. 2, Nr. 60, S.120 122. 79 Ebd., Nr. 62, S. 123.

Die Ereignisgeschichte 22

die westafrikanische Goldküste zu unternehmen. In deren Verlauf wurden die ersten Grund-steine für die Compagnie gelegt, auch wenn diese im wesentlichen erst auf dem Papier exis-tierte. Im dänischen Glückstadt schloß sich eine zweite Fregatte, die Morian, der Reise an. Die Churprinz stand unter dem Kommando von Kapitän Matheus de Voß, der Kapitän der Morian war Philip Pietersen Blonck. Beide Männer waren erfahrene niederländische Westafrikafahrer. Die Gesamtleitung der Expedition lag bei einem brandenburgischen Offizier, dem Major und Freiherrn Otto Friedrich von der Gröben. Von der Gröben war ebenfalls nicht ohne Erfahrung; kurz vor seiner afrikanischen Reise hatte er im Dienst des Großen Kurfürsten eine diplomati-sche Mission im Vorderen Orient erfüllt. Sowohl von seiner orientalischen als auch von seiner afrikanischen Reise verfaßte er Reiseberichte. Die „Guineische Reisebeschreibung“ erschien 1694 in Marienwerder.80

Freiherr von der Gröben hatte strikte Anweisung,81 sich nicht in die seemännischen Belange einzumischen; er führte das Kommando über alle, die nicht „Matrosen oder Schiffleute“ wa-ren. Sein Auftrag bestand darin, mit den drei Caboceers, mit denen de Voß im Jahr zuvor ei-nen Vertrag abgeschlossen hatte – die Kanzlei des Kurfürsten verstand diesen als Schutzver-trag –, Kontakt aufzunehmen, die Beziehung zu ihnen zu intensivieren und die Gründung einer Niederlassung in der Nähe des Cap Tres Puntas in Angriff zu nehmen.82 Diese Gründung sollte nach der Order im engen Einvernehmen mit den örtlichen Machthabern, die man in den drei Vertragspartnern des Vorjahres erblickte, vorgenommen werden.

Kapitän Matheus de Voß erhielt eine ausführliche Segelorder, die ihm die genaue Fahrt nach Westafrika einschließlich einer anschließenden Sklavenfahrt in die Karibik vorgab.83 Be-sonderer Wert wurde darauf gelegt, daß die Expedition mit keiner konkurrierenden Macht oder Gesellschaft zusammenstieß. Zwar sollten die Kapitäne durchaus vor fremden Niederlassungen vor Anker gehen, um Handelsbeziehungen zu knüpfen, doch wurde jederzeit die allerhöchste Vorsicht angeordnet. Im Falle eines Zusammentreffens sollten die Seeleute im brandenburgi-schen Dienst auf keinen Fall selbst das Feuer eröffnen. Allerdings wurde in Brandenburg ge-schäftstüchtig genug gedacht, um eine Order anzuschließen, im Falle einer nicht vermeidbaren Auseinandersetzung den Angriff nicht nur abzuwehren, sondern das feindliche Schiff mög-lichst auch als Prise zu nehmen.84

Die Reise verlief zunächst ohne Zwischenfälle. Häufig knüpften die Reisenden Kontakt zu Einheimischen, der regelmäßig freundlich verlief. Von der Gröben gab sich einige Mühe, in seinem Reisebericht die Lebensgewohnheiten der neu kennengelernten Völker aufzuzeichnen.

80 Hier findet die kritische, wenn auch um einige unwesentliche Passagen gekürzte Ausgabe bei Jones Anwen-

dung: JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 23-57 (deutscher Originaltext S. 220-249). 81 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 65, S. 133 135. 82 Der Vertrag ist ediert bei JONES, Brandenburg Sources, Nr. 64, S. 129-133. – Caboceer oder auch Captain

war die übliche europäische Bezeichnung für einheimische Adelige oder solche Personen, welche die Euro-päer für adelig hielten. Differenziert wurde in der Regel nur nach Königen und Caboceers. Da weitere Unter-scheidungen nicht angewandt wurden, ist zu vermuten, daß die Europäer alle Einheimischen, die den An-schein erweckten, etwas zu sagen zu haben, mit Caboceer titulierten.

83 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 64, S. 129-133. 84 Prise ist die Bezeichnung für ein gekapertes und in eigenen Besitz genommenes Schiff.

Die Ereignisgeschichte 23

Auch die ersten Kontakte mit anderen Mächten verliefen zunächst friedlich, ja sogar freund-schaftlich. Im englischen Hauptquartier auf der Insel Bens in Sierra Leone nahmen die Bran-denburger auf Einladung des Gouverneurs John Case an einem dreitägigen Fest teil.85 Den ersten Kontakt mit den Niederländern hatte die Expedition auf hoher See, der den Befürchtun-gen der brandenburger Offiziere zum Trotz ebenfalls freundschaftlich verlief. Zu ersten Strei-tigkeiten kam es erst, als die Expedition bei dem niederländischen Fort St. Anthony in Axim vor Anker lag. Das niederländische Hauptquartier in Elmina hatte von der Reise des Freiherrn erfahren, die den Verantwortlichen der Westindischen Compagnie ein Dorn im Auge war.

Die Reise des Freiherrn von der Gröben (Quelle: JONES, Brandenburg Sources, Fig. 1)

Die Brandenburger waren als zusätzliche Konkurrenz im Westafrikahandel, der durch die im-mer zahlreicher werdenden Interlooper schon erschwert worden war, nicht gerne gesehen.86 Durch eine Demonstration der Stärke konnte der kleine brandenburgische Verband zunächst eine größere Konfrontation vermeiden. Es blieb vorerst bei Protestnoten der niederländischen Seite.87

85 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 27. 86 Interlooper oder Lordenträger war die übliche Bezeichnung für Kapitäne, die auf eigene Rechnung und eige-

ne Gefahr Handelsfahrten unternahmen. Zumeist suchten sie außerhalb der offiziellen europäischen Stütz-punkte direkten Kontakt mit der einheimischen Bevölekrung. Da sie offen gegen die Privilegierung der Han-delscompagnien verstießen, befanden sie sich aus europäischer Sicht in der Illegalität und durften von den geschädigten Gesellschaften jederzeit bekämpft werden.

87 JONES: Brandenburg Sources; Nr. 6, S. 42/43.

Die Ereignisgeschichte 24

Im Zielgebiet angekommen, landete die Expedition zunächst an einem Ort östlich des Cap Tres Puntas, an dem die Niederlassung Accada entstehen sollte. Der Platz wurde als sehr brauchbar für einen Stützpunkt angesehen, doch die Reise zunächst fortgesetzt.88 Die nächste Landung fand am Fuße des Berges Manfro bei einem Fischerdorf statt, das unter Europäern den Namen Prince's Town trug. Von der Gröben entschied auf Grund der Lage des Berges, hier den ersten Stützpunkt unter dem Namen Groß-Friedrichsburg zu errichten. Mit großem Zeremoniell – formeller Aufmarsch seiner Leute, Trommelwirbel, Hissen der brandenburgi-schen Flagge – wurde von dem entsprechenden Stück Land Besitz ergriffen.89 Unter den Be-wohnern der Gegend ließen sich allerdings die Vertragspartner von der ersten Reise des Kapi-täns de Voß zunächst nicht mehr finden. Den Besuchern kam nur einen vager Bericht zu Oh-ren, daß die drei Caboceers wahrscheinlich bei kriegerischen Auseinandersetzungen ihr Leben verloren hatten.90 Schließlich fand sich doch noch einer der drei lebend ein, mit dem der Frei-herr einen neuen Vertrag abschloß, der die neugegründete Festung absichern und die Einhei-mischen unter den Schutz des Kurfürsten stellen sollte.91 Die Errichtung der Festung konnte zunächst nur provisorischen Charakter annehmen. Die Expedition verfügte über kein geeigne-tes Material und mußte mit einem Holzbau vorlieb nehmen. Zudem herrschten schwere Fieber-erkrankungen unter der Mannschaft, die mehreren Männern, darunter beiden Ingenieuren der Expedition, das Leben kostete und auch von der Gröben für einige Zeit außer Gefecht setzte. Die Krankheit behinderte den zügigen Aufbau des provisorischen Forts und gefährdete sogar die Expedition insgesamt, als sich diese einer großen Zahl einheimischer Krieger gegenüber-sah, die mutmaßlich von niederländischer Seite angestachelt worden waren. Mit einem geziel-ten Kartätschenschuß in die Menge konnten sie jedoch vertrieben werden.92 Wenig später be-endete die Expedition ihren Aufenthalt in Afrika. Kapitän de Voß reiste mit einer Schiffsla-dung Sklaven in die Karibik. Kapitän Blonck blieb im Land und übernahm vorläufig das Kommando auf Groß-Friedrichsburg. Die Morian kehrte unter dem Kommando ihres Steuer-mannes und mit dem Freiherrn von der Gröben an Bord nach Hamburg zurück, wo sie im Ja-nuar 1684 eintraf.

Schon im Sommer des Vorjahres waren Maßnahmen zum endgültigen Aufbau der Festung Groß-Friedrichsburg eingeleitet worden. Der Freiherr hatte einen Brief mit einem Zwischenbe-richt seiner Reise einem Interlooper mit auf den Weg gegeben, der ihn in Emden ablieferte. Im September 1683 lief die Schnaue Wasserhund nach Afrika aus, ihr folgte im Oktober die Fre-gatte Goldener Löwe. Beide führten Baumaterialien und Besatzungsmitglieder für Groß-Friedrichsburg mit. Während der Bauarbeiten am Berg Manfro erschienen Einheimische aus Accada, die von Freiherr von der Gröben bei der ersten Landung vorläufig ein Schutzverspre-chen erhalten hatten und nun die Errichtung eines brandenburgischen Forts in ihrer Heimat

88 Ebd., S. 46. 89 Ebd., S. 48/49. 90 Ebd., S. 47. 91 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 69, S. 155-157. 92 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 54.

Die Ereignisgeschichte 25

anmahnten. Die Holländer, die ursprünglich in Accada eine Niederlassung hatten errichten wollen, waren von diesem Vorhaben wieder abgekommen, und die Bewohner der Küstenstrei-fens suchten nun eine neue Schutzmacht, von der sie sich eine wirksame Verteidigung gegen Übergriffe aus dem Landesinneren und von anderen europäischen Mächten, die nicht zu ihren festen Handelspartnern gehörten, versprachen. Die Brandenburger in Groß-Friedrichsburg ent-sprachen im Februar 1684 dem Wunsch ihrer Besucher aus Accada; die Errichtung des zwei-ten brandenburgischen Stützpunktes an der Goldküste wurde in Angriff genommen.93

Ohne größere Bedeutung, jedoch auf Grund seiner Einmaligkeit erwähnenswert ist der ein-zige Besuch eines Afrikaners von der Goldküste in Berlin. 1684 besuchte der Caboceer Jancke, dessen genauere Position den Brandenburgern offenbar nicht bekannt war, den Großen Kur-fürsten und ließ sich noch einmal schriftlich alle bislang gegebenen Schutzversprechungen bestätigen.94 Ob dieser Mann aus einem Rechtssystem, das keinerlei schriftliche Fixierungen kannte, tatsächlich aus diesem Grunde nach Europa gereist war, ist fraglich. Eine sehr mensch-liche Erklärung sollte zumindest nicht ausgeschlossen werden: Jancke war einfach neugierig auf die Welt der weißen Besucher, die er in seiner eigenen Heimat kennengelernt hatte.

Bis in das Todesjahr des Großen Kurfürsten 1688 dauerte die Auf- und Ausbauphase der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie. Neben der schon frühzeitig errichteten Festung Groß-Friedrichsburg auf dem Berg Manfro und der Dorotheenschanze in Accada wurde ein Jahr nach der letzteren eine kleine Niederlassung in Taccarary errichtet. An der Goldküste blieb es daraufhin bei drei Niederlassungen. Die 1687 endgültig an die Niederländer verlorene Schanze in Taccarary wurde 1694 durch eine ähnlich kleine Niederlassung in Taccrama er-setzt. Zur Unterstützung der Seefahrt an die Goldküste wurde im Oktober 1685 die vor der mauretanischen Küste liegende Felseninsel Arguin besetzt. Arguin gehörte offiziell zur franzö-sischen Interessenssphäre, wurde jedoch bis dahin von keiner europäischen Macht genutzt. Weitere Niederlassungsversuche in Afrika wurden nicht unternommen.

Hinzu kam jedoch eine Handelsniederlassung auf der in dänischem Besitz befindlichen Ka-ribik-Insel St. Thomas als Anlaufstelle der brandenburgischen Schiffe im transatlantischen Dreieckshandel. Der Vertrag hierfür wurde nach schwierigen Verhandlungen mit dem däni-schen Hof am 24. November 1685 abgeschlossen.95 Auf der Karibikinsel entstand ein Stütz-punkt, der lediglich aus landwirtschaftlicher Nutzfläche und einigen Gebäuden bestand und nicht befestigt war. Mehrere Versuche der Brandenburger, sich in der Karibik „selbständig“ zu machen, schlugen fehl, da die ins Auge gefaßten Inseln in der Umgebung von St. Thomas entweder von Frankreich oder Dänemark beansprucht wurden, die beide auf ältere Rechte pochten.96

Über ihre ständige Niederlassung in Deutschland verfügte die Compagnie schon seit dem April 1683. Es war schnell klar geworden, daß der preußische Hafen Pillau, ursprünglicher

93 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 85, S. 204/205. 94 Ebd., Bd. 2, Nr. 94, S. 236/237. 95 Ebd., Bd. 2, Nr. 103, S. 257 267. 96 Ebd., Bd. 1, S. 207, 233 und 244.

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Sitz aller brandenburgischer Seefahrtsunternehmen, als Ostseehafen eine denkbar schlechte Lage für den Afrikahandel hatte. Der Weg dorthin war relativ weit und führte sowohl durch den dänisch kontrollierten Sund als auch durch schwedische Gewässer. Der Große Kurfürst machte sich die Tatsache zu Nutzen, daß er von Kaiser Leopold I. beauftragt worden war, in die Streitigkeiten zwischen den ostfriesischen Ständen und der ostfriesischen Fürstin Christine Charlotte zur Erhaltung des Status Quo einzugreifen.97 Der Kurfürst setzte im Oktober 1682 tatsächlich Truppen auf dem Greetsiel vor Emden ein. Er befand sich nun gegenüber den Stän-den, die um eine Intervention gebeten hatten, und der Fürstin, die in dieser Auseinandersetzung unterlegen war, in ausreichend starker Position, um die Niederlassung der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie in dem von Raule empfohlenen Nordseehafen Emden auszuhan-deln.98 Die Gesellschaft erhielt als Kontor ein Haus im Hafenbereich.

Schließlich muß in dieser Phase noch die Werft in Havelberg erwähnt werden, die zwar nicht direkt Eigentum der Compagnie war, aber als einheimische Möglichkeit des Schiffbaus eine große Bedeutung für die Gesellschaft hatte. Mit dem Schiffbau wurde an der Havel im Jahr 1688 begonnen. Allerdings wurde er schon neun Jahre später wieder eingestellt.

Zum Regierungsantritt des Kurfürsten Friedrich III., des späteren Königs Friedrich I., hatte die Kompanie ihre größte Ausdehnung, die keine weitere Veränderungen mehr erfuhr. Sie ver-fügte über drei Niederlassungen von recht unterschiedlicher Größe und Bedeutung an der Goldküste, über eine weitere Festung auf dem Weg zur Goldküste in Mauretanien, über eine unbefestigte Handelsniederlassung in der Karibik und einen verkehrsgünstigen Heimathafen mit dem Magazin der Gesellschaft. Zudem konnte man sich kurzfristig auf einen eigenen Schiffbau stützen.

Schon in der Phase des Ausbaus mußte sich die Brandenburgisch-Africanische Compagnie bewaffneten Auseinandersetzungen stellen. Auf europäische Seite sah sie sich vor allem den Niederländern und den Franzosen gegenüber. Die Niederländer waren direkte Konkurrenten im Afrikahandel und verteidigten ihre Privilegien, in deren Besitz sie sich durch die Tatsache sa-hen, daß sie lange vor den Brandenburgern vor Ort gewesen waren – gegebenenfalls auch mit Waffengewalt. Den ersten Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen erlebten die Brandenbur-ger schon im Jahr 1687, als der Generaldirektor des niederländischen Hauptquartiers Elmina, Nicolas de Sweerts, im Handstreich die Niederlassungen Accada und Taccarary eroberte. Erst im März 1690, nachdem die niederländische Westindische Compagnie auch noch ein branden-burgisches Schiff gekapert hatte, fanden die Kontrahenten eine Kompromißlösung,99 die bein-haltete, daß Accada wieder in brandenburgischen Besitz gelangte, Taccarary aber für immer bei den Niederländern verblieb. Zudem erhielt Brandenburg mit mehreren Jahren Verspätung, da zunächst ein beiderseitiges Schiedsgericht tätig werden mußte, die Zusage von Schadenser-satzzahlungen in Höhe von 42.000 Gulden, die aus brandenburger Sicht jedoch als unzurei-chend eingeschätzt wurden. Die Spannungen zwischen Holländern und Brandenburgern blie- 97 OPGENOORTH, Friedrich Wilhem, Bd. 2, S. 309. 98 Theodor von MÖRNER (Hg.), Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601 1700, Berlin 1867, Nr. 259, S. 443-447. 99 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 220.

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ben zwar bestehen, doch beschränkten sie sich bis ins Jahr 1709 auf kleinere Scharmützel und diplomatische Auseinandersetzungen. 1709 versuchten die Niederlande erneut, diesmal mit englischer Unterstützung, die Kompanie von der Goldküste zu vertreiben. Das Fort Accada wurde erobert, aber nicht auf Dauer besetzt gehalten. Drei Jahre später focht der afrikanische Verbündete der Preußen, Jan Konny, am Fluß Ankobra eine siegreiche Schlacht gegen Akan, die auf Seiten der Niederländer und Engländer standen.100 Kurz darauf schloßen die Branden-burger noch einmal einen Schutzvertrag mit Jan Konny ab, wobei allem Anschein nach jedoch eher Konny für die Sicherheit der preußischen Niederlassungen garantierte als umgekehrt.

Über die eigentliche Herkunft Jan Konnys ist nichts überliefert. Im allgemeinen wird wohl zu Recht davon ausgegangen, daß er in Prince's Town geboren wurde und hier im Laufe seines Lebens die gesamte Entwicklung der Brandenburger rund um Groß-Friedrichsburg miterleb-te.101 Aus einer der noblen Familien der Ortschaft scheint er nicht hervorgegangen zu sein, da sein Name unter den Caboceers, die im Laufe der Zeit die Verträge mit den Brandenburgern unterzeichneten, nie zu finden ist. Dennoch stieg er zum wahrscheinlich mächtigsten Mann dieser Region auf. In den Quellen taucht Jan Konny erst seit 1711 auf, als er bereits ein einflußreicher Mann sowohl bei den Brandenburgern als auch bei seinen Landsleuten war. Diese Position hatte er sich durch seine Mittlerrolle im Afrikahandel der Brandenburger erar-beitet. Er konnte es sich schließlich sogar erlauben, den unbeliebten und korrupten Generaldi-rektor de Lange einfach nach Hause zu schicken. Gegen Ende der brandenburgischen Zeit auf dem Berge Manfro kontrollierte er wohl die gesamte Region, so daß es nur konsequent war, daß er die Festung Groß-Friedrichsburg übernahm.

Die Franzosen waren zwar ebenfalls wirtschaftliche Konkurrenz für die Brandenburgisch-Africanische Compagnie, doch entstanden daraus kaum ernsthafte Auseinandersetzungen, zumal sich die französischen Interessenssphären weiter nördlich im Bereich des Senegal be-fanden. Schwerwiegende Probleme hatte die Compagnie dadurch, daß sich Brandenburg in der Zeit ihrer Existenz mehrfach mit Frankreich im Krieg befand. 1689 trat Friedrich III. der Gro-ßen Allianz gegen das Frankreich Ludwigs XIV. bei, nachdem schon unter dem Großen Kur-fürsten das Verhältnis zu Frankreich, nicht zuletzt aus konfessionspolitischen Gründen, merk-lich abgekühlt war. An den Kämpfen im Rheinland bis zum Frieden zu Rijswijk 1697 war Brandenburg ebenso beteiligt wie Preußen im Spanischen Erbfolgekrieg antifranzösische Par-tei war und darunter auf dem Ozean zu leiden hatte. Die Schiffe der Gesellschaft fielen häufig fanzösischen Kaperern zum Opfer, da sie auf ihrem Weg nach Afrika französisch dominierte Gewässer kaum umgehen konnten. Mehrfach brach dadurch die Verbindung der afrikanischen Niederlassungen zur Heimat völlig zusammen.

Vor allem in den 1690er Jahren und in der Endphase erlebten die in Afrika stationierten Kompanie-Angestellten häufig Phasen, in denen kein Kontakt zur Heimat existierte und der

100 DAAKU, Trade and Politics, S. 130/131. 101 Ebd., S. 128. Die dort genannte Jahreszahl 1695 für die Errichtung von Groß-Friedrichsburg ist falsch; ent-

sprechend wird Jan Konny kaum, wie Daaku meint, in den Zwanzigern gewesen sein, als die Brandenburger erschienen, sondern eher noch ein Jugendlicher.

Die Ereignisgeschichte 28

eigentliche Sinn der Gesellschaft, Warenaustausch zwischen Brandenburg und Afrika, nicht erfüllt werden konnte. In solchen Zeiten wurden die Interlooper mehr und mehr die Handels-partner der drei Niederlassungen.102 Eigene Schiffe wurden entweder auf Grund der Unfähig-keit der Gesellschaft in der Heimat, neue Schiffreisen auszurüsten, oder der Unpassierbarkeit der Gewässer zwischen Emden und der Goldküste vergebens erwartet.

Relativ gering blieben die bewaffneten Auseinandersetzung mit einheimischen Akan. Wenn solche einmal stattfanden, hatten es die Brandenburger mit Verbündeten ihrer europäischen Gegner zu tun. Ernsthaft in innerafrikanische Kriege hineingezogen, wie es den Niederländern in den Komenda-Kriegen widerfuhr, wurden die Brandenburger nicht.

Zehn Jahre nach ihrer Gründung erhielt die Gesellschaft ein neues Oktroi und einen neuen Namen: Brandenburgisch-Africanisch-Amerikanische Compagnie.103 Diese Umbenennung trug der Tatsache Rechnung, daß die Gesellschaft sich längst dem Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika angeschlossen hatte. Das neue Oktroi trug der Überzeugung Friedrichs III. Rechnung, die Gesellschaft dringend reformieren zu müssen, um ihr Überleben zu sichern.104

Im Inneren hatte das Jahr 1698 schwerwiegende Folgen für die Brandenburgisch-Africanische Gesellschaft. Im Februar dieses Jahres wurde der Oberpräsident Eberhard von Danckelmann entlassen, im Dezember Benjamin Raule verhaftet. Mit Danckelmann, den Friedrich III. vordergründig aus außenpolitischen, letztendlich jedoch aus finanzpolitischen Gründen fallen ließ, verlor die Gesellschaft ihren mächtigsten Fürsprecher. Am Berliner Hof nie unumstritten, sah sich die Kompanie nun einem Übergewicht der gegen sie eingestellten Kräfte gegenüber. Verheerender noch war der Sturz der langjährigen Führungspersönlichkeiten Benjamin Raule und Friedrich von Knyphausen. Schon 1691 war Raule die Kassenaufsicht entzogen und seine Leibrente 1692 beschnitten worden. 1693 mußte er sogar eine Schenkung an den Kurfürsten zurückgegeben. Er sah sich immer wieder Vorwürfen unlauterer Geschäfte ausgesetzt, die seine Gegner jedoch nie ausreichend beweisen konnten. Die Anklageschrift vom 24. September 1698 warf ihm Bereicherungen in fünf Punkten vor.105 Das Verfahren kam jedoch zu keinem Abschluß, am 23. April 1700 wurde Raule begnadigt. Er starb am 3. Mai 1707 verarmt in Hamburg.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie hatte ihre Aufbau- und Aufschwungphase unter dem Großen Kurfürsten. Den größten Teil ihrer Existenz verbrachte sie unter der Herr-schaft dessen Nachfolgers, des ersten Königs von Preußen, der zwar auch noch, nicht selten notgedrungen, Engagement für die Gesellschaft aufbrachte, aber kaum aus der selben wirt-schaftspolitischen Überzeugung wie sein Vater. Der Enkel des Großen Kurfürsten, der „Solda-tenkönig“ Friedrich Wilhelm I. sorgte für einen Wandel in den wirtschaftspolitischen Vorstel-lungen. Konsequenterweise fiel aus seinem Mund das Wort, der Afrikahandel Preußens sei

102 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 341. 103 Ebd., Bd. 2, Nr. 139a, S. 416-426. 104 Näheres siehe Kap. VI.1. 105 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 153, S. 466/467.

Die Ereignisgeschichte 29

eine Chimäre. Seine Herrschaft beschleunigte das Ende des schon schwer angeschlagenen Un-ternehmens.

Am 18. Dezember 1717 schloß Friedrich Wilhelm I. den Vertrag mit den Niederlanden, in dem er die afrikanischen Besitztümer der Kompanie den Holländern übereignete.106 Man hatte sich auf einen Kaufpreis von 6.000 Dukaten geeinigt. Ein höher dotiertes Angebot aus Eng-land erreichte den preußischen Hof erst nach diesem Vertragsabschluß; dem König gelang es nicht mehr, die Vereinbarung mit den Niederlanden rückgängig zu machen.

Schon mehr als ein Jahr zuvor, im November 1716, hatte mit Nicolas Dubois der letzte Ge-neraldirektor Groß-Friedrichsburg verlassen. Ein gewisser Anton Gunter van der Meden wurde zwar als sein formeller Nachfolger angegeben, doch der eigentliche Machthaber auf der Fes-tung war längst Jan Konny. Als die Niederländer Anfang 1718 das von ihnen offiziell gekaufte Groß-Friedrichsburg in Besitz nehmen wollten, wurden sie von Jan Konny und seinen Leuten blutig zurückgeschlagen.107 Erst 1724 gelang es den Niederländern, die ehemals brandenburgi-sche Niederlassung zu erobern und Jan Konny zu vertreiben, dessen Spur sich im Königreich Ashanti verliert.

Auch Arguin erlebte einen blutigen Übergang. Nach zweiwöchiger Belagerung im Frühjahr 1721 eroberten die Franzosen die Küstenfestung, die mit dem Vertrag von 1717 ebenfalls an die Niederländer gegangen war. Diese Regelung wurde jedoch von den Franzosen mißachtet und war dem brandenburgischen Kommandanten Wynen schlichtweg nicht bekannt.108

Die brandenburgische Niederlassung auf St. Thomas schließlich wurde von den Verant-wortlichen in der Heimat einfach vergessen. Bis 1731 schrieb der letzte Direktor Bourdeaux an die Kompanie in Emden, die längst nicht mehr existierte, und erstattete Bericht über die immer schlechter werdende Lage der Niederlassung, die von ihrer Heimat völlig im Stich gelassen worden war. Bourdeaux verteidigte, bis die Nachrichten über ihn versiegen, den Handelsstütz-punkt gegen den dänischen Gouverneur, der zu Recht darauf pochte, daß die Konzession der Brandenburger auf St. Thomas abgelaufen war.109 Was nach dem letzten Brief von 1731 ge-schah, ist leider nicht überliefert.

Der Hauptsitz der Gesellschaft in Emden letztendlich wurde 1725 versteigert.110 Das Haus brachte einen Erlös von 528 Talern ein, das verbliebene Inventar von knapp 6.000 Thalern.

106 Ebd., Bd. 2, Nr. 189, S. 570-575. 107 Ebd., Bd. 1, S. 345. 108 Ebd., Bd. 2, Nr. 191, S. 577/578 und Nr. 192, S. 578-580. 109 Ebd., Bd. 1, S. 309. 110 Ebd., Bd. 1, S. 311.

III Die Situation in Brandenburg-Preußen

1. Der Kameralismus Der Zeitraum zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der beginnenden industriellen Revolu-tion wurde durch den Merkantilismus geprägt. Trotz nationaler Unterschiede herrschte in Eu-ropa ein wirtschaftspolitisches Denken vor, das auf vergleichbaren Grundlagen beruhte. Hauptziel dieser Wirtschaftspolitik war die Verbesserung der Staatseinnahmen und – als deren natürliche Grundlage – die Hebung des Bevölkerungswohlstandes. Um dieses Zieles zu errei-chen, mußten die Stärkung der Wirtschaftskraft nach innen, zumal in Anbetracht der Verwüs-tungen des Dreißigjährigen Krieges, und die Absicherung der eigenen Wirtschaft nach außen ineinandergreifen. Der eigene Außenhandel erfuhr staatliche Unterstützung, während die aus-ländische Konkurrenz durch Zollpolitik oder gar Verbote bekämpft wurde. In diesen Rahmen gehört auch die staatliche Privilegierung von Übersee-Handelsgesellschaften und die damit beabsichtigte Bildung von nationalen Monopolen im Überseehandel.

Die Schwerpunktbildung innerhalb der merkantilistischen Wirtschaftspolitik variierte je nach den spezifischen Begebenheiten eines Landes. England, eine klassische Seefahrernation und von den direkten Auswirkungen des großen Krieges kaum betroffen, konzentrierte sich in hohem Maße auf seinen Außenhandel, nicht zuletzt um sein eigenes Gewerbe zu förden.111 In der Navigationsakte vom 9. Oktober 1651 wurde das Inselreich für ausländische Schiffe weit-gehend geschlossen, die eigene Seefahrt damit in einem sonst nirgendwo bekannten Ausmaße privilegiert.

Gänzlich anders sah die Situation in den deutschen Ländern aus. Die wichtigsten Träger des deutschen Handels, die Städte, neigten im wesentlichen zum Freihandel, dem krassen Gegen-satz merkantilistischen Denkens. In den teilweise stark verwüsteten Territorien war der Wie-deraufbau und die Stärkung der eigenen Wirtschaftskraft erste Priorität. Auch das vom Krieg schwer betroffene Brandenburg nötigte seinen Herrschern diesen Blick nach innen auf, der letztendlich bestimmend bleiben sollte.

Während der Begriff des Merkantilismus erst nachträglich für die Wirtschaftspolitik einer Epoche und vor allem in Abgrenzung zu derselben geschaffen wurde,112 existierte in Deutsch-land mit dem Kameralismus eine Spielart des Merkantilismus, die sich selbst als ein Wirt-schaftssystem verstand und entsprechende Vorkehrungen traf. Eine große Zahl kameralwissen-schaftlicher Publikationen unterstützte die Bemühungen der Herrscher um ihre Wirtschaft und Verwaltung. Doch Kameralisten waren nicht nur Theoretiker. Besonders in der Praxis erfahre-ne Verwaltungsfachleute bezeichneten sich als Kameralisten. 111 BLAICH, Merkantilismus, S. 113. 112 Friedrich-Wilhelm HENNING, Handbuch der Wirtschaftsund Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Paderborn

1991, S. 758.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 31

Diese Bemühungen kameralistischer Politik konnten zwei verschiedene Richtungen ein-schlagen.113 Entweder stand, ganz nach französischem Vorbild, der Hof des Monarchen und der Ausbau seines prunkvollen Lebens im Mittelpunkt. Oder es ging dem Herrscher vorrangig um die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage insgesamt und damit auch um die Hebung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung.

Neben der wichtigen Rolle des Handels, insbesondere des Außenhandels, basierte der Ka-meralismus im wesentlichen auf vier Säulen.114 Zum Ausgleich für die hohen Menschenverlus-te durch den Dreißigjährigen Krieg wurde eine aktive Wiederbevölkerungspolitik betrieben. Durch die gezielte Ansiedlung andernorts verfolgter Bevölkerungsgruppen sollte die für eine wirtschaftliche Wiederbelebung notwendige Basis geschaffen werden. Des weiteren wurde die landwirtschaftliche Grundlage für diese Menschen verbreitert. Sowohl die agrarische Nutzflä-che wurde erweitert als auch die Anbaumethoden intensiviert. Hierdurch sollte sowohl mehr Arbeit für die Menschen geschaffen als auch die Einnahmemöglichkeiten des Staates, durch Domänen u.ä., ausgedehnt werden. Ebenso gefördert wurde die gewerbliche Wirtschaft. Gera-de auch durch neu angesiedelte ausländische Fachkräfte wurden neue Manufakturen geschaf-fen und nicht zuletzt exportorientierte Gewerbe vorangebracht. Als vierte Säule trat die für eine Anhebung der Staatseinnahmen unverzichtbar notwendige Verbesserung der staatlichen Ver-waltung hinzu. Es wurde der Versuch unternommen, ein flächendeckendes und effektives Verwaltungssystem mit dem entsprechenden Personal zu schaffen.

Die zentrale Rolle in diesem Wirtschaftssystem kam dem absolutistischen Hof und seiner Verwaltung zu. Der Adel wurde ins Abseits gedrängt. Adelige, die ihre Einflußmöglichkeiten retten wollten, mußten sich dem Hofstaat anschließen. Bürgerliche konnten sich wesentlich freier wirtschaftlich betätigen. Der Adel hatte für sie kaum noch Bedeutung, sie konnten sich direkt an den Hof und seine Verwaltungsbeamten wenden.115

Selbstverständlich waren dies nicht die einzigen Bereiche kameralistischer Wirtschaftspoli-tik. Die Palette reichte vom Städtebau bis zur Bildungspolitik. Und selbstverständlich hatte die Wirtschaftspolitik in den verschiedenen deutschen Territorien ebenso viele unterschiedliche Gesichter. Je nach Neigung des Herrschers und der Lage und Möglichkeiten seines Landes spielte auch die Förderung des Außenhandels eine Rolle, wenn auch die freihändlerisch orien-tierten Städte, wie in zunehmendem Maße Hamburg, hier eine wichtige Stellung innehatten.

Allerdings geriet der Kameralismus auch intern in Konflikte zwischen freier Wirtschaft und staatlicher Lenkung.116 Die Reglementierung durch die absolutistische Verwaltung behinderte die freie Initiative im Bereich der gewerblichen Produktion und teilweise, wenn auch weniger gravierend, im Bereich des Handels. Auf diese Initiative konnte jedoch nicht völlig verzichtet werden, da der Staat nicht in der Lage war, auf allen Ebenen positive Einflüsse zu realisieren. Hinzu kam, daß spätestens im Außenhandel der Staat bzw. die von ihm privilegierten Han-

113 Ebd., S. 756/757. 114 Ebd., S. 765/766. 115 Rolf ENGELSING, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Göttingen 21976, S. 87. 116 HENNING, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 770.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 32

delsgesellschaften sich dem freien Konkurrenzkampf stellen mußte. Alle Außen- und Übersee-handel treibenden Nationen hatten ihre Kaufleute so weit wie ihnen möglich geschützt. Mit diesem Schutz mußten sie gegeneinander antreten.

2. Die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburg-Preußens a) Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620 – 1688), genannt der Große Kurfürst, bestieg 1640 den Thron des Kurfürstentums Brandenburg. Er übernahm noch während des Dreißigjährigen Krieges die Verantwortung für ein Land, das von diesem Krieg besonders schwer betroffen war. Vor allem in der Zeit zwischen 1635 und 1640 spielten sich wesentliche Teile der Kampfhandlungen auf brandenburgischem Territorium ab. Da Brandenburg ein agrarisch geprägtes Land war, wirk-ten sich die Brandschatzungen im Gefolge der Heerzüge außerordentlich verheerend aus. Zu den Verwüstungen kam ein extremer Bevölkerungsverlust, der insbesondere die Städte traf, wo das Handwerk als zweitgrößter Wirtschaftsbereich beheimatet war. In nur zwei Jahrzehnten, zwischen 1625 und 1645, sank die Bevölkerungszahl Berlins von 7.000 auf 4.000 Menschen, die Neustadt Brandenburg erlebte einen Aderlaß von 2.800 auf 1.500 Menschen und Spandau von 1.700 auf 1.050 Einwohner. Frankfurt an der Oder, wo 1625 noch 5.000 zu Hause waren, wurde 1653 von 2.366 Menschen bewohnt.117

Insgesamt verlor Brandenburg rund 45% seiner Beölkerung durch den Dreißigjährigen Krieg.118 Nur das zu Brandenburg gehörende Kleve-Mark hatte wesentlich weniger gelitten, mußte allerdings Besatzungen durch unterschiedliche Mächte akzeptieren.119 Für den Kurfürs-ten bedeuteten Verwüstungen und Bevölkerungsverlust schwindende Einnahmen. Diese durch Steuererhöhungen auszugleichen, führte in der Regel zu Fluchtbewegungen von Teilen der Bevölkerung, wodurch die Probleme nur verschärft wurden. Erschwerend in dieser Situation kam hinzu, daß wichtige Einnahmequellen, wie z.B. Zollstellen, zu für den Hof ungünstigen Konditionen verpfändet worden waren.120

Der Große Kurfürst gehörte nicht zu den Herrschern, die in der Pracht des höfischen Le-bens das Ziel ihrer Wirtschaftspolitik sahen. Sein Augenmerk galt der Verbesserung der Ver-hältnisse in seinem vom Krieg schwer gezeichneten Land.

Seine Bemühungen durchliefen zwei Phasen. Zunächst wirkten seine Aktivitäten unsyste-matisch, nicht selten undurchdacht, manchmal beliebig. Etliche Projekte, von denen es eine Vielzahl gab, scheiterten, verliefen im Sande oder brachten einen wesentlich geringeren Erfolg, als von Hof und Verwaltung erhofft. Ende der 1670er Jahre, nach Beendigung des Krieges

117 HEINRICH, Geschichte Preußens, S. 95. 118 Ebd., S. 87. 119 Ebd., S. 88. 120 Ebd., S. 95.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 33

gegen Schweden und Frankreich (1672 – 1678), begann sich das Bild zu wandeln. Die wirt-schaftlichen Bemühungen wurden systematischer, fanden in einem festeren administrativen Rahmen statt; die Gewerbeförderung rückte in den Mittelpunkt. Zwei wesentliche Faktoren, die sich in den ersten Jahrzehnten der Regierungszeit Friedrich Wilhelms als wirkungsvolle Bremsklötze erwiesen hatten, waren zurückgedrängt worden. Zum einen war die militärische Bedrohung durch das Ausland geschrumpft; es standen keine fremden und feindlichen Trup-pen mehr auf brandenburgischem Territorium. Zum anderen hatte der Adel an Bedeutung ver-loren. Die ausgebaute und verbesserte staatliche Verwaltung hatte die dominierende Rolle er-obert. In ihre Hand war die bislang vom Adel kontrollierte Steuerhoheit übergegangen, wo-durch eine direkte Verbindung zwischen Staat und Wirtschaft geschaffen wurde.121 Zuständig für die Ausgestaltung dieser Verbindung und somit eine planmäßige Wirtschaftspolitik sollten die Kommerzkollegien werden, die in Berlin, Königsberg und Kollberg eingerichtet wurden.122

Den ersten wirtschaftspolitischen Schwerpunkt des Großen Kurfürsten bildete die Wieder-bevölkerung des Landes, die Peuplierungspolitik.123 Das Land brauchte neue Arbeitskräfte, sowohl in der Landwirtschaft als auch im gewerblichen Bereich. Ausländer, die ihr unterneh-merisches Können und ihr Kapital mitbrachten, waren gern gesehen. Edikte wurden erlassen, die den Zuwanderern Vergünstigungen vor allem im Steuerbereich und staatliche Unterstüt-zung bei der Ansiedlung zusagten. Diese Politik blieb auch, bei allen Unterschieden, wesentli-cher Bestandteil der wirtschaftlichen Bemühungen der Nachfolger des Großen Kurfürsten.

Die ersten Ansiedlungsversuche von niederländischen Bauern führten allerdings zunächst zu erheblichen Schwierigkeiten, die auf unzutreffenden Erwartungen auf friesischer Seite und Verwaltungsmängeln, insbesondere bezüglich der zersplitterten Besitzverhältnisse des zuge-wiesenen Landes, auf brandenburgischer Seite beruhten.124 Administrative Schwierigkeiten konnten im Lauf der Jahre abgebaut werden, Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Neuan-siedlern und brandenburgischer Bevölkerung traten dagegen immer wieder auf. Den Höhe-punkt der Peuplierungspolitik des Großen Kurfürsten erlebte das Land in der zweiten Hälfte der 1680er Jahre mit der Ansiedlung großer Zahlen französischer Glaubensflüchtlinge,125 die unter seinem Sohn ungemindert fortgesetzt wurde. Auch Juden wurden ab 1670 wieder aus wirtschaftlichen Gründen in Brandenburg aufgenommen.126

Der vielleicht erfolgreichste Bereich der Wirtschaftspolitik Friedrich Wilhelms war die Ver-kehrspolitik.127 Im Mittelpunkt derselben stand der 1669 fertiggestellte Müllroser Kanal, der die Oder mit der Elbe verband. Schon zuvor, im Jahre 1656, war zwischen Fürstenwalde und Hamburg eine Frachtschiffahrt eingerichtet worden. Während der Ausbauzeit des Kanals in den 1660er Jahren wurden auch Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffbarkeit der Elbe

121 KAUFHOLD, Leistungen und Grenzen der Staatswirtschaft, S. 108/109. 122 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 955/956. 123 Ebd., S. 953. 124 OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, Bd. 1, S. 173 175. 125 Ebd., Bd. 2, S. 302 304. 126 Ebd., Bd. 2, S. 304/305. 127 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 954.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 34

durchgeführt.128 Um den Elbhandel jedoch darüber hinaus zu fördern, fehlte es an einer ent-sprechend großzügigen Zollpolitik.

Auch an der Ostsee unternahm der Große Kurfürst Verbesserungsversuche in Bereich der Schiffahrt, um den Handel Königsbergs zu fördern. Mehrfach wurde in den 1680er Jahren die Pregel zwischen dem Hafen Pillau und der Mündung des Flusses ausgebaggert; 1683 kam ein Treideldamm zwischen der Pregelmündung und Königsberg hinzu.129 Leider mangelte es den Königsberger Händlern an Modernität und Kapitalkraft, um das Ihre dazu beizutragen, mit den niederländischen oder englischen Häfen auch nur annähernd konkurrenzfähig zu werden.

Die Gewerbepolitik des Großen Kurfürsten beschränkte sich lange Jahre auf Schutzmaß-nahmen, die vor allem die Einfuhr von Produkten, die in Brandenburg selbst produziert wur-den, drosseln oder verbieten sollten.130 Erst gegen Ende seiner Regierungszeit wurden ernsthaf-tere Maßnahmen ergriffen, die der Förderung eigener Manufakturen dienten. Besonders das Wollgewerbe wurde gefördert, welches allein die im Lande produzierte Rohwolle zu Produk-ten verarbeiten sollte, die im Konkurrenzkampf des Exportes bestehen konnten.131 Neben dem Textilbereich erfuhren Betriebe der metall- und glasverarbeitenden Gewerbe eine erste Unter-stützung. Versuche, einen eigenen Bergbau zu fördern, hatte nur sehr mäßigen Erfolg.132

Keine wirtschaftspolitische Maßnahme im eigentlichen Sinne, aber in diesem Zusammen-hang von großer Bedeutung, war die Tatsache, daß unter Friedrich Wilhelm erstmals in Bran-denburg ein stehendes Heer aufgestellt wurde. 1644 wurde eine Truppe von 8.000 Mann unter Sold genommen; am Ende seiner Regierungszeit verfügte der Große Kurfürst über 30.000 Be-rufssoldaten.133 Eine Armee ständig unter Waffen zu halten, verursachte bislang nicht gekannte Kosten, was zur Erschließung neuer Einnahmequellen führte. Allerdings war die Armee nicht nur ein Kostenfaktor, denn ihr Unterhalt und ihre Ausrüstung kam der einheimischen Wirt-schaft zugute.

Insgesamt findet sich in der Wirtschaftspolitik des Großen Kurfürsten eine Vielzahl von Projekten und Ideen, die bei weitem nicht alle durchgeführt werden konnte und in ihrer Bunt-heit nicht selten den Eindruck hinterlassen, daß diese Politik das Prädikat „wirr“ verdient habe. Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, daß sich Brandenburg unter diesem Herrscher erst am Anfang einer staatlich gesteuerten Wirtschaftsentwicklung befand. Und es darf nicht verkannt werden, daß trotz allem der Große Kurfürst in einigen Bereichen Grundsteine für das legte, was seine erfolgreichen Nachfolger aufbauen sollten, und schon zu seiner Zeit die bran-denburgische Wirtschaft einen deutlichen Aufschwung nahm.

128 OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, Bd. 2, S. 51/52. 129 Ebd., S. 297. 130 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 954. 131 BLAICH, Merkantilismus, S. 172/173. 132 OPGENOORTH, Friedrich Wilhelm, Bd. 2, S. 54. 133 KLEIN, Öffentliche Finanzen, S.41.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 35

b) Friedrich III./I. Der Sohn des Großen Kurfürsten, als Kurfürst Friedrich III., als preußischer König Friedrich I. (1657 – 1713), ist vorrangig als Gründer des Königreiches Preußen in die Geschichte einge-gangen. Als ökonomisch denkender Herrscher ist er der Geschichtsschreibung bislang nicht sonderlich aufgefallen. Im Gegensatz zu seinem Vater repräsentierte er den Typ des absolutis-tischen Herrschers, dem sein Hofstaat und dessen prächtige Lebensführung ganz besonders am Herzen lag. Ihn als den Staatsschatz verprassenden König darzustellen, wäre allerdings eine grobe Verzeichnung des Bildes Friedrichs. Weder der Staatshaushalt noch die Wirtschaft sei-nes Landes hatten durch seinen Herrschaftsstil außergewöhnlichen Schaden erlitten.

In vielen wirtschaftlichen Bereichen war die Regierungszeit Friedrichs III. eine Übergangs-phase zwischen den Amtszeiten des eigenen Vaters und des eigenen Sohnes. Die Übernahme eines großen Teiles des väterlichen Verwaltungsapparates mit Dodo von In- und Knyphausen an der Spitze sorgte für Kontinuität. Die Peuplierungspolitik, ein Kontinuum in allen branden-burgisch-preußischen Regierungen, wurde fortgesetzt. Die von dem Großen Kurfürsten am Ende seiner Jahre verstärkt betriebene Förderung des Gewerbes wurde weiter verstärkt, jedoch noch ohne die Erfolge des „Soldatenkönigs“.134 Auch einige verkehrspolitische Maßnahmen wurden unter dem ersten preußischen König durchgeführt, so die Schiffbarmachung der Saale und einige kleinere Kanalprojekte.135

Der Hauptaugenmerk dieses Herrschers jedoch gehörte seinem eigenen Hofstaat und allem Luxus, der dazugehörte, um mit anderen prunkvollen Herrschern seiner Zeit mithalten zu kön-nen. Als Beispiel mag dienen, daß Friedrich in seinem letzten Lebensjahr 171.000 Thaler für Schmuck und Gemälde, vor allem als Geschenke gedacht, ausgab.136 Mittel zur Wirtschafts-förderung ließ diese Art von Hofhaltung nur in geringem Maße übrig. Von einem Interesse, so läßt diese Schwerpunktsetzung vermuten, ganz zu schweigen.

c) Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm I. (1688 – 1740) trug die Bezeichnung „Soldatenkönig“ nicht zu Unrecht. Sein Hauptaugenmerk war auf die Armee gerichtet, die er wesentlich ausbaute und durchorga-nisierte, und die seinem Staat mit Abstand das meiste Geld kostete. Doch reicht es nicht aus, diese Armee rein als Kostenfaktor für das junge Königreich anzusehen. Auch die Einschätzung der Armee als Motor der preußischen Wirtschaft hat ihre Berechtigung. Da die Ausrüstung der Truppe möglichst vollständig im Inland bezogen werden sollte, brachte sie gerade auf Grund ihrer Größe – 80.000 Mann bei einer Bevölkerung von rund 2,5 Millionen Menschen137 – so

134 RACHEL Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 957/958. 135 Ebd., S. 958. 136 KLEIN, Öffentliche Finanzen, S. 48. 137 BLAICH, Merkantilismus, S. 170.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 36

manche Aufträge für das expandierende Gewerbe, vor allem im Textilbereich. Zudem standen die Soldaten zwar offiziell das ganze Jahr über unter Sold, konnten jedoch, so es denn nötig war, in der Erntezeit bis zu mehreren Monaten auf den heimatlichen Hof zurückkehren, damit ihre Arbeitskraft der Landwirtschaft nicht verloren ging.

Charakteristisch für die Politik Friedrich Wilhelms war die Striktheit der Planung. Klare In-struktionen waren bestimmend für die Politik; risikobehaftete Unternehmungen paßten nicht in dieses disziplinierte Weltbild, in dem die Sparsamkeit eine besonders vornehme Rolle spielte. Der König war zuallererst Finanzmann,138 die Wirtschaft sah er als Fundament der staatlichen Finanzstärke und Militärmacht. Er war es, der bei den Staatsfinanzen eine nach modernen Ge-sichtpuntken ausgerichtete Verwaltung, die sich auf feste Haushaltspläne gründete, durchsetz-te. Als Unternehmer konnte der Staat für ihn auch nicht tätig werden, da dies den Grundsätzen eines festen Etats widersprach.

Die Förderung der Unternehmen war dennoch der Schwerpunkt seiner Wirtschaftspolitik; Forderungen nach einer verstärkten Handelspolitik wurden zurückgedrängt.139 Zur Förderung der Manufakturen war die Herstellung eines inneren Marktes für deren Produkte das Hauptziel des Königs.140 Ausfuhrverbote sollten Rohstoffe und Produkte im Lande halten, Vergünstigun-gen bei Zoll und Akzise, z.B. bei den Frankfurter Messen, sollten die einheimischen Manufak-turen fördern und hohe Zölle ausländische Fertigwaren fernhalten.141 Hierzu kamen auch Be-mühungen, die noch zunftgebundene handwerkliche Fertigung in Richtung einer frühen indus-triellen Produktion fortzuentwickeln, was Friedrich Wilhelm besonders im Schneidereigewerbe gelang, wo er als Auftraggeber für seine Armee selbst in Erscheinung treten und durch die von ihm geforderten Fertigungsarten ein Spezialistentum fördern konnte, das schließlich in der Lage war, das starre Zunftsystem aufzubrechen.142 Sowohl an Anzahl als auch an Modernität nahmen unter seiner Herrschaft die Manufakturen einen deutlichen Aufschwung, was sich nicht nur auf das Textilgewerbe bezog und auch auf das Verlagswesen einen positiven Einfluß ausübte.

Vernachläßigt wurde dagegen der Handel. Lediglich an der Oder gab es einige Bemühun-gen, den Handel durch Erleichterungen mit dem Elbhandel gleichzustellen, was jedoch auf Grund der zu geringen Maßnahmen nicht so recht gelingen wollte143.

Kontinuität zu seinen Vorgängern bewahrte Friedrich Wilhelm I. bei der Peuplierungspoli-tik. Die staatlichen Bemühungen um die Ansiedlung ausländischer Arbeitskräfte wurde gezielt fortgesetzt, nicht zuletzt, um genügend Fachleute in den sich entwickelnden Manufakturen zur Verfügung zu haben. Ihren Höhepunkt erlebte die Bevölkerungspolitik des zweiten preußi-

138 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 961. 139 Gerhard OESTREICH, Friedrich Wilhelm I. Preußischer Absolutismus, Merkantilismus, Militarismus, Göttin-

gen 1977, S. 91-93. 140 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 962-964. 141 KAUFHOLD, Leistungen und Grenzen der Staatswirtschaft, S. 109. 142 OESTREICH, Friedrich Wilhelm I., S. 96/97. 143 RACHEL, Merkantilismus in Brandenburg-Preußen, S. 965.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 37

schen Königs 1732 mit der Ansiedlung von 16.000 österreichischen Protestanten, die aus dem Erzbistum Salzburg vertrieben worden waren.144

Prägend für die Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. waren die Bereiche Militär, Effektivi-sierung der staatlichen Finanzverwaltung und Förderung des produzierenden Gewerbes. In diesen Bereichen war seine Amtszeit auch überaus erfolgreich. Andere Bereiche konnten sich jedoch gegen sein Desinteresse nicht entwickeln.

3. Die brandenburgischen Staatsfinanzen Der hier in Betracht kommende Zeitraum zeichnete sich durch eine kontinuierliche Steigerung der Staatseinnahmen Brandenburg-Preußens aus. Parallel dazu wurde die Verwaltung dieser Gelder systematisiert und effektiver gestaltet.

Der Große Kurfürst setzte in seiner Amtszeit zwei wesentliche neue Einnahmequellen durch. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem Adel wurden die Kontributionen, eine bis dahin nur im Bedarfsfall erhobene Grundertragssteuer, 1663 zu einer regelmäßigen Steuer, nachdem schon seit 1641 die Akzise, eine Produktions- und Konsumtionssteuer, in den Städ-ten erhoben wurde.145 Notwendig geworden war diese Steigerung der Staatseinnahmen in ers-ter Linie durch die Schaffung eines stehenden Heeres, das unterhalten werden wollte.

