Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden? Was (Alt-) Historiker an historischen Krimis...

33
CRIMINA Die Antike im modernen Kriminalroman herausgegeben von Kai Brodersen Eine erste intensive Begegnung mit der Antike erfolgt für viele Zeitgenos- sen nicht in einer Begegnung mit antiken Texten oder Resten, sondern mit modernen Kriminalromanen. Wie arbeiten ihre Autorinnen und Autoren? Was reizt Historiker an Antikenkrimis? Welche Gattungen und welche Traditionen gibt es? Und wie werden diese Traditionen in Lite- ratur, Comic und Fantasy aufgenommen? Der von dem Mannheimer Althistoriker Kai Brodersen herausgegebene Band vereinigt ein Dutzend Originalbeiträge: Texte und Reflexionen der bekannten Krimi-Autoren Malachy Hyde (Karola Hagemann und Ilka Stitz) und Hans Dieter Stöver sowie Studien von Stefan Cramme, Dag- mar Dappert, Jörg Fündling, Annette Korthaus, Thomas Kramer, Nick Lowe, Maria Rutenfranz, Markus Schröder und Wolfgang Will. Verlag Antike 2004 Inhalt Vorwort 7 Autoren und Lektoren von Antikenkrimis 9 “Das ist Germanicus! 11 Wohlan, laßt uns ihn zum Caesar ausrufen!” Hans Dieter Stöver Antike – Wiege der Kriminalistik 17 Ilka Stitz (Malachy Hyde) Lust und Last bei der Recherche für historische Kriminalromane 25 Karola Hagemann (Malachy Hyde) Caius und die Detektive 31 Antikenkrimis für Kinder und Jugendliche auf dem Buchmarkt Maria Rutenfranz Was Historiker an Antikenkrimis reizt 47 Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden? 49 Was (Alt-)Historiker an historischen Krimis reizt Jörg Fündling Morde am Vesuv und anderswo: Städte und Regionen 109 des römischen Reiches im (Kriminal-)Roman Stefan Cramme

Transcript of Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden? Was (Alt-) Historiker an historischen Krimis...

CRIMINADie Antike im modernen Kriminalroman

herausgegeben von Kai Brodersen

Eine erste intensive Begegnung mit der Antike erfolgt für viele Zeitgenos-sen nicht in einer Begegnung mit antiken Texten oder Resten, sondern mit modernen Kriminalromanen. Wie arbeiten ihre Autorinnen und Autoren? Was reizt Historiker an Antikenkrimis? Welche Gattungen und welche Traditionen gibt es? Und wie werden diese Traditionen in Lite-ratur, Comic und Fantasy aufgenommen?

Der von dem Mannheimer Althistoriker Kai Brodersen herausgegebene Band vereinigt ein Dutzend Originalbeiträge: Texte und Reflexionen der bekannten Krimi-Autoren Malachy Hyde (Karola Hagemann und Ilka Stitz) und Hans Dieter Stöver sowie Studien von Stefan Cramme, Dag-mar Dappert, Jörg Fündling, Annette Korthaus, Thomas Kramer, Nick Lowe, Maria Rutenfranz, Markus Schröder und Wolfgang Will.

Verlag Antike2004

Inhalt

Vorwort 7

Autoren und Lektoren von Antikenkrimis 9

“Das ist Germanicus! 11 Wohlan, laßt uns ihn zum Caesar ausrufen!” Hans Dieter Stöver Antike – Wiege der Kriminalistik 17 Ilka Stitz (Malachy Hyde)

Lust und Last bei der Recherche für historische Kriminalromane 25 Karola Hagemann (Malachy Hyde)

Caius und die Detektive 31 Antikenkrimis für Kinder und Jugendliche auf dem Buchmarkt Maria Rutenfranz

Was Historiker an Antikenkrimis reizt 47

Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden? 49 Was (Alt-)Historiker an historischen Krimis reizt Jörg Fündling

Morde am Vesuv und anderswo: Städte und Regionen 109 des römischen Reiches im (Kriminal-)Roman Stefan Cramme

Gattungen und Traditionen des Antikenkrimis 125

Der historische Kriminalroman als hybrides Genre 127 Dagmar Dappert

Hart gekochte Römer: Die Tradition der hard-boiled 143 detective novel im anglo-amerikanischen Antikenroman Markus Schröder

Mord in Rom: hard-boiled detectives 157 im modernen historischen Kriminalroman Annette Korthaus

Crimina in Literatur, Comic und Fantasy 177

“Man erkennt den Schierling an vielen Zeichen.” 179 Arno Schmidts Alexanderroman als Mordgeschichte Wolfgang Will

Die Antike im Mosaik-Comic: Antikerezeption in der DDR 191 zwischen ideologischem Kalkül und Authentizitätsanspruch Thomas Kramer

Metamorphoses of Genre in Fictions of Antiquity 217 Nick Lowe

6 Inhalt

Vorwort

Eine erste intensive Begegnung mit der Antike erfolgt für viele Zeitgenos-sen nicht in einer Begegnung mit antiken Texten oder Resten, sondern mit modernen Kriminalromanen. Wie arbeiten ihre Autorinnen und Autoren? Was reizt Historiker an Antikenkrimis? Welche Gattungen und welche Traditionen gibt es? Und wie werden diese Traditionen in Litera-tur, Comic und neuen Genres aufgenommen? Der vorliegende Band ver-einigt ein Dutzend Beiträge, in denen Antworten auf diese Fragen vorge-stellt werden.

Zunächst eröffnen Autoren und Lektoren von Antikenkrimis einen Ein-blick in ihre Werkstatt: Der durch viele Antikenkrimis und -romane, aber auch als Sachbuchautor und Komponist bekannt gewordene Rheinbacher Autor Hans Dieter Stöver zeigt an einem Beispiel, wie die antike Überlie-ferung zu einem Kriminalfall – nichts Geringeres als ein Kaisermord! – in ihrer Widersprüchlichkeit den Krimiautor anregt und zur eigenen Gestal-tung des Stoffes herausfordert. Das Autorinnen-Duo Karola Hagemann (Bonn) und Ilka Stitz (Hannover), das unter dem gemeinsamen Pseudo-nym Malachy Hyde eine Reihe erfolgreicher Antikenkrimis vorgelegt hat, reflektiert über die Antike als “Wiege der Kriminalistik” und offenbart “Lust und Last bei der Recherche für historische Kriminalromane”. Und Maria Rutenfranz (München), die u. a. die Bücher von Hans Dieter Stö-ver lektoriert, erörtert unter dem Thema “Caius und die Detektive” die Rolle von Antikenkrimis für Kinder und Jugendliche auf dem Buchmarkt. Was aber reizt – im doppelten Wortsinn – Historikerinnen und Hi-storiker an Antikenkrimis? Mit der provokativen Alternative “Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden” diskutiert der Bonner Althisto-riker Jörg Fündling ebenso umfassend wie – dem Thema angemessen – spannend (und humorvoll), “was (Alt-)Historiker an historischen Krimis reizt”. Über “Morde am Vesuv und anderswo: Städte und Regionen des römischen Reiches im (Kriminal-)Roman” handelt sodann – auch anhand seiner einzigartigen Datenbank über historische Romane zur römischen Geschichte – der Berliner Altertumswissenschaftler und Bibliothekar Ste-fan Cramme.

VACAT Jörg Fündling

Perlen vor die Säue oder Einäugige unter Blinden?Was (Alt-)Historiker an historischen Krimis reizt1

Als vor langer Zeit das erste Exemplar von Rosemary Sutcliffs Jugend-roman The Eagle of the Ninth das Kölner Institut für Altertumskunde er-reichte – so will es die Legende –, sorgte es für einige Aufregung. Man hatte gehört, daß das Buch in England schon beinahe ein Klassiker und hierzulande ganz gern gelesen sei, und man mißtraute ihm. Köpfe wurden schiefgelegt, es gab Bemerkungen über die Unvorsichtigkeit, ein Kin-derbuch mit antikem Inhalt zu schreiben, das keine Sage reproduzierte und sich auch nicht wirklich für die letzte Schulstunde vor den Weih-nachtsferien zu eignen schien.2 Schließlich bot ein Anwesender Wetten

1 Für die freundliche Überlassung von Rezensionen und häufigen Gedan-kenaustausch bedanke ich mich bei Dagmar Dappert, für stimulierende Skepsis gegenüber dem Phänomen “Antikenkrimi” bei Prof. Dietmar Herz, Erfurt. Den ersten Hinweis auf Anne de Leseleucs Toga-Patzer verdanke ich Stephanie Manz. Jens Bartels hat mir – wie so oft – über die Jahre manchen Fang ins Netz getrieben. – Der Bequemlichkeit zuliebe werden belletristische Titel mit vollem Namen der Autorin/des Autors und Ver-lagsnamen zitiert. Um die abweichenden Seitenzählungen zu kompen-sieren, werden zu den Stellen Kapitel angeführt, soweit vorhanden. Bei Ro-manserien mit Inhalten jenseits der griechisch-römischen Antike erscheint nur ein Einzelbeispiel, nach Möglichkeit der erste selbständige Roman der Reihe. Die benutzten Antikenkrimis stehen separat am Ende des Aufsatzes. Zeitschriften und verwandte Titel erscheinen in den Siglen von L’année phi-lologique. – Mit [Cramme] und der Einzelseite (Stand: 13.1.2004) abgekürzt zitiert wird das Internetangebot von Stefan Cramme (www.hist-rom.de), außerdem mit [Davis] die Interviews und Selbstaussagen von Lindsey Davis (www.lindseydavis.co.uk (folgt die jeweilige Einzelseite; Stand: 13.1. 2004) und mit [Lindzey] das Interview von Lindsey Davis mit Ginny Lind-zey 1993 (www3.baylor.edu/tca/excrpts2.html).

2 Wie Henry Winterfelds Caius ist ein Dummkopf. Eine lustige und spannende Detektivgeschichte für Kinder. Berlin (Blanvalet) 1953, mit ihren zwei Fort-setzungen fester Bestandteil des Repertoires zahlreicher Lateinlehrer bis zum heutigen Tag. – Vgl. auch Maria Rutenfranz im vorliegenden Band.

an, wie schnell er in diesem verwirrenden Buch den ersten Fehler finden erde. Niemand hielt dagegen. Der Vorfall ist zwar nur mündlich überliefert, aber wir dürfen ihn vielleicht trotzdem als Quelle heranziehen. Er ist zweifellos nicht der Idealtyp, wohl aber eine besonders reine Ausprägung der andauernden at-mosphärischen Störungen zwischen der Historikerzunft einerseits und der literarischen Welt, soweit sie sich Historisches zu eigen macht, andererseits. Er zeigt überdies sehr schön die Reserven einer Teildomäne der historischen Forschung, die den Ruf genießt, besonders konservativ nicht unbedingt in ihrer Methodik, wohl aber im persönlichen Ge-schmack zu sein. Bei der Szene in Köln geht, so scheint es, von Anfang an etwas schief. Die Anwesenden sind nicht bloß versucht, sondern geradezu ent-schlossen, das Buch lächerlich zu machen oder als “schlecht” abzutun; doch genau dieser Umstand zeigt natürlich, daß es ihnen ein wenig zu schaffen macht – hier ist etwas Neues mit unmittelbarem Bezug auf den Tatsachenzusammenhang, der uns Althistoriker täglich beschäftigt: Wie soll man es einordnen? Eine Hilfe wäre das literarische Niveau, aber das geht aus der Art des Buches nicht hervor – es ist ein “Kinderbuch”, richtiger eins für Jugendliche, und das kann ebenso gut Dutzendware wie eine belletristische Sternstunde sein. Beim Thema Krimi gilt dasselbe in verschärfter Form; praktisch jeder Kriminalroman steht unter dem Ver-dacht, “nur” Unterhaltungs-, wenn nicht gar Trivialliteratur zu sein. Die Fehler werden vorausgesetzt und mit professioneller Vorfreude erwartet; man muß bei Sutcliff auch gar nicht lange lesen, um einen zu finden. Aber bezeichnend ist auch, daß die relative Bedeutung eines möglichen Schnitzers gar keine Rolle spielt: Er entstellt per se. Noch etwas sollten wir jedoch beachten: Die meisten Teilnehmer jener Kölner Runde werden das fragliche Buch lesen, vielleicht mit Spott und Hohn, aber jedenfalls lesen. Ich möchte fast behaupten, sie können gar nicht anders, denn es hat “mit dem Fach” zu tun und verspricht zugleich Unterhaltung. Wie so viele Berufszweige hat auch der prak-tizierende Althistoriker gewisse Probleme, nach der Arbeit von etwas ganz anderem zu sprechen und Bücher zu lesen, die überhaupt nichts mit seinem Schreibtisch zu tun haben. Läßt sein Gewissen und die Erziehung zum ständigen Weiterlesen und -lernen das ohne weiteres zu? Plötzlich bietet sich ein Ausweg: etwas Spannendes, das vielleicht nichts taugt, aber zumindest zur Fehlersuche einlädt und das eigene Wissen insofern auf beruhigende Weise bestätigt. (Schlimmstenfalls kann man die Lektüre

50 Jörg Fündling

sogar den Kollegen gestehen.) So gibt es in der überschaubaren Welt der Alten Geschichte zweifellos Dutzende regelmäßiger bis eifriger Konsu-menten von Antikenkrimis – aber mit dem Lesen hört es dann meistens auf, sporadische Rezensionen für Tageszeitungen vielleicht ausgenom-men. Für ernsthafte historische Forschung ist dieses Genre kaum ein Thema, und doch findet das einzelne Historikergemüt es je nach Tem-perament durchaus reizvoll (oder genießt es zumindest, sich zu ärgern). Warum die Scheu, wenn wir in einer Zeit leben, die der Rezeption der Antike sonst aus ihren knappen Ressourcen ganze Forschungsvorha-ben, ja sogar, wie kürzlich geschehen, einen eigenen, als Lexikonabteilung getarnten Gemischtwarenladen widmet? Allein der Trieb, sich neue Tätig-keitsfelder zu erobern, Drittmittel eingeschlossen, sollte eine schnellere Besetzung des Themas garantieren (wie wir das so vielsagend nennen). Aber dem ist nicht so. Nehmen wir wie so oft die Antike exemplarisch für Methoden und Probleme der historischen Forschung insgesamt – mögen die Kollegen anderer Zeiten es verzeihen – und fragen wir für alle: Was schreckt Historiker vom historischen Krimi ab? Ohne weiteres Nachforschen drängen sich zunächst einige Thesen auf:

1. Der historische Krimi ist als Gattung zu neu, zielt auf ein geschichtsfer-neres Publikum, als es der typische Fachvertreter ist, und entwickelt sich zu rasch – er läßt sich daher schwer einschätzen;

2. er erscheint als qualitativ geringwertig;3. er wird zumindest potentiell als Einbruch in den eigenen Kompetenz-

bereich empfunden.

Diese Vorbehalte gegen das Werk treffen unweigerlich die Autoren mit – von denen zwar viele eine akademische Vorbildung aufweisen und der Rest sich zwangsläufig Geschichtskenntnisse erarbeitet hat, von denen aber praktisch niemand einer akademischen Karriere nachgeht (sonst wären sie mit etwas anderem beschäftigt und könnten keine Krimis schreiben; q.e.d.). Das Verhältnis zwischen den beiden Stämmen, die die Welt der Geschichte bewohnen, ist arg gestört, wie es scheint, und die dichtend-schreibende Zunft reagiert mal amüsiert, mal grimmig auf die Vorschrif-ten der forschend-schreibenden, sofern diese sie überhaupt offiziell zur Kenntnis nimmt. Nicht, daß Autoren untereinander immer kollegial wä-ren …3

Was (Alt-)Historiker reizt 51

3 Vgl. die Parodie eines professionell unterkühlten Lexikonartikels, sperrige Verben inklusive, bei [Davis]/mdfbio.htm; gereizter fiel das Versprechen

Wem selbst diese drei Punkte zu lang sind, der kann es noch kürzer formulieren: aus fachhistorischer Sicht werden einschlägige Krimis offen-bar als zu “schlecht” wahrgenommen. Wenn das so ist, gilt es herauszu-arbeiten, was denn nun aus Historikersicht einen historischen Kriminal-roman “gut” oder “schlecht” macht – und gleichzeitig zu prüfen, wie tragfähig oder zumutbar diese Erwartungen sind. Im selben Zug sollten wir eine Prognose wagen, was die direkte Anwendung historischer Postu-late auf ein Buch in diesem Buch schlimmstenfalls an literarischen Schä-den verursachen könnte – dies im Sinne des Autors, der eben nicht Historiker, sondern Literat ist. Leider sind Äußerungen der Fachwelt – oder zumindest mit fachlichem Anspruch Geschriebenes – Mangelware, so daß neben deren Auswertung auch persönliche, hoffentlich allgemein-gültige Überlegungen die eine oder andere Lücke füllen müssen. Für die andere Seite, die Autorensicht, gilt dieser Zwang zur Hypo-these erst recht: Anders als mancher bildende Künstler schreiben Krimi-autoren lieber Romane als programmatische Selbstaussagen, glückli-cherweise. In ihrem Interesse – das in Wissenschaftstexten zu oft igno-riert wird – stellt sich die Frage, welche Freiräume von historischer Seite fairerweise dem Autor einzuräumen sind, aber umgekehrt auch, welche Charakteristika beide Seiten vielleicht in gleicher Weise als Kriterien eines guten oder mißlungenen Buches akzeptieren könnten, um Schäden durch allzu große Willkür gegenüber der Vergangenheit zu begrenzen. Beispiele, wie übel malträtierte Geschichte einen Roman entstellt, werden sich auch finden. Selbstverpflichtungen und Zielvereinbarungen können und sollen nicht das Resultat sein: Der universitäre Alltag ist mit ihrem Mißbrauch

52 Jörg Fündling

aus, künftig zu Nutz und Frommen der Fehlersucher vorsätzliche Mängel einzubauen: [Davis]/rants.htm. Eine mögliche Attacke auf Davis und die Falco-Romane bei Wishart, White Murder 157 (K. 12): “Me, I’ve never been much of an Aventine fan (…) the people’re okay, but generally once you’ve seen one street you’ve seen them all” – man ersetze “Aventine” durch “Falco”, dessen zur Zeit prominentestes Kind, und “street” durch “book”. Rosemary Rowe ist zwar ausgebildete Sprachwissenschaftlerin, aber keine Historikerin; das Opus Le mystère du jardin romain des Philologen Jean-Pierre Neraudau (Paris (Les belles lettres) 1992) ist die Ausnahme, welche die Regel bestätigt (auch durch qualitative Mängel). Steven Saylors Beiträge zum History Channel machen ihn medienpräsent, aber ebensowenig zum Mitglied der praktizierenden akademischen Historikerzunft wie hierzulande etwa Guido Knopp.

zu sehr geschlagen, als daß ausgerechnet wir das Reich Apolls damit quälen sollten. Doch mehr Gespür dafür, womit man den jeweils anderen an besonders wunden Punkten trifft, wäre schon ein Gewinn. Und da es ohne Fallbeispiele natürlich nicht geht, ist auch für des Althistorikers liebste Unterhaltung gesorgt, die hämische Fehlersuche. Ein blinder Fleck bleibt bedauerlicherweise: das Lesepublikum, für das der Fachhistoriker so unrepräsentativ wie nur möglich ist.

Natürliche Verbindung

Es ist eigentlich erstaunlich, wie spät und langsam sich die Erkenntnis verbreitet hat, daß die Romanfigur des Detektivs und der reale Beruf des Historikers erstaunlich viel gemeinsam haben. Klio ist eine gute Antwort auf die Frage: “Wer ist die Muse der Schnüffler und Ermittler?” Beide wollen “die Wahrheit” (oder soviel wie möglich davon) ans Licht bringen, beide bedienen sich dazu jeder Informationsquelle, die sie erschließen können, und durchlaufen eine Vielzahl provisorischer Theorien und Hypothesen, ehe sie das endgültige, vollständige, oft (im Fall des Histori-kers sowieso) nur das bestmögliche Ergebnis präsentieren. Hat der For-scher es mit einer Epoche zu tun, die seiner eigenen Lebenserfahrung normalerweise ohnehin fremd ist, so zwingt das Berufsgebot radikalen Mißtrauens und Zweifels den Ermittler dazu, seine Umwelt oder das Milieu des jeweiligen Falles als völliges Neuland zu behandeln: Im Ideal-fall würden beide ohne irgendwelche Voraussetzungen bei Null anfangen, und real kommt ihnen die eigene Persönlichkeit fast immer in die Quere. Sie müssen in einen Berg von Einzeltatsachen und Beobachtungen Ord-nung bringen – um jeden Preis, auch auf die Gefahr hin, daß diese Ord-nung nur in ihren Köpfen existiert. Unwichtige Details gibt es prinzipiell nicsht, nur Verkanntes, Übersehenes, Wissenslücken.4

Damit ist der Blick durch die Augen eines Detektivs ein ausgezeich-neter Zugang zu einer fernen Epoche, ganz wie er in Gegenwartsroma-nen in unvertraute Bereiche einer modernen Gesellschaft einführen kann. Das materielle Äußere und die Umgangsformen der Vergangenheit muß der unbequeme Zeitgenosse im Zuge seiner Arbeit den Lesern selbst ver-raten, während seine eigenen Gedanken und Reaktionen uns – bestenfalls – einen Eindruck auch vom Inneren jenes Gestern geben können, das wir

Was (Alt-)Historiker reizt 53

4 “Wer ist die …?” Roberts, SPQR IV (dt.), 173 K. 8.

durch den Schnüffler belauschen. Umgekehrt ist wohl allen Autoren eine Annahme gemeinsam, vor der Historiker zurückschrecken müssen: daß die Menschen von gestern sich in ihren prägenden Charakterzügen wenig oder kaum von den heutigen unterscheiden, daß Gefühle also keine Geschichte haben. Genau hier liegt zweifellos der feste Punkt, von dem aus ein Leser sich ohne Vorkenntnisse in die fremde Welt hineinwagt: Man erkennt zumindest die Innenseite wieder. Eine Vereinfachung viel-leicht, aber wohl eine notwendige. Selbst wenn die Annahmen, die enge Gefühlsbindung etwa zwischen Kindern und Eltern sei eine Art Luxus der jüngsten Zeit, im größtmöglichen Umfang zutreffen sollten – wie sollte man solchen ‘gefühlskälteren’ Zeiten glaubhaft unter die Haut krie-chen? Hier liegt ein erster Unterschied in der Methode, den wir nicht mit einem Qualitätsgefälle verwechseln sollten.5

Eine geschichtslose Literaturgattung?

