Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis: Regeln für die Seelsorge der Jesuiten...

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IV. Capitulum BOHEMIA JESUITICA 1556–2006 Pag. 385–394 JI¤Í M. HAVLÍK Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis: Regeln für die Seelsorge der Jesuiten an Pestkranken in der Böhmischen Provinz Dieser Beitrag ist eine kommentierte Edition der Regeln Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis für die Seelsorge der Jesuiten an Pestkranken. Er hat nicht die Absicht, Forschungslücken der tschechischen Geschichtsschreibung zu schließen, die auf die- sem Gebiet bestehen, sondern möchte lediglich einige Hinweise zu den in der Gesellschaft Jesu üblichen Praktiken geben. 1 Richtlinien für bestimmte Tätigkeiten wurden von religiösen Orden für den eigenen Bedarf verfasst und waren in den meisten Fällen kein Bestandteil der eigentlichen Ordensre- geln. Ähnlich wie weltliche Institutionen erließen sie diese Anweisungen eher aus der augenblicklichen Notsituation heraus. Viele Ordensleute widmeten sich mit großer Begeisterung der Pflege von Pestkranken. Als herausragende Beispiele wären der geistige Vater der Kapuziner, der selige Matteo da Bas- cio (1495–1552), der sich in den 1520er Jahren im italienischen Camerino ihrer annahm, 2 ebenso zu nennen wie der böhmische Jesuit Matthäus Vierius (1634–1680), der sie bei der Pestepidemie 1680 in Prag betreute, 3 und sein Ordensbruder Friedrich Bridelius (1619–1680), der im selben Jahr in Kuttenberg bei ihrer Pflege starb. Die Ordensleute lernten sehr schnell von der Praxis der Ärzte und waren wie diese bemüht, zunächst sich selbst zu schützen. Es handelte sich dabei um eine überlegte und ver- 385 * Übersetzung: Michael Wögerbauer 1 Zum allgemeinen Hintergrund cf. Jifií M. HAVLÍK / Karel âERN¯: Jezuité a mor, Praha 2009. 2 Mariano D’ALATRI: I Cappuccini. Storia d’una Famiglia Francescana, Roma 1994; Lazaro IRIARTE: Storia del Francescanesmo, seconda edizione italiana riveduta e aggiornata, Roma 1994. Dort auch weitere Literatur zum Thema. 3 Der Autor des Romans Christoslaus wurde am 20. Februar 1634 in Dölnitz/Dolnice in Schlesien/Âlàsk/Slezsko geboren, studierte in Troppau/Opava Philosophie, erwarb in Olmütz/Olomouc den Magistergrad und trat dort 1661 in die Societas Jesu ein. Als Jesuit wirkte er in Prag, auf dem Hl. Berg bei Pribram / Sv. Hora uPfiíbrami, in Brünn/Brno und Troppau und legte 1671 die Professgelübbde ab. Als Schriftsteller veröffentlichte er: ChoÈ Kristo- va 1680 und Christoslaus 1689. Cf. dazu Zdenûk KALISTA: Matûj Vierius (1634–1680), in: âeská literatura 17 (1969), p. 474–505, mit einer Edition seiner Elogia; Mal˘ svût jest ãlovûk aneb V˘bor z ãeské barokní prózy, ed. Milo‰ SLÁDEK, Jinoãany 1995, p. 73–76; Alexandr STICH: Matûj Vierius: Christoslaus aneb Îivot Kristoslava kníÏete, in: Souvislosti 3 (1992), p. 101–107; Aloys de BACKER / Carlos SOMMERVOGEL: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus: I. Bibliographie par les pères Augustin et Aloys de Backer, II. Histoire par le père Auguste Carayon. Nouvelle edition par Carlos SOMMERVOGEL SJ, vol VIII., Bruxelles/Paris 1890–1913, p. 740. 04Cemus_BohemiaJesuitica 8.12.2009 14:36 Stránka 385

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IV. Capitulum BOHEMIA JESUITICA 1556–2006 Pag. 385–394

JI¤Í M. HAVLÍK

Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis:

Regeln für die Seelsorge der Jesuiten an Pestkranken

in der Böhmischen Provinz

Dieser Beitrag ist eine kommentierte Edition der Regeln Quaedam servanda in visitandisinfirmis et maxime pestiferis für die Seelsorge der Jesuiten an Pestkranken. Er hat nicht die

Absicht, Forschungslücken der tschechischen Geschichtsschreibung zu schließen, die auf die-

sem Gebiet bestehen, sondern möchte lediglich einige Hinweise zu den in der Gesellschaft

Jesu üblichen Praktiken geben.1

Richtlinien für bestimmte Tätigkeiten wurden von religiösen Orden für den eigenen

Bedarf verfasst und waren in den meisten Fällen kein Bestandteil der eigentlichen Ordensre-

geln. Ähnlich wie weltliche Institutionen erließen sie diese Anweisungen eher aus der

augenblicklichen Notsituation heraus.

Viele Ordensleute widmeten sich mit großer Begeisterung der Pflege von Pestkranken.

Als herausragende Beispiele wären der geistige Vater der Kapuziner, der selige Matteo da Bas-

cio (1495–1552), der sich in den 1520er Jahren im italienischen Camerino ihrer annahm,2

ebenso zu nennen wie der böhmische Jesuit Matthäus Vierius (1634–1680), der sie bei der

Pestepidemie 1680 in Prag betreute,3 und sein Ordensbruder Friedrich Bridelius (1619–1680),

der im selben Jahr in Kuttenberg bei ihrer Pflege starb.

