Reinheit als Waffe im Kampf gegen Rom: Zum religiösen Hintergrund der jüdischen Aufstandsbewegung

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Reinheit als Waffe im Kampf gegen Rom Zum religiosen Hintergrund der jiidischen Aufstandsbewegung Roland Deines „Mit Thora und Todesrnut" leistete das judische Volk Widerstand gegen Rom. Der zweite Begriff erscheint fur ein waghalsiges militarisches Abenteuer verstandlich, aber der erste? Kann man mit einem heiligen Buch in der Hand gegen eine militari- sche Oberrnacht bestehen - oder sind religiose Skrupel nicht im Gegenteil eine Gefahr fur ein so gewagtes Unternehrnen? Es ist die Thora selbst, die darauf Antwort gibtl. Aus ihr schopfte das judische Volk seine Identitat, seine Hoffnung, seinen Glauben, und so war es auch die Quelle der Inspiration fOr die Aufstandischen gegen Rom. Und so vermag nu r die Thora zu erklaren, wie ein kleines Volk dazu kommen konnte, sich gegen einen ubermachtigen Gegner zu erheben, weshalb es seinen Kampf auch dann nicht aufgab, als militarisch schon alles verloren war, ja, wie ein Volk Oberhaupt einen Krieg beginnen konnte, in dem militarische Uberlegungen zweitrangig waren gegen Ober der religiosen Hoffnung. Die Vorstellung vom Helligen Krieg im alten Israel Israels Siege konnten nicht von „Heer und Kraft" erzwungen werden, sondern - so laSt es Gott dem Volk durch seinen Propheten Sacharja am Ende des 6. Jh.s v.Chr. verkunden - nu r durch „mei nen Geist" (Sacharja 4,6) 2 . Gottes „Geist" wird hier die Macht genannt, von der Sieg oder Niederlage a bhangen. Damit umschreibt der Pro- phet in sublimer Weise eine Uberzeugung, die sich durch die ganze Thora hindurch- zieht, und die in alteren Traditionen noch sehr realistisch-konkret geschildert werden konnte: JHWH (lies: Jahwe), der Gott Israels, ist als JHWH Zebaoth, als Herr der Kriegsscharen (so die deutsche Bedeutung des hebraischen Zebaoth), im Heerlager seines Volkes gegenwartig; er fuhrt es in den Kampf und er wird fur es kampfen. Ein- zig seine Gegenwart, einzigsein Eingreifen gewahrt die Hoffnung auf Sieg. Und so ist es gerade diese Hoffnung und der Glaube an sein machtvolles und wunderbares Ein- greifen, das die lsraeliten in ihren Kampfen gegen militarische und zahlenmaSig hoch- uberlegene Armeen beseelte und aller Arithmetik zum Trotz siegen lies. So jedenfalls ist es die Sicht der biblischen Autoren, denen wir diese Berichte in der Thora verdan- ken. Verfolgen wir die Geschichte des Volkes, wie sie die glaubende Geschichtsschreibung berl iefert hat, dann sehen wir, aus welchen Quellen sich der „Todesmut" speiste, mit denen die judischen Aufstandischen den romischen Legionen entgegentraten und der sie im Tempel von Jerusalem genauso ausharren I ief3 wie in der aussichtslos einge- 70 Roland Deines

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Reinheit als Waffe im Kampf gegen Rom Zum religiosen Hintergrund der jiidischen

Aufstandsbewegung Roland Deines

„Mit Thora und Todesrnut" leistete das judische Volk Widerstand gegen Rom. Der zweite Begriff erscheint fur ein waghalsiges militarisches Abenteuer verstandlich, aber der erste? Kann man mit einem heiligen Buch in der Hand gegen eine militari-sche Oberrnacht bestehen - oder sind religiose Skrupel nicht im Gegenteil eine Gefahr fur ein so gewagtes Unternehrnen? Es ist die Thora selbst, die darauf Antwort gibtl. Aus ihr schopfte das judische Volk seine Identitat, seine Hoffnung, seinen Glauben, und so war es auch die Quelle der Inspiration fOr die Aufstandischen gegen Rom. Und so vermag nu r die Thora zu erklaren, wie ein kleines Volk dazu kommen konnte, sich gegen einen ubermachtigen Gegner zu erheben, weshalb es seinen Kampf auch dann nicht aufgab, als militarisch schon alles verloren war, ja, wie ein Volk Oberhaupt einen Krieg beginnen konnte, in dem militarische Uberlegungen zweitrangig waren gegen Ober der religiosen Hoffnung.

Die Vorstellung vom Helligen Krieg im alten Israel Israels Siege konnten nicht von „Heer und Kraft" erzwungen werden, sondern - so laSt es Gott dem Volk durch seinen Propheten Sacharja am Ende des 6. Jh.s v.Chr. verkunden - nu r durch „mei nen Geist" (Sacharja 4,6) 2 . Gottes „Geist" wird hier die Macht genannt, von der Sieg oder Niederlage a bhangen. Damit umschreibt der Pro-phet in sublimer Weise eine Uberzeugung, die sich durch die ganze Thora hindurch-zieht, und die in alteren Traditionen noch sehr realistisch-konkret geschildert werden konnte: JHWH (lies: Jahwe), der Gott Israels, ist als JHWH Zebaoth, als Herr der Kriegsscharen (so die deutsche Bedeutung des hebraischen Zebaoth), im Heerlager seines Volkes gegenwartig; er fuhrt es in den Kampf und er wird fur es kampfen. Ein-zig seine Gegenwart, einzigsein Eingreifen gewahrt die Hoffnung auf Sieg. Und so ist es gerade diese Hoffnung und der Glaube an sein machtvolles und wunderbares Ein-greifen, das die lsraeliten in ihren Kampfen gegen militarische und zahlenmaSig hoch-uberlegene Armeen beseelte und aller Arithmetik zum Trotz siegen lies. So jedenfalls ist es die Sicht der biblischen Autoren, denen wir diese Berichte in der Thora verdan-ken. Verfolgen wir die Geschichte des Volkes, wie sie die glaubende Geschichtsschreibung

berl iefert hat, dann sehen wir, aus welchen Quellen sich der „Todesmut" speiste, mit denen die judischen Aufstandischen den romischen Legionen entgegentraten und der sie im Tempel von Jerusalem genauso ausharren I ief3 wie in der aussichtslos einge-

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kesselten Festung Masada, als alle militarischen Moglichkeiten schon langst erschapft waren. Als Volk versteht sich Israel selbst durch und seit seinem Auszug aus der Knecht-schaft in Agypten. Schon damals, zu Beginn.der Volksgeschichte, war es das direkte Eingreifen Gottes, das den Pharao zwang, die lsraeliten ziehen zu lassen3 . Doch kurz darauf bereute er es, auf diese Weise billige Arbeitssklaven verloren zu haben. Er jag-te ihnen mit seinem Heer nach und holte sie am Schilfmeer ein. In dieser Situation, angesichts des bedrohlich naheruckenden Heeres, kundigt Mose dem Volk an: „JHWH wird fur euch kampfen, und ihr kannt euch ruhig verhalten" (Exodus 14,14). Das Vernichten des feindlichen Heeres ist Gottes Tat allein, darurn kann er im diese Tat verherrlichenden Lobgesang Moses als „Mann des Krieges" (Exodus 15,3) besun-gen werden, dessen „Rechte machtvolle Wunder tut und Feinde zerschlagt" (15,6). Miriam, die Schwester Moses, leitete den Siegesgesang der Frauen, in dem es hei8t (15,21): „Hoch erhaben ist JHWH, Rog und Reiter warf er ins Meer!" Unvermittelt neben solchen Texten, die von Gottes wunderba rem Eingreifen reden und die Israel eine vollig passive Rolle zuweisen - das Volk soil nur vertrauen und zusehen, wie JHWH eingreift - stehen die Berichte, in denen Israel selbst fur seine Freiheit kampft. Die erste Schlacht nach der Errettung am Schilfmeer mu -Ste gegen die Amalekiter gefuhrt werden (Exodus 17,8-16), doch auch da macht der biblische Erzahler deutlich, dab der eigentliche Sieg nicht mit dem Schwert errungen wurde. Mose, der betend auf einem Berg stand, wahrend das Heer kampfte, war es, der den Sieg sicherte, denn solange er seine Hande zum Gebet erhoben hate, siegte das Heer unter Josua. Als seine Arme ermOdeten, wurden sie von zwei Man nem, Aaron und Hur, gestutzt. Und doch heiBt es am Ende des Berichtes, in denn mehr von Moses Beten als von Josuas Kampfen die Rede ist: „So ClberwaltigteJosua Amalek und sein Kriegsvolk mit der Scharfe des Schwertes" (17,13). Die Parallelitat von gottlichem Wunder und menschlicher Tat findet sich noch einmal im Bericht Ober die Einnahme des verheiBenen Landes unterJosua4 , nachdem die lsraeliten, gemaB der biblischen Oberlieferung vierzig Jahre lang durch die W0ste gezogen waren. Der Ubertritt ins Land erfolgte bei Jericho und der Bericht Ober die Einnahme dieser Stadt eroffnet die Darstellung der Landnahme (Josua 6). Aber wie seltsam ist diese Eroberung geschildert: Das Heer macht sechs Tage la ng eine Pro-zession rings urn die verschlossenen Stadtmauern, gefolgt von sieben Priestern mit Widderhornern und der Bundeslade, jenem tragbaren Heiligturn aus der Wilstenzeit, in der sich die Gebotstafeln befunden haben und das auch in der Folgezeit immer wieder als Kriegspalladium Israels Heere begleitete 5 . Am siebten Tag sollte die Ent-scheidung fallen (Josua 6,4f): „ Am siebten Tag sollt ihr siebenmal urn die Stadt ziehen, und die Priester sol/en in die Posau-ne stoiSen. Und beim langgezogenen Ton des machtigen Widderhorns, wenn ihr den Hall der Posaune h6rt, soil das ganze Volk ein machtiges Kriegsgeschrei schreien. Dann wird die Mau-

