Pohling, R. & Strobel, A. (2013). Diagnostik moralischer Sensitivität – Entwicklung eines...

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Diagnostik moralischer Sensitivität - Entwicklung eines Diagnoseinstrumentes und Erforschung des Merkmalsraumes Rico Pohling, Anja Strobel Forschungsreferat im Rahmen der 12. Tagung der Fachgruppe Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik vom 23. bis zum 25. September in Greifswald Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften; Fachrichtung Psychologie Institut für Klinische, Diagnostische und Differenzielle Psychologie; Jun.-Professur Prozessorientierte Diagnostik, Inhaberin: Prof. Dr. Anja Strobel Finanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Freistaates Sachsen

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Diagnostik moralischer Sensitivität -

Entwicklung eines Diagnoseinstrumentes und Erforschung des Merkmalsraumes

Rico Pohling, Anja Strobel

Forschungsreferat im Rahmen der 12. Tagung der Fachgruppe Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik vom 23. bis zum 25. September

in Greifswald

Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften; Fachrichtung Psychologie Institut für Klinische, Diagnostische und Differenzielle Psychologie; Jun.-Professur Prozessorientierte Diagnostik, Inhaberin: Prof. Dr. Anja Strobel

Finanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Freistaates Sachsen

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März 2011 – Reaktorunglück in Fukushima

Greifswald, 23.09.2013

Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

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James D. Rest (1986)Vier-Komponenten-Modell

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

• Der Weg zu einer moralischen Handlung …

Urteil, welche Vorgehens-weise moralisch richtig, gerecht oder gut wäre

Entscheidung dafür, das moralischRichtige zu tun

adaptiert nach Bergmann, 2002

Ausführen der Handlung trotz Widerstandes

Wahrnehmung und Interpretation der Situation

Erkennen, moralischer Aspekte

Moralische Sensitivität

Moralisches Urteil

Moralische Motivation

MoralischesHandeln

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Ziele der Studie

� Fragestellung 1. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen

Merkmalen moralischer Sensitivität und anderen Komponenten im

Rest-Modell?

� Fragestellung 2. Welche Rolle spielen emotionale Prozesse auf

dem Weg zu einer moralischen Handlung?

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

Moralische Sensitivität

Moralische Motivation

MoralischesHandeln

Moralisches Urteil

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Der Merkmalsraum moralischer Sensitivität

Ungerechtig-keits-

Sensibilität(JSI, Schmitt et

al., 2010)

MoralischeAchtsamkeit

(Moral Attentiveness

Scale, Reynolds, 2008)

Moralische Urteilsfähigkeit (MUT, Lind, 2008)

Moral Elevation(EBS/moral

beauty, Diessner et al., 2008)

Dankbarkeit(GQ-6, McCullough

et al., 2002)

Moralische Identität

(Self-importance ofmoral identity, Aquino & Reed,

2002)

Selbst-berichtetes moralisch-es Handeln(Eigenent-wicklung)

Moralische Sensitivität

Moralische Motivation

MoralischesHandeln

Moralisches Urteil

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Moralische Achtsamkeit

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

• Moral Attentiveness Scale (Reynolds, 2008, JAP)

• Hintergrund:

• Inter-individuelle Unterschiede in der Stärke der Aufmerksamkeit für und Reflektion über Ethik und Moralität im Alltag

• Unterscheidung: perzeptuell vs. reflektierend

• „moralische Brille“

• Zusammenhänge u.a. mit …

• Moralischer Identität

• häufigerem Erkennen moralischer Aspekte

• selbst- und fremdberichteten moralischen Verhalten(vgl. Reynolds, 2008)

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„Other-praising moral emotions“(Haidt, 2003;

Algoe & Haidt, 2009; Haidt, 2000; McCullough et al., 2002)

Moral Elevation

• Auslöser: außergewöhnliche moralische Taten anderer („moralische Schönheit“)

• Motivation:

• ebenfalls Gutes tun

• Nachahmen des Modells

• allgemeine Motivation ein besserer Mensch werden

• Konsequenzen: Offenheit für andere im Allgemeinen

Dankbarkeit

• Auslöser: gute Taten anderer für einen Selbst („moral barometerfunction“)

• Motivation:

• Güte erwidern

• Wohltäter öffentlich preisen,

• selbst prosozial handeln

• Konsequenzen: fördert enge Beziehungen (sogar über Wohltäter-Nutznießer-Dyade hinaus, DeSteno et al., 2010)

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Methodisches Vorgehen

• Onlinestudie, 1 Messzeitpunkt

• N = 289 Fragebögen

• Merkmale der Stichprobe

• sehr heterogen hinsichtlich Alter, Bildungsgrad, Position, Berufserfahrung

• Geschlecht: 27% männlich

• Alter von 18 bis 72 Jahren (MW = 31,3 Jahre; SD = 10,5).

• 37% Christen / 9% Buddhisten / 52 % keine Religion

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

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Ergebnisse: Moralisches Urteil

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

C-Index

MoralischeAchtsamkeitGesamtscore

.10†

reflektierendeMA

.12*

perzeptuelleMA

.06

Opfersensibilität -.03

Beobachtersensibilität -.03

Nutznießersensibilität .02

Tätersensibilität .05

Produkt-Moment-Korr.; †p < .10 , *p < .05, **p < .01, ***p < .001; Alter und Geschlecht auspartialisiert; 312< N < 334

Opfersensibilität

Beobachtersensibilität

Nutznießersensibilität

Tätersensibilität

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Ergebnisse: Moralische Motivation

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Trait-Moral Elevation

Trait-Dankbarkeit

Moralische Identität

Gesamtscore

Moralische AchtsamkeitGesamtscore

.37*** .11† .21***

reflektierendeMA

.46*** .12* .22***

perzeptuelleMA

.24*** .08 .17**

Opfersensibilität -.08 -.22*** .02

Beobachtersensibilität .23*** .16** .15*

Nutznießersensibilität .26*** .14** .15*

Tätersensibilität .32*** .35*** .25***

Produkt-Moment-Korr.; †p < .10 *p < .05, **p < .01, ***p < .001; Alter und Geschlecht auspartialisiert; N = 294

Opfersensibilität

Beobachtersensibilität

Nutznießersensibilität

Tätersensibilität

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Ergebnisse: Moralisches Handeln

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

(1) Ehrenamt-liches

Engagement

(2) Aktiver Diskurs

(3) Normen selbst

verteidigen

Gesamt-score

MW (1,2,3)

MoralischeAchtsamkeitGesamtscore

.25*** .28*** .13* .32***

reflektierendeMA

.25*** .26*** .17** .33***

perzeptuelleMA

.22*** .25*** .08 .26***

Opfersens. -.21*** -.05 -.03 -.16**

Beobachtersens. .05 .08 .07 .09

Nutznießersens. .10† .15** .14* .18**

Tätersens. .10† .16** .15** .19**

Produkt-Moment-Korr.; †p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001; Alter und Geschlecht auspartialisiert; 312 < N < 331

Opfersens.

Beobachtersens.

Nutznießersens.

Tätersens

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Dankbarkeit

Ergebnisse: Mediationsanalyse

Moralische Sensitivität

MoralischeAchtsamkeit

Moralische Motivation

MoralischesHandeln

Moral Elevation

Selbst-berichtetes moralisch-es Handeln

Moralische Identität

Dankbarkeit

.22***(.19***)

.25***

N = 289; †p < .10, ***p < .001

.26***.11 †

.28***

.34***

Manifest: χ2= 5.195, df=4, p<.001; CFI = .995; RMSEA = .032; SRMR = .029

Latent: χ2= 1469.888, df=619, p<.001; CFI = .817; RMSEA = .069; SRMR = .072

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Dankbarkeit

Ergebnisse: Mediationsanalyse

Moralische Sensitivität

Täter-sensibilität

Moralische Motivation

MoralischesHandeln

Moral Elevation

Selbst-berichtetes moralisch-es Handeln

Moralische Identität

Dankbarkeit

.19***(.10)