Völlig ausreichend waren die Einnahmen des Staates dadurch allerdings noch nicht. In den Jahren 1674 bis 1688 nahm der Große Kurfürst 670.000 Thaler als Anleihen auf.146 Verwaltet wurden die Finanzen unter dem Großen Kurfürsten von mehreren Kammern.147 Die für zivile Zwecke bestimmten Einnahmen wurden der Hofrentei und der Schatulle zugewiesen. 1673 wurde die Hofstaatsrentei von der Hofrentei abgekoppelt. Die Hofrentei war seit diesem Zeit-punkt vor allem für die Verwaltungsaufgaben zuständig; die Hofstaatsrentei hatte den Hofstaat zu finanzieren. Die Schatulle spielte die Rolle der „Privatkasse“ des Kurfürsten. Über die Ver-wendung ihrer Gelder entschied allein der Herrscher, und die Verwalter der Kasse durften Mit-tel nur auf Grund der Unterschrift des Kurfürsten ausgeben.148 Für militärische verwendete Gelder wurde 1674 die General-Feld-Kriegskasse eingerichtet, die wesentlich aus Kontributio-nen und Kopfsteuern gespeist wurde. Ihr zugeordnet wurde die schon bestehende Licent-Kasse und ab 1683 die Stempel-Kasse. Seit 1678 flossen zusätzlich die kurmärkischen Kontributions-rechnungen in die Kriegsgefälle ein. Die Einnahmen des Großen Kurfürsten ergeben ab dem Jahr 1676, von dem an die Rechnungen ununterbrochen vorliegen, folgendes Bild (in Reichsthalern):149

144 BLAICH Merkantilismus, S. 171. 145 KLEIN, Öffentliche Finanzen, S. 43. 146 Ebd., S. 45. 147 Ebd., S. 44/45; sowie RIEDEL, Staatshaushalt; S. 11-20. 148 Ebd., S. 13; sowie SCHNEIDER, Formelle Staatswirtschaft, S. 67. 149 Daten aus RIEDEL, Staatshaushalt, Beilagen III-VI.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 38

Jahr gesamt Schatulle Kriegsgefälle

1676 493.053 101.032 20% 31.499 6%

1677 958.258 107.622 11% 542.624 57%

1678 1.096.499 101.517 9% 653.444 60%

1679 981.377 83.176 8% 567.062 58%

1680 1.076.816 73.828 7% 670.881 62%

1681 872.408 103.329 12% 341.540 39%

1682 997.792 123.983 12% 442.402 44%

1683 1.876.673 115.229 6% 1.329.847 71%

1684 2.003.828 127.084 6% 1.416.794 71%

1685 1.830.155 126.825 7% 1.246.268 68%

1686 2.125.140 98.428 5% 1.521.057 72%

1687 2.080.093 164.318 8% 1.375.424 66%

1688 2.417.154 50.168 2% 1.725.619 71%

Die Einnahmen des Staates konnten in dieser Zeit wesentlich gesteigert werden, doch gelang dies ausschließlich durch die Verbesserung der – zweckgebundenen – Kriegsgefälle. Die Ein-führung der General-Feld-Kriegskasse und deren effektive Organisation durch den Geheimen Rat Bodo von Gladebeck führte zu dem ersten einschneidenden Sprung der Einnahmen.150 Mit den erfolgreichen organisatorischen Bemühungen des dritten Hofkammerpräsidenten, Dodo von In- und Knyphausen, seit 1683 im Amt, wurde ein weiterer wesentlicher Anstieg der Ein-nahmen erreicht.151 Die zivilen Einnahmen blieben in dieser Zeit weitgehend konstant; Spiel-räume für neue Projekte wurden nicht geschaffen. Besonders interessant in diesem Zusam-menhang ist die Schatulle des Kurfürsten, da er hieraus – ohne Einspruch anderer – Ideen von persönlicher Wichtigkeit fördern konnte. Auch die Schatulle verblieb auf ihrem letztendlich recht bescheidenen Niveau. Eine substantielle Steigerung des persönlichen Spielraumes des Herrschers fand nicht statt. Im Gegenteil: wenn sich die Einnahmen dieser Kasse einmal über-durchschnittlich bewegten, dann zumeist nach unten, wie das letzte Regierungsjahr des Großen Kurfürsten besonders deutlich macht.

Wesentliche Veränderungen erlebten die Staatsfinanzen unter Friedrich III. nicht.152 Augen-fälligstes Merkmal seiner Regierungszeit in dieser Hinsicht war die Erhöhung der Finanzen der Schatulle, die durch die Verlagerung von Einnahmen erreicht wurden. So stieg die Zahl der zur Schatulle zählenden Domänen. Das Münzregal und das Postgefälle, welches in der Regie-rungszeit Friedrichs III. seine Einnahmen fast verdreifachte, wurden der Schatulle neu zuge-

150 Ebd., S. 12. 151 Ebd., S. 13. 152 KLEIN, Öffentliche Finanzen, S. 45/46.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 39

schlagen. Eine weitere Veränderung fand im Jahr 1710 statt, als die zivilen Einkünfte in der neu geschaffenen General-Domänenkasse zusammengefaßt wurden. Für das Ende der Amts-zeit des ersten preußischen Königs ergaben sich Staatseinnahmen von rund 4 Millionen Tha-lern, von denen sich 62% in der General-Kriegskasse, 23% in der General-Domänenkasse und 15% in der Schatulle wiederfanden.153 In absoluten Zahlen hatten sich damit die Mittel, die dem Herrscher zur freien Verfügung standen, wesentlich erhöht, doch waren die Bedürfnisse an Luxus dieses Herrschers im Vergleich zu seinem Vater auch entsprechend gestiegen.

König Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, begann 1713 aus finanzpolitischer Sicht seine Amtszeit mit zwei drastischen Maßnahmen. Zunächst entließ er einen großen Teil des Hofstaates und kürzte die Gehälter der verbliebenen Bediensteten, dann löste er die Schatulle auf und gliederte deren Einkünfte der General-Domänenkasse an.154 Gelder, über die der Herr-scher völlig frei verfügen konnte, gab es nicht mehr. Der König erhielt jährlich 52.000 Thaler von der Domänen-Kasse ausgezahlt. Die Finanzverwaltung erhielt nun ein strikt zweigeteiltes Gesicht, bestehend aus einer zivilen und einer militärischen Kasse. Für den hier relevanten Zeitraum ergaben die preußischen Staatseinnahmen folgendes Bild (in Reichsthalern):155

Jahr Domänenkasse Kriegskasse gesamt

1713/14 2.212.495 2.796.839 5.009.334

1714/15 2.247.243 2.836.803 5.084.046

1715/16 2.331.711 2.702.638 5.034.350

1716/17 2.770.995 2.962.322 5.733.316

1717/18 2.582.807 3.066.102 5.648.909

1718/19 2.585.787 3.181.290 5.767.077

1719/20 3.222.709 3.518.500 6.741.209

1720/21 2.871.731 3.181.751 6.053.482

1721/22 2.805.281 3.354.197 6.159.476

Dieses Bild, das nur ein leichtes Übergewicht der militärischen Kasse vorspiegelt, relativiert sich, wenn die Ausgaben der General-Domänenkasse näher ins Auge gefaßt werden (in Reichsthalern):156

153 Ebd., S. 47. 154 Ebd., S. 48/49. 155 Daten aus RIEDEL, Staatshaushalt, Beilage XI. 156 Daten aus ebd., Beilage XII.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 40

Jahr militärisch zivil Tresor

1713/14 514.033 25% 759.216 36% 818.835 39%

1714/15 668.466 32% 466.037 23% 940.061 45%

1715/16 1.012.556 48% 238.651 12% 845.566 40%

1716/17 605.896 24% 1.185.203 47% 745.280 29%

1717/18 551.248 24% 1.402.037 61% 338.475 15%

1718/19 517.030 22% 1.335.771 58% 457.483 20%

1719/20 502.350 19% 1.296.268 49% 866.916 32%

1720/21 517.023 22% 1.659.236 69% 211.000 9%

1721/22 542.528 22% 1.200.261 49% 708.560 29%

Zu den Ausgabeverpflichtungen der eigentlich für zivile Zwecke gedachten Domänenkasse gehörten die Besoldung der Leibgrenadiere und des persönlichen Regiments des Königs, die Bezahlung des Kadetten-Corps und der Adjudantur, der Unterhalt der Invalidenkasse sowie ein direkter Zuschuß an die General-Kriegskasse, so daß regelmäßig mehr als 20% der Mittel für militärische Zwecke aufgewendet werden mußten. Da auch der Tresor, die staatlichen Rückla-gen, mehrheitlich aus der zivilen Kasse gespeist wurde, blieb nur eine Summe für zivile Zwe-cke, die gerade die Deckung der laufenden Verwaltungsaufgaben ausreichte. Insgesamt verteil-te sich die Ausgaben folgendermaßen auf die beiden Bereiche (in Reichsthalern):157

Jahr militärisch zivil Tresor

1713/14 3.132.174 67% 759.216 16% 818.835 17%

1714/15 3.153.618 65% 466.037 10% 1.240.061 25%

1715/16 3.485.099 75% 238.651 5% 945.566 20%

1716/17 3.296.170 61% 1.185.203 22% 945.280 17%

1717/18 3.346.024 63% 1.402.037 26% 588.475 11%

1718/19 3.525.844 65% 1.335.771 25% 557.483 10%

1719/20 3.651.043 59% 1.296.268 21% 1.216.916 20%

1720/21 3.463.001 63% 1.659.236 30% 361.000 7%

1721/22 3.599.336 63% 1.200.261 21% 908.560 16%

Rund zwei Drittel der vorhandenen Mittel wurden unter Friedrich Wilhelm I. für die Armee aufgewandt. Ihre Finanzierung sollte stabilisiert werden. Vermehrte Ausgaben im zivilen Be-reich wurden erst möglich, als eine verbesserte wirtschaftliche Lage Steigerungen in der Do-mänenkasse ermöglichte, welche den Zuschußbedarf der Kriegskasse deutlich überstiegen. 157 Daten aus ebd., Beilagen XII und XIII.

Die Situation in Brandenburg-Preußen 41

Unter diesen Umständen konnte der Staat kaum Mittel für risikoreiche Unternehmungen auf-bringen.

4. Fazit Zwar lag zum Gründungszeitpunkt der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie der Drei-ßigjährige Krieg schon 34 Jahre zurück, doch war Brandenburg sicherlich noch kein kernge-sundes Land. Diese Gesundheit wäre jedoch zu wünschen gewesen bei der Gründung einer Gesellschaft, die für Brandenburg – im Gegensatz zu den Niederlanden oder England – eher wesensfremd war.

Gegründet wurde die Gesellschaft von einem Herrscher, der einer aktiven Außenhandelspo-litik, einschließlich einer Übersee-Komponente, aus seiner Grundüberzeugung heraus positiv gegenüber stand, der jedoch noch am Anfang einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung seines Staates stand und erst im Verlauf seiner Regierungszeit zu einer einigermaßen geschlos-senen Wirtschaftspolitik fand. Übernommen wurde die BAC zunächst von einem Herrscher, der ein gänzlich anderes Ideal von einem absolutistischen Monarchen hatte als sein Vorgänger und entsprechend die staatlichen Ressourcen umverteilte, der jedoch die Wirtschaftspolitik im wesentlichen weiterlaufen ließ. Am Ende ihrer Zeit geriet die BAC unter die Kontrolle eines Herrschers, der ein völlig anderes Konzept von Wirtschaftspolitik hatte. Dieser Herrscher ver-fügte erstmals über eine konsequente und in sich geschlossene Wirtschaftspolitik – so weit diese im politischen Alltag möglich ist –, in der ein Handelsunternehmen nach Vorbild klassi-scher seefahrender Mächte keinen Platz finden konnte, da eindeutig das produzierende Gewer-be diese Politik bestimmte. Zudem hatte dieser Herrscher vor allem die Konsolidierung seines Heeres und die Gesundheit seiner Finanzen im Auge, was sich zuerst negativ für „exotische“ Unternehmungen wie die BAC auswirken mußte.

Auch andere Handelsgesellschaften, so während ihrer ganzen Existenz die dänische West-indien-Compagnie, aber zeitweise ebenso die großen Compagnien der Niederlande, Englands und Frankreichs, waren von staatlichen Geldern abhängig. Doch in diesen Ländern war die Förderung des Überseehandels selbstverständlicher als in nicht-seefahrenden Staaten. Unter dem „Soldatenkönig“ war eine solche Prioritätensetzung kaum denkbar, was einem preußi-schen König jedoch kaum zum Vorwurf gemacht werden kann.

IV Die Situation an der Goldküste

Zwar besaß die Brandenburgisch-Africanische Gesellschaft mit Arguin eine Festung an der mauretanischen Atlantikküste und hatte eine Niederlassung auf der karibischen Insel St. Tho-mas gepachtet, doch richtete sich ihr Hauptaugenmerk auf Westafrika, genauer gesagt auf die Region der Goldküste, die heute im wesentlichen zum Staatsgebiet der Republik Ghana gehört. In Afrika kamen die Brandenburger kaum über Westafrika hinaus. Angola, die neben der westafrikanischen Sklavenküste östlich der Goldküste wichtigste Region des Sklavenhandels im 17. und 18. Jahrhundert,158 wurde nicht angelaufen.

Die Ankunft der Brandenburger in Afrika fiel in eine Zeit des Überganges. Die legendären Reiche des westlichen Sudan – Mali, Gao und Songhai – hatten ihren Einfluß längst verloren. Neue Reiche, welche die für die Brandenburger wichtige Region dominieren sollten, befanden sich gerade erst im Aufbruch. Ashanti im Hinterland der Goldküste wurde 1680 gegründet. Die Gründung Dahomés an der Sklavenküste datiert in das Jahr 1713. An der Küste selbst, an der sich die neue Handelsgesellschaft niederließ, dominierten kleinere Staaten. Rund um das Cap Tres Puntas handelte es sich dabei um die Kleinstaaten Axim und Ahanta.

Afrikanische Staaten an der Goldküste

158 Ostafrika spielte erst im 19. Jahrhundert als Herkunftsland von Sklaven eine Rolle.

Die Situation an der Goldküste 43

1. Die geographischen und ethnographischen Grundlagen Für die Europäer war im 17. und 18. Jahrhundert ausschließlich die Küstenregion der Goldküs-te zugänglich. Ihre Niederlassungen hatten alle Meereszugang. Allenfalls einige Abenteurer gelangten ab und an in das Landesinnere, das aus Mittelgebirgen mit diversen Plateaus besteht. Diesen vorgelagert ist eine Küstenebene von 20 bis 100 km Breite, in der sich die Europäer bewegten, so sie denn einmal den Landweg einschlugen. In der Gegend von Accra, auch in der frühen Neuzeit ein Verkehrsknotenpunkt der Region, hat diese Ebene ihre geringste Ausdeh-nung, nach Westen und Osten verbreitert sie sich. Die Küste selbst ist über weite Strecken fel-sig. Häufig sind ihr Riffe vorgelagert, so auch vor den brandenburgischen Stützpunkten Acca-da und Taccrama. Natürliche Häfen gibt es an der Goldküste nicht. Die Bedingungen für die Seefahrer der verschiedenen Handelskompanien und der unter eigener Flagge fahrenden Kon-kurrenz gestalteten sich entsprechend schwierig. Dies gilt auch auf Grund des Klimas für die Besatzungen der Niederlassungen. An der Goldküste herrscht ein für Europäer ungewohntes und nicht selten gefährliches tropisches Klima, zumal von einer Tropenmedizin noch keine Rede sein konnte. Die Küstenregion kennt zwei Regenzeiten; eine von April bis Juni und eine von Oktober bis November. Die höchsten Niederschlagsmengen mit bis zu 2.200 mm finden sich im Südwesten der Goldküste um das Cap Tres Puntas, in dessen unmittelbarer Nachbar-schaft sich die brandenburgischen Niederlassungen befanden. Hier breitet sich tropischer Re-genwald aus, der für Europäer ein noch kaum durchdringliches Hinderniss darstellte.

Nördlich dieses Küstenstreifens steigt das Land zu den Ashanti-Höhen auf, einem Mittelge-birge, dessen höchste Erhebung bei 788 m liegt. Stellenweise reicht der Regenwald in dieses Mittelgebirge hinein. Weiter nach Norden verändert sich die Landschaft hin zur Trockensa-vanne. Hier gibt es nur noch eine Regenzeit pro Jahr, von Juli bis September, mit maximalen Niederschlagsmengen von 1.200 mm. Ähnliche Bedingungen herrschen auch in der Umge-bung von Accra und im benachbarten Volta-Delta.

Zur Zeit des Eintreffens der Europäer war die Landwirtschaft Westafrikas dreigeteilt.159 In den Savannen des Landesinneren herrschte neben der Viehzucht der Anbau von Getreide vor. In den Wald- und Küstenregionen bestand eine Teilung in eine westliche Region, die vom Reisanbau dominiert wurde, und eine östliche Region, in der die Yams-Wurzel das Bild be-stimmte. Die Grenze der beiden Regionen verlief in der Elfenbeinküste. Die Goldküste lag demnach im Bereich des Yams.

Zu der traditionellen Landwirtschaft in den Wald- und Küstenregionen trat erst mit dem Eintreffen der Portugiesen die Viehzucht.160 Durch die Portugiesen und die ihnen nachfolgen-den Europäer wurde die Vielfalt der angebauten Pflanzen erhöht; Mais, Maniok, Erdnüsse, Tabak, Bananen und später auch Kakao kamen hinzu.161 Die westafrikanische Landwirtschaft unterlag über Jahrhunderte äußeren Einflüssen. Zunächst waren es arabische Händler, welche 159 HOPKINS, Economic History, S. 28. 160 DICKSON, Historical Geography, S. 47. 161 DAAKU, Trade and Trading patterns, S. 235.

Die Situation an der Goldküste 44

die Agrargüter Asiens nach Afrika einführten, dann brachten die Europäer die Früchte Ameri-kas. Die afrikanische Landwirtschaft erwies sich immer wieder als dynamisch genug, um alle diese Einflüsse aufzunehmen. Auch brachte sie eine Vielzahl von Anbaumethoden hervor, die – je nach den Bedingungen der Umwelt – von der Brandrodung bis zur permanenten Kultivie-rung reichten.162

An den Küsten trat zu der ackerbaubetreibenden Landwirtschaft der Fischfang. Dabei fällt auf, daß die Fischer entlang den Küsten weite Distanzen zurücklegen und ein Fang eine tage- oder sogar wochenlange Reise bedeuten konnte.163

Die Region der Goldküste ist reich an Bodenschätzen. Schon vor den Europäern wurde Gold, Eisen und Salz gewonnen.164 Die zentrale Rolle spielte dabei die Goldproduktion. Zwi-schen der Elfenbeinküste und dem Volta fand sich in allen Waldregionen das Metall, das der Küste ihren Namen gegeben hatte.165 In diesen Regionen gab es auch Eisenvorkommen, die ausgebeutet wurden, wenn auch nicht in so hohem Maße wie die Goldvorkommen. Salz wurde an der ganzen Küste entlang produziert.166

Die Akan-Völker an der Goldküste

Die Region der Goldküste wurde von verschiedenen Akan-Völkern besiedelt, die das Twe als gemeinsame Spache verband und die im 11. und 12. Jahrhundert aus dem Norden an die Küste und ihr Hinterland gewandert waren.167 Die größte Gruppe unter den Akan waren die Ashanti,

162 HOPKINS, Economic History, S. 32. 163 Ebd., S. 43. 164 Ebd., S. 44. 165 Kwame ARHIN, Gold-Mining and Trading among the Ashanti of Ghana, in: Journal des Africanistes 48

(1978), S. 90. 166 DAAKU Aspects, S. 237. 167 KI-ZERBO, Geschichte Schwarz-Afrikas, S. 283.

Die Situation an der Goldküste 45

die sich im Landesinneren niederließen. An der Küste waren die Fanti die größte Gruppe;168 sie besiedelten die Region östlich des Cap Tres Puntas. Die Region des Kaps wurde von den Ahanta bewohnt, die auch die Bevölkerung des Kleinstaates Axim bildeten. Neben den Akan-Völkern lebten an der Goldküste die Ga-Adangbe, die sich an der Küste westlich des Volta niedergelassen hatten, und die Ewe, die östlich des Volta siedelten.169 Trotz der auch in dieser Region nicht seltenen kriegerischen Auseinandersetzungen und Eroberungsfeldzügen ließen sich in der frühen Neuzeit keine anderen Völker an der Goldküste nieder. Es kam „lediglich“ zu Unterwerfungen der zahlreichen Akan-Staaten untereinander, was die kulturelle Kontinuität nicht unterbrach. 2. Die Gesellschaften der Goldküste in der frühen Neuzeit Entgegen noch immer verbreiteter Klischees von „Negerkralen“ war die Goldküste, wie das westliche Afrika insgesamt, eine Region, die von Städten und Großdörfern geprägt wurde. Allerdings hatten diese Siedlungen nicht den Charakter europäischer Städte. „Their occupatio-nal structure differed from that of modern cities in that they were primarily places where agri-culturalists gathered for non-agricultural purpose, above all for defence and trade.“170 Die Landwirtschaft war das bestimmende wirtschaftliche Element dieser Gesellschaften, auch für diejenigen ihrer Mitglieder, die in den Städten lebten. Handwerk und Handel wurden meistens als Nebenbeschäftigung von Menschen betrieben, die sich hauptsächlich der Landwirtschaft widmeten.171 Dieses System basierte auf zwei Grundlagen. Zum einen existierte ein egalitäres System des Landbesitzes.172 Das Land wurde kollektiv verwaltet; jedem stand das zu, was aus seiner persönlichen Arbeit auf dem gemeinsam bestellten Land entsprang. Zum anderen war der Haushalt die zentrale Einheit wirtschaftlichen Handelns.173 Dabei kann Haushalt nicht ein-fach mit Familie gleichgesetzt werden. In einem Haushalt konnten auch weitläufig Verwandte, nicht-verwandte Schutzbefohlene oder Sklaven leben. Die Mitglieder des Haushaltes konnten auf dem Land eingesetzt werden, wenn der Haushaltsvorstand als Händler verreist war oder Gold schürfte, oder sie konnten handwerkliche Tätigkeiten ausüben, wenn der Hausherr auf dem Felde war.

Nicht immer war die anfallende Arbeit von solchen multifunktionalen Haushaltseinheiten zu bewältigen. In diesen Fällen wurden zumeist Sklaven herangezogen, in der Minderheit der Fälle auch bezahlte Arbeitskräfte. Je weiter eine Akan-Gesellschaft bezüglich ihrer Tausch- und Handelsbeziehungen entwickelt war, desto mehr Arbeit fiel an, die in der freien Arbeits-verteilung nicht mehr unterzubringen war, und desto notwendiger wurde der Einsatz von Skla- 168 DICKSON, Historical Geography S. 21. 169 Ebd., S. 25-30. 170 HOPKINS, Economic History, S. 20 171 Ebd., S. 28. 172 DAAKU, Aspects, S. 241. 173 HOPKINS, Economic History, S. 21-24.

Die Situation an der Goldküste 46

ven. Teils mußten sie die Arbeit übernehmen, die durch eine vermehrte Handels- und Reisetä-tigkeit ihrer Besitzer liegenblieb, teils entstanden durch vermehrten Warenaustausch neue Ar-beiten, z.B. im handwerklichen Bereich. Dies begünstigte die Entwicklung eines Spezialisten-tums unter den Sklaven. Teilweise erreichten im Zuge dieser Entwicklung Sklaven sehr hohe Stellungen auf, wie im Bereich des königlichen Hofes, und konnten selbst wiederum Sklaven besitzen. Dieses Phänomen war in den Akan-Gesellschaften durchaus kein Widerspruch; die Behandlung der Sklaven als reine Ware wurde erst durch die Europäer eingeführt.

Ebenfalls im Zuge solcher Entwicklungen wurden Versuche unternommen, die Produktion von Handwerksgütern effektiver zu organisieren. Auch im frühneuzeitlichen Westafrika gab es manufakturähnliche Produktionsstätten, in denen Textilien, Keramik, Metallwaren und Baumaterialien gefertigt und Nahrungsmittel weiterverarbeitet wurden.174

Weit weniger in solchen frühmodernen Produktionsformen organisiert war die Goldgewin-nung. Hier war wieder der schon erwähnte Haushalt die zentrale Wirtschaftseinheit.175 Mit den Goldvorkommen verhielt es sich wie mit dem agrarisch nutzbaren Land: es befand sich in kol-lektivem Besitz. Entsprechend war jeder berechtigt, Gold zu schürfen – und dementsprechend hatte jeder das Recht, damit Handel zu treiben.176

An der Goldküste existierten drei Methoden der Goldgewinnung.177 Die einfachste war die Auswaschung mit Hilfe flacher Pfannen. Bei tiefer gelegenen Vorkommen wurden Schächte gegraben, die rund einen Meter Durchmesser und eine Tiefe von 15 bis 30 Metern hatte. Mit dem Rücken an der einen und den Füßen an der anderen Schachtwand konnte ohne weitere Hilfsmittel in die Tiefe geklettert werden. Die dritte Methode bestand im Ausspülen des Gol-des in größeren flachen Gruben, wenn es sich um goldhaltige Ablagerungen von Schwemmate-rial handelte. Dabei herrschte in der Regel Geschlechterteilung bei der Arbeit vor. Die Frauen waren für das Auswaschen zuständig, die Männer für die Arbeit in den Schächten. Außerdem oblag der Handel mit dem gewonnenen Gold den Männern.

Aus dem europäischen Blickwinkel wirkten die Akan-Staaten sehr instabil. An der Spitze der meisten Staaten stand ein König, der jedoch nicht über die Machtfülle europäischer absolu-tistischer Herrscher verfügte und meist von seinen männlichen Untertanen gewählt wurde.178 Ohne die Mitglieder der adeligen Clans, von den Europäern in der Regel als Captains oder Caboceers bezeichnet, waren diese Könige kaum handlungsfähig. Entscheidungen wurden in den Akan-Gesellschaften kollektiv getroffen, zumindest kollektiv innerhalb der adeligen Clans. Caboceers traten als Führungspersönlichkeiten der einzelnen Dörfer und Städte auf. Dabei war

174 Ebd., S. 48. 175 Raymond E. DUMETT, Precolonial Gold Mining and the State in the Akan Region, with a Critique of the

Terray Hypothesis, in: Research in Economic Anthropology 2 (1979), S. 45. 176 DAAKU, Aspects, S. 243. 177 ARHIN, Gold-Mining and Trading, S. 91; sowie DUMETT, Precolonial Gold Mining; S. 44. Einen breiten

Überblick über die europäischen Berichte zur afrikanischen Goldproduktion gibt GARRARD, Akan Weights, Kap. V, S. 127-170.

178 Joseph Brookman AMISSAH: Markt und Handel an der Goldküste im 16. und 17. Jahrhundert, Wien 1967, S. 79/80.

Die Situation an der Goldküste 47

es möglich, auch als Nicht-Mitglied eines adeligen Clans zum Caboceer aufzusteigen, sei es durch Reichtum oder sei es durch besondere Leistungen, z.B. im Kriegsfalle.179

Die zentrale Organisationsform der Akan waren die Sippen oder Clans, die matrilinear or-ganisiert waren. In der Regel stand die Solidarität zur Sippe vor der Untertanentreue zum Staat. Im politischen Alltagsleben traten die Akan-Staaten wenig in Erscheinung, da Sippe und auch Stadt bzw. Dorf den Menschen zunächst näher waren. Zudem fehlte diesen Staaten die fiskalische Grundlage,180 die einen Staat, wie ihn die Europäer dieser Zeit gewohnt waren, erst ermöglichte. Die Absicherung des Staates war, wie vieles andere auch, eine kollektive Aufgabe.

Auch die äußere Ansicht der Staaten mußte auf die Europäer fremd wirken. Es gab zwar Staatsgrenzen, doch spielten diese weder eine aus- noch eine abgrenzende Rolle, sondern hat-ten die Funktion, Einflußsphären anzuzeigen.181 Grenzübertritte, sei es beim Handel oder beim Wohnortwechsel, waren Selbstverständlichkeiten. Ein festes Zugehörigkeitsgefühl zu einem Staat und damit auch zu einer Obrigkeit konnte so kaum gedeihen.

Überhaupt boten die Akan-Gesellschaften ein Bild von hoher Mobilität. Brandrodungen lie-ßen Wohnortwechsel notwendig werden, selbst durchgeführter Handel führte zu ausgedehnten Wanderungen, so wie auch der westafrikanische Fischfang über weite Strecken verlief. Da in den Haushalten verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten durchgeführt wurden, waren die Mit-glieder des Haushaltes immer wieder „unterwegs“, und auch der Haushalt insgesamt war mo-bil, wenn es die Situation erforderte.

3. Die Geschichte der Goldküste in der frühen Neuzeit Seit ihrer Einwanderung an die Goldküste im 11. und 12. Jahrhundert hatten die Akan eine große Zahl kleiner Staaten gebildet, manchmal nur in der Größenordnung von Stadtstaaten. Der bedeutenste dieser Kleinstaaten zur Zeit der Brandenburger war wohl das nördlich von Accra gelegene Königreich Akwamu. Über diese Staaten ist sehr wenig überliefert. Sie wiesen nur sehr lockere Formen auf und waren häufigen Veränderungen unterworfen. Sporadisch schloßen sie sich zu größeren Bündnissen zusammen, um einer äußeren Bedrohung entgegen-treten zu können.182 Diese Zusammenschlüsse beruhten auf der Gleichrangigkeit der Partner; langfristig dominierende Staaten gab es in der Region bis zu Gründung Ashantis nicht. Es konnte lediglich dazu kommen, daß ein Staat sich den einen oder anderen schwächeren Nach-barn unterwarf. Zwischen 1669 und 1680 geschah dies in der Region von Accra, als das Kö-nigreich Akwamu diese Region eroberte und zu einer Provinz degradierte.183

179 KEA, Settlements, Trade and Polities, S. 101/102. 180 DAAKU, Aspects, S. 244/245. 181 DAAKU, Trade and Politics, S. 5. 182 KI-ZERBO, Geschichte Schwarz-Afrikas, S. 283. 183 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 121.

Die Situation an der Goldküste 48

^

Ashanti Mit Gründung und Aufstieg des Königreiches Ashanti am Ende des 17. Jahrhunderts, des mächtigsten Akan-Staates der Geschichte, erlebte die Goldküste just zur Zeit der brandenbur-gischen Anwesenheit ein historisches Ereignis, das auch für die Europäer seine Bedeutung hatte. Der Gründer dieses Reiches war der Adelige Osei Tutu, der nach einer Lehrzeit an den Höfen von Denkyira und Akwamu die Herrschaft über Kumasi, die spätere Hauptstadt des Ashanti-Reiches, antrat. Nachdem er als Führer eines der erwähnten Akan-Zusammenschlüsse einen wichtigen militärischen Sieg errungen hatte, entwickelte sein wichtigster Berater, der animinstische Priester Okomfo Anokye, einen Plan, diesem Zusammenschluß eine feste Form zu geben. Der Schritt vom losen Zusammenschluß zum Nationalstaat wurde gemacht, der je-doch nur in einer Legende überliefert ist.

„Man erzählte folgendes: Inmitten einer großen Zusammenkunft von Fürsten und Stämmen ließ dieser Priester durch Anrufung des Himmels einen goldenen Stuhl herab-gleiten, der sanft auf den Knien von Osei Tutu gelandet sein soll. De facto bedeutet dies, daß der goldene Stuhl, der erste und einzige seiner Art, als Gabe des Himmels betrachtet wird. Er schließt die Seele der Nation in sich ein. Durch seine Mittlerfunktion wird jeder Ashanti ein Getreuer seines Thrones, aber auch des Häuptlings von Kumasi, der wieder-um auf diese Weise Häuptling der Ashanti wurde. Der goldene Stuhl, ein Thron aus ge-diegenem Gold, wird als Personifizierung des beiden ersten Ashantikönige und beson-ders des Nana Osei Tutu betrachtet.“184

184 KI-ZERBO, Geschichte Schwarz-Afrikas, S. 284.

Die Situation an der Goldküste 49

Auch wenn sich diese Schilderung sehr nach einem zentralistischen Staat anhört, war Ashanti doch eine Föderation.185 Alle wichtigen Entscheidungen mußten die lokalen Herrscher einstimmig fällen. Der König, vorgeschlagen von der Witwe seines Vorgänger, war auf die Zustimmung des Rates der Ältesten und sogar auf die Akzeptanz der jungen Krieger angewie-sen. Im Laufe des rund 200jährigen Bestehens des Reiches gewann die Zentralmacht mehr und mehr an Bedeutung; das föderalistische Element wurde durch eine immer effektiver werdende zentrale Verwaltung zurückgedrängt, jedoch nie aufgehoben.

Schon unter seinem ersten Herrscher konnte sich Ashanti territorial ausdehnen. Unter den Nachfolgern Osei Tutus wurden weitere Eroberungsfeldzüge erfolgreich durchgeführt. Sogar die Umgebung Accras geriet unter die Hoheit Ashantis. Die meisten kleineren Küstenstaaten blieben jedoch selbstständig, so wie auch die unterworfenen Staaten eine relative Autonomie behielten. Ashanti begnügte sich mit einigen Vorstößen zur Küste, konzentrierte sich jedoch auf seine Macht im Hinterland, in den Wald- und Savannenregionen der Goldküste.

Seine Blüte erlebte das Reich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Untergegangen ist das Reich erst in der kolonialen Phase der europäischen Expansion in Afrika, als in England beschlossen wurde, den noch immer mächtigen Störenfried in der eigenen Kolonie Goldcoast militärisch zu beseitigen. Der letzte König von Ashanti wurde 1896 zunächst nach Sierra Leo-ne, später auf die Seychellen deportiert.

Nicht nur auf Grund der Tatsache, daß hier eine militärische Macht auftrat, welche die bis-herigen Akan-Staaten in dieser Hinsicht weit übertraf, hatte Ashanti für die an der Goldküste aktiven Europäer eine große Bedeutung. Mit dem Königreich wurde erstmals in dieser Region neben dem Handel mit Kola-Nüssen, welche für die europäischen Händler keine sonderliche Rolle spielten, die Goldgewinnung und der Sklavenhandel staatlich organisiert.186 Die Europä-er sahen sich nicht nur einem potentiellen Gegner gegenüber, sondern auch einem potenteren und berechenbareren Handelspartner als bisher.

Eine zweite für die Europäer wichtige Staatsentwicklung dieser Zeit war das an der Skla-venküste im Bereich des heutigen Staates Benin gelegene Dahomé, ein Königreich der Joruba. Der entscheidende Zeitpunkt war das Jahr 1727, als Dahomé die bislang weitgehend autonome Hafenstadt Whydah, schon damals ein florierendes Zentrum des Sklavenhandels, eroberte.187 Von diesem Zeitpunkt an erlebte der Staat, der im Gegensatz zu Ashanti keine Föderation, sondern ein streng zentralistische, auf militärische Macht aufgebaute Monarchie war, einen steilen wirtschaftlichen Aufschwung, den der Sklavenhandel ermöglichte. Zunächst war Da-homé noch ein tributpflichtiger Teil des im Landesinneren gelegenen Reiches Oyo, doch konn-te es schließlich dieses zu Beginn des 19. Jahrhunderts ablösen.188 Zur Zeit der Brandenbur-

185 Ebd., S. 289. 186 Ebd., S. 285 u. 289. 187 I. A. AKINJOGBIN, Dahomey and Yoruba in the Nineteenth Century; in: J. F. A. de Ajayi/Ian Espie (Hgg.), A

Thousand Years of West African History. A Handbook for Teachers and Students, S. 317. Zu Whydah siehe Kap. VI.7.

188 Ebd., S. 321/322.

Die Situation an der Goldküste 50

gisch-Africanischen Compagnie herrschten an der Sklavenküste allerdings noch Machtkämpfe vor, in denen Dahomé nur einer von mehreren beteiligten Mächten war.

Die Geschichte der Goldküste in der frühen Neuzeit ist keine rein afrikanische Geschichte mehr. Seit dem 15. Jahrhundert spielten die Europäer in diesem Teil der Welt eine Rolle, wenn diese auch zunächst für die Gesamtregion nicht unbedingt zentral war. Es waren die Portugie-sen, die nach der Entdeckung der Inseln, die Afrika vorgelagert waren, nach und nach die Küs-te des afrikanischen Kontinents für Europa erschloßen. Ihren ersten Kontakt mit den Europäern erlebte die Goldküste im Jahre 1471, als die Expedition des Fernao Gomez die Region er-forschte. Der erste Brückenkopf der Europäer an der Küste wurde das Fort Elmina, gegründet 1482 von den Portugiesen. Das folgende Jahrhundert wurde das Jahrhundert der europäischen Fort-Gründungen an der Küste. 1561 erschienen die Engländer an der Goldküste, 1595 folgten ihnen die Niederländer. Seither blieben die Europäer an der Goldküste präsent, jedoch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur an den Küsten. Das Landesinnere blieb vorerst unter der Kon-trolle der einheimischen Völker.

An der Küste verlebten die Europäer nicht immer friedliche Zeiten. Einerseits mußten sie immer wieder mit Aufständen in den unter ihre Kontrolle gebrachten Siedlungen rechnen. In den Jahren 1680/81 erlebten die Niederländer eine schwerwiegende Auseinandersetzung mit Einheimischen. In Elmina, seit 1642 Hauptquartier der Niederländer, kam es zu einem Auf-stand, als die Autonomie der Anwohner eingeschränkt werden sollte189. Der Akan-Staat Ko-menda schloß sich den Aufständischen an, was zu einer zehnmonatigen, allerdings erfolglosen Belagerung des Forts führte. Zur selben Zeit mußten die Briten in Cape Coast einen Aufstand niederschlagen, den entflohene Sklaven verursacht hatten.190

Andererseits konnten europäische Mächte durchaus in regelrechte Kriege mit einheimischen Staaten geraten. In dem hier wesentlichen Zeitraum führten die Niederländer fünf Jahre lang, von 1694 bis 1699, einen Krieg mit Komenda. Auslöser war der Überfall Komendas auf das Fort Orange in Sekondi und die Ermordung der gesamten Besatzung.191 Während des Krieges kam es zu Auseinandersetzung um mehrere Forts; erst die Einbeziehung der Engländer konnte den Frieden wieder herstellen und die Besitzstände der Europäer absichern.

Schließlich bestand noch die Gefahr, in innerafrikanische Auseinandersetzung hineingezo-gen zu werden. So wurden die Brandenburger in Accada auch deshalb positiv aufgenommen, weil ihnen die Rolle der Schutzmacht gegen innere und äußere Feinde zugedacht war.

Insgesamt erlebte die Küstenregion in den vier Jahrzehnten, in denen auch die brandenbur-gische bzw. die preußische Flagge an der Goldküste zu finden war, eine relativ ruhige Periode. Die Europäer hatten zwar immer wieder mit mehr oder weniger gewaltsamen Auseinanderset-zungen zu tun, doch mochten diese die Neuankömmlinge eher an die mittelalterlichen Fehden ihrer Heimat erinnert haben als an die großen Kriege, welche ihren Kontinent in diesen Jahr-

189 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 122. 190 Ebd. 191 Ebd., S. 145/146.

Die Situation an der Goldküste 51

hunderten heimsuchten. Ernsthafte Gefährdungen für die europäischen Niederlassungen sind für diesen Zeitraum nicht bekannt.

4. Der Handel an der Goldküste in der frühen Neuzeit a) Der innerafrikanische Handel Drei Marktformen bestimmten das Bild des Handels an der Goldküste.192 Für den alltäglichen Bedarf dienten die lokalen Märkte, die zumeist permanent stattfanden. Hier wurden Lebens-mittel, Handwerkserzeugnisse u.ä. getauscht. Diese einfachen Märkte waren Frauensache, während in den anderen Formen des Handels die Frauen keine Rolle spielten.193 Die mittlere Ebene des Goldküsten-Handels bildeten die regionalen Handelszentren, in denen auf wöchent-lichen oder 14tägigen Märkten die Tauschbeziehungen über mittelgroße Distanzen abgewickelt wurden. Auf diesen Distanzen waren in der Regel die schon erwähnten Haushalte noch selbst aktiv, meistens vertreten durch ihren Haushaltvorstand. Die dritte Ebene bildete der zwischen-staatliche Handel über lange Distanzen. Dieser Handel verband letztendlich die Küste Westaf-rikas mit der beginnenden Sahara, wo Araber die Handelshoheit übernahmen. Dieser Handel benötigte nicht mehr unbedingt feste Marktplätze, sondern wurde häufig direkt zwischen den Händlern bzw. zwischen Händler und Empfänger abgewickelt.

Die Hauptgüter der in den Waldregionen der Goldküste lebenden Akan bestanden aus Gold und Kola-Nüssen.194 Elfenbein und Sklaven wurden erst durch die Nachfrage der Europäer zu wichtigen Handelsgütern.

Je weiter die für den Handel zurückgegelegten Strecken wurden, desto schwieriger wurde es für den Haushaltsvorstand oder ein anderes Haushaltsmitglied, diese Tätigkeit neben ande-ren durchzuführen. Es entstand eine Gruppe von Händlern, welche den Langstreckenhandel als einzige Beschäftigung ausübten, die in diesem Sinne zu Spezialisten wurden.195 Im völker-übergreifenden Handel von Süd nach Nord traten noch weitere Spezialisten hervor. Nament-lich die Langstreckenhändler der Mande Dyula, beheimatet in den Savannen nördlich der A-kan-Regionen und dadurch in einer Vermittlerrolle zwischen dem Handel der Araber und der Akan, besuchten die Goldküste.196 An der Küste kauften sie getrockneten Fisch und Salz ein, wofür sie einerseits Nahrungsmittel anboten, andererseits aber auch Textilien, vornehmlich Baumwollprodukte, die schon lange vor der Ankunft der Europäer zu den wichtigsten Han-delsgütern Westafrikas gehörten.197 In den Waldregionen tauschten sie diese Produkte gegen Gold, das sie nach Norden in ihre Heimat und in das arabische Handelssystem einbrachten. 192 DAAKU, Trade and Trading Patterns, S. 177/178. 193 AMISSAH, Markt und Handel, S. 138/139. 194 DAAKU, Trade and Trading Patterns, S. 168. 195 DAAKU, Aspects, S.245. 196 Ebd., S. 237. 197 DAAKU, Trade and Politics, S. 6.

Die Situation an der Goldküste 52

Den reisenden Händlern standen ausgeprägte Handelswege zur Verfügung, auf denen auch große Teile der von den Europäern eingekauften Waren an die Küste gelangten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts führten im Westen der Goldküste die wesentlichen Handelswege von der Ashanti-Kapitale Kumasi an die Küste, wo sie in Axim westlich des Cap Tres Puntas sowie in Elmina, Cape Coast, Anomabu und Mankesim östlich des Cap Tres Puntas endeten. Im Osten der Goldküste endeten die etwas zahlreicheren Wege, die im Hinterland ein dichteres Netz knüpften als die Wege im Westen, im wesentlichen in Accra, Lay und Ada.198 Diese Fernhan-delswege wurden in der Küstenregion noch ergänzt von verschiedenen Netzen kleinerer Wege im unmittelbaren Hinterland. Jeder Hafenort verfügte über ein ihm untergeordnetes und von ihm kontrolliertes Wegenetz, so daß der Hafen zur Schaltstelle zwischen der Handel- oder Fischfang betreibenden Schiffahrt und dem Hinterland werden konnte.199

Die wichtigsten Handelswege an der Goldküste

Im Gegensatz zu später entstandenen Staaten wie Dahomé existierte in den Akan-Staaten keine vollständige Kontrolle der einzelnen Herrscher über die Waren.200 Bedingungen, die einem herrschaftlichen Monopol zumindest nahekamen, gab es nur bei Sklaven und bei Elfenbein. Im Falle des Elfenbeins stand dem Herrscher traditionell die Hälfte der Beute zu, da ein wesentli-cher Bestandteil der herrschaftlichen Insignien aus diesem Material gefertigt wurden.201 An-sonsten herrschten in den Akan-Staaten freihändlerische Bedingungen. Abgaben auf den Han-del wurden seit Ende des 17. Jahrhunderts kaum noch erhoben.202 Eher noch wurden durchrei-sende Händler gefördert. Für den innerafrikanischen Handel gab es kaum Hemmnisse. 198 DAAKU, Aspects, S. 238. 199 KEA, Settlements, Trade and Polities, S. 57/58. 200 DAAKU, Trade and Trading Patterns, S. 170/171. 201 DAAKU, Trade and Politics, S. 27. 202 Ebd., S. 175/176.

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In der Zeit der europäischen Präsenz an der Goldküste setzte sich mehr und mehr das Gold, in Form von kunstvoll gestalteten Gewichten, als Zahlungsmittel durch.203 Die zuvor in Gebrauch befindlichen Eisenstangen wurden zurückgedrängt, da die Europäer sie bald in gro-ßen Mengen einführten und so eine Inflation hervorriefen. Völlig verschwand dieses Zah-lungsmittel jedoch nicht, wie der kontinuierliche Verkauf von Eisenstangen durch die Europä-er, auch die Brandenburger, zeigt. Denkbar ist eine Wiederbelebung der Eisenstangen als Wäh-rung durch die Verknappung des Zahlungsmittels Gold, das zwar einheimisch war, aber in immer größeren Mengen exportiert wurde. Zu diesen beiden Zahlungsmitteln traten noch die Kauri-Schnecken, die aus dem Indischen Ozean importiert wurden, im Handel der Goldküste – anders als in anderen Regionen Westafrikas – jedoch immer nur eine untergeordnete Rolle spielten.204

b) Die Beziehungen zu den Europäern Das egalitär ausgerichtete Gesellschaftssystem der Akan erlaubte es jedem, der sich dazu beru-fen fühlte und der sich etwas davon versprach, Handel zu treiben. Die europäischen Handels-gesellschaften sahen sich an der Goldküste dementsprechend einer Vielzahl veschiedener Händler gegenüber; von dem ortsansässigen Fischer, der nebenher noch mit den Neuankömm-lingen Geschäfte machen wollte, über die aus dem Waldland kommenden Goldschürfer und die erfahrenen Langstreckenhändler der Akan bis hin zu den Händlern der Mande Dyula, die ebenfalls bis zur Küste des Golfs von Guinea wanderten. Trotz aller Bemühungen, wozu nicht selten auch kriegerische Maßnahmen gehörten, gelang es den Europäern in der vorkolonialen Periode nie, den Handel außerhalb Mauern ihrer Forts in die Hand zu bekommen.205 Es waren immer die Afrikaner, die den Warenaustausch kontrollierten. Den Europäern blieb gar nichts anderes übrig, als in den Afrikanern gleichberechtigte Handelspartner zu sehen. Es war gängi-ge Praxis der Europäer, die Afrikaner als gleichrangige Vertragspartner anzuerkennen.206

Die Handelsgesellschaften scheiterten nicht nur in dem Versuch, den afrikanischen Handel unter Kontrolle zu bringen, sondern trugen sogar dazu bei, daß neue soziale Gruppen bei den Afrikanern entstanden, die zum Teil nicht ohne Einfluß blieben. In den Hafenorten, in deren Nähe die europäischen Forts lagen, wurden häufig Bedienstete gesucht, sei es bei Bauarbeiten, im Lager, als Dolmetscher oder Bootssteuerer. Diese Leute wurden von den Europäern bezahlt, ein Ereignis, das in den einheimischen Gemeinschaften weithin unbekannt war und die Betrof-fenen aus der Allgemeinheit heraushob. Bei dieser im sozialen Stand gestiegenen Gruppe blieb es jedoch nicht. „Side by side with the emergence of this new wage-earning group there came into the fore new ‚merchant princes’ who established their trading and their business, like salt

203 Die wohl umfassenste Darstellung zu dieser Zahlungsmittelform bietet GARRARD, Akan Weights. 204 AMISSAH, Markt und Handel, S. 219. 205 DAAKU, Trade and Politics, S. 24. 206 DUCHHARDT, Rechtsbeziehungen, S. 372.

Die Situation an der Goldküste 54

manufacturing and canoe hiring, around the trading forts and soon came to overshadow the traditional rulers.“207 Die berühmtesten Beispiele für diese Handelsprinzen waren als Partner der Engländer John Kabes und auf Seiten der Brandenburger Jan Konny.208 Nicht alle erlang-ten eine solche Bedeutung. Doch als Handelsagenten machten sich viele Akan den Europäern unentbehrlich. Ursprünglich hatten diese Handelsagenten die Rolle des Dolmetschers inne, da die Vertreter der handelstreibenden europäischen Mächte der afrikanischen Sprachen nicht mächtig und, selbst wenn sie sich um Sprachkenntnisse bemühten, der Vielzahl der in Frage kommenden Dialekte nicht gewachsen waren. Einheimische, die sich auf den Kontakt mit den Europäern spezialisierten, hatten es dagegen nur mit wenigen Sprachen zu tun. Das zunächst dominierende Portugiesisch hielt sich noch lange als Handelssprache in der Region und wurde erst nach und nach durch das Niederländische abgelöst. Hinzu kamen je nach Region Englisch oder Französisch. Die Dolmetscher, die diese Sprachen zumindest in den für den Warenaus-tausch wesentlichen Grundzügen beherrschten, machten sich unentbehrlich. Immer mehr gin-gen die Händler aus dem Landesinneren dazu über, diesen Dolmetschern ihre Waren und vor allem ihr Gold zu übergeben und ihnen den Einkauf europäischer Waren zu überlassen. Aus den ursprünglichen Dolmetschern wurden Handelsagenten, die nicht selten den gesamten Zwi-schenhandel mit den europäischen Gesellschaften kontrollierten.209

Die Handelsagenten waren in der Regel in den Hafenorten ansässig. Sie standen in regel-mäßigen Kontakt zu ihren europäischen Geschäftspartnern; waren nicht selten deren vorrangi-ger, wenn nicht einziger Ansprechpartner. Vor Ort brachte diese Rolle den Handelsagenten eine zentrale Stellung in der eigenen Gesellschaft ein, unabhängig von der Bedeutung der Han-delsbeziehung der Gesellschaft zu den Europäern. Entweder konnten so neue Eliten entstehen, oder die traditionellen Eliten etablierten sich selbst als örtliche Handelsagenten.

Die Europäer sorgten nicht nur für Entstehung neuer sozialer Gruppen und neuen ökonomi-schen Wohlstandes. Für das einheimische Handwerk – von der Textilproduktion einmal abge-sehen – boten sie keine neuen Absatzmöglichkeiten. Im Gegenteil, die Europäer brachten selbst Fertigwaren mit, vor allem des metallverarbeitenden Gewerbes, die einen guten Absatz fanden. Daß die Europäer ihre Produkte kaum einkauften, wäre für die einheimischen Hand-werker noch problemlos zu verkraften gewesen, da sie traditionell nur für den Bedarf innerhalb der Gemeischaft arbeiteten. Daß die europäischen Produkte ihnen jedoch innerhalb ihrer eige-nen Gemeinschaft die Arbeit nahmen,210 konnte für die spezialisierten Handwerker sogar den Verlust ihres Lebensunterhaltes bedeuten. Die Haushalte, die neben anderen Tätigkeiten auch Handwerk betrieben, verloren einen Teil ihrer selbst gefertigten Tauschgüter als Grundlage des Handels, besonders auf den alltäglichen, lokalen Märkten.

207 DAAKU, Trade and Trading Patterns, S. 169. 208 DAAKU widmet diesen beiden Personen ein eigenen Kapitel in: Trade and Politics; S. 115-143. Eine Mono-

graphie von Albert van Dantzig unter dem Titel „Who was Jahn Conny of Ashanta?“ (University of Ghana 1978) ist hierzulande nicht erhältlich. Über Jan Konny in dieser Arbeit siehe Kapitel II.2.

209 AMISSAH, Markt und Handel, S. 144/145. 210 DAAKU, Aspects, S. 241.

Die Situation an der Goldküste 55

Ein weiteres Importgut aus Europa brachte wesentliche Veränderungen nach Afrika: die Feuerwaffe. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts betrieben die Handelsgesellschaften verstärkt Waffenhandel an der Goldküste,211 wodurch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Akan-Staaten auf eine völlig neue Ebene gehoben wurden. Große, flächendeckende Eroberungen wurden wesentlich erleichtert. Die Entstehung eines Staates wie Ashanti wäre ohne die aus Europa eingeführten neuen Waffen auf größere Schwierigkeiten gestoßen.

Abschließend sei noch auf eine weitere Veränderung hingewiesen: auf den Sklavenhandel. Einerseits war die Sklaverei an der Goldküste seit Jahrhunderten eine Realität. Andererseits war der Handel mit Sklaven in der Akan-Gesellschaft weitgehend unüblich.212 In Sklaverei konnten Menschen durch Kriegsgefangenenschaft, Schulden oder Kriminalität geraten. Jagd nach Sklaven war den Akan-Gesellschaften unbekannt. Die Sklaven lebten im Haushalt ihres Herrn, als dessen Diener und Leibeigene, aber auch als Teil des Haushaltes. Der große Unter-schied zwischen der traditionellen Sklaverei an der Goldküste und den europäischen Vorstel-lungen von Sklaverei während der europäischen Expansion war, daß die Akan ihre Sklaven vorrangig als Menschen ansahen, die mit ihnen in Kontakt tretenden Europäer in den Sklaven dagegen vorrangig eine Ware sahen. Kommerzieller Sklavenhandel an der Goldküste entstand erst mit der Nachfrage der Europäer. Nicht überall setzte sich die neue Sicht von Sklaverei sofort durch. Nicht an allen Forts konnten Sklaven gekauft werden, dagegen gab es regelrecht auf Sklavenexport spezialisierte Häfen.213 Die verkauften Sklaven stammten meistens aus Kriegsgefangenenschaft. Unter diesen Bedingungen konnte das Angebot an Sklaven in Frie-denszeiten durchaus völlig versiegen. Für ein beständiges Angebot bedurfte es eines kommer-zialisierten Sklavenhandels, der die gezielte Jagd nach Sklaven einschloß. Kommerzieller Sklavenhandel zog erst mit den Europäern in Westafrika ein und veränderte entsprechend die Grundlagen der Gesellschaften, da die Sklaven der Akan plötzlich nicht mehr nur Arbeitskräfte und Haushaltsangehörige waren, sondern eine gewinnversprechende Ware. Erstmals kommer-ziellen Sklavenhandel wurde an der Goldküste von Ashanti betrieben. Im Fall Dahomé ging diese Entwicklung schließlich so weit, daß ein ganzes Staatswesen wesentlich auf seiner Rolle als Sklavenzwischenhändler basierte. Beide Staaten beschafften Sklaven speziell für den Han-del und veräußerten nicht mehr nur solche, die sowieso in ihre Hände gelangt wären.