Die Vorgeschichte des Kriminalromans ist längst zum Thema zumindest der modernen Literaturwissenschaften geworden, die bekanntlich seit einiger Zeit vom Verdacht der Trivialität förmlich angezogen werden. Historische Situationen in Form des Krimis abzuhandeln ist ebenfalls nicht ganz neu, und selbst für den Themenkreis Antike existieren ältere Vorbilder. Gleichwohl ist “trivial” so ziemlich das erste Etikett, das jeder Advokat dieser Literaturgattung von ihr zu lösen trachtet, und so wird uns erklärt, der Autor eines Historienkrimis habe gewissermaßen gleich zwei Examina abgelegt, eins für Kriminal- und eins für Historienromane. Auch die ‘Ehrenrettung’, die derzeit tätigen Autoren seien historisch ‘vorbelastet’ und seien durch ein Studium der Geschichte oder Litera-turgeschichte gegen ein Abgleiten in die Trivialliteratur gefeit, sei hier

54 Jörg Fündling

5 Affinität von Historiker und Detektiv: H. O’Gorman, Detective Fiction and Classical Narrative. G& R 46 (1999), 19-26, spez. 20 (künftig: O’Gor-man 1999). Konstanten der Persönlichkeit: vgl. Lindsey Davis in [Lindzey]: “I suppose I’m trying to say in my work that human characteristics are the one side of life that never changes.” Zur ‘Emotionsgeschichte’ vgl. nur Ph. Ariès, Geschichte der Kindheit. München 1978 mit dem Kommentar von M. Kleijwegt, Ancient youth. The ambiguity of youth and the absence of adolescence in Greco-Roman society. Amsterdam 1991, 11-25.

energisch zurückgenommen – die Lebenserfahrung lehrt uns, daß ein Studium nicht zwangsweise den Charakter veredelt. Ein ausgebildeter Historiker ist jemand, der sich besonders schämen müßte, schlechte oder oberflächliche Bücher über die Vergangenheit zu schreiben, nicht aber jemand, der gar keinen historischen Schund schreiben kann.6

Aus demselben Grund wird das älteste Thema des Romans über-haupt, die Liebesgeschichte, standhaft ignoriert oder heruntergespielt, erst recht wenn es körperlich wird. Hintergrund ist natürlich die Sorge, auch der erotische Zug könnte das Thema allzu niedrig erscheinen lassen, und so entgeht uns eine schöne Gelegenheit, uns zu streiten, ob es besser ist, bei entsprechenden Szenen wie im Fall Marcus Didius Falco sozusagen den Ton oder wie bei Decius Caecilius Metellus das Bild zuletzt auszu-blenden. Dazu später mehr.7

Was (Alt-)Historiker reizt 55

6 Etwa M. Schröder, Marlowe in Toga? – Krimis über das alte Rom. Der historische Kriminalroman als neues Genre der Trivialliteratur am Beispiel der “SPQR”-Romane von John Maddox Roberts. Paderborn 2001, 23 (künftig: Schröder 2001): Der historische Kriminalroman “eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, die weit da-von entfernt sind, trivial zu sein.”; Betonung der doppelten Schwierigkeit, in gleich zwei Gattungen zu arbeiten: a.a.O. 38 – man könnte einwenden, daß auch ein Stümper Elemente beider Genres und noch vieler mehr parallel verwenden könnte. Die immunisierende Wirkung eines Geschichtsstudi-ums: a.a.O. 40; schon daß der von Schröder selbst (30f.) attackierte “Pro-fessorenroman” aus der Feder von Rechtshistorikern (Felix Dahn) oder Ägyptologen kam (Georg Ebers), wie er selbst (109) einräumt, erschüttert seine eigene These – wenn schon ein schlichter Akademiker nichts Triviales verbrechen kann, wie wenig dann erst ein echter Professor? Vorsicht ist geboten, wo er die vermeintlich seichte Recherchepraxis vieler Autoren des 19. Jahrhunderts geißelt (35): Die meisten hätten z. B. die hochgradig ergänzungsfähige Übersicht Schröders über Quellen zur späten römischen Republik – die eigenwilligerweise nur den Zeitgenossen Quel-lenwert zugesteht (51f.) – methodisch wie inhaltlich überbieten können; auch daß Catilina keineswegs Selbstmord beging, war ihnen geläufig (53) – und sie hätten Cicero nicht für einen Historiker gehalten (87. 102. 110) oder M. Licinius Crassus zu “L. Publius Crassus” gemacht (93). Anderer-seits ist die Idee, Optimaten und Popularen seien je eine “Partei”, bestes 19. Jahrhundert … (53).

7 Günther 2003 schweigt zum Bereich Liebe und Sexualität; Schröder 2001, 73 entschuldigt die Nebenrollen der Frauen bei Roberts mit der Notwen-digkeit realistischer Darstellung, geht aber auf die eigentlichen Sexszenen (die ebenfalls stark als “Männerphantasien” gestaltet sind) nicht ein, wo

Unsere Sache kann angesichts der Riesenmenge an Vorläuferliteratur und Erzähltechniken hier nicht sein, ob eine Verfasserin etwa als Krimi-autorin im engeren Sinn überzeugt: falsche Fährten, komplizierte, aber stimmige Logik, Spannungsaufbau, der Verzicht auf eine deus ex machina-Lösung oder die faire Chance für die Leser, mitzukombinieren – es sei genug, daran zu erinnern, daß es all das auch gibt und daß es mindestens so stark wie das spezifisch historische Romanelement ins Gewicht fällt.8

Umgekehrt zeigt der “klassische” historische Roman unausweichlich Spannungselemente, die sich dem Kriminalfall nähern. In Bulwer-Lyttons The Last Days of Pompeii fordert (und bekommt) das Gerechtigkeitsgefühl des Lesers noch unmittelbar vor dem Vesuvausbruch die öffentliche Verurteilung des schurkischen Isispriesters Arbaces; niemand hat es Lew Wallaces Ben-Hur verübelt, daß die Suche nach der verschleppten Familie

56 Jörg Fündling

sich das anböte – etwa a.a.O. 72 zur Jagd des equus October in SPQR II, 145-164 (K. 7), die für den ramponierten Metellus in einem letzten ‘Kraftakt’ in Rückenlage endet: a.a.O. 187-190 (K. 8).

8 Hier helfen z. B. die Überblicksartikel von Cramme, die diesen Aspekt re-gelmäßig beleuchten. Kurz zum Spannungsaufbau bei Roberts mit Einge-ständnis von Defiziten auf dem Gebiet des red herring: Schröder 2001, 76-78; man beachte, daß SPQR IX nicht einmal ein eigentlicher Kriminal-roman, mehr ein historisches Abenteuer ist (es gibt viel zu kämpfen und wenig aufzuklären). Sehr gründlich in der Praxis, seinen Detektiv probe-weise einen Tathergang konstruieren und gleich wieder verwerfen zu lassen, ist Wishart, der es pro Band auf über ein Dutzend Anläufe bringen kann. Schwächster Punkt bei Lindsey Davis ist, daß der (ganz gelungene) Plot von Time to Depart in The Jupiter Myth fast identisch aus Rom nach Londinium transplantiert wurde: Die örtlichen Sicherheitskräfte unterstüt-zen einen untergetauchten Verbrecherboß bei der Verwaltung seines Unterweltimperiums; Falco trifft und verliert eine in den Fall verstrickte Frau, die ihm einmal viel bedeutet hat. – Aus dem Hut gezauberte Lösung des Falles z. B. bei Roberts, SPQR III 199-207 (K. 12), dazu Schröder 2001, 80, der deus ex machina mit cliffhanger (bekanntlich ein Spannungsele-ment z. B. am Ende einer Romanfolge, das den Leser zum “Dranbleiben” animieren soll) verwechselt. Theatralik: SPQR V mit Showdown im Un-wetter; Gottesurteil inklusive. Der Schurke gehört praktischerweise zu denen, die gern von ihren Verbrechen erzählen (Schröder 2001, 80); stand bei der Blitz- und Donner-Szene Roberts’ Karriere als Fantasy-Autor Pate? Die als Gottesurteil apostrophierte Flut am Ende von SPQR VIII samt Hollywood-Kampfszenen und Stunts (Sprung von einem treibenden Theater auf die Tiberbrücke) fällt eindeutig in dieselbe Kategorie.

des Titelhelden, geheime Kerker und Lepra inbegriffen, eine gewichtige Rolle spielt; Robert von Ranke-Graves’ Doppelroman um Claudius schließlich zwingt die Hauptperson ganz wider Willen gleich mehrfach in die schmerzhafte Enthüllung von Intrigen und schmutzigen Familien-geheimnissen. Die Suche nach der Wahrheit – richtiger: nach einem höheren Grad von Wahrheit – ist nun einmal spannend und insofern literaturfähig. Wenn wir im Ernst einen Stammbaum für sie verlangen wollen, so hat sie ihn durchaus vorzuzeigen, und natürlich ist er um vieles älter als der Kriminalroman selbst.9

Der Historienkrimi ist also in gewisser Weise ein Bastard, ein composi-tum mixtum10 – er hat etwas vom Historienroman des 19. Jahrhunderts geerbt, manchmal sogar dessen Pathos oder peinlichen Nationalstolz, er imitiert (oder parodiert) zudem technisch wie im Tonfall die modernen Klassiker des Krimis, ob sie nun Chandler oder Christie heißen.11 Nicht selten kommen (wie in so vielen Krimis der jeweiligen Gegenwart) Elemente des Liebesromans dazu, und in vielen Fällen läßt sich das Verbrechensszenario nicht sauber von einem hochpolitischen Hinter-grund trennen. Ebenso unterschiedlich fällt der Action-, ja Fantasy-Einschlag aus. Zum Thriller fehlen oft nur die Spionageausrüstung und die anonymen Apparate moderner Bürokratien; der Extremist unter den Autoren ist offenkundig John Maddox Roberts, der sich nicht scheut,

Was (Alt-)Historiker reizt 57

9 Edward George Bulwer-Lytton, The Last Days of Pompeii. London 1834 (dt. Die letzten Tage Pompeji’s, übs. Friedrich Notter. Stuttgart 1845; benutzte Ausgabe: Die letzten Tage von Pompeji. Frankfurt a.M. (Insel) 1986); Lew Wallace, Ben-Hur. A Tale of the Christ. New York (Harper) 1880; eine kleine Hommage von Simon Scarrow, Heads you Lose, in: Ashley 2003, 198-221, ist das Auftauchen von Ben-Hurs Stammhaus in Jerusalem (a.a.O. 203). Robert (von Ranke) Graves, I, Claudius und Claudius the God. London (Ar-thur Barker) 1934 (dt. Ich, Claudius, Kaiser und Gott. Leipzig (List) 1934 u.ö.).

10 Vgl. den Beitrag von D. Dappert im vorliegenden Band.11 Symptomatisch für den ‘Wildwuchs’ sind die Begriffsnöte, in die Schröder

2001, 23-32 bereits bei der Definition des historischen Romans gerät. Für das Pathos, nun allerdings im Sinn eines investigativen Journalismus, sei Steven Saylor genannt; Anne de Leseleucs Marcus Aper – schnauzbärtig, zwanghafter Biertrinker, in gallischem Lokalstolz und Stammesdenken be-fangen, unassimiliert – ist ein Fossil der französischen Keltenschwärmerei, weiland Pendant zur deutschen Germanenmanie. Das befremdliche Bild – stolz-unverbrauchtes Gallien gegen dekadentes Rom – setzt sich z. B. im “sachlichen” Anhang von Leseleuc, VMA 197-209 fort.

seinen Helden im besten Indiana Jones-Stil von einer Mörderbande auf Elefanten verfolgen zu lassen oder einen Schwertkampf im dicksten Gewitter unter multipler Anrufung der rächenden Götter abzuhalten.12

Die Hybridbildung schreitet übrigens immer weiter voran: Hatte sich in den letzten Jahren eine weitere Spielart des “Gegenwarts”-Krimis ent-wickelt, der regional oder lokal gebundene (der in Deutschland mittler-weile die meisten Großstädte und Landschaften abdecken dürfte), so sind mittlerweile längst kleine Serien historischer Lokalkrimis (um einen be-sonders schrecklichen Ausdruck zu prägen) ins Sein getreten. Wie ihre in der Gegenwart angesiedelten Verwandten appellieren sie offensichtlich an die geographische Vertrautheit mit der Szenerie, verfremden sie zwar, aber auf noch wiedererkennbare Weise, und geben dem Leser eine be-rühmte Figur, zumindest aber den fiktiven Bekannten einer solchen oder den Vertreter eines halbwegs vertrauten Personenkreises mit, sei es als Detektiv oder als Betroffenen – einen hanseatischen Kaufmann, einen Koch des Alten Fritz, Caspar David Friedrich, Heinrich Heine oder Goe-the persönlich.13 Mit Rosemary Rowes Libertus-Romanen ist für das römische Britannien eine regional gebundene Serie dieser Art entstanden;

58 Jörg Fündling

12 Elefantenszene: Roberts, SPQR III, 290-294 (K. 14). Fantasy-Schwert-kampf: SPQR V, 263-270 (K. 13) (dt.). Abwertung von Davis (wohl zur Aufwertung und Rechtfertigung seines Themas Roberts) bei Schröder 2001, 83f.; insbesondere: “Davis spielt mit mehreren Genres, ohne eines davon wirklich ernst zu nehmen.” (a.a.O. 84). Umgekehrt bewertet [Cramme]/robetemp.html SPQR IV (wie auch die anderen Bände) weniger als Krimi denn als “römischen Politthriller”. Das Handlungsgerüst von Ecos Il nome della rosa – Morde, die sich (zunächst scheinbar) nach den Prophezeiungen der Johannes-Apokalypse vollziehen – kopiert übrigens Montanari, CC, die S. 216 (dt.) gleich noch den Hund von Baskerville bellen läßt.

13 Ein Querschnitt: Frank Pergande, “Spaziergang mit Leiche oder Mord nach jeder Fasson”. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 211, 11. Septem-ber 2003, R 6. Hanse-Kaufmann: Jan Eik, Kurisches Gold. Hamburg (Euro-päische Verlagsanstalt) 2002; Koch: Tom Wolf, Königsblau. Mord nach jeder Fasson. Berlin (berlin.krimi.verlag) 2001; Heine: vgl. den Jugendroman von Jürgen Seidel, Harry Heine und der Morgenländer. Weinheim (Beltz) 1998; C. D. Friedrich: Hans-Jürgen Schumacher, Übermalte Schatten. Mesekenhagen (Buchmacher-Autorenverlag) 2003; Goethe (1778): Andreas Merke, Chri-stianes letzte Pfade. Berlin (Rütten & Loening) 1999.

alle bisher erschienenen Titel spielen im südwestlichen England rund um Glevum (Gloucester).14

Nun erinnert die unbekümmerte Fusion literarischer Gestaltungsfor-men in der Tat an Praktiken eindeutiger Trivialliteratur. So ist beispiels-weise der Liebesroman für den Massenmarkt mit Motiven des histori-schen Romans und/oder der Science Fiction respektive Fantasy angerei-chert worden. Die in solchen Werken gern als Heldin herangezogene Ari-stokratin in London um 1800 (also im beliebten “Regency England”) trifft etwa den verwandlungsfähigen Vertreter einer fremden, aber sexuell äußerst kompatiblen Spezies, flieht mit ihm vor seinen (irdischen oder außerirdischen) Widersachern durch ein Netz von Raum-Zeit-Verwer-fungen auf den gastlichen Heimatplaneten und erlebt unterwegs diverse Einsätze von Magie, Waffen und erotischen Wunderkräften. Selbst ausge-sprochene Kriegsliteratur, wie sie mittlerweile auch für die Antike auf-taucht, kann als Motivlieferant für romantische Verwicklungen dienen; eine amerikanische Autorin etwa hat sich auf das Verheiraten von Elite-kämpfern der US-Marine spezialisiert, die im Folgeroman gelegentlich als Trauzeugen fungieren, und integriert moderat blutige Gefechtsszenen.15

Was (Alt-)Historiker reizt 59

14 Rowe, GM und Folgebände (siehe Anhang), angeregt sicher durch Davis; SP, die inzwischen mit BiBH und JM den Schauplatz Britannien reaktiviert hat. Vgl. auch Jane Finnis, Get Out or Die. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 2003.

15 Das Angebot von amazon.com unterscheidet innerhalb der Rubrik “Ro-mance” ein Subgenus “Time Travel” von “Fantasy, Futuristic & Ghost”. Die beschriebene Themenmixtur bietet Dara Joy, Rejar. New York (Dor-chester Publishing/Leisure Books) 1997; Mine to Take. New York 1998 und weitere. Auch griechische Götter sind nicht sicher: Sherrilyn Kenyon, Fantasy Lover. New York (St. Martin’s) 2002. Antike Muster des faszina-tionsorientierten Ansatzes “Krieg ist grausam, aber erschließt neue Dimen-sionen des Menschseins” legte Steven Pressfield vor (Gates of Fire. An Epic Novel of the Battle of Thermopylae. London (Doubleday) 1999; (dt. Sparta. München (Goldmann) 2001, Verfilmung ist im Gang); Tides of War. An Epic Novel of Alcibiades and the Peloponnesian War. London 2000). Neben diesem ‘Vietnam’-Blickwinkel steht der Korpsgeist und Härte propagie-rende Landserroman von Simon Scarrow über die Legio II Augusta in claudischer Zeit, offenbar eine idealisierende Rückprojektion des Alltagsle-bens der britischen Armee (Under the Eagle. London (Headline Book Publ.) 2000 (dt. Im Zeichen des Adlers. München (Blanvalet) 2003); mehrere Folge-bände), die jenseits der Ausrüstung mäßige bis miserable Quellentreue

Ganz ernst zu nehmen ist diese Mixtur wohl nicht mehr; aber sie macht nicht das Triviale an solchen Büchern aus. Das entsteht wohl eher, weil bloßes “Lesefutter”, mag der “Cocktail” der Ausgangssituation auch noch so wild gemischt sein, allzu große Überraschungen beim Erzählen meidet: die vom Leser geschätzte Voraussagbarkeit mit ihrer beruhigen-den Wirkung geht vor. Hüten wir uns also, einen bestimmten Themenbe-reich als trivial zu identifizieren, denn die Billigversion des Schreibens kann überall zuschlagen: Nicht daß ein Buch, sagen wir, Science Fiction ist, macht es trivial, und daß es von der klassischen Antike handelt, muß es erfahrungsgemäß leider nicht lesenswert machen. Insofern erscheint es bestenfalls unrealistisch, einen Roman, der mehrere Genres – eventuell in spielerischer Weise – zitiert, eben deswegen abzuwerten; unter diesem Aspekt wäre neben Tausenden schlechter Abschreiber auch Umberto Ecos Initialzündung Il nome della rosa oder jener Musterfall ironisierter Vorgeschichte, Joseph und seine Brüder von Thomas Mann, unter die Ver-dammten zu zählen.16

Über die Qualität eines bestimmten Romantyps sollte allerdings Einigkeit möglich sein. Vertreten ist er in unserem Feld durch Marylin

60 Jörg Fündling

verrät. ‘Militärischer’ Liebesroman der Gegenwart: Suzanne Brockmann, Into the Night. New York (Ballantine) 2002; die Autorin hat über ein halbes Dutzend Romane um bindungswillige Navy SEALs vorgelegt. Ein kurzer, scharf abgrenzender Seitenblick auf den historischen Liebesroman (historical romance) bei Schröder 2001, 25f.

16 Die römische Antike ist mittlerweile auch auf dem SF-Feld der sogenann-ten alternative history, der Romanversion des “Was wäre, wenn …?”, vertreten: Kirk Mitchells Trilogie Procurator. New York (Ace) 1984; Impera-tor (1986) und Liberator (1989; dt. gesammelt als Germanicus. Bergisch Glad-bach (Bastei Lübbe) 1998), lassen ein Römisches Reich, in dem sich das Christentum nicht entwickelt hat, mit Dampfschiffen und Karabinern ge-gen sich selber und die Azteken antreten; ähnliche Schlachtenspektakel mit etwas mehr Anlehnung an die Historie bietet John Maddox Roberts, Hannibal’s Children. New York (Ace) 2002, der Karthago den 2. Punischen Krieg gewinnen, das ins Exil gewanderte Rom aber ‘in der Verlängerung’ dank der orientalischer Korruption überlegener Zähigkeit siegen … und gleich zum Bürgerkrieg übergehen läßt. Auch hier bildet die Einführung modernerer Waffentechnik (überschwere Wurfmaschinen, U-Boote) und gigantomaner Festungen (der Mauern von Karthago) eines der Haupt-motive für den Roman. Schon SPQR IV kreist um antike ‘Wunderwaffen’ aus den Arsenalen von Alexandria.

Todd, die den traditionellen bodice-ripper einfach dadurch “antikisiert”, daß sie die Helden in Bettücher steckt und hinter dem von Morden heim-gesuchten Landhaus ein Löwengehege installiert, das ja jeder bessere Römer braucht. Die Handlung ist problemlos in jede Zeit zu verlegen, was durch die Zweidimensionalität der Personen erleichtert wird. Ziel-publikum sind eindeutig Leserinnen, deren Intelligenz übrigens systema-tisch beleidigt wird: die Heldin mit dem täuschend echten Namen “Clau-dia Seferius” läßt alle fünf Seiten verbal erkennen, sie sei praktizierende Feministin, und schmachtet alle zehn nach dem designierten Liebhaber, der dann weitgehend die ganze Arbeit machen darf. Viel sexistischer geht es nicht. Wirklichen Charakter besitzt höchstens Claudias Katze, die dar-um allen Tierfreunden wärmstens empfohlen sei; sie hat auch die besten Texte. Der Blick darauf, was einem großen Publikum gefällt, führt zurück zum historischen Krimi. Es gibt ihn in allen möglichen Varianten, aber nicht zu allen Zeiten – eindeutig werden Epochen und Figuren bevor-zugt, die im öffentlichen Bewußtsein durch größere Medienereignisse zumindest ansatzweise präsent sind. Nicht irgendein ost- oder west-fränkischer König lockt französische und deutsche Autoren an, sondern natürlich der Hof Karls des Großen; der auftraggebende ägyptische Pharao hat gute Chancen, sich als Tutanchamun, Ramses II. oder die Ausnahmekönigin Hatschepsut zu erweisen; in England zwischen etwa 1750 und 1800 angesiedelte Romane kommen selten um das literarische London eines Fielding oder Johnson herum, wenn nicht gar ausgerechnet Jane Austen die Ermittlungen aufnimmt; nicht einfach Japan, sondern das aus dem Fernseherfolg Shôgun bekannte Japan der Edo-Zeit, um 1600 oder kurz danach, wird zum Schauplatz. Und ebenso selbstverständlich konzentrieren sich die antiken Vertreter im Rom der späten Republik und der frühen Kaiserzeit, deutlicher ausgedrückt, zwischen Cleopatra und Quo vadis mit ein bißchen Ben Hur und Ich, Claudius, Kaiser und Gott. (Ob Gladiator das ausgehende 2. Jahrhundert langfristig interessanter macht, bleibt abzuwarten.)17 Die große Ausnahme bildet einer der exzentrischen

Was (Alt-)Historiker reizt 61

17 Karl der Große: Marc Paillet, Le poignard et le poison. Paris (Éditions 10/18) 1995 (dt. Mit Dolch und Gift. Frankfurt (S. Fischer) 1998. Ägypten: Thut-mosis II./Hatschepsut: Paul Doherty, The Mask of Ra. London (Headline Books) 1999; Tutanchamun: Lynda S. Robinson, Murder in the Place of Anubis. New York (Walker & Co.) 1994; Spätdynastische Zeit, 7. Jh. v. Chr.: Brigitte Riebe, Isis. München (Droemer Knaur) 2002 (mit einem

Wegbereiter des historischen Krimis, der sich das China des 7. Jahrhun-derts ausgesucht hatte – aber Robert Hans van Gulik war passionierter Sinologe … Auch “das” Mittelalter wird mittlerweile zeitlich und regional außerordentlich differenziert und kenntnisreich behandelt.18

62 Jörg Fündling

“Frauenschicksal”-Schwerpunkt). Ebenso verlockend ist offenbar die kri-minelle Seite der Ägyptologie, wie Elizabeth Peters’ viktorianische Ägypto-login Amelia Peabody beweist (Crocodile on the Sandbank. Boston (G. K. Hall) 1975 (dt. Im Schatten des Todes. Berlin (Ullstein) 2000). Eine Antho-logie: Mike Ashley (Hg.), The Mammoth Book of Egyptian Whodunnits. London (Robinson) 2002. – Englisches Augustan Age: Bruce Alexander, Blind Justice. New York (Putnam) 1994 (dt. Hinter geschlossenen Türen. München (btb bei Goldmann) 1996; mit Henry Fieldings Bruder John, Gründervater der Londoner Kriminalistik, als Ermittler). Jane Austen: Stephanie Barron, Jane and the Unpleasantness at Scargrave Manor. New York (Bantam Books) 1996 (dt. Jane Austen und der dunkle Engel. Berlin (Aufbau) 1996). Japan der Tokugawa-Shôgune: Laura J. Rowland, Shinju. New York (Random House) 1994 (dt. Der Kirschblütenmord. Bergisch Gladbach (Bastei Lübbe) 1996). – Der Einfluß der Antikenfilme auf den Kriminalroman wäre ein Thema für sich. Nur als Beispiel sei der berühmte lederbezogene Beißstab genannt, mit dem in Cleopatra Rex Harrison als epileptischer Caesar traktiert wird: dasselbe Requisit erscheint in Saylor, AMP 8 (K. 1) wie eine Standard-ausrüstung. Auch der Name “Charmian” für eine Sklavin – letztendlich aus Shakespeares Antony and Cleopatra geborgt – dürfte auf diesem Weg in Roberts, SPQR XI (dt.), 73 (K. 3) gelangt sein. Die Ausstattung in Burns, RN, wo der Kaiser in einer zweifarbig lackierten “Kutsche” mit Dienst-wappen fährt und der Senat mit grellen Phantasieuniformen drapiert ist – vgl. 420 (K. 27); 368 (K. 23) (dt.) – ist wohl auch auf mediale Einflüsse dieser Richtung zurückzuführen und kommt aus einer Welt, in der es statt der lästigen Begriffsflut princeps, imperator, Caesar, Augustus ein lateinisches Wort gibt, das “Kaiser” bedeutet (siehe 347 [K. 21] mit der enthüllenden Münzlegende “Kaiser von Rom”).