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er der Stadt in sich selbst zusammenfallen, und das Volk kann hineingehen, jeder, wo er gera-de steht." So geschieht es dann auch. Die Absicht des Erzahlers ist dabei eindeutig. Gott wirkt selbst das Wunder fur sein Volk, das nur glaubend seinen Anordnungen folgen sollte. Die Eroberung wird gleichsam als eine kultische Prozessionshandl ung gestaltet, und dieser Eindruck wird verstarkt durch das unmittelbar voranstehende Kapitel, in dem berichtet wird, daB sich der mann fiche Teil des Volkes im AnschluB an die Uberschrei-tung des Jordans auf Anordnung Gottes hin beschneiden lieB, und damit das Bundes-zeichen annahm, mit dem Gott Abrahams Nachkommen das Land verheiBen hatte (vgl. 1 Mose [= Genesis] 17). Danach feiert das Volk das Passafest, das ihnen Gott als Erinneru ng an den Auszug aus Agypten geboten hatte (Exodus 13,1-10). Aus der Sicht des Erzahlers ist also das genaue Einhalten der kultischen Ordnungen der eigentliche Beitrag lsraels an JHWHs Siegen far sein Volk. Und umgekehrt gilt: das Ubertreten der von Gott gegebenen Ordnungen durch einen Ei nzel nen oder ganz Isra-el fa hrt zur Niederlage. Die Kapitel 7 und 8 des Josuabuches sind dafOr exemplarisch: erst nachdern derjenige bestraft ist, der sich an Gottes Gebot vergangen hatte, konn-te das Volk wieder siegen. Eine kultisch-moralische Integritat war demnach von mensch licher Seite aus die Bedingung, urn Gottes Hilfe erwarten zu konnen, wobei Gottes Hilfe ganz konkret seine machtvolle Prasenz irn Lager der Israeliten bedeutete. Und von daher wird dann auch die Bedeutung verstandlich, die die gesetzlichen Teile der Thora auf die Einhaltung einer kultischen Lagerordnung legen. Der entscheidende Text la utet (5 Mose [= Deuteronorniunn] 23,10-16): „Wenn du in eh Lager ausruckst gegen deine Feinde, so I-lite dich vor allem AnstOBigen. Wenn sich jernand bei dir befindet, der infolge eines nachtlichen Begegnisses nicht rein 1st (vgl. 3 Mose L= Leviticus] 154-18), so soil er hinaus vor das Lager gehen; er darf nicht ins Lager komrnen. Gegen Abend soil er sich mit Wasser waschen, und bei Sonnenuntergang kann er wieder ins Lager kommen 6. Und einen Platz so/ist du auSerhalb des Lagers haben, wohin du austreten kannst. Und einen Spaten sollst du bei deinem Gerat haben. Wenn du dich drauSen hinsetzen rnu&t, so sollst du darnit ein Loch graben und deinen Kot wieder zudecken. Denn JHWH, dein Gott, wandelt inmitten deines Lagers, um dich zu retten und dei-ne Feinde vor dir preiszugeben, darum soil dein Lager rein sein, da8 er nicht etwas AnstaBi-ges an dir sehe und sich von dir abwende." 7 Es sind auf den ersten Blick unbedeutende rituelle Verunreinigungen, die hier erwahnt sind, aber sie al le gehoren zu der Heiligkeitsforderung Gottes an sein Volk: „I hr sollt heilig sein, denn ich bin heilig" (Leviticus 19,2). Rein heit ist die menschliche Voraussetzung Mr die gefa hrvolle Begegnung mit der heiligen Sphare Gottes und damit Voraussetzung fur Gottes hilfreiche Gegenwart im Kriegslager seines Volkes. Ganz massiv schildert dies ein Text aus dem schon genannten Kapitel Josua 5, das die Vorbereitungen der EroberungJerichos schildert. Nach der Beschneidung des Volkes und der Abhaltung des Passafestes begegnet dem israelischen Heerfuhrer

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Josua ein unbekannter Mann mit einem gezogenen Schwert in der Hand. Auf die Fra-ge, ob Freund oder Feind antwortet der Unbekannte (Josua 5,14f): r ich bin der Oberste des Heeres JHWHs. Nun bin ich genommen. Da fiel Josua zu Boden auf sein Angesicht, ihm zu huldigen und sprach: Was hat mein Herr seinem Knecht mitzuteilen? Da sprach der Oberste des Heeres JHWHs zu Josua: Ziehe deine Schuhe von deinen Fiii3en; denn die State, auf der du stehst, ist heilig." Nachdem das Volk seine kultischen Pflichten erfullt hatte, tritt Gott in Gestalt dieses Engelwesens in das Lager. Und such hier wird dann sofort herausgehoben, dag Gott-es Nahe Heiligkeit bedeutet, die ein adaquates Handeln des Menschen erfordert. Dazu gehoren auch die individuellen Reinheitsbestimmungen von denen oben (s. Anm. 6) bereits die Rede war. Die Reinheitsforderung nimmt den Einzelnen in den Blick: Jeder ist fur die Heiligkeit des Lagers mitverantwortlich, jeder kann sie durch die eigene Unreinheit zerstoren, kann damit gleichsam Gottes Prasenz vertreiben. Und damit die Verheigung zunichte machen, die Ober den Feldzugen der Israeliten stehen (Deuteronomium 20,14): ,Wenn du gegen deinen Feind zu FeIde ziehst und siehst Rosse, Wagen und ein Kriegsvolk zahlreicher als du, so so//st du dich nicht vor ihnen fOrchten, denn JHWH, dein Gott, der dich aus dem Land Agypten herausgefuhrt hat, ist mit dir. Und wenn ihr dann zum Kampfe kommt, so soil der Priester vortreten und zu den Leuten sprechen und sagen: Wire Israel, ihr kommt jetzt zum Kampf gegen eure Feinde. Euer Herz verzage nicht, furchtet euch nicht, angstigt euch nicht und erschreckt nicht vor ihnen, denn JHWH, euer Gott, 1st es, der mit euch zieht, urn far euch mit euren Feinden zu kampfen und euch zu helfen." Aber nicht nur der Auszug ins Feldlager und das Leben dort untersteht einer kulti-schen Ordnung, sondern auch die Ruckkehr in die alltagliche Sphare ist durch ein sie-bentagiges Ritual geregelts , wodurch die Unreinheit der Kampfenden, die entstanden ist durch den Kontakt mit den wahrend der Schlacht Gefallenen, beseitigt wird. Auch alle wahrend eines Feldzuges gewonnene Beute mug rituell gereinigt werden, ehe sie in 'zivilen' Besitz und Gebrauch genommen werden darf. In der gesamten Geschichte Israels von der Richterzeit bis in die Zeit der Kampfe gegen Rom sind diese Vorstellungen lebendig, wenn sie such nicht immer eindeutig benannt werden. Das belegt eine Schlachtschilderung des 2. Chronikbuches (20,1-30) aus dem 4. Jh. v.Chr. Auch hier waren das BuBfasten des Volkes, das Bittgebet des Konigs und die unter Einwirkung des gottlichen Geistes vermittelte priesterliche Heilszusage die entscheidenden `Waffen'. Noch bevor es zum Kampf kam, vernichtete JHWH die Feinde in dem Moment, als die Kultsanger, die den Heereszug begleiteten, den Lobgesang anstimmten. Neben diesen Traditionen vom Heiligen Krieg und Gottes Eingreifen zugunsten seines Volkes gibt es auch ein einheitliches Erklarungsmuster 9, mit dem die biblischen Ver-fasser die Niederlagen Israels deuten: solange es sich auf seinen Gott verlagt und sei-ne Gebote halt, solange kann es sich auf seine Hilfe verlassen. Aber da, wo Israel