5. Fazit Aus dem Blickwinkenl der klimatischen Bedingungen betrachtet, befanden sich die branden-burgischen Niederlassungen an der denkbar ungünstigsten Stelle. Das für Mitteleuropäer we-

211 Christopher FYFE, West African Trade A.D. 1000-1800, in: J. F. Ade Ajayi/Ian Espie (Hgg.), A Thousend

Years of West African History. A Handbook for Teachers and Students, Ibadan 1965; S. 248. 212 DAAKU, Trade and Politics, S. 28. 213 Siehe Kap. VI.7.

Die Situation an der Goldküste 56

sentlich weniger gewöhnungsbedürftige Savannenklima war für sie nicht erreichbar, da es sich entweder nördlich der Regenwälder im Landesinneren, im Bereich des gerade aufkommenden Königreiches Ashanti, befand oder – im Falle von Accra – in einer Gegend, welche die schon länger hier ansässigen Konkurrenzgesellschaften unter Kontrolle hatten. Auch in Bezug auf die traditionellen Handelswege hatten die brandenburgischen Forts nicht die ideale Position. Diese endeten zumeist an Orten, an denen sich schon vor dem Eintreffen der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie Konkurrenzgesellschaften niedergelassen hatten.

In sämtlichen anderen Punkten befanden sich die Brandenburger an der Goldküste in der Si-tuation, mit der sich auch alle anderen Europäer auseinandersetzen mußten. Sie mußten die Afrikaner als gleichrangige Handelspartner akzeptieren, da sie ohne diese nicht an die ge-wünschten afrikanischen Produkte herankommen konnten. Sie hatten keine ernsthafte Gele-genheit, selbst im Landesinneren tätig zu werden, geschweige denn Teile des innerafrikani-schen Handels unter eigene Kontrolle zu bekommen. Sie mußten sich mit Völkern auseinan-dersetzen, die für sie auf Grund ihrer egalitären Grundstruktur nicht selten unberechenbar er-scheinen mußten. Und sie mußten sich damit abfinden, daß sie sich mit militärischen Mitteln zwar an der Küste behaupten konnten, aber ansonsten ihre Machtbasis militärisch nicht dar-über hinaus ausweiten konnten. Kurz gesagt: wie alle anderen mußten sich die Brandenburger den Spielregeln anpassen, welche die Goldküste diktierte.

Die Ankunft der Brandenburger fiel in eine Zeit des wechselnden Kriegsglückes, wobei auch die europäischen Konkurrenten ab und an in die Auseinandersetzungen involviert wur-den. Der BAC bot sich damit nicht nur ein unruhiger Landstrich dar, sondern auch eine Chan-ce, sich als neue Schutzmachtalternative anbieten und etablieren zu können. Und schließlich bot sich den Brandenburgern eine weitere Chance, da gerade in der Zeit ihrer Anwesenheit mit Ashanti ein Reich aufstieg, dessen Verfaßtheit Handelsstrukturen anbot, die den Europäern etwas mehr entgegenkommen mußten.

V Die Situation der Konkurrenz

1. Die Europäer in Westafrika In der frühen Neuzeit war Westafrika nicht die wichtigste Region in den Augen der europäi-schen Mächte, die im Überseehandel engagiert waren. Für die großen, in Westafrika tätigen Nationen Niederlande, England und Frankreich spielte die Karibik die Hauptrolle. Sie wurde wesentlich von Engländern und Franzosen dominiert; die Niederländer spielten hier, trotz ihrer wichtigen Stellung im Waren- und Sklavenhandel, auf Grund nur weniger Besitzungen eine eher untergeordnete Rolle.214 Nicht zuletzt, weil sie neben Westindien noch besonderen Wert auf Brasilien und Surinam legten. An der Goldküste, in unmittelbarer Begegnung mit den Brandenburgern, waren sie jedoch mit Abstand die mächtigste europäische Nation.

a) Die Niederländer Es war die Westindische Compangnie (WIC), welche den niederländischen Handel an der Goldküste zur Zeit der Brandenburger abwickelte. Der begehrliche Blick auf die Zuckerpro-duktion im spanisch kontrollierte Brasilien war der Auslöser für die Gründung der Gesell-schaft. Der Vorschlag lautete, nach dem Vorbild der erfolgreichen Ostindischen Compagnie ein nach Westindien orientiertes Gegenstück zu schaffen, um den Spaniern der lukrativen Zu-ckerhandel zu entreißen.215 Die WIC wurde 1621 gegründet und mit einem Privileg über die Dauer von 24 Jahren ausgestattet. Das Monopol umfaßte Handel, Schiffahrt und Eroberungen in Atlantik und Pazifik. Die Generalstaaten hatten sich die Welt unter ihren beiden privilegier-ten Handelsgesellschaften aufgeteilt.

Die WIC startete mit einem Kapital von 7.108.106 Gulden, das in großen Teilen aus den im Binnenland gelegenen Städten stammte, die bislang nur geringe Möglichkeiten gehabt hatte, sich am Überseehandel zu beteiligen. Organisiert war die Gesellschaft in regionalen Kammern, die sich selbst verwalteten und ihre eigenen Direktorien hatten. An der Spitze des Gesamtun-ternehmens stand ein 19köpfiges Bewinthaberkollegium, die Heren XIX, unter dem Vorsitz eines von der Regierung berufenen Präsidenten. Die übrigen Mitglieder stellten die Kammern je nach ihrem Kapitalanteil. Dieses Kollegium trat jedoch nur bei besonders schwerwiegenden Entscheidungen zusammen, welche die gesamte WIC betrafen. Die alltägliche Geschäftsfüh-rung oblag im Wechsel für sechs Jahre der Amsterdamer und für zwei Jahre der seeländischen Kammer.216 214 SPRUIT, Zout en Slaven, S. 25; sowie BOXER, Seaborne Empire, S. 24/25. 215 REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 121/122. 216 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 61.

Die Situation der Konkurrenz 58

Das Oktroi für die WIC wurde 1647 für weitere 25 Jahre verlängert. 1674 wurde die Ge-sellschaft offiziell neu gegründet und erhielt ein neues Oktroi. In der Realität war dies jedoch nur eine Reorganisation der alten Gesellschaft. Lediglich das Direktorium verringerte sich; aus den Heren XIX wurden die Heren X.217

Die Geschichte der Westindischen Compagnie begann mit einem Kaperkrieg, der gegen die Spanier geführt wurde, um diese aus dem Zuckerhandel zu vertreiben.218 Der Krieg verlief erfolgreich; die Niederlande errangen die Kontrolle über die besiedelten Regionen Brasiliens. Für den Unterhalt der dortigen Plantagen wurden Arbeitskräfte benötigt, was der entscheiden-de Auslöser für ein Engagement in Westafrika darstellte. Trotz des portugiesischen Anspru-ches, über ein Handelsmonopol in Westafrika zu verfügen, waren die Niederländer schon seit Beginn des 17. Jahrhunderts hier aktiv. Vorrangiges Interesse dabei war die Verdrängung der Portugiesen, wozu auch die Hilfe einheimischer Staaten gesucht wurde, wie der erste überlie-ferte Vertrag verdeutlicht, der 1624 mit den Fante gegen Portugal geschlossen wurde.219 Durch solche kriegerische Mittel und durch ihre niedrigeren Preise gelang es ihnen rasch, die Ober-hand im Handel dieser Region zu erlangen.220 Das deutlichste Zeichen für diesen Prozeß war die Eroberung des Forts St. George in Elmina, dem portugiesischen Hauptquartier, das die WIC nun ihrerseits zum zentralen Stützpunkt machte. Nur vier Jahre später zog sich Portugal gänzlich von der Goldküste zurück; die Niederlande beerbten sie in ihrer Position.

Diese extrem privilegierte Stellung konnte die WIC auf Dauer nicht halten. Schon seit 1638 verfügte sie nur noch über das Monopol im Sklaven-, Farbholz- und Waffenhandel; alle ande-ren Güter waren dem freien Handel übergeben worden.221 1661 ging Brasilien für die Nieder-lande wieder verloren; es wurde portugiesische Besitzung. Allerdings behielten die niederlän-dischen Plantagenbetreiber ihr Niederlassungsrecht. Der freie Handel wurde ihnen garantiert. Der Markt Brasilien blieb der WIC weitgehend erhalten.

Als die Brandenburger die Goldküste erreichen, hatte die WIC dort schon ein ansehnliches Netz an befestigten Niederlassungen errichtet. Insgesamt bestanden schon neun Forts, zwei weitere kamen Ende des 17. Jahrhunderts hinzu:222

Name Ort Zeitraum Name Ort Zeitraum

Fort Nassau Mori 1598-1867 Fort Witsen Takoradi 1655-unbek.

Fort Batesteyn Butri 1598-1872 Fort Amsterdam Kormatin 1665-1867

Fort St. George Elmina 1637-1872 Fort Goede Hoop Bercu 1667-1867

Fort Oranje Shama 1640-1872 Fort Vredenburg Komenda 1688-1872

Fort Antonio Axim 1642-1872 F. Leydsaamheyd Apam 1697-1811

Fort Creveceur Accra 1650-1867

217 MENKMAN, West-Indische Compagnie, S. 127 u. 148. 218 REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 122/123. 219 DAAKU, Trade and Politics, S. 55. 220 REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 124. 221 Ebd. 222 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 64.

Die Situation der Konkurrenz 59

Die niederländischen Forts an der Goldküste Durch den Vertrag zwischen den Niederlanden und König Friedrich Wilhelm I. von 1717 kam das schon verlassene Ford Dorothea in Accoda sowie mit vierjähriger Verspätung auch Fort Groß-Friedrichsburg in Prince's Town, ab diesem Zeitpunkt unter dem Namen Hollandia, eben-falls in holländischen Besitz.223 In beiden Fällen ist das Datum unbekannt geblieben, an dem die Niederländer die ehemals brandenburgischen Forts wieder aufgaben.

In den Niederlssungen an der Goldküste dienten der WIC regelmäßig mindesten 200, ma-ximal 400 Mann.224 Der in Elmina ansässige Gouverneur, zuständig für ganz Westafrika, er-hielt ein Jahressalär von 3.600 Gulden, der Direktor von St. George in Elmina 1.200 Gulden, die beiden im Rang folgenden Direktoren der Forts Nassau in Mori und Vredenburg in Ko-menda erhielten noch 960 Gulden im Jahr.225

Neben der Einfuhr von Waren aus Europa nach Afrika und der Verschiffung von Sklaven nach Amerika beteiligte sich die Compagnie auch am innerafrikanischen Warenaustausch. Als Beispiel mag genügen, daß die WIC schon 1633/34 12.641 Stück Tuch aus dem benachbarten Benin in die Goldküste einführten.226 Weniger erfolgreich war die Gesellschaft bei dem Ver-such, nach amerikanischen Vorbild Plantagenwirtschaft in Westafrika einzuführen.227 In der – grundsätzlich nicht falschen – Annahme, daß die klimatische Bedingungen für Pflanzungen in Südamerika und Westafrika ähnlich sind, wurde 1697 mit dem Anbau von Baumwolle, Indigo, Kaffee und Zucker begonnen. Schon im Jahr 1709 häuften sich die Berichte, daß diese Planta-

223 Die von Postma angegebene Jahreszahl 1685 bezieht sich auf die erste Eroberung der Dorotheenschanze und

mißachtet die Tatsache, daß die Niederlassung zunächst zurückgegeben wurde und bis kurz vor Ende der BAC von den Brandenburgern betrieben wurde.

224 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 61. 225 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 133. 226 DAAKU, Trade and Politics, S. 24. 227 Ebd., S. 44-46.

Die Situation der Konkurrenz 60

gen kaum noch diesen Namen verdienten. Dennoch wurde noch einige Jahre versucht, sie auf-recht zu erhalten. Letztendlich scheiterte der Versuch dann doch. Dabei sind die afrikanischen Plantagen weniger an Klima und Anbaubedingungen – schließlich waren solche Pflanzungen in der kolonialen Phase der europäischen Expansion Normalität –, sondern eher an dem Druck gescheitert, der von den Plantagenbesitzern in Amerika, den wichtigsten Kunden der WIC, ausgeübt wurde. Hinzu kam ein Mangel an Arbeitskräften, da die meisten Sklaven exportiert werden mußten, um die amerikanische Nachfrage zu befriedigen.

In der Zeit, in der sich die BAC an der Goldküste aufhielt, blieb deren niederländischer Konkurrent die mit Abstand mächtigste Organisation in der Region. Auch im transatlantischen Handel blieb sie eine der dominierenden Gesellschaften. Einen sehr deutlichen Einbruch erleb-te sie erst ab 1730, als das Monopol auf den Sklavenhandel endete und eine Phase des Frei-handels in den Niederlanden eingeläutet wurde. So verschiffte die WIC zwischen 1730 und 1791 auf 45 Schiffen 23.413 Sklaven, während die freie holländische Konkurrenz auf 874 Schiffen 252.151 Sklaven transportierte.228 Diejenigen, welche die WIC zu Monopolzeiten noch von Rechts wegen bekämpfen durfte, hatten sie nun um das Zehnfache überflügelt.

b) Die Engländer Das britische Gegenstück zur WIC, die Royal African Company (RAC), wurde 1671 als Nachfolgeorganisation der seit 1660 bestehenden „Company of Royal Andventurers into Afri-ca“ aus der Taufe gehoben. Sie sollte eine effektivere Gesellschaft werden als ihre Vorgänge-rin, zumal in ihr auch Kapital des Königshauses steckte. Die Aquirierung des Kapitals ent-sprach jedoch nicht den Erwartungen. Die Zeichnungsmöglichkeit wurde auf insgesamt ein Jahr verlängert; am Ende standen 111.100 Pfund Sterling zu Buche, was rund 1.333.200 Gul-den entsprach.229 Die niederländische Konkurrenz war mit mehr als dem fünffachen Grundka-pital gestartet.

Die RAC trat ein schweres Erbe an. Zwar hatte ihre Vorgängergesellschaft zwischen 1660 und 1674 aus Westafrika Gold im Wert von 200.000 Pfund Sterling und Sklaven im Wert von 100.000 Pfund Sterling exportiert,230 doch hatte sie in ihrer Präsenz an der Goldküste zusehens an Boden verloren und war fast völlig aus ihr vertrieben worden.231 1665 existierten in Westaf-rika schon 18 britische Niederlassungen,232 doch an der Goldküste war nur noch das Fort in Cape Coast in englischer Hand. Mit der neuen Company verbesserte sich die Lage an der Goldküste sehr schnell. Schon 1673 kamen neue Forts in Accra, Komenda und Anamabo hin-zu,233 zwölf Jahre später wurde das dänische Fort Fredericksburg in Cape Coast gekauft. Bei 228 POSTMA, Dimension of the Dutch Slave Trade, S. 245. 229 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 119. 230 DAAKU, Trade and Politics, S. 23. 231 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 74. 232 REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 139. 233 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 120.

Die Situation der Konkurrenz 61

dieser Ausdehnung blieb es schließlich. England war an der Goldküste mit fünf Forts in vier verschiedenen Hafenorten präsent. Da auch in anderen Regionen Westafrikas massive Präsenz gezeigt wurde, reichte dieser Bestand an der Goldküste aus, jedoch nicht, um ausgerechnet hier den Niederländern Paroli zu bieten. Die Engländer waren eindeutig die zweitmächtigste euro-päische Nation an der Goldküste.

Die englischen Forts an der Goldküste Die RAC bezahlte ihre führenden Angestellten besser als als ihre niederländische Konkur-renz.234 Der in Cape Coast ansässige Gouverneur erhielt jährlich 2.000 Pfund Sterling bzw. ca. 24.000 Gulden, die beiden Faktoren unter ihm in Cape Coast jährlich 300 Pfund Sterling bzw. ca. 3.600 Gulden. Dennoch sprechen zeitgenössische Berichte mehrfach vom schlechten Zu-stand der britischen Niederlassungen an der Goldküste.235 Die Gesellschaft befand sich offen-bar fortwährend in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Prägung von 548.327 Guineas zwi-schen 1674 und 1714,236 was einer jährliche Goldausfuhr von durchschnittlich ca. 15.230 Pfund Sterling entsprach, standen laufende Kosten von jährlich 20.000 Pfund Sterling zum Unterhalt der afrikanischen Niederlassungen gegenüber.237 Auch der Versuch, bei Cape Coast eine Plantagenwirtschaft zu etablieren, den Gouverneur Dalby Thomas 1709 nach niederländi-schem Vorbild unternahm, scheiterte kläglich am Widerstand aus Westindien und einiger an-derer Chief Factors.238 Wirtschaftlich erfolgreich konnte die Gesellschaft nur durch den Skla-

234 Ebd., S. 136. 235 Ebd., S. 156/157. 236 DAAKU, Trade and Politics, S. 23. 237 DAVIES, Royal African Company, S. 240. 238 DAAKU, Trade and Politics, S. 45/46.

Die Situation der Konkurrenz 62

venhandel werden. Auffällig ist, daß der Aufschwung des britischen Sklavenhandels erst statt-fand, nachdem 1698 auf Druck privater Händler die britische Regierung die Monopole der RAC aufgehoben hatte.239

c) Die übrigen europäischen Mächte Vier weitere Seehandelsmächte traten in der Geschichte der Goldküste in Erscheinung. Zum Zeitpunkt der brandenburgischen Ankunft waren jedoch zwei davon schon Geschichte, eine sollte scheitern, und eine hatte eine Position inne, die nicht im geringsten an die der Engländer, geschweige denn der Niederländer heranreichte.

Portugal war die Nation gewesen, welche die Region erst für die Europäer erschloßen hatte. Folgerichtig war sie auch mehr als ein Jahrhundert die dominierende Macht in Westafrika. Doch mit den aufstrebenden Niederländern und deren modern organisierten Handelsunterneh-men konnten die Portugiesen nicht mithalten. Ihre Dominanz endete schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts; ihre Präsenz nicht einmal ein halbes Jahrhundert später. Zurück ließen sie ledig-lich einige Festungen, deren sich ihre Nachfolger gerne bedienten. 1679 gab es noch einen Versuch, wieder an der Goldküste Fuß zu fassen, als sie mit Hilfe des Verrats eines Angestell-ten in dänischem Dienst vorübergehend in den Besitz des Forts Christiansborg gelangten.240 Ihr eigenes Engagement war jedoch sehr gering, und der Verräter wechselte abermals die Fronten, so daß die Niederlassung letztendlich wieder in dänische Hände fiel.

Ebenfalls Geschichte waren seit 1663 die Schweden, deren Afrika-Gesellschaft bis zu die-sem Jahr noch ein Fort namens Carolusburg unterhielt,241 dieses jedoch verkaufen mußte.

Frankreich betrieb wesentlich erfolgreicheren Afrikahandel. Dieser fand aber in erster Linie in den westlichen Regionen Westafrikas statt. An der Goldküste Fuß zu fassen, versuchten die Franzosen nur einmal, wurden jedoch 1703 mit vereinten Kräften von den Niederlanden und England ferngehalten, die speziell zu diesem Zweck vor Ort einen Pakt geschlossen und ihre Streitigkeiten vorübergehend begraben hatten.242

Tatsächlich präsent war zur fraglichen Zeit Dänemark. Sie verfügte im Gründungsjahr der BAC noch über zwei Niederlassungen an der Goldküste. Die eine war Fort Christiansborg in Accra, wo sich auch Niederländer und Engländer aufhielten, die andere Fort Fredericksborg in Cape Coast, in unmittelbarer Nähe der britischen Niederlassung. Letzteres, der Royal Africa Company immer ein Dorn im Auge, wurde 1685 von den Engländern aufgekauft.243 Geblieben war den Dänen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Fort Christiansborg,244 obwohl es mehrfach in fremde Hände fiel und zurückerobert werden mußte. Die Dänen hatten also weniger Nieder- 239 DAVIES, Royal African Company, S. 259. 240 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 120/121. 241 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 76. 242 Ebd., S. 74/75. 243 CLARIDGE, History of the Gold Coast, S. 125. 244 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 76.

Die Situation der Konkurrenz 63

lassungen an der Goldküste als die Brandenburger, allerdings saßen sie an den günstigeren Handelsplätzen. Dies bedeutete für sie jedoch auch stets die Anwesenheit der großen Konkur-renzgesellschaften.

d) Die Interlooper In seinem Reisebericht findet der Freiherr Otto Friedrich von der Gröben unter anderem fol-gendes bemerkenswert:

„Dann Fortressen mit weitläuffigen Guarnisonen in Guinea zu unterhalten, will der heutige Goldhandel nicht austragen, weil die Lordenträger die Guineische Küste (wie schon gemeldet) gänzlich verdorben, indem die Nägers alle ihre nohtwendige Wahren von den vorbeygehenden Schiffen kauffen, daß also die Forten und Logien keinen Ab-gang ihrer Cargason haben, und aus dieser Ursache keine grosse Kosten auff dero Un-terhaltung wenden können.“245

Lordenträger oder Interlooper, wie sie zumeist genannt wurden, waren Kapitäne und Schiffs-eigner, die auf eigene Verantwortung und auf eigenes Risiko handelten, da sie sich in Gegen-den bewegten, in denen die Monopolprivilegien der großen Handelsgesellschaften galten. Doch trotz der Risiken des illegalen Handels waren sie es, die den Gesellschaften das Leben beson-ders schwer machten, wahrscheinlich schwerer, als es der Konkurrenzkampf dieser Unterneh-men untereinander vermochte.

„The private traders prospered because they had smaller overhead costs (a lower ratio of staff to turnover and less money tied up in overseas bases); they enjoyed a much greater degree of personal supervision on the West Coast, which meant they could respond more quickly to changing circumstances; and they were unhampered by public obligations and government directives, and so could trade when, where and on what terms they cho-se.“246

Welchen Schaden die Interlooper aus Sicht der Monopol-Gesellschaften anrichteten, zeigt fol-gende Zahl: zwischen 1713 und 1724 konfiszierte die WIC 21 Schiffe von seeländischen Inter-loopern, deren Ladung mit einem Gesamtwert von einer Million Gulden angegeben wurde.247 Allein im Jahr 1715 brachte die WIC zehn illegal operierende Schiffe auf, fünf davon betrie-ben Sklavenhandel und hatten insgesamt 82 Afrikaner an Bord. Die Bedeutung der Interlooper im Sklavenhandel ist dabei allerdings nicht so groß, wie angenommen werden könnte. Für den Zeitraum zwischen 1700 und 1725 konnten aus den überlieferten Quellen 78 Interlooper iden-tifizert werden.248 Davon betätgten sich 24, also nur rund ein Drittel, als Sklavenhändler. Ins- 245 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S.41, bzw. S. 235/236. 246 HOPKINS, Economic History, S. 92. 247 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 80. 248 Ebd., S. 81.

Die Situation der Konkurrenz 64

gesamt wird die Zahl der Sklaven, die von Interloopern nach Amerika veschifft wurden, auf 14.000 geschätzt. Daraus kann geschloßen werden, daß sich die Interlooper besonders auf den innerafrikanischen Handel und den Handel zwischen Europa und Afrika konzentrierten. Der transatlantische Handel stand offensichtlich eher im Hintergrund. Damit nahmen sie eine wichtige Stellung zwischen dem „großen“ Überseehandel und dem „kleinen“ lokalen Handel vor Ort oder ins Landesinnere ein, wodurch sie nicht nur bei den Afrikanern zu beliebten und wichtigen Geschäftspartnern worden, wie die Situation der brandenburgischen Forts deutlich belegt.

Die WIC unternahm große Anstrengungen, diese lästige Konkurrenz zu beseitigen oder we-nigsten zu schwächen. Sie besaß das Recht, Interlooper-Schiffe zu konfiszieren und die Inter-looper selber zu bestrafen. Mehrfach wurden Anreize für die eigenen Schiffsbesatzungen ge-schaffen.249 1680 wurden 10% der konfizierten Ladung für die Schiffsbesatzung ausgelobt, die eines Interloopers habhaft werden konnte. Dieses Versprechen wurde 1714 noch einmal erneu-ert. 1685 wurde den Besatzungsmitgliedern eines solcherart erfolgreichen WIC-Schiffes zwei Monate Zusatzheuer versprochen. Auch Kriegsschiffe wurden gegen die Interlooper ins Feld geführt. 1687 war dies noch eine Fregatte, vier Jahre später schon drei, die offensichtlich tat-sächlich einige Wirkung erzielten. Es herrschte für einige Zeit nur sehr geringer Lordenträger-verkehr. 1698 sah sich die WIC allerdings wieder gezwungen, zwei Fregatten aus der Heimat anzufordern.

Mit dem Ende der Monopolstellung der WIC 1730 endete für die Interlooper im niederlän-dischen Machtbereich die Zeit in der Illegalität. Aus den bisher illegalen wurden über Nacht legale Konkurrenten – und überaus erfolgreiche dazu. 2. Der atlantische Dreieckshandel a) Die Bedeutung des europäischen Westafrikahandels Westafrika kann innerhalb des europäischen Überseehandels in der frühen Neuzeit nicht iso-liert betrachtet werden. Es war ein Bestandteil eines Systems, des sogenannten Atlantischen Systems bzw. des atlantischen Dreieckhandels.

Die Geschichte der europäischen Expansion kennt zwei aufeinanderfolgende Atlantische Systeme. Das erste wurde von den Spaniern und Portugiesen begründet und existierte im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Das zweite Atlantische System wurde von den Nieder-ländern, Engländern und Franzosen geformt und bestand von der Mitte des 17. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Entscheidend war für die Ablösung des ersten Systems das Aufkommen einer völlig neuen kolonialen Form: den Plantagenkolonien mit ihrem immensen Bedarf an billigen Arbeitskräften. Diese Plantagen bestanden fast ausschließlich – von einigen Inseln vor

249 Ebd.; S. 80.

Die Situation der Konkurrenz 65

der afrikanischen Küste abgesehen – auf dem amerikanischen Kontinent und in der Karibik. Vor allem die westindische Inselwelt wurde der neue Interessenschwerpunkt der expandieren-den Europäer in Amerika. Die Rolle Europas, das Siedler und Kaufleute, die Administrationen und die Schiffahrt, sowie das Militär zur Verfügung stellte, und die Rolle Afrikas, das Han-delsplätze und die Arbeitskraft von Sklaven bereit stellte, blieben in beiden Atlantischen Sys-temen gleich. Die Rolle Amerikas änderte sich hin zum Angebot großer agrarischer Nutzflä-chen.250

Dabei bildete dieses System weitaus stärkere kapitalistische Strukturen aus als sein Vorgän-ger. Nicht mehr reine Siedlungskolonien standen im Mittelpunkt, sondern marktorientiert pro-duzierende Plantagen, die von einer Gruppe von Spezialisten, nicht mehr von einer Gemein-schaft von Siedlern geleitet wurden.251 Die Produktion mußte exportorientiert sein.252 In der karibischen Welt selbst existierte nur geringe Nachfrage, es sei denn für Arbeitskraft. Diese mußte aus Afrika beschafft werden, was voraussetzte, daß dort die Nachfrage nach europäi-schen Gütern gestillt wurde, um die Möglichkeit des Austausches überhaupt zu gewährleisten – denn einfach einfangen konnten die Europäer ihre Sklaven nicht. Das System forderte dem-entsprechend auch einen gewissen Grad an exportorientierter Produktion in den beteiligten europäischen Ländern.

Es entstand ein Warenkreislauf mit den Eckpunkten Europa, Westafrika und Amerika. Die amerikanische Seite war von Anfang an zweigeteilt in die konkurrierenden Regionen der Kari-bik und Brasiliens. Mit dem Aufschwung der Siedlungkolonien in Nordamerika erhielt die amerikanische Seite eine dritte Komponente.

In der Regel transportierten also europäische Händler Gewerbeerzeugnisse ihrer Heimatlän-der, vor allem Textil- und Metallwaren, Waffen, Brandtwein und Gegenstände, die in Afrika als Wertgegenstände oder Zahlungsmittel fungierte, nach Afrika, wo sie entweder direkt gegen Sklaven eingetauscht oder gegen Gold verkauft wurden, womit auch Sklaven gekauft werden konnten. Diese Sklaven wurden nach Amerika verschifft, wo mit Hilfe des Erlöses aus der menschlichen Fracht entweder Produkte der dortigen Plantagen, vor allem Zucker und zuneh-mend Baumwolle, geladen wurden, oder wo lediglich Ballast mitgenommen wurde nebst den Wechseln der Plantagenbesitzer für die Sklaven.253

250 EMMER, Dutch and the second Atlantic System, S. 77/78. 251 Ebd., S. 78/79. 252 Ebd., S. 81. 253 REINHARD, Europäische Expansion, S. 142/143.

Die Situation der Konkurrenz 66

Der atlantische Dreieckshandel (Quelle: REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 142)

Die obige Darstellung ist natürlich nur schematisch und konnte in der Realität vielfach variiert werden. Besonders Gold war auch als Ware an sich sehr gefragt und an der Goldküste, wie der Name schon vermuten läßt, ebenfalls ein wichtiges Exportgut, das erst relativ spät von den Sklaven überflügelt wurde. In den zwei Jahrhunderten zwischen 1500 und 1700 steigerte sich

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die jährliche Ausfuhr von Gold aus Westafrika von schätzungsweise 100.000 Pfund Sterling oder 1,2 Millionen Gulden auf maximal 250.000 Pfund Sterling oder 3 Millionen Gulden.254 Als Annäherung kann eine jährliche Ausfuhr von 200.000 Pfund Sterling oder 2,4 Millionen Gulden angenommen werden. Der zeitgenössische Autor Willem Bosman spricht für das Ende des 17. Jahrhundert von jährlich 7.000 Mark Gold, die 224.000 Pfund Sterling entsprechen,255 was jedoch als jährliche Summe etwas hoch erscheint. Zudem darf nicht vergessen werden, daß auch in Brasilien gefördertes Gold keine unwesentliche Rolle spielte und möglicherweise als Zahlungsmittel für Sklaven nach Afrika eingeführt wurde.

Als ein Beispiel dafür, daß die Europäer nicht nur zum Sklaveneinkauf in Afrika weilten, soll hier die Ladung der niederländischen „Opmeer“, als sie 1705 Accra anlief, Erwähnung finden. Sie hatte an Bord keinen einzigen Sklaven, dafür 17.924 Pfund Elfenbein, 15.015 Pfund Reis, 4.000 Pfund Wachs und Gold im Wert von über 2.800 Gulden.256 Auch diese Wa-ren waren in Europa begehrt und wurden, teilweise direkt, teilweise auf dem Umweg über Amerika, in die Heimatländer transportiert.

Außerdem kam es nicht selten vor, daß europäische Schiffe, auch kompanieeigene, dem Warenaustausch zwischen einzelnen afrikanischen Häfen dienten. Es bestand auch eine Wa-rennachfrage zwischen den einzelnen afrikanischen Regionen, und die Europäer waren in der Lage, auf See die besten Transportmittel anbieten zu können.

Trotz dieser Einschränkungen war der Sklavenhandel für die führenden europäische Gesell-schaften das Hauptgeschäft. Ohne die Möglichkeit der Sklavenbeschaffung hätte Afrika im europäischen Überseehandel nicht die Rolle gespielt, die es als eine von drei gleichwertigen Stützen in einem transatlantischen System einnahm.

b) Der europäische Sklavenhandel Im ausgehenden 17. und im beginnenden 18. Jahrhundert betrieben weitaus mehr Parteien Sklavenhandel, als in Amerika Niederlassungen mit hohem Arbeitskräftebedarf besaßen. Ne-ben den Brandenburgern erschienen Sklavenhändler aus Genua, aus Kurland oder aus Schwe-den, die alle gemeinsam hatten, daß sie ausschließlich den Bedarf anderer Mächte deckten. Erst recht galt dies für die eigenverantwortlichen Sklavenhändler, deren Tätigkeiten und ihr Umfang zumeist nicht in den Quellen zu finden ist. Europäischer Sklavenhandel wurde end-gültig nicht mehr zur eigenen Versorgung betrieben. Die Nachfrage war so groß geworden, daß der Handel mit den versklavten Arbeitskräften zu einem blühenden, besonders gewinnver-sprechenden Geschäft wurde, an dem möglichst viele partizipieren wollten. Seinen Höhepunkt erreichte der Sklavenhandel im Verlaufe des 18. Jahrhunderts.

254 Richard BEAN, A Note on the Relative Importance of Slaves and Gold in West African Exports, in: Journal

of African History 15 (1974), S. 353. 255 Ebd., S. 352. 256 DAAKU, Trade and Politics, S. 21.

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Für das letzte Viertel des 17. Jahrhunderts kann ein jährlicher Verkauf von 24.100 Sklaven angenommen werden. Insgesamt wurden in diesem Abschnitt, zwischen 1676 und 1700 602.500 Arbeitskräfte aus Afrika verkauft.257 Davon gingen lediglich 2.700 (0,4%) in die Alte Welt, also nach Europa und nach Sao Thomé. Die meisten, nämlich 175.000 (29,0%), landeten in dem wieder portugiesisch beherrschten Brasilien. Das gesamte spanische Amerika erhielt hingegen nur 102.500 Sklaven (17,0%). Wesentlich größer war der Bedarf der Karibik. In der britischen Karibik wurden 173.800 (28,8%), in der französischen 124.500 (20,7%) verkauft. Nur unbedeutend sind die Anteile der niederländischen Karibik mit 20.000 (3,3%) und der dänischen mit 4.000 Sklaven (0,7%). Insgesamt hatte Westindien jedoch mit 322.300 Sklaven einen Anteil von 53,5% an der Gesamtnachfrage.

Für den drittgrößten Markt, das in spanischem Besitz befindliche Amerika, galten besonde-re Bedingungen. Seit dem 16. Jahrhundert bediente sich die spanische Krone des Systems des „Asiento“. Dabei handelte es sich um einen zeitlich befristeten, aber verlängerbaren Monopol-vertrag, der dem Vertragspartner die alleinige Sklaveneinfuhr nach Spanisch-Amerika garan-tierte.258 Zunächst profitierten portugiesische Händler von dieser Regelung. Zwischen 1640 und 1695 war der „Asiento“ faktisch in der Hand der Niederländer. Zwischen 1695 und 1702 gab es ein portugiesisch-französisches Monopol. Danach hielten zwei Gesellschaften, die spe-ziell für dieses Geschäft gegründet wurden, das Monopol; zunächst bis 1713 die französische Gesellschaft „Compagnie du asiento“, dann die britische „South Sea Company“. 17% des möglichen Sklavenmarktes waren für alle Anbieter, die nicht zu den Asiento-Vertragspartnern gehörten, gar nicht zu erreichen.

Der gesamten Sklavenhandel erlebte im 17. und 18. Jahrhundert einen stetig steigenden Trend. Für die Westindische Compagnie aus den Niederlanden, den direktesten Konkurrenten der Brandenburger, galt dieses Bild nicht uneingeschränkt. Für den fraglichen Zeitraum entwi-ckelte sich der Sklavenexport der WIC aus Westafrika wie folgt:259

Zeitraum Anzahl

1680 – 1684 13.538 Sklaven

1685 – 1689 22.660 Sklaven

1690 – 1694 10.910 Sklaven

1695 – 1699 10.934 Sklaven

1700 – 1704 14.032 Sklaven

1705 – 1709 14.564 Sklaven

1710 – 1714 8.625 Sklaven

1715 – 1719 11.950 Sklaven

257 CURTIN, Atlantic Slave Trade, S. 119. 258 REINHARD, Europäische Expansion, Bd. 2, S. 139; sowie EMMER, Dutch and the Second Atlantic System, S. 78. 259 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 110.

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Insgesamt verschiffte die WIC innerhalb dieser vier Jahrzehnte 107.213 Afrikaner in die Neue Welt. Im Durchschnitt waren dies rund 2.680 Sklaven pro Jahr. Die Entwicklung des nieder-ländischen Sklavenhandels stagnierte allerdings zu dieser Zeit. Ihre große Aufschwungphase hatte die WIC schon hinter sich.

In einer Aufschwungsphase befand sich in dieser Periode dagegen der britische Sklaven-handel. Eine Schätzungergibt für die Zeit zwischen 1690 und 1730 folgende Zahlen:260

Zeitraum Anzahl Jahresdurchschnitt

1690 – 1700 99.400 Sklaven 9.000 Sklaven

1701 – 1710 119.600 Sklaven 12.000 Sklaven

1711 – 1720 140.900 Sklaven 14.100 Sklaven

1721 – 1730 141.600 Sklaven 14.200 Sklaven

Seinen Höhepunkt erreichte der britische Sklavenhandel erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unmittelbar vor dem Verbot des Sklavenhandels durch die britische Regierung 1807, mit durchschnittlich 38.000 Sklaven pro Jahr. Bei diesen Steigerungen darf nicht übersehen wer-den, daß England seit 1713 alleiniger Importeur von Sklaven nach Spanisch-Amerika war.

Ebenfalls einen Aufschwung, allerdings noch einige Jahre später als der englische, erlebte der französische Menschenhandel.261 Die in eine Stagnationsphase geratene WIC wurde also von ihren wichtigsten Konkurrenten eingeholt. Von einer Ablösung der Niederländer im trans-atlantischen Sklavenhandel kann allerdings kaum die Rede sein, da die Zahlen trotz aller Stag-nation weiterhin relativ hoch waren. Abgelöst wurde die WIC erst von ihren eigenen Landsleu-ten, als das Monopol für den Sklavenhandel 1730 auslief und nicht erneuert wurde.

Der dänische Sklavenimport in die eigenen karibischen Besitzungen, die Jungferninseln, kann für den Zeitraum von 1687 bis 1754 auf 16.889 berechnet werden, was einen jährlichen Import von 248 Sklaven ergibt.262 Während des Zeitraumes, in dem die BAC Handel trieb, hat demnach der Konkurrent Dänemark 8.928 Sklaven in seine Niederlassungen eingeführt. Nicht darin enthalten sind die Sklaven, die von den Jungferninseln direkt an benachbarte Niederlas-sungen anderer Mächte weiterverkauft wurden, zumal die dänischen Besitzungen mehr Han-delsstationen als Plantagekolonien waren. Der dänische Sklavenhandel müßte also weitaus höher liegen, als diese Zahlen aussagen.

Die Goldküste war bei weitem nicht das einzige Gebiet Afrikas, in dem Sklaven eingehan-delt wurden, was allein schon durch die Existenz des Hafens Whydah und des Reiches Daho-mé in der Bucht von Benin verdeutlicht wird. Für den britischen Sklavenhandel ergibt sich folgendes Bild der Herkunftsregionen.263

260 DAVIES, Royal African Company; S 143; sowie CURTIN, Atlantic Slave Trade, S. 150. 261 Robert STEIN, Measuring the French Slave Trade, in: Journal of African History 19 (1978), S. 518/519. 262 CURTIN, Atlantic Slave Trade, S. 86. 263 Ebd., S. 129.

Die Situation der Konkurrenz 70

1680-85 1688 1713 1724

Senegambia/Sierra Leone 12,0% 12,0% 18,8% 17,0%

Windküste 27,3% 38,0% 10,4% 5,3%

Goldküste 20,9% 18,4% 31,2% 38,3%

Bucht von Benin 15,7% 12,3% 39,6% 21,3%

Bucht von Biafra 6,7% 5,2% -- 3,2%

Zentral-Afrika 12,0% 11,3% 14,9% 12,7%

Andere 5,4% 2,8% -- --

Deutlich läßt sich in diesen Zahlen der Aufschwung der gezielt Sklavenhandel betreibenden Reiche Ashanti an der Goldküste und Dahomé in der Bucht von Benin zu Beginn des 18. Jahr-hunderts ablesen. Deren Exportsteigerung ging zu Lasten des Sklavenexportes aus der Region der Windküste, bestehend aus Elfenbeinküste und Getreideküste. Durch Ashanti wurde die Goldküste zu einem der wesentlichsten Lieferanten des britischen Sklavenhandels. Zentral- und Ostafrika spielten zu diesem Zeitpunkt noch keine große Rolle, zumal in Ostafrika der Sklavenhandel allenfalls von Arabern betrieben wurde. Die Region von Angola, die Loanga-Küste, findet in einer Aufstellung des britischen Sklavenhandel keine Beachtung, da der Han-del dort weitgehend von Portugal kontrolliert wurde. Betrachtet man die Herkunft der auf Ja-maika lebenden Sklaven, ergibt sich ein ähnliches Bild:264

1655 bis 1701 1702 bis 1725

Senegambia/Sierra Leone 5,7% 17,9%

Windküste 12,9% 7,9%

Goldküste 6,3% 34,8%

Bucht von Benin 27,6% 30,5%

Bucht von Biafra 7,7% 1,6%

Zentral-Afrika 39,5% 7,5%

Gerade zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist ein deutlicher Aufschwung des Sklavenhandels an der Goldküste festzustellen. Durch das Königreich Ashanti stellte die Goldküste in dieser Zeit gut ein Drittel der aus Afrika exportierten Sklaven.

1676 veranschlagte die WIC für einen gesunden männlichen Sklaven einen Einkaufspreis von 40 Gulden.265 Nach einer relativen langen Zeit stabiler Preise mußten die Einkaufspreise für Sklaven 1690 und 1713 in den Listen der WIC erhöht werden. 1721 schließlich hatte sich 264 Ebd., S. 160. 265 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 264.

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der Preis für einen männlichen Sklaven auf 80 Gulden verdoppelt.266 Die Verkaufspreise in Amerika gestalteten sich uneinheitlich. Sklaven aus Westafrika wurden in der Regel höher bezahlt als Sklaven aus Angola und der Bucht von Biafra.267 1688/89 lagen die Verkaufspreise in Curaçao bei 120 Gulden, in Surinam bei 180 Gulden.268 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur Freigabe des Sklavenhandels pendelten sich die Preise in Curaçao zwischen 100 und 110 Gulden ein, während in Surinam in der Regel 250 Gulden zu zahlen waren.269 Bei diesem luk-rativem Geschäft ist allerdings zu beachten, daß nicht alle Sklaven, die in Afrika eingeschifft wurden, die Reise in die Neue Welt überlebten. Die Sterblichkeitsraten auf der Seereise wiesen dabei extreme Schwankungen auf. So verzeichneten beispielsweise die dänischen Sklaven-händler eine Sterblichkeit zwischen 10% und 55%.270 Abhängig war die Mortalität von der Länge der Reise, der gewählten Route und deren Witterungsbedingungen, der Behandlung der Sklaven durch die Besatzung, die Ernährung derselben und die hygienischen Verhältnisse an Bord. In der Regel mußte im 16. und 17. Jahrhundert noch mit einer Sterblichkeit von 15% bis 25% gerechnet werden, im 18. Jahrhundert mit 10% bis 20%, wobei sich die Fälle häuften, in denen weniger als ein Zehntel der menschlichen Fracht unterwegs starb.

Eine exakte Gesamtzahl der von den Europäern als Sklaven verkauften Afrikaner läßt sich kaum bestimmen. Die Wissenschaft ist auf Schätzungen angewiesen. Die wahrscheinlich fun-dierteste Schätzung geht von insgesamt 9.566.100 Personen aus.271 Davon entfallen 1.341.100 auf das 17. Jahrhundert und 6.051.700 auf die Zeit zwischen 1701 und 1810, dem Zeitpunkt, zu dem sich England aus dem Sklavenhandel verabschiedete. Eine andere Schätzung greift höher und beziffert den Gesamtexport auf 11.698.000 Personen, von denen 1.868.000 auf das 17. und 6.133.000 auf das 18. Jahrhundert entfallen.272 Das 18. Jahrhundert war die Epoche des Sklavenhandels schlechthin. Niemals zuvor oder danach gab es so viele Konkurrenten auf diesem Markt, seien es verschiedene privilegierte Handelsgesellschaften, Interlooper und ande-re private Händler, oder seien es afrikanische Staaten, die ihren Anteil an dem Geschäft gezielt suchten.

3. Fazit Die BAC versuchte sich in einer Zeit an der Goldküste zu etablieren, in der diese von einer europäischen Macht, nämlich den Niederlanden, weitgehend dominiert wurde, und in der mit England eine zweite Macht eine wichtige Rolle spielte. Neben diesen beiden befanden sich nur

266 Ebd., S. 266. 267 Ebd., S. 267. 268 Ebd., S. 406. 269 Ebd. 270 CURTIN, Atlantic Slave Trade, S. 276. 271 Ebd., S. 268. 272 Paul E. LOVEJOY, The Volume of the Atlantic Slave Trade. A Synthesis; in: Journal of African History 23

(1982), S. 478.

Die Situation der Konkurrenz 72

noch die Dänen an der Goldküste, doch konnten sie auf Grund ihrer geringen Präsenz kaum eine Rolle spielen. Die beiden Hauptmächte lebten in einem ununterbrochenen Spannungsver-hältnis miteinander, doch die Vielzahl der teilweise dicht beieinander liegenden Forts balan-cierte das Kräfteverhältnis meistens aus. Gerade die Dichte der konkurrierenden Niederlassun-gen machte die Ansiedlung des Neuankömmlings BAC nicht einfacher.

Auf internationaler Ebene versuchte die BAC Zugang zu einem Handelssystem zu finden, das gerade feste Formen unter den drei dominierenden Mächten England, Frankreich und Nie-derlande angenommen hatte, wodurch der Zutritt erschwert wurde. Die Brandenburger hatten die Wahl zwischen einer sehr großen Kraftanstrengung, um sich am transatlantischen Drei-eckshandel zu beteiligen und damit in den Sklavenhandel erfolgsversprechend einzusteigen, und dem Verzicht auf diesen Dreieckshandel, um sich im kleineren Maßstab auf den Handel mit europäischen und afrikanischen Waren innerhalb Afrikas bzw. zwischen Afrika und Euro-pa zu konzentrieren. Einen Handel, welchen die großen Handelsnationen als Nebengeschäft neben dem Dreieckshandel betrieben. Auf jeden Fall brauchten die Brandenburger eigene Ex-portwaren in ausreichendem Maß.

Die BAC trat zu einem Zeitpunkt auf den Plan, als der europäische Sklavenhandel seine volle Blüte erreichte und in Westafrika ein Aufschwung im organisierten Verkauf von Sklaven einsetzte. Einerseits hatten die europäischen Mächte den bestehenden Kuchen untereinander schon aufgeteilt, andererseits boten sich gerade zu dieser Zeit neue Möglichkeiten, die es zu nutzen galt. Dabei hatte die Brandenburger im Bereich des Sklavenhandels die Schwierigkeit, im Gegensatz zu Niederländern, Engländern, Franzosen und sogar Dänen keine eigenen Landsleute als Abnehmer in Amerika zu haben. Die Spanier hatten Exklusivverträge mit ihren Sklavenlieferanten, an welche die Brandenburger als Neulinge nicht herankommen konnten. Die zuvor genannten Mächte belieferten sich zunächst einmal selbst. Den Brandenburgern blieb im Bereich des Sklavenhandels nichts anderes übrig, als sich unabhängige Kunden zu suchen und Lücken, die in der Versorgung der großen Mächte entstanden, zu stopfen. Dies galt jedoch auch für die „Exoten“ sowie für die Interlooper, was einen großen Konkurrenz-kampf bedeutete. Zudem wurde dafür eine große Beweglichkeit in Westindien benötigt.

VI Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

Ein Handelsunternehmen 1. Die Struktur einer Handelsgesellschaft a) Der Aufbau des Unternehmens Bevor die Brandenburgisch-Africanische Compagnie durch Oktroi und Reglement ihre feste Form erhielt, wurden die Weichen für eine wichtige Personalie gestellt – wenn es nicht sogar die wichtigste in diesem Zusammenhang überhaupt war. Die Karriere des Reeders Benjamin Raule in brandenburgischen Diensten erlebte am 10. Februar 1681 ihren Höhepunkt, als der Kurfürst den bisherigen Ober-Schiffs-Direktor zum Generaldirektor der Marine ernannte und ihn gleichzeitig in den Rang eines Obristen erhob.273 Friedrich Wilhelm legte alle Verantwor-tung für seine zivilen und militärischen Unternehmungen zur See in die Hände des Niederlän-ders. Die dominante Persönlichkeit war längst auf den Plan getreten, ehe noch die zu dominie-rende Compagnie überhaupt gegründet worden war. Raule war nicht nur der „Erfinder“ der Gesellschaft, sondern auch der oberste mit ihrer Kontrolle betraute Staatsdiener.

In Leben gerufen wurde die Compagnie erst im darauf folgenden Jahr. Am 17. März 1682 wurde das „Edict wegen Octroyirung der aufzurichtenden Handels-Compagnie auf denen Küs-ten von Guinea“ erlassen,274 worin potente Interessenten aufgefordert wurden, bis zum 31. De-zember des Jahres Anteile zu zeichnen. Der Ansprechpartner war Raule. Das Oktroi für die Gesellschaft folgte am 18. November 1682.275 Am 28. April 1683 schließlich erhielt die neu gegründete Compagnie ihr Reglement.276 Alle drei Dokumenten zusammen bestimmten den organisatorische Rahmen, in dem der brandenburgische Afrikahandel abgewickelt werden sollte.

Die Mindestsumme für eine Beteiligung betrug 200 Rthlr., jedoch reichte diese lediglich dazu aus, gegebenenfalls anteilig an den Gewinnen beteiligt zu werden. Um an den General-versammlungen teilnehmen und dort auch Stimmrecht in Anspruch nehmen zu dürfen, benö-tigten die Partizipanten eine Einlage von mindestens 1.000 Rthlr. Es hat allerdings nie Teilha-ber gegeben, die eine geringere Summe als diese zeichneten. Der Kurfürst selbst verpflichtete sich, die größte Summe aller Partizipanten einzulegen, ohne jedoch Ansprüche auf Gewinnbe-teiligung zu erheben.

Bei Rückkehr eines Schiffes hatte die Generalversammlung über die Verwendung der Wa-ren zu bestimmen. Hinsichtlich der Ausrüstung von Schiffen und der Warenverkäufe mußte erst ein Teilhaberbeschluß herbeigeführt werden, wobei es möglich war, die eigene Stimme

273 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 50, S. 99. 274 Ebd., Nr. 63, S. 126 129. 275 Ebd., Nr. 67, S. 136 142. 276 Ebd., Nr. 72, S. 169 175.

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einem Bevollmächtigten und somit auch einem anderen Partizipanten zu übertragen. Dennoch ging diese Regelung stillschweigend von einer ständigen Präsenz der Anleger am Sitz der Compagnie aus, was im krassen Widerspruch zu den Versuchen stand, möglichst weit gestreu-te Geldgeber zu finden. Es sei denn, es wurde anfangs davon ausgegangen, das Projekt nur mit Großanlegern durchführen zu können, die sich einen ständigen Bevollmächtigten leisten konnten.

Einen Widerspruch hierzu stellte auch die Bestimmung dar, daß die möglichst einmal wö-chentlich tagenden Bewinthaber an verschiedenen Orten wohnen sollten. Vier dieser Be-winthaber oder Direktoren bildeten das Führungsgremium. Zu wählen waren sie aus dem Kreis der Partizipanten auf der Generalversammlung. Im Reglement der BAC wurde diese Zahl für die Anfangsphase auf zwei Bewinthaber heruntergesetzt. Den Präsidenten der Gesellschaft benannte der Kurfürst. Zwar sollte der Präsident nur den Versammlungen der BAC vorsitzen, doch da auf diesen Versammlungen alle Tätigkeiten der Compagnie einschließlich Einkauf und Verkauf geregelt werden mußten, war er de facto der erste Mann. Bei Beschwerdeführung eines Partizipanten war er der erste Ansprechpartner. Zudem bestand es bei Streitfällen die Möglichkeit, sich unmittelbar an den Kurfürsten zu wenden, der sich das letzte Entscheidungs-recht vorbehielt. Bei Klagen gegen die BAC als Gesellschaft war der Kurfürst die einzige zu-lässige Instanz.

Neben dem Führungsgremium wurde die Ernennung eines Buchhalters, eines Kassierers, eines Equipage- und eines Magazinmeisters vorgeschrieben. Die ersten beiden Funktionen wurden in der Regel von nur einer Person wahrgenommen.

Das Bewinthaberkollegium wurde verpflichtet, alljährlich einen Rechenschaftsbericht über den Zustand der Compagnie, einen sogenannten Staat, vorzulegen. Auch die leitenden Beam-ten in Übersee mußten über ihren Befehlsbereich Rechenschaft ablegen.

Nach den Bestimmungen des Oktroi sollte auf den Niederlassungen in Afrika strikte Tren-nung zwischen dem militärischen und dem kaufmännischen Bereich herrschen. Der Gouver-neur einer Niederlassung hatte nur über die dort stationierte Miliz zu gebieten, während der Oberkaufmann ausschließlich für den Handel zuständig war, in den sich das Militär nicht ein-mischen durfte. Auch private Geschäfte waren den Soldaten verboten. Dagegen hatten sich die Kaufleute im Verteidigungsfall der Befehlsgewalt des militärischen Kommandeurs zu un-terstellen. In der Praxis wurde diese Trennung allerdings kaum eingehalten. Die späteren Gene-raldirektoren vereinten beide Aufgaben auf sich, zumal nur selten Offiziere zugegen waren.

Auch in der Heimat gab es nur eine unscharfe Trennung zwischen Handelsunternehmen und Militär. Die BAC krankte lange daran, daß es keine klare Abgrenzung zur brandenburgi-schen Kriegsmarine gab. Eine klare Zuordnung der Schiffsbestände existierte nicht; meist wurden die Schiffe als Vermögen in beiden Kassen aufgeführt. Auch war die Marine nicht zimperlich, sich ab und an des Compagnie-Geldes zu bedienen. Das Fehlen von Kassenbü-chern aus dieser Zeit macht es unmöglich zu sagen, in welchen Größenordnungen hier Gelder in die falschen Kanäle gerieten. Doch die Tatsache, daß der Kurfürst Friedrich III. noch im Jahre seines Amtsantrittes den Versuch unternahm, die BAC strikt von der Marine zu trennen,

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indem genaue Inventare aller Besitztümer der beiden Seiten angefertigt und für die zukünftige Zuordnung verbindlich werden sollten, zeigt die Bedeutung dieses Problems.277 Mit seinem Lösungsversuch hatte der neue Kurfürst zunächst noch keinen Erfolg.