18 R. H. van Gulik, The Chinese Maze Murders. Den Haag (W. Van Haeve) 1956 u.ö. (dt. Mord im Labyrinth. Zürich (Die Waage) 1963; Zürich (Diogenes) 1985) mit 14 Folgebänden – extrem lesenswert und kulturgesättigt. Mit dem Mittelalter, vertreten durch Umberto Ecos Il nome della rosa. Mailand (Fabbri) 1980 (dt. Der Name der Rose. München (Hanser) 1982), begann natürlich die kontinentaleuropäische Welle des Historienkrimis. Für Groß-britannien gilt ein früheres Epochenjahr, festgelegt durch Ellis Peters (Edith Pargeter), A Morbid Taste for Bones. London (Macmillan) 1977; noch Davis, 1VtM ist schon im Titel eine Hommage an den zweiten Band der Cadfael-Reihe, One Corpse Too Many. In Peters’ Tradition bearbeiten bri-

Angesichts dieses Befundes dürfen wir kaum verhüllte Klagen aus dem Lager der “Kritischen Theorie”, leider fühle sich der Leser zur “Macht in ihrer reinen Gestalt gezogen”, zumindest relativieren. Sicher schaden (vermeintlich) besonders lasterhafte oder blutige Zeithorizonte nicht dem Umsatz, wie Klappentexte über die römische Antike als “this most bloodthirsty and exciting of times” andeuten. Mächtige Persönlich-keiten und Epochen großer Machtentfaltung einer Kultur hinterlassen aber auch schlicht mehr Spuren, auf denen ein Roman- oder Drehbuch-autor aufbauen kann; es gibt mehr Latein- als Griechischkundige und viel mehr Übersetzungen aus der jüngeren Sprache; Sueton und Tacitus lesen sich für Nichtspezialisten auch übersetzt interessanter als beispielsweise Diodor oder Dionysios von Halikarnassos. Und wer bringt die Geduld auf, sich in eine kaum dokumentierte Epoche wie die griechischen Dark Ages einzuarbeiten, für die er nicht viel mehr als die Archaeologia Homerica, Finleys The World of Odysseus und ein paar Grabungsberichte konsultieren kann? Dennoch gibt es auch über das archaische Griechenland einen historischen Roman und gar keinen schlechten, mag er auch auf die Verzweiflung aller Experten berechnet sein.19

Was (Alt-)Historiker reizt 63

tische Krimiserien bis heute verstärkt mittelalterliche Stoffe aller Epochen, häufig – dank der exzellenten Überlieferungslage in England – stark regio-nalisiert oder auf engumgrenzte soziale Situationen (Grundherrschaft, Da-menstift, Beamtentum) zugeschnitten. Eine gute Übersicht verschaffen die von Mike Ashley edierten Anthologien The Mammoth Book of Historical Who-dunnits. London (Robinson) 1993 (dt. Von Rittern, Hexen und anderem Gelich-ter. Historische Kriminalgeschichten. Bergisch Gladbach (Lübbe) 1996); The Mammoth Book of Historical Detectives. London (Robinson) 1995 (dt. Räuber, Schurken, Lumpenpack. Bergisch Gladbach (Lübbe) 1999) und The Mammoth Book of Historical Whodunnits. Brand New Collection. London (Robinson) 2001.

19 B. von Borries, Alexander, Caesar & Co.: Präsentation und Reflexion antiker Geschichte im modernen Roman. GWU 30 (1979), 479-499, spez. 479 (künftig: v. Borries 1979). Zustimmend R. Günther, Römische Er-mittlungen: Serien-Kriminalromane für die Zeit der römischen Republik und die Kaiserzeit, in: K. Brodersen (Hg.), Die Antike außerhalb des Hörsaals. (Antike Kultur und Geschichte 4.), 129-148, spez. 132 (künftig: Günther 2003). Klappentext: Ashley 2003. Indirekter Hinweis auf die Bedeutung einer relativ guten Quellenbasis: Schröder 2001, 56f. Roman der Dark Ages: Tom Holt, Olympiad. An Historical Novel. London (Little, Brown & Co.) 2000. Der von Günther generell geschätzte Steven Saylor ist über das hier verworfene stereotype Sensationsdenken keineswegs erhaben und preist die

Überhaupt werden durchaus noch historische Romane geschrieben, wahrscheinlich mehr als zuvor – die Wühltische der modernen Antiqua-riate quellen über von Schlachten im Teutoburger Wald –, doch fehlt dieser etablierten Gattung die Entwicklungsdynamik, die einen Teil der Faszination und des Schreckens des Historienkrimis ausmacht. Die Anti-ke wirkt wohl nur auf wenigen Feldern so stimulierend wie hier, und in aller Regel ist sie im Krimi eben nicht nur Versatzstück.

Wie ein Krimi zu “Schund” werden kann:Die Rolle der Übersetzung – und sprachunkundiger Kritik

Wenn es einen Hauptschuldigen für den insgesamt schlechten Ruf gerade der historischen Kriminalliteratur bei den hauptberuflichen Verwaltern des antiken Erbes gibt, dann einige Verlage. Vor der Auseinandersetzung mit dem Buch ist im Fall der englischsprachigen Mehrheit aller Romane regelmäßig eine Schicht peinlicher bis unglaublicher Fehler abzuheben, die sich unverkennbar der Praxis verdanken, für wenig Geld einen Über-setzer an die Arbeit zu lassen, der keine Zeit hat, sich kundig zu machen, und keinen Lektor, der ihn eines Besseren belehren könnte. Die Resultate sind himmelschreiend, und man kann nur wieder und wieder den – leider wohl ohnmächtigen – Appell an die großen Übeltäter, namentlich Gold-mann, richten, doch endlich etwas mehr in ihre Ware zu investieren. Kritiker neigen erfahrungsgemäß selbst dann dazu, dem Autor die Sünden des Übersetzers anzulasten, wenn sie es eigentlich besser wissen, da ihnen die Zeit für eine doppelte Lektüre selten bleibt. Schlimmer noch, einige tun sich gar nicht schwer damit, semantische Feinheiten des Originals ex cathedra anhand der Übersetzung zu be- und verurteilen, statt ihre und unsere Fremdsprachenkenntnisse zu erproben.20

64 Jörg Fündling

späte Republik als literarisch geeignet dank ihrer “extremes of squalor and splendor” (www.stevensaylor.com/bio.html).

20 Vgl. Günther 2003, 137, die in den SPQR-Bänden nur zu berechtigt “zahl-reiche Schludrigkeiten” auf Verlagsseite konstatiert, aber etwa in Anm. 20 einen klaren Übersetzerfehler auf Roberts’ Konto zu buchen scheint. A.a. O. 139 straft sie Lindsey Davis’ Diktion aufgrund zweier Stichproben aus der deutschen Übersetzung von 1VTM ab, kaum ein stichhaltiges Verfah-ren. Günthers ganzer Aufsatz verliert durch die a.a.O. 132 proklamierte Verengung auf “die Rezeption (…) im deutschsprachigen Raum”, lies, auf

Dürftige Englischkenntnisse sind hier wie überall schlimmer als gar keine. Von anderer Seite wurde der reichlich plakative Stil des Conan-erprobten John Maddox Roberts über den von Lindsey Davis gestellt, weil bei Roberts für eine Römerstraße “niemals der profane Begriff high-way gebraucht” würde. Der Kritiker denkt offenbar an US-amerikanische Autobahnen. Davis ist aber zufällig Britin, und während Autobahnen dort motorway heißen, ist highway schlicht eine Landstraße, und das schon seit Jahrhunderten. “Faux-pas dieser Art nehmen einigen Schriftstellern auf Grund des zweifelhaften Stils von vornherein die historische Glaubwürdigkeit”, lautet das stolze Fazit der zitierten Abhandlung; dem ist nichts hinzuzufügen.21

An der Realsatire viel zu vieler Ausgaben ändert das nichts. Der Blitz des Jupiter und die Eule der Minerva mutieren unter der harten Hand des Roberts-Übersetzers Kristian Lutze zu “den Accessoires der Götter”; wie staunen wir, daß im Original brav und korrekt “Attribute” steht! Noch schlimmer ergeht es dem Stellvertreter des Diktators, dem magister equitum. “Reiteroberst” ist der übliche deutsche Ausdruck; man könnte auch “Chef der Kavallerie” sagen. Bei Roberts gemäß Lutze figuriert er unter dem bizarren Titel “Herr des Pferdes” – was nach magischen Gebräu-chen oder ähnlichem klingt, ist eine Warnung, daß man selten oder nie einen Begriff wortwörtlich übertragen sollte: Unter der Verkleidung steckt der völlig korrekte Titel Master of the Horse. Auf dieses Amt hat Lutze es abgesehen: Woanders degradiert er den Herrn Oberst originel-lerweise zum “Rittmeister”, also zu einem Hauptmann mit Pferdegeruch. Der achte Roman der SPQR-Reihe beschreibt, wie der Tiber über die Ufer tritt, womit dessen Gott Tiberinus sich für allerlei Versäumnisse

Was (Alt-)Historiker reizt 65

deutschsprachige Originale oder schon übersetzte Titel empfindlich an Re-levanz. Überhaupt ist eine solche Abgrenzung im Zeitalter des Fremdspra-chenunterrichts und des leichten Zugangs zum angloamerikanischen Buchmarkt methodisch nicht recht einsehbar – das Spezifikum der Krimi-rezeption eines deutschen Lesers bleibt mysteriös und dessen Möglichkeit zur Lektüre im englischen Original wird schlicht ignoriert. – Lobenswert differenziert zeigt sich dagegen [Cramme]/robespqr.html; robetemp.html usw., der die empörende Qualität der Goldmann-Ausgaben klar von Ro-berts’ Eigenverantwortung absetzt.

21 highway: Schröder 2001, 65. Der dortige Verweis auf Davis, PG (K. 48) der offenbar verwendeten Taschenbuchausgabe (die bei Schröder a.a.O. 120 angegebene Century-Edition paginiert anders) ist falsch; anders als etwa in IHM 76 (K. 13) scheint das monierte highway in PG gar nicht aufzutauchen.

rächt; als würdiger Auftakt für Dutzende kleinerer Schnitzer wurde gleich der Apostroph im Titel falsch gelesen, und aus The River God’s Vengeance wird “Die Rache der Flußgötter”, als hätte da Gods’ gestanden. Viel hübscher ist allerdings, wie Metellus – der an Schlägereien, aber nicht an Schlachten interessiert ist – einem jungen Soldaten schmeichelt: er selbst habe es nie bis zur Eichenlaubkrone gebracht, der Trophäe für die Rettung eines Bürgers. Roberts schreibt hier zweifellos civic crown, aber Lutze wußte es besser, und so prahlt Metellus auf deutsch: “Ich selbst habe nie die Bürokrone errungen”. Für die Redaktion des Goldmann-Verlags gilt eindeutig dasselbe, oder sie würde auch ihre neuen Übersetzer nicht schreiben lassen, eine Hetäre finde, sie habe es in ihrem Leben “unterm Strich” gut getroffen. Die Dame lebt doch eigentlich auf dem Strich?22

Unkenntnis der Zielsprache scheint für die Übersetzer bei Goldmann eine Art Haustradition zu sein. So lernen wir zu Beginn von Danila Mon-tanaris Cave Canem (deutsch von Helmut Splinter) den Jugendfreund und Leibsklaven des Helden Aurelius kennen. Der arme Mensch heißt “Pari-des”. Kein Zweifel, was ihm zugestoßen ist: natürlich ist er von Hause aus ein Paris, wurde im Italienischen angeglichen zu Paride, und in der richtigen Erkenntnis, das müsse irgendwie griechisch klingen, hängt der ratlose Übersetzer – anderswo befördert er den brillanten Gastgeber Lucullus zum Gastwirt – ein “s” an, was ja nie schaden kann. Splinters Nachfolgerin Sigrun Zühlke weiß zwar, wer Parides wirklich ist, aber dafür gibt sie der deutschen Sprache eine seit gut zweihundert Jahren verlorene Tradition zurück und bildet Konstruktionen wie “unter an-deren doctoribus”; eine Handhabung der lateinischen casuum, die einem verflossenen saeculo entstammt und bei aller seriositate der heutigen studio-sorum von niemandem vermißt wird. Den Personennamen geht es davon auch nicht besser, so daß selbst der Apostel Petrus, auf griechisch-aramäisch Kephas, als ein geheimnisvoller “Simon, auch Kefa genannt” endet – hat denn niemand im Verlag ein gutes Lexikon?23

66 Jörg Fündling

22 “Accessoires”: Roberts, SPQR II (dt.), 108 (K. 5); vgl. Original S. 108: “attributes”. “Herr des Pferdes”: SPQR VI (dt.), 49 (K. 2); “Rittmeister”: SPQR III (dt.), 128 (K. 7). “Bürokrone”: SPQR VIII (dt.), 41 (K. 3). “unterm Strich”: SPQR X (dt.), 234 (K. 11).

23 “Parides”: Montanari, CC (dt.), 12 u.ö. “Gastwirt” Lucullus: a.a.O. 270. Beim Begrifferaten scheitert Splinter ziemlich regelmäßig: “Portia” (102), “Ganimed” (179), “Pompeus” (187) usw., wenn er nicht, wie bei “Cintia”

Verbrechertransport in die Antike – naiv oder kritisch?

Das Zubehör eines modernen Kriminalromans ins Altertum zu verpflan-zen wirft bei einer 1:1-Umsetzung seine Probleme auf. Man benötigt einen Detektiv, sei er nun Ermittlungsbeamter, freier Unternehmer oder Amateur, weiterhin Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwalt, Ge-richt), eine an Hindernissen für den Ermittler reiche Gesellschaft (gerne mit “Establishment”, jedenfalls mit Halb- und Unterwelt), meistens einen Täter und ein besonderes Risiko, falls dieser überführt wird (eine Variante des klassischen Elektrischen Stuhls). Die Not führt zu Fehlern und zu überraschenden Funden gleicher-maßen. Ein Krimi braucht berüchtigte Gefängnisse – und Lindsey Davis brauchte folglich welche für The Silver Pigs, am besten mehrere. Beim prominenten Tullianum geht das schief: Es ist identisch mit dem später als ein anderes Verlies genannten carcer Mamertinus. Beim Aufschlagen von Venus in Copper begegnen als Gefängnis die Lautumiae; ich stutzte erst, weil ich diesen Kerker nur aus Livius’ Hannibalbüchern kannte, aber Nachschlagen ergab, daß er zumindest unter Tiberius noch benutzt wurde – warum also nicht? Das steht sicher auf einer anderen Stufe als etwa das wilde Erfinden eines römischen “Amts für Provinzangelegen-heiten” durch Anne de Leseleuc.24

Besonders heikel ist es natürlich, dem Ermittler das richtige Motiv einzupflanzen. Bloße Neugier ist die einfachste Lösung, chronischer Geldmangel (so bei Davis) eine andere. An komplizierteren oder ausla-denderen Erklärungen seien genannt: die “unbeugsame Vorstellung von Recht, Ordnung, Anstand und humaner Loyalität” (Stöver); der “Fluch”,

Was (Alt-)Historiker reizt 67

(107) oder “Serapide” (143) u. a. schlicht die Arbeit verweigert; sehr schön “Du hast mehr Geld als Crescus” (227; niemand wird dahinter Krösus ver-muten). “unter anderen doctoribus”: Montanari, MTS (dt.) 33 (K. 4). “Kefa”: a.a.O. 141 (K. 11). Zühlke kollidiert wie ihr Vorgänger regelmäßig mit Ei-gennamen: “Chrisidis” 128 (K. 13); “Nigro” und “Vibonis”(<Vibone; rich-tig “Vibo”) a.a. O. 133 (K. 14), “Hipparcus” 187 (K. 17), “Vittelius” 265 (Anhang). Ob Montanari oder die Übersetzerin Lucius Domitius (= Nero) wiederholt zu “Domitianus” machen (a.a.O. 224; 283), stehe dahin.

24 Tullianum: Davis, SP 16 (K. 4); ”Mamertine Jail”: 29 (K. 8). Lautumiae: VC 11f. (K. 1) vgl. Sen. controv. 9,4,21. Zum eher dürftigen Bestand an Kerkern vgl. J.-U. Krause, Gefängnisse im Römischen Reich. (HABES 23.) Stuttgart 1996. Das infame “Office des Affaires Provinciales” in Rom: Leseleuc, MAL 158; 194.

zu stochern, bis alles am Tag ist, nicht aus Wahrheitsliebe, sondern Manie: der Detektiv als Getriebener, als Jagdhund des Pluto, der zum Mißtrauen aus Prinzip verdammt ist (Roberts); Liebe zur Wahrheit und tiefe selbst-bekundete Integrität (Saylor) – ganz analog: “Je cherche la vérité et je sers la justice!” (Leseleuc).25

Die Tradition der mystery story führt oft zur Form des Ich-Erzählers, die sich bei den meisten Imitatoren und Parodisten des “harten” Detek-tivtyps findet. Widerstand von erzähltheoretischer Seite gegen diese Kon-vention stützt sich darauf, daß ein häufigerer Wechsel der erzählenden oder erlebenden Figur, eine Aufteilung in Handlungsstränge vermeintlich “am ehesten (…) eine wünschenswerte, kritische Distanz” beim Leser erzeuge und “selten eine Identifikation bzw. bewußte Emotionalisierung der Leserschaft” erlaube. In aller Bescheidenheit sei auf den stellenweise vierfachen Handlungsstrang in The Lord of the Rings verwiesen: Gerüchte besagen, der “Emotionalisierung der Leserschaft” J.R.R. Tolkiens habe das nicht geschadet. Ein Grund mehr, die Unumgänglichkeit “kritischer Distanz” mit kritischer Distanz zu betrachten. Die unwissenden Leser, die es offenbar mit aller Kraft zu pädagogisieren gilt, hängen nun einmal sehr an ihrem schlechten Geschmack.26

68 Jörg Fündling

25 “unbeugsame…”: Stöver, CVT 3, 22 (K. 4). – Roberts, SPQR III, 81: “It was not that I was especially honest […]. It was just that some mischievous genius in me made me ferret out the truth and make it public.” Jagdhund des Pluto: SPQR V (dt.), 57f. (K. 4) – hier wird Metellus geradezu zum Ermittlerdasein verflucht! Allergie gegen “face value”: SPQR III, 74 (K. 5). – Saylor: Routinemäßig wird Gordianus aus dem Mund Dritter belobt, vorzugsweise moralisch angekränkelter Figuren, die ihm widerwilligen Respekt zollen: Saylor, AMP 46 (K. 3): “My husband calls you […] the last honest man in Rome”, so Terentia, die Frau des Feindbildes Cicero. Die etwas freundlicher gesehene Clodia ergänzt, Gordianus’ “guiding passion” sei “finding truth” (186 K. 14). – Leseleuc: Zitat (einsetzend mit “Je ne travaille pour personne”: Leseleuc, MAL 64; vgl. “Je ne défends que des innocents”: VMA 8; 11. Das Äußere Apers – besonders blumig beschrie-ben in CdS 7f. – scheint frisch aus einem Mantel-und-Degen-Roman zu stammen.

26 Zitate: Günther 2003, 131. Perspektivwechsel als mögliches künstlerisches Mittel zur gezielten Verunsicherung des Lesers ist natürlich eine Tatsache, dies jedoch in der “ernsten” Literatur: Vgl. nur Christoph Hein, Horns En-de. Berlin und Weimar (Aufbau) 1985. Dogmatische Aussagen wie bei v. Borries 1979, 483f., die fingierte Quellensammlung sei der historischen

Wo Radikalkritik zur Pose wird, verfangen Loblieder auf die befrei-ende Wirkung des Kritischen sowieso nicht. Steven Saylors eifernder, be-rufsguter, Roms gesamte politische Klasse mit voraussagbarer Regel-mäßigkeit denunzierender Gordianus ist mit Sicherheit kein Werkzeug der Aufklärung, der beim Leser “die Gewißheit” hinterläßt, “daß Ge-schichte (…) eine Frage der Vermittlung und Sehweise ist.” Er schreibt keine alternative, sondern eine Gegengeschichte und gebraucht die stärksten Werkzeuge moralischer Verdammung, um das Publikum von der Wahrheit dieser Konkurrenzversion zu überzeugen – einer Wahrheit mit unverkennbarem Anspruch auf Alleingültigkeit. Wer es unternimmt, an ihr zu zweifeln, positioniert sich als Gegner der von Gordianus verkörperten Güte und Aufrichtigkeit, verdammt sich implizit also selbst. Sieht so historische Aufklärung aus? Dieser heimlich autoritäre Ansatz wiegt womöglich schwerer als so mancher Irrtum im Detail bei anderen.27

Stereotypen und ihre Vermeidung

Viele dieser Irrtümer sind anscheinend unzerstörbar, weil sie so schön ins Bild passen. Die schlimmen alten Römer haben sich beispielsweise, wie wirklich fast jeder weiß, pausenlos mit Pfauenfedern im Rachen gekitzelt, um Platz im Magen zu schaffen – der Hauptschuldige an diesem Klischee ist wohl Caesar, der auf besagte Art mehrere Geschäftsessen pro Tag überlebte. Nun gibt es fatalerweise den Begriff vomitorium für einen Zu-gang zum Zuschauerraum eines Amphitheaters, geprägt, weil diese Trep-pengänge das Publikum geradezu auszuspucken scheinen; irgendwer hat in grauer Vorzeit einmal beschlossen, ein vomitorium sei nicht das Ge-nannte, sondern ein spezieller Raum, wo die Römer dem Breitensport des geplanten Erbrechens nachgekommen seien, und so kann Rosemary Rowe ihren Helden, einen biederen Kelten, den Kopf über diese perverse Architektur schütteln lassen.28

Was (Alt-)Historiker reizt 69

Methode am nächsten und folglich “der entwickeltste Typ des historischen Romans”, haben offenbar einen sehr begrenzten Erkenntniswert. Mit wechselnder Perspektive experimentierte Neraudau, Mystère, erreichte damit aber kaum mehr als Konfusion.

27 “die Gewißheit …”: Günther 2003, 141.28 In Rom “often” anzutreffende Speikabinette: Rowe, MiF 49 (K. 5). Der

locus classicus für Caesars Praktiken ist Cic. Att. 13,52; vgl. Deiot. 21. Dazu

Das größere Problem geht natürlich von weniger speziellen Vorur-teilen aus, oder auch vom Zwang eines Autors, bei jeder Gelegenheit sofort ein berühmteres Wissensbröckchen aufzugreifen. Wenn sich alle Römer als lüsterne Gewohnheitssadisten aufführen oder ins Gegen-extrem fallen und Sprüchlein wie “Lang lebe Rom” aufsagen, geht etwas schief. Es sind einfach schon genug Bücher geschrieben worden, in denen uns der Held erklärt, wie abstoßend er diese gemeinen Gladiato-renspiele findet, eine Brutstätte von Grausamkeit und Unmoral – man möchte eher verstehen, warum es sie gab, als Platitüden zum hundertsten Mal lesen müssen, die bei Seneca kürzer und besser stehen. Wir verstehen auch nicht, wieso jedesmal, wenn der Held Pompeii besucht, prompt der Vesuv ausbricht. Von schlechter Dramaturgie wie dem verschwiegenen Prätorianeroffizier, der bei Kaffee und Kuchen erzählt, daß Domitian übrigens seinen Bruder Titus umbringen wolle, “[a]ber lassen wir das”, wollen wir erst recht verschont bleiben.29

Man staunt oft, wieviel Abgedroschenes oder Unwahrscheinliches einer Romanfigur als Erbe mitgegeben wird. Es gibt bekanntlich Männer und Frauen, aber die meisten Frauen erinnern sich – um einmal an die allgemeine Lebenserfahrung zu appellieren – üblicherweise nicht laut daran, sie seien welche, und ihr Wesen drückt sich selten oder nie im

70 Jörg Fündling

M. Gelzer, Caesar. Der Politiker und Staatsmann. Wiesbaden 61983, 291: “Er ließ es sich […] trefflich schmecken, erleichterte sich aber nach Aufhebung der Tafel zur Erhaltung der geistigen Frische, wie er es gewohnt war, durch ein Vomitiv.”