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gegen JHWH sOndigt, da ist „die Hand Gottes gegen sie" (Richter 2,15), da laSt er die Feinde Ober sie siegen. Kehren das Volk oder wenigstens einige daraus urn zu ihm, dann beruft sich Israels Gott einzelne charismatische FOhrer, durch die er seinem Volk Rettung und Sieg schenken will, indem er selbst mit ihnen auf Heerfahrt geht. Die beruhmtesten dieser Retter sind die Richter Gideon und Simson (s. Richter 6-8 bzw. 13-16) sowie die ersten beiden Konige Saul und David (s. 1 Samuel 11 bzw. 17). In der spateren Konigszeit, als die Konige selbst immer wieder von der wahren JHWH-Verehrung abfielen, sind es besonders die beiden Propheten Elisa und Jesaja, die Gottes Eingreifen zugunsten seines Volkes offenbaren (s. 2 Konige 3,9-27; 6,8-7,20 bzw. Kap. 19).

Die Tradition des Heiligen Krieges zur Zeit der Makkabaer Das Ende des Konigtums 587 v.Chr., die Zeit der babylonischen Gefangenschaft und die Ruckkehr ins eigene Land (ab 535 v.Chr.) leitete eine relativ friedliche Phase fur das judische Volk ein. Aus den Konigreichen Israels und Judas ist die kleine persische Provinz Jehud geworden, deren Zentrum der Jerusalemer Tempel war und an dessen Spitze die Hohepriester standen. Erst mit dem Ubergang von der ptolemaischen zur seleukidischen Herrschaft (199/198 v.Chr.) anderten sich wieder die Verhaltnisse, besonders nachdem 175 v.Chr. Antiochus IV. Epiphanes den Seleukidenthron erober-te. In Verbindung mit ihm versuchten Teile der hellenisierten judischen Oberschicht eine durchgehende Hellenisierung des ganzen judischen Volkes zu erzwingen 1°. DarOber schreibt das 1 Makkabaerbuch (1,14-53): „Da erlieI der Konig ein Dekret ffir sein ganzes Reich, dal alle ein Volk bilden sollten und jeder seine (besonderen) Gebrauche aufgeben sollte; und alle VOlker fagten sich dem Befehl des Konigs. Auch viele aus Israel fanden Gefallen an seinem Kult, opferten den GOtzen und entweihten den Sabbat. Doch der Konig sandte durch Boten schriftliche Anweisungen nach Jerusalem und in die Stadte Judas, dal sie die dem Lande fremden Gebrauche befolgen soli-ten, Brandopfer, Schlachtopfer und Trankop-fer im Tempe/ unterlassen, Sabbate und Feste entweihen und Heiligtum und Heilige (gemeint ist das Kultpersonal) verunreinigen sollten. Dagegen sollten sie Altare, heilige Bezirke und GotzenheiligtOmer errichten sowie Schweine und andere unreine Tiere opfern. Ihre Sohne sollten sie unbeschnitten lassen und ihre Seelen durch allerlei Unreines und Greuliches beflecken, so da8 sie das Gesetz (gemeint ist die Thora) vergaSen und alle seine Gebote abschafften. Wer aber nicht nach der Weisung des Konigs handelte, sollte sterben. Entsprechende Anordnungen sandte er in sein ganzes Reich und setzte Aufseher Ober das gauze Volk ein; den Stadten Judas aber befahl er, (heidnische) Opfer darzubringen in jeder Stadt. Da schlossen sich ihnen (den Hellenisten) viele aus dem Volk an, jeder, der vom Gesetz abfiel. Sie verubten Bases im Lande und zwangen das wahre Israel, sich in jedem ihrer Schlupfwinkel zu verbergen." 11 Der Tempel in Jerusalem wurde entweiht und die Thorarollen verbrannt. Der Besitz einer Thorarolle sowie das Halten ihrer Gebote wurde mit der Todesstrafe belegt (1

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Makkabaer 1,56f), Mutter, die ihre Kinder heimlich beschneiden liegen, wurden samt ihren Familien getotet (1,60f). Und dennoch blieben viele in Israel standhaft „und beharrten bei ihrem Entschlug, Unreines nicht zu essen. Sie wollten lieber sterben, urn sich nicht durch Speisen zu verunreinigen und den heiligen Bund zu brechen: und

so starben sie." (1,62f) 12 . Im Widerstand gegen die feindliche Macht wurden die

Bestimmungen Ober die rituelle Reinheit in der Thora, neben der Beschneidung, zur entscheidenden Waffe. Hier schied sich, wer wirklich zu Israel gehorte - und hier mugte sich entscheiden, ob Gott diesen Gehorsam und diese Treue zur Thora anneh-men wurde, ob Gott noch einmal auf seiten seines Volkes kampfen wurde wie damals

in den Tagen der Richter und Konige. Und wirklich war es Gott selbst, der sich nach Meinung des Verfassers des 1. Mak-kabaerbuches ein Geschlecht erwahlte, „durch deren Hand Israel Heil zuteil werden sollte" (1 Makkabaer 5,62): Mattathias, ein Priester aus Modein, und seine fa nf Soh-ne begannen, sich der Hellenisierung zu widersetzen und mit „Thora und Todesrnut" fur ihren Glauben und ihre Freiheit zu kampfen (ab 167 v.Chr.). Sie toteten die Abtra n-nigen aus dem eigenen Volk, beschnitten mit Gewalt die Kinder, die sie unbeschnitten im Gebiet Israels fanden und zerstorten die Altare der griechischen Gotter, die Oberall im Land errichtet waren. Durch diese - im weitesten Sinne alle als der religiosen Rei-nigung dienenden - Magnahmen wurde Gottes Zorn von Israel abgewehrt (1 Mak-kabaer 3,8), und das bedeutet positiv, seine heilvolle Gegenwart wurde ermoglicht. Schon die Zwangsbeschneidung erinnert an den Anfang des Josuabuches (s.o.), aber auch die Beschreibung der Kampfe, die die makkabaischen BrOder in der Folgezeit gegen die Syrer zu fuhren hatten, zeigt, wie sehr die alten Traditionen vom Heiligen Krieg wieder lebendig wurden, verbunden allerdings mit dem neuen Motiv des Eifers fOr das Gesetz. Israels Identitat war gebunden an die Thora. Sie war Gottes Bundesur-kunde fur seinen Bund mit seinem Volk. Ohne Thora konnte es kein Israel geben, ohne ein strenges Einhalten der Thora durch die Kampfenden konnten sie aber auch nicht hoffen, dal Gott ihnen als Retter zur Seite stehen wurde. So kommt es, dab ein Zweifrontenkrieg von den Makkabaern und ihren Anhangern gefahrt wird: zum einen gegen den militarischen Gegner in Gestalt der seleukidischen Armee, zum anderen gegen die Unreinheit inn eigenen Land und Lager als Vorausset-zung fur Gottes Prasenz. Dabei wurde unrein zum Gegenbegriff fur alles, was nicht dem Anspruch der Heiligkeitsforderung Gottes an sein Volk entsprach (s.o.), es bein-haltete kultisch-rituelle Unreinheiten genauso wie moralische Verfehlungen, wobei immer darauf geachtet werden mug, dag die Nachlassigkeit oder bewugte Migach-tung in den sogenannten augeren Dingen (etwa das Essen von Schweinefleisch) als Bekenntnis verstanden wurde, als Gradmesser far die innere Einstellung, ohne dag man diesen (modernen) Gegensatz von augen und innen zu stark auf den antiken Menschen ubertragen darf, fur den das Ubertreten einer rituellen Vorschrift nicht weniger frevlerisch gegen das Gottliche war als ein moralisches Vergehen. Wie eng