Die Ordensleute lernten sehr schnell von der Praxis der Ärzte und waren wie diese

bemüht, zunächst sich selbst zu schützen. Es handelte sich dabei um eine überlegte und ver-

385

* Übersetzung: Michael Wögerbauer1 Zum allgemeinen Hintergrund cf. Jifií M. HAVLÍK / Karel âERN¯: Jezuité a mor, Praha 2009.2 Mariano D’ALATRI: I Cappuccini. Storia d’una Famiglia Francescana, Roma 1994; Lazaro IRIARTE: Storia del

Francescanesmo, seconda edizione italiana riveduta e aggiornata, Roma 1994. Dort auch weitere Literatur zumThema.

3 Der Autor des Romans Christoslaus wurde am 20. Februar 1634 in Dölnitz/Dolnice in Schlesien/Âlàsk/Slezskogeboren, studierte in Troppau/Opava Philosophie, erwarb in Olmütz/Olomouc den Magistergrad und trat dort1661 in die Societas Jesu ein. Als Jesuit wirkte er in Prag, auf dem Hl. Berg bei Pribram / Sv. Hora u Pfiíbrami, inBrünn/Brno und Troppau und legte 1671 die Professgelübbde ab. Als Schriftsteller veröffentlichte er: ChoÈ Kristo-va 1680 und Christoslaus 1689. Cf. dazu Zdenûk KALISTA: Matûj Vierius (1634–1680), in: âeská literatura 17(1969), p. 474–505, mit einer Edition seiner Elogia; Mal˘ svût jest ãlovûk aneb V˘bor z ãeské barokní prózy, ed.Milo‰ SLÁDEK, Jinoãany 1995, p. 73–76; Alexandr STICH: Matûj Vierius: Christoslaus aneb Îivot KristoslavakníÏete, in: Souvislosti 3 (1992), p. 101–107; Aloys de BACKER / Carlos SOMMERVOGEL: Bibliothèque de laCompagnie de Jésus: I. Bibliographie par les pères Augustin et Aloys de Backer, II. Histoire par le père AugusteCarayon. Nouvelle edition par Carlos SOMMERVOGEL SJ, vol VIII., Bruxelles/Paris 1890–1913, p. 740.

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nünftige Vorsichtsmaßnahme. Ein umsichtiger Arzt, der sich selbst vor Ansteckung schützt,

nützt den Kranken letztlich mehr als einer, der aus Liebe und übertriebenem Glaubenseifer

sein Leben einbüßt. Im Folgenden werden die Richtlinien für die Seelsorge an Pestkranken

der Theatiner und der Jesuiten miteinander verglichen.

Eine Grundlage dafür bilden die Regeln, die von den Theatinern nach der Pestepidemie

von 1630 in Palermo verfasst wurden.4 Zunächst würde man vermuten, dass es sich dabei

um Elogia auf Ordensbrüder handelt, die bei der Arbeit in den Spitälern ihr Leben hinga-

ben. Tatsächlich handelt es sich jedoch um praktische Hinweise für die Krankenseelsorge, die

offensichtlich für spätere Epidemien bestimmt waren.

Als in Palermo 1630 der Verdacht auf Pest aufkam, fand am ersten Tag ein Gottesdienst

zu Ehren der Jungfrau Maria, des heiligen Joseph und des heiligen Andreas statt, die als Für-

sprecher Gottes Barmherzigkeit erbitten sollten. Jeden Abend wurde das Allerheiligste ausges-

tellt und die für Pestzeiten vorgesehenen Litaneien gebetet. Dabei läutete die große Glocke,

um die Gläubigen zum Gebet einzuladen und dadurch den Zorn Gottes abzuwenden.

Kurz darauf kamen Theatiner in die Stadt, um die Kranken zu pflegen. In einem Saal ihres

Hauses richteten sie eine Quarantänestation ein und verteilten die Kranken auf verschiedene

Räume. Das Gebäude wurde streng bewacht und Besucher auf ihren Gesundheitszustand überp-

rüft. Da viele zur Beichte kamen, wurde der Zugang zum Beichtvater durch einen kleinen Zaun

begrenzt. Um ihn vor Ansteckung zu schützen, sollten ihm die Beichtenden nicht zu nahe kom-

men, ihn nicht anhauchen, seine Kleidung nicht berühren und seine Hand nicht küssen. Die

Kommunion durfte erst am Ende der Messe ausgeteilt werden, wobei der Kommunionspender

größtmöglichen Abstand zu den Kommunizierenden halten und sich danach mit Essig die

Hände waschen sollte. Bei der Krankenseelsorge sollte er alle prophylaktischen Maßnahmen

ergreifen und sich der Gefahr der Ansteckung nicht mehr aussetzen, als unbedingt nötig.

Ebenso wie die Theatiner stellten auch die Jesuiten feste Regeln auf, um die Ansteckungs-

gefahr bei der Betreuung von Pestkranken zu begrenzen. Dies zeigen die Beratungen zwischen

Juan Polanco (1517–1576), Diego Laínez (1512–1565), Jerónimo Nadal (1507–1580) und

Petrus Canisius (1521–1597) während der Pestepidemie 1562/1563 in Wien. Aus dieser Zeit

stammen auch Nadals Empfehlungen für die Verwaltung von Jesuitenniederlassungen bei

Seuchen, wie sie nachweislich in den Böhmischen Ländern befolgt wurden.5

Diese Anweisungen stehen auf dem Boden der praktischen Medizin des 16. Jahrhun-

derts. Neben Gebeten und Bußübungen empfahl Nadal, die Anordnungen und den Rat der

Ärzte und Landphysici zu befolgen, die Räume zur Desinfektion auszuräuchern,6 Heilmittel

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4 Regole osservate da PP Theatini di Palermo in S. Gioseffo nel tempo del Contagio, in: Roma, Biblioteca nazionalecentrale Vittorio Emmanuele, Fondo Gesuitico, sign. 516, fol. 61r–64v: Miscelanea medica, riguardante quasitutta la peste. Dort auch cf. etliche weitere Quellen zum Thema: Auertimenti per i Religiosi, che deuono seruire gliappestati, in: ibidem, sign. 61, fol. 333. Convolutus: Modo pratticato in Bologna l an[n]o d[e]lla peste 1631, Quel-lo che si deue fare nell entrar in casa dell infermo per confessarlo, in: ibidem, fol. 336; Regole osseruate da PP theati-ni di Palermo in S. Gioseffo nel tempo del Contagio, in: ibidem, sign. 516, fol. 61r–64v.