29 “Long live Rome”: Roberts, SPQR III 205 (K. 12). Zum Stereotyp der ver-worfenen Römer vgl. etwa Leseleuc, VMA 122-126 mit den obligaten Stichworten Blutgier, Goldgier, Sex; Montanari, MTS spart nicht mit Ver-dammungen der bösen Spiele aus dem Mund ihres Helden und steigert sich a.a.O. 158 (K. 15) gar bis zum Artenschutzgedanken. Todd, ME stattet eine Privatvilla mit einer kompletten Menagerie aus, in der die Krokodile natürlich nicht fehlen dürfen (vgl. nur 161-164 K. 15) und bedient das Kli-schee der bis ins Mark verdorbenen Römer mit einer Orgienszene (272-286 K. 24f.); auch Montanari, CC (dt.), 53 spendiert ihrer Villa zumindest einen Muränenteich. Vesuv: Dieses Pech hat Marcus Aper in Leseleuc, CdS, 47-84; wie sich Plünderer am Tag nach dem Ausbruch in die heiße Asche wagen können (a.a.O. 55f.), bleibt ihr Geheimnis. Redseliger Prätorianer: Stöver, MnV 294 (K. 23); besonders eindrucksvoll, weil derselbe Tribun der Detektivin a.a.O. 290 feierlich seine Diskretion versichert hat und sich a.a.O. 285 noch müht, “allerhöchste Interessen” zu wahren.

Ausruf “Hach, diese Männer!” aus. Ebenso dürften keltische Ex-Häupt-linge selbst in Britannien dünn gesät gewesen sein, und daß man ihnen in der Sklaverei ausgerechnet das Herstellen von Mosaiken beibringt, wie Rosemary Rowe sich das ausgedacht hat, erscheint abwegig – aber immerhin ist das eine eigene Idee. Nur wird sie mehr als schablonenhaft weiterentwickelt: Der arme Libertus hat natürlich auch gleich die Liebe seines Lebens verloren, und am Ende mehrerer Bände verpaßt er sie oder ihre Spur um Haaresbreite. Eine dieser Szenen verdient den Preis für unfreiwillige Komik: Erst vereitelt der wohlmeinende Statthalter das Wiedersehen des Unglückspärchens, und dann schüttet dem gebeugten Mann ein Sklave auch noch Fischsauce über seine geliebten Haferkekse. Wenn dem Leser bei Margaret Doody weisgemacht wird, aus einem Grabhügel könne man von einer Unzahl großer bis winziger Amphoren-scherben im Nu alle bergen, die für die Komplettierung eines einzelnen Stücks nötig sind, dann muß er nie eine wissenschaftliche Grabung gesehen haben, um nicht zu revoltieren. Und daß man Kaiser Claudius nicht nur in aller Öffentlichkeit, sondern in dessen Gegenwart schlicht mit “Claudius” anredet, hätte sich vermutlich negativ auf die Lebensquali-tät ausgewirkt.30

Ein besonders dorniges Kapitel sind die Nebenrollen: So mancher Roman wimmelt von Personen, deren Individualität sich auf zuckende Gesichtsbewegungen, ein eingestreutes “nicht wahr” oder mangelnde Sprachbeherrschung reduziert – zweifellos eine Methode, die fehlerfrei sprechende Hauptfigur etwas weniger aseptisch erscheinen zu lassen, aber keine große Kunst und allenfalls “bedingt witzig”. Ins selbe Fach gehört die Verbindung des energischen, hochintelligenten Herrn Chefermittlers

Was (Alt-)Historiker reizt 71

30 Weibliche Selbstvergewisserung: Antonia Caenis bei Stöver, MnV 119 (K. 8); “Hach …”: 130 (K. 9). Die Frage, inwiefern etwa Caenis’ Kurzporträt a.a.O. 48f. (K. 4) – oder auch der ganze Zeitansatz – auf Lindsey Davis zurückgeht, führt hier zu weit. Davis’ ironischer Liebesroman The Course of Honour. London (Century) 1997; dt. Die Gefährtin des Kaisers. Frankfurt a.M. (Eichborn) 1998 mit Caenis als Hauptperson erschien vielleicht zu knapp vor dem ersten Capriola-Band, um noch einzuwirken; anders steht es mit den Auftritten der liberta in den Falco-Romanen seit TtD (1995). Tragik und garum: Rowe, MiF 271f. (K. 28). Scherbenpuzzle: Doody, AD (dt.), 323-326 (K. 20). “Claudius”: Montanari, MTS (dt.) 71 (K. 7) vgl. 121 (12); ihm ins Gesicht gesagt 222 (20). Verstärkt gilt dasselbe für “Justinian” auf offener Straße in Konstantinopel: Reed/Mayer, 1fS 107 (K. 11).

mit dem treuergebenen, seinen Gefühlen ausgelieferten und meist eher dümmlichen, aber herzensguten Leibdiener, Sklaven oder Hausfreund.31

Aus all dem läßt sich aber kaum ein Verbot begründen, eine Figur generell zu überzeichnen oder in einer bestimmten Weise zu konzipieren. So ist an John Maddox Roberts kritisiert worden, daß sein Decius Cae-cilius Metellus ein salopp redender Tunichtgut mit einem ungesunden Hang zu Schlägereien sei, was nicht zum Sozialstatus eines Metellers pas-se – in der Tat, aber das findet der Rest von Metellus’ Familie auch. Der Held ist ein Drückeberger ohne Hang zur politischen Verantwortung oder gloria mit einer durstigen Kehle und einem anspruchsvollen Geschlechts-trieb; sein Vater, römisches Urgestein, tut alles, um das zu kaschieren, und zwingt Decius zum Mindestmaß an Konformität … eine Konstella-

72 Jörg Fündling

31 Allzu massive Rückgriffe auf diese karikative Schreibweise prägen insbe-sondere das Werk von Hans Dieter Stöver. Zur Charakterzeichnung über Marotten vgl. Autronius Paetus (“nicht wahr”; dies erbt Athenodoros in MnV, vgl. etwa 13 K. 1) in CVT 1, 15 (K. 4) u.ö. oder den à la Karl May ständig “Schätze, [daß …]” sagenden Gladiator Birria a.a.O. 135f. (K. 25), das Leitmotiv “Gewiß, ja” des Aurelius Serenus (CVT 3, 65 K. 13). Unter Gesichtszuckungen leidet Villius Annalis in CVT 6, 119-123 (K. 29). Zu dieser “Sprechweisenkomik” andeutend Günther 2003, 134f; “bedingt wit-zig”: 135. Sprachlich besonders bizarr agiert Volcatius’ profilneurotischer Sklave Alexander, dessen grammatisch zerrüttetes Erbe in den Tillia-Capri-ola-Romanen der Gladiatorentrainer Perdikkas angetreten hat; beide erfül-len vollendet das Klischee kindlich-dämlicher Treue zur Hauptfigur (Alex-ander “wird die Grenzen seines Daseins nie überschreiten”, meint sein Herr beschützend: CVT 1, 65f. K. 13). Anne de Leseleuc variiert diesen Typus in Gestalt von Nestor, dem ewig grantigen Faktotum von Marcus Aper (der jedoch sprechen kann). – Der Befund von Günther a.a.O., Stö-vers Volcatius huldige “einer besonders zackigen Sprechweise”, läßt sich auf Alexander erweitern. Signifikant viele Soldatenwitze im Repertoire des “ungedienten” Sklaven begegnen in einer zeitgenössischen Witzsammlung: Heinz Küpper, Von ABC-Komiker bis Zwitschergemüse. Das Bundessoldaten-deutsch. Wiesbaden (Verlag für deutsche Sprache) 1978 [mehrere Taschen-buchausgaben bei Heyne (München)]. Vgl. Schröder 2001, 68f. für stereo-type Personenzeichnung bei Roberts (nicht kritisiert). Die kennzeichnen-den ‘Appelle’ mit lautem “Jawohl!” der Befehlsempfänger feiern Auferste-hung in MnV 75f. (K. 5): “Wegtreten! Bereithalten!” In ähnlicher Form recycelt wird Alexanders rituelle Enttäuschung, wenn ein Kampf verscho-ben wird: “Na, dann eben nicht!” “Doch, mein Junge! Aber später!” (Stö-ver, MnV 177f. K. 14; vgl. etwa CVT 7, 10f. (K. 1); 54. 56 (K. 10)).

tion, die an sich nicht unmöglich ist. Und wie zentral ist überhaupt die Aufgabe, “eine Vorstellung von römischer gravitas” zu erwecken? Auch hier sollten wir zudem immer mit einem historischen und einem lite-rarischen Auge sehen: es liegt ja auf der Hand, daß Metellus bewußt als Vermittler für das Publikum in einer relativen Außenseiterrolle angelegt wurde; ein Senator, der sich zweihundert Seiten lang nur in salonfähigen Tönen äußert, wäre als Held eines unterhaltsamen Buches eine harte Nuß. Der Protagonist darf also Moralapostel sein (Gordianus) oder auch ein Leichtfuß (Metellus), ein nicht ganz konsequenter Zyniker mit einer weichen Stelle (Falco) oder eine Saufgurgel mit Gossensprache (David Wisharts Corvinus) – was zählt, ist das Ergebnis.32

Ob man übrigens das Vorkommen “echter” Personen und deren Anteil am Geschehen als Kriterium für die Güte eines Romans verwen-den darf, wie mitunter zu lesen ist, sei dahingestellt – oft genug ist das, was von ihnen im Roman übrigbleibt, nämlich eine Ruine. Man denke an den Marcus Aper Anne de Leseleucs: Aus dem gründlich romanisierten Starredner, den uns Tacitus’ Dialogus de oratoribus schildert, wird ein skurriler Chauvinist mit Keltenschnäuzer, der aus Prinzip nur gallische Götter anruft und sich seine Bierfässer bis nach Rom nachschicken läßt. Bei sehr prominenten Figuren – Caesar, Aristoteles und wie sie alle hei-ßen – kommt noch die Gefahr hinzu, daß ihre Prominenz als eine Art Stützmauer für ein nicht besonders gelungenes Buch instrumentalisiert wird, daß der Autor sich ihnen wie ein schlechter alter Bekannter auf-

Was (Alt-)Historiker reizt 73

32 Metellus-Kritik; “eine Vorstellung …”: Günther 2003, 136f. Mentalitäts-proben für Metellus’ Vater: Roberts, SPQR III, 6-8 (K. 1); SPQR V (dt.), 201-203 (K. 10). An Messalla Corvinus wäre die interessantere Frage, inwiefern er ein ‘Designerprodukt’ ist: Didius Falco mit mehr F-words, hö-herem Sozialstatus (nach dem Muster Metellus), einem demonstrativ hohen Weinkonsum und einer intellektuell zwar überlegenen, in ihrer Bedeutung für die Romanhandlung aber gegenüber Helena Justina stark reduzierten Partnerin.– Natürlich kann man sich andere Sprechweisen als die des hard-boiled detective vorstellen. Theoretisch wäre etwa die Transposition des exzentrischen, aber nie die guten Umgangsformen vergessenden Hobby-detektivs in die Antike möglich. Eine Imitation z. B. von Dorothy Sayers’ Lord Peter Wimsey mit seiner bildungsgesättigten Schwatzhaftigkeit, hinter der ein scharfsichtiger Neurotiker steckt, wäre jedoch auf der Basis des er-haltenen antiken Kulturwissens entmutigend schwer (wer läse Krimis auf Latein?) … und auch Wimsey ist nie würdevoll, wenn er es vermeiden kann.

drängt und sich dabei umschaut, ob die Leser es auch alle mitbekommen, wie gut man sich kennt. Lindsey Davis, die ein Bewunderer bestürmte, doch bitte Juvenal in einem Falco-Band auftreten zu lassen, charakteri-sierte dergleichen als den “Hello Chopin, oh look, there’s Beethoven tal-king to Napoleon”-Stil; wie das gemeint ist, verdeutlicht etwa Roberts, wenn er Sallust schon als jungen Quaestor ans Historikerleben denken läßt. Davis’ sonstige Argumente sind ebenfalls bedenkenswert: von wie vielen antiken Personen, römische Kaiser einmal beiseite, haben wir genug Nachrichten, um ihren Charakter auch nur annähernd zutreffend zu beschreiben? Hier sind zur Abwechslung die Historiker im Vorteil: sie müssen zunächst darstellen, was ein Mensch tut und bewirkt, und es ist eine Zugabe, wenn sie Vermutungen wagen können, wie er ist. Nicht umsonst bleibt es in vielen Fällen bei Formulierungen wie “Cicero be-schreibt ihn als …”; nicht weiterzugehen, wo die Quellenbasis das nicht trägt, kann eine Frage des Respekts vor dem anderen sein.33

Anachronismus oder Detailtreue – die einzige Alternative?

Am Umgang mit den Fakten entscheidet sich nach Ansicht vieler Inter-preten und Kritiker, ob man es mit einem ‘richtigen’ historischen Roman zu tun hat. “Der Autor”, so eine neuere Definition, “versucht in seinem Werk historische Ereignisse oder Biographien historischer Personen möglichst korrekt zu schildern und greift dabei die allgemeine For-schungsmeinung auf” – dies die eine Möglichkeit; eine freiere Variante: er “interpretiert in seinem Roman historiographisch festgehaltene Fakten, die nicht als historisch falsch belegt werden können.”34 Es geht auch ganz

74 Jörg Fündling

33 Einteilung nach Kategorien (und Güteklassen) anhand des Personals bei Schröder 2001, 28-30. Apers Schnurrbart und gallischer Akzent: Leseleuc, VMA 7; Exportbier: a.a.O. 9; in CdS 14 fordert Aper sogar bei Kaiser Titus sein ‘kleines Helles’. Keltische Exklusivreligiosität: VMA 16f. “Hello Chopin …”: [Davis]/postbag.htm; Antwort an Mark Johnson, 9.7.2002. Sallust: Roberts, SPQR VII (dt.), 22-26 (K. 1). Die große Ausnahme neben den Kaisern ist natürlich Cicero selbst, der bestdokumentierte Mensch der Antike vor Augustinus; bekanntlich hat dies keineswegs zu einem einhelli-gen Cicerobild geführt.

34 Definition: Schröder 2001, 26f.

streng: “Auf der einen Seite steht der Roman, der spannend unterhalten will, auf der anderen derjenige, der informieren und belehren will.” Diverse Probleme springen ins Auge. Der Autor, welcher “der allge-meinen Forschungsmeinung” folgt, scheint eher ein Biograph oder Histo-riker zu sein als ein Romancier. Wenn er andererseits nur unstrittige Fakten interpretiert, ist der Nachsatz überflüssig, diese seien nicht widerlegt. Entweder sollte es hier um die Möglichkeit gehen, eine kontroverse, mehrdeutige Quellenlage auszunutzen – oder wir müssen viel weiter gehen und sagen, der Autor postuliert und modifiziert in seinem Roman Sachverhalte so, daß wir – wenn alles gut geht – ihn nicht widerlegen können. Dabei haben wir bezeichnenderweise schon wieder vergessen, daß Autoren auch erfinden müssen und dürfen … Die Drohung mit dem ehrwürdigen Unterschied von prodesse und delectare schließlich bricht schon unter ihren eigenen Beispielen zusammen: Selbst wenn Horaz (der, was wenig bekannt ist, als dritte Möglichkeit eine Kombination beider Ab-sichten nennt!) Krimis gelesen hätte, wie kann man (unter Berufung auf den Klappentext!) die unglückliche Lindsey Davis in die Gattung delectare verbannen, aber Steven Saylor und tendenziell auch John Maddox Ro-berts in die Gattung prodesse fallen lassen? Zählt es zum “Informierenden und Belehrenden” an Roberts, daß man sich auch mit multiplen Prel-lungen, Schnitt- und Platzwunden sexuell betätigen kann, vorausgesetzt, die Partnerin liegt, pardon: sitzt oben?35

So ergibt sich gelegentlich das groteske Bild eines Autors, der Angst davor hat, etwas erfinden zu müssen: Die späte römische Republik, so wird uns etwa erklärt, sei so wohlüberliefert, daß sie die Abfassung eines Romans erlaube, “der keine entscheidenden Lücken aufweist, die durch

Was (Alt-)Historiker reizt 75

35 “Auf der einen Seite …”: Schröder 2001, 82. Die überraschende Alterna-tive schlägt a.a.O. 97 ohne Vorwarnung in die Möglichkeit um, “zu beleh-ren und gleichzeitig zu unterhalten” – es geht also doch? Vgl. Hor. a.p. 333f. Viel besser die behutsame Beschreibung anhand des Trendsetters des Historienkrimis, der Brother Cadfael-Reihe von Ellis Peters: hier spricht Schröder a.a.O. 28 von einem “Heranführen an Lebensweise und Gedan-kengut des 12. Jahrhunderts” unabhängig von der Frage des Auftretens historischer Persönlichkeiten. Vgl. zum Umgang mit der Überlieferung die Definition von W. Ernst, “Quellen”, in: N. Pethes/J. Ruchatz (Hgg.), Ge-dächtnis und Erinnerung: Ein interdisziplinäres Lexikon. Reinbek 2001, 468: “Während Historiographie danach strebt, Q[uellen] zu inkorporieren, pro-vozieren sie Literatur zu fiktionalen Gegenentwürfen.”

Spekulationen gefüllt werden müssten.” Es steht schon alles da, man muß es nur noch so umbauen, daß ein Krimi daraus wird … Wer das Pech hat, über diese wohlüberlieferte Zeit einige Lexikonartikel verfassen zu müs-sen, wird zum Fehlen “entscheidender Lücken” seine eigene Meinung haben – das von historischer Seite; ein Autor müßte sich, wenn das wahr wäre, fragen, wozu er denn eigentlich noch schreibt. Davonlaufen wird er vor der Forderung, in jedem Fall “eine klare historiographische Linie” zu bieten, “die nicht nur die Fakten darlegt, sondern sich auch mit diversen Problemen der Forschung beschäftigt”, und zwar möglichst unter Ein-schluß historischer wie auch literaturgeschichtlicher Themen. Oldenbourgs Grundriß der Geschichte dürfte diesem Postulat noch am nächsten kom-men.36

Relativ viel Wissen kann auch ein Fluch sein: Wie läßt man “beiläu-fig” die nötigen Hintergrundinformationen über das komplexe politische Leben der späten Republik einfließen, ohne daß sie belehrend werden? Ein wirklich großes Talent könnte sie aufs Nötigste reduzieren und stück-weise in die Handlung einfließen lassen; in der Praxis ist es leider oft bequemer, dem Leser einen mäßig gut getarnten Exkurs vorzusetzen, der ihm gleichzeitig den gebührenden Respekt vor soviel Wissen beibringt. Nehmen wir den Fall SPQR: Metellus selbst erklärt dem je nach Bedarf des Autors bald hochinformierten, bald unwissenden Armenierprinzen Tigranes den Unterschied zwischen patrizischen und plebejischen nobiles. Anderswo muß der versammelte Sachverstand des Senats dem Leser zu-liebe aufgeklärt werden, was denn ein Sakrileg ist …37 Ein Blick in Kapi-

76 Jörg Fündling

36 “der keine …”: Schröder 2001, 56f. zu Roberts, SPQR I; “eine klare …”: a.a.O. 59. Das Postulat, der optimale historische Roman müsse zugleich “die Schwierigkeiten historischer Erkenntnis und den bloßen Möglichkeits-charakter jeglicher fiktiven Rekonstruktion thematisieren”, schon bei v. Borries 1979, 487f. im Geist gemäßigt marxistischer Ideologiekritik. Die Gefahr theoretischer Überfrachtung wäre ihrerseits ein lohnendes Feld für die von v. Borries empfohlene Ironie.

37 Nobilität: Roberts, SPQR I 55. Tigranes kennt sich in lateinischer Dichtung aus, weiß aber nicht, was ein Volkstribun ist: a.a.O. 61, vgl. 56). Sakrileg: SPQR III 68 (K. 5). Für entsprechende Neigungen von Roberts und Saylor verraten die Online-Rezensionen von Cramme eine lobenswerte Sensibili-tät: [Cramme]/saylmurd.html bemängelt an Saylor, MAW die “Tendenz zu längeren historischen Darlegungen”; aus Anlaß von Roberts. SPQR II zieht er eine Linie zwischen der “ausgebreiteten antiquarischen Gelehrsamkeit” Roberts’, die “teilweise arg penetrant” werde, und dessen mitunter kapi-

tel 3 des Klassikers The Last Days of Pompeii zeigt die Folgen einer kon-sequent auf Vollständigkeit bauenden Erzählung: Das Haus des Glaucus wird nicht nur mit seinem realen Gegenstück identifiziert, es wird in Worten nachgebaut und dekoriert; nach einem seitenlangen Exkurs wühlt sich die Handlung wieder aus den üppigen Polstern im Triclinium des Gastgebers, und von heiteren Fußnoten eskortiert beginnt das Abend-essen. Wir sind beim Extremfall der Faktentreue angekommen, dem berüchtigten Professorenroman, der kein Wandbild erwähnen kann, ohne es in den frühen 3. pompeianischen Stil zu sortieren, und den Helden im Vorbeigehen die Schönheiten eines Volutenkraters bis zum letzten Pin-selstrich mitteilen läßt: äußerste Gelehrtheit, die zuverlässig für äußerste Langeweile sorgt, selbst wenn sie auf exzellente Vorlagen zurückgreifen sollte. Man denke an die frühen Corvinus-Romane David Wisharts mit ihren zahllosen Figuren, die sich stellenweise wie eine schlechte Drama-tisierung von Symes The Augustan Aristocracy und Tacitus lesen.38 Liegt die Existenzberechtigung eines historischen Romans also wirk-lich in der möglichen Bildungsfunktion? Die Antwort ist “Nein”; der Roman, so dürfen wir annehmen, ist zuerst um seiner selbst willen da, als drittes – nach der Freude am Schreiben und nach dem Lesevergnügen – kommt der potentielle Wissenszuwachs, und die These sei gestattet, daß

Was (Alt-)Historiker reizt 77

talen Sachfehlern([Cramme]/robecati.html; vgl. ebd. robetod_.html. In der Tat liegt der Verdacht nahe, daß Selbstgefälligkeit – die nicht berechtigt sein muß – manchen ‘gelehrten’ Einschub oder Anhang am besten erklärt. Probleme mit dem Verhältnis von Patriziat und Senat (jeder Patrizier ist Senator, aber die wenigsten Senatoren sind Patrizier) hat insbesondere Montanari (vgl. CC (dt.), 26: “ich bin […] römischer Patrizier aus einer Ritterfamilie”), für die auch ein Konsul etwas anderes als ein Senator zu sein scheint (a.a.O. 85).