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das Verhaltnis zwischen rituell-kultischer Integritat und militarischem Erfolg gesehen wurde, zeigt der Bericht in 2 Makkabaer 12,39-42. Als Judas, der von 166-162 v.Chr. der makkabaische Fahrer war, und seine Leute nach einer Schlacht ihre eigenen Gefallenen bestatten wollten, fanden sie bei jedem der Toten unter der Kleidung das Abbild von Gotzen, „die den Juden von der Thora verboten sind". Das Geschick der Gefallenen resultierte also aus ihrem Gotzendienst, der schlimmsten Form von Verun-reinigung aberhaupt. Als Konsequenz daraus ermahnt Judas seine Mitkampfer, sich fortan vor Sande zu haten, damit sie nicht deswegen sterben muSten. Eine besondere Schwierigkeit ergab sich fur die judischen Kampfer aus dem Sabbat-gebot, das alle Arbeit am Sabbat und den jadischen Feiertagen verbot. Ein Tell der Bevolkerung, der vor den Syrern in die HOhlen der judaischen Waste geflohen war, weigerte sich, am Sabbat zu kampfen oder auch nur den Hohleneingang zu verschan-zen. Ihre Begrandung war: „Wir wollen den Sabbattag nicht entweihen" (1 Makkabaer 2,34), und far diese Haltung nahmen sie den Tod auf sich. Die Makkabaer, als sie davon erfuhren, faSten daraufhin den Beschlui, auch am Sabbat zu kampfen, wenn sie angegriffen werden warden, denn (1 Makkabaer 2,40): „Wenn wir alle so handeln, wie unsere Bruder taten und nicht far unser Leben und unsere Gebote gegen die Heiden kampfen, werden sie uns bald von der Erde vertilgen." 13 Far unser Leben und far unsere Gebote, das heigt far die Thora. Das war fortan das Motto des jadischen Kampfes und diese Haltung bestimmte auch den Kampf gegen Rom. Wie sehr dabei die biblischen Texte zum Vorbild genommen wurden, zeigt das Makkabaerbuch aufs deutlichste. Das Gebet und das Vertrauen auf Gottes Hilfe waren die entscheidenden Waffen, die gegen die zahlenmagige Uberlegenheit der Feinde eingesetzt wurden. So ermahnt Judas seine Kampfgenossen angesichts der Uberzahl der Feinde (1 Makkabaer 3,18-22): „Es ist leicht mciglich, dab viele durch die Hande weniger eingeschlossen werden, und fiir den Himmel14 ist es kein Unterschied, durch viele oder durch wenige zu erretten; denn Sieg im Kampf beruht nicht auf der GraSe des Heeres, sondern vom Himmel kommt Starke. Sie kom-men zu uns voll von Hochmut und Gottlosigkeit, urn uns und unsere Frauen und unsere Kin-der zu vernichten und uns auszuplundem. Wir aber kampfen fCir unser Leben und fur unsere Gebote. Er selbst (namlich Gott) wird sie vor unserem Angesicht zerschlagen; ihr aber farchtet euch nicht vor ihnen!" Wie ernst die makkabaischen Kampfer die Einhaltung der Gebote nahmen, zeigt auch der Bericht in 1 Makkabaer 3,43-60, wo von einer groSen Volksversammlung in Miz-pe (weil Jerusalem und der Tempel in der Hand der Feinde war) die Rede ist, die wie-derum angesichts der feindlichen Ubermacht abgehalten wurde. Das Volk fastete, zer-riB seine Kleider und streute sich Asche auf das Haupt, alles Gesten der Bu8e und Unterwerfung unter Gottes Gewalt. Das Gesetz wurde befragt und die kultischen Pflichten betreffs des Zehnten und der Priesterabgaben erfallt, die unabhangig vom Tempel vollzogen werden konnten, denn nur so war das Essen von reiner Speise mog-

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lich 15. Auch die Posaunen wurden geblasen und das Volk erhob ein lautes Geschreiu. Nur wer Mut hatte, sollte sich der bevorstehenden Schlacht stellen 17 . Vor dem Aufein-andertreffen der Heere erinnerte Judas sein Heer an Gottes Rettungstat am Schilf-meer (1 Makkabaer 4,9): ,Denkt daran, wie unsere Vater im Roten Meer gerettet wurden, als der Pharao sie mit einer Streitmacht verfolgte. Und jetzt laBt uns zum Himmel (s. Anm. 14) rufen, ob er Gefallen an uns haben und des Bundes der Vater gedenken und diese Streitmacht vor unserem Ange-sicht heute vernichten will. Dann werden alle Volker erkennen, daB es einen gibt, der Israel erlast und errettet." Diese Vorgange wiederholen sich durch das ganze Makkabaerbuch hindurch: Gebet und die Ermahnung, tapfer zu sein eingedenk der Rettungs- und Wundertaten, die Gott in der Vergangenheit fEir sein Volk getan hatte 18 . Vor allem das 2 Makkabaer-buch berichtet von wunderhaften Eingriffen Gottes (2,22; 5,1-4; 10,29f; 11,8-10). Die `Taktik' der Makkabaer ist unCibertroffen in 2. Makkabaer 15,26f geschildert: „Judas aber und seine Leute gingen auf die Feinde los mit Gebet und Flehen. Wahrend sie mit ihren Handen kampften, beteten sie mit den Herzen zu Gott. Und sie erschlugen nicht weniger als 35.000 Mann und freuten sich sehr Ober die Epiphanie Gottes." Ein Hohepunkt war erreicht, als der Tempel zuruckgewonnen wurde und in einem achttagigen Fest gereinigt und neugeweiht wurde 19. Damit war der Ort wieder zugang-lich, an dem Gottes segnende Krafte dem Volk und Land vermittelt wurden. Doch noch immer war die Akra, eine Burg innerhalb Jerusalems, in der Hand der Syrer und der mit ihnen verbundeten judischen Hellenisten, die aus ihr heraus „Ausfalle unter-nahmen, die Umgebung des Heiligtums (d.i. des Tempels) verunreinigten und der Reinheit (des Heiligtums) einen schweren Schlag versetzten (1 Makkabaer 14,36). Auffallig ist, da8 die militarische Bedrohung, die von der Akra ausging, ganz offenbar nicht hoher eingestuft wurde als die rituelle Verunreinigung der heiligen Stadt mit ihrem Tempel. Erst im FrOhjahr 142 v.Chr. gelang es Simon, dem letzten der mak-kabaischen Bruder, die Besatzung der Burg endgultig auszuhungern und zur Uberga-be zu zwingen. Und auch darCiber hei8t es (1 Makkabaer 13,50): „Er vertrieb sie (die syrische Besatzung) von dort und reinigte die Burg von den Befleckungen" bzw. „Unreinheiten" (14,7) 20 , was mit einer groBen Dankprozession gefeiert wurde (13,51). Und dann heiSt es, gleichsam als Resumee aus diesen Ereignissen (14,8-15): „Sie (die lsraeliten) konnten ihr Land in Frieden bebauen; das Land gab seine Ertrage und die Baume der Felder ihre Frucht. (...) Er (Simon) schaffte Frieden fur das Land, und Israel erfreu-te sich groBer Freude. Ein jeder saB unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum, und es

gab niemand, der sie aufschreckte. Man hOrte auf, gegen sie zu kampfen auf der Erde, und die K6nige wurden vernichtend geschlagen in jenen Tagen. Er starkte alle DemOtigen seines Volkes, er erforschte das Gesetz und beseitigte jeden Gottlosen und BOsen. Das Heiligtum machte er herrlich, und die Gerate des Heiligtums vermehrte er." Mit diesen uberschwenglichen Farben, die ihr Kolorit aus den Beschreibungen der

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endzeitlichen Heilszeit der alttestamentlichen Propheten schopfen, endet der Kampf der Makkabaer urn die Freiheit. „Mit Thora und Todesmut" hatte ein kleines, militarisch an sich chancenloses Volk seine nationale Freiheit erkampft; das Wunder der Frahzeit, als Israel als Sklavenvolk aus Agypten zog und unter Josua das gelobte Land einnahm, hatte sich wiederholt. Gott hatte sich auf die Seite derer gestellt, die seine Gebote hielten. UnObersehbar ist dabei der Zusammenhang von Reinheit und Segen, denn mit der Reinigung des Landes geht seine Fruchtbarkeit als Erweis gottli-chen Segens einher.