5 Johann SCHMIDL: Historia Societatis Jesu Provinciae Bohemiae I: MDLV–MDXCII, Pragae 1747, p. 172.6 Ein Räucherwerk bestand in der Regel aus Wacholder-, Eichen-, Erlen- und Kieferhölzern, Harzen und Boh-

nenpflanzen. Es genügte aber auch Dampf, der durch das Ablöschen eines erhitzten Ziegels mit Essigwasser ent-stand. Die Liste der verschiedenen Räucherwerke wurde seit dem 16. Jahrhundert ständig erweitert. Wacholder,Thymian und Kiefer gehörten von Anfang an dazu. Diese Methode war sehr verbreitet, zumal man glaubte, dassPesterkrankungen u.a. die Folge von Luftverschmutzung sind. Zu neuzeitlichen Hypothesen über die Ursachender Pest cf. Johann WERFRING: Der Ursprung der Pestilenz, zur Ätiologie der Pest im loimographischen Dis-kurs der frühen Neuzeit (= Medizin, Kultur und Gesellschaft 2), Wien 21999.

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zu besorgen, Kranke in Quarantäne zu nehmen, den Unterricht an den Schulen auszusetzen

und in Gebiete zu fliehen, wo keine Ansteckungsgefahr bestand. Wenn ein Jesuit das Haus

verließ oder heimkehrte, sollte er alle ihm verfügbare Präventivmittel anwenden, um sich

und seine Ordensbrüder vor Ansteckung zu schützen. Zudem sollten besonders die beiden

Schutzpatrone gegen Pest und andere Seuchen, der heilige Sebastian und der heilige Rochus,

um Fürsprache angerufen werden. Darüber hinaus wurde den Bewohnern eines gefährdeten

Ordenshauses nahegelegt, andere Jesuitenniederlassungen und die Ordensleitung in Rom zu

benachrichtigen und um ihr Gebet zu bitten. Diese Empfehlungen bildeten die Grundlage

für weitere Vorkehrungen des Ordens gegen die Pest.

In der moraltheologischen Diskussion über die Pflege von Pestkranken kam es zu einer

heftigen Auseinandersetzung mit dem Kardinal und Erzbischof von Mailand, dem heiligen

Karl Borromäus (1538–1584). Während der Epidemie, die 1576/1577 Mailand heimsuch-

te, starben viele Kapuziner und Jesuiten, die der Erzbischof ausdrücklich um Hilfe gebeten

hatte.7 Die Jesuitenoberen weigerten sich zunächst, die ihnen Anvertrauten in den sicheren

Tod zu schicken, und forderten den Kardinal auf, eigene Unterkünfte für die Krankenseel-

sorger einzurichten, um die Ordenshäuser nicht ständig der Ansteckungsgefahr auszusetzen.

Schließlich sollte General Everard Mercurian (1565–1577) selbst die Liste der Bewerber

durchsehen und entscheiden, wer diesen lebensgefährlichen Dienst übernehmen darf. Der

Erzbischof wandte ein, dass diese Prozedur die Arbeit erschwere und verzögere, da man zu

lange auf Antwort warten müsse. Ebenso lehnte er ab, dass die Pflege auf die notwendigsten

Maßnahmen beschränkt bleiben sollte. Moraltheologen unter den Jesuiten vertraten dagegen

die Auffassung, dass man Werke der Barmherzigkeit so weit einschränken dürfe, dass der

Umgang mit Kranken die Ärzte und Pfleger keiner größeren Gefahr aussetze, als unbedingt

nötig sei. Borromäus wies diese Ansicht jedoch zurück, so dass den Jesuiten letzten Endes

nichts anderes übrig blieb, als sich zu fügen. Später wurde die Betreuung Pestkranker aller-

dings wiederholt auf ein notwendiges Mindestmaß beschränkt, so dass relative Sicherheit

bestand.

Am 1. Oktober 1614 beriet in München die 17. Provinzialkongregation der Oberdeuts-

chen Jesuitenprovinz erneut über Vorsichtsmaßnahmen in der Seelsorge an Pestkranken.8 Bei

der Frage, ob Mitglieder des Ordens überhaupt in gefährdete Gebiete entsandt werden soll-

ten, wurde beschlossen, dass sich die Jesuiten selbst zum Dienst anbieten müssten, obwohl

sie nicht wie die Pfarrer dazu verpflichtet seien. In Lazaretten und Spitälern durften aller-

dings nur die arbeiten, die dazu bestimmt worden waren, allen anderen war dies streng unter-

sagt.9 Für die Betreuung von Pestkranken wurden vor allem Jesuiten ausgewählt, die über

Erfahrungen im Umgang mit Kranken oder Verwundeten verfügten, weil sie längere Zeit in

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7 Austin Lynn MARTIN: Plague? Jesuits Accounts of Epidemic Disease in the 16th Century (= Sixteenth centuryessays & studies 28), Kirksville 1996, p. 180–188.

8 Bernhard DUHR S.J.: Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge in der ersten hälfte des XVII.Jahrhunderts II/1, Freiburg im Breisgau 1913, p. 140–156.

9 Verzeichnisse der in der Pflege von Pestkranken eingesetzten Jesuiten sind nur wenige erhalten. Eines davon fin-det sich in: Nomina PP SJ, qui Pragae expositi fuerat in obsequium pestiferorum A. 1713 et 1714, in: Praha, Národ-ní archiv, Fond Jesuitica, sign. JS IIIo-423, kart. nr. 152. Ihre große Bereitschaft, Pestkranke zu pflegen, zeigt sichdaran, dass sich 1631 fast 100 dem Provinzial dafür anboten. Während des Streits mit Karl Borromäus, bat P.Peruschi, auf den ersten Platz der Liste gesetzt zu werden, die an den General in Rom geschickt wurde. Cf. MAR-TIN (n. 7).