38 Lob der Verwendung der Religionsgeschichte, “politisch …”: Günther 2003, 139. [Cramme]/wishovid.html urteilt über Ovid wenig schmeichel-haft: “die Komplexität ist eigentlich nur vorgetäuscht.” Wisharts spätere Bände nach der Trilogie Ovid, Ger, Sej, so etwa LR, arbeiten mit drastisch reduziertem Fachvokabular und Personal, wohl als Reaktion auf ähnliche Echos. Man könnte trotz der identischen Hauptfigur fast von einer neuen Reihe sprechen. Die Zuverlässigkeit sank leider auch: vgl. nur WM 87 (K. 6); 97 (K. 8) mit dem groben Irrtum, der schmale Purpurstreifen am Ge-wand markiere einen simplen Senator (oder aber: der Sohn eines Senators sei auch in der Kaiserzeit “nur” römischer Ritter) und der breite “a senior magistracy”.

der Leser sich desto bereitwilliger Wissen aneignen wird, je weniger der Autor ihn dazu nötigt. “Novels are fiction, not textbooks”, um wieder einmal einer Betroffenen das Wort zu geben. Das moderne Roman-publikum hätte gern die Wahl, ob es seinen Horizont erweitern möchte oder nicht, und alle Versuche, die Lektüre auf eine geschichtsdidaktische Handreichung zu reduzieren, werden an diesem (wenn man so will) emanzipierten Verhalten wenig ändern. Im 19. und in der akademischen Bildungsschicht bis ins 20. Jahrhundert mag eine prononcierte Bildungs-komponente die Rezeption gefördert haben – sie gab die Entschuldigung, sich mit etwas so Niedrigem, weil vornehmlich Unterhaltsamem zu befassen. Aber selbst damals dürften die Autoren allenfalls nebenberuf-lich Pädagogen ihres Publikums gewesen sein – jedenfalls die besseren. Typischer ist heute vermutlich der Leser, dem formale Bildung entweder gleichgültig ist – er hat sich ihr einmal ausgesetzt, das reicht ihm – oder der vielleicht sogar in Panik gerät, je kompakter ihm Wissen, als “Wissen” gekennzeichnet, serviert wird. Das Bildungsetikett auf einem Roman wirkt, wenn dieser Verdacht stimmt, wie das Kästchen mit den System-voraussetzungen auf der Verpackung eines Computerprogramms, und weil es keine klaren Aussagen macht, wird es im Zweifel eher als “zu hoch für mich” gelesen.39

Ohnehin ist Zwangsbeglückung mit historischer Einsicht an sich so fragwürdig wie vorsätzliche Verdummung durch vorenthaltene Informa-tionen – hinter dem Ausspruch “das mußt du doch kritisch sehen” steckt derselbe Pädagogenwunsch nach Allmacht über den Schüler wie hinter dem zu Recht abgelehnten “das brauchst du nicht zu wissen”. Unhaltbar ist damit die Forderung, die Lektüre müsse im Leser partout den Hunger nach historischem Wissenszuwachs oder gar die vormals so unerläßliche “kritische Fragehaltung” erzeugen: Das Vergnügen des Autors am histori-

78 Jörg Fündling

39 Mit der Notwendigkeit, den Leser zu überlisten oder ihm doch mühelose Bildung zu versprechen, rechnet schon das bemerkenswerte Vorsatzblatt von Stöver, CVT 4: Nach der Kurzvita des Autors folgt die Aussage, “[i]m Bann der spannenden Handlung” werde “dem Leser erst später bewußt, daß er – faßt [sic] beiläufig – einen tiefen Blick in die Probleme eines Zeitenwechsels getan hat, der dem unsern in vielem so verwandt ist.” (a.a.O. 1) Autor oder Verlag versprechen “profundes historisches Wissen”, vereint “mit dramatischer Erzählkunst” (a.a.O.). Mit Band 10 wurde die Reihe eingestellt, die neben umfangreichen Anhängen mit End-, ab Band 9 mit Fußnoten gerüstet war.

schen Thema ist wohl die beste Garantie für eine Lockwirkung der Ge-schichte überhaupt auf den Leser … die wir uns wünschen wollen. Ideo-logische Einflußnahme, auch gutgemeinte, gehört nicht ins Pflichtenheft des Romanschreibers; übrigens werden sich zwei Historiker selten einigen können, was genau denn nun die richtige Form eines kritischen Heran-gehens im besten Sinn an die Geschichte sei. Wenn man im selben Atemzug Kritik fordert und sich dann entsetzt, weil ein Autor Caesar und Pompeius wegen ihrer weltpolitischen Ambitionen als Verbrecher zu bezeichnen wagt, reduziert man die eigene “kritische Fragehaltung” zu leicht auf “Ja, darf man das denn?” Vergessen wir schließlich nicht, daß das ersehnte ‘Aha-Erlebnis’ des Lesers oft genug nicht von der Abhand-lung großer Menschheitsfragen ausgehen dürfte; die ganze enorme Di-stanz zwischen römischer und westlich-moderner Lebensweise überfällt uns nicht angesichts der Sklaverei, sondern wenn ein Mädchen aus wohl-habendem Haus ganz beiläufig von Flöhen gebissen wird und das weiter gar nicht wahrnimmt.40 Aufs Ganze gesehen fallen die Zugeständnisse von historischer War-te häufig zu zähneknirschend aus – und sowieso zu dürftig. “Schriftstelle-rische Freiheiten, die reale Ereignisse nicht verfälschen, müssen hier akzeptiert werden”, lesen wir etwa. Ein Schriftsteller ist zunächst einmal nicht an die historisch überprüfbare Wahrheit gebunden. Das ist eine Tatsache. Andererseits sollte er ehrlich genug sein, sich einzugestehen,

Was (Alt-)Historiker reizt 79

40 Umständliches Lob des didaktischen Werts der SPQR-Romane bei Schrö-der 2001, 96-103. “Novels are …”: [Davis]/rants.htm. In Stövers CVT-Reihe pflegt der allwissende Hausgelehrte Selenus nicht nur “den Atem des großen Historikers und Synthesekünstlers”, sondern auch “die auf leichte Weise belehrende Sprache des Pädagogen” (CVT 1, 43 (K. 10)), will sagen, er übernimmt die Exkurse. Zur Fußnoten- und Exkursdidaktik der Ro-manautoren im 19. Jh. und deren Niedergang gegen 1890 vgl. H. Mielsch, Das Bild der Antike im historischen Roman des 19. Jahrhunderts. Gym-nasium 87 (1980), 377-400; dort 393-395. Den Autorenstandpunkt vertritt Lindsey Davis auch in [Lindzey]: “I am seeking to write something people will enjoy. […] ‘Didactic’ is a sombre word, but I do believe there is a voracious appetite for information […]”. Informationswunsch und “kriti-sche Fragehaltung”: Günther 2003, 129f.; Postulat des Hinarbeitens auf “kritische Distanz” durch Perspektivwechsel: a.a. O. 131. Pompeius, Cae-sar: Roberts, SPQR III 187f. (K. 11), mißbilligend zitiert von Günther 2003, 137. – Flohbiß: Caroline Lawrence, Bread and Circuses, in: Ashley 2003, 282-320; dort 312.

daß er im selben Moment, in dem er einen Teilbereich dieser Wahrheit verläßt, aber einen anderen beibehält, seine Leser in die Gefahr bringt, den Unterschied völlig zu vergessen. Das macht diese Praxis nicht an sich verwerflich, und niemand kann ein “aufklärendes” Nachwort verlangen – aber fair wäre es, eine kleine Warnung auszusprechen. Dazu könnte der Autor es als besonders elegante Herausforderung ansehen, seine eigene Erfindung ohne Eingriff ins Vorgefundene unterzubringen – in den riesi-gen Lücken, die in jedem historischen Kontext gerade der Antike klaffen. Hieraus eine widerspruchsfreie, logisch attraktive und dabei noch span-nende Geschichte zu entwickeln, ohne die Historie selber zu biegen oder zu brechen, müßte das Ziel des sportlichen Ehrgeizes bei jedem Buch sein; aus Historikersicht wäre es sicher die angemessenste Form, mit der Materie umzugehen. Im Idealfall stützen einander Fiktion und historische Quelle gegenseitig. Und je näher eine Tatsache, die den Autor stört, am Lebensnerv des Buches sitzt, desto ferner sollte die Idee liegen, sie umzuschreiben. Für Filme sollte, beiläufig bemerkt, dasselbe gelten: bitte keinen Marc Aurel mehr, der die Republik per Erlaß wieder einführen will!41

Also: Der vorgefundene Rahmen des historisch Gesicherten sollte nicht gesprengt und nur mit gutem Grund gebogen werden – jedoch unter voller Ausnutzung von Wissenslücken und Hypothesen.

80 Jörg Fündling

41 “Schriftstellerische Freiheiten …”: Schröder 2001, 57. “Autonome Poesie” im historischen Roman als Ergänzung der Lücken im Faktenwissen – ob vom Autor markiert oder nicht – schon definiert durch Günther 2003, 129. Zu einem Musterfall gekonnter ‘Fortentwicklung’ der Geschichte durch Lindsey Davis vgl. O’Gorman 1999, 24f. Davis selbst vertritt sehr strenge Ansichten zur vorsätzlichen Umgestaltung der tatsächlichen Chronologie: “Making the known facts fit my story is part of the challenge” [Lindzey]. Marc Aurel: Nicht allein Gladiator wartet mit dieser Enormität auf, auch Gisbert Haefs, Roma. Der erste Tod des Mark Aurel. München und Zürich (Diana) 2001, 447; 450f. (K. 14), steuert in seinem opulenten Historienro-man mit einem erdrückenden Aufgebot von historischer Prominenz und modischer Intertextualität auf dieselbe schlichte Pointe zu.

Bürgen Quellen für Qualität? Fehler und der Zugriff auf die Antike

Wir winden uns (hoffentlich), wenn wir von Danila Montanari im Laufe eines Cave canem oder Morituri te salutant betitelten Buches das entspre-chende geflügelte Wort zu jeder passenden oder unpassenden Gelegen-heit serviert bekommen – es ist zeitgenössisches Material, aber das macht es offensichtlich noch nicht “gut”. Der abseitig veranlagte Althistoriker kommt vielleicht auf die Idee, die Historizität jenes Maximus, “Tribun der östlichen Legionen”, zu kontrollieren, den sich Ridley Scott aus Der Untergang des Römischen Reiches “geliehen” hat, und findet zu seinem freu-digen Entsetzen in einer relativ exotischen Quelle, den Briefen Frontos, einen Tribun Iunius Maximus, der Marc Aurel im Jahr 165 Siegesmel-dungen aus dem Osten nach Rom brachte – aber, Hand aufs Herz, macht das Gladiator zu einem historisch soliden Film?42

Der demonstrative Zugriff auf Quellen ist also keine Tugend an sich. Es ist bereits Geschmackssache, ob zeilenlange lateinische Einsprengsel wirklich in einen Roman gehören; dergleichen wirkt fast immer künstlich und hat viel von Bildungsprotzerei, mag der Urheber auch erklären, das steigere das Lokalkolorit. Klar ist jedoch, daß man uns mit schlechtem Latein verschonen sollte, Kolorit oder nicht. Beispielsweise heißt “Sche-re” nicht forces, sondern forceps, und auch richtig geschrieben heißt es leider nur “Zange”. Ob kursiv gedruckte Wörter im Text auftauchen, kann kein absolutes Gütekriterium sein. Selbst in manchem guten Roman wird die Piscina Publica vom Schwimmbecken zur “Street of the Public Fish” – aber wir, deren Proseminaristen Ara Pacis skrupellos mit “Friedens-papagei” übersetzen und doch bestehen, sind wir zu Richtern berufen? Wir spüren nur die Folgen der Trennung von Sprachbeherrschung und Geschichtsstudium, die nun auch in Deutschland einzieht und sich schon bald unliebsam bemerkbar machen dürfte.43

Was (Alt-)Historiker reizt 81

42 Iunius Maximus: Fronto, ad amicos 1,6 (vgl. 1,23; 26) p. 175, 18 ed. van den Hout²; IvEph III 811. Ein liebevoll-böses “Stemma” von Gladiator verdanken wir M. M. Winkler, Quomodo stemma Gladiatoris pelliculae more philologico sit constituendum. AJPh 124 (2003), 137-141; vgl. jetzt ausführlich ders. (Hg.), Gladiator. Film and History. Oxford (Blackwell) 2004.

43 Exzessive Lateinfragmente durchsetzen vor allem die späteren Bände von Stövers C.V.T.-Serie. Die Gegenposition bei Lindsey Davis: “I think it’s really elitist and exclusive. What’s more, experience shows that if I do include Latin I get it wrong…” (Antwort an “Nikki in Melbourne”, in:

Erwähnt sei auch, daß selbst äußerste Sach- und Quellenorientiert-heit (die bis zum Plagiat gehen kann) oft genug kein Garant für die Richtigkeit des breit Ausgeführten ist. Anne de Leseleuc präsentiert uns zehn Säcke Goldmünzen im Wert von 1000 Sesterzen; das macht, wenn man nachrechnet, exakt vier Goldstücke pro Sack. Eine Bagatelle. Schlimmer ist es, wenn sie anderswo eine vermeintliche Tatsache zum Angelpunkt ihrer Handlung macht. Triebfeder der Handlung in Les calen-des de septembre ist ein Komplott von Bewohnern der Provinz Illyricum, Kaiser Titus mit allen Mitteln an der Teilung ihrer Provinz zu hindern – vielleicht stand der Zerfall Jugoslawiens hier Pate. Die Autorin erklärt sich im Nachwort entschieden dafür, verfeindete Völker zu trennen, erläutert aber, noch bis zur Zeit Trajans (also zwei, drei Jahrzehnte später) hätten Pannonier und Dalmatier miteinander auskommen müssen. Nun gibt es keinerlei Belege für derartige Spannungen oder einen offenen Disput in Rom über Möglichkeiten zur Selbstverwaltung der Provinzen, wie er uns vorgeführt wird – das ist arg anachronistisch, aber zählt wohl noch als dichterische Freiheit. Nur stimmt die komplette Voraussetzung nicht: Bereits Titus’ Vater Vespasian hatte nämlich Illyricum geteilt, womöglich nicht einmal als erster, und Trajan tat nichts weiter, als das militärisch starke Pannonien abermals zu untergliedern … Operation gelungen, Plot tot.44

Die Gefahr, verbriefte Detailfülle mit Korrektheit zu verwechseln, geht vorwiegend von Historiker-, aber durchaus auch von der Autoren-seite aus. Es gibt Indizien, daß die Bereitschaft so manches Historikers, einen historischen Krimi für “solide” gemacht zu halten, in direktem Verhältnis zur Länge des Nachworts steht: Das führt zu Äußerungen wie: “Im Gegensatz zu Roberts gibt Saylor […] im Nachwort seine Quellen an”, mit dem Nachsatz, glücklicherweise existierten von Roberts noch

82 Jörg Fündling

[Davis]/postbag.htm.) “Public Fish”: Davis, 3HiF 169 (K. 36). Force<p>s: Leseleuc, MAL 99. Datum: gleich doppelt falsch ist 979 a.u.c.= 44 n. Chr. bei Montanari, CC (dt.) 47: 979 dürfte ein Zahlendreher für 799 sein, aber wenn (vergröbert) 753 v. Chr. = 1 a.u.c. ist, dann ist 1 v. Chr. = 753 a.u.c., 1 n. Chr. = 754 und folglich 44 n. = 797. In der Praxis datierten die Römer bekanntlich so gut wie immer nach Konsulnamen; die Besessenheit von der Zählung a.u.c. ist ein völlig modernes Phänomen.

44 Illyricum: Leseleuc, CdS, v.a. 131f.; 151f.; erläutert 171. Zu den Tatsachen einleitend M. Šašel Kos, Illyricum. Der Neue Pauly 5 (1998), 942; F. Schön/ A.-M. Wittke, Pannonia. Der Neue Pauly 9 (2000), 253f.

briefliche Zeugnisse seines historischen Interesses45. Ist es wirklich so unvorstellbar, daß jemand gediegene Vorkenntnisse hat und sie trotzdem nicht vor uns ausbreitet, wenn es eben nicht um eine Examensarbeit geht? Könnte womöglich ein langer Abspann mit Literaturangaben gele-gentlich das Indiz für Eitelkeit und Bildungsprotzerei sein, eine Kapi-tulation vor der Versuchung, sich einzubilden, man habe einen Roman und zugleich Geschichte geschrieben? Oder auch ein Versuch, den Leser durch Vorzeigen der wissenschaftlichen Folterwerkzeuge einzuschüch-tern, Autorität einzufordern?46

Übrigens sollten wir auch da, wo tatsächlich Fehler auftauchen, nicht überzeichnen. Im wunderschönen ersten Finale von The Silver Pigs steigt Falcos Widersacher Camillus Meto in den Keller, indem er ein Streich-holz anzündet, die an gleicher Stelle erwähnten “triremes” fahren nicht als Frachter, und auch heute würden wir grünen Pfeffer in Essig, aber nicht in Säcken aufheben. Lästig, es muß nicht sein – aber sollen wir deshalb das Buch nicht lesen? Man windet sich schon eher, wenn in The Iron Hand of Mars der Senat einen Legionskommandanten vorschlägt, statt daß der Kaiser ihn schlicht ernennt, und die Ämterlaufbahn versehentlich den Titel des staatlichen Kurierdienstes bekommt. Oder wenn ein Thea-terstück Hexameter enthalten soll. Und das Herz bleibt einem stehen, wenn Falco es vor Gericht fertigbringt, die Daumen unter seiner Toga in dean Gürtel zu schieben – dazu müßte er dieses lästige Utensil bis auf Nabelhöhe hochkrempeln und stünde ziemlich im Freien. Manchmal schläft Homer. Aber wie gern lassen wir Lindsey Davis das Nickerchen, wenn wir sehen, wie Anne de Leseleuc in Toga-Fragen ins Koma fällt.

Was (Alt-)Historiker reizt 83

45 Schröder 2001, 31; der ‘entlastende’ Brief: 32-40. Vgl. a.a.O. 87: Saylor nehme “den historischen Anspruch […] ernster”. Instruktive Fehlerver-zeichnisse zu Saylor bietet etwa [Cramme]/saylroma.html.

46 Vorbildlich zurückhaltend ist hier wiederum Lindsey Davis: “I felt it was best not to pretend my books were some kind of historical textbook.” Da-her verzichte sie auf Glossare oder Anhänge. ([Davis]/postbag.htm; Ant-wort an Sue Eldridge, 26.1.2002.) Umgekehrt verfährt Rosemary Aitken (alias Rosemary Rowe), deren Internetauftritt den Lesern ihrer Libertus-Romane und Familiensagas aus Cornwall einschärft: “Rosmary Aitken is a highly qualified academic.” (www.raitken.wyenet.co.uk/biog.htm) Offen-kundig soll die Autorität ihrer sechs Lehrbücher zur englischen Sprache auf Aitkens Belletristik übergehen, in der Caesar der erste römische Kaiser ist (Rowe, MiF 16 K. 2) und die Kolonie Glevum (Gloucester) ”a republic within the Empire” (6 K. 1).

Diese bekennende Ausgräberin und Freundin gelehrter Appendices (de-ren Killer mit der Armbrust schießen) läßt ihren Helden zunächst in der Toga zu Abend essen, wie es scheint – der beste Weg, die komplizierten Falten zu zerknittern wie ein Bettuch, denn man kann sich in einer Toga nicht ungestraft hinlegen, so wie es physisch unmöglich ist, sich darin bequem zu setzen. Anschließend steigt Marcus Aper hastig eine Treppe hoch, immer vier Stufen auf einmal; kurz danach macht er große Schritte; dann “läuft” er, kurz darauf “rast” er, und zur Krönung des Ganzen prescht er in vollem Galopp durch den Wald. Zweifellos handelte es sich bei diesem Pferd um eine Spezialanfertigung … Andererseits verfügen die Leseleucschen Charaktere sowieso über eine beneidenswerte Körperbe-herrschung: da wäre noch die Frau, die dem bei Tisch, also auf dem Bauch, liegenden Aper ihren Kopf auf die Knie legt und in dieser Hal-tung harfespielend ein Ständchen singt.47

Viele Fehler entstehen aus vermeintlichen Selbstverständlichkeiten. In der modernen Sauna wickelt man sich aus Barmherzigkeit oft ein weißes Tuch um die Hüfte; das wirkt offenbar so antik, daß es in die römische Nacktbadekultur zurückprojiziert wird. “Ave” klingt so schön römisch, daß man annehmen könnte, ein Römer müßte damit jeden Brief anfangen – aber er schreibt in Wirklichkeit eben doch nur “A grüßt B”. Doch wie soll man glauben, daß ein Metellus nicht einmal die Namen der amtierenden Konsuln kennt? Oder daß ein C. Volcatius Tullus sich bei Cicero und einer Jury aus römischen Rittern beliebt macht, wenn er ausgerechnet den ‘Umstürzler’ Tiberius Gracchus zitiert, den Cicero stets nur mit Grauen erwähnt? Ein falsch gezeichneter Charakter wiegt zwei-fellos schwerer als ein oberflächlicher Sachirrtum. Wie harmlos ist dage-

84 Jörg Fündling

47 Streichholz: Davis, SP 227 (K. 58); “triremes”: a.a.O. 228; grüner Pfeffer: a.a.O. 225. Legat, cursus publicus statt cursus honorum: Davis, IHM 47f. (K. 8). ”Tasteful Athenian hexameters”: LAiP 68 (K. 13). Fingerspiel im Gürtel: Acc 215 K. 42. Leseleuc: MAL 114 (Armbrust); VMA 49 vgl. 44; CdS 104 (Abendessen); 52 (Treppensteigen “quatre à quatre”); 56f. (“en courant […] se rua […]”); 60 (“Ils galopèrent en direction de la forêt. […] La vue d’un homme en toge […]”). Flexible Harfenistin: CdS 38. Zur Gattung der Togawunder wäre noch Burns, RN (dt.) 242 (K. 14) zu zählen, dessen Held die an ihn gepreßten “weichen Brüste” einer Frau durch sämtliche Lagen Stoff seiner Umwicklung spüren kann. Montanari, CC (dt.) 58 wähnt zwar, man könne eine Toga “blitzartig” anlegen, läßt ihren Helden aber zum Abendessen korrekt die bequeme synthesis tragen (a.a.O. 57).

gen die Erfindung eines antiken Tischgebets im Stil “Komm, Herr Jupi-ter, sei unser Gast”, um das der gerade anwesende Priester aus purer Höflichkeit gebeten wird …48 Als Faustregel für ein faires Urteil wäre vielleicht die Praxis vorstellbar, solche Versehen um so schärfer zu kriti-sieren, je mehr der oder die Schuldige sich als quasi unfehlbare Autorität geriert (wie es umgekehrt auch für Historiker mit literarischen Ambitio-nen gelten könnte). Dabei ist übrigens Vorsicht angezeigt. Räucheraal mit Pflaumensauce, ein von Lindsey Davis ganz beiläufig eingestreutes Re-zept, klingt für unsere Ohren hinreißend schrecklich und ist abzüglich der konkreten Fischsorte vollkommen authentisch – ganz im Unterschied zu Broccoli auf dem Tisch, serviert von einem nachwortfreudigen Autor, zu Truthahn in einem ‘Fußnotenkrimi’ oder zum Interesse Roms für die Bauxitvorkommen in Pannonien bei einer Kollegin derselben Spielart. Zur Erklärung: Aus Bauxit macht man nur eins, nämlich Aluminium, aus dem die berühmten römischen Kochtöpfe gegossen wurden – oder etwa nicht?49

Für gewisse Aussetzer sollten wir die Autoren aber sowieso nicht verdammen. Da liest man den Satz: “Die Kenntnis des römischen Na-menswesens kann als Grundvoraussetzung für einen realistischen Zugang zum römischen Alltagsleben gelten.” Große Worte, gefolgt von einer strengen Durchsicht der einschlägigen Kriminalliteratur. Und in welchem Buch findet der fleißige Autor, der sich daran halten möchte, eine

Was (Alt-)Historiker reizt 85

48 Badetücher: Leseleuc, MAL 55. Briefanrede: Roberts, SPQR IX (dt.), 17 (K. 1). Senatssitzung: SPQR I, 82f. (K. 4) ; Cicero: SPQR II, 246 (K. 11). Konsulnamen: SPQR V, 33 (K. 4) (dt.). Gracchus: Stöver, CVT 3, 154 (K. 37); vgl. Plut. Ti. Gracchus 9,5. Tischgebet: Rowe, MiF 45 (K. 5), vielleicht verleitet durch Roberts, SPQR I, 60 (K. 3), wo Hortensius “the invocation to the gods” spricht. Hier wirkt der vor allem in den USA sehr fest verankerte Brauch des saying grace zurück. Ein kurzes – gemeinschaftliches? – Gebet an die Götter ist im Gegensatz zum verbindlichen Speiseopfer nur vereinzelt belegt: H. Blümner, Die römischen Privataltertümer. (Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft IV.2.2.) München ³1911, 397 gegen J. Marquardt (und A. Mau), Das Privatleben der Römer. Leipzig ²1886 (Ndr. 1990), Bd. 1, 327.