Erfolgreicher war er mit seinem Bemühen, die Gesellschaft auf eine neue Grundlage zu stel-len. Während der ersten Jahre seiner Amtszeit war die BAC in wirtschaftlich immer schwieri-geres Fahrwasser gesegelt. Dies nicht nur durch ihre Schwierigkeiten mit der Marine; durch hohe Verluste auf See und chronischen Geldmangel drohte das schon in großem Ausmaß vom Kurfürsten getragene Unternehmen endgültig zu einem reinen Zuschußbetrieb zu werden. Mit dem Transport-Kontrakt vom 27. Februar 1692 zog er die Notbremse.278 Dem Kurfürsten schwebte vor, „daß Wir Unser Afric. und Americanisches Commercium nach dem Exempel aller andern Puissancen in eine ordentliche Compagnie verändern und dieselbe nach Art und Weise der Holländ. Ost- und West-Indischen Comapgnien mit gleichmäßigen Privilegiis und Octroys versehen und bestätigen wollen.“279 Er wollte eine Gesellschaft, die für kaufmänni-sche Anleger – und dabei dachte er mit Sicherheit an Niederländer, die auch bald die Aktien-mehrheit halten sollten – interessant war und für die der Kurfürst nur noch als Schutzherr auf-trat, ohne ein Partizipant der Gesellschaft zu sein. Die bisherigen Anteile wurden um die Hälf-te abgewertet; ihre Inhaber standen vor der Wahl, dies zu akzeptieren oder zu Gläubigern der BAC zu werden. Der Kurfürst zog sich aus der Gesellschaft zurück und überließ dieser seine bisherigen Einlagen als Kredit. Zudem sagte er eine jährliche Unterstützung von 12.000 Rthlr. zu.

Insgesamt ging die bisherige Compagnie nahtlos in die neue Gesellschaft über, die sich nun Brandenburgisch-Africanisch-Americanische Compagnie nannte. Alle Besitztümer der BAC blieben erhalten, so wie auch das Personal übernommen wurde. Für die Männer in den Über-see-Niederlassungen blieb alles wie gewohnt, falls sie von der Veränderung überhaupt erfahren hatten.

Dieses Mal wurde die Trennung zwischen Marine und Compagnie konsequent durchge-setzt. Die Kriegsmarine war nicht mehr an den Unternehmungen der BAC mit Schiffen, See-leuten und Soldaten beteiligt. Die Compagnie unterhielt ab sofort eine eigene Flotte mit eige-nem Personal, von der sie nur im Kriegsfalle dem Herrscher zwei Fregatten zu Verfügung stel-len mußte. Alle weiteren Schiffe konnten von der Marine nur auf Mietbasis benutzt werden.

Für den organisatorischen Rahmen änderte sich wenig. Die Compagnie wurde lediglich in größere Unabhängigkeit entlassen, war fortan für alle Entscheidungen, Tätigkeiten und Rechtsstreitigkeiten alleine verantwortlich, und dies auch in finanzieller Hinsicht. Das Oktroi der neuen Gesellschaft legte als kurfürstlichen Einfluß lediglich fest, daß der Präsident nach wie vor durch den Herrscher benannt werden und das Benjamin Raule und Hofkammerpräsi-dent von Knyphausen auf Lebenszeit Mitglieder des Bewinthaberkollegiums sein sollten.280 Ansonsten wurde das Direktorium aus den Hauptpartizipanten, den Einlegern mit mehr als

277 Ebd., Nr. 122, S. 315 323. 278 Ebd., Nr. 135a, S. 385 393. 279 Ebd., S. 386. 280 Ebd., Nr. 139a, S. 416 426.

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1.000 Rthlr. Anteil, gewählt. Die einzelnen Mitglieder waren nur auf Grund einer Anklage wegen Pflichtvergessenheit ihres Amtes zu entheben.

Die Compagnie war zu einem weitgehend selbstständig operierenden Unternehmen gewor-den, zu einer frühen Form einer Aktiengesellschaft. Tatsächlich waren es nun Kaufleute, mehrheitlich aus den Niederlanden, die an der Gesellschaft beteiligt waren. Bis 1711 blieb die-ser Status erhalten. Erst als sich keine Partizipanten mehr fanden, die an den Generalversamm-lungen der Compagnie teilnehmen wollten, wurde die BAC am 18. März 1711 aufgelöst und fiel vollständig in den Besitz des Königs zurück.281 Es wurde die Grundlage dafür geschaffen, daß Friedrich Wilhelm I. die BAC eigenmächtig, da alleiniger Besitzer, verkaufen konnte.

b) Privilegien und Verträge

„Wir versprechen, diese Compagnie wider alle und jede, die sich unternehmen möchten, selbige in ihrer Handelung an freien Orten auf der Küste von Guinea, Angola und durchgehend in freier See zu troubliren, zu incommodiren oder einigermaßen zu be-schädigen, durch alle zulässige Weise und nach der Macht, so Uns Gott verliehen, zu schützen und zu mainteniren, und zu dem Ende die Schiffe mit tüchtigen Soldaten, so viel auf jedem, außer denen Matrosen, welche die Compagnie giebt, nöthig, zu monti-ren.“282

Mit diesen Worten stellte der Große Kurfürst 1682 die BAC unter seinen Schutz. Diese Schutzerklärung war zugleich das wesentlichste Privileg, das der BAC zugestanden wurde. Für die ersten drei der dreißig Jahre Laufzeit des Oktrois erhielten die Compagnie-Schiffe zwar in allen brandenburgischen Häfen Zoll- und Abgabenfreiheit. Da diese Schiffe jedoch nur den Hafen von Emden und allenfalls noch Hamburg anliefen, war dies ein recht bedeutungsloses Versprechen. Zudem durfte kein anderer brandenburgischer Untertan in dem Operationsgebiet der BAC Handel treiben. Sollte es doch einer wagen, so war sein Schiff einschließlich Ladung zu Gunsten der BAC zu beschlagnahmen.

Im Gegensatz zur WIC, die in Auseinandersetzung mit Spanien gegründet wurde, hatte die BAC keinerlei militärische Befugnisse. Im Gegenteil, das Oktroi wies sie ausdrücklich an, den Forts und Kontoren Dänemarks, Englands und der Vereinigten Niederlande nicht zu nahe zu kommen und sich grundsätzlich an „der Völker Recht“ zu orientieren. Eroberungskriege ge-hörten eindeutig nicht zu dem zulässigen Repetoire der Compagnie. Auch Friedensschlüße ohne die Zustimmung des Kurfürsten waren nicht zulässig. Der gewährte militärische Schutz auf Kosten des Kurfürsten lief nach vier Jahren aus; ab diesem Zeitpunkt hatte die Compagnie selbst für die Soldaten auf ihren Schiffen und in ihren Niederlassungen aufzukommen. Den-

281 Ebd., Nr. 171, S. 519 523. 282 Ebd., Nr. 63, §10, S. 128/129.

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noch blieben die Soldaten dem brandenburgischen Militär und seiner Marine unterstellt, wur-den also von der BAC nur gemietet.

Geändert wurde diese Situation erst mit der Neuorganisation 1692. Seither genoß die Ge-sellschaft größere Unabhängigkeit und damit auch größere Handlungsfreiheiten. Die wesentli-che Änderung durch das Oktroi von 1692 war das Recht, eigenverantwortlich Defensivkriege zu führen und Friedensschlüße zu tätigen. Die Compagnie wurde dadurch auf eine Stufe mit ihren Konkurrenzgesellschaften gestellt.

Auch wenn zuvor anderslautende Äußerungen gemacht wurden – so z.B. von Gijsel van Lier – war doch von Beginn an klar, daß der Hafen von Pillau für die Zwecke der BAC ungünstig war. Die Suche nach einem angemesseneren Stützpunkt führte in die ostfriesische Hafenstadt Emden. Es war Benjamin Raule, der am 15. März 1683 in einer ausführlichen Denkschrift den Nordseehafen vorschlug.283 Es waren zum einen seefahrerische Gründe, die er anführte. Weder in der Ostsee noch in den Niederlanden herrschten so günstige Windverhältnisse, wie sie Raule für Emden beschrieb. Lotsen waren in Emden nicht unbedingt nötig. Zudem fiel bei einem Stützpunkt in Emden die gefährliche Durchfahrt durch den Kattegat weg, in dem überdurch-schnittlich viele Schiffe verunglückten. Mit den dänischen Gewässern hatten auch die wirt-schaftlichen Gründe zu tun, die Raule anführte. Die Durchfahrt durch den Sund war mit Zöl-len belegt, bei denen kaum Erleichterungen zu erreichen waren, wie frühere Verhandlungen hinreichend gezeigt hatten.

Der Große Kurfürst schloß sich der Meinung seines Marine-Direktors an, zumal die politi-schen Rahmenbedingungen bezüglich Ostfrieslands zu dieser Zeit besonders günstig waren. Der schon lange schwelende Streit zwischen den ostfriesischen Ständen und dem Landesherrn, dessen Grunlage Auseinandersetzungen um Schutz und Förderung der ständischen Handelsin-teressen bildeten, hatte einen Höhepunkt erreicht. Nachdem Kaiser Leopold die Stände begüns-tigt und daraufhin Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland die Niederlande auf ihre Seite gezogen hatte, griff der Kaiser endgültig auf Seiten der Stände in den Konflikt ein. Er be-stimmte den Kurfürsten von Brandenburg und den Bischof von Münster zu seinen Sachwaltern in dieser Angelegenheit.284 Friedrich Wilhelm schickte Soldaten nach Ostfriesland, um eine niederländische Intervention zu verhindern. Dabei nutzte er die Gunst der Stunde, um mit der Stadt Emde, vor deren Toren seine Truppen zum Einsatz kamen, und den ostfriesischen Stän-den eine Handels- und Schiffahrtsvertrag abzuschließen.285

In erster Linie versammelte der Vertrag eine Reihe von Absichtserklärungen. Der Kurfürst versprach, ostfriesische Schiffe zu unterstützen, die unter brandenburgischer Flagge segelten, und sich in Dänemark um bessere Bedingungen für diese zu bemühen. Außerdem stellte er in Aussicht, sich in London für die erneute Einrichtung eines englischer Handelshof in Emden einzusetzen und sich im Reich für Vergünstigungen für ostfriesische Waren zu verwenden. 283 Ebd., Nr. 71, S. 165 169. 284 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 169/170. 285 MÖRNER, Staatsverträge, Nr. 259, S. 443 447.

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Auch sagte er zu, in Zukunft bei Schadensersatzansprüchen seine Bemühungen auf Ostfriesen und Brandenburger gleich zu verteilen. An verbindlichen Zusagen hatte der Kurfürst nur Ver-günstigungen bei Zoll und Gebühren in brandenburgischen Häfen sowie ein sechsjähriges Schiffsbaurecht für Ostfriesen in Brandenburg zu bieten. Er fügte noch hinzu, daß die Haupt-niederlassung der BAC in Emden einzurichten wäre. Er setzte einfach den wirtschaftlichen Erfolg der Compagnie voraus, und schon wurde aus seinem Wunsch, in Emden die BAC an-zusiedeln, eine kurfürstliche Begünstigung für die Stadt.

Die ostfriesischen Stände und die Stadt Emden stellten im Gegenzug die Gleichstellung brandenburgischer Kaufleute mit Emdenern sowie die Erlaubnis, ein Magazin für Handels- und Kriegsschiffe in Emden einzurichten, in Aussicht. Außerdem wurde seitens der Ostfriesen zugesagt, zukünftig in der Ostsee nur noch Häfen des Kurfürstentums anzulaufen. Von den Mehreinnahmen, die der Emdener Hafen durch die brandenburgische Seefahrer erzielen wür-de, sollten sechs Jahre lang ein Drittel an die Kasse des Kurfürsten fließen. In einem Separat-Artikel des Vertrages hieß es schließlich:

„Der Kurfürst habe, auf Remonstration einiger Participanten der africanischen Compagnie, gewilligt, dass diesselbe zu Embden stabilirt werde, wie Er und Participanten sich darüber, wie auch wegen Miteintretung der ostfriesischen Stände und der Stadt Embden vergleichen werden (...).“286

Fixiert wurde diese Beteiligung der Ostfriesen in einem Traktat vom 4. August 1683.287 Die Stände und die Stadt Emden sagten eine Einlage von 24.000 Rthlr. zu und wurden dafür mit allen anderen Partizipanten gleichgestellt – auch in Bezug auf die schon gemachten Gewinne und auf den Zuschuß, den der Große Kurfürst aus seinen Geldern für den Aufbau von Groß-Friedrichsburg gewährt hatte. Zum Zeitpunkt der letzten Rate sollten die neuen Teilhaber eine Vergünstigung von 8% erhalten. Allerdings sollten sie auch an Benjamin Raule 2.400 Rthlr. zusätzlich bezahlen.

In §10 des Traktates wurde eine schon gegebene Zusage spezifiziert: „Bürgermeister und Rath von Embden haben der Compagnie ein express Zimmerwerft beim Fleischhause und das Stadthaus bei der neuen Pforte zum Magazin angewiesen.“288 Die BAC hatte endgültig ihre Heimat in dem Nordseehafen gefunden. Ob dieser Zusage zeigte sich der Kurfürst noch einmal großzügig und verlängerte das ostfriesische Schiffsbaurecht in brandenburgischen Landen um weitere sechs Jahre.289 Im gleichen Zug zeigte er sich besonders dem neuen Gastgeber der BAC gegenüber erkenntlich, indem er die gewährten Begüsntigungen ganz besonders auf Em-dener Kaufleute bezog und deren Schiffe, so sie unter eigener Flagge fuhren, erlaubte, gegebe-nenfalls auch fremde Häfen in der Ostsee anzulaufen. Entsprechend des Oktrois sollten alle Vereinbarungen mit Emden und Ostfriesland 30 Jahre Gültigkeit behalten.

286 Ebd., S. 447. 287 Ebd., Nr. 262, S. 448 450. 288 Ebd., S. 450. 289 Ebd., Nr. 264, S. 451/452.

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Das Verhältnis zwichen dem Kurfürsten und der Stadt Emden blieb allerdings nicht völlig ungetrübt. Am 29. Januar 1685 stellte der Bürgermeister der Nordseestadt neue Bedingun-gen.290 Neben Sitz und Stimme im Admiralitätskollegium – auch der Sitz der Kriegsmarine war nach Emden verlegt worden – bestand der Bürgermeister auf einem Schlüssel für das brandenburgische Munitionshaus. Emden wollte die oberste Kontrolle über all das behalten, was sich in seinen Mauern tat. Zudem wurde den brandenburgischen Schiffshandwerkern ver-boten, sich in Gilden zu organisieren, ein Recht, das den einheimischen Zimmerleuten vorbe-halten blieb. Das Ausrüstungsmaterial der Flotte unter dem roten Adler blieb zollfrei, nicht allerdings deren Lebensmittel.

Wie schon die Verlegung der Gesellschaft in einen neuen Heimathafen war offensichtlich auch der Gedanke an eine Ausweitung der Handelsbeziehungen in die Karibik von Anfang an le-bendig. Ein erster Versuch, bei den in Westindien stark vertretenen Franzosen eine Möglich-keit auszuhandeln, scheiterte ebenso wie die Vorstellung, mit Spanien eine garantierte Abnah-mezahl an Sklaven in Spanisch-Amerika zu vereinbaren, da dieser Sklavenhandel bekanntlich monopolisiert war.

Am 13. Oktober 1685 begann Benjamin Raule, der sich eigentlich für solche diplomati-schen Aufgaben nicht geschaffen sah, dann aber doch dem Auftrag des Kurfürsten folgte, mit Verhandlungen in Dänemark. Er sollte die Erlaubnis erlangen, auf der Insel St. Thomas im Archipel der Jungferninseln, die unter dänischer Herrschaft stand, eine Handelsniederlassung gründen zu dürfen.291 Dänemark stand den brandenburgischen Plänen zunächst sehr aufge-schlossen gegenüber, da der eigene Westindienhandel in Schwierigkeiten steckte und von der BAC eine Wiederbelebung erhofft wurde. Aus dieser Hoffnung heraus entwickelten die Dänen ihre Vorstellung einer Fusion der beiden Gesellschaften. In die zu schaffenden neue Compag-nie sollte jede Seite 150.000 Rthlr. einbringen. Als der Große Kurfürst dieses Ansinnen ab-lehnte, obwohl es von Raule unterstütz wurde, sank das Interesse Dänemarks an einer bran-denburgischen Niederlassung auf St. Thomas spürbar. Raule fand sich in zähen Verhandlungs-runden wieder, in denen er nicht selten mit sogenannten Geschenken operieren mußte, bis er schließlich nach über einem Monat Erfolg vermelden konnte.

Am 24. November 1685 schloßen der König von Dänemark und der Kurfürst von Branden-burg eine Vertrag ab, der eine Niederlassung der BAC auf der Insel St. Thomas ermöglichte.292 Nach den Bestimmungen dieses Vertrages blieben die Brandenburger ausschließlich Gast auf der Insel, über die der dänische König die volle Souveränität behielt. Die BAC erhielt so viel Land zugestanden, wie sie mit der Hilfe von 200 Sklaven bearbeiten konnten. Das auf diesem Areal gefällte Holz gehörte ohne Einschränkung den Brandenburgern. Ansonsten sahen sich die Gäste auf St. Thomas etlichen Einschränkungen durch Abgaben und Handelsbeschränkun-gen gegenüber. 290 Ebd., Nr. 272, S. 465/466. 291 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 194 197. 292 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 103, S. 257 267.

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In den ersten drei Jahren sollten auf alle eingeführten Waren 0,5% Zoll gezahlt werden, auf die ausgeführten Waren 1% Zoll. Nach Ablauf dieser Frist wurden alle Handelswaren einheit-lich mit 5% Zoll belegt, abzuliefern in Naturalien. Ausgenommen waren Sklaven, die bei Ein-fuhr 1% Zoll kosteten, bei Ausfuhr 2%. Die auf dem eigenen Land produzierten Güter sollten bei Ausfuhr ein Pfund Zucker auf hundert Pfund Gesamtgewicht kosten. Für das Land selbst wurden fünf Pfund Tabak pro einhundert Quadratfuß erhoben. Auch die dort lebenden Perso-nen hatten Abgaben zu entrichten: jährlich 100 Pfund Zucker für einen Mann und 50 Pfund Zucker für eine Frau. Auswanderungswillige hatten 5% ihrer mitgeführten Güter dem däni-schen Gouverneur abzutreten. Abgabenfrei blieben lediglich dänische und norwegische Waren.

Es blieb nicht allein bei Abgaben; die BAC unterlag auch einer Vielzahl an Handelsbe-schränkungen. Brandenburgische Schiffe durften ausschließlich den dänischen Hafen anlau-fen, es sei denn, der dänische Gouverneur wies ihnen eine andere Anlegestelle zu. Im Hafen durfte ausschließlich die dänische Waage benutzt werden; eine eigene war nicht zulässig. Die Einfuhr von Masten, Bauholz, Eisen, Pech und Teer sowie die Ausfuhr von Mineralien und kostbaren Hölzern behielten die Dänen völlig sich selbst vor. Um ihre Schiffe zu in Stand hal-ten zu können, waren die Brandenburger auf Einkäufe bei den Inselherren angewiesen.

Bei allen Waren durfte die BAC lediglich mit Partnern handeln, die auch für die dänische Westindien-Compagnie zulässig waren. Zur Kontrolle dieser Bestimmungen unterlag die BAC einer Nachweispflicht ihrer Handelspartner. Insgesamt waren nur Geschäfte zulässig, die den Dänen nicht schadeten – eine Bestimmung, die willkürlichen Einschätzungen des dänischen Gouverneurs Tür und Tor öffnete. Bei Streitfällen blieb dieser die höchste Rechtsinstanz, es sei denn es handelte sich um interne Auseinandersetzungen unter den Brandenburgern. Bei Strei-tigkeiten zwischen den beiden Copagnien wurde immerhin ein Schlichtergremium aus je zwei Vertretern der beiden Seiten eingerichtet.

Der Vertrag garantierte der BAC in dem vorgegebenen Rahmen Freihandel über den Zeit-raum von 30 Jahren bei gleichzeitiger Garantie der Zoll- und Abgabensätze. Auch wurde den Brandenburgern im Verteidigungsfalle Schutz zugesagt, aber nur bei völliger Unterordnung unter die Befehlsgewalt des dänischen Gouverneurs.

Die brandenburgische Niederlassung auf St. Thomas war kein vollwertiger Handelsstütz-punkt in Westindien. Alle Aktivitäten blieben unter der Kontrolle der Dänen, der BAC-Posten war wenig mehr als ein geduldetes Anhängsel, das sich nur soweit bewegen konnte, wie es dem Hausherrn in Gestalt der dänischen Westindien-Compagnie genehm war. Aus Sicht der Dänen waren diese Konditionen durchaus verständlich. Für eine Gesellschaft wie die BAC jedoch, die einen Einstieg in den atlantischen Dreieckshandel suchte, waren sie unbefriedin-gend. Entsprechend unternahm sie weitere Versuche, in der Karibik unabhängig Fuß zu fassen, jedoch ohne Erfolg.

Trotz einiger zusätzlicher Artikel, die den Brandenburgern den Start durch die eigene Wahl des Grundstückes oder die vorläufigen Erlaubnis des Baumeinschlages außerhalb des eignen

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Landes erleichtern sollten,293 kam es sehr schnell zu Streitigkeiten zwischen der BAC und dem dänischen Gouverneur. Der Hauptstreitpunkt waren unterschiedliche Vorstellungen von der Nutzung des Landes. Die dänische Seite ging grundsätzlich von einer Kultivierung des Landes aus. Nicht zufällig sollten die meisten Abgaben in Naturalien westindischen Ursprungs ent-richtet werden. Ein Aufschwung der Insel durch neue Plantagen, die wieder größeren Han-delsverkehr anlocken würden, während Dänemark nichts dafür bezahlen mußte, sondern nur Abgaben einnehmen konnte, war wohl die Hoffnung, welche der dänische König und seine Compagnie in den Vertrag setzten. Die Brandenburger jedoch verweigerten die Kultivierung des ihnen zugestandenen Landes.294 Sie führten lediglich einen Handelsposten.

Der Wechsel auf dem dänischen Gouverneursposten im Oktober 1689 führte zu einem ver-schärften Durchgreifen der dänischen Seite. Der Hafen wurde für Prisen und gekaperte Schiffe – Bestandteile des brandenburgischen Handels – geschloßen; den dänischen Bewohnern von St. Thomas wurde der Einkauf bei den Brandenburgern gänzlich verboten. Zusätzlich ver-schärft wurde die Situation durch das Verhalten der BAC, die eine sehr schlechte Zahlungsmo-ral an den Tag legte.295 Zur Eskalation führte schließlich die Beschlagnahmung des branden-burgischen Schiffes „Churprinzessin“ und aller Waren, die sich im Lagerhaus der BAC befan-den.296 Der Kurfürst mußte in Person seines Gesandten Wilhelm von Brandt am dänischen Hof vorstellig werden, um eine Klärung der Verhältnisse zu erreichen. Die anschließenden Ver-handlungen erzielten kein endgültiges Ergebnis, sondern führten nur zu einem vorläufigen Vergleich im April 1692.297 In diesem wurde die Rückgabe der beschlagnahmten Güter und des Schiffes zugesagt. Im zentralen Streitpunkt wurde keine Einigung erzielt; es sollte für die Dauer von drei Jahren gegen eine jährliche Zahlung von 3.000 Rthlr. seitens Brandenburgs die bestehenden Verhältnisse gewahrt bleiben. 1695 wurde diese Vereinbarung um ein weiteres Jahr, nun gegen 4.000 Rthlr., verlängert.298

Dennoch waren die Streitigkeiten nicht beendet. Die brandenburgischen Bediensteten in Westindien führten die Ankäufe von Prisen weiter. Die Versuche von dänischer Seite, Bran-denburg deswegen wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen, hatten keinen Erfolg.299 Die Situation entspannte sich erst, als mit Friedrich IV. ein neuer König den dänischen Thron bestieg, der fremde Schiffe auf St. Thomas wieder duldete. Einen völlig freien Handel auf der Karibik-Insel gestattete er zwar nicht, doch bestätigte er ohne weitere Bedingungen die Gültig-keit des Vertrages von 1685 bis zu seinem geplanten Auslaufen im Jahre 1715.300

Das Vertragsverhältnis zwischen Brandenburg und Dänemark, während seiner Gültigkeit von teilweise spektakulären Spannungen gekennzeichnet, hatte ein äußerst unspektakuläres

293 Ebd., Nr. 109, S. 278 281, und Nr. 116, S. 293-295. 294 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 199. 295 STELTZER, Mit herrlichen Häfen versehen, S. 179. 296 WESTERGAARD, Danish West Indies, S. 85. 297 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 137a, S. 398-402. 298 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 200. 299 Ebd., S. 214/215. 300 Ebd., S. 215.

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Ende. Im Jahr 1715 geschah zunächst gar nichts. Zwei Jahre später, als Preußen die Besitztü-mer der BAC an die Niederlande verkaufte, brachten gleichzeitig unternommene Verhand-lungsversuche mit Dänemark nichts ein.301 Danach fiel die brandenburgische Niederlassung auf St. Thomas auf beiden Seiten in Vergessenheit. Sie vegetierte bis zu ihrem endgültigen Untergang irgendwann zu Beginn der 1730er Jahre unbemerkt vor sich hin. Mit ihr scheiterte der Versuch Brandenburgs, als Handelsnation in Westindien Fuß zu fassen.

An der Goldküste schlossen die Brandenburger insgesamt neun Verträge mit den ansässigen Akan ab; hinzu kam ein vom Großen Kurfürsten ausgestellter Schutzbrief. Neben diversen Schutzversprechen den Akan gegenüber dienten diese Verträge der Absicherung der BAC-Niederlassungen, der Rekrutierung notwendiger Arbeitskräfte und der Privilegisierung der BAC vor Ort. Die Verträge wurden dementsprechend mehrheitlich zu Beginn der Aufbaupha-se der Compagnie zwischen 1683 und 1685 geschlossen. Später folgten nur 1709 und 1712 noch einmal Abkommen zwischen Brandenburg und den Caboceers der Akan.

Die Expedition der Kapitäne Bartelsen und Blonck im Jahr 1681 traf die erste Vereinbarung mit Caboceers aus der Region von Prince’s Town.302 Die brandenburgische Seite gab das Ver-sprechen ab zurückzukehren, die akanische Seite sagte das Recht auf eine Niederlassung zu und versprach, mit keiner anderen Nation als den Brandenburgern Handel zu treiben und zu diesem Zweck auch die von englischen und französischen Interloopern gepflegte Praxis zu unterbinden, unter dem Vorwand des Wasserfassens an Land zu gehen und dabei ihre Waren unter das Volk zu bringen. Das Dokument trägt die Unterschriften der Caboceers Pregatte, Sophonije und Apanij, die sich ihre Zusagen mit zwei Klaftern türkischem Stoff, einem klei-nen Kleid sowie einer Flagge als Zeichen der Anerkennung kurfürstlicher Hoheit bezahlen ließen.

Der Anschlußvertrag wurde am 5. Januar 1683 von der Kapitänen der Expedition des Frei-herrn von der Gröben, de Voß und Blonck, unterzeichnet.303 Zunächst war es der Expedition bekanntlich nicht gelungen, die Vertragspartner von 1681 ausfindig zu machen. Schließlich erwies es sich, daß nur Apanij den Überfall aus dem Landesinneren überlebt hatte. Mit ihm und 13 weiteren Caboceers, wahrscheinlich Vertrauten Apanijs, wurde der Vertrag abge-schlossen. Die Caboceers gaben darin, noch unter dem Eindruck des blutigen Überfalls, der Pregatte und Sophonije das Leben gekostet hatte, sehr weitgehende Zusagen ab. Sie verspra-chen, das Fort „mit Gut und Blut“ schützen zu helfen, dem Kommandanten dieses Forts in aller Untertänigkeit zu Diensten zu sein, nur mit den Brandenburgern Handel zu treiben und nicht zuzulassen, daß sich andere Europäer in ihrem Einflußbereich niederließen. Die erste Abma-chung wurde bestätigt und um die Zusage der tätigen Mithilfe beim Aufbau einer brandenbur-gischen Niederlassung erweitert.

301 WESTERGAARD, Danish West Indies, S. 92. 302 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 2, S. 17/18. 303 Ebd., Nr. 7, S. 57/58.

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All dies wurde noch einmal in einem dritten Vertrag vom 12. Februar 1684 bekräftigt,304 der nach Ankunft der beiden Aufbau-Transporte mit 21 führenden Männern aus der Umge-bung abgeschlossen wurde. Neu hinzugefügt wurde die alleinige Befugnis der BAC zur Rechtssprechung. In der Praxis konnte es sich dabei allerdings nur um Fälle handeln, welche die BAC direkt involvierten, und um solche, in denen die Compagnie ausdrücklich als Vermittler angerufen wurde. Interne Streitfälle unter den Akan blieben weiter der traditionellen Rechtspflege unterworfen, da sie den Brandenburgern kaum zur Kenntnis gelangt sein dürfte. Bis auf zwei Personen unterzeichneten alle Vertragspartner des vorhergehenden Abkommens den neuen Vertrag.305

Im Zuge der Bitte aus Accada um eine dortige Präsenz der Brandenburger entstanden zwei Verträge. In einem ersten wurde den Brandenburgern der ganzen Berg von Accada – gelegen auf der von Major von der Gröben ausgewählten Insel, auf der das Fort Dorothea auch ent-stand – für ihre Niederlassung versprochen, um dort je ein Haus für den Faktor, die Soldaten und die Waren zu bauen, sowie alle Hilfe, die für diese Baumaßnahme nötig war.306 Dabei wollten sich die Akan ganz nach den Anordnungen der Compagnie-Angestellten richten und auch in Zukunft für den Lebensunterhalt der neuen Fort-Besatzung aufkommen. Der für den Bau ausersehene Hügel wurde für vier Engel Gold angekauft,307 da er vorgeblich drei der un-terzeichnenden Caboceers gehörte. Da Grundbesitz im europäischen Sinne bei den Akan nicht existierte, konnte es sich dabei eventuell auch um einen Vorwand gehandelt haben. Auf bran-denburgischer Seite wurde der Vertrag von der nach Accada entsandten Abordnung unter-zeichnet, die aus dem Ingenieur von Schnitter, dem Sergeant Friedrich Müller und einem Skipper mit dem schlichten Namen Jost bestand. Am darauf folgenden Tag bestätigte Major Dilliger in Groß-Friedrichsburg die Abmachung.

In einem zweiten Vertrag, der nur zwei Tage nach dem ersten entstand, wurden diese Ab-machungen noch einmal bekräftigt und durch einige Detailregelungen erweitert.308 So sicherten sich die Brandenburger, die Gunst der Stunde nutzend, zwei obligatorische und unbezahlte Arbeitstage der Anwohner sowie kostenlose Transportdienste für Waren zwischen Ufer und Fort. Auch den ersten Zugriff auf den täglichen Fischfang beanspruchten sie erfolgreich, ledig-lich gegen die Zusage, einen fairen Preis zu bezahlen. Entgelt wollten sie für die Wasser- und Holzversorgung, nämlich den Gegenwert von sieben Engel Gold in Naturalien pro Monat, so-wie für die Kanufahrten nach Groß-Friedrichsburg, nämlich einen halben Engel Gold pro Per-son, bezahlen. Wie die Akan von Prince’s Town sagte auch diejenigen von Accada zu, nur noch mit Brandenburgern Handel zu treiben, und erhielten im Gegenzug das Versprechen des Schutzes gegen Krieg und jede Gewalt.

304 Ebd., Nr. 13, S. 80/81. 305 Ebd., S. 81, Anm. 3. 306 Ebd., Nr. 16, S. 84/85. 307 An der Goldküste war zu dieser Zeit als Goldeinheit die Mark gebräuchlich, die sich aus acht Unzen zusam-

mensetzte. Eine Unze bestand aus 16 Engel. Gerechnet wurde eine Mark Gold als Gegenwert von 320 ndl. Gulden, was ungefähr 130 Rthlr. entsprach. Ein Engel kann ungefähr mit einem Rthlr. gleichgesetzt werden.

308 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 17, S. 85 87.

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Ein weiterer Vertrag wurde am 12.5.1684 abgeschlossen.309 Er diente vor allem dem Zweck, offiziell dem fernen Schutzherrn, Kurfürst Friedrich Wilhelm, überreicht zu werden. Entsprechend bestätigte er abermals alle schon getroffenen Vereinbarungen, insbesondere, dem Zweck angemessen, die Unterordnung der Akan unter kurfürstliche Hoheit und die Jurisdikti-on seiner Beamter in Afrika. Bemerkenswert ist die große Zahl der Unterzeichnenden auf afri-kanischer Seite. Insgesamt finden sich 86 Namen unter dem Dokument. Davon stammten 28 aus dem Umgebung des Forts Groß-Friedrichsburg, bei 15 wurde als Herkunft Tres Puntas angegeben, womit wohl die Region um das Kap zwischen den beiden brandenburgischen Forts gemeint war, 26 Caboceers vertraten die Akan von Accada sowie 17 diejenigen von Taccarary. Zumindest den Anschein nach hatte damit die BAC die Kontrolle über die gesamte Region des Kaps Tres Puntas. Inwieweit jedoch die 86 unterzeichnenden Personen wirklich alle dort le-benden Akan repräsentierten, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Wahrscheinlich war den Compagnie-Beamten der entsprechende Eindruck beim Großen Kurfürsten das wichtigste an diesem Vertrag.

Im Text dieses Dokumentes wurde die Reise des Caboceers Jancke, der den Vertrag über-reichen sollte, nach Berlin schon angekündigt. Woher dieser Mann stammte, ist schwer zu sa-gen, da unter den Vertragspartnern mehrere Personen dieses Namens auftauchten, und zwar sowohl aus Prince’s Town als auch aus Accada. Jancke reiste kurze Zeit später auf einem Compagnie-Schiff tatsächlich nach Brandenburg, begleitet von einem Diener, und wurde auch von Friedrich Wilhelm empfangen.310 Nach Besichtigung des kurfürstlichen Hofes kehrte er mit Geschenken und einem Brief des Großen Kurfürsten im Gepäck nach Afrika zurück. In diesem Brief nahm der Kurfürst die Erklärungen der Akan entgegen und sagte noch einmal Schirm und Protektion zu, wobei die Niederlassungen der BAC den Akan als Schutzburgen zur Verfügung stehen sollten.311

Der diesbezügliche Ernstfall ließ nicht lange auf sich warten. Anfang 1685 flohen Leute aus der Ahanta-Region und insbesondere aus Taccarary nach Groß-Friedrichsburg, um Übergriffen aus dem Landesinneren zu entgehen. Von Niederländern und Engländern mehrfach durch leere Versprechungen enttäuscht, forderten sie die Brandenburger auf, eine kleine Festung in Tacca-rary zu bauen. Sie sagten zu, die Bauarbeiten unter Anleitung selbst durchzuführen und ihr Land unter brandenburgische Oberhoheit und Rechtssprechung zu stellen.312 Der Rat von Groß-Friedrichsburg beschloß am 5. Februar 1685, in Taccarary eine Niederlassung zu grün-den, vor allem in der Hoffnung, daß sich eine solche positiv auf den Handel, insbesondere den Goldhandel, auswirken würde.313 Es wurde davon ausgegangen, daß die niederländischen An-sprüche auf diesen von der WIC längst verlassenen Ort erloschen waren. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte.

309 Ebd., Nr. 19, S. 89 91. 310 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 323. 311 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 94, S. 236/237. 312 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 25, S. 97/98. 313 Ebd., Nr. 26, S. 99/100.

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Von einem weiteren, sehr späten Vertrag vom 11. April 1709 ist lediglich ein einziger Arti-kel überliefert, der Freundschafts- und Beistandsverpflichtungen enthält.314 Vertragspartner der BAC waren Caboceers aus Anta, Accada und Taccrama. Wahrscheinlich diente dieses Ab-kommen der Bestätigung der Verhältnisse und der Position der BAC in Anbetracht der schwindenden Stärke der Compagnie. Deren Schiffe bekamen die Akan der Region zu dieser Zeit kaum noch zu Gesicht, was mit Sicherheit einen Autoritätsverlust für die Brandenburger bedeutete. Ihre Präsenz vor Ort war nicht umfangreich genug, um langfristig als mächtige Schutzherren erscheinen zu können. Ihre Autorität konnten sie nur aus der unsichtbaren Macht jenseits des Horizont – und damit jenseits der Urteilskraft der Akan – beziehen. Die Schiffe unter rotem oder schwarzem Adler waren die sichtbare Verbindug zu dieser unsichtbaren Macht, die aus Akansicht nur noch wenig Stärke in Afrika aufzubieten hatte, wenn sie diese Verbindung nicht aufrecht hielt.

Hieraus erwuchs wohl auch die Notwendigkeit für Nicolas Dubois, den letzten Generaldi-rektor von Groß-Friedrichsburg, am 3. März 1712 erneut einen Vertrag zu schließen.315 Dieser Vertrag diente der Wiederherstellung der Ruhe rund um Groß-Friedrichsburg; offenbar hatte es auf Grund brandenburgischen Autoritätsverlustes Ausschreitungen gegeben. Für Streitfälle wurde ein Schiedsgericht eingesetzt, das zu je einem Drittel aus Compagnie-Beamten, Cabo-ceers und akanischen Kriegern bestehen sollte. Die BAC hatte ihre Rechtshoheit verloren, im Schiedsgericht hatten hinfort die Einheimischen die Mehrheit. Zwar sagten die Akan abermals ihre Unterordnung unter die preußische Krone und die Ausschließlichkeit des Handels mit der BAC zu, doch wirken diese Zusagen formelhaft, wenn sich die Brandenburger gleichzeitig des militärischen Beistandes der Akan für ihre Forts versicherten. Die Machtverhältnisse hatte sich verschoben. Dies wird auch deutlich durch die Tatsache, daß Jan Konny an herausragender Stelle den Vertrag unterzeichnete. In Anbetracht seiner Stellung in der Endphase der Compag-nie ist es nicht abwegig davon auszugehen, daß es vor allem auf seinen Einfluß zurückzufüh-ren war, daß seine Landsleute, darunter auch der König von Anta bzw. Ahanta, mit ihrer Un-terschrift noch einmal die Niederlassungen der BAC absicherten.

Besonders bei den frühen Verträgen, welche die große Mehrheit bildeten und die Grundlage für die Stellung der BAC an der Goldküste schufen, fällt die hohe Bereitschaft der Akan auf, sich unter brandenburgische Oberhoheit zu stellen und sogar unentgeltlich immense Leistun-gen zu erbringen. Brandenburg wurde als Schutzmacht in dieser von anderen Europäern bis dahin nur wenig beachteten Region um das Cap Tres Puntas tatsächlich gebraucht. Die Ver-tragspartner waren Anwohner der Küste, die kriegerischen Gefährdungen aus dem Landesinne-ren ausgesetzt waren. Die BAC gewann also sehr schnell ein gutes Verhältnis zu den Küsten-völkern, was jedoch gleichzeitig eine mögliche Intensivierung der Beziehungen zu Völkern des Landesinneren verhinderte, da diese zumeist Gegner der Küstenvölker und damit auch Gegner

314 SCHÜCK: Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 168, S. 509/510. 315 Ebd., Nr. 173, S. 538-541.

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der von diesen erchorenen Schutzmacht waren. Und diese Anwohner des Landesinneren kon-trollierten nun einmal die Handelswege gen Norden.

Zu den akanischen Vertragspartnern sei noch zweierlei erwähnt. Zum einen konnten die ade-ligen Caboceers relativ leichten Herzens umfangreiche Zusagen für Arbeitskräfte machen, da sie zumeist über Sklaven verfügt haben dürften, die dazu eingesetzt werden konnten. Zum zweiten ist es fraglich, ob für die Akan die Formulierungen, in denen sie sich unter die Hoheit Brandenburgs oder Preußens stellten, viel mehr als leere Formeln waren in Anbetracht der – nach europäischen Maßstäben – sehr unscharfen Vorstellungen von Staat, den relativ geringen Machtbefugnissen der Akan-Herrscher und der Freizügigkeit, mit der sich die Menschen in ihrer Kleinstaatenwelt bewegten.

Mit den Herrschern von Arguin, die seitens der Brandenburger als Könige bezeichnet wurden, ansonsten jedoch den Titel Sultan getragen haben dürften,316 wurden drei Verträge abgeschlos-sen. In dem ersten Vertrag vom 28. Dezember 1687 unterstellte der Herrscher sich, seine Nachfolger und sein Volk der Patronage des Kurfürsten und gestattete diesem, das dem Sultan gehörende Fort auf der Insel Arguin zu restaurieren, zu bewaffnen und mit einer Garnison zu versehen.317 Allerdings war er nicht bereit, irgendwelche Kosten dafür zu tragen, geschweige denn Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug sagte Brandenburg dem Sultan Hil-fe gegen alle seine Feinde zu, deren Kosten zu bestreiten der Herrscher von Arguin bereit war. Außerdem enthielt der Vertrag die bekannten Versprechungen, zukünftig ausschließlich Han-del mit Brandenburg zu treiben. Zusätzlich versprach der Sultan, nur noch Schiffe, die der BAC genehm waren, an seine Küste kommen zu lassen und seine Lotsen entsprechend anzu-weisen. Am 14. Juli 1698 wurde dieser Vertrag in allen seinen Bestimmungen bestätigt, als der Bruder des Sultans nach dessen Tod den Thron von Arguin bestieg.318

Ein dritter Vertrag aus dem Jahr 1703319 bestätigte abermals die getroffenen Vereinbarun-gen, doch die Ausführlichkeit, mit der dies geschah, legt nahe, daß es bezüglich der alten Be-stimmungen zu Streitigkeiten gekommen war. Auch hier kam ein Autoritätsverlust der Bran-denburger zum Tragen, zumal sie selbst nicht in der Lage waren, die Handelsbestimmungen ihrer Verträge einzuhalten.320

In ihren Beziehungen zu den Bewohnern Afrikas bedienten sich die Brandenburger Rechts-formen, die in diesen Regionen längst etabliert waren. Ankauf von Stützpunkten gegen Protek-tion der Einheimischen und Vereinbarungen über die Ausschließlichkeit des Handels mit der jeweiligen Schutzmacht gehörten zum Repetoir aller Handelsgesellschaften und ihrer Ver-tragspartner.321 Den Einheimischen, sei es in Mauretanien, sei es an der Goldküste, war die 316 Théodore MONOD, L'ile d'Arguin. Essai historique, Lissabon 1983, S. 100. 317 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 67, S. 162/163. 318 Schück, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 152, S. 464/465. 319 Ebd., Nr. 166, S. 503-507. 320 Siehe Kap.VI.4.c). 321 DUCHHARDT, Rechtsbeziehungen, S. 371/372.

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militärische Stärke der Europäer wohlbekannt. Sie schlossen Verträge ab, um sich diese zu Nutzen zu machen. Je nötiger ein Volk oder eine Gruppe auf Grund eigener Schwäche oder zunehmender feindlicher Bedrohung einen Schutz hatte, desto größer wurde die Bereitschaft, neben Niederlassungsplätzen auch Material, Verpflegung und Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die offensichtlich nur sehr schwachen Akan von Accada und Taccarary gingen ent-sprechend hohe Verpflichtungen ein. Der im Vergleich dazu weitaus mächtigere Sultan von Arguin, der über eine eigene Armee und, als islamischer Herrscher, über weitaus festere Machtstrukturen verfügte, machte erheblich weniger Zugeständnisse. Andererseits konnten sich die Brandenburger ihres arabischen Vertragspartners auf Grund gerade dieser Verhältnis-se, die auch den europäischen viel näher waren, wesentlich sicherer sein als der Akan.

Dafür, daß es sich in Prince’s Town, Accada oder Taccarary offenbar um eher kleine Ge-meinschaften handelte, treten erstaunlich viele Caboceers in den Dokumente auf. Mit wem genau die Brandenburger ihre Vereinbarungen trafen, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Ob aber alle von den Brandenburgern als Adelige angesehene Vertragspartner wirklich über den Einfluß verfügten, auf den die BAC hoffte, bleibt zumindest fraglich.

2. Die Finanzen Die finanziellen Verhältnisse der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie zu rekonstruie-ren, war schon zur Zeit ihrer Existenz ein schwieriges Unterfangen. In der Zeit vor der Neuor-ganisation 1692 wurden offensichtlich keine Bücher geführt und auch nur sporadisch und we-nig solide Staaten erstellt. Dies führte zu Auseinandersetzungen zwischen den alten Teilhabern und denjenigen, die sich seit 1692 an der BAC beteiligten und nicht zu Unrecht die Auffas-sung vertraten, daß sie unzulässigerweise über die Verhältnisse im Unklaren gelassen wurden. Erst nach dem Vergleich in dieser Streitangelegenheit 1694 bescheinigte Kurfürst Friedrich III. den Bewinthabern eine solide Buchführung. Zudem scheint es so, daß die Solidität der Ge-schäftsführung in der Zeit nach Raules Sturz nach und nach zurückging.

Die seither ins Land gegangene Zeit hat die Lage noch schwieriger gemacht. Von den mög-licherweise einmal vorhanden Staaten der BAC sind neun überliefert. Drei davon, für die Jahr-gänge 1683322, 1684 und 1687, stammen aus der Zeit vor der Neuorganisation, die übrigen sechs, welche die Jahrgänge 1692, 1694, 1698, 1699, 1700 und 1702 repräsentieren, sind in der Zeit der kaufmännisch orientierten neuen Compagnie-Form entstanden. Rechnungsbücher und andere Rechnungsmaterialien sind kaum überliefert, wohl in erster Linie deshalb, weil der Großteil des Inventars des Emdener Hauptquartiers nach der Versteigerung verlorengegangen ist. So ist man auf verstreute Hinweise angewiesen, die sich in den Merseburger Akten fin-

322 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 81, S. 193/194 (1683); ebd., Nr. 97, S. 249/250 (1684); GStA Merse-

burg, Rep. 65, Nr. 13, Bl. 216 (1687); ebd., Nr. 22, Bl. 278-285 (1692); SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 144, S. 439-444 (1694); GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 2v-5 (1698); ebd., Bl. 5v-8 (1699); ebd., Bl. 8v-11 (1700); ebd., Bl. 11v-15 (1702).

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den.323 Eine Bilanz für die 35 Jahre BAC läßt sich daraus nicht erstellen, doch dazu waren wohl auch die Direktoren der Gesellschaft selbst nicht in der Lage.

a) Das Kapital Die Geschichte der Compagnie begann mit einem Kapital von 48.000 Rthlr. Dies war die Summe, welche Raule bis Ende November 1683 zusammenbringen konnte. Dabei mußte er für mehrere potentielle Teilhaber, die offensichtlich kurzfristig wieder ausgestiegen waren, selber einspringen, was dazu führte, daß er schließlich statt der von ihm geplanten 6.000 Rthlr. ganze 24.000 Rthlr. in die Compagnie einbrachte.324 Die ursprüngliche Festlegung, daß die größte Einlage vom Kurfürsten zu stammen habe, ließ sich von Anfang an nicht erfüllen.

Der erste Staat der Gesellschaft, der am 30. November 1683 vorgelegt wurde, nachdem die ersten Reisen durchgeführt worden waren, verbuchte an Kapital neben diesen 48.000 Rthlr. schon die Einlage der ostfriesischen Stände von 24.000 Rthlr. Diese stand der Gesellschaft jedoch in diesem Jahr noch nicht in voller Höhe zur Verfügung. Raule hatte, wie er dem Kur-fürsten berichtete, einige Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit den Ostfriesen und konn-te zunächst nur durchsetzen, daß 8.000 Rthlr. sofort eingezahlt wurden.325 Die Stände beharr-ten auf einer Ratenzahlung, was die Compagnie nicht daran hinderte, die gesamt Summe zu verzeichnen.

Im folgenden Jahr wurde die Summe der Einlagen dadurch erhöht, daß der Kurfürst Maxi-milian Heinrich von Köln nach längeren Verhandlungen überzeugt wurde, der Compagnie beizutreten und 24.000 Rthlr. einzubringen. Diese wurden in dem Staat von 1684 sofort aufge-führt. Gezahlt hatte der neue Teilhaber jedoch erst später; eine Hälfte im Mai 1685, die andere erst 1687 oder 1688.326

Auf dem nun erreichten Stand konnte die Compagnie nur dadurch gehalten werden, daß der Große Kurfürst im Juni 1686 den Anteil der ostfriesischen Stände, denen das Unternehmen zu unsicher geworden war, selbst übernahm.327 Er bezahlte den Vertretern der Stände in Raten 22.800 Rthlr., übernahm also deren Anteile 5% unter ihrem Wert.

Wesentliche Veränderungen machte das Kapital erst durch, als Kurfürst Friedrich III. die Gesellschaft neu organisierte. Neben den verbliebenen Partizipanten der bisherigen Compag-nie, deren Wert auf die Hälfte gesenkt wurde, gelang die Anwerbung neuer Teilhaber. Im Jahr der Neugründung nahm sich das Kapital der Einleger mit 89.597 Rthlr. noch etwas bescheiden

323 Viele der in den Briefwechseln verstreuten Erwähnungen hat Schück ausführlich in den ersten Band seines

Werkes eingearbeitet. Leider zitiert er die Merseburger Akten ohne Angabe der Blatt-Nummern, so daß es sehr schwierig ist, die einzelnen Quellen wiederzufinden und dadurch manches weiterhin auf Schücks Aus-führungen beruhen muß.

324 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 161/162. 325 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 9, Bl. 124. 326 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 183. 327 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 110, S. 282/283, und Nr. 111, S. 283-285.

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aus in Anbetracht des kurfürstlichen Beitrages von 170.000 Rthlr., der nur noch als rückzahl-barer Kredit behandelt wurde. Schon zwei Jahre später, im Staat des Jahres 1694, war das Ein-leger-Kapital auf einmalige 274.188 Rthlr. gestiegen. Die neue Organisationsform und die Ei-nigung zwischen den alten und den neuen Partizipanten im Ryper Vergleich,328 in dem die Rechenschaftsstreitigkeiten bezüglich des Zustandes der Compagnie vor 1692 vorläufig beige-legt wurden, scheinen Hoffnung gemacht zu haben. Der Staat enthielt einen nur mit „actien“ gekennzeichneten Posten über die Summe von 176.433 Rthlr, hinter dem sich die niederländi-schen Anleger verbargen. Die Euphorie hielt nicht lange vor; diese Summe wurde nie mehr erreicht. Eine Partizipantenliste, die nicht datiert ist, aber auf Grund ihrer Zusammensetzung aus der Zeit kurz vor Raules Sturz im Jahr 1698 stammen muß, verzeichnete ein Kapital von 177.200 Rthlr.329 Im Staat der Jahres 1698 wurde noch von 153.100 Rthlr. Kapital ausgegan-gen. Für die letzten drei Jahre, zu denen Staaten überliefert wurden, stabilisierte sich der Wert auf 130.000 Rthlr. Dies ergibt auch die letzte überlieferte Partizipantenliste vom 15. April 1704.330 Bei dieser Entwicklung war die Zahl der Partizipanten relativ konstant geblieben. Verändert zum Negativen hatte sich die Höhe der Einlagen aus den Niederlanden. Als der Stand von 130.000 Rthlr. erreicht worden und die Gesellschaft in eine äußerst schwierige wirt-schaftliche Lage geraten war, konnte das Kapital kaum noch sinken, da für eventuell noch Ab-sprungwillige kein Spielraum mehr bestand, ohne den völligen Verlust des eigenen Geldes aus der Compagnie aussteigen zu können.

b) Das Vermögen Die Vermögenswerte, welche die BAC in ihren Staaten angab, stammten in ihren größten Tei-len aus drei Bereichen. Zunächst wurden die Schiffe der Gesellschaft veranschlagt, zumeist einschließlich ihrer kompletten Ausrüstung, manchmal auch mit ihrer Ladung und den Lohn- und Unterhaltskosten ihrer Mannschaft. Die zweite Gruppe bestand aus den Waren, welche die Compagnie in Emden oder ihren Überseebesitzungen lagerte, und die dort auf ihren Verkauf warteten. Schließlich machten noch die Immobilien in der Heimat und in Übersee einen wich-tigen Teil aus.

Die Vermögenswerte bieten hierbei einen uneinheitlichen Eindruck. Nicht selten scheint es so, als wurde auf der Haben-Seite in den Staaten alles nur Denkbare, auch weniger fundierte unternommen, um die Soll-Seite ausgleichen zu können. Im ersten Staat von 1683 befinden sich auf der Credit-Seite als feste Größen die beiden wieder in Emden liegenden Schiffe der Expedition des Freiherrn von der Gröben im Gesamtwert von 10.000 Rthlr., sowie die von ihnen mitgebrachte Ladung von Handelsgütern im Wert von 2.514 Rthlr. und Gold im Wert von 300 Rthlr. Schon etwas gewagter wirkt der Eintrag der beiden beiden nach Groß- 328 Ebd., Nr. 143, S. 436-438. 329 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 25a, Vol. I, Bl. 50v/51. 330 Ebd., Nr. 40c, Bl.20/20v.

