Ornithomorphe Psychopompoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine. Ikonografische Auswertung...

49
Sonderdruck aus F'RÜHMITTELALTERLI C HE, STUD IE,N Jahrbuch des Instituts füt Fdhmittelalterforschung der Universität Münster in Zusammenarbeit mit Arnold Angenendt, Volker Honemann, AlbrechtJockenhövel, Ruth Schmidt-\ü/iegand, Nikolaus Staubach und Joachim \Wollasch herausgegeben von GERD ALTHOFF, HAGEN KELLER uNd CHRISTEL MEIER 44.Band 2010 DE GRUYTER

Transcript of Ornithomorphe Psychopompoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine. Ikonografische Auswertung...

Sonderdruck aus

F'RÜHMITTELALTERLI C HE, STUD IE,N

Jahrbuch des Instituts füt Fdhmittelalterforschung

der Universität Münster

in Zusammenarbeit mit

Arnold Angenendt, Volker Honemann, AlbrechtJockenhövel,

Ruth Schmidt-\ü/iegand, Nikolaus Staubach und Joachim \Wollasch

herausgegeben von

GERD ALTHOFF, HAGEN KELLER uNd CHRISTEL MEIER

44.Band

2010

DE GRUYTER

SIGMUND OEHRL

Ornithomorphe Pslchoponpai im Bildprogramm

der godändischen Bildsteine x

Ikonografische Auswertung des Neufundes vom Hafenplatz inFöiel

I Der Bildstein von lrröjel: Fundumstände, Dokumentation, vor-ikonografische Beschreibung, S. 1. ll Zur

Deutung von Schiff, Reiter und Trinkhornfrau, S. 5. III Interpretation des Vogels, S. 1 1 . 1. Der Kistenstein

Sanda kyrka l, S.12. 2. Der Kistenstein von Alskog kyrka, S. 19. 3. Die Vogel-Affinität der nordischen \Ual-

küren, S. 21. IV lnterpretation der Dreietgruppe, S. 33.

rDE'RBTLDS'"JäJ,"ä'i:"J?I'I!äT}'j#'Ii.??;DOKUMENTATI.N'

\Während der Ausgrabungen auf dem wikingerzeitlichen Handels- und Hafen-

platz von Fröjel auf Gotland sind imJahr 1999 die zwei auseinander gebrochenen und

sekundär in einer Grabkonstruktion verarbeiteten Hälften eines Bildsteins zu Tage

gefördert worden. Fröiel befindet sich an der Südvzesküste der Insel, etwa 30 km süd-

lich von Visby, und wird noch im lT.Jahrhundert als ehemaliger Handelshafen er-

wähnt. Die im zwölften Jahrhundert erbaute Kirche von Fröf el befindet sich auf einer

hohen Klippe neben einem heute als Ruine erhaltenen l7ehrturm l. Die aus fortifika-torischen Gründen gewählte Lage des Gotteshauses gewähdeistet eine vorzügliche

Sicht über das offene Meer bis hin zu den Kadsinseln. Unterhalb der Klippe liegt das

wikingerzeitliche und frühmittelaltediche Siedlungs- und Hafenareal, das bereits in

den 1 960er Jahren phosphatkartiert vrurde 2. Die unter der Leitung von Dan Cadsson

von 1987 bis 1990 und 1998 bis 2003 durchgeführten Untersuchungen ergabenzahl-

reiche Siedlungsspuren und Bebauungsreste, Hinweise auf Handel und spezialisiertes

Handwerk, Spuren des alten Kirchhofes mit dazugehörigen Bestattungen sowie ein

nötdlich und ein südlich des Areals gelegenes Gräberfeld. Über die Ergebnisse der

ersten Untersuchungsphase liegen inzwischen einige wissenschaftliche Publikationen