49 Aal mit Sauce (“Is this what they call Alexandrine?” Apic. 10,1, 6-8, ius Alexandrinum zu Fischen): Davis, PG 243f. (K. 46). Broccoli: Wishart, WM 384 (K. 29). Truthahn: Stöver, CVT 3, 21 (K. 4). Bauxit: Leseleuc, CdS 151 vgl. 155 – aus der Wirtschaftskarte eines Schulatlas? Lob für Davis, 3HiF: [Cramme]/davithre.html.

Abhandlung, die ihm alles Wesentliche zum Namenssystem und dessen zahlreichen Veränderungen liefert? Daß es für Bürger die tria nomina gibt, läßt sich leicht herausfinden; welche davon auf welcher Vertraulichkeits-ebene von Römer zu Römer gebraucht werden, ist bereits Geheimwissen; wenn wir uns schließlich dem Jahr 100 n. Chr. nähern, würden die meisten Fachhistoriker sich mit dem Nachweis der “Grundvorausset-zung” schon schwer tun und geraume Zeit zwischen ererbten mütterli-chen Namenskomponenten, Adoptionszusammenhängen und so weiter stochern. Und dann gibt es da noch die endlosen Namen der herkunfts-bewußten Prominenz im 2. Jahrhundert, von denen jeder für mehrere prosopographische Aufsätze gut ist.50

Je genauer ein Althistoriker tatsächlich Bescheid weiß, desto be-scheidener wird er auftreten; ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Koryphäe der lateinischen Onomastik nach dem Blut eines Autors schrei-en würde, nur weil er uns einige Figuren mit praenomen vorstellt, andere nicht. Schlimmer kommt mir vor, wenn eine Autorin aus der Riege der selbsterklärten Romexperten denkt, das Adjektiv sollemnis sei die weibliche

86 Jörg Fündling

50 “Die Kenntnis …”: Günther 2003, 145. – Eine gute, aber kompakte Über-sicht zum Namenswesen bietet inzwischen B. Salway, What’s in a Name? A Survey of Roman Onomastic Practice from c. 700 BC to A.D. 700. JRS 84 (1994), 124-145. Auf der Suche nach authentischen Eigennamen bieten sich neben den Personenregistern einschlägiger Inschriftenbände oder der großen Epigraphik-Zeitschriften L’année épigraphique und Supplementum Epigraphicum Graecum vornehmlich die onomastischen Standardwerke im ‘Telefonbuchstil’ an: H. Solin/O. Salomies, Repertorium nominum gentilium et cognominorum Latinorum. Hildesheim u. a. ²1994 (vereint vor allem Belege aus dem – in seinen Erklärungen oft problematischen – W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen. (Abh. Kgl. Ges. Wiss. Göttingen, Phil.-Hist. Kl. V.2.) Berlin 1904, und I. Kajanto, The Latin Cognomina. Helsinki 1965); H. Solin, Die griechischen Personennamen in Rom. Ein Namenbuch. (CIL Auctarium.) (3 Bde.) Berlin und New York 1982; ders., Die stadtrömischen Sklavennamen. Ein Namenbuch. (Forschungen zur antiken Sklaverei, Beih. 2.) (3 Bde.) Stuttgart 1996. Das von P. M. Fraser und E. Matthews herausge-gebene Lexicon of Greek Personal Names umfaßt mittlerweile die Bände I (The Aegaean Islands. Cyprus. Cyrenaica. Oxford 1987), II (Attica. Oxford 1994), III A (The Peloponnese. Western Greece. Sicily and Magna Graecia. Oxford 1997) und III B (Central Greece from the Megarid to Thessaly. Oxford 2000). Allerdings setzt die Benutzung der meisten genannten Titel voraus, daß man zumin-dest Buchstabe für Buchstabe eines griechischen Wortes entziffern kann.

Form eines Wortes sollem und diese grausame Neukreation dann als Namen verwendet, wenn die Caecilii für eine Untergruppe der Caecilii Metelli ausgegeben werden statt umgekehrt oder wenn uns stolz erklärt wird, eine Frau heiße Felicia, weil sie so katzenhafte Charakterzüge habe, das Wort selbst aber nicht von felis, sondern felix gebildet ist – und selbst das noch falsch. Was den verworrenen Stammbaum von Falco und Helena Justina angeht, so könnte es eine sehr unterhaltsame Aufgabe für Experten sein, die eine oder andere Verworrenheit argumentativ zu rechtfertigen. Wir sollten aber über all dem die schlichte materielle Not nicht vergessen, einem Publikum glaubwürdige Namen zu servieren, die trotzdem nicht zu völliger Konfusion führen, weil plötzlich zwanzig Claudii die Bildfläche bevölkern; gerade Erstlingswerke neigen dann aus Zeitnot dazu, sich mit einem Phantasieprodukt zu begnügen, das antik klingt. Mit der wissenschaftszentrierten Idee, daß ein Autor Namen mit dem Ziel vergibt, seine Kreationen nicht versehentlich mit historischen Figuren zu verwechseln, brauchen wir uns nicht weiter aufzuhalten. Unser gutes Recht bleibt es, angesichts von Bizarrerien wie “Septimus Severus Quistus” aufzustöhnen, aber loben wir dann auch ebenso automatisch die gute Idee, sich einen Namen diskret aus Martial zu holen? Freuen wir uns über jeden Roman, in dem keine Sklavin mit dem echt römischen Namen Rosita vorkommt.51

Was (Alt-)Historiker reizt 87

51 Vgl. Günther 2003,145-147 zur Frage; 146 mit Kritik an Stövers praenomi-na-Vergabe, 146f. am Stemma der Didii – die Möglichkeit z. B. von Poly-onymie oder familiären Spitznamen wird in der (überernsten) Darlegung nicht erwogen. Der “Eindruck völliger Beliebigkeit” (a.a.O. 147) setzt bei Lindsey Davis nur dann ein, wenn man die furchtbare Claudia Seferius von Marylin Todd ignoriert – wie historisch ist übrigens “Eco” bei Steven Saylor? Vergabe von Namen zum Schutz vor Verwechslungen: so Schröder 2001, 60 als ‘Erklärung’ für Metellus’ Vornamen “Decius” (der, beiläufig gesagt, natürlich frei nach dem praenomen “Decimus” erfunden ist, und das Namenselement eines Kaisers kopiert). “Sollem”: Ableitung zu erschießen aus Leseleuc, VMA 189. Caecilii Teil der Metelli: Roberts; SPQR II, 106 (K. 5); Felicia: 25 (K. 1). Zum Schutz vor “Latinist readers” und deren Post versah Wishart, OB (vgl. 356 [Nachwort]) seine kaiserzeitlichen Etrusker mit Namen aus mythischer Zeit. – Mitunter treibt die Suche nach neuen Namen im wahrsten Sinne Blüten. So füllte Davis, 2fL schonungslos ihre “Principal Characters” aus dem Kräutergarten (nach Linné) auf (Anethum, Artemisia, Borago, Buxus, Myrrha, Rumex, Ruta, Scilla, Urtica) – und manches dieser Gewächse hat sogar antike Wurzeln. Ebenso vorsätzlich

Wieder andere Fehler sind tatsächlich gar keine, werden aber von uninformierter Seite als solche beschrien.52 Wenn voller Entrüstung er-klärt wird, das Wort pancake bei Lindsey Davis sei ein unerträglicher Ana-chronismus, denn bei Apicius gebe es keine Pfannkuchen, also hätten sie nie existiert, ist das so pedantisch wie unzutreffend. Und andererseits kann selbst ein Kritiker den Erfindungen des Autors aufsitzen … selbst eine Darstellung mit historischem Anspruch verkündet stolz als historisch belegte Tatsache, Caesar selbst habe an Clodius’ Entweihung der Bona-Dea-Mysterien 62 v. Chr. teilgenommen – das steht nicht bei Cicero, es steht nicht bei Plutarch, aber wir finden es natürlich in The Sacrilege.53

ˆ Ein Fall für sich ist der bewußte Anachronismus. In Ode to a Banker läßt Lindsey Davis nicht nur William Shakespeare persönlich aufmar-schieren, er nimmt auch noch zur Frage Stellung, ob er seine eigenen Stücke geschrieben habe. Wenn dergleichen verboten sein sollte, wie

88 Jörg Fündling

war zweifellos der Witz, die zuckersüße Geliebte eines Akteurs “Saccarina” zu nennen (123 K. 24). – “Septimus … Quistus”: Philip Boast, Damnum Fatale, in: Ashley 2003, 169-197; dort 171. Martial: Lindsey Davis, DLC passim: Claudia Rufina, vgl. Mart. epigr. 11,53, die ”bei den Briten aufwuchs”. “Rosita”:Rowe, MiF 97 (K. 10). Hier finden sich weitere erfrischende Beispiele wie “Zetso” oder “Egobarbus” (laut 43 (K. 4) hieße das “I, the beard”). Burns, RN (dt.) 12f. (K. 1) kreierte den Sklaven ”Yaro” und bietet mit “Lorenzo” (144 [K. 8]) einen würdigen Partner für “Rosita”.

52 So monierte der sonst wohlwollende Brian C. Goodman, Ein neuer Mann unter den Meisterdetektiven. Neues Deutschland 13.9.1991, den Caesar-Titel für Titus und Domitian in Davis, SP als “erst Jahrhunderte später ein-geführt”; tatsächlich ist er für beide bestens belegt, vgl. nur D. Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie. Darmstadt ²1996, 111. 115.

53 Pfannkuchen: Schröder 2001, 84 mit 106 zu Davis, SP 3 (K. 1). Bekannt-lich gibt Apicius überwiegend Rezepte für luxuriöses Essen an und ist kein Küchenlexikon, doch selbst er liefert den Gegenbeweis: die als Zutat verwendeten lagana (Apic. 4,2,14f.) müssen extrem dünne Fladen, sprich, Pfannkuchen sein; so schon J. André, L’alimentation et la cuisine à Rome. Paris 1961, 214 mit weiteren Beispielen von “crêpes” wie dem perlucidum (a.a.O. 215). Zu den diversen Formen von Süßgebäck vgl. einführend W. Orth, RE XI 2 (1922), 2088-2099 s.v. Kuchen. Kochgeräte wie die von Davis zitierte griddleplate: B. A. Sparkes, The Greek Kitchen. JHS 82 (1962), 121-137. Caesar als Frevler: Schröder 2001, 68: “verließ Caesar seine Frau, weil ihre Rolle in dem Frevel – an dem er selbst teilnahm – nicht geklärt werden konnte.” Vgl. Roberts, SPQR III, v.a. 193; 197; 203 (K. 12).

steht es dann mit der Verpflanzung der berüchtigten Weihnachtsdepressi-on auf eine römische Familie, die während der Saturnalien zur geselligen Heiterkeit verdammt ist? Oder auch mit zwei Wasseruhrmonteuren, de-ren Fachchinesisch die finstersten Seiten der Computerära spiegelt?54

Taschen in der Toga und Streichhölzer (oder Teakholz und die Syphilis) sind lästige Kleinigkeiten, wie wir nie vergessen sollten, und mehr auch nicht. An der Grenze des Legitimen bewegen sich schon eher massive chronologische Umstellungen wie etwa die des Bona-Dea-Skandals bei Roberts. Aber den vorgeblichen Aufschub einer Provinz-reform, die tatsächlich stattfand, zum Angelpunkt einer Handlung zu machen und das dann auch noch in aller Breite und Irrigkeit im “gelehr-ten” Anhang zu erklären, so etwas verdirbt das ganze Buch. Ein kriminel-ler Sonderfall sind gezielte Deformationen der historischen Tatsachen, die in vollem Ernst geschehen, um eine ideologische Absicht zu errei-chen: so kreiert Philip Boast in einer Kurzgeschichte nicht nur einen neu-en Glauben nach eigenem Geschmack für die frühen Christen – nämlich den aufgeklärten Pantheismus –, sondern erdreistet sich auch noch, Nero zum ersten Papst auszurufen und mit seinem Gehilfen Petrus die böse, böse katholische Kirche gründen zu lassen. Nicht einmal das Zielpubli-kum – der lunatic fringe US-amerikanischer Sekten? – wird an solcher Ah-nenforschung viel Freude haben.55

Was (Alt-)Historiker reizt 89

54 Das anspielungsreiche Shakespeare-Kapitel: Davis, OtaB 152-158 (K. 30). Stratford: 153; “I learned Latin – though Greek might have been more useful”: 154; “Anna who has the way [= (Anne) Hathaway, J.F.] with words”: 158; Rat für Falcos Proto-Hamlet (vgl. LAiP): 158; Echtheitsfrage: 157. Falcos Enthüllungsszene in der Bibliothek beginnt passend à la Julius Caesar: “Friends, Romans, Greeks – and Britons”; das alter ego des Barden, Urbanus, macht sich klugerweise “mental notes”: 269f. K. 53. Saturnalien: Davis, Acc 49-52 K. 10. ‘Technobabble’ um die Wasseruhr: Wishart, LR 29-31 (K. 4), 117f. (K: 12) usw. Der moderne Bedarf nach strikter Zeit-einteilung führt häufig dazu, daß ein Luxusgerät wie die Klepsydra als Alltagsartikel präsentiert wird; Montanari behauptet im Nachwort zu CC (dt.), jedes römische Stadthaus habe eine besessen (273).

55 Bona Dea: Günther 2003, 137 zu Roberts, SPQR III. Provinz: Leseleuc, CdS (s.o.) Auf wackligen Füßen steht auch Cicero als Privatmann in Roberts, SPQR XI (dt.), 129-136 (K. 6), besonders betont 129: die Tullii seien “in diesem Jahr keine amtierenden Magistrate”. Tatsächlich war Cicero natürlich Proconsul und legte in mitunter peinlichem Maß Wert darauf; vgl. nur M. Gelzer, Cicero. Ein biographischer Versuch. Wiesbaden

Um ein Postulat daraus zu machen: Die Vermittlung historischen Wissens ist nicht der Hauptzweck eines Historienkrimis; der Leser sollte aber durchaus die Möglichkeit erhalten, auf Wunsch sein Wissen zu vergrößern, und kein vorsätzlich falsches Bild erhalten. Dem Autor ist im Rahmen des Möglichen Zuverlässigkeit ab-zufordern – was nicht heißt, daß er eine wissenschaftliche Arbeit schreiben soll.

Realismus der Gesamtsicht

Die Gefahr eines Buches für das Geschichtsverständnis seiner Leser liegt aber selten in bloßen Sachfehlern, seien sie auch gravierend. Sie liegt, wie schon beschrieben, auch kaum im angeschlagenen Ton. Wer gibt uns das Recht, John Maddox Roberts Vorhaltungen zu machen, wenn er seinen Metellus die eigene Familie als “Horde” bezeichnen läßt, und empört daran zu erinnern, die Caecilii Metelli seien immerhin “die politische Spitze ihrer Zeit” gewesen? Dann müßten wir im selben Atemzug auch

90 Jörg Fündling

1969, 239 (Ankunft in Italien). 263 (Entlassung der Liktoren erst im Ok-tober 47) zu Cic. fam. 16,9,1f.; Lig. 7. Ein aktiver Beamter Cicero brächte allerdings den Plot von SPQR XI ins Wanken.– Teak: Reed/ Mayer, 1fS 3 (K. 1); Syphilis (“the pox”): 152 (K. 16). – Pantheismus: Philip Boast, Damnum Fatale, in: Ashley 2003, 169-197, v.a. 190: ”Jesus Christ (…) is in our hearts and in the wind and in the sky. He is us.” Papst Nero: a.a.O. 185 (”the Emperor, who is of course a god, pater, Pope, Pontifex Maximus, the bridge between this world and the next…”). Paulus, Boasts Sprachrohr, prophezeit a.a.O. 192f., daß Nero Petrus, der “a different sect from mine” leite und an “churches and priests, not Christ within each heart” glaube, verschonen werde; und so geschah es (a.a.O. 195: “he may be useful.”). Geduldige Leser werden mit einem Senator belohnt, der Kaffeepralinen knabbert (a.a.O. 177), Zentralafrika bereist hat und von den “Aryans” (!) ins Schwarze Meer geworfen wurde (173); auch nach Norwegen – das praktischerweise schon so heißt – hat es ihn verschlagen (a.a.O. 172). Der a.a.O. 169 als Autor von “historical epics (…) with a Biblical background” eingeführte Boast verwöhnt uns weiterhin mit regen Handelsbeziehungen zwischen Irland und Ägypten (das er kurzerhand christianisiert) im 1. Jahr-hundert n. Chr. (177); Worte versagen angesichts seiner Präsentation Chri-sti als “Yehoshua ben-Mary”, lateinisch “Iacimus Christus” (178). Mutigen Seelen sei “City (1994), the story of a former Druid prince, baptised by Jesus, who returns to Britain with a terrible treasure” (a.a.O. 169), zur Er-heiterung empfohlen.

Cicero als respektlos abmahnen, wenn er zu denselben Metelli genüßlich das Scipio-Zitat bringt, noch ein Metellus mehr, und er wäre als Esel zur Welt gekommen. Respekt vor den Charakteren, mit denen er sich befaßt, ist eine gern vergessene Pflicht des Historikers, der sich auf diese Weise den Zugang zu ihnen von vornherein nehmen kann. Der Krimi vertritt üblicherweise ein berufsskeptisches Bild der Dinge, ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht. Die Frage lautet hier nur: Kann jemand das damals so gesehen haben? Erst recht gegenüber der eigenen Familie sollen die (privaten) Urteile mitunter noch heute ein bißchen schärfer ausfallen.56

Viel bedrohlicher ist da eine andere Praxis. Steven Saylors Porträt einer römischen Familie hat bisher wenig Kritik ausgelöst, obwohl es zum Himmel schreit. Im Gegenteil erntet er regelmäßig hohes Lob, weil er ein Rom zeige, “das in Schulbüchern wenig Beachtung findet”, nämlich nicht “die Ausschweifungen der Senatoren in ihren Villen” – ich bedaure, sie in meinen Schulbüchern überlesen zu haben –, sondern “das Leben in den Hinterhöfen der subura”, “die humorlose und ungeschönte Beschreibung des Alltags römischer Unterschichten”, verdeutlicht an Familie und Nachbarschaft des Detektivs Gordianus.57

Fassen wir zusammen: Gordianus “the Finder”, den die Wahrheit nicht ruhen läßt, sieht sich als eher arm an, wird durch Erbschaft aber Hausbesitzer und ist finanziell abgesichert – ein eigenes Haus in Rom zu haben ist bekanntlich ein Luxus. Gordianus heiratet seine Ex-Sklavin Bethesda; soweit eine gängige Konstellation. Bethesda ist eine Jüdin aus Alexandria mit ägyptischem Nationalgefühl und einem stark verwässerten Religionsverständnis – auch das mag vorgekommen sein. Beide haben eine Tochter, Gordiana (kurz Diana); noch vor ihrer Geburt adoptiert Gordianus kurzentschlossen einen stummen Jungen, der seine Heimat verloren hat und später nach dem Vorbild Herodots die Sprache wieder-

Was (Alt-)Historiker reizt 91

56 Günther 2003, 130 (Zitat a.a.O.) wertet die Respektabilität der Meteller als “gesicherte historische Erkenntnisse”, die nicht straflos übergangen werden dürften. Vgl. Cic. de or. 2,267. Zum getadelten “Horde” (gaggle) in Roberts, SPQR III 54 (K. 4) (dt. 72) vgl. die Übersetzung “gang” für factio (Cic. rep. 3,23) bei R. Syme, The Roman Revolution. Oxford 1939, 22².

57 “das in Schulbüchern …”; “die Ausschweifungen …”; “das Leben in …”: Schröder 2001, 88; “die humorlose …”: a.a.O. 89. Zur Ehrenrettung der wieder einmal als Prügelknaben mißbrauchten Schulbücher sei nachdrück-lich aufgerufen.

erlangt, mit dem bizarren Namen Eco, später dann einen vor dem Tod geretteten (und seinem Herrn geraubten!) Sklaven, Meto. Gordianus selbst fühlt sich beim gemeinsamen Baden mit Catilina offensichtlich von ihm angezogen, ein Wunsch, der weiter nicht diskussionswürdig ist – denn wir sind offenbar in San Francisco, aber sicher nicht im spätrepu-blikanischen Rom – und letztlich sowieso unerfüllt bleibt. Als toleranter Vater hat er denn auch nichts daran auszusetzen, daß sein Sohn Meto angeblich eine homosexuelle Beziehung zu einem freigeborenen Römer unterhält … aber der Fragliche ist leider Caesar, und Caesar ist politisch kompromittiert, was Gordianus wirklich zusetzt. Die bisherige Krönung der Progressivität trägt sich allerdings zu, als Gordianus’ dümmlicher, aber gutaussehender Leibwächter Davus, natürlich ein Sklave, Diana schwängert. Der leidgeprüfte pater familias könnte den Schuldigen ohne weiteres töten oder ins Bergwerk verkaufen, seine Tochter zur Abtrei-bung nötigen, das geborene Kind aussetzen und viele Dinge mehr – nur was er tatsächlich tut, nämlich Davus freilassen und das Aufgebot bestel-len, das hätte ihm wohl kein lebender Römer nachgemacht.58

92 Jörg Fündling

58 Ecos Adoption: Saylor, RB 366f. (K. 34); Stimmwunder: AoN 273 (K. 24), vgl. Hdt. 1,85,1-4. Ankunft Metos, Geburt Dianas: AoN 300-303 (Epilog). Catilina: Saylor, CR 129-141 K. 13; Gordianus’ überaus gründliche Blicke auf den Verschwörer und einen Begleiter (130; 139) sind durchaus homo-erotisch gefärbt, seine Sorge, Catilina könnte sich für Meto interessieren (130), ist von dessen Alter, nicht von der römischen Sexualnorm diktiert (vgl. 409f. K. 38). Caesar und Meto ein Problem: AMP 26 (K. 3). Davus und Diana: MAW 343-348 (K. 32f.), 393f. (K. 37); später urteilt Saylor durch Gordianus, ihre Liaison sei nur ein Zeichen von “mutual love, desire, and respect” (AMP 160 K. 12). Ähnlich gefühlig verteidigt er einen eigenen Seitensprung mit einer viel jüngeren Frau (a.a.O. 169-171 K. 13); die abgedroschenen Phrasen lesen sich in ihrer Dreistigkeit – Bethesda ist gerade schwer erkrankt – als Kritik Saylors an der Figur (was jedoch ein völliges Novum wäre). Der Fall eines Übergriffs auf Frauen in der Familie des dominus wird in den Digesten nicht klar geregelt – weil man Selbstjustiz voraussetzte oder weil das Procedere weiter keine Fragen aufwarf, so darf vermutet werden. Demonstrative Toleranz auch im Fall einer schwarzen Ex-Sklavin, die sich zum Lebensunterhalt prostituiert: Steven Saylor, A Gladiator dies Only Once, in: Ashley 2003, 27-73, v.a. 48f. 52. Die Geschichte präsentiert – neben lautstarken Verdammungen der spätrepu-blikanischen “Sklavenhaltergesellschaft” – die absurde Idee einer Koope-rative von Ex-Gladiatoren, die den blutgierigen römischen Mob durch

“Humorlose Beschreibung” ja, aber “ungeschönt”? Gordianus hat kein Familienleben, er hat nur Unmengen an political correctness, er schreibt, als wäre die Bürgerinitiative schon erfunden, und vom lachhaften Ana-chronismus abgesehen läßt ihn sein Gutmenschentum auch weit lang-weiliger erscheinen, als Saylors Schriftstellertalent es verdient hätte. Wie können wir angesichts dieser kapitalen Geschichtsklitterung “Saylors Ro-mane ausnahmslos und durchweg sorgfältig recherchiert” nennen? Da sollte doch lieber das eine oder andere Konsularjahr nicht stimmen.59

Doch sogar in solchen Fällen sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Eine Drohung für das Unterscheidungsvermögen des Lesers zwischen Geschichte und Phantasie geht wohl weniger von historischen Romanen