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Friedrichsburg entsandten Schiffe „Goldener Löwe“ und „Wasserhund“, die einschließlich ihrer gesamten Ausrüstung, ihrer Mannschaft, deren Heuer und deren Proviant mit 46.131 Rthlr. taxiert wurden. Unsicher war auch die Obligation des seeländischen Kaufmannes van Pere über 10.076 Rthlr., die dieser dem Kapitän de Voß für 152 2/3 Sklaven – jugendliche Sklaven wurden mit 2/3, Kinder mit 1/3 gerechnet – ausgestellt hatte, da nicht sicher sein konnte, ob diese Obligation eingelöst werden konnte. Van Pere hatte als Untertan der Vereinigten Niederlande immerhin die Privilegien der WIC umgangen. Ebenso ungesichert wirkt die Taxierung des Forts Groß-Friedrichsburg, das zu diesem Zeitpunkt wenig mehr als eine Baustelle gewesen sein kann, auf 12.000 Rthlr. Immerhin hatten sich die Bewinthaber dazu entschlossen, lediglich den vom Großen Kurfürsten gewährten Zuschuß zum Bau des Forts als Wert einzusetzen. Die von ihnen im begleitenden Text vermerkten 40.000 Rthlr. als eigentlichen Wert waren zumindest zu diesem Zeitpunkt reine Phantasie. Bloße Vermutung waren schließlich noch die verzeichneten 18.000 Rthlr. Gesamtwert der in Groß-Friedrichsburg lagernden Handelswaren. Zum einen hatten die Brandenburger nach wenigen Monaten Präsenz in Prince’s Town kaum genügend Erfahrung, welche Preise sich in ihrem Handelsgebiet auf Dauer erzielen lassen konnte. Zum zweiten hatten die beiden Schiffe „Goldener Löwe“ und „Wasserhund“ in erster Linie Baumaterialien geladen.331 Und schließlich hatte Groß-Friedrichsburg als Baustelle noch kaum ausreichende Lagermöglichkeiten. Die Bewinthaber kamen mit dieser Rechnung im ersten Jahr auf ein Vermögen von 99.021 Rthlr., denen ledig-lich 77.750 Rthlr. auf der Debet-Seite gegenüber standen. Das Unternehmen gab vor, mit ei-nem satten Plus gestartet zu sein, doch lassen sich eben zu manchen Posten der Haben-Seite Zweifel anführen.

Ein weiteres Beispiel für diese Art der Vermögensbildung ist der Fall der Werft in Havel-berg. Dieser „Bauhof“ existierte rund zehn Jahre bis zu seiner Schließung 1697 oder 1698 und war ein realtiv eigenständiges Unternehmen, das u.a. für die BAC Schiffe baute und aus der Marinekasse des Kurfürsten finanziert wurde.332 In den Staaten von 1692 und 1694 tauchte die Werft trotz ihrer Selbstständigkeit als Vermögenswert in Höhe von 7.000 Rthlr. auf. Nach ihrer Schließung wurde sie 1698 sogar mit 16.162 Rthlr. veranschlagt, was eventuell durch Hoffnungen auf Erlöse aus der Auflösung genährt worden war. Doch auch in den beiden fol-genden Staaten mußte sie für 3.715:13 Rthlr. Vermögen herhalten, und 1702 immerhin noch für 700 Rthlr.

Letztlich blieben alle diese großen Vermögensangaben Schätzwerte. Der angegebene Wert der gelagerten Waren war jederzeit der veranschlagte Verkaufswert und daher nicht selten Ausdruck der Hoffnung der Bewinthaber. Equipage und Materialien auf den Schiffen konnte durch den Einkaufspreis relativ sicher festgelegt werden. Auch die Schiffe hatten einen eindeutigen Anschaffungspreis, dennoch schwankten die Angaben für die einzelnen Schiffe von Etat zu Etat. Als Beispiel sei die Fregatte „Friedrich III.“ angeführt:

331 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 74, S. 176-181. 332 STEINER, Sklavenschiffe, S. 43.

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Jahr Wert

1692 15.000 Rthlr.

1694 20.000 Rthlr.

1698 18.494 Rthlr.

1699 13.716 Rthlr.

1700 13.541 Rthlr.

1702 14.932 Rthlr.

Diese Schwankungen konnten kaum mit der Wertminderung eines Schiffes über den Zeitraum von zehn Jahren zusammenhängen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, daß der Wert je nach den aktuellen Bedürfnissen bei der Erstellung des Etats geschätzt wurde. Dies gilt ganz beson-ders auch für die Niederlassungen der BAC, zumal es in diesen Fällen kaum noch eine ernst-hafte Grundlage gab, was ein Fort gerade wert war. Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Verfasser der Staaten, die Bewindhaber in Emden, diese Forts nie zu Gesicht bekamen und ihre Schätzungen allenfalls auf Berichte und die Gelder, die für ihre Aufbau und Erhalt ausge-geben werden mußten, stützen konnten.

c) Staatliche Zuschüsse Die BAC erhielt von seiten des Großen Kurfürsten und seines Nachfolgers durchaus Zuschüs-se, doch war die Situation keineswegs so, daß die Compagnie ein Zuschußunternehmen der kurfürstlichen Kassen war. Am 10. Juli 1683 gab der Große Kurfürst die Anweisung, 12.000 Rthlr. an die BAC auszuzahlen.333 Diese Summe sollte als Zuschuß für den Bau der Festung Groß-Friedrichsburg dienen. Die gesamten Aufbaukosten waren damit jedoch nicht zu bestrei-ten. Weitere direkte Zuwendungen des Großen Kurfürsten sind nicht überliefert. Andererseits war er nach Übernahme des ostfriesischen Anteil der Hauptpartizipant der Gesellschaft und trug damit auch das Hauptrisiko.

Im Jahr 1686 verzeichnete die BAC eine rege Reisetätigkeit. Raule hatte mehrere Schiffe nach Afrika und in die Karibik entsandt. Die Ausrüstung dieser Schiffe war größtenteils aus Mitteln der Marinekasse bestritten worden.334 Da die Finanzdecke der Gesellschaft in dieser frühen Phase zu dünn war, um eine angemessene Anzahl Schiffe ausrüsten zu können, nutzte Raule die fließenden Grenzen zwischen Compagnie und Marine, um an eine Art verdeckten staatlichen Zuschuß zu gelangen.

333 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 9, Bl. 114. 334 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 206.

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Offensichtlich wurde die BAC ab und an, wahrscheinlich in kurzfristig prekären Lagen, in Form von Krediten von Seiten der staatlichen Kassen unterstützt. Zumindest existiert eine No-tiz über zwei Zahlungen aus der Chargen-Kasse, die von dieser zurückgefordert wurden.335 Die erste Zahlung stammte aus dem Jahr 1689 und belief sich auf 991 Rthlr., die zweite in der Hö-he von 7.000 Rthlr. war im Jahr 1692 erfolgt. Die Notiz selber ist undatiert.

Mit dem Transport-Kontrakt, welcher der Gesellschaft auch eine neue Finanzverfassung gab, wurde die Art der kurfürstlichen Zuschüsse institutionalisiert. Friedrich III. garantierte eine regelmäßige feste Summe als reinen Zuschuß. Für den Zeitraum zwischen dem 1. Mai 1692 und dem 31. März 1699 ist die Zahlung von 12.000 Rthlr. jährlich, also monalich 1.000 Rthlr., gesichert.336 Insgesamt zahlte die kurfürstliche Kasse 83.000 Rthlr. Zuschuß. Auf Grund der Streitigkeiten innerhalb der BAC um die Jahrhundertwende, in deren Zuge die Fi-nanzkraft der Gesellschaft sank, stellte offenbar auch der Hof seine Zuwendungen ein.

d) Renten und Kredite Schon das erste Jahr der BAC verlief nicht ohne Schulden. Der Etat von 1683 wies Kredite in Höhe von 5.750 Rthlr. aus, die zu einem Teil aufgenommen werden mußte, um die Matrosen der zurückkehrenden „Churprinz“ und die Ausrüstung der auslaufenden „Goldener Löwe“ bezahlen zu können, und die man zum anderen Teil Benjamin Raule schuldig geblieben war. Zu Beginn der 1690er Jahre betrugen die Schulden der BAC nach einer Berechnung Raules 70.600 Rthlr.,337 doch ist das entsprechende Aktenstück inzwischen verschollen, so daß keine näheren Einzelheiten zu erfahren sind.

Mit der Reform der BAC wandelte Friedrich III. seine Beteiligung an der Gesellschaft, die auf insgesamt 170.000 Rthlr. angestiegen war, in einen Kredit um, den die BAC zurückzahlen mußte. In den Staaten von 1692 und 1694 erschien diese Summe. Ab 1698 war sie nicht mehr auf der Debit-Seite zu finden. Ob der BAC in der Zwischenzeit die Abzahlung gelungen war, oder ob der Kurfürst auf seinen restlichen Anteil verzichtet hatte, ist nicht zu klären, jedoch scheint die Finanzkraft der Compagnie für eine derart schnelle Schuldenbegleichung kaum groß genug gewesen zu sein.

Für eine Weile konnten sich die übrigen Schulden noch unter der Grenze von 100.000 Rthlr. halten. Doch zum Ende des 17. Jahrhunderts explodierten sie. Der Staat von 1698 ver-zeichnete die Rekordsumme von 212.541 Rthlr. Der Schuldendienst nahm zugleich noch ein-mal 4.626 Rthlr. in Anspruch. Auch in den letzten beiden Staaten lag die Schuldensumme wieder deutlich über 100.000 Rthlr. Hinzu kamen in dieser Phase noch große Beträge für of-fenstehende Rechnungen, die teilweise auch verzinst werden mußten – in einigen wenigen Fällen bis zu 33 1/3%. 335 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 41b, Bl. 6v. 336 Ebd., Bl. 1v/2. 337 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 226.

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1694 gestattete Friedrich III. der BAC erstmals die Aufnahme von 100.000 Rthlr. an Leib-renten.338 Diese Finanzquelle wurde innerhalb weniger Jahre deutlich ausgeweitet. Die Staaten von 1698 bis 1702 führten eine relativ konstante Summe an Leibrenten zwischen 240.000 und 250.000 Rthlr. auf.

Die Einlagen waren längst nur noch ein geringer Teil der Summe geworden, die durch die Habenseite abzudecken gewesen wäre. Der Erlös, den der Verkauf aus Übersee angelieferter Waren erbrachte, reichte nicht mehr aus, um neue Schiffe auszurüsten. Geld mußte aufge-nommen werden, um die Handelstätigkeit des Unternehmens aufrecht erhalten zu können. Es nimmt nicht Wunder, daß es mehr und mehr mißlang, eine ausgeglichene Finanzlage zu erreichen.

e) Debit und Credit Aus den überlieferten Staaten ergibt sich für die Passiv- und Aktiv-Seiten der Compagnie-Finanzen das folgende Bild (in Rthlr.):

Jahr Debit Credit Saldo

1683 77.750 99.021 21.272

1684 140.610 104.610 - 36.000

1687 187.367 123.173 - 64.194

1692 333.555 415.944 82.389

1694 671.471 793.737 122.266

1698 814.733 800.069 - 14.664

1699 645.739 456.871 - 188.868

1700 603.151 364.221 - 238.930

1702 705.027 391.381 - 313.646

Es muß beachtet werden, daß die Staaten aus der Zeit vor dem Transport-Kontrakt nicht unbe-dingt mit denen der reformierten Compagnie vergleichbar sind. Sie machen des öfteren einen wesentlich willkürlicheren Eindruck als ihre Nachfolger und folgen auch keinem einheitlichen Schema. Mit dem Aktenbestand von 1698 bis 1702 hat der Zufall der Geschichte gerade die Staaten erhalten, die in die entscheidende wirtschaftliche Umbruchsphase gehören.339

Im folgenden sollen die Staaten der BAC noch einmal in der Entwicklung ihrer wichtigsten Bestandteile (grundsätzlich in Rthlr. angegeben) veranschaulicht werden. Dabei wird auf der Debet-Seite neben der absoluten Summe auch ihr Anteil an den gesamten Passiva-Beständen berücksichtigt. 338 Ebd., S. 240/241. 339 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c.

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Die Einlagen

Jahr Summe Anteil

1684 72.000 92,6%

1684 96.000 68,3%

1687 108.256 57,8%

1692 89.597 26,9%

1694 274.188 40,8%

1698 153.100 18,8%

1699 130.000 20,1%

1700 130.000 21,6%

1702 130.000 18,4%

Waren in der Zeit vor 1692 und in der optimistischen ersten Phase danach die Einlagen der Partizipanten noch der wichtigste Passiv-Bestandteil, den die Aktiv-Seite auszugleichen hatte, sank in der Phase des ökonominschen Umbruchs deren Anteil auf ein Fünftel. Auf anderen Wegen beschafftes Geld hatte die wesentliche Rolle übernommen.

Die Kredite und ihr Schuldendienst

Jahr Summe Anteil

1684 5.750 7,4%

1687 44.711 23,9%

1692 170.000 51,0%

1694 251.648 37,5%

1698 217.168 26,6%

1699 63.207 9,8%

1700 118.330 19,6%

1702 141.774 20,1%

Einer dieser Wege, Geld außerhalb der Aktienanteile einzubringen, war die Aufnahme von Krediten. Dabei waren in den Jahren 1692 und 1694 die 170.000 Rthlr. des Kurfürsten noch der wesentliche Teil. Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts hatten die Kredite die gleiche Bedeutung erlangt wie die Einlagen.

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Die Leibrenten und ihr Schuldendienst

Jahr Summe Anteil

1698 243.888 29,9%

1699 245.921 38,1%

1700 254.236 42,1%

1702 298.047 42,3%

Eigentlich eine herrschaftliche Geldquelle, zur Rettung der BAC vom Kurfürsten jedoch zuge-standen, wurde die Vergabe von Leibrenten der wichtigste Bestandteil der Passiva. Einerseits war das aufgenommene Geld dringend nötig, andererseits konnte bei so hohen Schuldenbe-ständen die Credit-Seite die Debit-Seite, zumal in schweren Zeiten, kaum noch einholen.

Die offenen Rechnungen

Jahr Summe Anteil

1692 35.035 8,4%

1694 32.843 4,9%

1698 93.560 11,5%

1699 134.042 20,7%

1700 26.373 4,4%

1702 40.964 5,8%

Zwar hatte die BAC jederzeit unbezahlte Rechnungen auf ihrer Soll-Seite, doch hielten diese sich im Vergleich zu den anderen Schulden in deutlichen Grenzen, zumal die Gesellschaft auch Außenstände hatte.

Die Gagen

Jahr Summe Anteil

1692 16.174 3,9%

1694 64.266 9,6%

1698 41.056 5,0%

1699 52.704 8,2%

1700 62.251 10,3%

1702 73.660 10,4%

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Die Lohnkosten waren die Zeit der Existenz der BAC über relativ konstant geblieben. Sie wa-ren nicht hoch genug, um für die Schwierigkeiten der Compagnie verantwortlich zu sein.

In der Umbruchphase nahmen die Schulden der Gesellschaft, bei in ihrer Bedeutung relativ konstanten Personalkosten und Außenständen, überhand. Die eigenen Finanzbestände und die erwirtschafteten Erlöse konnten das Unternehmen nicht mehr am Leben erhalten. Gleichzeitig sanken die Möglichkeiten der Aktiva, den Soll-Bestand der BAC auszugleichen. Neben der absoluten Summe werden hier an erster Stelle der Anteil an den gesamten Ist-Beständen, an zweiter Stelle der jeweilige Deckungsanteil an den Soll-Beständen berücksichtigt.

Die Immobilien

Jahr Summe Anteil/Ist Anteil/Soll

1683 12.000 12,1% 15,4%

1687 40.000 32,5% 21,3%

1692 39.000 9,4% 11,7%

1694 78.250 9,8% 11,7%

1698 117.958 14,7% 14,5%

1699 67.446 14,8% 10,4%

1700 67.452 18,5% 11,2%

1702 64.028 16,4% 9,1%

Bei aller hinsichtlich der Schätzbarkeit der Überseebesitzungen vorhandenen Gefährdung durch Willkür blieben die Werte des immobilen Vermögens erstaunlich konstant. Die Spitze im Jahr 1698 ist auf die unverständlich hohe Einschätzung der gerade zugrundegehenden Werft in Havelberg zurückzuführen.

Die Schiffe

Jahr Summe Anteil/Ist Anteil/Soll

1683 56.131 56,7% 72,2%

1684 28.800 27,5% 20,5%

1687 23.104 18,7% 12,3%

1692 86.299 20,7% 25,9%

1694 94.870 11,9% 14,1%

1698 108.182 13,5% 13,3%

1699 54.583 11,9% 8,5%

1700 45.029 12,4% 7,5%

1702 39.563 10,1% 5,6%

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

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In diesem Bereich ist ein wesentlicher Grund für den Niedergang der Gesellschaft zu suchen. Die ursprünglich so große Bedeutung der Schiffe in der Vermögensbilanz nahm in der Um-bruchsphase dramatisch ab. Ihr Anteil an den gesamten Aktiva sank auf ein Zehntel. Noch schwerwiegender war es, daß die Möglichkeit, die Soll-Bestände durch den Schiffsbesitz aus-zugleichen, in der Bedeutungslosigkeit versank. Schon zur Jahrhundertwende konnten die Schiffe nicht mehr den zehnten Teil des Solls abdecken; und der Verfall hielt weiter an. Die hohen Verluste, auf die noch einzugehen sein wird, verhinderten nicht nur eine Abdeckung der Passiva durch die Vermögenswerte, die in der Flotte nun einmal ein wichtiges Standbein hat-ten, sondern hatte noch eine weitere Folge.

Die Waren

Jahr Summe Anteil/Ist Anteil/Soll

1683 18.000 18,1% 23,2%

1684 78.050 74,6% 55,5%

1687 25.035 20,3% 13,4%

1692 148.837 35,8% 44,6%

1694 490.978 61,8% 73,1%

1698 315.338 39,4% 38,7%

1699 304.188 66,6% 47,1%

1700 208.575 57,3% 34,6%

1702 183.702 46,9% 26,1%

Außereuropäische Waren, die noch noch an ihrem Herkunftsort lagerten, und europäische Wa-ren, die das Magazin in Emden füllten, benötigten den Laderaum von Schiffen, um zu Geld gemacht zu werden. Durch den rapiden Verfall der Flotte wurden große Anteile der Warenbe-stände zu totem Kapital. Sie konnten zwar auf dem Papier für eine Aufstockung der Credit-Seite sorgen, doch auf Dauer war dies keine Hilfe für die auf flüssige Gelder angewiesene Compagnie. Auch konnten die Warenwerte, die um die Jahrhundertwende die Hälfte bis zu zwei Dritteln der Aktiva ausmachten, nur wesentlich geringere Anteile der Passiva decken.

Im Vergleich dazu ist es augenscheinlich, daß es nicht die Außenstände der Compagnie wa-ren, die ihr das Genick brachen. Die Zahl des Jahres 1698 zeigt, daß es durchaus gelingen konnte, mit entsprechenden Druck große Außenstände relativ schnell einzutreiben.

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Die Außenstände

Jahr Summe Anteil/Ist Anteil/Soll

1684 31.760 30,4% 22,6%

1692 25.000 6,0% 7,5%

1698 139.795 17,5% 17,2%

1699 4.887 1,1% 0,8%

1700 5.443 1,5% 0,9%

1702 21.941 5,6% 3,1%

Die Geldneuaufnahme

Jahr Summe Anteil/Ist Anteil/Soll

1698 69.472 8,7% 8,5%

1699 3.050 0,8% 0,5%

1700 775

1702 0

Die flüssigen Gelder der Eintreibung von Außenständen dürften recht bald verbraucht gewesen sein. Da der Warenverkauf deutlich eingeschränkt war, blieb nur die Aufnahme neuer Gelder, sei es durch Kredite, Leibrenten oder die Gewinnung neuer Aktionäre. Doch hier schließt sich der Teufelskreis. Eine Gesellschaft mit solchen Schwierigkeiten konnte niemanden mehr fin-den, der ihr sein Geld anvertraute, wie die katastrophale Entwicklung in dieser Umbruchsphase zeigt.

3. Der heimatliche Besitz a) Die Niederlassung in Emden Das Hauptquartier der BAC in der ostfriesischen Hafenstadt Emden war nur sehr bedingt ein Besitz im Sinne einer Immobilie. Die Compagnie verfügte über ein Magazin in unmittelbarer Nähe des Hafenbeckens mit einigen Tagungsräumen sowie einem Schiffsanlegeplatz, der auch als Werft für Reparaturfälle dienen konnte.340 Grundsätzlich waren die Räumlichkeiten Eigen- 340 MÖRNER, Staatsverträge, Nr. 262, § 10, S. 450.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

99

tum der Stadt Emden, die sie durch die Vereinbarungen mit dem Kurfürsten an die Branden-burger abgetreten hatten. Die BAC behandelte das Magazin jedoch wie ein Eigentum. In meh-reren Staaten wird es als Vermögen angegeben, allerdings in recht bescheidenem Maße und mit großen Schwankungen. Im Jahr der Neuorganisation wurde das Magazin mit 2.000 Rthlr. veranschlagt, sechs Jahre später war daraus ohne ersichtlichen Grund das Dreifache geworden. Gegen Ende, in den letzten beiden überlieferten Staaten, betrug der vermutete Wert genau 4.444:24 Rthlr.

Diese Einschätzungen gaben nicht den eigentlichen Wert des Hauptquartiers in Emden wie-der. Dieser bestand in der geographischen Lage und in der Vereinbarung mit den Emdener und ostfriesischen Machthabern. Die Lage hatte ihre nautischen – durch die besonders guten Wind-verhältnisse, die Vermeidung des gefährlichen Kattegatt und den geschützten Hafen – und handelspolitischen – durch die Vermeidung der Sundzölle – Vorteile. Die Durchquerung feind-licher französischer Gewässer konnte den Brandenburgern niemand abnehmen, doch hatten sie diese Gefährdung mit ihrem politischen, nicht wirtschaftlichen, Verbündeten Niederlande gemein. Der Vertrag zwischen Emden und dem Kurfürsten erlaubte es den Compagnie-Angehörigen, sich so frei zu bewegen, wie dies zu dieser Zeit für Gäste einer Stadt möglich war. Eine Gleichstellung mit Emdener Bürgern genossen sie nicht, doch wurden ihre Handels-aktivitäten nicht in gefährdender Weise eingeschränkt.

b) Die Schiffe Die Flotte der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie begann bescheiden. Vier Schiffe standen für das Unternehmen Afrika in den ersten beiden Jahren zur Verfügung.341 Die beiden Fregatten „Churprinz“ und „Morian“ hatten die Expedition des Freiherrn von der Gröben bestritten und lagen Ende 1683 im Hafen von Emden. Die „Churprinz“ war zu dieser Zeit das größte Schiff der Compagnie. Die 1674 im niederländischen Zaardam gebaute Fregatte maß 31 Meter Länge und war zur Zeit des schwedisch-brandenburgischen Krieges mit 32 Kanonen und 100 Mann Besatzung versehen.342 Als sie nach ihrer Rückkehr aus Afrika und Westindien im Emdener Hafen lag, waren ihr noch 26 Geschütze verblieben. Sie wurde hier 1685 ver-kauft, da sie für die Unternehmungen der Compagnie nicht mehr im geeigneten Zustand war.343 Die „Morian“ war wesentlich kleiner, 23 Meter lang und verfügte über 12 bis 16 Ka-nonen und 35 bis 40 Mann Besatzung.344 Zur Zeit des ersten Staates der BAC lagen die beiden leichten Fregatten „Goldener Löwe“ und „Wasserhund“, welche die andere Hälfte der kleinen Flotte bildeten, bei Groß-Friedrichsburg vor Anker. Ein Jahr später, als der zweite Staat erstellt wurde, wurden sie im Hafen von Emden für ihre nächste Reise an die Goldküste ausgerüstet.

341 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 81, S. 193/194, Nr. 97, S. 249/250. 342 POPPINGA, Kriegsschiffe, S. 54. 343 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, S. 70. 344 Ebd., S. 72.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

100

Drei Jahre später hatte sich die Flotte der BAC deutlich vergrößert.345 Die beiden Fregatten der ersten Reise in Diensten der Compagnie waren inzwischen außer Dienst gestellt worden; zu den beiden verbliebenen gesellten sich sechs neue Schiffe. Die alte „Churprinz“ hatte eine 1685 in Berlin auf Kiel gelegte Nachfolgerin gleichen Namens und gleicher Größenordnung erhalten. Dazu kamen die leichte Fregatte „Vogel Greif“, die Fleuten „Marschall Derfflinger“ und „Friede“, die Schnau „Falke“ und ein Schiff unter dem Namen „Litteboen“.

Erst mit der Neuformierung der Compagnie 1692 und der damit verbundenen Trennung zwischen Compagnie- und Marine-Flotte setzte ein reger brandenburgischer Schiffsverkehr nach Übersee ein. Der Staat von 1692 bietet ein anschauliches Bild davon.346 Drei der 14 Schiffe, darunter mit der Fregatte „Friedrich Wilhelm“ eines der beiden größten, befanden sich gerade auf dem Weg nach Afrika, wo schon an der Reede von Groß-Friedrichsburg die leichte Fregatte „Fliegender Drache“ lag, die kurz zuvor noch den Namen „Vogel Greif“ getragen hat-te. Auf dem Weg nach St. Thomas befanden sich drei weitere Schiffe; im Hafen der dänischen Insel lag ebenfalls schon ein brandenburgisches Schiff. In Emden ankerten die „Goldener Lö-we“ und die „Churprinzessin“, ein Schwesterschiff der neuen „Churprinz“, die zu den Ameri-kareisenden zählte. Außerdem zählten zwei völlig neue, gerade erst vom Stapel gelaufene Schiffe zur Flotte. Darunter neben einer Schnau der Stolz der BAC-Flotte, die Fregatte „Fried-rich III.“, die gerade aus Havelberg nach Hamburg überführt worden war. Das Schiff war etwa 36 Meter lang und für eine Bewaffnung von 50 bis 56 Kanonen gedacht.347 Der Staat bezeich-nete den Wert der Fregatte ohne jegliche Ausrüstung mit 15.000 Rthlr., was – unmittelbar nach dem Stapellauf – der Kaufpreis gewesen sein dürfte. Vervollständigt wurde die Flotte durch ein sehr kleines Schiff mit dem Namen „Prinz Philip“, das gerade in Rotterdam vor Anker lag und wohl nur für den europäischen Küstenverkehr geeignet war.

Ihren Höhepunkt erlebte die Compagnie-Flotte im Jahr 1694, in dem die BAC ihren größten Überschuß verzeichnen konnte.348 Der Staat listete 16 Schiffe auf. Neben die große Fregatte „Friedrich III.“, die inzwischen auf 20.000 Rthlr. taxiert wurde, war eine nicht wesentlich kleinere mit dem Namen „Schloß Oranienburg“ getreten, die den Wert von 15.000 Rthlr. ha-ben sollte. Dem Staat von 1694 liegt eine Liste verfügbarer Schiffe bei, die jedoch mehrfach von der Liste der Schiffe im Staat selbst abweicht. So weist diese Liste u.a. eine spanische Prise auf, die wahrscheinlich die brandenburgische Kriegsmarine aufgebracht und der BAC zu Verfügung gestellt hatte. Es scheint so, als hätte die BAC neben ihrer offiziellen, im Staat fest-gehaltenen Flotte, noch einige weitere Möglichkeiten gehabt, auf Schiffe zurückzugreifen.

In der Phase des wirtschaftlichen Umbruchs schmolz die Flotte dahin, wie es schon die Wertangaben in den Staaten gezeigt haben. Waren im Staat von 1698 noch acht Schiffe ver-zeichnet, so verblieben 1700 noch sechs.349 Im letzten überlieferten Staat von 1702 waren es

345 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 13, Bl. 216. 346 Ebd., Nr. 22, Bl. 278-285. 347 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, S. 66. 348 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 144, S. 439-444. 349 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 2v-5, sowie Bl. 8v-11.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

101

wieder sieben, da erstmals nach 1694 die Fregatte „Schloß Oranienburg“ wieder aufgeführt wurde. Dieses Schiff erlebte eine für ein Kriegsschiff nicht alltägliche Lebensgeschichte. Zwi-schen 1690 und 1693 in Havelberg gebaut, wurde es nach dem Stapellauf in den Hamburger Hafen geschleppt, wo es eine siebenjährige Ruhepause verlebte. 1700 segelte es nach Emden. Dies war die einzige Seereise der „Schloß Oranienburg“. In Emden blieb sie liegen, bis sie 1708 zum Abbruch verkauft wurde.350

Durchgehend Erwähnung in den letzten vier Etats fanden neben der „Friedrich III.“ die „Churprinzessin“, die leichte Fregatte „Sophie Louise“, die „Große Jacht“ und die beiden klei-nen Schiffe „Kleine Jacht“ und „Smack“, die schon auf Grund ihrer Wertangaben – 333 Rthlr. bzw. 800 Rthlr. – eigentlich nur Küstensegler gewesen sein können.

Der Zeitraum zwischen 1693 und 1702 erlebte sowohl die größte Aktivität der BAC als auch deren Wende in den Zusammenbruch. Für dieses Jahrzehnt wurde in Emden eine Liste angefertigt, welche die Verluste an Schiffen und ihrer Fracht zusammenfaßte.351 Diese zeigt deutlich die verheerende Wirkung, die vor allen der Krieg gegen Frankreich für die Compagnie bedeutete.

1693 wurde die „Salamander“ auf dem Weg von Groß-Friedrichsburg nach Emden von den Franzosen gekapert. Im selben Jahr ging die Fregatte „Friedrich Wilhelm“ von St. Thomas kommend ebenfalls an die Franzosen verloren. Sie wurde vor der spanischen Küste gekapert und verbrannt.

1695 wurde die "Goldener Löwe" auf der Fahrt von Groß-Friedrichsburg nach St. Thomas so schwer beschädigt, daß sie abgewrackt werden mußte. Erneut von Franzosen gekapert wur-de die "Fliegender Drache", als sie sich auf dem Weg von St. Thomas in die Heimat befand. Das gleiche Schicksal erlitt ein Schiff unter dem Namen "Fliegende Wrent", daß von Groß-Friedrichsburg nach Emden segelte. Piraten in die Hände fiel die "Nordischer Löwe". Schließ-lich ging in diesem Jahr noch die französische Prise "St. Jacob" auf ihrem Weg in die Karibik verloren352.

Im darauf folgenden Jahr ging der Hoeker „St. Pieter“ von Arguin kommend aus unbekann-ter Ursache verloren.

1697 wurde die „Fliegender Drache“ – nicht identisch mit dem 1695 gekaperten Schiff – auf dem Weg von Groß-Friedrichsburg von den Franzosen gekapert, während die „Liebe“ aus Arguin auf der Heimreise verloren ging. Die „Gute Einigkeit“ erlitt auf dem gleichen Weg das gleiche Schicksal.

1698 oder 1699 wurde die „Charlotte Louise“ von einem Piraten gekapert. 1699 verunglückte die „Sieben Provinzen“ von St. Thomas kommend auf hoher See. 1701 strandete die „Sophie Louise“ auf dem Weg nach St. Thomas vor Martinique.

350 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, S. 76. 351 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 17v-18v. 352 Der Grund ist in der Auflistung nicht zu finden. Szymanski berichtet, daß das Schiff vor der afrikanischen

Küste von drei französischen Kriegsschiffen verfolgt wurde, woraufhin der Kapitän die Verbrennung seines eigenen Schiffes anordnete; SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zu See, S. 74/75.

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Und schließlich verunglückte die „Held Josua“ 1702 auf dem Weg von St. Thomas nach Emden vor Plymouth.

In diesem einen entscheidenden Jahrzehnt verlor die BAC 15 Schiffe, darunter auch große und häufig im Überseehandel eingesetzte wie die „Goldener Löwe“, „Charlotte Louise“ und „Die Sieben Provinzen“. Den Gesamtschaden bezifferten die Bewinthaber auf 593.520 Rthlr.353

Ein Drittel dieser Schiffe wurde Opfer des französischen Kaperkrieges. Bei vier weiteren – der „St. Jacob“ und den drei Schiffen, die auf dem Weg von dem französisch beanspruchten Arguin nach Emden waren – besteht zumindest die Möglichkeit, daß französische Kriegsschif-fe im Spiel waren. Zusätzlich gingen zwei Schiffe an Piraten verloren. Immerhin vier mußten ohne feindliche Einwirkung aufgegeben werden; sie fielen der See zum Opfer.

Die hier wiedergegebene Liste verzeichnete nicht alle Schiffsverluste, welche die BAC im Verlaufe ihres Bestehens hinnehmen mußte. Zwei weitere Schiffe der Compagnie waren Opfer französischer Kaperfahrten geworden. Die „Morian“, ursprünglich das Schiff des Kapitäns Blonck, fiel auf ihrer dritten Afrikareise in französische Hände und wurde nach ihrer Rückga-be 1686 nicht mehr in Dienst gestellt.354 Im Februar 1693 gelang es einem französischen Kape-rer, die Fleute „Marschall Derfflinger“ in seine Gewalt zu bekommen, doch dank englischer Hilfe konnte sie wieder in brandenburgischen Besitz gelangen.355

Es waren jedoch nicht nur Franzosen, mit denen es die Seeleute in brandenburgischen Diensten zu tun bekamen. Auch die Niederländer der WIC beschlagnahmten brandenburgische Schiffe, die ihrer Meinung nach gegen die eigenen angestammten Rechte verstießen. Schon 1681 wurde vor der Elfenbeinküste eines der beiden Schiffe der allerersten brandenburgischen Afrika-Expedition, die „Wappen von Brandenburg“ unter Kapitän Bartelsen, beschlagnahmt und erst 1686 zurückgegeben.356.1688 brachte die WIC die leichte Fregatte „Stadt Berlin“ vor der guineischen Küste auf.357 Dieses Schiff erhielt die BAC nicht zurück. Schließlich wurde auch in Westindien ein brandenburgisches Schiff, die Galiot „Hoffnung“, die dort für Zubrin-gerfahrten benutzt wurde, vor Curaçao von den Holländern beschlagnahmt.358

Die 1685 in Dienst gestellte Fregatte "Churprinz" mußte ebenfalls eine solche Erfahrung machen. Sie fiel vorübergehend 1693 auf der Rückkehr von einer Sklavenfahrt den Engländern in die Hände, wurde jedoch im selben Jahr zurückgegeben.359

Der Krieg mit Frankreich, der gnadenlose Konkurrenzkampf mit der WIC, daneben das Pi-ratenunwesen und die unvermeidlichen Unglücksfälle auf hoher See – all diese Faktoren dezi-mierten die in ihrer Blütezeit eigentlich recht ansehnliche Flotte der BAC. Dieser Schiffsver-lust, der sich gerade gegen Ende des 17. Jahrhunderts häufte und mit somit zeitlich mit dem

353 Über die Waren an Bord dieser Schiffe siehe Kap. VI.7. 354 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zu See, S. 72. 355 Ebd., S. 78. 356 Ebd., S. 77. 357 Ebd., S. 62. 358 Ebd., S. 68/69 359 Ebd., S. 70.

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Sturz Raules und den inneren Auseinandersetzungen in der BAC zusammenfiel, war ein we-sentlicher Grund für den Niedergang der Compagnie. Die alleinige Ursache kann er jedoch nicht gewesen sein.

c) Die Werft in Havelberg Im Grunde gehörte die Werft in Havelberg nicht unmittelbar der BAC. Da sie jedoch mehrfach von der Compagnie als Vermögen angeführt wurde, sei sie hier kurz erwähnt. Außerdem spiel-te sie für die BAC insofern eine nicht unwichtige Rolle, daß auf einen heimatlichen Schiffbau zurückgegriffen werden konnte, der – zumindest indirekt über Hamburg – Zugang zur Nordsee besaß. Eigene Schiffe zu bauen erschien billiger, als die Produkte holländischer Werften zu kaufen.

Im Jahr 1687 wurde dem holländischen Schiffbaumeister Jost Elynck die Leitung der Werft übertragen.360 Elynck hatte dieses Amt bis zu seinem Tode im Jahr 1690 inne. Sein Sohn Cor-nelius folgte ihm in der Leitung der Werft. Fest steht wohl, daß die Werft von niederländischen Handwerkern betrieben wurde. Über deren genaue Anzahl ist jedoch kaum etwas bekannt; in der Literatur finden sich widersprüchliche Angaben, die bis zu 50 Zimmerleuten reichen.

Die Werft bestand aus drei Schiffsbauplätzen und einem Reperaturplatz, die sich auf einem Gelände befanden, daß sich knapp 80 Meter an der Havel entlang erstreckte. An der Havel selbst kamen noch zwei Liegeplätze hinzu. Auf der anderen Längsseite wurde das Gelände von zwei Langhäusern begrenzt, in denen die Handwerker lebten und in denen sich der Bauhof-krug, die Gaststätte der Werft, befand.361

Ihren entscheidenden Schlag erhielt die Werft 1693 durch die Entscheidung Johann von Danckelmanns, Präsident der BAC, keine Schiffe mehr im eigenen Auftrag bauen zu lassen.362 Zum einen erschien es Danckelmann nun doch preiswerter zu sein, Schiffe anzukaufen, wo-durch er sich in Gegensatz zu Raule setzte, der zu den Initiatoren der Werft gehörte. Zum an-deren verfügte die BAC zu dieser Zeit über eine für ihre Größenordnung gut ausgebaute Flotte.

Auf der Werft entstanden zwischen 1687 und 1693 insgesamt sieben Schiffe, die auch in Dienst gestellt wurden.363 Das erste und gleichzeitig größte war die „Friedrich III.“. Das letzte war die „Schloß Oranienburg“, deren Indienststellung nur pro forma erfolgte. Fünf weitere Schiffe befanden sich im Bau, als in Emden das Umdenken einsetzte. Das größte Schiff, das in Havelberg je in Angriff genommen worden war, die „Sieben Gebrüder“, lag schon im Hafen von Hamburg, wohin alle fertigen Schiffe geschleppt wurden, um dort aufgemastet zu werden. Die große Fregatte verkam in der Hansestadt zum Wrack. Nicht besser erging es den anderen vier Schiffen.

360 STEINER, Sklavenschiffe, S. 40. 361 SCHMIDT, Schiffe unterm Roten Adler, S. 30/31. 362 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, S. 56. 363 POPPINGA, Kriegsschiffe, S. 57.

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Die Werft in Havelberg (Quelle: SCHMIDT, Schiffe unterm Roten Adler, S. 31)

Wann die Werft an der Havel endgültig geschlossen wurde, ist nicht ganz klar. Sicher ist, daß sie 1702 mit Genehmigung des preußischen Königs an das Domkapitel zu Havelberg verkauft

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wurde, für ganze 600 Rthlr.364 Die Summe lag unter allen vorhandenen Wertangaben in den Staaten der BAC.

Schiffe wurden in Brandenburg-Preußen nicht nur in Havelberg gebaut. Werften gab es auch in den Ostseehäfen Kollberg, Königsberg und Pillau, wo insbesondere vor der Zeit Ha-velbergs etliche Kriegsschiffe für den Kurfürsten gebaut wurden. In Berlin wurde sogar über diese Zeit hinaus an Schiffen gearbeitet.

4. Der Besitz in Übersee

Die brandenburgischen Niederlassungen an der Goldküste a) Die Festung Groß-Friedrichsburg Die zentrale Niederlassung der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie in Westafrika, die Festung Groß-Friedrichsburg, wurde während der Reise des Freiherrn von der Gröben im Jahre 1683 auf dem Berg Manfro gegründet, nachdem der Ort schon während der Expedition der Kapitäne Bartelsen und Blonck 1681 ausgesucht worden war. Blonck hatte in ihm auf Grund der Freundlichkeit der Einheimischen und auf Grund der Nähe zu der holländischen Niederlas-sung in Axim einen guten Handelsplatz gesehen.365 Am Fuße dieses Berges liegt ein Fischer-dorf, das heute den Namen Prince’s Town trägt, den auch die Europäer im 17. und 18. Jahr-

364 SZYMANSKI, Brandenburg-Preußen zur See, S. 57. 365 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 2, S. 17/18.

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106

hundert verwendeten. Als einheimischer Name erscheinen in der zeitgenössischen und wissen-schaftlichen Literatur diverse Varianten, die alle nur als Widergabeversuch des gehörten Origi-nalnamens anzusehen sind.

Groß-Friedrichsburg lag ca. 5 km westlich des Cap Tres Puntas und ca. 8 km östlich der nächsten größeren Handelsniederlassung in Axim. Die Handelsniederlassung Takoradi, wie Axim in niederländischer Hand, lag ca. 25 km Luftlinie östlich von Groß-Friedrichsburg.

Der Berg Manfro bei Prince's Town wurde von dem Freiherrn von der Gröben ausge-wählt.366 Die Siedlung der Vertragspartner von Bartelsen und Blonck auf dem bewußten Berg fand er zerstört vor; aus den Berichten anderer Einheimischer mußte er entnehmen, daß sie kurz zuvor überfallen worden war. Die Entscheidung für den Berg Manfro als Standort der ersten brandenburgischen Niederlassung in Afrika scheint nach dem Bericht des Freiherrn recht spontan gefallen zu sein. Er erwähnte lediglich, daß der Berg zwar unbewohnt, jedoch sehr bequem zu einem Fort wäre.367 Bequem war der Standpunkt in erster Linie deshalb, weil vom Berg aus sowohl die See als auch das Dorf und das Hinterland sehr gut zu überblicken war. Ein Angriff auf die exponierte Lage des Fort wurde zu einem schwierigen Unterfangen, was die Niederländer in ihrer Auseinandersetzung mit John Konny noch erfahren mußten. Von Erwägungen, die irgendetwas mit dem Handel, der schließlich die Hauptaufgabe der neuen Niederlassung darstellen sollte, zu tun gehabt hätten, erwähnte von der Gröben nichts. In sei-nem ganzen Reisebericht spielen wirtschaftliche Apekte und die Tatsache, daß er seine Reise für ein Handelsunternehmen durchführte, nur eine äußerst untergeordnete Rolle. Die Vermu-tung liegt nahe, daß die Entscheidung für den Berg Manfro als Standort des Forts Groß-Friedrichsburg aus rein strategischen Gründen gefällt wurde, zumal der Freiherr nicht Kauf-mann, sondern Offizier in brandenburgischen Diensten war. Um Gerechtigkeit walten zu las-sen, muß natürlich auch gesagt werden, daß die handelsstrategisch wichtigen Standorte dieser Region schon besetzt waren. Es gibt allerdings auch keine Hinweise dafür, daß sich von der Gröben darüber ernsthaftere Gedanken gemacht hatte. Über die Gedanken seiner gewiß nicht einflußlosen und afrikaerfahrenen Kapitäne ist leider nichts überliefert.

Die Expedition von der Gröbens konnte nur den Grundstock für einen befestigten Stütz-punkt schaffen. Zunächst wurden einige Baracken errichtet, diese daraufhin durch Palisaden gesichert.368 An den richtigen Ausbau des Forts wurde Ende des Jahres 1683 gegangen. Im September stach die Schnaue „Wasserhund“ und im Oktober die Fregatte „Goldener Löwe“ in See, beide mit Baumaterialien für das Fort sowie mit Waffen und Proviant beladen. Außerdem reiste die erste reguläre Fortbesatzung unter dem Kommando des Majors Dilliger auf diesen beiden Schiffen nach Afrika. Neben einer großen Anzahl von Nägeln und Holzdielen wurden auch Klinkersteine, Kalk, Lehm, Kohlen, Pech und Teer nach Afrika transportiert.369

366 Ebd., Nr. 6., S. 48. 367 Ebd. 368 Ebd., S. 64/65. 369 Die genaue Aufstellung der mitgeführten Materialien ist abgedruckt in: Auf der Westküste von Afrika 1681

1721; verf. vom Großen Generalstabe, Abteilung für Kriegsgeschichte; Berlin 1885, S. 73-78.

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Es entstand eine quadratisch angelegte Festung, die an den Außenmauern je Seite 21 Ruten (ca. 79 Meter) maß.370 Die inneren Ausmaße betrugen 15 Ruten (ca. 56,4 Meter) pro Seite, der von den an die Festungsmauern grenzenden Wohn- und Nutzgebäuden umfaßte Platz maß 11 Ruten und 3 Fuß (ca. 42,3 Meter) pro Seite. Es existierten vier mit Kanonen bestückte Boll-werke, von denen je zwei auf die See- und auf die Landseite ausgerichtet waren.371

Das Fort besaß zwei Zugänge; der Haupteingang auf der Landseite konnte über eine Palisa-denbrücke erreicht werden und führte unter einem Glockentürmchen hindurch, einem kleinen Symbol für Macht und Reichtum. Diesem gegenüber, an der westlichen Seite, befand sich das Haus des Generaldirektors. Die leitenden Angestellten waren in den Gebäuden an der Nord- bzw. der Südwand untergebracht. Die Männer hatten ihre Wohnungen und Büros jeweils im Obergeschoß der zweistöckigen Gebäude. Das Erdgeschoß diente als Lager. An der Ostmauer, der Landseite, befand sich rechts vom Eingang die Torwache und links vom Eingang die Un-terkunft der Mannschaftsgrade.372

Im März des Jahres 1686, als das Fort den Status einer befestigten Anlage erreicht hatte, be-stand die Bewaffnung aus insgesamt 20 Kanonen, von denen die Mehrzahl mit 14 Sechspfün-der-Kanonen und zwei Dreipfünder-Kanonen relativ klein war.373 An Kanonen zu 18 und zu zwölf Pfund verfügte das Fort nur über jeweils zwei Exemplare. Des weiteren waren neun Rapiers sowie 20 Piken und 30 Schwerter vorhanden. Die Munition bestand u.a. aus sechsein-halb Kisten mit Musketenkugel und insgesamt 981 Kanonenkugeln. Diese Kugel teilten sich auf in 49 Stück zu 18 Pfund, 50 Stück zu zwölf Pfund, 178 Stück zu acht Pfund, 162 Stück zu sechs Pfund, 427 Stück zu vier Pfund und 120 Stück zu drei Pfund. Bei dieser Aufstellung fällt auf, daß für Kugel zu acht und zu vier Pfund keine Geschütze vorhanden waren. 605 der 981 Kugeln, mithin rund 60% des Bestandes, hatten demnach die falsche Größe. Im Verteidi-gungsfalle mußten gegebenenfalls einige Kanonen mit zu kleinen Kugeln geladen werden, was die Treffsicherheit verminderte und auch hin und wieder zu Rohrkrepierern führen konnte. Diese Zusammenstellung zeugte nicht gerade von einem durchdachten Einkauf.

Das Fort Groß-Friedrichsburg erlebte immer wieder Reperatur- oder Erweiterungsarbeiten. Schon 1693 wurde eine vollständige Renovierung durchgeführt, doch nur fünf Jahre später beklagte sich der Generaldirektor über verdorbene Waren, die mangels ausreichender Lager-häuser nicht entsprechend geschützt werden konnten.374 Entsprechend wurden in diesem Jahr zwei neue Lagerhäuser errichtet sowie die Bastionen in ihre endgültige Gestalt versetzt. Wahr-scheinlich im selben Jahr wurde auch ein Nebeneingang eingerichtet sowie ein der eigentlichen Festungsmauer an der Westseite vorgelagerter Hof, der nur leicht ummauert war und mit eini- 370 Die Rute maß in Brandenburg 3,76 Meter, jedoch waren in den Niederlanden und in Norddeutschland ver-

schiedene andere Längenmaße unter dem Namen Rute gebräuchlich, die zwischen vier und fünf Metern la-gen. Es kann davon ausgegangen werden, daß in einer brandenburgischen Beschreibung des Forts auch ein brandenburgisches Längenmaß Verwendung fand, doch absolut sicher kann dies nicht sein. Im Zweifelsfalle handelt es sich bei den angegebenen Maßen in Metern um Mindestmaße.

371 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 20, S. 91/92. 372 LAWRENCE, Trade Castles, S. 219/220. 373 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 58, S. 146/147. 374 LAWRENCE, Trade Castles, S. 220.

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gen Schuppen bebaut wurde.375 Hier wurde wahrscheinlich ein Großteil des alltäglichen Han-dels abgewickelt. 1708 erhielt das Fort schließlich noch einen Turm,376 der den militärischen Charakter der Anlage noch verstärkte.

Fort Groß-Friedrichsburg nach Jean Barbot

(Quelle: WOLDAN, Deutsche Kolonialversuche, Abb. 3a/b)

Archäologische Untersuchungen des Jahres 1936 förderten unter dem wuchernden Grün des Regenwaldes umfangreiche Reste des Mauerwerkes zu Tage, die gut erhalten waren und sich durch einen äußerst stabilen Mörtel auszeichneten.377 Nicht gefunden wurde allerdings eine Zisterne; die Fortbesatzung mußte ihren Wasserbedarf, solange keine Regenzeit herrschte, von außerhalb decken, wodurch das Fort trotz aller Massivität anfällig wurde. Der Bericht des Ka-pitäns Wouter Watson, der die Aufhebung einer Belagerung vermittelte, um zuerst neben Nah-rungsmitteln auch Trinkwasser schaffen zu können, bestätigt dies.378

Trotz dieser Schwachstelle war die Niederlassung Groß-Friedrichsburg eine in erster Linie auf militärische Belange ausgerichtete Festung, die in den überlieferten Staaten der Gesell-schaft allerdings in recht unterschiedlicher Weise aufgeführt wurde. Es finden sich folgende Angaben:379

375 Ebd., S. 221; sowie STELTZER, Mit herrlichen Häfen versehen, Abb. 18. 376 LAWRENCE, Trade Castles, S. 222/223. Zum Ausbau der Anlage siehe auch HEYDEN, Rote Adler an Afrikas

Küste, S. 23-34. 377 LAWRENCE, Trade Castles, S. 224-226. 378 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 84, S. 204-206. 379 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 81, S. 193/194 (1683, der Wert des Forts wurde nur nach den Aufbau-

kosten, die der Große Kurfürst zur Verfügung gestellt hatte, veranschlagt, während der eigentliche Wert auf

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Jahr Wert

1683 12.000 Rthlr.

1684 keine Einzelangabe

1687 keine Einzelangabe

1692 25.000 Rthlr.

1694 zus. mit Accada 40.000 Rthlr.

1698 zus. mit Accada und Taccarama 50.000 Rthlr.

1699 zus. mit Accada und Taccarama 37.037: 2 Rthlr.

1700 zus. mit Accada und Taccarama 37.037: 2 Rthlr.

1702 zus. mit Accada und Taccarama 37.037: 2 Rthlr.

b) Die kleineren Schanzen an der Goldküste Neben dem insgesamt sehr gut ausgestatteten Hauptquartier auf dem Berg Manfro verfügte die BAC an der Goldküste über zwei weitere kleine Stützpunkte. Zum einen befand sich das Fort Dorothea, auch Dorotheenschanze genannt, fast durchgehend im Besitz der Gesellschaft, zum anderen existierte seit 1694 ein Handelsposten in Taccrama, der den nur kurzfristig in bran-denburgischer Hand befindlichen Posten in Taccarary ablöste.

Der Standort der Dorotheenschanze in Accada wurde schon von der Expedition des Frei-herrn von der Gröben gefunden, doch wollte dieser zunächst einmal die Caboceers aufsuchen, mit denen Blonck zuvor einen ersten Vertrag abgeschlossen hatte. Nach seiner Einschätzung stellte der Ort in Accada den besten Platz für eine Niederlassung dar, der an der Guinea-Küste zu finden war. Er ließ die Einwohner von Accada mit dem Versprechen zurück, daß die Bran-denburger zurückkehren würden, um ein Fort zu errichten.380

Im Februar 1684 kamen die Brandenburger ihrer Zusage tatsächlich nach. Auf Anmahnung einiger Abgesandter aus Accada, die sich auf die Niederländer nicht mehr verlassen wollten, die sich dort nur kurz niedergelassen hatten, aber beständig Anspruch auf Accada erhoben, beschloß der Rat von Groß-Friedrichsburg am 19. Februar 1684, sechs bis sieben Männer mit drei bis vier Kanonen zu entsenden, um an dem von Major von der Gröben ausgewählten Platz eine Niederlassung zu gründen.381 Von der Gröben hatte die Örtlichkeit in seinem Reisebericht beschrieben:

40.000 Rthlr. geschätzt wurde); ebd., Nr. 97, S. 249/250 (1684); GStA Merseburg: Rep. 65, Nr. 13, Bl. 215 (1687); ebd., Nr. 22, Bl. 278-285 (1692); SCHÜCK: Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 144, S. 439-444 (1694); GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 2v-5 (1698); ebd., Bl. 5v-8 (1699); ebd., Bl. 8v-11 (1700); ebd., Bl. 11v-15 (1702).

380 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 46. 381 Ebd., Nr. 14, S. 81/82.

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„Was die Situation in Acoda betrifft, so ist zu Erbauung eines Fortes eine Pen-Insul, so sich 30 Ruten382 in die See erstrecket, und einen so guten Hafen machet, daß man in der schlimmen Zeit nicht allein ankommen, sondern auch ein ziemlich grosses Fahrzeug vor allen Stürmen befreyen kan, hergegen hat zwar der Ort einige Berge umb sich liegen, dem man aber mit keinem Fahrzeug beykommen kan, weil die See sehr starck dawider stosset, also daß unmöglich, einige Stücke darauff zu bringen.“383

Auf dieser Halbinsel wurde am 2. April 1684 mit der Errichtung eines Forts begonnen, das am 30. Mai des Jahres mit einem Pallisadenzaun beendet wurde. Die Anlage hatte einen dreiecki-gen Grundriß, an jeder Ecke wurde eine Bastion eingerichtet. Ein Bollwerk verteidigte die Do-rotheenschanze zur See hin, ein zweites kontrollierte den Zugang über Land, ein drittes den Zugang zu Wasser.384 Geplant wurde von dem ausführenden Ingenieur von Schnitter für die nähere Zukunft eine Aufmauerung der Pallisaden sowie der Bau von drei Häusern. Verwirk-licht wurde davon lediglich das größte der drei geplanten Bauwerke.385

Fort Dorothea in Accada (Quelle: LAWRENCE, Trade Castles, S. 284)

Bewaffnet war die Niederlassung zum Zeitpunkt der ersten Eroberung durch die niederländi-sche Konkurrenz mit sechs Kanonen, die gerade erst zu diesem Zeitpunkt ihre Stellung einge-

382 Entspricht nach brandenburgischem Maß ca. 113 Metern. 383 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 6, S. 46 bzw. S 239/240. 384 Ebd., Nr. 21, S. 91. 385 Ebd., sowie LAWRENCE, Trade Castles, S. 283.