.24***

N = 289; †p < .10, ***p < .001

.19***.08

.32***

.33***

Manifest: χ2= 28.091, df=4, p<.001; CFI = .889; RMSEA = .145; SRMR = .076

Latent: χ2= 1361.305, df=552, p<.001; CFI = .807; RMSEA = .071; SRMR = .076

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Fazit

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

1. Bestätigung bisheriger Theorie und Empirie

• Moralisches Urteil spielt im Prozess moralischen Entscheidens und Handelns geringere Rolle als früher angenommen (vgl. u.a. Haidt, 2012, 2007, 2001)

• (negative) Sonderstellung der Opfersensibilität (vgl. Schmitt et al., 2009)

2. Zentrale Rolle Moralischer Motivation

• Moralische Sensitivität und Moralisches Handeln sind verbunden durch indirekte Effekte moralischer Emotionen � schnelle automatische Prozesse (Haidt, 2012, 2001; Reynolds, 2006b)

3. Neue Erkenntnisse zur Rolle der „other-praising moralemotions“ im Prozess moralischen Entscheiden & Handelns

• (reflektierende) moral. Achtsamkeit & Tätersens. fördern Moral Elevation

• Dankbarkeit und Moral Elevation fördern Integration moralischer Aspekte in das Selbst = moralische Identität (vgl. auch Diessner et al., 2013)

• Moralische Identität wirkt als direkter moralischer Motivator (vgl. Aquino &

Reed, 2002; Bergmann, 2002)

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

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Abgrenzung moralischer Sensitivität

• … zu sozialer Intelligenz ?

− Magdeburger Modell der sozialen Intelligenz (Süß, Seidel, & Weiß, 2008)

− Moralisches Sensitivität möglicherweise spezielle Mischform von

sozialer Wahrnehmung, sozialem Verständnis und sozialem Wissen

− somit in das Magdeburger Modell einordenbar / integrierbar ?

• … zu emotionaler Intelligenz ?

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

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Ergebnisse:Zusammenhänge mit Moralischen Intuitionen

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

1. Fürsorge

2. Gerechtigkeit

3. Loyalität

4. Autorität

5. Heiligkeit

Progress-ivismusMW(1,2)

minus MW(3,4,5)

Moral. Acht. Gesamtscore

.17** .18** -.03 -.25*** .04 .22***

reflektierendeMA

.25*** .21** -.06 -.28*** .05 .28***

perzeptuelleMA

.08 .14* .00 -.18* .02 .14*

Opfersens. -.13* .07 .09 .17* -.04 -.10†

Beo.-sens. .36*** .33*** .11† -.09 .06 .27***

Nutz.-sens. .34*** .37*** .09 -.04 .05 .27***

Tätersens. .50*** .39*** .13* -.10† .08 .34***

Produkt-Moment-Korr.; †p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001; Alter und Geschlecht auspartialisiert; N = 297

Moral Foundations Questionnaire (Graham et al., 2011, JPSP)

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Ergebnisse – InterkorrelationenMoralische Achtsamkeit und Ungerechtigkeitssensibilität

Greifswald, 23.09.2013 Pohling & Strobel - Moralische Sensitivität

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1. Moral. Achtsam. Gesamtscore

1

2. reflektierendeMA

.89*** 1

3. perzeptuelleMA

.94*** .67*** 1

4. Opfersens. -.17** -.19** -.14* 1

5. Beo.-sens. .21*** .23*** .17** .32*** 1

6. Nutz.-sens. .17** .22*** .10† .07 .61*** 1

7. Tätersens. .12* .21*** .03 -07 .46*** .66*** 1

Produkt-Moment-Korr.; *p < .05, **p < .01, ***p < .001; Alter und Geschlecht auspartialisiert; 313 < N < 341