Reinheit als Waffe im Kampf gegen Rom Vor diesem doppelten Hintergrund der biblischen Uberlieferung und des unmittelba-ren Erlebens zu Beginn der Makkabaerzeit wird die Bedeutung der Reinheit als Waffe in den beiden Aufstanden gegen Rom verstandlich. Die ausfuhrliche Darstellung der alttestamentlichen und makkabaischen Tradition ist aber auch darum notig gewesen, weil wir fur die Aufstande gegen Rom keine so positive Darstellung der Kannpfenden mehr besitzen, wie das mit den MakkabaerbOchern der Fall ist. Die wichtigste Quelle fur den Ersten Aufstand, der judische Historiker Josephus, beschreibt die Aufstands-gruppen durchweg in den dunkelsten Farben als Verderber des Volkes. Indem er aber hervorhebt, cla8 sie die Gebote und Reinheitsvorschriften besonders im Bereich des Tempels, der ja ein Zentrum des Widerstandes war, Obertreten hatten ihn ist das der eigentliche Grund der Niederlage), macht er indirekt doch deutlich, da8 auch in diesen Kampfen Reinheit eine wichtige Rolle spielte. Martin Hengel hat die Darstel-lungsweise des Josephus meisterhaft zusammengefaSt: „Josephus wollte durch seine scharfen Angriffe der Meinung entgegentreten, die Zeloten sei-en im Kampf gegen Rom vom Eifer fur das Gesetz und das Heiligtum geleitet gewesen. Nach seiner Argumentation war genau das Gegenteil richtig: Die Eiferer und ihr Anhang frevelten in unsagbarer Weise gegen Gott und sein Gebot, sie schandeten das Heiligtum derart, da/3 es Gott schliel3lich zerstoren mute, wahrend die Reimer alles daran setzten, es zu reinigen und zu erhalten. Wir haben hier eine Form schatister Polemik vor uns, die man als 'polemische Umkehrung' bezeichnen keinnte: Das ursprungliche Bestreben des Gegners wird vollig umge-dreht und ihm all das untergeschoben, was er am entschiedensten von sich weisen muSte."21 Die Ausgangslage im Jahr 66 n.Chr. ist der der Makkabaerzeit ahnlich. Wieder ist das jilidische Volk zahlennna8ig und militarisch dem Gegner absolut unterlegen. Die Auf-nahme des Kampfes gegen das rOmische Weltreich 168t sich darum Oberhaupt nur unter ROckgriff auf die beschriebenen Traditionen verstehen. Fur die Aufstandischen und ihre Gefolgschaft sind nicht nackte Zahlen entscheidend, sondern Gottes Hilfe, Gottes Prasenz. Und sie ist nur da moglich, wo Israel gema8 den Forderungen seines Gottes lebt. Wie dies konkret geschah, la8t sich fur die Aufstande gegen Rom anhand archaologischer Quellen demonstrieren. Doch zuvor ist es notig, das religiOse Profil jener Aufstandischen ganz kurz anhand der literarischen Uberlieferungen zu schil-

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Abb. 19: Treppenbad (Miqveh) aus den Thermen des Nordpalastes von Masada

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dern, und die wichtigsten Gruppierungen kurz dazustellen. Die zunehmende 'Verweltlichung' und Hellenisierung der makkabaisch-hasnno-naischen Dynastie im 1. Jh. v.Chr. hatte dazu gefuhrt, daft der Eifer fur die genaue Einhaltung des Gesetzes und damit verbunden auch der Reinheitsvorschriften mehr und mehr zum Anliegen einzelner Gruppen innerhalb der judischen Gesellschaft geworden war. Dazu kommt, da6 die Erfahrung des volligen Niederganges des Has-monaerhauses, der erneute Verlust der staatlichen Unabhangigkeit nach 63 v.Chr. sowie die von vielen als dematigend empfundene Herrschaft des Herodes und seiner Sohne daruber hinaus in diesen Gruppen zu einer Intensivierung der Bemuhungen urn Reinheit gefuhrt hatte, da man das Scheitern der eschatologischen Hoffnungen, die ja bereits dabei waren, sich zu erfullen, mit dem eigenen Versagen in Beziehung setzte 22. Da bei lassen sich zwei grundsatzliche Wege unterscheiden, wie sie von den judischen Gruppierungen der Essener und Pharisaer begangen wurden. Die Essener, deren Profil inzwischen durch die Textfunde und die Siedlung von Qum-ran sehr klar geworden ist, wahlten den Weg der Absonderung vom ubrigen Volk. Ein rigoroses Reinheitsideal wird von einer kleinen Gruppe in weitgehender Isolation prak-tiziert als Vorbereitung und Antizipation der bevorstehenden Heilszeit. Es ist der 'heili-ge Rest23 , der sich solcherart auf die Begegnung mit Gott vorbereitet, die nach den in Qumran gefundenen Texten schon jetzt im Gottesdienst der Gemeinschaft stattfindet wie dann auch in Zukunft im Heerlager der Gemeinde, wenn Gott selbst durch einen eschatologischen Krieg seine endgultige und universale Herrschaft inmitten und mit seiner Gemeinde zusammen erkampfen wird. Die in mehreren Exemplaren in Qumran gefundene „Kriegsrolle" (die wichtigste Handschrift ist 1QM), deren Grundstock mogli-cherweise in die makkabaische Zeit zuruckreicht, ist das eindrucksvolle Dokument eines 'liturgischen Krieges', bei dem nicht die militarische Taktik und das Waffenpo-tential entscheiden (obwohl die Rolle ein exaktes militarisches Reglement vorschreibt, das wahrscheinlich aus einem hellenistischen Handbuch der Kriegskunst stammt 24 ), sondern die genaue Einhaltung der gottlichen Ordnungen. Die Gegenwart Gottes und seiner Engel wird durch die genaue Einhaltung der Reinheitsvorschriften ermoglicht und gewahrt, da rum heigt es (1 QM VII 5-7): „Und jeder Mann, der nicht rein ist von seiner Quelle her am Tage des Kampfes, soil nicht mit ihnen hinunterziehen; denn die heiligen Engel sind zusammen mit ihren Heerscharen. (..) Und keine schadliche, base Sache soil rings um alle ihre Lager gesehen werden." 25 Einen anderen Weg als die Essener wahlten die Pharisaer. Ihr Anliegen war es, das ganze Volk zur Einhaltung der Gebote anzuhalten. Und such bei ihnen spielten die Reinheitsgebote eine wichtige Rolle, weil ihr korrektes Befolgen als auBeres Bekennt-nis einer thoratreuen Haltung verstanden wurde und daneben auch fur sie die schon mehrfach erwahnte Verbindung von gottlichem Segen und Halten der Gebote selbst-verstandlich war. In der aus der pharisaischen Uberlieferung hervorgegangenen rabbi-nischen Literatur, die seit Beginn des 3. Jh.s n.Chr. verschriftet wurde, findet sich