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nommen hatten.386 Ende des Jahrhunderts, als Accada wieder an Brandenburg zurückerstattet worden war, folge mit einer völlig neuen Besatzung auch eine Aufrüstung. Das Fort Dorothea verfügte nun über zwei Kanonen zu sechs Pfund, zwölf kleinere Kanonen sowie über zwölf Drehbassen.387 1711 erlebte die Niederlassung eine zweite Eroberung, diesmal von Engländern und Holländern im Bunde. Als sie ein Jahr später wieder zurückgegeben wurde, mußte sie abermals neu aufgebaut werden.388 Bei einem blieb es über alle Baumaßnahmen hinweg jedoch immer: geschützt wurde das Fort nur durch einen hölzernen Pallisadenzaun; die Aufmauerung blieb ein Plan. Die schwachen Wehrbauten, die nicht wesentlich durchschlagskräftigeren Waf-fen und die kleine Besatzung machten es eroberungswilligen Feinden leicht, die Dorotheen-schanze in ihre Gewalt zu bringen, was die Tatsache bestätigt, daß zwei von zwei unternom-menen Eroberungsversuchen der Konkurrenz erfolgreich waren.

Über die beiden kleinen Niederlassungen finden sich in den Quellen keine näheren Anga-ben. Da es sich nur um abgelegene Außenposten mit minimaler Besatzung handelte, in die nach Stand der Quellenauswertung kaum Geld investiert wurde, kann davon ausgegangen werden, daß sie nicht befestigt wurden und wohl kaum mehr als auch einem oder zwei Häu-sern bestanden.

Die eher untergeordnete Bedeutung dieser Niederlassungen gegenüber Groß-Friedrichsburg spiegelt sich auch in den Staaten der BAC wieder. Die einzige separate Wertangabe für Acca-da findet sich im Staat von 1692 und beläuft sich auf 5.000 Rthlr.389 In den Staaten ab 1698 wurde die Dorotheenschanze nur zusammen mit Groß-Friedrichsburg und Taccrama veran-schlagt. Taccrama selbst wurde nur in den Staaten ab 1698 erwähnt und dort lediglich zusam-men mit Groß-Friedrichsburg und Accada veranschlagt.

c) Die Festung Arguin Grundlage für die Errichtung eines weiteren Forts außerhalb der Goldküste bildete eine Emp-fehlung Benjamin Raules aus dem Jahr 1684,390 der die Insel Arguin an der mauretanischen Küste wahrscheinlich aus Berichten seiner Kapitäne kannte. Raule betonte die verkehrsgünsti-ge Lage des Ortes, die durch die Möglichkeiten, sich unter den Schutz des dortigen Herrschers zu stellen, noch verbessert wurde, und hob auch auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten ab, die er vor allem im Ankauf von arabischem Gummi, aber auch von Straußenfedern sah.

Arguin ist eine Insel an der Küste Mauretanien, die ausschließlich aus Sand und Fels be-steht. Sie liegt ca. 60 km südöstlich des Cap Blanc in einer Bucht, rund 420 km im Norden der Mündung des Senegal-Flußes. Zur Zeit der BAC war sie wahrscheinlich von 300 Menschen

386 LAWRENCE, Trade Castles, S. 283. 387 Ebd., S. 284. 388 Ebd., S. 285/286. 389 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 22, Bl. 278-285. 390 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 345.

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besiedelt, die dem Emirat Trarza auf dem Festland gegenüber angehörten. Schon seit voreuro-päischer Zeit war diese Gegend ein wesentlicher Handelsplatz für arabisches Gummi.391

Eine Festung bestand hier schon seit dem 15. Jahrhundert; sie war von den Portugiesen an-gelegt worden. Im Laufe der Zeit wechselte diese in spanische und niederländische Hände, bevor sie 1678 von Frankreich okkupiert wurde. Die Franzosen stationierten jedoch keine ständige Garnison auf der Insel, sondern beließen es dabei, immer wieder – so auch der BAC gegenüber – Anspruch auf das Eiland zu erheben. Da sich die selbsternannten Herren persön-lich nicht sehen ließen, beanspruchte auch der Emir von Trarza die Insel und das Fort – schließlich waren seine Untertanen die einzigen Bewohner. Aus diesem Grund war für die Brandenburger dieser Herrscher auch der angemessene Ansprechpartner.

Im Januar 1686 nahm Cornelis Reers Besitz von der Insel und vor allem von ihrer Fes-tungsanlage.392 Dies geschah in Konkurrenz zu einem niederländischen Schiff, das offensicht-lich die selbe Absicht hatte, aber wieder unverrichteter Dinge kehrt machen mußte, als es den Brandenburgern gelang, schneller an Land zu gehen.393 Ironie der Geschichte, daß dieses Schiff in Diensten der niederländischen Westindien-Gesellschaft von Lambert de Hond kom-mandiert wurde, der selbst zwischen 1691 und 1696, nun in Diensten der BAC, Kommandant auf Arguin war.

Fort Arguin nach Jean-Bapsist Labat (Quelle: WOLDAN, Deutsche Kolonialversuche, Abb. 4)

391 Zu diesem Emirat siehe neuerdings Till Philip KOLTERMANN, Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte.

Die Insel Arguin vor der Küste Mauretaniens (Brandenburgische Entwicklungspolitische Hefte 28), Potsdam 1999, insbes. S. 13-16.

392 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 40, S. 120-123. 393 Ebd., Nr. 62, S. 155.

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Cornelis Reers fand das Fort in einem recht verfallenen Zustand vor; die Brandenburger muß-ten zunächst einmal Aufbauarbeit leisten. Die größte Ausdehnung hatte das Fort mit 185 Fuß (ca. 52 Meter) an der Landseite. Die Mauer zur südlichen Seeseite war mit 32 Fuß (ca. 9 Me-ter) die höchste. Der Innenhof maß in seinen Achsen 98 Fuß (ca. 27,4 Meter) von Westen nach Osten und 120 Fuß (ca. 33,6 Meter) von Süden nach Norden. Das Tor in die Festung war 9 Fuß (ca. 2,5 Meter) hoch und 11 Fuß (ca. 3,1 Meter) breit sowie 6 Fuß (1,7 Meter) tief, woraus sich auf eine entsprechende Stärke der Festungsmauern schließen läßt. Ausgestattet war das Fort mit drei Bastionen für die Kanonen, die sich an den Ecken im Norden, Süden und Osten befanden. Sämtliche Gebäude im Inneren schlossen sich an an die Festungsmauern an.394

Im Vergleich zu Groß-Friedrichsburg war Arguin die kleinere Festung, doch wirkte sie nicht minder wehrhaft. Ein weiterer Unterschied zu dem Fort auf dem Berg Manfro war, daß in Arguin ein starker Emir herrschte, der an einer Zusammenarbeit mit den Brandenburgern interessiert war, aber keine Notwendigkeit sah, sich unterzuordnen. Konnte die BAC bei den Einwohnern der Goldküste kostenlos Arbeitskräfte rekrutieren, waren sie hier auf sich allein gestellt. Der Herrscher gestattete ihnen, sich im Fort niederzulassen und dort tätig zu werden. Mehr nicht.

Unter Johann Reers, zwischen 1696 und 1712 Kommandant auf Arguin, wurden die Auf-bauarbeiten fortgesetzt. In seinem Brief an den König von Preußen berichtete er 1713,395 daß er eine neue Batterie errichtet hatte, die 72 Fuß (ca. 20,2 Meter) lang, 28 Fuß (ca. 7,8 Meter) hoch und 4 Fuß (ca. 1,1 Meter) breit war, zu der die Brandenburger auch die Baumaterialien selbst anfertigten. Unter der Regie Reers wurde zudem ein Brunnen gegraben und verschiede-ne Boote gebaut.

Das Problem zu dieser Zeit war, daß Arguin seit 1700 keine Versorgung aus der Heimat mehr erhielt – mit zwei Ausnahmen 1709 und 1711. Die Besatzung von Arguin war also völlig auf Eigeninitiative angewiesen. Johan Reers sah sich gezwungen, in den Unterhalt des Forts sein ganzes Privatvermögen zu investieren. Seitens der BAC hatte er lediglich Versprechungen erhalten, auch sein Gehalt wurde ihm nicht ausgezahlt. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1713 hatte er der BAC gegenüber Forderungen in der Höhe von 5.923 Thalern und 12 Groschen.396

Die Folge dieser Situation liegt auf der Hand: die Festung von Arguin war sowohl was die Versorgung als auch was den übrigen Handel anbetraf voll und ganz auf Interlooper und Schif-fe konkurrierender Gesellschaften angewiesen. Anordnungen, nur brandenburgische Schiffe nach Arguin zu lassen, und ausdrückliche Verbote des Schmuggels wie aus dem Jahr 1713 konnten für die Besatzung vor Ort keinerlei Bedeutung haben. 397

Schon im Jahr 1704 berichtete Hamet Mansor Ibrahim, Abgesandter und Neffe des Emirs von Trarza, über rege Tätigkeiten der Interlooper auf der Insel.398 Vor allem niederländische 394 Ebd., Nr. 40, S. 122. 395 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 179, S. 553-555. 396 Ebd., S. 555. 397 Ebd., Nr. 182, S. 558/559. 398 Ebd., Nr. 166, S. 503-507; zu dieser Gesandtschaft siehe auch KOLTERMANN, Zur brandenburgischen Kolo-

nialgeschichte, S. 19-21.

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Interlooper waren zu vermelden, doch erwähnte er auch ein englisches Schiff, das offiziell unter der Flagge der Royal African Company segelte und mit der Niederlassung der BAC Handel trieb. Nach den Angaben Ibrahims bot sich der Niederlassung jährlich die Möglichkeit, zwischen 300 und 400 Lasten Gummi und bis zu 600 Lasten Salz auszuführen - ein lukratives Geschäft, das wesentlich den Interloopern zu Gute kam.399 Ibrahim verstieg sich sogar zu der Behauptung, „daß der Commandeur Reers sehr unter denen Mooren geheßig ist, weil er sie übel tractire, ihre Rechte nicht bezahle, und denen Lorrendrayers assistire, umb ihrem Köni-ge und der Nation ungleich zu thun, ihre Rechte zu verkürzen und den Handel zu zwingen.“400 Reers hatte jedoch kaum eine andere Chance, als sein Heil im Kontakt mit den Interloopern zu suchen.

Ibrahim war von seinem Herrscher und Onkel nach Europa geschickt worden, um die Wie-deraufnahme des Handels in Brandenburg einzufordern und darauf zu bestehen, daß die BAC die Festung „wie es sich gebühret“ unterhielt. Anderenfalls sah sich der König nicht weiter zur Vertragstreue Brandenburg-Preußens gegenüber in der Lage. Der Gesandte stellte in seinem Bericht den Vertretern der BAC gegenüber fest, daß sich die Festung in einem guten Zustand befand, ausgerüstet mit 30 Kanonen, jedoch nur von einer Besatzung aus elf Weißen und ei-nem Schwarzen gehalten. Ibrahims Ansicht nach bedurfte es dreißig bis vierzig Mann Besat-zung, um nichts für das Fort befürchten zu müssen.

Das Emirat war noch immer daran interessiert, die Brandenburger als Handelspartner zu halten. Doch war sich der Hof von Trarza offenbar dieses Partners nicht mehr sicher, denn Ibrahim sollte auf der Rückreise noch die Niederlande besuchen. Zu den Handelsgütern, wel-che die Region um Arguin anbot, sagte der arabische Gesandte:

„Das Commercium auf der Arguynschen Küste bestehe vornehmlich in Gomm, etwas Gold, so von der Guineischen Küste komme, Elephantenzähnen, Bezoarsteinen, Häuten von Thieren, als Tiegern, Ochsen, Bocken, Cabritten, Wolle, weißer und schwarzer Ambre de gris, zuweilen viel, zuweilen wenig, nachdem die See solchen auswürft, Straußfedern, auch Salz.“401

In das gleiche Horn stieß der Unterkaufmann Hans Christian Düring in der Befragung bei sei-ner Rückkehr nach elf Jahren Dienst in Arguin im Jahre 1709.402 Auch er sah im Gummi das entscheidende Produkt, daß die Niederlassung in Arguin interessant machte. Allerdings ging er nur von 200 bis 250 Lasten pro Jahr aus, was sicherlich realistischer war als die Angaben Ib-rahims, der schließlich den Auftrag hatte, die BAC von den wirtschaftlichen Vorteilen seiner Heimat zu überzeugen. Neben Gummi erwähnte Düring 130 Lasten Salz, die jedes Jahr auf die Kanaren verkauft werden könnten, und sprach zusätzlich von Fisch sowie von Sklaven, von denen er einen Verkauf von hundert Personen jedes Jahr annahm. Dabei ging er von einem

399 Eine Last entspricht ca. zwei Tonnen. 400 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 166, S. 505. 401 Ebd., S. 506. 402 Ebd., Nr. 170, S. 512-519.

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Einkaufspreis von dreißig bis vierzig Gulden und einem Verkaufspreis von 200 Gulden aus. All diese Handelsmöglichkeiten lagen jedoch – zumindest für Brandenburg-Preußen – völlig brach. Not wurde in der Niederlassung jedoch nicht gelitten, was Düring auf den Kommandan-ten zurückführte, der in der Lage war, sich um alles zu kümmern. Lediglich mit der Langewei-le hatte die Besatzung zu kämpfen, deren Stärke nach Dürings Angaben 16 Mann betrug, je-weils acht alte und junge Männer.

Über die Bewaffnung des Forts berichtete der Unterkaufmann, daß zum Zeitpunkt seiner Abreise 28 Kanonen zwischen zwei und 18 Pfund nebst neun Drehbassen und drei Mortieren, einer großen und zwei kleinen, zur Verfügung standen. 1694 befanden sich auf der Festung dagegen nur 20 Kanonen.403 Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß die Besatzung von Arguin von Interloopern sogar Rüstungsgüter bezog. Zusätzlich bestätigte Düring eine gute Versor-gungslage. Neben Nahrungsmitteln war auch genügend Pulver im Fort, zudem ein Wasservor-rat für ein halbes Jahr zusätzlich zu zwei ganzjährlichen Brunnen in unmittelbarer Nähe. Für die Mobilität der Inselbesatzung standen vier Boote, eine Sloop und zwei Kanus zur Verfü-gung. Mit dieser kleinen Flotte ließ sich selbstverständlich kein Handel in größeren Rahmen durchführen. Dafür wurden nach der Einschätzung Dürings zwei Hoeker-Schiffe – Küstenseg-ler – benötigt. Den Unterhalt für das Fort, seine Besatzung und diese beiden Schiffe schätzte er auf 14.000 bis 15.000 Gulden, also ungefähr 5.600 bis 6.000 Reichsthaler.

Der Wert der Festung an sich wurde von den Verantwortlichen der BAC über die Jahre un-terschiedlich eingeschätzt. In den überlieferten Staaten finden sich folgenden Angaben:404

Jahr Wert

1694 27.250 Rthlr.

1698 31.464 : 1 Rthlr.

1699 22.256 : 22 Rthlr.

1700 22.256 : 22 Rthlr.

1702 21.846 : 44 Rthlr.

Ein Vergleich mit den Wertangaben der Festung Groß-Friedrichsburg läßt vermuten, daß die Festung auf Arguin nur unwesentlich geringerwertig eingeschätzt wurde als das afrikanische Hauptquartier. Es handelte sich um eine gut ausgebaute, wehrhafte Festung, die in ihrem Um-land interessante Handelsmöglichkeiten anbot. Dennoch wurde sie ab der Jahrhundertwende de facto im Abseit liegengelassen.405

403 Ebd., Nr. 144, S. 442. 404 Ebd., S. 439-444 (1694); GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 2v-5 (1698); ebd., Bl. 5v 8 (1699); ebd.,

Bl. 8v-11 (1700); ebd., Bl. 11v-15 (1702). 405 Zu den letzten Jahren siehe auch KOLTERMANN, Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte, S. 23-28.

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d) Die Niederlassung auf St. Thomas Die Insel St. Thomas in der Karibik zählt zum Archipel der Jungferninseln. Damit gehörte die Insel zum westindischen Wirtschaftssystem, das durch Plantagenwirtschaft geprägt wurde. Diese Wirtschaftsform mußten auch die Dänen im Kopf gehabt haben, als sie den Vertrag mit dem Großen Kurfürsten abschlossen, welcher der BAC einer Niederlassung auf der dänisch regierten Inseln einräumte. Für sie bedeutete die Formulierung, den Brandenburgern stünde eine Fläche zu, die von 200 Sklaven bearheitet werden könnte, daß dort eine Plantage zu ent-stehen hatte. Zur reinen Versorgung nur kurzfristig anwesender Sklaven, die weiterverkauft werden sollten, waren diese Ausmaße zu groß.

Die Lage von St. Thomas in der Karibik

Die BAC hatte jedoch andere Pläne, was zu den schon erwähnten Auseinandersetzungen führ-te. Sie benutzte ihren Stützpunkt auf St. Thomas lediglich als Warenumschlagplatz. Es ent-stand keine Festung wie in Afrika, da als entsprechende Schutzburg das dänische Fort zur Ver-fügung stand. Die Brandenburger gaben sich mit einem Verwaltungsgebäude, einem Lager-haus und einer Unterkunft für die Sklaven zufrieden. Um die Jahrhundertwende wurde das Anwesen um ein großes Packhaus erweitert, das auch lediglich zu Handelszwecken, nicht aber zum Plantagenbetrieb diente.406 406 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 214. Neben Kellenbenz siehe zur Geschichte der Branden-

burger auf St. Thomas neuerdings Rainer D. K. BRUCHMANN, Zur brandenburgischen Kolonialgeschichte. Die Insel St. Thomas in der Karibik (Brandenburgische entwicklungspolitische Hefte, 31), Potsdam 1999.

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Die BAC benutzte ihre westindische Niederlassung nicht nur, um afrikanische Sklaven wei-terzuverkaufen. Auch europäische Waren wurden auf dem direkten Weg aus Emden geliefert und auf St. Thomas verkauft.407 Für den Zeitraum zwischen 1690 und 1698 ist die Liste der brandenburgsichen Schiffe überliefert, die mit dänischem Paß die Niederlassung der BAC an-liefen:408

Datum Schiff Kapitän

16. August 1690 Churprinz Jean Lesage 16. August 1690 Churprinz Jacob Lamberts 16. August 1690 Salamander Thomas Wilschüt 24. März 1691 Marschall Derfflinger Abraham Melter 5. März 1692 Churprinz Thomas 5. März 1692 Afrikaner Chaloupin 5. März 1692 Löwe Willem Adriansen 5. März 1692 Friedrich Wilhelm Jean Lesage 5. Juli 1692 Soterdaln Levin Adriansen 5. Juli 1692 Friedrich III. Cornelius Rees 3. September 1692 Der Königswapppen Jacob Mailard 5. November 1692 Die Sieben Provinzen Albert von der Lain 6. Dezember 1692 Die Bracke Cornelius de Clencq 13. Juni 1693 Die Zwei Brüder Jean de Witte 13. Juni 1693 Churprinzessin Jean Weymans 13. Juni 1693 Charlotte Louise Erasmus Heinrich 21. Oktober 1693 Afrikaner Henrich Brandt 21. Oktober 1693 Der Jäger Pieter Bechs 21. Oktober 1693 Postillion Vincent de Clerck 4. September 1694 St. Jacob Frantz Voskuhl 7. Mai 1695 ? Frantz von der Polo 16. November 1695 Friedrich III. Jacobus Lambreght 16. November 1695 Churprinzessin Wouters Ypes 18. Juli 1696 Die Sieben Provinzen William Adriansen 22. März 1698 Anna Jean Bruge 22. März 1698 Friedrich III. Wouters Ypes 22. März 1698 Oliw Tach Daniel Petz 22. März 1698 Jonge Bomgardt Jacob Frantzen 22. März 1698 Churprinzessin Peter van Becke 22. März 1698 Die Sieben Provinzen ? 22. März 1698 Oranienburg ? 22. März 1698 Die Vier Brüder ?

407 Ebd., S. 202/203. 408 Ebd., S. 201/202.

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Nach Kellenbenz ist diese Liste ein Zeichen für einen regen Handelsverkehr. Immerhin ist richtig, daß in diesem Zeitraum allein 32 Ankünfte von offiziell legitimierten Schiffe zu ver-zeichnen waren. Deren Verteilung war jedoch, teils durch Kriegseinwirkungen und Unglücke, teils durch schwankende Handelstätigkeiten der Compagnie, sehr unterschiedlich. In einem Jahr, 1697, war überhaupt kein Schiff zu verzeichnen, in drei Jahren jeweil nur eins. In sol-chen Jahren blieb der Niederlassung auf St. Thomas kaum mehr als der innerkaribische Handel oder der Handel mit Interloopern. Dies konnte durchaus funktionieren, nur war für einen sol-chen Handel eine privilegierte Compagnie überflüssig, die auf den Export europäischer und afrikanischer Waren spezialisiert war.

Desweiteren zeigt die Liste der eingetroffenen Schiffe, daß die bevorzugte Art der Reise in die Karibik der Konvoi war. Nur sieben der 32 Schiffe trafen alleine in St. Thomas ein. Den größten Konvoi sah das Jahr 1698, als acht Schiffe zusammen den dänischen Hafen erreichten. In diesem Jahr waren zwar relativ viele Schiffe der BAC in St. Thomas, doch eigentlich wurde die Niederlassung nur ein einziges Mal angelaufen. Dieser Termin brachte zwar überdurch-schnittlich viele Waren, doch für den Rest des Jahres waren die Brandenburger auf St. Thomas wieder auf Interlooper und innerkaribische Händler angewiesen.

Die bevorzugten Jahreszeiten waren witterungsbedingt Frühjahr und Sommer. Einige Kapi-täne wagten dennoch die Überfahrt in den stürmischeren Monaten, bis hin zu einem Mann namens de Clencq, der am Nikolaustag in St. Thomas einlief.

Entsprechend der unregelmäßigen Verbindung mit der Heimat wurde häufiger Handel mit privaten Schiffen getrieben. Auch der Aufkauf von Prisen in Kriegszeiten gehörte zu den Mit-teln, mit denen das eigene Warenlager aufgefüllt wurde.409 Da all diese Schiffe nicht privile-giert waren, also nicht mit dänischen Pässen ausgestattet, erzeugte diese letztendlich wirt-schaftlich notwendige Verhaltensweise neue Streitigkeiten mit der dänischen Westindien-Gesellschaft.

In den Staaten der BAC wurde die Niederlassung nur sehr sporadisch auf der Habenseite aufgeführt. 1694 wurde für Magazin und Häuser der Wert 4.000 Rthlr. eingesetzt.410 1698 waren es einschließlich der zur Niederlassung gehörenden Schiffe 14.274:32 Rthlr.411 Die Steigerung läßt sich durch den Wert der Schiffe und wahrscheinlich durch das neu entstandene Packhaus erklären. Die ursprünglichen Gebäude hatten nur einen relativ geringen Wert. Ent-weder war das neue Packhaus das eindeutig größte und beste Gebäude am Platz, oder der ei-gentliche Wert der Niederlassung bestand in den dazugehörigen Booten. Die Tatsache, daß die Niederlassung nur in diesen beiden Fällen Erwähnung findet, legt den Schluß nahe, daß in Emden der Posten auf der Jungferninsel lediglich als Umschlagort für Waren gesehen wurde und nicht als ein Besitz von Wert, wie es eine gut gerüstete Festung sein konnte.

Die Niederlassung auf St. Thomas sollte nie eine Plantage werden. Sie war ein Handels-platz, der ein wichtiges Standbein im innerkaribischen Handel finden mußte. Dabei waren die 409 Ebd., S. 214. 410 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 144, S. 439-444. 411 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 2v-5.

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Möglichkeiten allerdings beschränkt, da sich die Verbindungen zumeist auf die benachbarte Inselwelt beschränkten und so von den am Rande der Karibik gelegenen Jungferninseln aus kein fester Platz in der westindischen Wirtschaftswelt erobert werden konnte.

5. Die Personen a) Teilhaber und Geldgeber Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie verfügte anfangs über ein Kapital von 48.000 Rthlr.412 Diese Summe war bei Benjamin Raule bis zum Ende des Jahres 1683 gezeichnet worden. Raule selbst steuerte die Hälfte des Betrages bei, da er für die zurückgezogegenen Zusagen persönlich einsprang, damit das Unternehmen nicht vorzeitig scheiterte. Den zweit-größten Anteil trug der kurfürstliche Hof. Der Große Kurfürst war mit 8.000 Rthlr. beteiligt, sein Sohn Friedrich steuerte noch einmal 2.000 Rthlr. bei, mit Sicherheit unter dem Einfluß seines Vaters. Zwei Beteiligte, der Graf Schmettau und Jan Pedy, ein niederländischer Ge-schäftspartner und Teilhaber von Raule, hatten immerhin noch jeweils 4.000 Rthlr. einge-bracht. Die übrigen Partizipanten hatten sich mit dem für Sitz und Stimme nötigen Minimum von 1.000 Rthlr., maximal mit 2.000 Rthlr. begnügt. Zu diesen Partizipanten zählten u.a. die Geheimen Räte von Meinders, Fuchs und Grumbkow sowie der Prinz von Anhalt. Auch Offi-ziere des Heeres hatten ihre Bereitschaft bekundet.413 Zum Zeitpunkt ihrer Gründung war die Compagnie also eine Gesellschaft des Kurfürsten und des Initiators. Die anderen Beteiligten waren entweder Geschäftsleute aus dem Umfeld Raules oder hohe Staatsdiener aus dem Um-feld des Hofes.

Eine vorläufige Verschiebung erlebte die Situation mit dem Beitritt der ostfriesischen Stän-de im Zuge ihrer Vereinbarungen mit dem Kurfürstentum Brandenburg. Sie brachten eine Summe von insgesamt 24.000 Rthlr. ein. Die Gesellschaft konnte so im November 1683 ein Kapital von 72.000 Rthlr. vorweisen, vom dem Benjamin Raule und die ostriesischen Stände jeweils ein Drittel, der Kurfürst ein Neuntel kontrollierten. Noch einmal erweitert wurde das Kapital durch den Kurfürsten Maximilian Heinrich von Köln. Dieser hatte dem ostfriesischen Landschaftskommissar Freiherr von Göden, der inzwischen selbst beteiligt war, im Umfeld der Verhandlungen zwischen Brandenburg und den ostfriesischen Ständen mehrfach sein Interesse angedeutet. Der Große Kurfürst ließ nun durch seinen Geheimen Rat Fuchs Verhandlungen aufnehmen, die zu dem Erfolg führten, daß der Kölner Bischof sich mit weiteren 24.000 Rthlr. beteiligte.414 412 SCHÜCK, Kolonialpolitik, B. 1, S. 161/162; und Bd. 2, Nr. 81, S. 193/194; sowie MÖRNER, Staatsverträge,

Nr. 262, S. 448-450. 413 Die Aufzählung der Beteiligungen bei Schück verwirret, da sie auf einen Betrag von 58.000 Rthlr. käme. Es

müssen also einige der Aufgezählten zahlungssäumig geblieben sein. Da keine exakte Liste der ursprüngli-chen Einleger vorliegt, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, um wen es sich dabei handelte.

414 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 182/183.

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Nur zwei Jahre nach diesem Erfolg kamen schwerwiegende Mißklänge auf. Die ostfriesi-schen Stände waren offensichtlich schon lange nicht mehr von der Solidität des Geschäftes überzeugt, zumal dies als Sicherheiten wenig mehr als drei im Aufbau befindliche Niederlas-sungen samt Inventar und vier Schiffe unterschiedlicher Größe aufzubieten hatte. Die Vertreter der Stände suchten einen verlustfreien Weg, aus dem Unternehmen wieder auszusteigen, so daß der Kurfürst nicht zuletzt auf Drängen Raules nachgab und die Anteile der Ostfriesen über-nahm.415 Durch diesen Schritt betrug der Anteil des Kurfürsten 32.000 Rthlr. Damit kontrol-lierte er ein Drittel der Gesellschaft, oder anders gesehen: er trug ein Drittel ihres Risikos. Rau-le trug ein weiteres Viertel davon. Zusammen gehörte den beiden Männern, auf Grund deren Ideen und Aktivitäten die BAC entstanden war, knapp 60% des Kapitals. Von einer frühen Aktiengesellschaft nach Vorbild der großen Compagnien in Holland oder England konnte kaum die Rede sein, zumal das restliche Kapital aus den Kreisen des Hochadels und der bran-denburgischen Verwaltungsspitzen stammte, jedoch mit Ausnahme Jan Pedys nicht von Kauf-leuten. Die BAC war also dem Wesen nach eine Friedrich Wilhelm/Benjamin Raule-Gesellschaft, gewissermaßen eine Handelsgesellschaft ohne Händler.

Diese Bedingungen dauerten bis zum Tode des Großen Kurfürsten an und auch noch einige Jahre unter der Regierung Friedrich III. Doch dieser war auf Dauer nicht gewillt, die Compag-nie in solcher Verfassung weiterzuführen. Nicht der Große Kurfürst, der nicht selten als Nach-ahmer des leuchtenden Vorbildes Holland dargestellt wird, sondern der eher nach dem Vorbild des französischen Absolutismus herrschende Friedrich III. war es, der den ernsthaften Versuch unternahm, die BAC als eine Aktiengesellschaft von Kaufleuten zu organisieren. Im Zuge des Transport-Vertrages und des neuen Oktrois für die Brandenburgisch-Africanisch-Ameri-kanische Compagnie wurden neue Partizipanten gesucht und in Gestalt niederländischer Kauf-leute auch gefunden. Zwar wurde deren Geld zunächst auf den Namen des Marinerats von Grinsveen eingetragen, um die Partizipanten nicht in Schwierigkeiten mit der WIC zu brin-gen,416 doch ging die BAC de facto zu großen Teilen in niederländische Hand über. Die schon erwähnte Aufstellung der Beteiligten aus der Zeit unmittelbar vor dem Sturz Raules gibt Aus-kunft darüber:417

415 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 110, S. 282/283 und Nr. 111, S. 283-285. 416 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 236. 417 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 25a, Vol I, Bl. 50v/51. Da die Liste noch Benjamin Raule als vollwertigen

Teilhaber führt, jedoch die niederländischen Partizipanten schon in die streitenden Parteien eingeteilt erschei-nen, muß die Aufstellung relativ kurze Zeit vor dem Sturz Raules entstanden sein.

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Partizipanten aus Emden und Berlin:

Name Einlage

Benjamin Raule 21.100 Rthlr.

Benjamin Raule jun. 4.000 Rthlr.

Leonard von Grinsveen 4.000 Rthlr.

Eberhard von Danckelmann 4.000 Rthlr.

Johann von Danckelmann 2.000 Rthlr.

Baron von Knyphausen 2.000 Rthlr.

Rudolph Freytag 2.000 Rthlr.

Jacques Barbot de la Porte 2.000 Rthlr.

Johannes de Goyer 2.000 Rthlr.

Theophile du Moulin 2.000 Rthlr.

Hendrik Cloek 2.000 Rthlr.

Partizipanten aus den Niederlanden:

Name Einlage

Mattheus Sonmans 24.000 Rthlr.

Josua van Belle 22.000 Rthlr.

die Erben des Jan Pedy 14.000 Rthlr.

Wilhelm Bastiaanse 12.000 Rthlr.

Wilhelm Pedy 10.000 Rthlr.

Jan van Twedde 10.000 Rthlr.

Joseph Shepheard 10.000 Rthlr.

Beck en van Wesel 5.000 Rthlr.

die Erben des Johan de Vries 4.000 Rthlr.

Herr van Welland 4.000 Rthlr.

Nicolas Pedy 4.000 Rthlr.

Christian Meselman 3.000 Rthlr.

die Witwe Bruning 2.000 Rthlr.

James Washington 2.000 Rthlr.

Vincent Adriaanse 2.000 Rthlr.

Coenraat Detemeyer 2.000 Rthlr.

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Insgesamt verfügte die Compagnie in dieser Aufstellung über ein Kapital von 177.100 Rthlr. Davon waren nur noch 47.200 Rthlr. in deutschem Besitz. Nicht einmal die Hälfte davon stammte von Raule, dessen Sohn nun allerdings auch beteiligt war. Benjamin Raules Einlagen waren zwar nur unwesentlich gesunken, aber sein Anteil am Gesamtkapital betrug nur noch ca. 12%. Der Kurfürst und spätere König war seit der Neuregelung der Finanzen nicht mehr direkt an der Gesellschaft beteiligt. Den verbliebenen Rest der deutschen Gruppe unter den Anlegern machten abermals hochrangige Bedienstete des Kurfürstentums Brandenburg bzw. des König-reichs Preußen aus, die gleichzeitig wichtige Ämter in der BAC bekleideten. Johann von Dan-ckelmann war der vom Kurfürsten bestellte Präsident der Gesellschaft, Johann de Goyer war ihr Buchhalter und der Marinerat Leonard van Grinsveen hatte den Posten des Equipagemeis-ters inne. Die beiden letztgenannten waren zugleich, ebenso wie Friedrich von Knyphausen, Benjamin Raule und Rudolf Freitag, Mitglieder des Bewinthaberkollegiums.

Während die Seite Brandenburgs und Emdens, unter die der niederländische Advokat Hendrik Cloek eingereiht wurde, da er den Posten des Fiskals bekleidete, die Mehrheit der Führungskräfte stellte, stammte mit insgesamt 130.000 Rthlr. knapp drei Viertel des Kapitals aus den Niederlanden. Die partizipierenden Kaufleute suchten in erster Linie geschäftliche Erfolgschancen und schienen diese zumindest gegen Ende des 17. Jahrhunderts in der BAC zu sehen.

Wahrscheinlich kaum mehr als ein Jahr nach der oben genannten Teilhaberaufstellung ent-stand, offenbar aus Anlaß einer Partizipantenversammlung, eine andere Liste, die nur die nie-derländischen Geldgeber enthielt.418 Die Namen der Beiteiligten waren weitgehend die glei-chen geblieben, nur daß in der jüngeren Liste lediglich noch 106.000 Rthlr. verzeichnet waren. Es waren die Großanleger, die ihre Beteiligung deutlich gesenkt hatten. Josua van Belle, der Herr von Waddingveen, in der älteren Aufstellung der Aktionär mit dem zweitgrößten Einzel-anteil, hatte seine Einlagen von 22.000 Rthlr. auf 14.000 Rthlr. gesenkt; die Familie Pedy, die den größten Block bildete, hatte ihre Beteiligung von zusammen 28.000 Rthlr. auf ebenfalls 14.000 Rthlr. herabgeschraubt. Der größte Teilhaber Mattheus Sonmans, der 24.000 Rthlr. einbrachte, war in der späteren Liste gar nicht mehr vertreten.

Schon bald nach Umstrukturierung im Jahr 1692 hatte es innerhalb der Compagnie Span-nungen gegeben, weil sich die neuen niederländischen Teilhaber von den Compagnie-Bewinthabern und insbesondere Raule nicht genügend über den Zustand der Gesellschaft in-formiert sahen. Sie hatten nie in geeigneter Form erfahren, was sie eigentlich von der bisheri-gen Compagnie an Inventar übernommen hatten und welche Belastungen sie zu tragen hat-ten.419 Am 6. September 1694 konnten sich die beiden Seiten im Ryper Vergleich eini-gen.420Die niederländische Seite erklärte sich bereit, den Status quo der Gesellschaft zu akzep-tieren und erhielt im Gegenzug die Zusage einer seriösen Rechenschaftslegung und Buchfüh-rung. Im Emdener Vergleich vom 10. August 1695 wurde diese Einigung noch einmal auf 418 Ebd., Nr. 22, Bl. 82. 419 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 242. 420 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 143, S. 436-438.

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verbesserter Grundlage bekräftigt, nachdem der Kurfürst der Compagnie-Leitung bestätigt hat-te, daß die Bücher der BAC in einen guten Zustand versetzt worden waren.421 Der Streit zwi-schen alten und neuen Partizipanten schien zunächst beigelegt.

Nach dem Sturz Eberhard Danckelmanns, Benjamin Raules und Friedrich Knyphausens, denen allen der Kurfüst Veruntreuung und Bereicherung vorwarf, brach der alte Streit jedoch wieder auf. Abermals ging es wesentlich um die Zeit vor der Neuorganisation der BAC. Nun wollte der Kurfürst selbst eine genaue Überprüfung dieser Zeit erreichen.422 Es sollte unter-sucht werden, ob Raule als Generaldirektor der Marine – das Amt hatte er inzwischen verloren – und Knyphausen als ehemaliger Präsident und Vorgänger Johann von Danckelmanns persön-lich für Unregelmäßigkeiten vor 1692 haftbar gemacht werden konnten. Diese Forderung ließ die Spaltung der Teilhaber in zwei Parteien, die schon zuvor entstanden war, endgültig zum Tragen kommen. Die nach dem Herrn van Welland benannte Welland’sche Partei stellte sich auf die Seite Raules und seiner Freunde, die darauf beharrten, daß durch den Transport-Vertrag und das neue Oktroi von 1692 der Zustand der alten Compagnie so, wie er sich in die-sem Jahr präsentiert hatte, in die neue Compagnie übernommen worden war und dadurch auch alle Ansprüche aus der davorliegenden Zeit erloschen waren. Die von Josua van Belle geführte Waddingveen’sche Partei, die ausschließlich aus niederländischen Partizipanten bestand, stellte sich auf die Seite des Kurfürsten und sahen sehr wohl noch bestehende Verantwortlichkeiten. Die Mitglieder dieser Seite konnte nicht einsehen, daß für Mißwirtschaft, deren Folgen sie unbesehen in die Gesellschaft, in welche sie neu eingetreten waren, hatten übernehmen müs-sen, niemand Verantwortung tragen sollte. Da gegen die führenden Mitglieder der Wel-land’schen Partei ermittelt und schließlich Raule sogar inhaftiert wurde, gewann zunächst die Waddingveen’sche Partei die Oberhand in der Auseinandersetzung. Doch konnte dies nicht lange währen, da die Räte Kornmesser und Walter zur Generalversammlung 1698 geschickt wurden, um sich dort ein Urteil zu bilden und dem Kurfürsten zu berichten. Das Urteil fiel vernichtend aus.423 Neben den alten Problem, daß keine ordentlichen Bücher geführt wurden, wurde vor allem die hohe Verschuldung der Gesellschaft ins Feld geführt sowie die selbstsüch-tigen Verhaltensweisen der verbliebenen aktiven Gesellschafter, welche über die eigenen die Interessen der Compagnie aus den Augen verloren hätten. Die Räte kamen zu dem Schluß, daß die Compagnie eigentlich aufgelöst werden müßte, was sie jedoch auf Grund der politischen Interessen Brandenburgs in Ostfriesland doch nicht empfahlen. Der Kurfürst sah sich zum Handeln gezwungen, um den von seinen Räten als konfus bezeichneten Zustand zu beenden. Versuche, mit Vermittlung seiner Räte die beiden Parteien wieder an einen Tisch zu bekom-men, scheiterten. Friedrich III. entschied sich für die Welland’sche Partei; sein Vertrauen in deren Gegner hatte er verloren. Johann von Danckelmann kehrte auf den Stuhl des Präsidenten zurück, später wurde für kurze Zeit sogar der begnadigte Benjamin Raule noch einmal reakti-viert, jedoch nicht mehr in führender Position. Im Schönhausener Recess vom 13. Mai 1700 421 Ebd., Nr. 147, S. 455-459. 422 SCHÜCK,:Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 255. 423 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 155, S. 468-481.

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vereinbarte die Welland’sche Partei mit Friedrich III, unter völligem Ausschluß ihrer Gegner, wieder die Führung der Compagnie zu übernehmen.424 Alle Vorwürfe gegen die Mitglieder der Partei wurden zurückgezogen. Die Angehörigen der Waddingveen’schen Partei behielten zwar ihre Anteile, zogen sich aber völlig zurück. Nach einiger Zeit, in der es ihr nicht gelang, der Schulden Herr zu werden und neues Geld für die BAC zu rekrutieren, verschwand auch die Welland’sche Partei von der Bildfläche. Zuerst hatten sich die verfeindeten Lager gegenseitig blockiert, dann ließen sie die Gesellschaft mehr oder weniger führungslos zurück. Dem zum König aufgestiegenen Kurfürsten blieb gar nichts anderes übrig als 1711 die BAC in seinen Besitz zu nehme und alle Verträge und Oktrois für ungültig zu erklären.425

Bezüglich ihrer Partizipanten durchlebte die BAC drei Phasen. Zunächst wurde sie von dem Großen Kurfürsten und Benjamin Raule dominiert, während das restliche Kollegium den füh-renden Kreisen der brandenburgischen Verwaltung und dem interessierten Adel angehörte. In der zweiten Phase erhielt die Gesellschaft die Verfassung einer Handelskompanie nach nieder-ländischem Vorbild und wurde von niederländischen Kaufleute dominiert, die sich jedoch ei-ner Führungsriege aus den Partizipanten der ersten Phase gegenüber sahen. In der letzten Phase spalteten sich die Teilhaber in zwei Parteien auf, die sich gegenseitig und damit mehr und mehr die Compagnie lähmten, wobei die Gründe für die Spaltung vielfach noch aus der ersten Phase stammten.

b) Direktoren und Kaufleute Mit Friedrich von Knyphausen und Johann von Danckelmann hatten die Kurfürsten zwei Prä-sidenten der BAC eingesetzt, die aus großen Familien der Führungsebene Brandenburgs stammten. Auch das Bewinthaberkollegium wurde vorrangig mit hohen Staatsbediensteten besetzt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts saßen mit Leonard van Grinsveen und Rudolph Freytag zwei brandenburgische Räte und mit Justus Conring, Johann de Goyer und Jacques Barbot de la Porte weitere Männer aus dem Staatsdienst im Direktorium. Hinzu kam Jacques de Potterre, der Bürgermeister von Emden. Nicolas Pedy und bis zum Sturz seines Vaters Ben-jamin Raule jun. waren die einzigen Kaufleute im Kreis der Direktoren.426

Im Gegensatz dazu waren die leitenden Positionen in Übersee in der Regel mit Ausländern besetzt. Die Liste der Kommandanten von Groß-Friedrichsburg umfaßt insgesamt 18 Namen für einen Zeitraum von 34 Jahren.427 Einige dieser Männer können kaum als Generaldirektor eingestuft, sondern nur als Übergangslösungen bis zu Ankunft eines neuen Verantwortlichen gesehen werden. Bis zur Übernahme des Kommandos durch den Admiralitätsrat Johan Brouw waren im kurzen Wechsel nacheinander der Kapitän Philip Pietersen Blonck, der als Kom-

424 Ebd., Nr. 160a, S. 491-497. 425 Ebd., Nr. 171, S. 519-523. 426 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 22, Bl. 309; und Nr. 25, Bl. 187. 427 JONES, Brandenburg Sources, S. 311.

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mandant der „Morian“ mit der Expedition des Freiherrn von der Gröben eingetroffen war, der Major Nathanael Dillinger, Jan van Colster, der unter Dillinger als Oberkaufmann gedient hat-te, und Major Karl Konstantin von Schnitter, der unter Dillinger Hauptmann war und seinem Vorgesetzten nach dessen Tod im Rang nachfolgte, verantwortlich.428 Gegen Blonck und von Schnitter sowie zwei ihrer kaufmännischen Untegebenen erhob das Bewinthaberkollegium Anklage wegen Untreue;429 Johan Brouw wurde mit der Aufgabe in Groß-Friedrichsburg be-traut, um dort wieder für Ordnung zu sorgen.

Als erster Generaldirektor übernahm im März 1686 der Emdener Johan Nieman die Ver-antwortung auf Groß-Friedrichsburg. Hier blieb er bis 1691, obwohl er seit 1688 um seine Ablösung nachsuchte. Aus der Heimat wurde er immer wieder gebeten, so lange sein Amt zu bekleiden, bis Ablösung an die Goldküste geschickt würde. Nach seiner Rückkehr wurde ein Verfahren gegen Nieman eingeleitet, in dem ihm ein besonders grausames Regime, insbeson-dere den Akan und den Sklaven gegenüber, zur Last gelegt wurde.430 Das Verfahren, über das nur wenige bruchstückhafte Informationen überliefert sind, verlief im Sande; Nieman wurde ein einflußreicher Ratsherr in seiner Heimatstadt Emden.

Ebenso mit einem Prozeß endete die Amtszeit des Nieman-Nachfolgers Jan ten Hoof aus Seeland, der schon unter Niemann auf dem Fort Dienst tat.Ten Hoof trug, unterstützt von sei-nem Sohn Jakob, von 1691 bis 1696 die Verantwortung. Nach seiner Amtsenthebung reiste er – so der Vorwurf der Bewinthaber – mit 60 Mark Gold, also rund 7.700 Rthlr., und sämtlichen Büchern gen Heimat, wo sich die Erben des unterwegs Verstorbenen dieses Gepäck aneigne-ten. Der langjährige Prozeß um die Ansprüche der BAC endete erst 1713 in einem Vergleich, in dem die Compagnie 5.200 Gulden, was nur wenig über 2.000 Rthlr. entsprach, erhielt.431

Der niederländische Nachfolger ten Hoofs, Gijsbert van Hoogvelt, stammte aus dem Perso-nal der WIC, die ihn jedoch wegen Mißmanagments entlassen hatte.432 Sein Einsatz durch die BAC endete in einem Disaster. Als der Kapitän Wouter Watson mit seinem Schiff „Fliegender Drache“ im April 1697 Groß-Friedrichsburg anlief, fand er das Fort im Belagerungszustand. Die Akan hatten zu den Waffen gegriffen, da sie Hoogvelt unablässigen Vertragsbruch und willkürliches Vorgehen gegen die Anwohner rings um die brandenburgischen Niederlassungen vorwarfen.433 Wouter Watson konnte den Frieden erst wieder herstellen, nachdem er den Gene-raldirektor zur Aufgabe überredet hatte. Der Kapitän setzte den Kaufmann Jan van Laer, der bisher unter Hoogvelt gedient hatte, als neuen Direktor ein und stellte ihm ein gutes Zeugnis aus. Die unter Hoogvelt eingerissene schlechte Verwaltung der Handelsaktivitäten, die nach Watsons Bericht zum Erliegen gekommen waren, konnte van Laer allerdings auch nicht wie-derbeleben; er starb schon ein Jahr später.

428 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1; S. 335. 429 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2; Nr. 112, S. 285/286. 430 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1; S. 337/338. 431 ebd., S. 251/252. 432 BOSMAN, A New and Accurate Description of the Coast of Guinea, London 1967, S. 9. 433 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 84, S. 204-206.

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Über die Generaldirektoren Otto Swalwe (1698), Jan de Visser (1699-1701), Adriaen Grobbe (1701-1703) und Johann Muntz (1703-1706) ist wenig mehr als die Namen überlie-fert.434 Offenbar waren sie kaum in der Lage, aus dem Fort wieder einen erfolgreichen Han-delsplatz zu machen. Wie weit dies tatsächlich auf persönliches Unvermögen zurückzuführen war, ist nur schwer zu sagen, da in dieser Zeit der Versorgungsverkehr aus Emden drastisch nachließ. Auch war anscheinend die Küste um das Cap Tres Puntas in diesen Jahren auf Grund von Kriegen unter den Akan eine unruhige Gegend.

Johann Muntz hatte bei seiner Abreise 1706 den Hauptmann Hendrik Lamij zu seinem Nachfolger gemacht, was sicherlich auch keine glückliche Besetzung war. Zum einen war La-mij Offizier und nicht Kaufmann, zum anderen war er schwer krank und bat bald um seine Ablösung, die jedoch erst 1709 folgte, als er schon an Händen und Füßen gelähmt war.435 Auch mit dem nächsten Generaldirektor, dem Niederländer Frans de Lange, der zuvor in Em-den Equipagemeister war,436 hatte die BAC kein Glück. Dieser handelte sich sehr schnell Vorwürfe ein, sowohl seine eigenen Untergebenen als auch die Akan der Umgebung willkür-lich zu behandeln.437 Er wurde, nachdem er das Vertrauen beider Gruppen vollständig verloren hatte, anderthalb Jahre nach seinem Amtseintritt von Groß-Friedrichsburg vertrieben, wahr-scheinlich auf Veranlassung des inzwischen mächtigsten Mann in Prince’s Town, Jan Konny.

Der letzte Generaldirektor auf Groß-Friedrichsburg, Nicolas Dubois, traf im Dezember 1711 an der Goldküste ein. Er hatte zuvor zwölf Jahre im Dienst der WIC gestanden.438 Ihm gelang es, wieder Handel in Groß-Friedrichsburg heimisch werden zu lassen, wobei er aller-dings weitgehend auf die zahlreichen Interlooper angewiesen war,439 und auch wieder eine seriöse Buchführung in den afrikanischen BAC-Niederlassungen einzurichten.440 Ansonsten war er kaum noch Herr der Lage. Militärisch war er von Jan Konny abhängig, und Unterstüt-zung aus Emden hatte er zu diesem späten Zeitpunkt in der Geschichte der BAC nicht mehr zu erwarten.

Fest in der Hand niederländischer Kommandanten war die Festung Arguin. Cornelis Reers hatte mit seiner Schiffsbesatzung das Fort 1686 in Besitz genommen, er blieb auch als Kom-mandant bis 1691.441 Bevor sein eigener Sohn Johan 1696 das Werk des Vaters fortsetzte, zeichnete der Niederländer Lambert de Hond, der bis dahin für die WIC segelte, für Arguin verantwortlich. Johan Reers verbrachte die Zeit bis 1712 auf der Festung vor der mauretani-schen Küste, die er, obwohl die meiste Zeit auf sich allein gestellt, erfolgreich leitete.442 Auch 434 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 339/340. 435 Ebd., S. 340. 436 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 22, Bl. 309; und Nr. 25, Bl. 187. 437 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 342. 438 Ebd. 439 Ebd., S. 343/344. 440 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 56. 441 Schücks Aussage, Cornelis Reers sei nach seinem Tod 1695 unmittelbar von seinem Sohn abglöst worden

(SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 350) beruht wohl auf einem Irrtum, da 1693 eben dieser Cornelis Reers als Kapitän der Fregatte „Friedrich III.“ im Sklavenhandel der Compagnie auftaucht (JONES, Brandenburg Sources, Nr. 80, S. 199) und Lambert de Hond im März 1696 noch Kommandant ist (ebd., Nr. 81, S. 201).

442 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 170, S. 512-519, und Nr. 179, S. 553-555.

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seine Nachfolger Jan de Booth Nicolaes (1712-1716) und Jan Wijnen Bastiaens (1717-1721) waren niederländische Kapitäne. Letzterer hielt die Festung sogar noch zu einer Zeit, als die BAC längst nicht mehr existierte, und übergab sie erst nach bewaffneten Auseinandersetzun-gen an die Franzosen.443

Die Niederlassung auf St. Thomas erlebte drei Direktoren. Der erste von ihnen war der Franzose de Laporte, der im November 1686 mit der „Marschall Derfflinger“ die Karibik-Insel erreichte.444 In den überlieferten Teilen des Waagebuches für den Zeitraum zwischen 1692 und 1694 trat de Laporte nach wie vor als Direktor der brandenburgischen Niederlassung auf. In einer Gehaltsliste aus dem Jahr 1696 wurde als Direktor schon Pedro van Belle, der Stellvertre-ter de Laportes, geführt.445 In dieser Liste war der Franzose Bourdeaux noch Assistent. In den letzten Jahren wurde dieser Direktor der Faktorei auf St. Thomas, bis sich seine Spur lange nach dem Ende der BAC, wahrscheinlich durch seinen Tod, verliert.

Während die Leitung der Compagnie in Emden von Brandenburgern dominiert wurde, die allerdings keine Kaufleute waren, führten in Übersee meist ausländische Bedienstete das Kommando. In Groß-Friedrichsburg waren dies in der Regel Kaufleute, seltener Offiziere. Hier, in der wichtigsten brandenburgischen Niederlassung, hatte die BAC häufig mit Mißwirt-schaft, Inkompetenz und den Gegebenheiten nicht angepaßtem Verhalten zu tun. Die Festung Arguin wurde in erster Linie von Seeleuten geführt, und dies ohne die großen Schwierigkeiten, die an der Goldküste vorzufinden waren. In Westindien bediente sich die BAC französischer Kaufleute mit Erfahrung im karibischen Handel.

c) Soldaten, Seeleute, Handwerker Neben den Bewinthabern und leitenden Beamten verfügte die BAC in Emden über einen Stab von kaufmännischen Bediensteten, Seeleuten und Handwerkern. Zwei Listen, in denen auch das Emdener Personal aufgeführt wurde, sind überliefert. In der ersten vom 21. Juli 1698 ver-fügte die Gesellschaft neben einem Pastor, einem Advokaten und einem Arzt über 17 kauf-männische Angestellte, von denen ein Equipagemeister in Hamburg und ein Schreiber in Rot-terdam stationiert waren, und über zehn Handwerker.446 Hinzu kamen fünf Kapitäne. Die zweite Liste vom 10. Juni 1700 weist bei den Handwerkern keine Veränderung auf.447 Drei Kapitäne waren noch verblieben, zu ihnen hatte sich noch ein Schipper, der Befehlshaber eines kleinen Schiffes, wohl eines Küstenseglers, gesellt. Die Zahl der kaufmännischen Bediensteten hatte sich kaum verringert; sie zählten noch 16 Personen. Auch der Arzt und der Advokat wa-ren geblieben, der Pastor offensichtlich nach Groß-Friedrichsburg versetzt worden.

443 Ebd., Nr. 192, S. 578-580. 444 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 198. 445 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 22, Bl. 313. 446 Ebd., Bl. 309/309v. 447 Ebd., Nr. 25, B. 187/187v.

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Im Vergleich zu ihrem Gründungsjahr hatte die Compagnie in Emden ihr kaufmännisches Personal deutlich aufgestockt. Im Jahr 1683 hatte die BAC je einen Protokollisten, Magazin-kommissar, Buchhalter und Equipagemeister eingestellt.448 Anderthalb Jahrzehnte später taten u.a. zwei Buchhalter und drei Equipagemeister in der Gesellschaft Dienst.