Was (Alt-)Historiker reizt 93

fingierte Tötungen in der Arena betrügen.59 Saylor selbst preist die Gordianus-Sippe als “a very unconventional family”

an: www.stevensaylor.com/bio.html. Insofern überrascht die zahme Cha-rakterisierung als “eine ‘ganz normale’ römische Familie” bei [Cram-me]/saylmurd.html. Günther 2003, 141 geht auf die Sklavereifixiertheit Saylors und seines Helden ein, die sich teils der US-amerikanischen Ge-schichte, teils spätmarxistischen Vorstellungen verdanken mag; ihr eigener Befund läßt ihre Wertung als “recht ahistorisch” (a.a.O. 142) noch sehr zahm erscheinen. Zu pauschal sind dagegen wohl ihre Schlüsse a.a.O. 143-145 aus wenigen Einzelstellen bei Stöver, Roberts und Davis; zweifellos tendieren alle Autoren zur ‘Überbelichtung’ des Phänomens Sklaverei, das eindeutig negativ besetzt und uns (vermeintlich) fremd ist; die bloße An-nahme, den meisten römischen Sklaven sei es eher schlecht gegangen, und die vermehrte Aufmerksamkeit für ihre Existenz machen allein aber noch kein Bekenntnis zur “Sklavenhaltergesellschaft” aus. Insbesondere das Zitat aus Stöver, TR 17 impliziert eher, daß die langjährige Haussklavin aus emotionalen Gründen “unverkäuflich” ist (gegen Günther 2003, 143). Davis, 1VTM 200 (c. 37) spricht im Original von pallets der Sklaven, was ebenso “Pritsche” wie “Strohsack” oder schlicht “Lager” bedeuten kann. Abgese-hen davon, daß hier wie so oft ein Rückgriff auf den Originaltext metho-disch stimmiger gewesen wäre: Woher nimmt Günther a.a.O. 145 die Ge-wißheit, alle Sklaven in Herculaneum hätten auf den dort “gefundenen Kli-nen” statt auf dem Boden geschlafen? Die (spärliche) Möblierung eher den Herrenzimmern zuzuordnen ist an sich bestimmt kein Verharren in “alten marxistischen Klischees” (a.a.O.). “Saylors Romane …”: Schröder 2001, 31; a.a. O. 72f. mit einer Entbindung des Romans vom Zwang zur political correctness. Schon realistischer sind die Drohungen Metellus’ an seinen neu-erworbenen Sklaven Hermes, falls dieser fliehen sollte: Roberts, SPQR III, 11f. (K. 1).

aus, die ihre Herkunft selten verbergen. Was ein Romancier erzählt, steht bei klugen Lesern – und Klugheit ist nicht an den formalen Bildungsgrad gebunden – generell unter dem Vorbehalt, es könnte erfunden sein; allerdings wird Unfug, der sich nachdrücklich auf Quellen beruft, eher Glauben finden als etwas ehrlich und frei Fingiertes. Viel gefährlicher ist zum einen das Medium Film, auch wo es sich gar nicht als reine Wahrheit ausgibt: es wirkt einfach zu real. Und zum anderen gibt es eine wach-sende Zahl von Fiktionen unter falscher Flagge: Werke, die sich unter mehr als freier Handhabung der Quellen in ein historisches Thema “hin-einfühlen”, aber kaum ein Wort der Warnung verlieren, daß unter dem Anschein der Biographie mal eine Quelle nacherzählt, mal hinzuerfunden wird – oder gleich ganze Neukreationen antiker Schriften auftauchen, die verloren sind oder nie existiert haben.60

94 Jörg Fündling

60 Auch ein Hochschulabschluß schützt nicht vor grotesken Verkennungen wie bei Schröder 2001, 102f., der den Quellenwert von Steven Saylor über den von Cicero stellt: “Cicero schrieb die [sic] Pro Roscio Amerino nur aus seinem Blickwinkel und unter Berücksichtigung rechtlicher Aspekte, Saylor schrieb Roman Blood aus dem Blickwinkel eines Unbeteiligten, der die Fakten aller Seiten betrachtete und die lange geheimgehaltene Wahrheit in der Schuldfrage kannte”; damit sei der Roman “nicht weniger korrekt, [sic] als die Aufzeichnungen Ciceros.” Zu Saylors trüber ‘Quelle’ für seine Invektiven vgl. etwa [Cramme]/saylroma.html. Für die Zeit Hadrians sind – offenbar auf den Spuren M. Yourcenars (s.u.) – die Fälle pseudohistori-scher Werke besonders häufig. Neben die überaus produktive Populärbio-graphin Ute Schall (Hadrian. Ein Kaiser für den Frieden. Tübingen (Grabert) 1986, stellenweise phantasievoll, aber keineswegs mit rechtsextremem Anstrich, wie er mit dem Verlagsnamen üblicherweise assoziiert wird) tritt nun Elizabeth Speller, Following Hadrian: A Second-Century Journey through the Roman Empire. Oxford (Oxford University Press) 2003, dem Reportageton nahe, in der Substanz unkritisch bis romanhaft, garniert mit exklusiven Auszügen aus dem – durch nichts belegten – Tagebuch der dichtenden Aristokratin Iulia Balbilla (zur Person PIR² I 650). Aufmachung und Verlag suggerieren eine solide wissenschaftliche Monographie nach allgemein anerkannten Kriterien – die im Vorwort mit einem gewissen Stolz aufge-kündigt werden. Ganz arg trieb es François Fontaine, Douze autres Césars. Paris (Julliard) 1985. Er erfand das verlorene Werk des Marius Maximus, der mutmaßlich die Kaiserbiographien Suetons fortsetzte, weitgehend auf der Grundlage eigenen Sprachgefühls neu; seine “Methode” deutete er nur zart an (9f.), warnte in einer “Note sur les Sources” eindringlich vor der Benutzung der erhaltenen Texte (303-306), ließ aber im Klappentext ver-

Wenn die Figur Pamphlete verliest

Motive und Überzeugungen des Autors neigen dazu, in ein Buch einzu-fließen, und sie sind ein weiterer heikler Punkt. Für SPQR haben wir es schriftlich, daß John Maddox Roberts sich von der politischen Korrup-tion der Nixon-Ära inspiriert fühlte und dem modernen Amerika einen antiken Spiegel vorhalten wollte. Dementsprechend läßt er Metellus und seinen Freund Milo politisieren. Der begründete Verdacht besteht, daß Steven Saylor mit dem ewig gleichen Handlungsaufbau nach der Devise “Der Mörder ist immer der Prätor” und seiner obstinat wiederholten Botschaft, Politik sei etwas für verdorbene Charaktere und verderbe jeden, der sich mit ihr abgebe (demonstriert in Roman Blood an Cicero, der in Doppelmoral und Lüge abgleitet), eher noch tiefer als Roberts unter dem Eindruck von Watergate und den Skandalen der Reagan-Zeit steht. In der Definition von politician als pejorativer Begriff begegnen sich beide. Wir sollten uns hüten, das als Aufruf zur Reflexion und Distanznahme zu feiern – es gibt keinerlei Garantie gegen die Lesart: “Ist doch immer das gleiche, sind ja sowieso alle korrupt. Aufräumen muß man mit der Ban-de.” Wäre auch das ein geschärftes Problembewußtsein? Und ist der ein-gebaute Aufruf, mal “die einfachen Leute” an die Macht zu lassen, ein differenzierter Lösungsansatz?61

Die Gefahr, ins Deklamatorische, schlimmstenfalls Denunziatorische zu rutschen, ist für Qualität wie Unterhaltung gleichermaßen tödlich. An

Was (Alt-)Historiker reizt 95

sichern, er habe aus den “sources les plus sûres” und den “documents les plus authentiques” gearbeitet …

61 SPQR und Nixon: Schröder 2001, 61; Schröders Ansicht, diese Affinität lasse sich “nur einmal” schildern, wird von Saylors Werk relativiert. Zitiert wird der zugrundeliegende Brief Roberts’ an Schröder erst a.a.O. 106. Die Absage Roberts’ an die Rückprojektion eigener Wertvorstellungen (a.a.O. 105) steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Politikerbeschimp-fung aus dem Mund Milos in SPQR III, 224 (K. 14). Lob der Stimuli zur gegenwartspolitischen Lesart: Schröder 2001, 107; vertieft 109: “In den besseren Romanen des Genres werden die gesellschaftlichen und politi-schen Probleme der beschriebenen Zeit als Metapher für eine Kritik der heutigen Gesellschaft und Politik benutzt.” Saylor selbst nannte die ausgehende Republik in einer Rezension von Gore Vidals Creation “a subject of some relevance to America in the age of Reagan” und präsentiert dies mit einem programmatischen Nachsatz in seinem Internetauftritt (www.stevensaylor.com/Creation.html).

der historischen Wahrheit geht dergleichen fast automatisch vorbei. Es gibt vor dem 4. Jahrhundert n. Chr keinen antiken Menschen, der eine Fensterrede gegen die Niedertracht eines organisierten Einheitsklerus halten kann, und vor der Durchsetzung des Christentums ist gerade einem “Heiden” die Idee einer allumfassenden religiösen Hierarchie unmöglich. Antichristliche (genauer wohl antikatholische) Affekte – ein weiteres Beispiel neben Philip Boast sind die Selbstfindungsromane mit Krimielementen von Kari Köster-Lösche – ergeben, um das Mindeste zu sagen, einen schlechten Roman.62

Mitunter huldigt ein Autor auch gegen den eigenen Instinkt allzu spürbar (und unglaubhaft) dem Zeitgeist. Man vergleiche den Kom-mißton in Hans Dieter Stövers “C.V.T.-Serie der achtziger Jahre – auch und gerade im Vercingetorix-Roman Die Frau des Senators – beispielsweise mit dem zeitgemäßen Antikriegston im Jugendroman Caesar und der Gallier von 1994, der das Material zur Endphase des Gallischen Krieges unver-kennbar zweitverwendet; mit der nach wie vor einer Lichtgestalt ähneln-den, beinahe angenehm dämonischen Caesar-Figur harmoniert ein solcher Meinungswandel kaum, und der böse Verdacht kommt auf, hier habe ein Thema notdürftig marktgängiger gemacht werden sollen.63

96 Jörg Fündling

62 Metellus’ Vorwürfe an die Gegenwart: SPQR III, 82f. (K. 6); Milo: 176f. (K. 11).Vulgärer Antichristianismus: Kari Köster-Lösche, Die Heilerin von Alexandria. München (List) 1998; Die Wagenlenkerin. München (List) 2000. Köster-Lösche, ursprünglich der gängigen Hexenthematik des Mittelalters verhaftet, wandte sich seitdem in den Spuren des neopaganen “Sachsen-schlächter-Klischees über Karl den Großen ihren alten Zielscheiben zu, wie die Titel Das Blutgericht und Donars Rache bekunden.

63 Einschlägig zu Caesar und der Gallier ist St. Eichler, ‘Kriegsdienstverwei-gerer’ im antiken Rom: Die Rezeption des Bellum Gallicum in H.-D. Stövers Caesar und der Gallier, in: K. Brodersen (Hg.), Die Antike außerhalb des Hörsaals. (Antike Kultur und Geschichte 4.) Münster u.a. 2003, 97-114, v.a. 101f.; sie faßt a.a.O. 114 überzeugend zusammen, ein “im Kontext moderner Moralvorstellungen” mehrheitsfähiges Verhalten werde hier auf Kosten “historische[r] Plausibilität” rückprojiziert. Eichlers Schilderung von Stövers – gegenüber den C.V.T.-Büchern kaum verändertem – Caesarbild (a.a.O. 108-111) spricht eher gegen ihre Eingangsthese “Stöver bemüht sich, kein einseitiges Bild Caesars zu vermitteln” (108): aus den düsteren Anklagen gallischer Kriegsgegner geht der Imperator nur desto leuchtender hervor, als er selbst die Szene betritt, und so scheint die Cae-sarkritik nur als rhetorische Aufhöhung des beabsichtigten Caesarlobes,

Beim Thema Sexualität liegen Ausrutscher ins allzu Subjektive oder Marktgängige besonders nahe. Falco und Helena etwa sind von Lindsey Davis sicher als ein sehr modernes, für Leser also sympathisches Paar angelegt. Der romantische Aspekt: Sie sind einander ziemlich treu; der realistische Falco hat es stellenweise schwer, weil er wohltrainierte Augen und viel Unfug im Kopf hat – gelegentlich rettet ihn nur der hereinstür-mende Schurke. Die sexuelle Seite der Partnerschaft wird regelmäßig in Erinnerung gerufen, ihr praktischer Gebrauch im Detail bleibt aber der Phantasie des Lesers überlassen und wirkt auf die Charaktere eher trost-spendend denn als sportliche Selbstbestätigung. Roberts hingegen dosiert (an Sword and Sorcery erprobt) den Anteil des “Verruchten” geringfügig höher (Bewußtseinstrübung, betörende oder animalische Gerüche, mehr als zwei Beteiligte, ein Wort zur gewählten Technik) und schildert Sex eher als erfrischenden Kraftakt mit Rauschwirkung, hauptsächlich ein Männervergnügen, assistiert von lasterhaften Aristokratinnen. Wie denk-bar beide Auffassungen in der Antike sind? Das wäre die Preisfrage. Gut antik ist es auf jeden Fall, gerade dieses Feld nicht aus dem Roman auszu-klammern. Nebenbei ist sogar Kraftprotzerei erfrischender als ein Absturz in die Hölle des Gefühlskitsches oder das Gegenextrem im Stil von Marilyn Todd, deren Heldin in allen Passanten den Reflex auslöst, ihr augenblick-lich die Kleider vom Leib reißen zu wollen. Übrigens ist auch eine Vorlie-be für bemüht explizite Paarungen mit Gestöhn, kleineren Kratzwunden und intensivem Körpergeruch durchaus mit Dutzendromantik vereinbar, wie dieselbe Autorin uns vorführt.64

Was (Alt-)Historiker reizt 97

dem das letzte Wort bleibt. Insofern überrascht das Fazit von Günther 2003, 148, “Heldenverehrung” fehle in den untersuchten Krimis, Stöver in-klusive, “gänzlich”. Man vergleiche den moderat dämonischen Auftritt des ungeheuer kritikfähigen Imperators in Stöver, CVT 2, 172-179 und 185-191 (186: “ ‘Du mußt mir vertrauen […] Zu gegebener Zeit wirst du mich verstehen … oder hassen.’ […] und Gaius erschauerte vor seiner Macht über die Seelen der Menschen.” Nach dem Schauer bleibt er natürlich im Dienst Caesars, denn “hier geht es um Größeres” [190].). Dem “größten Pragmatiker des Jahrhunderts” (CVT 1, 45 K. 11) wird mit berechenbarer Konstanz gehuldigt. Mechanisch modernisiert wird auch die Diktion: an-stelle des keuschen Tons der C.V.T. Reihe findet sich in MnV ein gewagtes “schwul” (20 K. 1), ein Verweis auf Prostatabeschwerden (155 K. 12) und die lebenspralle Beschimpfung “Scheißer” (311 K. 26).

64 Kitsch: z. B. das Verhältnis von C. Volcatius Tullus mit Clodia – “’Lieber!’

Zusammenfassend: Moderne Wertvorstellungen bestimmen die Rezeption eines historischen Romans, aber weder Handlung noch Figuren sollten zu bloßen Sprachrohren des Autors verkümmern.

Autodidakt und Althistoriker

Nun ein kitzliges Thema, worüber man aus guten Gründen nicht spricht: ein “Laie” kann sich auf einem Teilbereich sehr schnell mehr positives Wissen anlesen als ein “Fachmann”. Gern wird dies mit dem Vorsprung des Fachwissenschaftlers an methodischem Denken pariert; wie nötig das ist, macht sich bemerkbar, wo die Verarbeitung enormer Faktenmengen mit Verschwörungstheorien verschmilzt, also beispielsweise im “Illig-Effekt”. Aber das Argument muß nicht in jedem Fall zutreffen – erstens liest der Autor vielleicht am liebsten, aber nicht ausschließlich Quellen, sondern nimmt auch Forschungspositionen zur Kenntnis; zweitens ist strukturiertes Denken kein Privileg des Historikers (fällt ihm aber sicher durch seine Ausbildung tendenziell leichter), drittens könnte der Autor selbst fachlich vorgebildet sein. Gleichwohl liegt hier eine große Gefahr für beide Seiten nämlich die der Selbstimmunisierung gegen ihre mögli-che Fehlerhaftigkeit. “Ich habe das schließlich studiert” sagt sich der eine, der es also besser wissen muß, “diese arroganten Akademiker” der ande-re, der fortan glaubt, sämtliche Kritik aus der professionellen Ecke sei reine Bosheit. Genau diese Sprachlosigkeit steht auch an der Wiege zahlloser Bücher über die einzig wahre Geschichte von Atlantis, die Kelten, den Nibelungenhort, den UFO-Fuhrpark der CIA oder die histo-rische Schlüsselrolle des vom Autor bewohnten Sechzig-Seelen-Dorfes; der eine oder andere jener Psychotiker, von denen die modernen Anti-quariate wimmeln, hätte sich durchaus noch belehren lassen, wenn ihm denn beizeiten jemand zugehört hätte.

98 Jörg Fündling

hauchte sie”, “und eine seltsame Überlegenheit stieg in ihm auf.” Das Ende des Gesprächs im Bett wird zart angedeutet; zwischendurch spricht man über ödipale Neigungen. (CVT 2, 18f. K. 3). Sinnenfrohe Leiblichkeit dagegen in MnV 65 (K. 5): “er […] strich ihr über den Hintern”. Überwäl-tigender Sex-Appeal: Todd, MEr 89f. 95 (K. 7); 243 (K. 22). Zur Bett(?)-Szene a.a.O. 287-289 (K. 25) vgl. die in einem Treuschwur gipfelnde Mondnacht 269-271 (K. 24).

Wir alle sollten uns nicht auf solche Eitelkeiten versteifen. Der Tag könnte durchaus kommen, an dem die historische Forschung von ihren vermeintlich zwielichtigen Nachbarn der schreibenden Zunft profitiert. Vergessen wir nicht, daß es ab einem gewissen Punkt auch in der Wissen-schaft nur noch Hypothesen gibt. Ein gewissenhaft sein Quellenmaterial auswertender Romanautor könnte uns für einige unaufgeklärte Vorgänge der Alten Geschichte sehr wohl plausible Lösungen anbieten, denen dann ‘nur’ noch die Einbettung in den Kontext und der kritische Apparat fehlten – und sie würden sich zweifellos spannend lesen. Der Rückweg aus der fiktionalen Literatur in die Wissenschaft hat ja durchaus Präze-denzfälle: Nicht wenige Literaturverzeichnisse führen Marguerite Your-cenars Mémoires d’ Hadrien kommentarlos wie eine Monographie auf, und manche Aufsätze benutzen sie unvorsichtigerweise auch so – sicher nicht zuletzt wegen des umfangreichen Forschungsüberblicks im Anhang die-ses brillanten Stücks Weltliteratur. Vivant sequentes!65

Schon jetzt verlockend ist die Vielfalt des Herangehens an manche prominente Figur der Vergangenheit. Man vergleiche nur Clodius bei Stöver (ein wahnsinnig gewordener Führertyp mit Allmachtsphantasien) mit dem bei Roberts (robuste Mordlust unter römischen Adligen, abnorm höchstens das Bedürfnis, um jeden Preis Streit anzufangen) oder Saylor (ein verkannter, verleumdeter, in die Enge getriebener Volksfreund und Märtyrer).66 Oder Catilina: bei Roberts ein Opfer der Selbstüberschät-

Was (Alt-)Historiker reizt 99

65 Marguerite Yourcenar, Mémoires d’ Hadrien. Paris (Plon) 1951 (dt.: Ich zähmte die Wölfin. Stuttgart (DVA) 1953). Klassisch hierzu: R. Syme, Fictional History Old and New: Hadrian, in: ders., Roman Papers VI (hg. A. R. Bir-ley). Oxford 1991, 157-181.

66 Stövers Clodius: CVT 1, 109 (K. 20): der “Wahnblick”, das “unkontrol-lierte Flackern” seiner Augen ist “das Spiegelbild des rastlos umgetriebenen Geistes”; 115 folgt Größenwahn, wohl mit einer Prise Hitler versetzt: “Die Geschichte kennt keine Schuld! […] Ich bin das Volk! Und das Volk liebt mich, weil es sich in mir erkennt! […] Wo gehobelt wird, fallen Späne!” Günther 2003, 137 erklärt Roberts’ “Schwarzmalerei” in puncto Clodius für “noch übler, [sic] als die von Cicero”. Richtig daran ist soviel, daß Roberts gern und bewußt überzeichnet; andererseits wird der Leser oft genug daran erinnert, daß Clodius’ Porträt als vollendetes Scheusal von seinem Intimfeind Metellus stammt, und dürfte dessen Urteil kaum ohne Reserven teilen. Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung von Schröder 2001, 62, Roberts korrigiere ein “in den Lehrbüchern allgemein üblich[es]” positives Clodiusbild; dies bezieht sich offenbar auf die weiter oben ge-

zung, ein Versager mit Profilneurose und zu einseitigem Talent, bei Say-lor eine schöne, unwiderstehlich-erotische, freidenkerische Spartacus-Figur – beides übrigens recht weit weg von Sallust. Hier werden Deu-tungsmöglichkeiten ausgeschöpft, die mit größerer Sorgfaltspflicht auch ein Althistoriker hat. Der Reiz auch für ihn, zwischen diesen Perspektiven zu wechseln, die der Roman in Kurzform durchspielt, ist beachtlich.67

Ereignisse mit mehrdeutiger Täterschaft und vielschichtigem politi-schem Hintergrund, die nach einem Krimi förmlich schreien, gibt es ge-nug. Ein neuer Vorschlag, wer “wirklich” hinter dem Attentat auf Eume-nes II. von Pergamon im Jahr 172 v. Chr. steckte, hätte einen Hauptver-dächtigen (König Perseus) und zahlreiche denkbare Profiteure zur Aus-wahl, war der Anschlag doch ein wichtiger Anlaß für Roms lange geplanten Krieg gegen Makedonien. Ähnlich mehrdeutig ist die Frage, wer den Befehl zur Hinrichtung von Sextus Pompeius in Milet denn nun letztlich gab: Antike Stimmen nennen den lokalen Kommandeur des Jahres 35 v. Chr., M. Titius, ebenso wie dessen Vorgesetzten Antonius oder den undurchsichtigen Munatius Plancus und sehen sogar Kleopatra verwickelt. Ein letztes attraktives Thema wäre die Familienintrige, die den Rhetor Apuleius 158/59 n. Chr. wegen Hexerei vor Gericht brachte: Sagt seine Apologia mit ihren Schlaglichtern auf die nordafrikanischen Hono-ratiorenfamilien der Hohen Kaiserzeit “die ganze Wahrheit” über die Heirats- und Erbschaftsaffäre? Die ungelösten Fälle füllen ganze Aktenschränke und warten auf einen Sachbearbeiter – wenn nicht auf Autorenseite der gute Wille fehlt: Rosemary Rowe, die für das Britannien der Jahre vor 190 ein wirklich spannendes Thema auf dem Tisch hatte – die Vorfälle während der Statthalterschaft des späteren Kaisers Pertinax mit ihrer Verbindung zur

100 Jörg Fündling

nannten “Schulbücher und Biographien”. In Schulbüchern kommt Clodius kaum je vor, während Caesar- und Cicero-Biographen ihn üblicherweise scharf verurteilen – gerade dies motivierte Saylor, MAW zu einer forcierten Aufwertung! Eine clodiusfreundliche Ausnahme ist W. Will, Der römische Mob. Soziale Konflikte in der späten Republik. Darmstadt 1991.