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mehrfach der Gedanke, dal die messianische Heilszeit anbrechen warde, wenn ganz Israel wenigstens an einem Tag die Gebote wirklich halten warde 26 . Aus dieser Uber-zeugung heraus ist ihr Bemahen urn gesetzestreues Verhalten zu erklaren. Die Platt-form ihres offentlichen Wirkens waren die Synagogen und Schulen des Landes Israel, wo sie dem Volk ihre Thorainterpretation vermittelten. In ihrer Haltung der romischen Herrschaft gegenaber waren sie gespalten. Ein Teil der pharisaischen Bewegung lebte nach dem Vorsatz „den Frieden liebend und dem Erie-den nachjagend, die Menschen liebend und sie hinfahren zur Thora" 27 . Die Pharisaer dieser Richtung versuchten auch, nachdem der Aufstand gegen Rom 66 n.Chr. ausge-brochen war, als Teil der sogenannten 'Friedenspartei', von der Josephus berichtet, die Ausbreitung des Konflikts zu verhindern, jedoch ohne Erfolg. Durch die zunehmen-de rOmische Migwirtschaft seit der erneuten Umwandlung Judaas in eine romische Provinz nach dem Tod Herodes Agrippas I. 44 n.Chr. hatte die Radikalisierung inner-halb der jadischen Bevolkerung allmahlich so zugenommen, dab der militante pha-risaische Flagel die Oberhand gewann. Die Grenzen zwischen ihm und der zelotischen Partei darften weitgehend flie1end gewesen sein, allerdings fehlen uns eindeutige Quellen, da nach den beiden gescheiterten Aufstanden gegen Rom alle diesbezugli-chen Traditionen unterdruckt wurden. Aus dem Bericht des Josephus Ober die Gran-dung der zelotischen Partei inn Jahr 6 n.Chr. geht jedoch eindeutig hervor, dal Pha-risber hieran entscheidenden Anteil besagen, denn neben Judas Galilaus29 wird als zweiter Grander der Pharisaer Zaddok genannt 29. Ihr Credo war, daB Gott seinen Volk nur dann beistehen wurde, wenn dieses seine Herrschaft ganz und gar anerkennen warde, womit nach ihrer Uberzeugung die Ablehnung der romischen Herrschaft ein-herging. Weiter schreibt Josephus, nachdem er zuvor die Pharisaer, Sadduzaer und Essener besprochen hat (Antiquitates XVIII 23): ,Der vierten unter den Philosophenschulen (als solche hat er seinen griechischen Lesern die judischen Gruppierungen verstandlich machen wollen) steht Judas als Filhrer vor. Sie stimmt aber in allem Ubrigen mit den Pharisaem °herein, jedoch 1st ihre Freiheitsliebe unCiberwind-lich und als Herrscher und Herrn kennt sie Gott allein an." Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn nun auch in dem Kampf der Zelo-ten gegen Rom Reinheit zu einer entscheidenden Waffe werden sollte, wobei vor allem die makkabaische Erhebung Modell stand 30 . Wie diese beschnitten die Zeloten mit Gewalt alle Juden, die ihnen in die Hande fielen und nicht beschnitten waren; sie bedrohten Juden, die Zauberei betrieben oder geschlechtlichen Umgang mit heidni-schen Frauen hatten und vertraten eine verscharfte Geltung des Bilderverbots, die so weit ging, daB sie nicht einmal mehr eine Manze mit dem Portrait eines heidnischen Herrschers in die Hand nehmen wollten, was die Bedeutung einer eigenen Manzpra-gung bei den Aufstandischen in beiden Revolten verstandlich macht. Alle diese Pha-nomene kannen unter die Stichworte Reinigung des Landes, Reinigung des Tempels und Reinigung der Bevolkerung subsummiert werden. Und es ist von daher auch

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ohne weiteres nachvollziehbar, wieso die zelotischen Gruppen, wo immer sie auftra-ten, sich auch in ihren eigenen Reihen urn hochstmogliche Reinheit bemuhten, denn ihr Lager stellte doch das Heerlager lsraels dar, durch das Gott seinem Volk Befreiung schenken wollte. Die alltagliche Reinheit wurde dabei in der Art praktiziert, wie sie die Pharisaer dem Volk verrnittelt hatten. Ihre erkennbaren archaologischen Spuren sind u.a. die in der Ausstellung gezeigten Steingefage, daneben aber auch die von den Aufstandischen angelegten oder weiterbenutzten Synagogen von Masada und dem Herodion 31, sowie die dort gefundenen rituellen Tauchbader (Miqwaot, der Singular lautet Miqwe), die notig waren, urn die regelmagig wiederkehrenden Unreinheiten (etwa bei Frauen wahrend der Menstruation oder durch Samenergug beim Mann) zu beseitigen (s.o. Anm. 6). Die weite Verbreitung von soichen Ritualbadern in Israel ab dem 1. Jh. v.Chr. geht auf pharisaischen Einflug zurack. Zum Teil wurden die Miqwaot in Masada und dem Herodion von den Aufstandischen neu angelegt, doch konnten sie dafar auch schon altere Anlagen aus der Zeit des Herodes verwenden 32 . Wie ernst die Reinheitsvorschriften auch von diesem, immerhin judischen Konig, genommen wurden, belegt u.a. die Architektur seiner Badeanlagen, wie sie sich in alien seinen Festungspalasten findet. Angelegt nach romischem Vorbild mit der Abfol-ge Apodyterium, Frigidarium, Tepidarium und Caldarium enthalten sie dennoch ein ganz charakteristisches, jadisches Spezifikum, indem das Frigidarium in Form einer Miqwe gebaut war, deren herausragendes Merkmal breite, in das Becken hinab-fuhrende Stufen sind. Fur eine zur rituellen Reinigung tauglichen Miqwe ist eine bestimmte Mindestmenge kultisch 'reinen' Wassers notig, die ein volliges Untertau-chen des Korpers ermoglicht33 . Wie die Miqwaot, verdanken sich auch die Steingefage dem Bestreben, im Alltag 'rein' zu sein. Die SteingefaBe (s.S. 136 ff, Abb. 41) sind eine typisch judische Fundgruppe aus der Zeit von Herodes bis 70 n.Chr., vereinzelt noch bis nach 135 n.Chr. Ihre Beliebtheit und Verwendung ist nur erklarbar vor dem Hintergrund der alttestamentli-chen Reinheitsvorschriften, die sehr strenge Bestimmungen far den Umgang mit Ton-geraten und -gefaBen kennt. Wurde ein Tongefag unrein, was etwa dadurch gesche-hen konnte, dag sich ein totes Insekt in seinem Innenraum befand, oder dab eine unreine Person mit ihm hantierte, dann war es zu zerbrechen. Nur far die selteneren Gefage aus Holz oder Metall gab es Moglichkeiten, sie mit Wasser oder durch Aus-gluhen im Feuer zu reinigen. Da Glas- und Steingefage in der schriftlichen Thora nicht erwahnt werden, mugte im Lauf der Zeit Ober ihre Verunreinigungsfahigkeit entschie-den werden, damit ein judischer Haushalt, der nach den Reinheitsvorschriften lebte, wugte, wie er mit ihnen umzugehen habe. Fur Glas wurde bestimmt, dab es unrein werden kann, aber ebenso wie Gefage aus Holz mit Wasser auch wieder gereinigt werden kann. Fur SteingefaBe dagegen wurde die Bestimmung erlassen: „Gefage aus Stein nehmen keine Unreinheit an." Diese Entscheidungen sind Teil der sogenannten

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Abb. 20: Treppenbad in der Ruine von Hirbet Qumran

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Abb. 21: Synagoge im ehemaligen Speisesaal des Oberen Palastes von Herodion