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Lazaretten oder Spitälern gearbeitet hatten. Dazu gehörten auch Laienbrüder und in Ausna-

hmefällen sogar Novizen, die beispielsweise als Apotheker medizinische Erfahrungen besaßen

oder in der Krankenpflege bewandert waren.

Um die Ansteckungsgefahr in der Krankenseelsorge auf ein Minimum zu beschränken,

erließ die Provinzialkongregation einige Richtlinien. Danach durften Jesuiten die Kranken

nicht mit nüchternem Magen besuchen und sollten deshalb am Morgen eine Suppe zu sich

nehmen oder etwas Wermut trinken. Sie sollten alte Kleider tragen und sie möglichst bald

nach ihrer Rückkehr wechseln und zur Desinfizierung waschen oder ausräuchern lassen.

Vor dem Krankenbesuch sollten sie sich Hände und Gesicht mit Essigwasser oder Kräuter-

wein einreiben und das Krankenzimmer gut durchlüften. Bei Armen und Besitzlosen, die

nicht die erforderlichen Desinfektionsmittel besaßen, sollte sie zur Verbesserung der Luft

eigene mitnehmen. Um Ansteckung zu vermeiden, sollten sie die Kranken möglichst nicht

berühren.

Besondere Vorkehrungen waren bei der Beichte zu treffen. Dabei sollte der Priester neben

oder hinter dem Beichtenden sitzen. Weil Pestkranke häufig in die Kirche kamen, mussten

die Patres auch dort Desinfektionsmittel bei sich haben und besonders vorsichtig sein. Ähn-

lich wie bei den Theatinern sollten diese Anordnungen nicht nur die Seelsorger schützen,

sondern auch die übrigen Gläubigen, die zur Beichte und in die Kirche kamen. Sobald sich

jemand angesteckt fühlte, musste er unverzüglich schweißtreibende Mittel einnehmen.

Um die Krankenseelsorger, aber auch die übrigen Bewohner der Ordenshäuser vor

Ansteckung zu schützen, wurde ihnen empfohlen, immer gesund und munter zu bleiben.

Deshalb sollten die Oberen für gute Verpflegung und Unterhaltung sorgen. Der Unterricht

an den Gymnasien und Hochschulen sollte ebenso eingeschränkt werden wie die Anforde-

rungen an Schüler und Studenten.

Der Magistrat von Münster ergriff 1635 die bereits in Mailand erprobten Maßnahmen

und wies den zur Krankenpflege bestimmten Patres und Laienbrüdern ein eigenes Haus zu.

Dort konnten die Kranken zur Beichte gehen und die heilige Messe besuchen. Bei der Peste-

pidemie 1679–1680 wurden dafür in Prag offensichtlich ein Haus bei der Bethlehem-Kapel-

le und einige Gebäude im Tal der ·árka, im Vorort Prosek und in der Lazarusgasse10 als soge-

nannte Xaverius-Residenzen eingerichtet. Von hier machten die Jesuiten morgens und

mittags ihre Krankenbesuche. Hier wurde täglich die heilige Messe gefeiert und Gebete zur

Abwendung der Seuche verrichtet, die der Bischof festgelegt hatte. Um ständig verfügbar zu

sein, durften sich die Krankenseelsorger nicht allzu weit vom Lazarett oder Spital entfernen.

Wurden sie zu auswärtigen Kranken gerufen, sollte sie diese möglichst rasch besuchen und

dann umgehend ins Lazarett zurückkehren.

Jesuiten, die sich angesteckt hatten, wurden in einer eigenen Krankenstation gepflegt. In

Prag könnte 1680 die zum Clementinum gehörende Mühle dafür verwendet worden sein.

Dort starb nämlich Pater Anton Hoffman[n] (1640–1680), der zuvor im Lazarett in Kör-

bern/Ko‰ífie Pestkranke gepflegt hatte. Obwohl er das Lazarett auf eigenen Wunsch verlassen

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10 In der Lazarusgasse arbeiteten 1679/1680 Franziskaner von der Kirche zu St. Maria Schnee. Cf. Bohuslaus BAL-BINUS: Bohemia Sancta, Pragae 1682, p. Fff1r–Kkk2v; J[an] K[apistrán] VYSKOâIL OFM: ·est století koste-la a klá‰tera u Panny Marie SnûÏné, Praha 1947, in: Praha, Národní archiv, fond Jesuitica, sign. JS IIIo-423, kart.nr. 152.

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hatte, infizierte er sich einen Monat später und wurde in die Krankenstation des Jesuiten-

kollegs gebracht.11

Wie die Theatiner in Palermo verschärften auch die Jesuiten bei Epidemien die Bewachung

ihrer Niederlassungen und Kirchen. Unter den Pförtnern und Mesnern waren deshalb viele

Tote zu beklagen, weil sie alle Besucher kontrollieren mussten. In Jesuitenhäusern wurden

Krankenbetten für Ordensmitglieder reserviert, bei denen Infektionsverdacht bestand. Sobald

sich der Verdacht bestätigt hatte, wurden sie augenblicklich in die Abteilung für Pestkranke

überstellt, um die Gesundheit der übrigen Hausbewohner nicht zu gefährden.12

Bohuslaus Balbinus (1621–1688) nennt in seiner Bohemia Sancta vier Plätze, wo die Jesu-

iten während der Pestepidemie 1679–1681 in Prag ihre Kranken unterbringen konnten.