Die Besatzungen für die Schiffe, die zu den Niederlassungen in Übersee segelten, wurden je nach Bedarf angeheuert und gehörten nicht zum festen Personalbestand der Compagnie.

Ebenfalls überraschend große Personalbestände hatte die BAC an der Goldküste stationiert. Das erste überlieferte Personenverzeichnis, datiert vom 1. März 1686, enthält die Namen von 49 Männern, die sich in Groß-Friedrichsburg befanden, von sieben, welche die Niederlassung in Accada hielten, und von zwei, die den zu diesem Zeitpunkt noch brandenburgischen Stütz-punkt Taccarary besetzten.449 Hinzu kamen sieben Männer, die mit dem Schiff „Friede“ nach Emden zurückkehrten.

Neben dem neuen Generaldirektor Johan Nieman, der den zurückkehrenden Johan Brouw ablöste, und dem Kaufmann Jan ten Hoof waren als Besatzung für Groß-Friedrichsburg vier Assistenten, zwei Chirurgen, ein Konstabler, elf Handwerker – darunter vier Zimmerleute, zwei Schmiede und je ein Maurer, Böttcher, Koch, Ziegelbrenner und Metzger – sowie 29 Soldaten aufgeführt. Unter den Soldaten befanden sich ein Sergeant, ein Korporal, zwei Ge-freite und 25 Gemeine. Offiziere wurden keine aufgeführt. Die Liste bietet das Bild einer bunt zusammengewürfelten Besatzung. Schon die beiden Spitzenbeamten waren keine Brandenbur-ger. Johan Nieman stammte aus Emden, Jan ten Hoof war Niederländer aus Rotterdam. Nur 13 der 49 Männer stammten aus der eigentlichen Heimat der Compagnie, Brandenburg, Preu-ßen und Berlin. Insgesamt ergibt sich folgende Herkunftsverteilung:

Region Anzahl Region Anzahl

Brandenburg/Preußen 13 Personen Hamburg 1 Person

Friesland 7 Personen Lüneburg 1 Person

Niederlande 6 Personen Oldenburg 1 Person

Litauen 5 Personen Rheinland 1 Person

Sachsen 4 Personen Schlesien 1 Person

Westfalen 3 Personen Livland 1 Person

Böhmen 2 Personen Frankreich 1 Person

Bremen Polen 1 Person

Beinahe noch bunter gestaltete sich das Bild auf der Schanze in Accada. Der hier verantwortli-che Kommiss, Hermann Ruts, stammte aus Middelburg in den Niederlanden, der ihm zugeteil-te Chirurg war Ostfriese, der für die Verteidigung zuständige Gefreite Ungar. Von seinen vier 448 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 80a 80d, S. 187-191. 449 Ebd., Nr. 106, S. 273-275.

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Soldaten waren zwei aus Preußen und je einer aus Schottland und aus den Niederlanden. Für die winzige Besatzung der kleinen Schanze in Taccarary sind keine weiteren Angaben ge-macht, außer daß einer der beiden Männer aus Berlin, der andere aus Kurland stammte. Es ist anzunehmen, daß es sich bei den beiden Männern um Soldaten handelte. Ein ernstzunehmen-der Handelsverkehr war bei dem kleinen, gerade erst erworbenen und nicht befestigten Stütz-punkt kaum zu erwarten. Die beiden Männer hatten wohl lediglich die Funktion, den Besitzan-spruch Brandenburgs zu demonstrieren. Zu verteidigen war die Schanze mit zwei Männern nicht, was die Niederländer im folgenden Jahr unter Beweis stellten.

Das Personenverzeichnis zeigt für das Jahr 1686 eine sehr gut besetzte Festung Groß-Friedrichsburg. Hier kümmerten sich fünf Männer um den Handel, jedes notwendige Hand-werk war vertreten und eine medizinische Betreuung durch zwei Chirurgen garantiert. Ein Trupp von 29 Soldaten konnte für eine Festung dieser Größenordnung die Garantie für eine erfolgreiche Verteidigung im Angriffsfalle bieten. Nur das Fehlen eines oder mehrerer Offizie-re mag als Manko angesehen werden. Im Gegensatz dazu erscheint der Stützpunkt in Accada relativ schwach besetzt. Die anwesenden fünf Soldaten waren sicherlich kaum in der Lage, einen ernsthaften Angriff abzuwehren. So wurde im Oktober 1687 die Schanze auch nicht gegen die Truppen der WIC gehalten. Immerhin war durch einen Chirurgen für eine medizini-sche Betreuung gesorgt. Die Besetzung der Niederlassung in Taccarary kann endgültig nur noch als symbolisch angesehen werden.

Die ursprüngliche Besatzung des Forts Groß-Friedrichsburg war, wie eine weitere Lohnliste zeigt,450 noch weitaus größer; sie bestand aus 62 Personen. Neben dem Kommandanten und zwei Chirurgen waren acht Personen im kaufmännischen Bereich tätig und 34 im militäri-schen, angeführt von einem Leutnant. Auffällig in der Anfangsphase war die große Anzahl von Handwerkern, die zur Errichtung einer befestigten Anlage benötigt wurden. Auf der Bau-stelle, aus der die Festung Groß-Friedrichsburg entstand, arbeiteten unter der Leitung von drei Ingenieuren 14 Handwerker: je fünf Maurer und Zimmerleute und vier Schmiede.

Zumindest im 17. Jahrhundert blieb Groß-Friedrichsburg eine stark besetzte Festung. Die Musterrolle vom 31. März 1696 enthält immerhin noch die Namen von 42 Personen, wobei vier Kaufleute und fünf Handwerker 30 Soldaten gegenüberstanden.451 Ihren größten Personal-bestand erlebte die Festung in den Jahren darauf, als 1697 70 Personen in Groß-Friedrichsburg lebten und eine Liste vom 31. Mai 1699 sogar 80 Mann Besatzung verzeichnete.452 Sogar ei-nen Pastor leistete sich die BAC 1697 in ihrem afrikanischen Hauptquartier. Aber auch in die-sem Jahr waren die Kräfteverhältnisse eindeutig verteilt. Zwar waren inzwischen zwölf Perso- 450 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 9, Bl. 218. Die Lohnliste, datiert in den November 1693, führt den Major

Dillinger auf, der im Jahr 1684 vorübergehend Generaldirektor in Groß-Friedrichsburg war, und erwähnt das Schiff „Goldener Löwe“, das 1684 zusammen mit der „Wasserhund“ die Aufbaumaterialien und die erste Besatzung nach Prince’s Town brachte. Dies legt die Vermutung nahe, daß es sich bei dieser Liste um eine wesentlich verspätet nachgereichte Lohnliste handelt und somit die ursprüngliche Besatzung wiedergibt, zu-mal die Anwesenheit dreier Ingenieure und die Zusammensetzung der Handwerker darauf schließen läßt, daß es sich um Personal zum Aufbau einer Festung handelt.

451 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 81, S. 201. 452 Ebd., Nr. 83, S. 203 (1697); GStA Merseburg, Rep. 65, Nr.11, Bl.189-190.

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nen im kaufmännischen Bereich beschäftigt und elf Handwerker vor Ort, doch mit 45 Soldaten machte das Militär den weitaus größten Teil der Besatzung aus. Auch zwei Jahre später blieb die Übermacht der Militärs bestehen.

Keine spezifischen Musterrollen finden sich für die Dorotheenschanze in Accada, ge-schweige denn für die dritte, kleine Niederlassung an der Goldküste. Aus der immensen Zahl der Besatzungsmitglieder von Groß-Friedrichburg läßt sich wohl schließen, daß dieses Fort die beiden anderen Stützpunkte mit bediente. Beide waren bequem im Kanu zu erreichen, ein häu-figer Austausch der Männer auf den kleinen Außenposten verursachte keine Probleme. Da in Accada nur ein einziges Haus innerhalb des Palisadenzauns entstanden war, dürfte sich dort kaum mehr als ein Dutzend Männer aufgehalten haben. In Taccrama waren es wahrscheinlich noch wesentlich weniger. Es ist sehr gut vorstellbar, daß eine zeitweilige Versetzung auf einen der Außenposten unter den Besatzungsmitgliedern nicht unbeliebt war. Ruft man sich die Ausmaße der Festung Groß-Friedrichburg ins Gedächtnis zurück, so entsteht bei einer Besat-zung von 70 bis 80 Mann das Bild einer bedrückenden Enge. In dem Fort lebten schließlich nicht nur Menschen, es diente gleichzeitig als Warenlager.

Die Besatzung der Festung Arguin war deutlich geringer. Am 31. März 1696 waren unter dem Kommando von Lambert de Hond weitere 25 Personen versammelt.453 Sieben davon wa-ren Zivilisten. Ein Assistent leitete die Geschäfte und wurde dabei von zwei Dolmetschern und einem „Jungen“ unterstützt. Hinzu kamen ein Chirurg und zwei Handwerker. Den Rest der Besatzung machten 18 Soldaten aus, die unter dem Kommando eines Sergeant standen. In Gestalt der beiden Dolmetscher standen auch zwei Araber im Sold der Compagnie.

Zwei Jahre später, als Johan Reers schon das Kommando auf Arguin übernommen hatte, war die Besatzung auf 35 Personen aufgestockt worden.454 Erstaunlich ist, daß sich kein Kaufmann mehr unter den Aufgeführten befand. Johan Reers erledigte die Geschäfte demnach selber. Ihm unterstanden inzwischen 25 Soldaten, bei zwei Handwerkern und einem Chirurgen war es geblieben. Außerdem wohnten inzwischen sechs Araber in dem Fort und wurden auch von der Compagnie bezahlt.

In der Zeit nach 1700, in der Arguin kaum noch Unterstützung aus der Heimat erhielt, nahm die Stärke der Besatzung drastisch ab, sei es durch Tod oder durch Abreise auf den Schiffen von Interloopern. 1704 befanden sich nach den Angaben des arguinschen Prinzen Ibrahim noch zwölf, 1709 nach dem Bericht des Unterkaufmann Düring noch 16 Mann Besat-zung auf dem Fort.

Für die westindische Niederlassung der BAC ist lediglich eine Gehaltsliste vom 16. Oktober 1696überliefert, die 13 Namen enthält:455

453 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 81, S. 201. 454 Ebd., Nr. 88, S. 210. 455 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 22, Bl. 313.

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Funktion Name

Generaldirektor Pedro van Belle

stellv. Generaldir. Pierre Cabebel

Assistent Bourdeaux

Kaufmann Daniel Gombald

Chirurg Coenraad Hend. Reeneer

Hausmeister Jan Hendrik Liebolz

Maurer Hans Wegmaar

Schmied Claas Rosenberg

Assistent Sivert Hoest

Sklavenaufseher Samson Beaurin

Sekretär Antonie Seetzima

Pastor Melni

Zimmermann Joost Langman

Die Liste gibt nicht die Herkunft der einzelnen Männer an. Aus den Namen läßt sich jedoch schließen, daß neben Deutschen und Niederländern hier Spanier und Franzosen in branden-burgischen Diensten standen. Offensichtlich machten sie rund die Hälfte der kleinen Besat-zung aus, die über keinerlei militärischen Schutz verfügte und somit ganz und gar auf den Schutz durch den Grundherrn Dänemark angewiesen war.

Die Festungen Groß-Friedrichsburg und Arguin in Afrika hatten einen eindeutigen militäri-schen Charakter. Sie waren gut genug mit Soldaten besetzt, um feindlichen Angriffen trotzen zu können. Zwar war zumindest auf Groß-Friedrichsburg ausreichend kaufmännisches Perso-nal anwesend, doch blieben diese immer die Minderheit unter einer Mehrheit von Soldaten. Ganz anders dagegen die Niederlassung auf St. Thomas. Diese war eine reine Handelsstation, auf der kein einziger Soldat Dienst tat.

Die Herkunft der Männer, die für die BAC in die Fremde gingen, unterlag keiner festen Regel. Die Verantwortlichen hatten keine Bedenken, Männer aus ganz Europa einzustellen und vor Ort auch einheimische Dolmetscher zu beschäftigen. Wie alle anderen Handelsgesellschaf-ten ihrer Zeit war die BAC im Bereich ihrer Bediensteten eine multinationale Gesellschaft. Bei den Besatzungen in Afrika dominierte dabei das deutsche und das niederländische Element, auf St. Thomas, bedingt durch die Vormacht der Umgebung, das französische.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

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6. Die Exporte Brandenburgs Nur für die Anfangsphase der brandenburgischen Präsenz an der Goldküste und für deren En-de sind die Verkäufe der BAC an die Akan gut dokumentiert. Neben den üblichen Verlusten an Akten im Verlaufe der Jahrhunderte waren in diesem Zusammenhang sicherlich die Prob-leme, welche die BAC mit ihren Kommandanten auf Groß-Friedrichsburg hatte, ausschlagge-bend für diese Lage. Nach Johan Nieman und vor Nicolas Dubois wurde nur selten in der von der Compagnie gewünschten Form in Westafrika gewirtschaftet. Es ist zu befürchten, daß da-her auch kaum Verkaufsjournale angelegt wurden. Erst aus der Feder Dubois sind wieder ent-sprechende Akten vorhanden.

Die vorliegenden Quellen vermitteln das Bild eines bunten, weit gestreuten Warenangebo-tes, das die Brandenburger in Afrika anboten. Eine undatierte Liste des Warenverkauf in Groß-Friedrichsburg, die wahrscheinlich für das Jahr 1683 angefertigt wurde, verzeichnet insgesamt 27 verschiedene Waren.456 Die größte Vielfalt boten dabei Textilien mit zwölf verschiedenen Produkten. Zehn verschiedene Produkte stammten aus dem Bereich der Metall- und Gebrauchswaren. Die größten Einnahmen brachten jedoch die verkauften Waffen, die sich aus 703 Musketen, 346 Karabinern und einem „Langen Rohr“ zusammensetzten. Die Ware hatte einen Einkaufwert von rund 8.970 Gulden, was ungefähr 3.600 Rthlr. entsprach, und brachte einen Erlös von rund 22.649 Gulden oder ca. 9.060 Rthlr. Insgesamt wurde ein Gewinn von 152,5% erzielt. Im einzelnen verteilte sich auf die verschiedenen Warengruppen wie folgt:

M O E457 Anteil Gewinn

Waffen 20 2 6 1/4 30,1% 139,8%

Textilwaren 19 6 12 1/2 29,4% 117,4%

Metall- und Gebrauchswaren 13 4 5 20,1% 196,1%458

Schmuck- und Wertgegenstände459 7 2 8 1/2 10,8% 162,0%

Nahrungs- und Genußmittel460 6 3 4 9,5% 191,0%

Neben den Waffen, zu denen in der Regel auch noch die Munition verkauft wurde, wurden vor allem die Textilien Hauptverkaufgüter der BAC. Um die Vielfalt des Angebotes zu verdeutli-chen, soll hier der Warenverkauf in Groß-Friedrichsburg vom Mai 1685 bis zum Februar 1686 ausführlich widergegeben werden:461 456 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 11, S. 78. 457 Die Goldwährung Mark (M) wurde mit 320 Gulden gleichgesetzt; sie bestand aus 8 Unzen (O) oder 128

Engel (E). Ein Rthlr. entsprach ungefähr einem Engel. 458 Darin enthalten sind 920 Dutzend Spiegel, die einen Gewinn von 550% erzielten; ohne diese Spiegel ergibt

sich eine Durchschnittsgewinnspanne von 151,9%. 459 Es handelt sich hierbei ausschließlich um Glasperlen. 460 Es handelt sich hierbei ausschließlich um Branntwein. 461 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 28, S.101; Nr.29, S. 103, Nr. 30, S. 105/105; Nr. 33, S. 109; Nr. 38, S.

116-118; Nr. 41, S. 124/125; Nr. 44, 129-131; Nr. 47, S. 133/134; Nr. 50, S. 136/137; Nr. 55, S 142-144.

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M O E

Perpetuanen462 4 5 10 Annabassen463 - 2 2 Schlaflaken 4 - 11 Leinen 1 1 10 Tapsindos464 - 1 4 Tapseils465 5 6 - Pintados466 - 1 12 Marotas Fotas467 - 3 3 Türkischer Stoff468 - 2 12 andere Laken - 6 1 Kleider - 1 10 Hüte - 2 13 Perlen 2 5 5 Kauri-Schnecken - - 1 Spanische Neptunen469 1 6 14 Kupferstäbe - 3 13 Eisenstäbe - 9 - Kessel - - 1 1/2 Zinnäpfe - - 5 Steingutkannen - - 1 1/2 Schlösser - 1 5 Messer - - 5 Spiegel - - 9 Karabiner 8 7 4 1/2 Musketen - 3 - Schnaphahnbüchsen - 7 - Büchsenpulver 2 7 7 Branntwein 3 4 3 Tabak 1 2 14 1/2 destilliertes Wasser 1 5 1 Talg 1 3 13 Schinken und Butter - 1 5 ein Kanu - 1 12

462 Ein in Flandern und Südwest-England speziell für den Afrikahandel hergestelltes Tuch aus Mischgewebe. 463 Ein nach afrikanischen Vorbildern gefertigtes Tuch aus Wolle und Leinen, später aus Wolle und Baumwolle. 464 Bemalte Tücher aus Baumwolle, hergestellt in Nordwest-Indien. 465 Speziell für Westafrika in Gujarat und Bengalen hergestelltes gestreiftes Tuch. 466 Bedrucktes Kattun-Tuch aus Ostindien. 467 Kleidungsstücke aus Bengalen oder Kormandel. 468 Ein Angorastoff. 469 Kupferpfannen.

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Insgesamt hatten die Textilwaren, die sich aus zwölf verschiedenen Produkten zusammensetz-ten, in diesem Zeitraum ein Übergewicht den Waffen gegenüber:

M O E Anteil

Textilwaren 18 3 8 39,6%

Waffen und Pulver 13 - 11 1/2 28,1%

Nahrungs- und Genußmittel 8 1 4 1/2 17,5%

Metall- und Gebrauchswaren 4 1 11 1/2 9,0%

Schmuck- und Wertgegenstände 2 5 6 5,7%

Absolut dominierender Bereich waren die Textilien im Warenverkauf in Accada vom Juli 1685 bis zum Februar 1686:470

M O E

Serge - 6 2 1/2

Leinen - 2 11 1/4

Bettlaken - 3 2

Platillas471 - - 10

Kattun - - 9

Blauer Baft472 - - 7 1/2

Marotes fortes - - 3

Pintados - - 1

Perlen - 1 15 1/2

Spiegel - - 2

Kupferbecken - 5 -

Karabiner - - 12

Schnaphahnbüchsen - - 8

Brandwein - 3 1 1/2

Speck - - 8

470 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 31, S. 107; Nr. 34, S. 111; Nr. 39, S. 118/119; Nr. 42, S. 126; Nr. 45, S.

131; Nr. 48, S. 134; Nr. 56, S. 144. 471 Ein in Schlesien, Hamburg und Frankreich gefertigtes feines Leinentuch. 472 Ein grobes Baumwolltuch minderer Qualität aus dem westlichen Indien.

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Insgesamt ergab sich für Accada damit folgende Aufteilung:

M O E Anteil

Textilwaren 8 5 14 1/4 85,4%

Metall- und Gebrauchswaren - 5 2 6,3%

Nahrungs- und Genußmittel - 3 9 1/2 4,4%

Schmuck- und Wertgegenstände - 1 15 1/2 2,4%

Waffen und Pulver - 1 4 1,5%

In der Zusammenfassung wurden in Groß-Friedrichsburg und Accada von Juli 1685 bis Febru-ar 1686 verkauft:

M O E Anteil

Textilwaren 25 5 12 3/4 48,3%

Waffen und Pulver 12 7 5 1/2 24,5%

Nahrungs- und Genußmittel 7 3 13 14,0%

Metall- und Gebrauchswaren 4 1 11 1/2 7,9%

Schmuck- und Wertgegenstände 2 7 3 1/2 5,4%

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum Waren für 53 Mark, 1 Unze und 14 1/4 Engel in Gold verkauft, was ungefähr 6.800 Rthlr. entsprach. Im August 1686 kostete die Entsendung der Schiffe „Marschall Derfflinger“ und „Falke“ mit Ausrüstung, Besatzung und Handelsgüter 19.963 Rthlr.473 Die Einnahmen an der Goldküste über diese acht Monate hinweg konnten also nicht einmal die Kosten eines durchschnittlichen Schiffes decken. Sicherlich ergaben sich aus dem atlantischen Dreieckshandel für die Brandenburger noch weitere Einnahmen, jedoch ver-anschaulichen diese Zahlen, daß der neu installierte Handel in Afrika kaum die Erwartungen seiner Organisatoren erfüllt haben dürfte.

Gehandelt wurde dabei nur in sehr geringem Maße mit dem immer wieder kolportierten bil-ligen Tand wie Glasperlen oder Spiegel, mit dem sich die Afrikaner angeblich so leicht einfin-gen ließen. Von zentraler Bedeutung waren Textilwaren, entweder Tuche verschiedener Art und Qualität oder schon fertige Kleidungsstücke, dies jedoch im weitaus geringerem Maß und dann als Luxusgüter wie z.B. Königsgewänder für hochstehende Kunden, die in großer Zahl in Groß-Friedrichsburg gelagert wurden.474

Tuche wurden schon vor den Europäern in Afrika gehandelt, die BAC und ihre Konkurren-ten brachten nichts grundlegend Neues, sondern eröffenten nur neue Handelswege und boten

473 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2; Nr. 113, S. 286-291. 474 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 36, S. 114/115.

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eine Ausweitung der Produktpalette. Nach den Textilien erlebte mit den Waffen eine technisch hochwertige Produktgruppe die größte Nachfrage, die aus handfesten machtpolitischen Inte-ressen gespeist wurde. Andere Fertigwaren, vor allem metallene und irdene Gebrauchsgegen-stände des alltäglichen Lebens, erfuhren eine weitaus geringere Nachfrage. Die Brandenburger mußten hier in Konkurrenz zu den einheimischen Handwerkern treten. Ein Teil der Metallwa-ren, so die in verschiedenen Varianten angebotenen Eisenstäbe, hatten Geldfunktion. Aller-dings waren es Währungen, die in dieser vom Gold dominierten Region keine besonders große Rolle spielten, so daß sie auch nur in geringeren Mengen verkauft wurden. Die im Vergleich dazu relativ hohe Bedeutung der Nahrungs- und Genußmittel wurde vor allem durch den Ver-kauf von Branntwein verursacht. Andere Nahrungsmittel wurden nur sporadisch, wenn sich zufällig eine Gelegenheit bot, verkauft.

Auffällig ist, daß bei den Textilien als wichtigster Gruppe von Handelsgütern so gut wie keine brandenburgischen Produkte verkauft wurden. Die wichtigste Herkunftsregion war viel-mehr Indien, wo Tapsindos, Tapseils, Pintados, Marotas Fotas, Kattun und Baft hergestellt wurden. Aus den europäischen Nachbarländern Brandenburgs stammten Platillas, Perpetuanen und Annabassen. Nur bei den nicht näher bezeichneten Textilprodukten, zumeist Leinengewe-be, besteht die Möglichkeit, daß es sich um brandenburgische Produkte handelte. Jedoch ist bei der geographischen Lage der Ausgangshäfen brandenburgischer Lieferungen nicht auszu-schließen, daß diese Tuche und Kleidungsstücke aus Norddeutschland oder den Niederlanden und Flandern stammten. Von Produktionsstätten in Brandenburg, die sich auf speziell für den Afrikahandel hergestellte Tuche umgestellt hätten, ist nichts überliefert. Solche konnten nur entstehen, wenn ein langfristiger Export entsprechender Produkte stattgefunden hätte.

Es wurde auch nicht der Versuch unternommen, eigene Produkte in diesem Bereich in Af-rika einzuführen. In den Lagerbeständen zu dieser Zeitfanden sich keine zusätzlichen Produk-te, die ihren Weg zu den Abnehmern nicht gefunden hätten und als „Ladenhüter“ ihre Zeit in Afrika fristeten.475 Die Lieferungen aus der Heimat boten von der Zusammensetzung der Pro-duktpalette ein ähnliches Bild wie das dargelegte, lediglich mit einigen kleineren Schwankun-gen bei der größe der einzelnen Posten.476

Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit stammte die Waffen aus brandenburgischer Produkti-on. Zu den Metall- und Gebrauchsgütern kann ebenso wenig gesagt werden wie zu den Texti-lien ohne Herkunftsbezeichnung.

Handel wurde im kleinen Maßstab getrieben; Großabnehmer fanden sich so gut wie keine. Es wurde in der Regel an einzelne Personen verkauft, die den Brandenburgern kleine Güter-mengen abnahmen. Für den Zeitraum vom 13. Januar 1683 bis zum 29. November 1683 zählte eine Verkaufsaufstellunginsgesamt 51 akanischen Kunden.477 Teilweise handelte es sich um Caboceers, teilweise wurden die Kunden einfach als „Neger“ bezeichnet. In einem Fall trat eine Witwe als Kundin auf, in einem anderen ein als Prinz bezeichneter Mann. Unter den Ca- 475 Ebd. 476 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 11, Bl. 56v-57v und Bl. 59. 477 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 9, S. 60-74.

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boceers befanden sich einige, die den brandenburgern größere Mengen abnahmen, doch taten sie dies über mehrere Termine verteilt. Der wichtigste BAC-Kunde in dieser Aufstellung war ein Caboceer mit dem Namen Jantje, der zwischen dem 29. Juli und dem 5. Oktober an zehn Terminen für 277 3/4 Engel Gold Waren einkaufte. Nur an dem letzten Termin ließ er eine größere Menge Güter abtransportieren, darunter allein 56 Musketen. Bei allen anderen Termi-nen brauchte er keine Hilfe für den Transport der Waren. Dies war für die meisten Einkäufe der Akan in Groß-Friedrichsburg üblich. Es wurden meist nur Mengen eingekauft, die der Kunde selbst oder dessen Diener abtransportieren konnte.

Im übrigen bietet diese Aufstellung aus dem Gründungsjahr von Groß-Friedrichsburg das schon beschriebene Bild der Warenvielfalt mit einem Schwerpunkt auf Textilien und Schuß-waffen. Unter den Textilien befand sich eine große Anzahl Kleider aus Benin, was belegt, daß die BAC von Anfang an in den innerafrikanischen Handel involviert war.

Wesentlich später, im Jahr 1712, als Nicolas Dubois wieder eine ordentliche Buchführung im Verkaufsbereich eingeführt hatte, hatte sich das Bild, das aus der Anfangsphase der Gesell-schaft stammte, nur unwesentlich verändert. Der Warenverkauf in Groß-Friedrichsburg, Acca-da und Taccarama nach der Jahresabrechnung 1712 von Generaldirektor Dubois umfaßte die folgenden Posten:478

M O E

Interlooper-Laken 21 - 5 1/4 Englische Laken 69 7 5 Prinzengewänder 6 6 12 Nikanesen479 - - 3 Kapverdische Baanties - 2 3 Kupferbecken 1 5 12 Kupferstäbe - 1 9 1/6 Zinngefäße - 3 10 1/4 Irdene Kannen - - 8 1/2 Englische Messer 1 - 15 1/3 Eiserne Stäbe 1 4 11 5/12 Baartjes Loot - 2 4 Büchsen und Karabiner 23 7 9 1/12 Büchsenpulver 39 7 8 Branntwein und Rum 2 5 12 Fleisch - 4 - Englische Fässer 4 - 11 Speck - 3 12 Portugiesischer Tabak 3 2 4

478 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 56, Bl. 82-84v. 479 Gestreifte Tuche aus Nordwest-Indien, die speziell für Westafrika hergestellt wurden.

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Die Gewichtung der unterschiedlichen Warengruppen war im wesentlichen gleich geblieben:

M O E Anteil

Textilwaren 98 - 12 1/4 54,1%

Waffen und Pulver 63 7 9 1/12 35,3%

Nahrungs- und Genußmittel 11 - 7 6,1%

Metall- und Gebrauchswaren 8 - 14 2/3 4,5%

Eine Neuerung zeigte diese Abrechnung allerdings im Vergleich zu den 1680er Jahren. Aus ihr geht deutlich hervor, daß unter Dubois der Handel ausschließlich mit Interloopern und fremden Handelsmächten geführt wurde oder werden mußte. Bei den Textilien hatten englische Tuche die dominierende Rolle der indischen Produkte übernommen, hinzu kamen größere Mengen Tuch, deren Herkunft nicht näher zu spezifizieren war und die der Einfachheit halber auf Grund ihrer Lieferanten den Titel „Interloper-Laken“ erhalten hatten. An der Gesamtstruktur des Warenangebotes, mit der Dubois seinen Stützpunkt über Wasser hielt, hatte sich im Ver-gleich zur Anfangsphase der BAC nichts geändert.

Auch nach St. Thomas wurden europäische Waren geliefert; Sklaven waren nicht das einzi-ge Verkaufsgut der Brandenburger in der Karibik. Am 21. Oktober 1692 liefen auf der däni-schen Insel die beiden brandenburgischen Schiffe „Afrikaner“ und „Churprinz“ ein, die eine breite Warenpalette mit sich führten.480 Darunter befanden sich Ausrüstungsgegenstände für Schiffe und Häuser, welche die Brandenburger als Eigenbedarf benötigten. Daneben waren Textilien vielerlei Art an Bord, vor allem Leinengewebe flämischer und holländischer Herkunft sowie Lütticher Sayen. Ergänzt wurde dieses Angebot durch Genußmittel, Spezereien, Kapern, Oliven, Öl, Käse und Weine vom Rhein und aus Frankreich. Waffen wurden nicht in die Kari-bik verschifft. Diese bezogen die Plantagenbesitzer jeweils aus ihrer eigenen Heimat. Auch in St. Thomas fällt auf, daß die BAC nur in sehr geringem Umfang Waren aus einheimischer Produktion exportierte.

7. Die Importe Brandenburgs Die Journale der brandenburgischen Niederlassungen in Afrika geben, so weit sie denn über-liefert sind, den Gegenwert der verkauften europäischen Waren nur in Gold wieder. Sicherlich wurden neben Gold auch afrikanische Waren direkt gegen europäische ausgetauscht. Die An-gaben in Gold in den Rechnungen sind teilweise als Verrechnungseinheiten zu verstehen, doch geben sie leider keinerlei Auskunft über die von der BAC eingekauften Waren des schwarzen Kontinents.

480 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 202/203.

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Einen wichtigen Anhaltspunkt bietet die Liste der zwischen 1693 und 1702 verlorengegan-genen Schiffe und ihrer Ladungen, an deren Ende der Gesamtverlust an Handelsgütern zu-sammengefaßt wurde:

„Lyste van alle de vooren staande goederen yder in syn foor te zaam en getrocken als volgt MK 673:-:7 3/4 stoff goud 26.204 Pf. elephant tanden 29.000 Pf. Greyn 107.572 Pf. Cattoen 8.349 Pf. Indigo 138.241 Pf. Cacao 2.225 stiuk 53.150 Pf. Huiden 20.448 Pf. Brasillet houd 197.364 Pf. Bruine Zuiker 262.816 Pf. Pokhout 6.194 Pf. Salpeter 768 Pf. Taback 503 Pf. Confiture 109 1/2 balen 20.455 Pf. stucken en oostindische Lywatten 100 Pf. Franegas Grenne oelajol 12.094 " 6 stucken van Agten 108.027 Pf. Campeche Hout 200 Pf. Chocolaat 1.839 Pf. Roucouw 19 3/4 Pf Carret 19.903 Pf. witte Zuiker 652.600 Pf. Gomme 20.752 Pf. stuks witte struisveeven (...)"481

Sieht man von exotischen Produkten, wie z.B. Schokolade oder Konfitüren, sowie nur in klei-nen Mengen aufgelistete Gütern – so dürfte der Verlust von nur 768 Pfund Tabak kaum reprä-sentativ sein – ab, verbleiben zehn Güter, von denen Mengen über 20.000 Pfund verloren ge-gangen sind:

481 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 40c, Bl. 19.

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Menge Ware

652.600 Pfund Gummi

391.816 Pfund Hölzer

217.267 Pfund Zucker

138.241 Pfund Kakao

107.572 Pfund Baumwolle

53.150 Pfund Häute

29.000 Pfund Getreide

26.204 Pfund Elfenbein

20.752 Pfund Straußenfedern

20.455 Pfund indische Leinwand

Eindeutig aus Afrika stammten Gummi, Häute, Getreide, Elfenbein und Straußenfedern; ein-deutig aus Westindien Hölzer, Zucker, Kakao und Baumwolle. Die indischen Leinwand kann eigentlich nur in Afrika eingehandelt worden sein. Eigene Handelsverbindungen nach Indien unterhielt die BAC nicht, und auf den karibischen Märkten waren indische Waren kaum zu finden. Zucker, Kakao und Baumwolle waren die typischen Plantagen-Produkte Westindiens, und auch die Ausfuhr von Hölzern, insbesondere Edelhölzern, gehörte zu den normalen Ge-schäften in der Karibik. Die BAC unternahm offensichtlich den Versuch, im allgemeinen Westindienhandel Fuß zu fassen.

Auffallend sind die afrikanischen Produkte. Die größte Verlustmenge verzeichnete die BAC ausgerechnet für Gummi, bei dem es sich nur um Gummi arabicum handeln konnte. Den Brandenburgern war also die handelspolitische Bedeutung ihrer Niederlassung in Arguin durchaus bewußt und nutzten sie auch in den 1690er Jahren. Bei der großen Menge verloren-gegangenen Gummis ist es sogar möglich, daß die BAC noch an anderen Orten der Küste zwi-schen Mauretanien und Senegal die begehrte Ware einkaufte. Auch die immer noch recht gro-ßen Mengen an Häuten und Straußenfedern gehörten zu den aguinschen Handelsgütern. Trotz dieser Umstände und obwohl Arguin von allen brandenburgischen Niederlassungen geogra-phisch der Heimat am nächsten lag, war die Inselfestung der erste Stützpunkt, der in der Phase des Niedergangs die Unterstützung aus Emden verlor.

Erstaunlich sind die großen Mengen Getreide, die in diesem Zeitraum verloren gegangen waren. Getreide wurde an der gleichnamigen Küste westlich der Elfenbeinküste eingehandelt, gehörte jedoch nicht unbedingt zu den typischen afrikanischen Handelsgütern; im Gegensatz zum Elfenbein, mit dem die BAC offenbar einen schwunghaften Handel trieb. Diese beiden Güter befanden sich auch neben Gold an Bord des Schiffes „Stadt Emden“, das im November 1687 in seinen Heimathafen einlief und dessen Ladung dort mit Weisung vom 28. November

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1687 meistbietend verkauf werden sollte.482 Weder Getreide noch Elfenbein tauchte also zufäl-lig in der Verlustliste auf.

Ein weiteres wesentliches Handelsgut aus Westafrika – neben den noch zu behandelnden Sklaven – war das Gold, von dem rund 673 Mark im Wert von über 86.000 Rthlr. verloren gegangen war. Der WIC-Beamte Bosman, der einen zeitgenössischen Bericht über die Zustän-de an der Goldküste verfaßte, gestand in diesem den Brandenburgern im Verein mit den Dänen eine Goldausfuhr von 1.000 Mark im Jahr zu.483 Er schränkte seine Aussage zwar selbst auf die erfolgreichen Geschäftsjahre ein, doch erscheint sie dann noch immer allzu hoch gegriffen. Fundierte Aussagen über den brandenburgischen Goldexport aus der Goldküste lassen sich leider nicht machen. Im Zeitraum zwischen Juli 1685 und Februar 1686, also innerhalb von acht Monaten, verkaufte die BAC in Groß-Friedrichsburg und Accada Waren im Goldwert von 53 Mark, einer Unze und 14 1/4 Engel. Das Journal des Nicolas Dubois wies für das Jahr 1712 einen Verkauf im Goldwert von immerhin 181 Mark, einer Unze und elf Engel aus. In beiden Fällen muß jedoch berücksichtigt werden, daß ein Teil der Summe nur als Verrech-nungseinheit anzusehen ist. Doch auch ohne diese Einschränkung und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die erste Zahl aus der Aufbauphase stammt und in der besten Zeit der BAC die Goldeinkäufe deutlich über denen des auf Interlooper-Handel angewiesenen Dubois gele-gen haben müssen, konnte die von Bosman genannte Summe nicht erreicht werden.

Auch die sporadisch überlieferten Goldverkäufe fügen sich nur zu einem unvollkommenen Bild. Am 17. Juli 1688 wurde der Verkauf einer Goldladung in Emden durchgeführt.484 Zum Verkauf kamen insgesamt 90 Mark. Die Käufer waren Jonas Goldschmidt, der für 13.009:5:9 Gulden 38:1:2 Mark Gold erwarb, Leonard van Grinsveen, der für 94734:10 1/2 Gulden 27:6:14 Mark Gold einkaufte, Samuel Isaacs, dessen Erwerb von 16 Mark Gold ihn 5.429:8 Gulden kostete, sowie Lazarus Salomons, der für 2.716 Gulden 8 Mark Gold einkaufte. Der Gesamterlös der Veranstaltung betrug 30.627:16:7 1/2 Gulden, was in etwa 12.250 Reichstha-lern entsprach. Die Preise pro Unze schwankten zwischen 42:10 Gulden und 42:17 Gulden.

Die Namen Leonard van Grinsveen, Jonas Goldschmidt und Samuel Isaacs tauchten auch schon bei einer Verkaufsveranstaltung am 4. Mai 1686 auf, als das Gold, welches das Schiff „Goldener Löwe2 gebracht hatte, veräußert wurde.485 Dazu kamen zu diesem Termin die Käu-fer Levin Goldschmidt und Nicolas Lues. Die Unze Gold kostete dabei durchschnittlich 43:11 Gulden. Es wurden also bei beiden Terminen Erlöse erzielt, die über dem Verrechnungswert der Unze Gold, der 40 Gulden betrug, lagen.

Am 10. August 1687 wurde die Anweisung gegeben, das Gold, das kurz zuvor die Fregatte „Wasserhund“ gebracht hatte, meistbietend zu verkaufen.486 Insgesamt handelte es sich um sechs Säcke und ein Paket Gold. In fünf der Säcke befanden sich insgesamt 55:6:6 Mark Gold.

482 StA Emden, Protokoll XIV, Nr. 1, Bl. 73. 483 Bosman, Coast of Guinea, S. 371. 484 StA Emden: Protokoll XIV, Nr.1, Bl. 79. 485 Ebd., Bl. 56. 486 Ebd., Bl. 69.

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Zu dem sechsten Sack wurde bemerkt: „die Zahl wievil darin gewesen durch Zerbrechen des Sackes nicht zusehen“. Das Paket enthielt 2:1:10 Mark Gold. Drei Monate später erging die gleiche Anweisung für das Gold, das mit dem Schiff „Stadt Emden“ gekommen war.487 Es handelte sich um sechs Säcke mit insgesamt 48 Mark Gold Inhalt.

Im Jahr 1687 wurden demnach mindestens 106 Mark Gold nach Emden gebracht, was nach dem Verrechnungswert 33.920 Gulden oder 13.568 Reichsthalern entsprach. Da das Gold meistbietend verkauft wurde, lag der Erlös wahrscheinlich höher, nach den oben genannten Ergebnissen zu schließen zwischen 5% und 10% darüber.

Offenbar hatte die BAC in Emden einen festen Käuferstamm für ihre Goldeinfuhren, zu denen neben dem BAC-Teilhaber und Marinerat van Grinsveen vor allem in der Stadt ansässi-ge Juden gehörten. Bei der Betrachtung der hier zusammengetragenen Zahlen ist am ehesten die vorsichtige Vermutung erlaubt, daß in guten Geschäftsjahren Mengen zwischen 100 und 200 Mark Gold die Stadt Emden erreichten.

Offenbar handelte die BAC mit einer Reihe afrikanischer Waren und beschränkte sich nicht nur auf Gold, das einen nicht ganz so hohen Stellenwert hatte, wie manchmal angenommen, und Sklaven. Dabei entwickelten die Verantwortlichen in Emden ab und an einen großen Ideen-reichtum. Am 9. August 1699 beschloß das Bewinthaber-Kollegium, von Arguin aus Handel mit Fisch und Salz zu den Kanaren zu treiben und dafür ein Schiff anzuschaffen. Außerdem wies es den Kommandanten Johan Reers an, nur noch große weiße Straußenfedern zu schi-cken, da andere nicht verkäuflich wären. Zudem sollte er Kamelhaar schicken, um dessen Ver-kaufsmöglichkeiten zu prüfen.488 Davon, das solche Pläne in die Tat umgesetzt wurden, ist allerdings nichts bekannt.

Etwas mehr ist über den Handel der BAC in der Karibik überliefert. Das brandenburgische Schiff „Falke“ erreicht am 24. November 1686 die Insel St. Thomas, einen Tag nach Ankunft des ersten brandenburgischen Direktors de Laporte. Die Compagnie begann unverzüglich Handel zu treiben. Die Rückfracht der „Falke“ ist überliefert worden:489

Menge Ware 64.582 Pfund Zucker

7.250 Pfund Baumwolle 1.430 Pfund Kakao 1.024 Pfund Tabak

55 Pfund Konfitüren 21 Pfund Caret490 20 Pfund Zimt

566 Stück Franzosenholz 220 Tonnen anderes Holz

487 Ebd., Bl. 73. 488 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 91, S. 214/215. 489 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 198. 490 Caret war die Bezeichnung einer karibischen Seeschildkrötenart, deren Panzer exportiert wurde.

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Bis auf den Zimt waren alle diese Waren auch auf der erwähnten Verlustliste aufgeführt. Von Beginn ihrer Anwesenheit an waren die Brandenburger in den für Westindien typischen Han-del eingebunden. Die Verteilung der Warenmengen in diesem Fall entsprach der Bedeutung der einzelnen westindischen Handelsgüter zu dieser Zeit.

Nach dem dänischen Waagebuch wurden in dem Zeitraum zwischen Oktober 1692 und August 1693 an vier Terminen brandenburgische Schiffe mit westindischen Waren beladen und in Richtung Emden entsandt. Am 25. Oktober 1692 lud die „Marschall Derfflinger“ 203.829 Pfund Zucker und 6.247 Pfund Baumwolle.491 Am 8. Dezember 1692 wurde auf die drei Schiffe „Churprinz“, „Afrikaner“ und „Schnau“ verladen:492

Menge Ware

344.517 Pfund Zucker

25.478 Pfund Baumwolle

3.325 Pfund Kakao

1.175 Pfund Indigo

69 Pfund Caret

Am 14. Juli 1693 folgte „Die Sieben Provinzen“ mit einer Ladung aus:493

Menge Ware

306.283 Pfund Zucker

24.487 Pfund Baumwolle

1.020 Pfund Kakao

303 Pfund Indigo

78 Pfund Carret

Schließlich wurde am 29. August 1693 auf die „Prinz Wilhelm“ verladen:494

Menge Ware

126.137 Pfund Kakao

61.160 Pfund Zucker

4.000 Pfund Brasilholz

250 Pfund Indigo

100 Säcke Cayote

491 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 204. 492 Ebd., S. 205. 493 Ebd., S. 207. 494 Ebd.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

144

In einem Zeitraum von einem Jahr wurden demnach sechs brandenburgische Schiffe beladen. Die Gesamtladung, die in dieser Zeit nach Emden verschifft wurde, bestand aus folgenden Mengen:

Menge Ware

915.789 Pfund Zucker

130.482 Pfund Kakao

56.212 Pfund Baumwolle

4.000 Pfund Brasilholz

1.728 Pfund Indigo

147 Pfund Caret

100 Säcke Cayote

Mit knapp 83% des Ladegewichts war der Zucker das absolut wichtigste Gut, das nach Emden geliefert wurde. Dies entsprach der Tatsache, daß die karibischen Plantagen zu dieser Zeit vor-rangig Zuckerrohr anbauten.

Die brandenburgische Niederlassung auf der karibischen Insel verschiffte jedoch nicht nur Waren in die Heimat. Am 24. November 1692 wurde die Bark des Niederländers Jan Leduch, die sich auf den Weg nach Curaçao machte, mit 3.109 Pfund Baumwolle beladen.495 Den sel-ben Bestimmungsort hatte die Bark des Kapitäns Deridour, die am 2. März 1693 mit 419 Pfund Baumwolle bestückt wurde.496 Nach Europa schließlich segelte das seeländische Schiff „De Siottendal“ am 14. Juli 1693, nachdem ihr Kapitän 53.626 Pfund Zucker bei den Bran-denburgern eingekauft hatte.497

Es wurden insgesamt in diesem Zeitraum 969.415 Pfund Zucker verschifft, wovon 94,5% nach Emden gingen. An zweiter Stelle folgte mit 59.740 Pfund die Baumwolle. Von ihr wur-den 94,1% nach Emden versandt. Der Handel mit nicht-brandenburgischen Abnehmern war in diesem Falle eher gering. Bei längerer Abwesenheit brandenburgischer Schiffe konnte die Nie-derlassung in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, wenn der innerkaribische Handel immer solch geringes Ausmaß hatte. Schließlich ist es doch mehr als unwahrscheinlich, daß die plan-tagenbesitzenden Nationen ihren Zucker und ihre Baumwolle zuerst an die brandenburgische Niederlassung verkauften, um dort als Kunden für exakt die gleichen Waren aufzutreten.

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 21 Anlieferungen mit 402.765 Pfund Zucker ver-zeichnet.498 Davon stammten allein zehn Lieferungen aus St. Croix, die zusammen über 55% der Gesamtmenge, welche die BAC einkaufte, einbrachten. Von St. Thomas selbst kam ein gutes Viertel, darunter mehrere kleinere Verkäufe und ein großer durch den dänischen Gou- 495 Ebd., S. 204. 496 Ebd., S. 205. 497 Ebd., S. 207. 498 Ebd., S. 204-207.

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verneur persönlich, der an die Brandenburgern 75.918 Pfund Zucker veräußerte. Dabei handel-te es sich vielleicht Handelsgut der dänischen Westindien-Compagnie, welches diese selbst zu diesem Zeitpunkt nicht verschiffen konnte. Außerdem wurden noch ca. 17% der Zuckermenge aus Martinique und 1,5% von St. Christopher angeliefert.

Geliefert wurden auch 3.971 Pfund Kakao und 1.250 Pfund Baumwolle. Diese Zahlen las-sen auf große Lagerbestände schließen, da wesentlich größere Mengen in dem selben Zeitraum verschifft wurden.

Die BAC sammelte in ihrer karibischen Niederlassung die aus ihrer näheren Umgebung an-gelieferten Plantagenprodukte, um sie nach Möglichkeit in die Heimat zu verschiffen, bei feh-lender Möglichkeit jedoch auch an ausländische Händler zu verkaufen. Die im Gegenzug an-gebotene Ware bestand nur zu einem geringen Teil aus europäischen Produkten. Im wesentli-chen waren es Sklaven aus Afrika.

8. Der brandenburgische Sklavenhandel Eine zentrale Rolle für die Compagnie spielte der Sklavenhandel.499 Schwarze Afrikaner wur-den in Westafrika aufgekauft und in der Karibik weiter veräußert. Die Brandenburger nahmen mithin nur die Rolle des Zwischenhändlers ein. Die ursprüngliche Aquirierung von Sklaven lag in dieser Zeit fest in der Hand der Afrikaner – zumindest auf dem westafrikanischen Schauplatz, da sich die arabischen Händler auf die Handelsrouten durch die Sahara nach Nor-den konzentrierten. Als „Endverbraucher“ konnten die Brandenburger nicht auftreten, da ihnen jegliche Besitztümer, deren Bewirtschaftung eine größere Anzahl Sklaven erfordert hätte, in Amerika fehlten.

Die Autoren des 19. Jahrhunderts, sich zumeist den ruhmreichen Taten des Großen Kur-fürsten verpflichtet fühlend, ging es recht schwer an, daß die Compagnie einen wesentlichen Teil ihrer Chancen im Sklavenhandel sah. So schrieb Schück: „Wenn die Brandenburger hier-bei auch menschlicher verfahren sein mögen als andere Nationen – wir finden beispielsweise die Bestimmung, daß der Säugling nicht von seiner Mutter getrennt werden sollte – so war der Handel an sich schrecklich genug.“500 Die Versuche, dem in der Realität so gnadenlos unro-mantischen Geschäft des Menschenhandels – quasi posthum – ausgerechnet bei den Branden-burgern einen Schimmer von Menschlichkeit zu verleihen, wirkt eher rührend als überzeugend. Auch wenn er fortfährt: „Man kann das siebzehnte Jahrhundert gewiß nicht empfindlich nen-nen; aber von den Greueln des Sklavenhandels sprach man doch nur mit Entsetzen.“501 Zwar gab es tatsächlich die Anweisung, Mutter und Säugling nicht zu trennen,502 und beklagte der

499 Siehe zum brandenburgischen Sklavenhandel aus HEYDEN, Roter Adler an Afrikas Küste, S. 44-58. Leider

neigt der Autor gelegentlich zu einer moralisierenden Darstellung. 500 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 331. 501 Ebd. 502 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 64, S. 131.

Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie

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Arzt Johann Peter Oettinger tatsächlich das Unglück der von ihm zu untersuchenden Sklaven, wenn auch mit der ausdrücklichen Betonung seiner Machtlosigkeit,503 doch handelte es sich dabei um rare Einzelfälle. In der Regel gehen die überlieferten Quellen sehr geschäftsmäßig mit der „Ware Mensch“ um. Leider ist die Überlieferung für einen so wichtigen Bestandteil des Handels der Compagnie recht dürftig. Eine vollständige Statistik des brandenburgischen Sklavenhandels läßt sich nicht erstellen.

An- und Verkauf von Afrikanern gehörte von Anfang an zu den Zielen der Gesellschaft. Der Kapitän Mattheus de Voss, der die Fregatte „Churprinz“ während der Expedition des Frei-herrn von der Gröben kommandierte, erhielt in seinen ausführlichen Instruktionen für diese Reise auch die Anweisung:

„Der Commandeur Vos aber soll fünfhundert Sklaven einnehmen, damit nach Barbices laufen, daselbst dem Commandeur Bourses oder wer des Abraham von Pere Colonie commandiren wird, gegen eine bündige Quittung drei à vierhundert, zum wenigsten dreihundert gute, gesunde und (liefer) bare pesos d'Indias liefern, alt 15 bis 36 Jahr, nicht blind, lahm oder mit gestümmelten Gliedern, daß sie zur Arbeit untüchtig wären, man möchte dann 7 bis 14jährige par force handeln müssen, solcher soll er 3 vor 2 und deren, die von 7 Jahren und darunter sind, bis an den Säugling 2 vor einen geben, aber dem Säugling soll die Mutter folgen.“504

Es gab also schon bei der allerersten Reise unter dem Dach der Compagnie sehr differenzierte Vorstellungen über die Zusammensetzung eines Verkaufskontigentes Sklaven. Und schon auf dieser ersten Reise sollten Sklaven für einen Gewinn des Unternehmens sorgen, obwohl noch keine eigene Verkaufsmöglichkeit bestand und das Geschäft über die Handelsgesellschaft des Niederländers Abraham van Pere abgewickelt werden sollte. Der Leiter der Expedition, Frei-herr von der Gröben, erhielt keine detaillierten Anweisungen zur Durchführung von Sklaven-handel. Allerdings findet sich in seinen Instruktionen der Passus: Seine Churfürstliche Durch-laucht „bewilligen daneben gnädigst, daß er für 100 Dukaten Cargaison kaufen, einlegen und verhandel, jedoch nicht mehr als 5 à 6 junge Mohren von 8 bis 16 Jahren herausbringen mö-ge.“505 Diese Anweisung bezog sich wohl auf die Möglichkeit, einige junge „Eingeborene“ quasi als Souvenir mit nach Brandenburg zurückzubringen. Ein Schwarzer konnte durchaus eine gelungene Attraktion und Abwechslung im Leben an einem absolutistischen Hof darstel-len. In von der Gröbens Reisebericht findet sich keine Schilderung von Sklavenjagd oder Men-schenhandel. Nach gelungener Errichtung und Verteidigung des neuen Forts Groß-Friedrichsburg teilte sich die Expedition. Der Freiherr machte sich mit der „Morian“ auf den Heimweg, während die Fregatte „Churprinz“ zum Sklavenhandel aufbrach. Darauf bezog sich auch Raule, wenn er in einem nicht näher zu datierenden Brief aus dem Jahr 1683 dem Kur-fürsten berichtete, daß die „Churprinz“ Sklavenhandel betrieb, während sich Groß-

503 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 60, S. 196. 504 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 64, S. 131. 505 Ebd., Nr. 65, S. 135.