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mundlichen Thora, die fur die Pharisaer und die von ihnen gepragte Bevolkerung gleichwertig neben der schriftlichen Thora steht. Den SteingefaSen wurde durch die-sen Entscheid eine Vielzahl von Verwendungsmoglichkeiten in jenen Bereichen ermoglicht, die durch Verunreinigungen besonders betroffen waren. Dazu gehorten u.a. die oben erwahnten Priesterabgaben, die, da sie als Nahrung fur die Priester dienten, unter keinen Umstanden unrein werden durften (vgl. Jesaja 66,20; Sacharja 14,21; Judith 11,13). Neben SteingefaSen wurden auf Masada dafur auch solche aus Ton gefunden, auf denen der Reinheitsgrad schriftlich vermerkt warm. Seit Herodes entwickelte sich eine regelrechte SteingefaSindustrie, die in eigenen Werkstatten, die z.T. archaologisch nachgewiesen werden konnten, eine erstaunlich breite Produktpalette herstellten. In der Produktionsweise lassen sich Gefa6e, die mit Hammer und Mei6e1 hergestellt wurden (wie die Gefa6e in der Ausstellung, wo vor allem an dem gro6en Gefa6 die Bearbeitungstechnik sehr gut sichtbar ist) von sol-chen unterscheiden, die auf Steindrehbanken produziert wurden, woffir die judischen Handwerker romische Techniken Obernahmen. Die gedrehten Gefa6e sind auch asthetisch anspruchsvoll und durften entsprechend teuer gewesen sein, wahrend die etwas roh wirkenden gemeiSelten Becher und Schusseln, die sehr weit verbreitet sind, eher der Normalausstattung eines judischen Hauses entsprochen haben wer-den. Die Verbreitung dieses GefaStypes laSt sich fur das 1. Jh. n.Chr. fur das ganze jadi-sche Palastina, wenn auch in unterschiedlicher Konzentration, nachweisen, so u.a. auch in den in dieser Ausstellung erwahnten Orten, die in besonderer Weise mit dem Aufstand verbunden sind wieJotapata 35 , Gamla, Narbata und Jerusalem. Aber auch in die herodianischen Festungen, die von den Aufstandischen besetzt und gegen die Romer verteidigt wurden, nahmen die Kampfenden und ihre Familien ihre Steinge-fa8e mit, da sie such unter den extremsten Belastungen einer Belagerung nicht auf die Einhaltung der Reinheitsgebote verzichten wollten, ja ihrer eigenen Uberzeugung gema6 gar nicht verzichten konnten: denn nur Gottes Eingreifen hatte die Belagerten retten kOnnen, und zur Ermoglichung eines solchen Wunders war die Reinheit des Lagers eine grundlegende Voraussetzung. Die spatesten Exemplare dieser Fundgruppe stammen aus den Fluchthohlen am Toten Meer und in der Kustenebene aus der Zeit des Bar Kochba Aufstandes, wohin sie die judische Bevolkerung mitnahm, die vor den Romern floh. Auch unter diesen bedrohlichen Umstanden waren die Fluchtlinge nicht bereit, auf die Forderung Gottes nach Reinheit zu verzichten. So sind die Gefa6e in der Tat steinerne Zeugnisse jadi-scher Gesetzestreue, deren Hoffnung einzig darin bestand, dab Gott sich dieser Treue nicht verweigern wiirde36 .

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Anmerkungen: 1 Der Begriff „Thora" 1st in der judischen Uberlieferung mehrdeutig. Er meint zum einen die 5 Bucher Moses, den sogenannten Penta-teuch, der die gesamte gesetzliche Uberlieferung enthalt, zum andered kann Thora aber auch die gesamte judische Bibel (das christli-che Alte Testament) bezeichnen. Darriber hinaus steht Thora aber auch fur die Summe der gesetzlichen Tradition in schriftlicher und mOndlicher Form, die In weiten Kreisen des Judentums als untrennbare Einheit gesehen wurde. 2 Grundlegend clef& ist die Monographie von G. von Rad, Der Heilige Krieg im alten Israel, Gottingen, 4. Autl. 1965. 3 Die Geschichte von den zehn Plagen ist Oberliefert In 2 Mose (= Exodus) 7-10. 4 Die Eroberung des Landes Kanaan, wie sie das biblische Buch Josua enthalt, ist kein Geschichtsbericht im engeren Sinne, sondern theologische Geschichtsschreibung, die idea lisierend einen ermahnenden Zweck beabsichtigt. Sie enthalt gleichwohl historische Erin-nerungen. Im Hinblick auf den judischen Widerstand gegen Rom im 1. und 2. Jh. n.Chr. mu8 jedoch bedacht werden, daB die damali-gen jOdischen Leser die Berichte so lasen und verstanden, wie ale dastehen, und an die darum als Beispieie fOr gOttliche Hilfe vor ent-scheidenden SltuatIonen immer wieder erinnert wurde, um sich Mut zu machen, s.u. Anm. 18 und 24. 5 Vgl. besonders 1 Samuel 4,1-8. Die Gegenwart der Lade bedeutet die GegenwartJHWHs selbst 6 Die nachfolgenden Bestimmungen belegen eindeutig, daB mit dem „AnstaBigen", vor dem man sich htiten soil, in besonderer Weise rituell-kultische Unreinheiten gemeInt sind. Im Falle der Manner 1st hier besonders an einen nachtlichen Samenergu8 gedacht Zur Begegnung mit dem heiligen Gott gehorte in bestimrnten Fallen sexuelle Enthaltsamkeit, vgl. als Beispiel Exodus 19,10-15 (vor dem Empfang der Thora am Sinai); 1 Samuel 21,5f (vor dem Essen des heiligen, JHWH geweihten Brotes; zuglelch 1st diese Stelle ein Beleg deur, daB die Soldaten normalerweise in kultisch reinem Zustand in den Kampf zogen). Die Reinigung erfolgte innerhalb eines Tages und bedurfte cur einer Waschung, die seit dem 2. Jh. v.Chr. als Reinigung in einem rituellen Tauchbad (einer sogenannten Miqwe) voll-zogen wurde. 7 Vgl. auch die Parallele in 4 Mose (= Numeri) 5,14. 8 Es ist beschrieben in 4 Mose (=Numeri) 31,19-25. 9 Vgl. Deuteronomi um 4,1-40; Richter 2,6-3,4; 2 Konige 17,7-23. 10 Grundlegend far die historischen und religiesen HintergrOnde des 2. und 3. Abschnittes sind: M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchun-gen zurjudischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n.Chr. (Arbeiten zur Geschichte des Antiken Judentums und des Urchristentums 1), Leiden 2. Aufl. 1976; D. Mendels, The Rise and Fall of Jewish Nationalism, New York u.a. 1992; H. Schwier, Tempel und Tempelzerstorung. Untersuchungen zu den theologischen und ideologischen Faktoren im ersten judisch-romischen Krieg (66-74 n.Chr.) (Novum Testamentum et Orbis Antiquus 11), Freiburg (CH)/Gottingen 1989. 11 Vgl. auch den Parallelbericht 2 Makkabaer 4,10-17. 12 Das eindrucksvollste Zeugnis dieser bis zum Martyrium thoratreuen Haltung ist die Geschichte von den 7 BrOdern und ihrer Mutter in 2 Makkabaer 7 (vgl. schon Kap. 6) und dem 4. Makkabaerbuch. 13 Dennoch war das BemGhen groB, den Sabbat und die Feste nach MOglichkeit zu hatten, vgl. 2 Makkabaer 8,26f; 15,1-5. Auch die Aufstandischen gegen Rom beschrankten Ihre militarischen Aktionen am Sabbat weitgehend (aber nicht ausschlIeBlich) auf die Selbst-verteidigung, vgl. M. Hengel, Zeloten (s. Ann,. 10), 293-296. 14 „Himmel" 1st in judIschen Texten haufig eine Umschreibung fur Gott 15 In 2 Makkabaer 5,27 wird erzahlt, daB sich Judas und seine BrOder zu Beginn des Aufstandes nur von wilden Krautern ernahrten, um ja nichts Unreines essen zu mOssen. 16 1 Makkabaer 3,54, vgl. die oben zitierte Stelle Josue 6,16.20 und Numed 10,9, wo Gott seinem Volk befiehft: „Wenn ihr in den Krieg zieht in eurem Land gegen eure Feinde, die each bedrangen, so sollt ihr laut trompeten mit den Trompeten, damit eurer gedacht werde vor JHWH eurem Gott, und ihr errettet werdet vor euren FeInden." Auch in den folgenden Schlachtberichten werden immer wie-der die Posaunen erwa tint, vgl. 1 Makkabaer 4,13; 5,33; 9,12; 16,8 und unten Anm. 24 zur Kriegsrolle aus Qumran. 17 1 Makkabaer 3,56. Auch damit wird eine Vorschrift der Thora erfulit, vgl. Deuteronomium 20,5-9. 18 Zum Gebet vor oder wahrend der Schlacht vgl. 1 Makkabaer 4,29; 5,33; 7,40; 9,46; 16,3; 2 Makkabaer 10,16.25f, 11,6; 12,15.28.36f; 13,10-17; zur Erinnerung an Gottes Taten in der Vergangenheit s. 1 Makkabber 4,30; 7,41f; 2 Makkabaer 8,18-20; 12,15; 15,7-15.21-24. 19 1 Makkabaer 4,36-60; 2 Makkabaer 1,8f.18; 2,16-23; 10,1-8. Das Chanukka-Fest, das bis heute im jOdischen Festkalender steht, ist die Erinnerung an diese Wiedereinweihung und Reinigung des Tempels 164 v.Chr. durch Judas Makkabaus. Es 1st auch im Neuen Testament erwahnt (Johannesevangelium 10,22). 20 Zur Reinigung einer Stadt, nachdem sie erobert worden war, vgl. auch 1 Makkabaer 13,47f. 21 Zeloten (s. Anm. 10), 190. 22 Auch diese Denkweise basiert auf Erfahrungen der alttestamentlichen Geschichte. Die Propheten hatten Israel als Folge ihres dau-ernden Ungehorsames Gott gegenaber die ZerstorungJerusalems und das Exil angedroht, und entsprechend wurden diese Ereignisse, nachdem sie dann eingetreten waren, auch interpretiert. Es lag daher nahe, auch auf das schluBendliche Scheitern der makkabal-schen Erhebung diese Interpretationsweise zu Obertragen, vgl. dazu J. Maier, Zwischen den Testamenten. Geschichte und Religion in der Zeit des Zweiten Tempeis (Die Neue Echterbibel Erganzungsband 3 zum Alten Testament), WOrzburg 1990, 260-263. DaB Schuld-erfahrung oder auch gesellschaftliche Krisensituationen durch verstarkte ReInheitsbemilhungen kompensiert werden, ist ein auch In der griechischen Antike verbreitetes Phanomen, vgl. dazu E. R. Dodds, Die Griechen und das Irrationale, Darmstadt 1970. 23 Vgl. dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 10), TObingen '1988, 394-453, besonders S. 411: den Augen des Lehrers (gemeint ist der GrOnder der Qumrangemeinschaft, der „Lehrer der Gerechtig- keit", R.D.) hatte dagegen das Volk, das jetzt den Makkabaern als Befreiern zujubelte, aus den furchtbaren Strafgerichten Gottes, dem Greuel der Verwilstung im Tempel, der Verfolgungszeit und der anschlieBenden Kriegsnot nicht die elnzig richtlge Konsequenz der ernsthaften BuBe gezogen und somit die drohenden Zeichen der Zeit nicht erkannt, ja vielleicht gar die rasche Herbeiffihrung der