Zunächst waren dies die städtischen Lazarette und „das Haus des Collegium Clementinum“ bei

der Bethlehem-Kapelle, von wo aus die Patres auch Kranke in ihren Häusern besuchten. Nach-

dem die Schule geschlossen und die Studenten nach Liebeschitz/Libû‰ice bei Auscha/Ú‰tûk,

nach Tuchomeritz/Tuchomûfiice unweit von Prag und in auswärtige Pfarrhäuser gebracht wor-

den waren, kam das Gebäude des Jesuitengymnasiums hinzu, das zum Professhaus gehörte.

Weitere Unterkünfte wurden überdies in Weingärten in der Umgebung von Prag und auf der

Hetzinsel eingerichtet, wohin die Militärgarnison verlegt worden war.13

Wenn sich die Seuche ausbreitete, wurden die Jesuitenkollegien evakuiert. Die Schüler

wurden nach Hause und die Lehrer in Pfarreien auf dem Land geschickt, um dort auszuhel-

fen. Die Franziskaner begaben sich in ihre Klöster auf dem Land. Um unbehindert reisen zu

können, wurden Gesundheitszeugnisse ausgestellt. Solche Zeugnisse, in denen das Clemen-

tinum bestätigt, dass die betreffende Person frei von ansteckender Krankheit sei, sind von

1713 vorhanden.14

Die in Wien 1679 im Namen Kaiser Leopolds I. (1640–1705, seit 1658 Kaiser) erlassene

Pestordnung behält sich alle die Seuche betreffenden Anordnungen vor. Die Regeln der vers-

chiedenen Ordensgemeinschaften durften deshalb den städtischen Anweisungen in keiner

Weise widersprechen. Traten in einer Ordensniederlassung Symptome der Krankheit auf, muss-

te dies der zuständigen Stelle ebenso gemeldet werden wie bei alle anderen infizierten Häusern

der Stadt. Bei Pestepidemien unterstanden demnach auch Ordenshäuser der gesamtstädtischen

Gesundheitsverwaltung, magistra sanitatis. Der städtischen Pestordnung mussten auch die

Regeln zur Krankenseelsorge der verschiedenen Ordensgemeinschaften entsprechen.

Die ausführlichsten Richtlinien für die Betreuung von Pestkranken durch Jesuiten sind

in zwei Abschriften aus dem 18. Jahrhundert überliefert, die sich im Bestand Jesuitica des

Tschechischen Nationalarchivs in Prag befinden.15 Der Text ist außergewöhnlich systema-

389

11 Antonín Hoffman wurde am 20. Oktober 1640 auf der Prager Kleinseite geboren und schloss sich im Oktober1658 in Brünn der Societas Jesu an. Nach seinem Theologiestudium pflegte er Kranke, legte am 3. Februar 1673die Gelübde ab und ging als Katechet nach Turzan/Tufiany, wo er zudem als Prediger, Beichtvater, Vorsteher derMarianischen Kongregation, Missionar und Leiter des Spitals wirkte. Danach wurde er Militärseelsorger im Kai-serlich Keisersteinischen Regiment. Cf. Elogia Provinciae Bohemiae 1680–1685, in: Roma, Archivum RomanumSocietatis Iesu, Fondo Gesuitico, sign. Boh 195/II, fol. 382v; Josef KOLÁâEK: 200 let jezuitÛ v Brnû (= âe‰tíjezuité 20), Velehrad 2002, p. 114.

12 Cf. HAVLÍK/âERN¯ (n. 1), diese Arbeit beruht auf Studien der literae annuae, diarii und elogii von 1649,1679–1681 und 1713.

13 BALBINUS (n. 10) p. Fff1r–Kkk2v.14 Praha, Národní archiv, fond Jesuitica, sign. JS IIIo-423, kart. nr. 152.15 Quedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis, cf. in: Praha, Národní archiv, fond Jesuitica, sign. JS

IIIo-423, kart. nr. 152.

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tisch und umfangreich und wird hier vollständig wiedergegeben. Da in den Regeln der

Beschluss der oberdeutschen Provinzialkongregation von 1614 erwähnt wird, dürften sie in

der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden sein.

Ihre Verfasser hielten sich an die althergebrachte und bewährte Praxis. Der Text enthält

nur einige zusätzliche Informationen, die bisher nicht erwähnt wurden. An erster Stelle wird

ausdrücklich darauf hingewiesen, wie gefährlich und unverantwortlich Übereifer sei. Dann

werden die Aufgaben genannt, die Laienbrüder bei der Krankenpflege zu erledigen haben.

Sie machten die Betten, brachten und verabreichten den Kranken das Essen und halfen bei

Bedarf bei der Spendung der Kommunion. Wenn sie über die nötigen Erfahrungen und

Kenntnisse verfügten, durften sie auch Medikamente verteilen wie beispielsweise der Lai-

enbruder Balthasar Clement (1650–1680),16 der am 16. Juli 1680 in Prag starb.17 Clement

hatte in Brünn/Brno und Komotau/Chomutov als Apotheker gearbeitet und in den 70er Jah-

ren in der böhmischen Jesuitenprovinz offensichtlich eine Visitation der Apotheken und

Krankenstationen durchgeführt.

Wenn die Infizierten den Regeln von 1614 entsprechend gebrauchte Kleider tragen sollten,

handelt es sich dabei nicht um einen Akt der Buße, wie in Elogien behauptet wird, sondern um

Sparsamkeit, weil die Kleider bei der Desinfizierung Schaden nehmen konnten. Die Beicht-

väter mussten sich um die Herzgegend, unter den Achseln, hinter den Ohren, am Hals und an

den Pulsadern mit „Skorpionöl“ einzureiben. Bei Krankenbesuchen hatten sie sich Lippen und

Nase mit Balsam und Essig zu waschen, die für diesen Zweck zubereitet worden waren.