67 Schröder 2001, 91-96 weist am Fall Catilina auf die Möglichkeit hin, eine Person aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen, unterliegt aber dem Irrglauben, Saylor – der die Überlieferung pointiert ‘gegen den Strich’ liest – folge einer catilinafreundlichen Quellentradition (a.a.O. 94). Cicero: gelungener Vergleich mit einem risikoscheuen und zugleich urteilsschwa-chen Glücksspieler in Roberts, SPQR V (dt.), 188 (K. 10).

hohen Politik in Rom –, verbannte diesen Komplex lieblos ins Vorwort und ins Schlußbild von Murder in the Forum, und das, obwohl in jedem Libertus-Roman eigens verkündet wird, der Patron des Ermittlers sei der “personal representative” des Statthalters, was immer das heißen mag.68

Das Privileg des Schriftstellers

Ist nun also der Detektiv (und die verborgene Macht hinter ihm, der Autor) der bessere Historiker? Man könnte es meinen. Ein Autor kann experimentieren. So steht es ihm etwa frei, die Arroganz eines Römers gegenüber diversen Völkern, als die man Roms Politik der letzten zwei vorchristlichen Jahrhunderte interpretieren kann (und die sich gelegent-lich auch in Quellentexten niederschlägt), sehr frei zu behandeln. Ein Historiker kann den Stellenwert dieses Überlegenheitsgefühls im Alltag schwer einschätzen; Roberts z. B. kann aber (sozusagen als Experiment) seinen Decius Metellus zum Exponenten solcher Hochnäsigkeit machen; tatsächlich einer der wenigen Punkte, in denen sich Decius und sein Vater einig sind. Zugleich wertet der Autor dieses Verhalten durch Kontext und rückblickende Kommentare als nicht durch die Tatsachen gedeckt: So überragend, wie es selber meint, ist Rom (oder Amerika) nicht.69

Ein Autor kann hinzuerfinden. Sein Roman muß zunächst als Roman authentisch wirken, nicht als historischer Bericht; er wird also zum Haupt-zweck allerhand Passendes hineinnehmen und eher die Roman-Authenti-zität als die Geschichts-Authentizität steigern – was nicht verhindert, daß er oder sein Leser eventuell beides verwechselt. Der Romancier hat die Möglichkeit, sich auf die Seite der Stiefkinder der Überlieferung zu schlagen, den Verlierern, den Totgeschwiegenen

Was (Alt-)Historiker reizt 101

68 Eumenes: Liv. 42,15,3-18,5. Sextus Pompeius: Cass. Dio 49,18,4f. (Anto-nius sei verantwortlich, habe Sextus aber zuletzt retten wollen); App. civ. 5, 598-600 (nennt alle Namen); ein althistorisches Urteil bei B. Schor, Beiträge zur Geschichte des Sextus Pompeius. Stuttgart 1978, 185. Apuleius: attraktive sozial- und lokalhistorische Skizze bei A.R. Birley, Septimius Severus. The African Emperor. London 1971, 46-59. Umfassende Literaturübersicht: B. L. Hijmans, Apuleius Orator: Pro se de magia et Florida. ANRW II 34.2 (1994), 1708-1784. Pertinax: Rowe, MiF VII-X; 4 (K. 1); 263-273 (K. 28) – beides Rückblicke auf die Ereignisse. ”personal representative”: a.a.O. 1 (K. 1); vgl. etwa auch Rowe, GM 256 (K. 26). Zur turbulenten Amtszeit des strengen Pertinax vgl. Historia Augusta, Pert. 3,6-10.

69 Bedeutung der Xenophobie für Metellus: Schröder 2001, 69.

Gehör zu verschaffen. Er kann dem Leser das Gefühl geben, bei der Entstehung einer Situation oder beim Reifen einer Erkenntnis über die Schulter zu schauen. Historiker versuchen das gelegentlich im neuen Medium des Archäologiefilms (“Die Kamera gleitet über schier endlose Ruinenwälder … ist Kleopatra früher über dieses Pflaster geschritten?”) und kommen nicht weiter als zu einer leicht dramatisierten Form des Hypothetischen – ein in beiden Welten unattraktiver Zustand. Und natür-lich kann und soll ein Autor all dem die bestmögliche Sprachform verlei-hen. Mit einer Monographie konfrontiert wird der Roman – wenn er nicht furchtbar schlecht ist – folglich immer stärker, eingängiger und schlüssiger wirken.70

Die Geschichten sind schlüssiger als die Geschichte, aber sie sind es dank vielem Hinzuerfinden einerseits (die Wahrheit ist der Preis für die Wahrscheinlichkeit) und dem Auswahlprinzip andererseits. Wir sehen durch die Augen eines antiken Menschen – ein Eindruck der Unmittel-barkeit, der durch Sachtexte auch eines exzellenten Stilisten unüberbiet-bar ist. Nur wirkt diese Perspektive auch, als hätten wir uns eine Maske übergezogen. Ein Romanleser erfährt notgedrungen das und nur das, was für die Handlung notwendig ist, dem Roman zusätzlich Farbe verleiht oder seine Entwicklung doch nicht behindert. Das vollständige Bild täte genau dies. Schon Exkurse mit gelehrtem Material wirken schnell störend, bewußt oder nicht, weil sie aus Romanperspektive überkomplett sind – sie lenken den Blick aus jenem Fokus der Ereignisse, den man scharf sehen muß, an den Rand, so daß der Leser entweder unfreiwillig schielt oder gar die Hauptsache aus den Augen verliert. Geschichtswerke ziehen ihre thematischen Grenzen zwangsläufig weiter. Sie erinnern eher an einen Bauplan, dem kleine Detailkarten der wichtigsten Bereiche beigegeben sein können, als an eine Photographie oder einen Film: alles Wesentliche soll beieinander auf dem Tisch liegen, samt der Dokumentation, wie es zu gerade diesem Bild kommt. Die Vollständigkeit einer historischen Schrift steht eben deswegen unter der Drohung der Langeweile, weil das Leitprinzip, vor allem nichts zu ver-gessen, das wesentlich ist oder sein könnte, in Konfliktfällen über dem der klaren, geschweige denn kunstvollen Darstellung steht. Im Roman entscheidet der Autor, was wesentlich ist, und deswegen ist der Roman seine Geschichte, nicht die Geschichte überhaupt; bleibt etwas mehrdeutig oder wird in Zweifel gezogen, dann ist auch das die Entscheidung des

102 Jörg Fündling

70 Vorzüge des Romanciers: v. Borries 1979, 487.

Autors, nicht des Materials. Kein Romanautor kann am Ende einfach hinschreiben, unter den und den Bedingungen sei sein Buch irrelevant und überholt. Andererseits lockt die Versuchung, zugleich vielleicht auch ein wenig Historiker zu sein – aber leiden nicht die besonderen Quali-täten beider Berufsfelder unter einem derartigen Anspruch, egal von wessen Seite er erhoben wird, Einzelfälle höchster Selbstdisziplin aus-genommen? Dieselbe Versuchung wirkt auf Historikerseite und wird uns immer wieder bei unseren Vorsätzen zur Vollständigkeit, Behutsamkeit der Darstellung oder zur kritischen Distanz in die Quere kommen. Das ist kein Grund, zu schlecht über das Privileg der Historie zu denken: große Netze aus Einzelfakten zu verknüpfen und einen Gegenstand von allen Seiten zu beleuchten, den Einzelaspekten Wahrscheinlichkeitsgrade und Nuancen der Bedeutung zuzuweisen, die lösungsfrei nebeneinander stehen können, ohne an Gültigkeit zu verlieren. In der Geschichte endet das Fragen, richtig betrieben, nicht; am Ende des Krimis wird ein Fall abge-schlossen und wird eine Person oder ihre Welt zumindest be-, häufiger verurteilt. Der legitime Zugang zur vergangenen Wirklichkeit durch Hypothesen über Alltags- und Lebensgefühl, die sich unmittelbar und bewußt auf Nachempfinden und eine gewisse geistige Sympathie stützen, ist dem Historiker verschlossen, aber er wird für die Anreize derer dank-bar sein, die aus demselben Stoff, getrieben von einer verwandten Neu-gier, Geschichten machen. Dabei kann er wahre Glücksmomente erleben. Die Taberna salax in Steven Saylors Erstlingsroman mag die Handlung nicht vorantreiben, aber sie ist das schönste Beispiel, was aus einer einzigen Catull-Zeile entstehen kann, wenn der Autor sich einmal aufs Nachempfinden und Weiterdichten einläßt: eine Sternstunde, die ohne eingeschobene Quellen oder Enthüllungsattitüden auskommt. Das wilde Rennen um das Okto-berpferd, das Roberts erfindet, mag mit einem Huf in der Fantasy-Welt und mit einem zweiten in pubertären Phantasien stehen, zeigt uns Rom jedoch einmal von der archaischen, wenig würdevollen Seite, die nicht rekonstruierbar, sondern maximal gekonnt zu erraten ist, die aber in irgendeiner Form einmal existiert hat, und Ähnliches gilt für die feierlich-absurde Entsühnungsfeier mit dem Umgang um die Stadt, die beileibe nicht authentisch ist, aber die Frage aufwirft, wie es denn nun war. Und unvergeßlich ist der Moment, in dem Geruch und Lärm des kaiserzeit-lichen Rom zu Falco auf der Servianischen Mauer heraufschlagen, mag

Was (Alt-)Historiker reizt 103

sie nun dem Betreten durch Unbefugte zugänglich gewesen sein oder nicht.71

Vielleicht läßt sich zwischen der Sorge des Historikers um die Ge-schichte und der Angst des Autors um sein Werk zuletzt doch ein Modus vivendi herstellen. Der mit Historischem umgehende Autor muß sich bewußt sein, daß er beim Verarbeiten von Geschichte vom Publikum als Historiker mißverstanden und sein Produkt für historische Wahrheit gehalten werden kann, ob er das will oder nicht – daß er beim Umgang mit dieser Art Stoff in einer Grauzone operiert. Der Historiker anderer-seits kommt in die Verlegenheit, an einem solchen Roman nicht nur den Umgang mit historischem Wissen zu beurteilen, sondern hierfür auch dessen literarische Verwendung als Bewertungsmaßstab heranzuziehen, und er darf trotzdem nicht den Literaturkritiker spielen, sondern muß sich auf seine traditionelle Aufgabe beschränken, eine dem Gegenstand angemessene Betrachtungsweise zu erarbeiten und (wenn nötig) zu verteidigen – jenseits dieser schwer definierbaren Grenze urteilt er nicht mehr als Experte, sondern eben als ein Leser wie jeder andere. Die großen Gefahren in dieser spannungsreichen Beziehung werden zweifellos weiterbestehen – ein mit Vereinfachungen und Überspitzung konfrontierter Historiker wird in einem Roman nur den Ausverkauf kost-baren Wissens unter Wert sehen, während ein Romanautor, dessen Post-fach und E-mail-Account von hyperkritischen Zuschriften überquellen, zwangsläufig der Ansicht sein wird, die wahrste Geschichte schreibe er allein. Gehen wir also, um der Vergangenheit und der Freude am Neu-entdeckten willen, pfleglich miteinander um.

104 Jörg Fündling

71 Taberna salax: Saylor, VT 209-224 (K. 17). Die häufige Rückkehr zu diesem geglückten Schauplatz, so 288-296 (K. 23), 340-350 (K. 26) oder in MAW 345-353 (K. 33), beklagt [Cramme]/saylvenu.html als Handlungshemmnis. Equus October: Roberts, SPQR II 145-164 (K. 7); Entsühnungszeremonie: SPQR VII (dt.), 83-102 (K. 5). Nicht ganz unglaubhaft auch die Senatssit-zung nach dem Bona-Dea-Skandal: SPQR III, 66-71 (K. 5). – Mauerspa-ziergang: Davis, SP 139-141 (K. 37) vgl. 251 (K. 65); PG 362-365 (K. 73).

Zitierte Kriminalromane und Anthologien mit antikem Hintergrund(bei Serien sind auch die nicht benutzten Werke angegeben)

Ashley 2003 = Mike Ashley (Hg.), The Mammoth Book of Roman Whodunnits. London (Robinson) 2003. [Anthologie von 20 Kurzgeschichten.]

Burns, RN = Ron Burns, Roman Nights. New York (St. Martin’s) 1991; zitiert nach: Römische Ausschweifungen. Historischer Kriminalroman (übs. Regina Winter). Frankfurt a.M. (Eichborn) 1994.

Davis, SP = Lindsey Davis, The Silver Pigs. London (Sidgwick & Jackson) 1989; zitiert nach: London (Pan) 1990.

–, SiB = Shadows in Bronze. London (Sidgwick & Jackson) 1990; zitiert nach: London (Pan) 1991.

–, VC = Venus in Copper. A Falco Novel. London (Hutchinson) 1991; zitiert nach: London (Arrow) 1993.

–, IHM = The Iron Hand of Mars. London (Hutchinson) 1992; zitiert nach: London (Arrow) 1993.

–, PG= Poseidon’ s Gold. London (Century) 1993; zitiert nach: London (Arrow) 1994.

–, LAiP = Last Act in Palmyra. London (Century) 1994; zitiert nach: London (Arrow) 1995.

–, TtD = Time to Depart. London (Century) 1995; zitiert nach: London (Arrow) 1996.

–, DLC = A Dying Light in Corduba. London (Century) 1996; zitiert nach: London (Arrow) 1997.

–, 3HiF = Three Hands in the Fountain. London (Century) 1997.–, 2fL = Two for the Lions. London (Century) 1998.–, 1VTM = One Virgin Too Many. London (Century) 1999.–, OtaB = Ode to a Banker. London (Century) 2000.–, BiBH = A Body in the Bath House. London (Century) 2001.–, JM = The Jupiter Myth. London (Century) 2002.–, Acc = The Accusers. London (Century) 2003.–, STH = Scandals Takes a Holiday. London (Century) 2004.Doody, AD = Margaret Doody, Aristotle Detective. London (Bradley Head) 1978;

zitiert nach: Der Fluch der Artemis. Ein Aristoteles-Krimi (übs. Christine Frauendorf-Mössel). München (Goldmann) 1978 (Ndr. 2001).

– Aristotle and Poetic Justice. An Aristotle and Stephanos Novel. London (Century) 2002.

– Aristotle and the Secrets of Life. London (Century) 2003.Jane Finnis (= Jane Copsey), Get Out or Die. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen

Press) 2003.Leseleuc, VMA = Anne de Leseleuc, Les vacances de Marcus Aper. Paris (Éditions

10/18) 1992.–, MAR = Marcus Aper chez les Rutènes. Paris (Éditions 10/18) 1993.

Was (Alt-)Historiker reizt 105

–, MAL = Marcus Aper et Laureolus. Paris (Éditions 10/18) 1994.–, CdS = Les calendes de septembre. Paris (Éditions 10/18) 1995.–, TB = Le trésor de Boudicca. Paris (Éditions 10/18) 1998.Jean-Pierre Neraudau, Le mystère du jardin romain. Paris (Les belles lettres) 1992.Montanari, MT = Danila (Comastri) Montanari, Mors Tua. Mailand (Mondadori)

1990.–, ICS = In Corpore Sano. Mailand (Mondadori) 1991.–, CC = Cave Canem. Mailand (Mondadori) 1993; zitiert nach: Der Fluch des

Orakels. Ein Fall für Publius Aurelius (übs. Helmut Splinter). München (Goldmann) 2003.

–, MTS = Morituri Te Salutant. Mailand (Mondadori) 1994; zitiert nach: Tod eines Gladiators. Ein Fall für Publius Aurelius (übs. Sigrun Zühlke). München (Goldmann) 2003.

–, PS = Parce Sepulto. Mailand (Mondadori) 1996. –, CP = Cui Prodest? Mailand (Hobby & Work) 1997.–, SUD = Spes Ultima Dea. Mailand (Hobby & Work) 1999.–, Sc = Scelera. Mailand (Hobby & Work) 2000.–, GE = Gallia Est. Mailand (Hobby & Work) 2001.Reed/Mayer, 1fS = Mary Reed/Eric Mayer, One for Sorrow. A John the Eunuch

Mystery. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 1999.–, 2fJ = Two for Joy. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 2000.–, 3fL = Three for a Letter. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 2001.–, 4fB = Four for a Boy. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 2003.–, 5fS = Five for Silver. Scottsdale, Arizona (Poisoned Pen Press) 2004.Roberts, SPQR I = John Maddox Roberts, SPQR. New York (Avon) 1990, neu

aufgelegt als (und zitiert nach): SPQR I: The King’s Gambit,. New York (St. Martin’s) o.J. (2001).

–, SPQR II = SPQR II: The Catiline Conspiracy. New York (Avon) 1991; zitiert nach: New York (St. Martin’s) o.J. (2001).

–, SPQR III = SPQR III: The Sacrilege. New York (Avon) 1992; zitiert nach: New York (St. Martin’s) 1999.

–, SPQR IV = SPQR IV: The Temple of the Muses. New York (Avon) 1992; zitiert nach: Der Musentempel. Ein Krimi aus dem alten Alexandria (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 1992.

–, SPQR V = SPQR V: Saturnalia. New York (St. Martin’s) 1999; zitiert nach: Tödliche Saturnalien (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 1994.

–, SPQR VI = SPQR VI: Nobody Loves a Centurion. New York (St. Martin’s) 2001; zitiert nach: Tod eines Centurio. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 1995.

–, SPQR VII = SPQR VII: The Tribune’s Curse. New York (St. Martin’s) 2003; zitiert nach: Der Fluch des Volkstribuns. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 1996.

106 Jörg Fündling

–, SPQR VIII = SPQR VIII: The River God’ s Revenge. New York (Thomas Dunne Books) 2004; zitiert nach: Die Rache der Flußgötter [sic]. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 1997.

–, SPQR IX = Die Schiffe der Kleopatra. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Kristian Lutze). München (Goldmann) 2000.

–, Roberts, SPQR X = Im Namen Caesars. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Bärbel u. Velten Arnold). München (Goldmann) 2000.

–, SPQR XI = Mord am Vesuv. Ein Krimi aus dem alten Rom (übs. Bärbel u. Velten Arnold). München (Goldmann) 2001.

Rowe, GM = Rosemary Rowe (Rosemary Aitken), The Germanicus Mosaic. A Libertus Mystery of Roman Britain. London (Headline) 1999.

–, PoB = A Pattern of Blood. A Libertus Mystery of Roman Britain. London (Headline) 2000.

–, MiF = Murder in the Forum. A Libertus Mystery of Roman Britain. London (Headline) 2001.

–, CoC = The Chariot of Calyx. London (Headline) 2002.–, LM = The Legatus Mystery. London (Headline) 2003.–, GG = dies. (angekündigt), The Ghosts of Glevum/Enemies of the EmpireSaylor, RB = Steven Saylor, Roman Blood. A Mystery of Ancient Rome. New York

(Ballantine) 1991; zitiert nach: London (Robinson) 1997.–, AoN = Arms of Nemesis. A Mystery of Ancient Rome. New York (Ballantine)

1992; zitiert nach: London (Robinson) 1997.–, CR = Catilina’ s Riddle. New York (Ballantine) 1992; zitiert nach: London

(Robinson) 1998.–, VT = The Venus Throw. A Mystery of Ancient Rome. New York (St. Martin’s)

1995; zitiert nach: London (Robinson) 1999.–, Saylor, MAW = A Murder on the Appian Way. A Mystery of Ancient Rome. New

York (St. Martin’s) 1996; zitiert nach: London (Robinson) 1998.–, Rub = Rubicon. New York (St. Martin’s) 1999; zitiert nach: London

(Robinson) 2000.–, LSM = Last Seen in Massilia. New York (St. Martin’s) 2000.–, AMP = A Mist of Prophecies. New York (St. Martin’s) 2002.–, JoC = The Judgment of Caesar. A Novel of Ancient Rome. New York (St. Martin’s)

2004.–, HoV = The House of the Vestals. Mysteries of Ancient Rome. [Neun Kurzge-

schichten.] New York (St. Martin’s) 1999; zitiert nach: London (Robinson) 1999.

Stöver, CVT 1 = Hans Dieter Stöver, Mord auf der Via Appia. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 1. München (Knaur) 1982.

–, CVT 2 = Die Frau des Senators. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 2. München (Knaur) 1982.

–, CVT 3 = Ich klage an. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 3. München (Knaur) 1982.

Was (Alt-)Historiker reizt 107

–, CVT 4 = Skandal um Nausikaa. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 4. München (Knaur) 1983.

–, CVT 5 = Alexander und die Gladiatoren. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 5. München (Knaur) 1983.

–, CVT 6 = Attentat in Pompeii. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 6. München (Knaur) 1984.

–, CVT 7 = Der Verrat des Ambiorix. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 7. München (Knaur) 1984.

–, CVT 8 = Rebellion im Circus Maximus. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 8. München (Knaur) 1985.

–, CVT 9 = Tod auf dem Forum. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 9. München (Knaur) 1985.

–, CVT 10 = Tödliche Dosis. C.V.T. im Dienste der Cäsaren – Band 10. München (Knaur) 1986.

–, Stöver, MnV = Mord nach der Vorstellung. Ein Fall für Tillia Capriola. Stuttgart/Wien/Bern (Weitbrecht) 1998.

–, TR = Mörderisches Rennen. Ein Fall für Tillia Capriola. Stuttgart u. a. (Weitbrecht) 1999.

Todd, IC = Marilyn Todd, I, Claudia. London (Macmillan) 1995.–, VT = Virgin Territory. London (Macmillan) 1996.–, ME = Man Eater. A Murder Mystery. London (Macmillan) 1997; zitiert nach:

London (Pan) 1998.–, WW = Wolf Whistle. London (Macmillan) 1998.–, JB = Jail Bait. London (Macmillan) 1999.–, BS = Black Salamander. London (Macmillan) 2000.–, DB = Dream Boat. London (Macmillan) 2001.–, SA = Second Act. London (Severn House) 2003.–, WP = Widow’s Pique. London (Severn House) 2004.Wishart, Ovid = David Wishart, Ovid. London (Hodder) 1995; zitiert nach:

London (Sceptre) 1996.–, Ger = Germanicus. London (Hodder) 1997; zitiert nach: London (Sceptre)

1997.–, Sej = Sejanus. London (Hodder) 1998; zitiert nach: London (Sceptre) 1998.–, LB = The Lydian Baker. London (Hodder) 1998; zitiert nach: London (Flame)

1999.–, OB = Old Bones. London (Hodder) 2000; zitiert nach: London (New English

Library) 2001.–, LR = Last Rites. London (Hodder) 2001; zitiert nach: London (New English

Library) 2002.–, Wishart, WM = White Murder. London (New English Library) 2002. –, Wishart, VfM = A Vote for Murder. London (New English Library) 2003.–, PS = ders. (angekündigt), Parthian Shot.

108 Jörg Fündling

Stefan Cramme

Morde am Vesuv und anderswoStädte und Regionen des Römischen Reiches im Kriminalroman

In den Ackerstädten Africas, in den Winzerheimstätten an der Mosel, in den blühenden Ortschaften der lykischen Gebirge und des syrischen Wüstenrandes ist die Arbeit der Kaiserzeit zu suchen und auch zu finden.1

Jedem Althistoriker ist dieses Wort Theodor Mommsens aus der Einlei-tung zum 5. Band (beziehungsweise 8. Buch) seiner römischen Geschich-te bekannt. Es steht stellvertretend für eine auch heute noch sinnvolle Betrachtungsweise der römischen Kaiserzeit, bei der die Geschichte des römischen Reiches in seiner geographischen Vielfalt im Mittelpunkt steht. Zu denken ist dabei an den Fortbestand von teilweise ausgeprägten regio-nalen Kulturen z. B. im Osten,2 aber auch das komplexe Phänomen, das als “Romanisierung” bezeichnet wird und noch viele Fragen aufwirft, an-gefangen bei der Definition des Begriffs.3 Eine solche nicht-zentralisierte Betrachtungsweise hat in jüngster Zeit auch unter didaktischen Aspekten Aufmerksamkeit gefunden, indem das römische Reich in Hinblick auf den Europagedanken und eine mögliche “multikulturelle Gesellschaft” untersucht worden ist. Neben anderen Bereichen der Archäologie hat auch die der römischen Provinzen eindeutig Konjunktur, was sich an zahlreichen Büchern, Ausstellungen und TV-Dokumentationen ablesen läßt. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie sich dieses Interesse und diese Sichtweise auch in den historischen Kriminalromanen wider-spiegeln, die in römischer Zeit spielen. Als Grundlage dient dabei die vom Verfasser erstellte und noch näher vorzustellende bibliographische Datenbank von historischen Romanen über das alte Rom. Die Betrach-tung wird schwerpunktmäßig statistisch-deskriptiv sein mit einem Ver-

1 Theodor Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, Die Provinzen von Caesar bis Diocletian, 6. Aufl., Berlin 1909, S. 4.

2 Dazu unter verschiedenen Sichtweisen Fergus Millar, The Roman Near East, Cambridge, Mass. [u. a.] 1993, und Warwick Ball, Rome in the East: the transformation of an empire, London [u. a.] 2000.

3 Vgl. z. B. Greg Woolf, Becoming Roman: the origins of provincial civiliza-tion in Gaul, Cambridge 1998.