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Heilszeit damit hinausgezogert." Das Ausbleiben der Heilszeit, „die endlose Verlangerung der Kriegswirren und die Wandlung der Mak-

kabaer von charismatischen Vol ksfahrern zu wendigen Realpolitikern und gewalttatigen Condottieri muBten fur sie eine gro6e Enttau-

schung bedeuten. Die Erklarung lag nahe: Das Volk in seiner Gesamtheit war des Anbruchs der Hellszeit nicht wOrdig gewesen, es muftte durch weitere Gerichte gelautert werden. An seine SteIle trat daher der 'Rest', die essenische Heilsgemeinde."

24 Vgl. M. Hengel, Zeloten (s. Anm. 10), 283; J. Duhaime, The War Scroll from Qumran and the Greco-Roman Tactical Treatises, Revue de Qumran 13 (1988), 133-151. Der Text enthalt zahlreiche Elemente aus der Tradition des helligen Krieges, so vor allem vor dem

Kampf die priesterliche Ermahnung und Unterweisung (X 3-8; XVI 15-XVII 9) und das Gebet (X 8-XII 18; XIII 7-18; XV 4-18, vgl. a. XIII 1-

6: Segen und Fluch), wahrend der Schlacht die Signaltrompeten (II 15f-III 11; VII 12-IX 6; XVI 3-14; XVII 10-XVIII 4) und das Kriegsge-schrei (I 11) und nach der Schlacht das Dankgebet (XIV 3-15; XVIII 6-XIX 8) sowie die rituelle Reinigung der Kampfer (XIV 2f). Selbstver-

standlich ist das Lager verstanden als Lager Gottes, in dem die entsprechenden Relnheitsbedingungen gelten (IV 9-11; VII 2-7; IX 8; X 1f).

25 Zu den Bestimmungen s.o. S. 86 m. Anm. 6.

26 Die Belege bei M. Hengel, Zeloten (s. Anm. 10), 127-132.

27 So die Maxine des bedeutendten Pharisaers, Hillel, der zur Zeit des Herodes wlrkte, 0berliefert in der Mischna, Traktat Avot 1,12. 28 Er ist such im Neuen Testament erwahnt, vgl. Apostelgeschichte 5,37. 29 Vgl. Josephus, Antiquitates XVIII 4.9.

30 Vgl. dazu M. Hengel, Zeloten (s. Anm. 10), 190-229; H. Schwier, Tempelzerstorung (s. Anm. 10), 55-170. Dort such die Belege fur das Folgende.

31 Zu den Synagogen vom Herodion und von Masada s. H.-P. Kuhnen, Palastina in griechisch-rOmischer Zeit (Handbuch der Archaolo-

gie. Vorderasien 11/2), Munchen 1990, 190-193. Zu Masada s. a. E. Netzer (Hg.), Masada III. The Yigal Yadin Excavations 1963-1965 Final Reports: The Buildings. Stratigraphy and Architecture, Jerusalem 1991, 402-413. Umstritten ist nach wie vor, ob das Gebaude

schon zur Zeit des Herodes als Synagoge dlente, oder erst von den Zeloten zu einer solchen umfunktioniert wurde. Die Miqwaot als

Teil der herodianischen Bader (s.u. Anm. 32) machen es jedoch denkbar, daft schon Herodes eine Synagoge fur sich und/oder seine Bedienten und Gaste einrichten lief.

32 Zu den herodianischen Palastmiqwaot s. den obengenannten Abschluftband der Masada-Ausgrabung 76-101 (bes. 810.124- 131.164-170.177-183.251-263. Zu den zusatzlichen, von den Zeloten eingerichteten Miqwaot s. ebd. 158.221f.227f.274f.298-

300.320-322.329-334.398-401 (mehrere „pools" in der Nahe der Synagoge, deren Funktion nicht mehr zu fassen Ist).504-

510.513f.623.626.640. Diese auffallige Vielzahl von Badem zur rituellen Relnigung belegt eindrucklich, welche Bedeutung Reinheit fur die judischen Kampfer besaR.

33 Vgl. zu den herodianischen Miqwaot R. Reich, The Hot Bath-House (balneum), the Miqwe and the Jewish Community in the Second

Temple Period, Journal of Jewish Studies 39 (1988), 102-107; E. Netzer, Ancient Ritual Baths (Micrwaot) in Jericho, The Jerusalem Cathedra 2 (1982), 106-119; zu den Palastbadern s. R. Hachlili, Ancient Jewish Art and Archaeology in the Land of Israel (Handbuch

der Orientalistik 7. Abt., Bd. I/2B, Lfg. 4), Leiden u.a. 1988, 57-61.

34 Sie sind verOffentlicht in: Masada I. The Yigal Yadin Excavations 1963-1965 Final Reports: The Aramaic and Hebrew Ostraca and Jar Inscriptions, Jerusalem 1989, 32-39.

35 Ober die neuen Ausgrabungen in Jotapata liegen noch kelne detaillierten Grabungsberichte vor. In den bisher veroffentlichten Pres-

seberichten wird jedoch von gedrehten Steingefaften und Miqwaot berichtet Die archaologische Erforschung der Stadt begann 1992. 36 Alle Belege, Fundorte, Produktlonsmethoden und literarischen Zeugnisse die SteingefaSe betreffend finden slch In R. Deines, JOdi-

sche SteingefaSe und pharisaische Frommigkeit (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe 52), Tubingen 1993. Steingefafie werden such einmal im Neuen Testament erwahnt (Johannesevangelium 2,6). Im Obrigen gilt such fur den Auf-

stand des Bar Kochba das hier fiber die Bedeutung der Reinheit und Gesetzestreue Gesagte in allen StOcken, vgl. etwa seinen Brief

Ober die FeststrauSe zum LaubhOttenfest oder den Ober die Weizenlieferung nach dem Sabbat (zitiert bei Y. Yadin, Bar Kochba, Ham-burg 1971, 128f.138f.)

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