Bei Hausbesuchen entsprach es den Regeln, mit den Kranken von der Türschwelle aus zu

sprechen, sodass der Priester das Zimmer überhaupt nicht zu betreten brauchte. Wenn dies

nicht möglich war, sollte er den Raum gut durchlüften und dann duftende Hölzer verbren-

nen, die er immer bei sich haben sollte. Pesthäuser hatte er täglich zu besuchen. War in einem

Haus ein Todesfall zu beklagen, sollte er die Anwesenden zur Beichte einladen.

Bei der Beichte sollte sich der Kranke möglichst wenig bewegen und durfte nicht erwar-

ten, dass ihm der Priester die Hand reicht, weil Körperkontakt weitgehend vermieden wer-

den sollte. Wenn der Beichtvater dem Kranken den Puls fühlte, um festzustellen, ob er noch

lebt, durfte er infizierte Stellen nicht berühren und sich nicht über den Kranken beugen. Die

Kerze zwischen ihm und dem Kranken sollte höher brennen. Zu diesem Zweck hatten Ärzte

spezielle Kerzen aus ätherischen Ölen herstellen lassen. Nach der Beichte sollte der Pater

gleich an die frische Luft gehen und sich erneut mit Essig waschen.

Das von den Priestern und Betreuern verwendete Geschirr sollte von dem der Kranken

streng getrennt werden. Besonderes Gewicht legen die Regeln auf gutes Essen, das mit Obst,

Pilzen und Milch ergänzt werden sollte. Dringend abgeraten wurde von Nahrungsmitteln,

die Durchfall hervorrufen könnten.

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16 Balthazar Clemens (1650–1680) wurde in Schmidberg in Schlesien geboren, besuchte nach dem Tod der Elterndas Jesuitengymnasium in Glatz/K∏odsko/Kladsko, wo er 1672 in die Gesellschaft Jesu eintrat. In Brünn betreu-te er die Krankenstation und wurde in den 70er Jahren nach Prag versetzt, wo er als Vikar der Altstädter Apot-heke wirkte. Danach beauftragte ihn der Provinzial die Infirmarien und Apotheken zu visitieren. In Komo-tau/Chomutov leitete er die Apotheke und kam 1679 nach Prag zurück. Cf. Elogium Ch[arissi]mi BalthasarisClemens Vetero Pragae in obsequio pestiferorum ad S. Clementem 16 julii anno 1680 in Domino defuncti, in: Elogia(n. 11) fol. 467r–v.

17 Catalogus personarum, et officiorum provinciae Bomiae Societatis Jesu pro anno 1680. Catalogi breves 1668–1689,in: Roma, Archivum Romanum Societatis Iesu, Fondo Gesuitico, sign. Boh 90/II, fol. 465v.

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Aufgrund des Ordensgehorsams durfte niemand zur Pflege von Pestkranken verpflichtet

werden. Wer dazu nicht bereit war, musste dies dem Provinzial oder Rektor jedoch schon

vorher mitteilen.18 Abschließend werden die Priester noch einmal daran erinnert, die medi-

zinische Betreuung den Ärzten und einfachere Tätigkeiten den Laienbrüdern zu überlassen,

die von den Ärzten dazu angeleitet wurden.19

Appendix

Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis

Zur Edition

Die Edition gibt den Text in der vorliegenden Form mit den vom Schreiber verwendeten

Längen und Akzenten zur Unterscheidung der Wörter wieder. Das konsonantisch gebrauch-

te j wird beibehalten, während das vokalische als i und qv als qu geschrieben werden. Beibe-

halten wird auch das e mit Trema in den verschiedenen Formen des Wortes ar.Mit großem Anfangsbuchstaben werden alle religiös konnotierten Begriffe geschrieben,

also Eucharistie, Dominica, Dominus, anno Salutis nostrae. Die beim Wort Deus konsequent

benutzten Kapitälchen werden dem heutigen Usus angeglichen. Amtsbezeichnungen inner-

halb des Jesuitenordens werden mit großen Anfangsbuchstaben wiedergegeben, um das

Ansehen des Provincials, Rectors, Ministers, Praeses, Admonitors hervorzuheben. Personenbe-

zeichnungen und Titel, die mit keiner Amtsgewalt verbunden waren wie confesarius nostro-rum und magister werden dagegen klein geschrieben. Dies gilt auch für die in der Quelle fast

konsequent benutzte Bezeichnung Lazaretus. Unbekannte Begriffe und Bezeichnungen wer-

den kursiv geschrieben und in den Anmerkungen erklärt. Um die Authentizität des Texts zu

wahren, wurden Korrekturen auf ein Mindestmaß beschränkt.

Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis20

1o. Est singulariter cavendum, nè zelo quoda[m] abducti21, nimis ferventer et indiscretè se

in hoc officiu[m] n[ost]ri ingerant. Quare, nisi extrema necessitas exigat, ultra horam in

visitandis aegris nè insumant, quin liberum subinde aërem capiant, exeundo etiam si loci

commoditas sinat, extra moenia. Deinde ab22 alios invisendos possent regredi, si vocent[ur],

na[m] ordinariè n[on] videtur consultum, ut multum se sponte intrudàS.

2o. Tam Patru[m], quàm Fratru[m] coadjutorum nimius fervor cohibend[us] est, du[m] aeg-

rotis servire, lectos sternere, cibos ministrare indiscrete appetunt. Haec enim officia chari-

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18 Dies scheint 1680 bei Antonin Hoffmann der Fall gewesen zu sein.19 Quendam servanta in visitandis infirmis et maxime pestiferis, in: Praha, Národní archiv, fond Jesuitica, sign. JS IIIo

423, kart. nr. 152.20 Obwohl diese Instruktionen undatiert sind, dürften sie mit den beiden letzten Epidemien zusammenhängen, da

sie unter den Jesuitica neben der Instructio pro Infirmaria Confirmata a RR. PP. NN. Generalib[us] Claudio Aqua-viva, et Mutio Vitelesco, die Paolo Oliva am 30. November 1678 bestätigte, und Kurienakten von 1713 aufbe-wahrt werden. Da neuere Dokumente überwiegen, sind sie vermutlich während der letzten Pestepidemie in Böh-men entstanden, in: Praha, Národní archiv, fond Jesuitica, sign. JS IIIo-423, kart. nr. 152.