* Der vorliegende Beitrag ist im Zuge eines Ilorschungsstipendiums der Gerda Henkel Stiftung ent-

standen.1 JonNNv Roosvar, Sveriges Kyrkor 54. Konsthistorisk Inventarium. Gotland 3. Heide Setting, Stock-

holm 1942, S.342-368; EnraNo L,rcnnlör - Guur.ran SvanNsrnörra, Die Kirchen Gotlands, Kiel 1991,

s.136-138.2 Hahrs HANSSoN, Gotländska Tingshamnar. Föredrag i Vitterhetsakademien den 7. februari 1967 , in:

Gotländskt Arkiv. Meddelanden frän Föreningen Gotlands Fornvänner 39,1967, S.29-34, S.33.

Sigmund Ochrl

vor3. Einen kritischen Uberblick liefert Lena Thunmark-Nyl6n in ihrem einschlägi-

gen \ü7erk über die \Wikingerzeit Gotlandsa. Bedauerlichervreise sind die Ergebnisse

der Grabungen von 1998 bis 2003 fast ausschließlich der Lokalpresse sowie den

meist knappen Berichten zu entnehmen, die auf der Internetseite des Projektes (Frö-jel Discovery Programme) zur Verfügung gestellt werdens. Jüngst ist in der Zeit-schrift'Godändskt Arkiv' ein kleiner Beittag von Ny Björn Gustafsson und AndersSöderberg über die Silberwerkstatt von Fröiel erschienen6.

Die Bildsteinhälften befanden sich in Grab 15 des nördlichen Gräberfeldes. Es

handelt sich um eine Nord-Süd-odentierte Körperbestattung mit Steinpackung. Unterder Steinpackung wurde die obere Hälfte des Bildsteins aufrecht stehend hinter dem

Kopf des Toten angetroffen. Die untere Hälfte der Kalksteinplatte war umgesrürzt

und lag mit der Schauseite auf den Füßen des Be statteten. Ursprünglich haben jedoch

beide Teile aufrecht mit der Bildfläche nach innen gerichtet gestanden und als Giebel-platten das Kopf- bzur. Fußende der Grabkonstruktion markiert. Zusammengesetzt

hat der Stein eine Höhe von etsra 145 cm und trägt die für Gotlands späteren Bild-steine typische Schlüsselloch- oder Pilzform. Die maximale Breite im'Wurzelbereich'beträgt rund 90 cm. Der Bildstein ist Sune Lindqvists Gruppe C zuzuweisen, die

üblicherweise in das achteT, neuerdings aber in das achte bis zehnteJahrhundert datiertwird8. !(/as das Skelett anbetrifft, so ließ die osteologische Untersuchung auf eine

adulte männliche Person schließen. Grabbeigaben waren nicht vothanden. Die Bestat-

tung lässt sich in das zehnteJahrhundert datieren.

Über den Fund des Bildsteins von Fröjel wird in den kurzen Onlineberichtenvom 2'7.07.1,999 (Report 4) und 08.08. 1999 (Report 5) informiert. Genauere Anga-ben zur Fundsituation, kaum aber zum Bildstein selbst, sind einem ausfühdicheren

Jahresberichte und einer Zusammenfassungl0 für dasJaht 1999 zuentnehmen. Neben

3 DaN CanrssoN, Fröjel Discovery Programme - arkeologisk forskning och historieförmedling i förc-

ning, in: Gotländskt Arkiv. Meddelanden frän lröreningen Gotlands Fornvänner 70, 1998, 5.1,7-32;

DaN C,qnrssorv, ,,Ridanäs". Vikingahamnen i Fröiel (CCC Papers 2) Visbv 1999; DaN Canrssov,Gärd, hamn och kyrka. En vikingatida kyrkogärd i Frölel (CCC Papers 4) Visby 1999.