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Friedrichsburg im Aufbau befand.506 Mattheus de Vos hatte seinen Auftrag erfüllt, wenn auch nicht in der erhofften Größenordnung. Im Staat der Brandenburgisch-Afrikanischen Compag-nie vom 30. November 1683 befindet sich im Gesamtwert von 10.076 Reichsthalern eine „Ob-ligation von H. van Pere in Seeland wegen verkauften 152 2/3 Slaefen ad 60 Rthlr. Holländ. thut mit lagio ad 10 p. Cto.“507 Auch im zweiten Staat der Compagnie, datiert auf den 6. Ok-tober 1684, findet sich ein Hinweis auf Sklavenhandel. Dieses Mal ist der Einkauf von 100 Sklaven für 2.000 Reichsthaler verzeichnet.508

Am 25. Juli 1692 stach in Emden eine aus insgesamt fünf Schiffen bestehende Expedition unter der Führung der Fregatte „Friedrich Wilhelm“, auf der Kapitän Lassaie das Kommando führte, in See. An Bord des Flaggschiffes befand sich der Chirurg Johann Peter Oettinger, der für ein Monatsgehalt von 13 Thalern verpflichtet worden war, um für das Wohl der Besatzung und die Qualität der menschlichen Ware, die das Ziel der Expedition war, zu sorgen. Sein Rei-sebericht ist die einzige brandenburgische Quelle zum Ablauf des Sklavenhandels in Westafri-ka. Am 9. September 1692 erreichte die Flottille die erste brandenburgische Niederlassung, Arguin. Der auf St. Thomas stationierte Kaufmann van Belle, der sich gerade hier aufhielt, schiffte auf der „Churprinz“ ein, die sich am 18. September von der übrigen Expedition trenn-te, um in die Karibik zu segeln.509 Die verminderte Flottille erreichte schließlich am 19. De-zember 1692 Groß-Friedrichsburg.510 Hier verbrachte die Expedition den Jahreswechsel. Wäh-rend die mitgeführten Waren – teils Material für die eigene Niederlassung, teils Waren für den Tauschhandel – ihrer Bestimmung zugeführt wurden, wurden auf der „Friedrich Wilhelm“ Vorbereitungen für die Unterbringung der eigentlichen Fracht, der Sklaven, getroffen:

„Große Kessel wurden auf dem Oberdeck eingemauert, die zur Zubereitung von Speisen für 700 bis 800 Köpfe dienen sollten; Wasserfässer in bedeutender Zahl, Brennholz und Lebensmittel in großen Quantitäten an Bord geschafft, und über den Ballast noch eine Art Deck gelegt, um die schwarze Ladung in mehreren Etagen unterzubringen“511

Die Tätigkeiten im eigenen Stützpunkt beschränkten sich auf die Vorbereitung. Sklaven wur-den hier nicht eingekauft. Am 13. Februar 1693 stach die Fregatte „Friedrich Wilhelm“ mit dem Berichterstatter Oettinger an Bord wieder in See.512 Drei Tage später wurden in Fort Ana-maboe, einer englischen Besitzung, neun Sklavenhändler an Bord genommen.513 Ohne erfah-rene Spezialisten konnten die hier nur sporadisch in Erscheinung tretenden Brandenburger ganz offensichtlich beim Einhandeln von Sklaven nicht auskommen. Sonst wäre es eine unnö-tige Belastung gewesen, neun fremde Personen hinzuzuziehen, die an dem Unternehmen 506 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 9, Bl. 124v. 507 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 82, S. 194. 508 Ebd., Nr. 97, S. 250. 509 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 79, S. 182. 510 Ebd., S. 184. 511 Ebd., S: 178 bzw. S. 296/297. 512 Ebd., S. 188. 513 Ebd., S. 189.

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schließlich auch Geld verdienen wollten. In Accra, dem Handelszentrum der Goldküste, an dem sich die Konkurrenten aus England, den Niederlanden und Dänemark niedergelassen hat-ten, wurden erstmals Sklaven von den Brandenburgern eingehandelt.514 Dies wird jedoch von Oettinger nur beiläufig neben dem Ankauf von Gold und einem freundlichen Verkehr mit dem Kommandanten auf Accra erwähnt. Den eigentlichen Ort brandenburgischen Sklaveneinkaufs hatte die Fregatte noch nicht erreicht. Dieser wurde erst am 13. März 1693 angelaufen: Why-dah, das Handelszentrum des Königreiches, das von Europäern Klein-Popo genannt wurde.515

„It was the distinctive characteristic of the port of trade that trade was open to all comers from the European side. It was an alien enclave.“516 So charakterisiert Rosemary Arnold den Hafen von Whydah in der frühen Neuzeit. Der Hafen bot allen Sklavenhandel treibenden Eu-ropäern Zutritt. Privilegierte Kompanien und Interlooper genossen hier die gleiche Stellung.517 Permanente Niederlassungen in Whydah unterhielten die Niederländer, die Briten, die Franzo-sen und die Portugiesen.518 Diese Niederlassungen standen unter dem besonderen Schutz des Königs, zunächst des lokalen, später des Königs von Dahomé. In den zeitgenössischen Reise-beschreibungen des Niederländers Bosman und des Franzosen Barbot wurde beläufig eine brandenburgische Niederlassung erwähnt,519 die eventuell in den 1690er Jahren bestanden ha-ben könnte. Allerdings fehlt jede weitere Bestätigung hierfür. Der Bericht Oettingers, daß in Anamaboe fremde Sklavenhändler an Bord genommen wurden, spricht eher gegen die Exis-tenz einer solchen Niederlassung. Fremde Sklavenhändler wären kaum nötig gewesen, wenn die Brandenburger einen eigenen Mann in Whydah ansässig gehabt hätten. Auch der an Bord befindliche Ober-Kaufmann Hoffmann wäre in einem solchen Fall nicht nötig gewesen. Au-ßerdem wäre es verwunderlich, daß in den Staaten der Compagnie ausgerechnet diese Nieder-lassung keine Erwähnung auf der Haben-Seite gefunden hätte.

Im Jahre 1705 berichtete der Niederländer J. van den Broucke, der anderthalb Jahre in der niederländischen Niederlassung in Whydah Dienst getan hatte, über den Ablauf des Sklaven-einkaufes in der Hafenstadt:

„Before one is allowed to start the trade, one is compelled to the King 720 lbs cowries customary duties, 200 lbs to the Captains, and 30 to the town-crier who announces when the traders are allowed to sell their slaves. Subsequently one negotiates the price with the King, Carte and Ago, but one should be careful to exclude from this price what is paid to the King and the two aforesaid Captains, because to them one has always to give more than to the private traders; i.e. to the King 120 and to the Captains 100 lbs cowries (per slave) (...) first one has to agree with them about the number they will fur-

514 Ebd., S. 52. 515 Unter die Herrschaft des Sklavenhändlerstaates Dahomé kam Whydah erst 1727. 516 Rosemary ARNOLD, A Port of Trade, Whydah on the Guinea Coast; in: Karl Polanyi (Hg.), Trade and Mar-

kets in the Early Empires, New York 1957, S. 164. 517 Ebd. 518 Ebd., S. 166. 519 JONES, Brandenburg Sources, S. 190, Anm. 35.

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nish for that high price, because otherwise they will buy all the slaves from the private (persons).

Furthermore, one has to pay 120 lbs cowries 'for the tronk' (slave camp) with which they guarantee that the slaves will not run away. One has also to pay (the value of) one slave for the interpreter, before he is willing to announce your desires to the King, one dito for the watchman who receives and guards the goods when they brought ashore, and 400 lbs cowries for the carrying of goods from each ship.“520

Auf diesen Verhandlungsweg begaben sich auch der Kaufmann Hoffmann und die von den Brandenburgern mitgebrachten Sklavenhändler. Der Berichterstatter Oettinger war für die me-dizinische Untersuchung der eingekaufte Sklaven zuständig. Er wartete als Gast des Königs auf die ersten Sklaventransporte aus dem Landesinneren, die einige Tage später eintrafen. Eine „Vorratshaltung“ von Sklaven wurde in der Hafenstadt offensichtlich nicht betrieben, was auch wenig sinnvoll gewesen wäre in Anbetracht der Unregelmäßigkeit, mit der europäische Sklavenschiffe an ihren Gestaden erschienen. Es machte für Whydah gleichwohl keine Mühe, in relativ kurzer Zeit Sklaven heranzuschaffen, wenn eine Nachfrage entstanden war. Oettinger untersuchte die menschliche Ware und entschied in den Einzelfällen über den Ankauf.521 So-genannte Magrones, Personen mit körperlichen Gebrechen, wurden sofort aussortiert. Die ein-gekauften gesunden Sklaven wurden mit dem Brandzeichen der BAC an der rechten Schulter gekennzeichnen und zu zweit oder zu dritt zusammengekoppelt auf das Schiff eskortiert. Da-für stellte der lokale König eine hundertköpfige Eskorte zur Verfügung, die für den reibungslo-sen Ablauf der Aktion sorgte.522 Am 4. April 1693 verließ das brandenburgische Sklavenschiff Whydah wieder. Der Ankauf einer Schiffsladung hatte einen Zeitraum von rund drei Wochen beansprucht.

Sklaven wurden von den Brandenburgern in sehr unterschiedlichen „Währungen“ bezahlt. Im Spätsommer des Jahres 1693, ein halbes Jahr nach Oettingers Reise, kaufte Kapitän Cornelis Reers, der zu diesem Zeitpunkt die „Friedrich III.“ kommandierte, insgesamt 716 Sklaven im Gesamtwert von 32.085 Gulden ein.523 Er erreichte damit einen Schnitt von 44:16 Gulden, was sich durchaus im Rahmen des üblichen bewegte. Allerdings bezahlte er seine Sklaven teilweise mit den einheimischen Zahlungsmitteln Eisenstangen und Kauri-Schnecken, teilweise mit di-versen Textilien, teilweise auch mit Branntwein und Gewehrpulver. Den höchsten Preis, näm-lich durchschnittlich den Wert von 94 Gulden, mußte er für die vier Sklaven entrichten, die er für französichen Branntwein eintauschte. Der niedrigste Preis dagegen war für sieben Sklaven zu entrichten, die er mit Korallenperlen bezahlte: durchschnittlich den Gegenwert von 23 Gul-

520 Albert van DANTZIG (Hg.), The Dutch and the Guinea Coast 1674 1742. A Collection of Documents from

the General State Archive at The Hague, Gaas-Accra 1978, Nr. 128, S. 124/125. Alle Zusätze in Klammern stammen von van Dantzig.

521 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 79, S. 195. 522 Ebd., S. 195/196. 523 Ebd., Nr. 80, S. 199.

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den. Die meisten Sklaven erwarb er für Kauri-Schnecken, nämlich 299 Personen zu einem durchschnittlichen Gegenwert von 55 1/2 Gulden. Ein ganz ähnliches Bild ergab sich, als das gleiche Schiff im März 1699 733 Sklaven einkaufte.524 Wieder wurde eine bunte Palette von Gegenwerten für die Sklaven angeboten, diesmal auch 200 Gewehre, für die 28 männliche Sklaven erworben werden konnten. Die mit Abstand meisten männlichen Sklaven gab es auch hier für Kauri-Schnecken, nämlich 264. Die meisten weiblichen Sklaven – 124 – wurden ge-gen Platillas eingetauscht, einem Leinentuch aus Hamburg, Schlesien oder Frankreich. Die afrikanischen Sklavenhändler verkauften also nicht nur gegen Gold, auch wenn zu beiden Ma-len ein Quantum Gold unter den Tauschwaren zu finden war. Die afrikanischen Sklavenhänd-ler waren an der gesamten Palette der europäischen Waren interessiert. Die Sklavenfahrt von 1699 kaufte ihre Sklaven für einen Gesamtwert von 25.586 Gulden ein und verkaufte sie auf St. Thomas für 172.425 Gulden, was einen Gewinn von 146.839 Gulden oder ca. 58.700 Rthlr. ergab; die Gewinnspanne lag in diesem Fall bei rund 570%. Für den erwähnten Transport von Reers konnte dies kaum gegolten haben, da 1699 die durchschnittlichen Preise erstaunlich weit unterhalb derjenigen von 1693 lagen. Insgesamt kostete ein Sklave im Durchschnitt 1699 nur rund 35 Gulden. Da die Preise für Sklaven in Afrika in dem halben Jahrzehnt zwischen 1675 und 1725 ständig stiegen,525 kann es sich hierbei nur um regionale und kurzfristige Schwan-kungen gehandelt haben.

Zurück in das Frühjahr 1693: Nach der Angabe Oettingers hatte die „Friedrich Wilhelm“ 738 gesunde Sklaven beiderlei Geschlechts an Bord.526 Nach einem Zwischenstop auf Sao Thomé zur Proviant- und Wasseraufnahme erreichte das Schiff am 9. Juli die dänische Insel St. Tho-mas.527 Oettinger gibt an, daß sich noch 659 Sklaven an Bord befanden und daß 59 während der Reise gestorben oder verunglückt waren.528 Zwanzig Sklaven müßten demnach schon vor der Abreise aus Sao Thomé verlorengegangen sein. Eine kleine Diskrepanz von zwei Sklaven ergibt sich zu der Eintragung des dänischen Waagebuches, die am 15. Juli erfolgte. Diese ver-zeichnete:

„325 hommes 68 ditto maigres macarones ou malades 165 bonnes femmes 11 ditto maigres ou macarons 67 garsons de trois pour deux 12 ditto de demi pieces 10 filles de trois pour deux 3 ditto de demye.“529

524 Ebd., Nr. 90, S. 213. 525 POSTMA, Dutch in the Atlantic Slave Trade, S. 264. 526 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 79, S. 196. 527 OETTINGER, Unter kurbrandenburgischer Flagge, S. 83. Die Edition des Textes bei Jones endet bereits mit

dem Verlassen afrikanischer Gewässer. 528 Ebd., S. 84. 529 KELLENBENZ, Brandenburger auf St. Thomas, S. 212.

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661 Sklaven wurden also dem Handelsposten auf St. Thomas übergeben; der Verlust während der Reise zwischen Whydah und St. Thomas betrug knapp über 10% und lag durchaus im üb-lichen Rahmen der Zeit lag. Unter den Überlebenden befanden sich 393 Männer, von denen jedoch mit 68 Personen (ca. 17%) ein recht hoher Anteil unterwegs krank geworden war oder sich ernsthaft verletzt hatte, sowie 176 Frauen, die mit 11 Personen (ca. 6%) eine wesentlich niedrigere Krankheitsrate hatten. Wie hoch allerdings der Verlust differenziert nach Männern und Frauen während der Reise war, läßt sich aus Oettingers Bericht nicht erkennen. Zu der Lieferung gehörten desweiteren 67 männliche und 10 weibliche Jugendliche, die zu zwei Drit-teln des Preises von Erwachsenen gehandelt wurden, sowie 12 männliche und 3 weibliche Kinder, die den halben Preis eines Erwachsenen erzielten.

Das Übergewicht männlicher Sklaven war nicht unbedingt immer gegeben. Die einzige Sklavenlieferung, die das Waagebuch zwischen Sommer 1692 und Sommer 1694 neben der „Friedrich Wilhelm“ verzeichnet und die am 6. Juli 1692 von der „Marschall Derfflinger“ ge-bracht wurde, bestand aus 192 Männern, 156 Frauen und 40 Jugendlichen und Kindern.530 Dies muß noch nicht unbedingt bedeuten, daß auf der Reise der „Friedrich Wilhelm“ über-durchschnittlich viele Frauen gestorben wären. Wahrscheinlicher ist, daß das Angebot in Whydah in der Zusammensetzung variierte und diese Zusammensetzung von den Einkäufern einfach übernommen wurde. Zumindest berichtete Oettinger nur von einem einzigen Aus-wahlkriterium bei seinem Ankauf von Sklaven: sie mußten gesund sein!

Insgesamt trafen in den genannten zwei Jahren laut Waagebuch zwei brandenburgische Sklavenschiffe ein, die insgesamt 1049 Sklaven brachten. Eine andere Quelle531 berichtet von zwei weiteren Sklavenschiffen, die im Jahr 1694 auf St. Thomas eintrafen, wahrscheinlich nach Ende des überlieferten Abschnitts aus dem Waagebuch. Die "Friedrich III." lieferte 705 Sklaven an, die "Churprinzessin" 452. Dabei hatten beide Schiffe mit 24 bzw. 32 Sterbefällen keine überdurchschnittlichen Todesraten. Auf dieser Grundlage kann vermutet werden, daß in den drei Jahren insgesamt 2.206 Sklaven in die BAC-Niederlassung auf St. Thomas eingelie-fert wurden.

Verkauft wurden in dem Zeitraum, den das Waagebuch abdeckt, insgesamt 1361 Sklaven, verteilt auf 33 Einschiffungstermine:532

530 ebd.; S. 207. 531 Jones: Brandeburg Sources; Nr. 82, S. 202. 532 ebd.; S. 207 213.

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Datum Ziel Anzahl der Sklaven

30. 7.1692 Jamaica 33

3. 8.1692 St. Croix 52

27. 8.1692 St. Croix 2

10.10.1692 Spanishtown 5

19.10.1692 St. Croix 5

7.11.1692 St. Croix 4

12.11.1692 St. Croix 15

8. 5.1693 Spanishtown 1

14. 5.1693 k.A. 75

14. 6.1693 St. Croix 2

15. 7.1693 k.A. 5

21. 7.1693 St. Croix 56

24. 7.1693 St. Croix 11

10. 8.1693 k.A. 330

11. 8.1693 St. Croix 5

12. 8.1693 St. Croix 27

6. 9.1693 St. Christpher 11

13. 9.1693 Spanishtown 3

10.10.1693 St. Croix 14

16.10.1693 k.A. 111

16.10.1693 Spanishtown 2

23.10.1693 St. Croix 4

7.11.1693 Spanishtown 1

15.11.1693 Tortola 1

20.12.1693 Spanishtown 2

13. 1.1694 k.A. 4

17. 1.1694 k.A. 428

14. 2.1694 St. Domingo 54

14. 6.1694 k.A. 71

10. 9.1694 k.A. 14

14. 9.1694 St. Croix 6

24. 9.1694 k.A. 5

27. 9.1694 Tortola 2

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Nur neun der 33 Fahrten, die brandenburgische Sklaven von St. Thomas zu ihren neuen Besit-zern brachte, wurden in dem Waagebuch ohne Zielangabe verzeichnet, doch wurden bei diesen neun Fahrten drei Viertel des Gesamtverkaufs verschifft. So weit sie sich identifizieren lassen, handelte es sich dabei in der Regel um französische Abnehmer, so wie auch die Kunden aus St. Croix und St. Domingo Franzosen waren. Vor allem die größeren Abnahmemengen wur-den von Franzosen eingekauft. Die Kleinabnehmer, die manchmal nur einen Sklaven abholten, häufig in Kanus, stammten von den benachbarten Jungferninseln. Dabei war St. Croix wieder der Haupthandelspartner mit ca. 15% der verkauften Sklaven und 13 von 33 Verschiffungen. Offenbar bedienten die Brandenburger von St. Thomas aus vorrangig Kleinkunden aus der unmittelbaren Umgebung ihrer Niederlassung und gelegentlich französische Abnehmer, wel-che die Plantagen ihres Landes versorgen mußten. Zum Sklavenhandel zwischen den beiden auf St. Thomas präsenten Nationen Brandenburg und Dänemark kam es nicht; die dänischen Pflanzungen auf der Insel hatten mit der dänischen Westindien-Compagnie ihren eigenen Zu-lieferer, während die Brandenburger mangels eigener Plantagen keine eigenen Sklaven benö-tigten. Dahingegen mußten sie über ausreichenden Wohnraum für Sklaven verfügen, da in dem betrachteten Zeitraum nur selten Nachschub kam, während sich der Verkauf kontinuierlich über das Jahr erstreckte, und weil dabei 312 Sklaven mehr verkauft wurde, als von den beiden brandenburgischen Schiffen angeliefert wurden.

Eine fundierte Hochrechnung der gesamten Sklavenverkäufe der BAC in den 35 Jahren ih-res Bestehens ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Aber eine vorsichtige Schätzung sei an dieser Stelle gestattet. Die Zahl von 2.206 gelieferten Sklaven innerhalb von drei Jahren ergiebt zunächst einmal einen Durchschnitt von ca. 735 Personen pro Jahr. Hält man den Zeitraum 1692 bis 1694 für repräsentativ, so käme man auf eine Schätzung von insgesamt 25.725 Skla-ven während der gesamten 35 Jahre des Bestehens der BAC Es ist jedoch kaum anzunehmen, daß dieser Zeitraum repräsentativ ist. Vielmehr war es genau diese Spanne, in der die BAC ihre größten Aktivitäten entfaltete und ihre größte Flotte zur Verfügung hatte. In der Zeit vor dem betrachteten Zeitraum wurde auch Sklavenhandel getrieben. In den ersten beiden Jahren zusammen blieb er jedoch noch unter 300 Personen. Die Schwierigkeiten der BAC in den Jah-ren vor der Neuorganisation, überhaupt die Ausrüstung von Schiffen bezahlen zu können, dürfte für deutlich niedrigere Transportzahlen von Sklaven gesorgt haben. Nur wenige Jahre nach dem hier betrachteten Zeitraum begann die Phase, welche die BAC auf die absteigende Bahn brachte. Im Verlauf des ersten Jahrzehntes des 18. Jahrhunderts brachen große Teile des Schiffverkehrs der Compagnie völlig zusammen, so daß bei weitem nicht mehr von einem Schiffsverkehr wie in der ersten Hälfte der 1690er Jahre ausgegangen werden kann. Der oben angeführte Durchschnitt kann also allerhöchstens für einen Zeitraum von zehn Jahren Gültig-keit haben. In den zehn Jahren davor gab es Sklavenhandel, jedoch mit geringeren Zahlen. In den fünfzehn Jahren danach verfiel er zusehens. Unter diesen Umständen scheint eine An-nahme, daß insgesamt kaum mehr als 15.000 Sklaven von den Brandenburgern aus Afrika

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nach Amerika verkauft wurden, nicht zu niedrig gegriffen zu sein.533 Geht man von Einkaufs-preisen zwischen 40 und 50 Gulden in Westafrika aus, und legt man die Verkaufspreise von Curaçao als bescheidenste Schätzung zwischen 100 und 120 Gulden zu Grunde, so ergäbe dies für die BAC bei einem Verlust von 10% während der Seereise im Zeitraum ihrer Existenz ei-nen Gewinn im Sklavenhandel zwischen 675.000 und 1.114.000 Gulden, was ungefähr zwi-schen 270.000 und 460.000 Rthlr. entspricht. Solche Zahlen können als vorsichtige Schätzun-gen natürlich keine solide Basis bilden, doch veranschaulichen sie immerhin Größenordnun-gen. Da sich die vorgenommene Schätzung mit den relativ geringen Verkaufspreisen der nie-derländischen Besitzung Curaçao eher an der unteren Grenze des Möglichkeitsbereiches be-wegt, kann von einem Gewinn von 460.000 Rthlr. oder sogar darüber ausgegangen werden. Mit einem solchen Gewinn – verteilt über die gesamte Zeitspanne der Aktivitäten der BAC – wären jedoch nur wenig mehr als die zur Jahrhundertwende angehäuften Schulden der Com-pagnie zu bezahlen gewesen. Die Betreiber des Unternehmens waren von Anfang an davon ausgegangen, daß der Sklavenhandel ein zentrales Standbein des wirtschaftlichen Erfolges bilden würde. Die hier beschriebene Größenordnung zeigt, daß diese Hoffnungen sich nicht bewahrheiten konnten.

Abschließend sei noch bemerkt, daß die Brandenburger auch Sklaven für den eigenen Be-darf hielten. Dies geshah allerdings nur in kleinem Umfang vor allem auf Groß-Friedrichsburg, wo sie für täglich anfallende Handlangerarbeiten eingesetzt wurden. Dies wurde besonders in Zeiten nötig, in denen die Besatzung des Forts schwächer als zu Beginn seiner Existenz war.

9. Bergbauversuche an der Goldküste Wesentlicher Bestandteil der brandenburgischen Handelsabsichten an der afrikanischen West-küste war der Ankauf von Gold. Ebenso wie alle ihre Konkurrenten waren sie auf die Liefe-rungen der einheimischen Händler aus dem Landesinneren angewiesen. Und ebenso wie für ihre Konkurrenten lag es für die Brandenburger daher auf der Hand, eigene Versuche zur Ge-winnung von Gold zu unternehmen, um aus dieser Abhängigkeit auszubrechen.534 Bei den Brandenburgern blieb es allerdings bei einem einzigen Unternehmen im Jahre 1697.

Offenbar hatte ein Caboceer namens Ammáo die Brandenburger davon überzeugt, daß in der Nähe von Groß-Friedrichsburg eine oder mehrere Minen zu finden wären, deren Ausbeu-tung sich lohnte.535 Im Februar 1697 erhielt der Bergbau-Superintendent Sigmund Danies von Oberpräsident Danckelmann die Anweisung, sich mit einer kleinen Gruppe Bergleute nach

533 Hans Georg Steltzer geht von einer Gesamtzahl von 30.000 Sklaven aus, ohne jedoch die Grundlagen seines

Schätzwertes darzulegen (STELTZER, Mit herrlichen Häfen versehen, S. 155/156); Ulrich van der Heyden ü-bernimmt diese Zahl ohne kritische Überprüfung (HEYDEN, Rote Adler an Afrikas Küste, S. 52).

534 Zu den Goldgewinnungsversuchen der anderen europäischen Mächte siehe GARRARD, Akan Weights, S. 142/143.

535 GStA Merseburg, Rep. 65, Nr. 21, Bl. 111.

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Groß-Friedrichsburg zu begeben.536 Insgesamt begleiteten ihn nur sechs Männer, als er am 7. Juni 1697 Groß-Friedrichsburg erreichte. Mit nur geringfügiger Unterstützung der in der Fes-tung vorhandenen Sklaven – die meisten von ihnen wurden für Instandhaltungsarbeiten benö-tigt – begannen die Männer einen Schacht und einen Stollen zu graben. Nach drei Wochen jedoch mußte die Arbeit unterbrochen werden. Danies berichtete:

„Itzo hat es bei drei Wochen gestanden, dan es seind mir durch denen stinkenden Wet-tern so im Schacht und im Stollen ziehen, die Leute alle krank worden und innerhalb fünf Tagen drei prave Kerl gestorben, die andern drei ligen noch heut darnider.“537

Trotz dieser Widrigkeiten ließ sich Danies nicht von seinem Vorhaben abbringen. Zwei Mona-te nach seinem Schreiben berichtet der Generaldirektor von Groß-Friedrichsburg, Jan van Laer, in einem Brief an die Compagnie in Emden, daß die Bergarbeiter weiterhin an verschiedenen Stellen rund um Groß-Friedrichburg ihrer Tätigkeit nachgingen.538 Gerade am Tag der Verfas-sung des Briefes untersuchten sie eine neue vermeintliche Fundstelle im Busch. Allerdings hatten die Bemühungen, die zu diesem Zeitpunkt schon fünf Monate andauerten, noch keinen Erfolg gezeitigt. Zudem lebte neben Danies im Dezember nur noch einer seiner Männer, die fünf übrigen waren inzwischen verstorben.539 Die beiden Bergleute unterstützte noch ein Mann, der mit dem Titel „Opperbestierder“ bezeichnet wird und offensichtlich, da er nicht zu den Begleitern Danies zählte, der Besatzung von Groß-Friedrichsburg angehörte.

Bei der geringen Unterstützung der zum Fort gehörenden Sklaven liegt es auf der Hand, daß die drei verbliebenen Männer recht wenig ausrichten konnten. Dennoch liefert W. H. Staeden von Cronenfels, wahrscheinlich ein Bergbaubeamter, der mit der administrativen Betreuung des Unternehmens betraut war, am 14. April 1698 Benjamin Raule einen Erfolgsbericht:

„1tens ein gut Anzeigen künftigen reichen Anbrüchen und Erzen seie, insbesondere da sich 2tens lettigte Erden, auch 3ten"Alle Bergleute aber werden mit mir einig sein, daß dieses s ein weisser Spath unter die Dam-Erde sehen lässet, und 4tens sowohl in Forttreiben des Stollens, als Absenkung des Schachts beständig continuiret, wodurch man also nothwenidig schließen kan, daß sie 5tens auf einen guten Erzgang seind, da mehr, weiln 6tens berichtet wird, daß im Spath würklich gediegenes Gold gefunden wird, also daß M. hg. H. nicht andersten meines Wissens rathen kan, Sr. Churfl. Dl. Unser gndst. Herren dahin zu vermögen, daß Sie in Gottes Namen dieses reiche Bergwerk mit mehrerm Nachdruck fortsetzen und dessen vor Augen sehenden Segen abwarten.“540

536 Danies Bericht an Danckelmann siehe SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 149, S. 460/461 bzw. JONES,

Brandenburg Sources, Nr. 85, S 206/207. 537 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 149, S. 460/461 538 JONES, Brandenburg Sources, Nr. 86, S. 207. 539 Ebd. 540 SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 2, Nr. 150, S. 462. Schück konnte über die Person des Staeden von Cronenfels

nichts in Erfahrung bringen und geht von einem Klevischen Bergbeamten aus. Carl Liesegang vermutet einen

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Staeden von Cronenfels stützte seine positive Beurteilung, die ihn zu der Forderung nach ent-sprechender Unterstützung des Bergbauprojektes durch Raule bei dem Kurfürsten veranlaßte, auf die Entdeckung einer Erd- und einer Gesteinssorte, die als potentiell goldhaltig in Frage kamen, sowie auf Berichte, die von gediegenem Gold sprachen. In seinem Schreiben an Raule bezog er sich jedoch ausdrücklich auf den erwähnten Bericht von Danies, den er in der selben Sendung mitschickte. Danies erwähnte kein Wort davon, daß er auf gediegenes Gold gestoßen wäre. Auch der Generaldirektor van Lier erwähnte nichts davon in seinem Bericht, obwohl ein solcher Fund mit Sicherheit einer entspechenden Würdigung wert gewesen wäre.

Johann Kunckel, ein im Dienste der brandenburgischen Kurfürsten stehender Naturwissen-schaftler, gab auf der Grundlage des Berichtes von Danies und des Schreibens von Staeden von Cronenfels ein Gutachten ab, in dem er zu dem Schluß kam, daß die vorhandenen Boden-merkmale durchaus auf ein Goldvorkommen hinweisen könnten, daß jedoch an der Goldküste eine lukrative Ausbeutung desselben nicht zu erwarten wäre.541 Er führte die weite Entfernung und schwierige Verpflegungssituation, das ungesunde Klima und die häufigen, teilweise le-bensgefährlichen Erkrankungen deutscher Bergleute sowie die Unwahrscheinlichkeit, die Ein-heimischen zu Bergleuten ausbilden zu können, ins Felde.

Diese Meinung überzeugte allem Anschein nach eher als die positive Beurteilung des Be-amten Staeden van Cronenfels. Weitere Erwähnungen von brandenburgischen Bergbauunter-nehmen an der Goldküste liegen nicht vor. Die Tätigkeiten in der Festung blieben auf den Handel und den Selbstschutz beschränkt. Hinzu kam, daß in diese Zeit der Sturz Danckel-manns im Dezember 1697 und der Prozeß gegen Raule im Februar 1698 fielen. Die beiden maßgeblichen Förderer der Compagnie, die als solche vielleicht noch für eine Ausweitung des Projektes über den Handel hinaus zu gewinnen gewesen wären, hatten ab sofort keinen Einfluß mehr. Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie begab sich nicht auf koloniales Neuland, was zu dieser Zeit in Afrika generell kaum unternommen wurde. Sie blieb ein reines Handels-unternehmen.

10. Zusammenfassung Die Brandenburgisch-Africanische Compagnie durchlebte in ihrer 35jährigen Geschichte drei Phasen. In den zehn Jahren zwischen ihrer Gründung 1682 durch den Großen Kurfürsten und der Neuorganisation 1692 durch Friedrich III. befand sie sich weitgehend im Aufbau und wur-de von hochstehenden brandenburgischen Beamten sowie Adeligen getragen. Die größten An-teile hatten die Initiatoren, Benjamin Raule und der Große Kurfürst, inne. Kaufleute waren in dieser Phase nur wenige in der Gesellschaft vertreten. Dies änderte sich mit der Umstrukturie-

Beamten der neu gegründeten Oberbergdirektion in Cölln an der Spree: Carl LIESEGANG, Die Goldgewin-nung an der Guineaküste in alter Zeit und die ersten deutschen Bergleute in der brandenburgisch-preußischen Kolonie Groß-Friedrichsburg, in: Koloniale Rundschau 34 (1943), S. 56.

541 Ebd., S. 67, sowie SCHÜCK, Kolonialpolitik, Bd. 1, S. 257.

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rung durch Friedrich III. Die BAC wurde zu einer Aktiengesellschaft nach niederländischem Vorbild, die in erster Linie von Kaufleuten getragen wurde. Diese Kaufleute stammten mehr-heitlich aus den Niederlanden; die ursprünglichen Partizipanten waren in die Minderheit gera-ten, ohne jedoch die Führungspositionen aufzugeben. In dieser Konstellation erlebte die Com-pagnie einige Jahre des lebhaften Handels. Der negative Umbruch stellte sich zur Jahrhun-dertwende ein. Die gerade erst aufgebaute Flotte der BAC wurde vor allem durch Kriegsein-wirkungen geschwächt. Streitigkeiten der Teilhaber untereinander, die bis zur gegenseitigen Lähmung zweier verfeindeter Parteien führten, und Fehlentscheidungen bei der personellen Besetzung von Führungspositionen in Übersee taten das ihre. Die Compagnie konnte immer weniger Schiffe auf die Reise schicken. Die Schulden überstiegen die Einlagen bald bei wei-tem. Die schwindenden Aktiva konnten die Passiva nicht mehr decken. Unrühmlicher Höhe-punkt dieser dritten Phase, der Phase des Niedergangs, war die erneute Inbesitznahme der Ge-sellschaft durch den König. Die BAC hatte als Aktiengesellschaft der Kaufleute aufgehört zu existieren und konnte so schließlich von Friedrich Wilhelm I. an die Niederländer verkauft werden.

Zu Beginn der Compagnie hatten die Initiatoren Raule und Friedrich Wilhelm dominierende Positionen inne. Der Große Kurfürst beschränkte sich jedoch weitestgehend auf seine finan-zielle Beteiligung. Nach der Umorganisation der BAC war der Kurfürst nicht mehr an der Ge-sellschaft beteiligt, sondern nur noch ihr Gläubiger. Die staatlichen Zuwendungen blieben ge-ring. Raule hingegen hatte bis zu seinem Sturz 1698 auf Grund seines Ranges als oberster Ma-rinebeamter des Kurfürstentums, seiner Bedeutung als „Erfinder“ der Gesellschaft und seiner eigenen Beteiligung eine zentrale Stellung inne. Die meisten Initiativen waren von ihm ausge-gangen. Nach Ende der heftigen Auseinandersetzungen am Ende des 17. Jahrhunderts hatten seine Gefolgsleute das Ruder zwar wieder in der Hand, doch konnten sie nichts mehr bewegen.

Mit den beiden Forts Groß-Friedrichsburg und Arguin verfügte die BAC über zwei wehr-hafte Festungen in Afrika, die auf Grund ihrer Ausstattung und ihrer Besatzung einen vorwie-gend militärischen Charakter hatten. Die Forts waren personell gut besetzt, jedoch eher durch Soldaten als durch Kaufleute. Wesentlich mehr eine Handelsstation war die kleine, nur mit Pallisaden befestigte Dorotheenschanze in Accada. Grundsätzlich nur als Handelsstützpunkt gedacht war die Niederlassung auf der Karibik-Insel St. Thomas, wo ein eng gefaßter Vertrag mit dem Grundherrn Dänemark und ernsthafte Streitigkeiten mit ihm die Arbeit erschwerten.

Handel trieben die Brandenburger mit einer breiten Palette an Waren. Sie exportierten vor-rangig Textilwaren nach Afrika, die jedoch kaum aus eigener Produktion stammten. An zwei-ter Stelle ihrer Exportwaren standen Schußwaffen, andere Produkte spielten eine wesentlich geringere Rolle. Eingekauft wurden in Afrika offensichtlich alle Waren, die sich anboten. Es gab seitens der BAC keine Einschränkung auf den Handel mit Sklaven und Gold. Gerade in diesen beiden Bereichen erreichte die Compagnie nur ein recht bescheidenes Niveau. Aus der Karibik importierte die BAC die für den dortigen Plantagenanbau typischen Produkte.

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Mit Abnahme des brandenburgischen Schiffsverkehrs durch die hohen Verluste auf See und den wirtschaftlichen Niedergang der Gesellschaft in Emden waren die Übersee-Niederlassungen mehr und mehr auf sich allein gestellt. Ihnen blieb gar nichts anderes übrig, als ihr Heil im Handel mit Interloopern und ausländischen Gesellschaften zu suchen, was ihnen offiziell verboten war.

Formell endete die Geschichte der BAC mit ihrem Verkauf im Jahr 1717. In der Realität hatte sie sich jedoch zu diesem Zeitpunkt längst in mehrere auf sich gestellte Einzelakteure aufgelöst, die nur noch die Flagge gemeinsam hatten.

VII Brandenburg, Afrika und Europa

Versuch einer Einordnung Die Geschichtsschreiber des späten 19. Jahrhunderts sahen in der Brandenburgisch-Africanischen Compagnie eine koloniale Großtat in Vorwegnahme des deutschen Imperialis-mus, mit der der Große Kurfürst den armen Schwarzen in Afrika ein wenig Kultur und Zivili-sation brachte. Autoren wie Steltzer, angetrieben von einer gewissen, nicht ganz unverständli-chen Begeisterung für die Persönlichkeit dieses Herrschers, schätzen das Unternehmen des Kurfürsten als kühnes Unterfangen ein, das erst durch die widrigen Umstände, welche auch die Nachfolger zu verantworten hatten, unterging. Moderne Wissenschaftler, wie z.B. Schmitt oder Duchhardt, sehen in der BAC zumindest bemerkenswerte Ansätze zu einem frühen afri-kaspezifischen Handel. Und König Friedrich Wilhelm I. sah in ihr lediglich eine Chimäre.

Die erstgenannte Position braucht hier nicht mehr weiter diskutiert zu werden. Nach allem bislang gesagten entbehrt sie jeder Grundlage. Eine Sichtweise wie diejenige Steltzers krankt daran, daß die BAC als Großtat einer Persönlichkeit verstanden wird, und nicht als eine öko-nomische Unternehmung. Eine entsprechende Revision dieser Sichtweise führt eindeutig dazu, daß erst Friedrich III. aus dem Unternehmen eine wenigstens potentiell konkurrenzfähige Ge-sellschaft gemacht hat. Und sie führt dazu, daß es nicht herrschaftliche Entscheidungen – wie die Entlassung Eberhard von Danckelmanns – waren, die der Compagnie das Genick brachen, sondern überbordende Schulden, die aus ökonomischen Problemen und den schwierigen Rah-menbedingungen resultierten.

Brandenburg war weder eine seefahrende Nation noch eine Nation mit einer nennenswerten Tradition im Außenhandel. Für die konkurrierenden Nationen im Überseehandel, vor allem die Niederlande und England, war von jeher die Seefahrt und die damit verbundene Wirtschafts-kraft eine Selbstverständlichkeit, ein Teil der Existenz. In Brandenburg bedurfte es erst einer starken Herrscherpersönlichkeit, die auf Grund einer starken niederländischen Beeinflußung und auf Grund ihrer merkantilistischen Grundüberzeugungen eine solche Idee verankern konn-te. Dieser Herrscher, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, hatte jedoch nicht nur damit zu kämpfen, daß er bislang fremdes Gedankengut in die Wirtschaftspolitik seines Landes brachte, sondern er stand auch vor der immensen Aufgabe, sein durch den 30jährigen Krieg stark ver-wüstetes Land wieder aufbauen zu müssen. Hierauf mußte zunächst seine volle Aufmerksam-keit gelenkt werden. Es verwundert daher nicht, daß die ersten Pläne zu Überseehandels-Gesellschaften nur zu Sondierungen, nicht aber zur Realisierung führten.

Als es 1682 endlich gelang, über das Sondierungs- und Planungsstadium hinauszukommen und erstmals im Kurfürstentum Brandenburg eine herrschaftlich privilegierte Überseehandels-gesellschaft gegründet werden konnte, hatte sich die wirtschaftliche Situation zwar deutlich gebessert, doch waren die Bedingungen bei weitem noch nicht denen der konkurrierenden

Brandenburg, Afrika und Europa

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Mächte zu vergleichen. Da Brandenburg nach wie vor keine Handelsmacht war, fehlten ihr dementsprechend die Händler. In Brandenburg selbst waren Kaufleute mit Überseerfahrung Mangelware. Die Ideengeber für brandenburgische Übersee-Projekte waren beinahe zwangs-läufig Niederländer.

Entsprechend Gestalt nahm auch die erste Variante der Gesellschaft an. Es handelte sich um keine Kaufmannsgesellschaft, sondern eher um einen Zusammenschluß interessierter reicher Männer, die dem Marine-Direktor Raule so weit vertrauten, daß sie relativ große Summen ein-legten. Mit zwei Kurfürsten, einem Zusammenschluß von Standesvertretern und mit nur einem Reeder als Hauptteilhaber war es um die unternehmerische Seite wahrscheinlich nicht zum Besten bestellt. Der Nachfolger des Großen Kurfürsten hatte dies erkannt und wandelte die Gesellschaft entsprechend um. Da im eigenen Land die benötigten Kaufleute fehlten, war die Compagnie auf ausländische Anleger angewiesen, die sich – wie kaum anders zu erwarten – in den Niederlanden fanden. Die Gesellschaft drohte in Anbetracht der vielfältigen Möglichkei-ten, in den Sieben Provinzen sein Geld anzulegen, zu einem Auffangbecken für bis dato nicht zum Erfolg gekommene Kaufleute zu werden. Die Tatsache, daß sich in der BAC schließlich zwei Parteien derart bekämpften, daß die Compagnie handlungsunfähig wurde, zeichnet ein deutliches Bild davon, daß hier nicht unbedingt die brillantesten unternehmerischen Köpfe versammelt waren.

Ähnliche Probleme ergaben sich nicht selten beim Personal. Überseerfahrene Seeleute und kaufmännische Angestellte waren in Brandenburg nicht zu finden. Abermals war man auf aus-ländische Kräfte angewiesen. Die Schwierigkeiten, die manche Generaldirektoren von Groß-Friedrichsburg mit sich brachten und dazu führten, daß die BAC mehr als die Hälfte der Kommandanten ihres Hauptquartieres verklagte, zeigen, daß auch hier häufig zweite Wahl und andernorts gescheiterte Existenzen beschäftigt wurden. Was nicht heißen soll, daß nur schlech-tes Personal eingestellt wurde, wie ein Blick nach Arguin verdeutlicht. Eine weitaus größere Zahl herausragender Köpfe war allerdings eher in den etablierten Konkurrenzgesellschaften zu vermuten. Für die BAC wurde die Angewiesenheit auf ausländische Fachkräfte nicht selten zum Manko.

Die fehlenden einheimischen kaufmännischen Investoren und das Problem, daß ausländi-sche Kapitalgeber durch die jeweilige Konkurrenz auch nicht unbegrenzt zur Verfügung stan-den, trugen zu einer ständig zu dünnen Finanzdecke bei, die auch mit Hilfe ausgezahlter Versi-cherungsleistungen schwerere Rückschläge auf Dauer nicht abdecken konnte. Der unsichere kaufmännische Boden machten die schweren Schiffsverluste um die Jahrhundertwende zum vielleicht entscheidenden Sargnagel der Compagnie. Dabei waren diese Verluste nicht aus-schließlich höhere Gewalt. Eine Handelsmacht sucht den Ausgleich mit den Herren der Ge-wässer, die sie unvermeidlich queren muß. Brandenburg-Preußen suchte gegen Frankreich den Krieg.

Es ist nur natürlich, daß sich ein vom Herrscher privilegiertes Unternehmen in höchsten Schwierigkeiten an diesen um Hilfe wendet. Zur Zeit des Großen Kurfürsten war dies keine

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Schwierigkeit, da der Herrscher als einer Hauptteilhaber selbst größtes Interesse am Bestehen der Gesellschaft hatte und in der Finanzverfassung auch Möglichkeiten bestanden, ohne größe-re bürokratische Verzögerungen einzugreifen. Diese Möglichkeiten hatte der Nachfolger zwar auch noch – er hatte sie sogar noch erweitert –, jedoch hatte sich die Vorstellung von einem absolutistischen Herrschaftsstil so gewandelt, daß Aufwendungen für die BAC eher lästig und überflüssig erschienen. Dennoch wurde die Compagnie von Friedrich III. weitergeführt, aller-dings mit dem Versuch, sie auf eigene Beine zu stellen. Das Ende für die Gesellschaft kam, als ihre desolate wirtschaftliche Lage mit einem Herrscher zusammentraf, der ein völlig anderes wirtschaftliches Konzept verfolgte. Friedrich Wilhelm I. hatte einerseits wesentlich andere Vorstellungen, wie ein kameralistisch geführter Staat gedeihen könne, als sein Großvater, weswegen er sich ganz auf die produzierenden Gewerbe konzentrierte. Andererseits blockierte er mit seinen immensen Militärausgaben alle eventuell flüssigen Gelder, zumal die Kassen un-ter ihm so straff organisiert worden waren, daß keine unkonventionellen Spielräume mehr blieben. Diese Kombination aus ihrer Wirtschaftslage und den Vorstellungen des „Soldatenkö-nigs“ konnte die Compagnie nicht überleben.

In der letzten Phase ihrer Geschichte hatten sowohl die Kaufleute als auch die Nicht-Kaufleute kein Interesse mehr, sich weitgehend für die Compagnie zu engagieren. Die BAC war zu einem Handelsunternehmen geworden, das keinen Handel mehr trieb.

Ebenso wie im Inneren boten die Probleme im Äußeren Hürden, die für die BAC letztend-lich nicht zu überwinden waren. Der Große Kurfürst versuchte in seiner Amtszeit in einem Bereich, der Seefahrt, Fuß zu fassen, den andere Nationen über Generationen hinweg entwi-ckelt hatten. Entsprechend weit waren diese Nationen den Brandenburgern voraus, und da die BAC nicht als Novize, sondern als Konkurrent, und das auch noch in besonderem Maß gegen-über der erfolgreichsten Handelsmacht dieser Zeit, auftrat und auftreten mußte, war ihr Stand entsprechend schwach und gefährdet.

Zu sagen, daß die BAC in der Geschichte der europäischen Expansion einfach zu spät kam, bezeichnet ihre Schwierigkeiten außerhalb Brandenburg wohl recht treffend. Als ihre Schiffe die Küste Westafrikas erreichten, um sich angemessene Plätze für ihre Niederlassungen zu suchen, waren die wesentlichen Orte des Handels, an denen große Handelsrouten endeten oder sich trafen, längst von der Konkurrenz besetzt. Hinzu kam, daß wenig davon zu spüren ist, daß die Brandenburger ihre Plätze bei Prince’s Town, in Accoda oder in Taccarary wesentlich nach den Erfordernissen des Handels ausgewählt hätten. Die Handelsaspekte machen, so sie denn erwähnt werden, den Eindruck der Beliebigkeit; Sicherheitsaspekte überwogen. Groß-Friedrichsburg war sicherlich gut zu verteidigen. Doch was den Brandenburgern im Bereich des Handels blieb, waren die Bewohner der näheren und mittleren Umgebung. Langstrecken-händler, seien es die professionellen Wanderkaufleute der Akan oder sogar die der Dyula Mande aus den Savannen des Nordens, bekamen die Männer der BAC nicht zu Gesicht. Deren Wege endeten bei den Niederlassungen der Niederländer oder Engländer.

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In ihrer Umgebung in Afrika hatten sich die Brandenburger eng an die Bewohner der betreffenden Küstenstriche gebunden. Zwar waren diese Akan und nicht die Brandenburger die Schutzbedürftigen, doch waren letztere außerhalb dieses Bündnisses bewegungsunfähig, da die aus dem Landesinneren nachdrängenden Akan automatisch zu Feinden wurden. Doch ge-rade im Landesinneren zeigten sich neue Entwicklungen, insbesondere durch den Aufstieg des Reiches Ashanti, die auch für europäische Handelsinteressen von Bedeutung waren. Das Ter-rain an der Küste hatten die früher angekommenen Mächte, deren Handel bei Erscheinen der BAC schon eine erste Blüte erreicht hatte, längst abgesteckt. Das Landesinnere war ein sich neu entwickelndes Terrain, in dem die Brandenburger sich jedoch keinen Claim abstecken konnten, da sie sich nach Art ihrer vorausgeeilten Konkurrenz verhielten und sich so mit den Überresten, welche diese gelassen hatten, begnügen mußten.

Auch im Bereich des atlantischen Dreieckhandels eilte die BAC den Konkurrenten hinter-her, die schon vor dem Erscheinen der Brandenburger auf den Weltmeeren für dieses System feste Strukturen geschaffen hatten. Für eine aussichtsreiche Beteiligung an diesem atlantischen System wurde zunächst erfolgversprechende Niederlassungen in der Karibik benötig. Die Brandenburger konnten trotz weitergehender Bemühungen nur als „Untermieter“ auf einer eher unbedeutenden Insel an der Peripherie des westindischen Wirtschaftsraumes unterschlüpfen. Selbstverständlich waren auch hier die Claims längst abgesteckt, tobte doch schon seit Kolum-bus der Konkurrenzkampf um diese Region. Ein Fleckchen Land zu finden, auf das noch kein anderer Anspruch erhob, war für die Brandenburger schlechterdings unmöglich – ein solches gab es Ende des 17. Jahrhunderts einfach nicht mehr. Des weiteren wurden für dieses System eigene Plantagen benötigt, um eine eigene Nachfrage nach Sklaven und ein eigenes Angebot an Plantagenprodukten erzeugen zu können. Die Brandenburger beließen es bei einer Handels-niederlassung, obwohl ihr dänischer Hausherr auf einer solchen Pflanzung bestand. Auch wur-de ein starkes Exportgewerbe in der Heimat benötigt, um das merkantilistische Ziel, das hinter den ganzen Anstrengungen steckte, erreichen zu können. Die Brandenburger handelten mehr-heitlich mit fremden Waren. Ein entsprechend orientiertes Gewerbe besaßen sie noch nicht, und es hatte auch bei der Kurzlebigkeit des brandenburgischen Überseehandels keine Chance sich zu entwickeln.

Im Bereich des Sklavenhandels, der wesentlichen Stütze des atlantischen Systems, erwiesen sich die brandenburgischen Erfolge als zu gering, um hierin mit den etablierten Mächten kon-kurrieren zu können. Für die Anzahl exportierter Sklaven, welche die BAC in der Zeit ihrer Existenz zusammenbrachte, benötigte die WIC nur fünf bis zehn Jahre, die RAC sogar noch weniger. Immerhin befand sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Sklavenexport von der Goldküste in einem Aufschwung, der neue Möglichkeiten erschloßen hätte. In der Zeit zuvor kamen wesentliche Teile des Sklavenkontingentes aus Regionen – wie z.B. Zentralafrika oder Angola – in denen die BAC keinen Handel trieb. Die BAC wäre in dieser Frage also sogar rechtzeitg am rechten Ort gewesen, doch konnte sie nicht davon profitieren, da ihren Geldge-bern vorzeitig der Atem ausging. Auch wirkten die brandenburgischen Sklavenhändler wie

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sporadisch erscheinende Gäste. Sie hatten keine eigene Niederlassung in dem zentralen Skla-venhafen Whydah und waren offensichtlich auf die Hilfe erfahrener Händler angewiesen.

Es ist schon von den beiden Möglichkeiten die Rede gewesen, sich entweder mit großer Kraftanstrengung im atlantischen Dreieckshandel zu etablieren oder eine europäisch-afrikanische Nische zu suchen. Letztendlich entschied sich die BAC für keine der beiden Mög-lichkeiten, oder sie entschied sich für beide nur halb. Für die notwendige Kraftanstrengung fehlte ihr das Potential, dennoch versuchte sie sich mit einer Niederlassung in der Karibik und mit dem Handel mit afrikanischen Sklaven. Andererseits handelten sie mit anderen afrikani-schen Waren jenseits von Gold und Sklaven, vielleicht im Verhältnis mehr als ihre Konkur-renz, doch sich ganz darauf zu spezialisieren, dazu konnte sie sich nicht durchringen. Auf die-se Weise konnte sie kaum konkurrenzfähig werden und mußte sich damit begnügen Lücken zu finden, auf die es jedoch auch die wesentlich wendigeren Interlooper abgesehen hatten.

Welchen Platz nahm nun die BAC in der Geschichte ihrer Zeit ein? Die BAC ist wohl am ehesten als ein Unternehmen zu beschreiben, daß in dem Bereich, in

dem es sich unbedingt betätigen wollte, zu spät erschien, dort keine günstigen Positionen mehr einnehmen konnte und von Hause aus nicht über die Möglichkeiten verfügte, die Be-schänktheit des „Zu-Spät-Gekommenen“ erfolgreich überwinden zu können.

Im Kleinen konnte die BAC durchaus von ihren Konkurrenten als eine ernstzunehmende Herausforderung angesehen werden, was zahlreiche Auseinandersetzungen belegen. Die BAC wurde nicht ignoriert, und Waren, Menschen und Gelder bewegte sie schließlich auch. Die Sicht eines niederländische Fregattenkapitäns, der sich einer brandenburgischen Fregatte ge-genüber sah, befand sich auf einer Ebene von gleich zu gleich. Für einen niederländischen Fortkommandanten war ein einzelnes brandenburgisches Schiff genauso ein unerwünschtes Konkurrenzschiff wie ein einzelnes engliches oder dänisches oder auch ein Interlooper.

Die Vogelperspektive im Nachhinein sieht anders aus. Weder die WIC noch die RAC wur-den durch ihre brandenburgische Konkurrenz ernsthaft geschädigt. Wenn sie wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, waren ganz andere Gründe dafür verantwortlich. Da die BAC auf den Weltmeeren noch kürzere Zeit präsent war, als ihre offizielle Existenzdauer vermuten läßt, verschwand sie wieder, bevor sie für ihre Konkurrenz tiefergehende Bedeutung erlangte. Aus dieser Sicht war die BAC ein Exot in der Handelswelt des 17. und 18. Jahrhunderts.

Die Compagnie jedoch nur als Kuriosum darzustellen, würde ihr nicht gerecht werden. Sie war ein Handelsunternehmen. Ihr Anspruch unterstreicht dies ebenso wie die unternommenen Anstrengungen und die schließlich, wenn auch im geringen Umfange, erzielten Erfolge. Sie war ein Handelsunternehmen, das sich an einer zu großen Aufgabe versucht hatte und deshalb auf Grund der fehlenden Rahmenbedingungen so, wie es gedacht war, scheitern mußte. Ob durch das Beschreiten anderer, bescheidenerer Wege mit der BAC eine langfristige Beteiligung Brandenburg-Preußens an Handelsaktivitäten über die eigenen Grenzen hinaus ermöglicht worden wäre, kann der Historiker nicht entscheiden. Immerhin läßt die Tatsache, daß die BAC mehr Aktivität entfaltete, als dies eine reine Chimäre vermocht hätte, diese Möglichkeit offen.

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