21 Recte adducti.22 Recte ad.

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tatis, cùm manifestu[m] periculu[m] adjunctu[m] habeant, majoris semper boni intuitu

aliis reliquenda sunt.

3o. SummÇ diligentiÇ cavendum e[st] iis, qui infectos adeunt, nè unquam jejuni adeant,

itaq[ue] queunt eos maturè celebrare, dein jusculum vel vinum medicatu[m] ex herba

absynthii23, scordii24, cardui benedicti25, dictamni cretici26, corticib[us] citri exsiccati,

radicibus pimpinellae27, ex quib[us] nodul[us] vino impositus conficitur, sumere.

4o. Infectos adituri vestes habeant attritas, lanea, novae et villosae pelles et similes, plùs

habent periculi, interiores convenit magìs ex corco, quàm laneas, post reditum vero omnes

vestes igne purgentur, id est calido et igneo suffitu, ut dicetur N. 8.28

5to. Proderit etia[m] manè aliquas partes corporis oleo scorpiono, vel alio aliquo pharmaco

illinire, v[erbi] g[ratia] circa cor, sub axillis, retrò auriculas ac deniq[ue] ipsos pulsus. In

ipso accesu ad aegrotu[m] extrema labra, nares, tempora balsamo, aceto ad hunc usu con-

fecto inungi debent.

6o. Anteq[ua]m ad aegru[m] eatur, convenit manus et faciem lavare aquÇ, cui admixtum sit

acetum, in quo aliquot odoriferae herbae maceratae fuerunt, quales sunt absynthium,

ruta29, salvia30, melissa31, majeron, hysoppus32, artemisia33, spicanardus34. Eaedem herbae,

si circa lectum aegroti sparsae sint, et subinde conterant[ur], mirè aërem infectu[m] sem-

perant. Idem praestat acetum acerbum subinde aspersum lecto aegroti.

7o. Si infect[us] non sit adeò aeger et regionis ac locorum consuetudo permittat, ut ad janu-

as domüs perferri possit, magno se periculo liberabit confessarius, si ad limina domüs

infectos possit audire. Saltèm hoc apud plerosq[ue], qui necdum ob morbi saevitiam sunt

affixi lecto, fieri posset, ut se in aliquos patentiores locos domüs deduci sinerent, ubi con-

fiterentur.

8o. Si verò infecti cubiculum adeundum sit, imprimis ante ingressum fenestras aperiri, nisìfrigoris asperitas, aut nebulosus aër id fieri vetet, deinde igne ex odoriferis lignis, aut

ramusculis, aut aliis confectionib[us] aromaticis, quae etiam suffitum praestant, excitato,

locus et aër purgandus, et quia plerumq[ue] pauperes hujusmodi rebus sunt destituti, expe-

diet Nostros vel sumptibus Magistratüs vel aliorum pioru[m] hominum secum ea deferre,

quibus suffitus svavior et purior fieri possit.

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23 absynthius, i m — Wermut.24 scordium — Gamander — Teucrium: eine artenreiche Familie der Taubnesseln. Staudenartiges Heilkraut oder Stau-

de. Wahrscheinlich ist der bei uns vorkommende Salbei-Gamander (teucryum scorodonia) mit seinen gelben Blütengemeint.

25 Eine Distelart aus der Familie der Ringdisteln.26 Dictamnus creiticus — Kretischer Diptam: gehört zu den Lippenblütlern und ist auch als Oregano (origanum vulga-

re) bekannt. Im Alttschechischen gibt es noch das Äquivalent „vraní oko“ (Krähenauge), im Deutschen „Dost“. Dasentsprechende ätherische Oreganoöl ist eines der stärksten natürlichen Antibiotika überhaupt.

27 PimpernellwurzelnPimpernellwurzeln — Anis: Pflanze aus der Familie der Doldenblütler.28 Die kursiv wiedergegebene Erläuterung stammt von einem anderen Schreiber.29 ruta, ae f — Raute30 salvia, -ae f. — Salbei31 melissa, ae, f. — Zitronenmelisse oder Salbei32 hyssopum, i, n. — Aromapflanze, vermutliche eine Oregano- oder Majoran-Art.33 artemisia, -ae, f. — Wermut, Beifuß34 spicanardus — recte spica nard — kozlík klasnat˘ (Valleriana Nardostachys Jatamansi) — Baldrian: die Pflanze

wurde wegen des starken Geruchs ihrer Wurzeln als Duftmittel, aber auch zur Bekämpfung von Krämpfen verwendet.Cf. Stichwort Valleriana, in: OttÛv slovník nauãn˘ 26 (vol. U-Vusín), Praha 1907, p. 359.

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9o. Ante ingressum suum curet confessari[us], ut aeger ità in lecto componat[ur], ut com-

modè confiteri possit. In praesentia verò Patris omni studio caveat[ur], nè aeger multüm

se moveat, lectum aperiat, aut in lecto hinc indè se jactet, omni etia[m] diligentiÇ à con-

tactu aegri abstinendum est, itaq[ue] nec manu[m] salutandi causÇ porrigat, nec pulsu[m]

aegri exploret, multò minùs loca infecta et carbunculos contrectet, nec etia[m] curiosècupiat aspicere, nè fortè indè horrorem concipiat.

10. Non min[us] sollicitè curandum, nè anhelitum aegri excipiat, ex quo omnium facillimèvenenu[m] haurire posset, itaq[ue] sequentes cautelas adhibeat. Primò. Supra aegrum se

non inclinet, si igit[ur] lectus humilis sit, posset vel supra scabellu[m] ligenu[m], parum

sedere, flexis etiam genibus audire. Sellae ex panno p[re]sertim villoso non admittendae

propter pilos in ipsis inclusoS. Secundò. Aure[m] ori n[on] admoveat, sed potiùs ad clari-

orem vocem confitentem adhortetur. Tertiò. Non ex adverso aegroti, sed potiùs ad latus vel

à tergo ipsi[us] consistat. Quartò. Inter ipsu[m] et confitentem non procul ab ore candela

accensa intercedat, probant[ur] maximè illae candelae, quae majorem ignem fovent, qua-

les sunt illae, quae ex multis parvis candelis inter se contortis conficiuntur. Aliqui medici

ad hunc usu[m] speciales conficiunt candelas ex rebus odoriferis, quae simul ignem fovent

et suffitu[m] p[rae]stant. Apud ditiores proderit circa lectu[m] plures candelas cereas

accensas habere. Os et nares obvolvantur, vel saepius tingant[ur] strophiolo intincto in

aceto bezvardico35, vel alio aliquo pharmaco.

11o. Confessionem ità audiat, ut essentialium quide[m] nil intermittat, à supervacaneis

tamen abstinebit, nè longior mora sit necessaria, ad quam rem juverit dicta quaedam effi-

cacia, vel facta sanctorum in promptu habere, quibus breviter et contritionem in aegris, et

patientia[m] ad tolerantiam malorum possit excitare. Quòd si necessitas confessionis exi-

gat longiorem moram, omnino juverit subinde aëris purioris recipiendi gratiÇ fenestram vel

alium patentiorem locum adire.

12. Quàmprimùm pestilentiore aliquÇ aurÇ se afflatum senserit, statim sudorifero aliquo hau-

stu vel bolo, quales sunt ex theriaco, ovi aures, aut bezvare sudorem eliciat, et cum sudore

venenum propellat, quod et quavis minimüm hebdomadÇ faciendum est, ùt supràquoq[ue] annotatum.

13o. Utat[ur] delectu ciborum et ea eligant[ur] cibaria, quae sunt laudabiliora, quae bonos

humores generare possint, et vitentur vitiosa, quae facile corrumpunt[ur]; eiusmodi sunt

fructus hortarii, ut plurimum fungi pultes ex lacte et variis rebus compositae, et similia;

moderato etiam dictü et victu paulò pleniore securior erit, sicut enim à cibis mali succi, et

corruptionibus putredo, et pestis ipsa dum grasat[ur], sic à copia et malitudine cibi et potüs

creditates et excrementa copiosiora producuntur, à quibus, cùm corrumpunt[ur] (ut facil-

limè evenit in tali constitutione), et pestis ipsa et genus omne morborum generari possunt;

qui verò sunt in cibo et potu temperati, et cibis laudabilioribus utunt[ur], minùs etiam aliis

peste corrumpuntur, et correpti leviùs afficiunt[ur] et faciliùs evadunt.

14o. Sit laetus in Domino et librum pastoralem habeat, et instrumenta pro sacro oleo et

SSmo Sacramento.

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35 recte bezoardico – bezoardicus – der Bezoarstein. Jungmann gibt hier folgende Erklärung: „Ein Stein im Magenbestimmter Tiere, besonders der Gämsen und ziegen, dem irrtümlich Heilkraft als Gegengift zugeschrieben wurde.“,in: Josef JUNGMANN: Bezoar, in: IDEM: Slovník ãesko-nûmeck˘ I, ed. Jan PETR, Praha 21989, p. 110.

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15. A magistratu intelligat, quid circa testamenta nos facere velit, an iis nostros assistere

velint, cum protestatione, quòd nihil petituri sim[us] ab iis, qui alias nihil oblaturi sunt,

testamenta expediat in forma brevi, nihil in iis pro nobis petat.

16. Obeat quotidie domos infectas non intrando, nisì sit necesse, sed ex porta rogando, num

quis aeger sit et obiter consolando superstites, urgeat aegrotos, ut sacramenta tempestivèsuscipiant, nè noctu intempestivè evocetur. Dum in domo aliquis moritur, excitent[ur] alii

ad confessionem in sacello nostro, si quod est deputatum.

17. Non immisceat se curandis corporib[us], sed animabus tantum, nec eleemosynas pro se

acceptet, nè diutius apud infectos gerat, nimiumq[ue] occupetur.

18. Si quid mali sentiat mox moneat Provincialem, vel Rectorem loci, et domi se contineat.

Quaedam servanda in visitandis infirmis et maxime pestiferis. Teorie a praxe

sluÏby nemocn˘m morem u Tovary‰stva JeÏí‰ova v âeské provincii

âlánek je komentovanou edicí jezuitsk˘ch pfiedpisÛ pro knûÏskou sluÏbu nemocn˘m. ¤ádová nafií-

zení vycházela z morov˘ch fiádÛ mûstsk˘ch, respektive státních, které sestavovali místodrÏící ve spolu-

práci se zemsk˘mi fyziky a lékafii. Morové fiády pro âeské zemû z let 1680, 1710 a 1713 obsahovaly

instrukce pro v‰echny profese, které se na pomoci nemocn˘m a zaji‰tûní bezpeãnosti mûsta podílely,

tedy i pro knûze. Bude tak moÏné ilustrovat, jak se jimi Tovary‰stvo JeÏí‰ovo inspirovalo, pfiípadnû je

rozvinulo a obohatilo zku‰enostmi sv˘mi ãi jin˘ch fiádÛ. Takto zamûfien˘ v˘zkum si jen tûÏko mÛÏe

klást nároky na absolutnost, neboÈ ne vÏdy víme, co v‰echno mohl mít autor pravidel „na stole“ pfii pfií-

pravû instrukcí. Nejde v‰ak o sestavení „filiaãní fiady“ jako spí‰e o zvyklosti praktikované pfii knûÏské

sluÏbû nemocn˘m a jejich specifika, pfiípadnû typiãnost.

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