a Lerqa TnuNrrranr-NvrEN, f)ie Wikingerzeit Gotlands 3:2.Text, Stockholm 2006, S.497-500.5 http://www.h go.se / ftoiel / excavation.html.6 Nv B;önN Gusr,rrssoN - AuoEns Söornnnnc, En senvikingatida silververkstad i Fröjel, in: Got-

ländskt Arkiv. Meddelanden frän Föreningen Gotlands Fornvänner 79,2007, S.99-110.? SuNn LrNoqvrsr, Gotlands Bildsteine,2 Bde., Stockholm'194'l/'t942,1, S. 117ff.8 Lonr EsnruuaN, The Monumental Stones of Gotland. A Study in Style and Motif. A Thesis submitted

to the liaculty of the Graduate School of the University of Minnesota, Ann Arbor, Michigan 1983,

S.306*308; Davro M. \üyILsoN, The Gotland Picture-Stones. A Chronological Re-Assessment, in:

ANxr rVrssr (Hg.), Studien zur Archäologie des Ostseeraumes. Von der Eisenzeit zum Mittelalter.

Festschrift für Michael Miiller-Wille, Neumünster 1998,5.49-52; LIsuErH M. Ivun: Gotlandske bil-ledsten - dateringen af Lindqvists gtuppe C og D, in: Aarboger fot Nordisk Oldkyndighed og Historie

2001 ,2004, s. 47- I I l.e http://ww.h go.se / ftoiel / ftoireport99.pdf.

10 http://www.hgo.se / fuoiel/Froiel99.pdf.

Ornithomorphe Psychoponpai irn Bildprogramm der gotländische n Bildsteine

Angaben zu den Fundumständen werden in den Onlinepublikationen des Projektes

Fotografien der Steinhälften in situ und unmittelbar nach deten Freilegung geliefert.Außerdem eine inzvrischen obsolete Zeichnung von Mikke Brännström, auf welcher

ein Schiff, ein Reiter, eine Frau mit Trinkhorn und eine männliche Gestalt zu erkennen

sind. Die Positionierung der Platten und die Ausrichtung der Bildflächen seien - nach

diesen Berichten - nicht willküdich, sondern hätten eine Verbindung zwischen dem

Toten und seinem Vorfahren, dem zu Ehren der Bildstein ursprünglich errichtet wor-den war, herstellen bzw. vergegenwärtigen sollen. Darüber hinaus wird der Stein ineiner Publikation des Heimatvereins von Fröjel kurz erwähnt11. Im aktualisierten Ver-zeichnis in der dritten Auflage vonJan Peder Lamms und Erik Nyl6ns Bildsteinbüch-lein wird der Fund von Fröiel unter der Nummer 456 geführt12. Neue Infotmationensind hier nicht genannt. Lisbeth Imer hat bei ihrer Arbeit zur Datierung der GruppenC und D nur die Zeichnung von Mikke Brännström vorgelegen. Sie datiert den Stein indas neunteJahrhunderti3. Jüngst habenJohan Norderäng und Per \Tiderström in einer

kurzen Zusammenschau von Bildstein-Neufunden eine neue Abbildung des Steins

von Fröjel vorgelegt (Abb. 1)14. Es handelt sich um das Untersuchungsergebnis vonHelena und Alexander Andreeff, die neben herkömmlichen Ausleuchtungsmethoden

und Vergrößerungsgläsern auch digitale Fotografie und insbesondere die Frottage-

technik eingesetzt haben. Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Autopsieme-thoden ergibt eine hochwertige und verhältnismäßig zuvedässige Bilddokumentation,die auch Fein- und Restbefunde sichtbar macht. Im Beitrag von Johan Norderäng undPer $Tiderström ist auch ein Hinweis auf eine Seminar-Hausarbeit (D-uppsats) vonAlexander Andreef zu finden, die dem Bildstein von Fröjel gewidmet istls. Dankens-

werterweise hat mir der Autor ein Exemplar der unveröffendichten Schrift sovzie

einige Bilddateien zur Verfügung gestellt. Dort werden die Untersuchungsmethode

und das Dokumentationsverfahren näher erläutert. Ferner werden die Fundumstände

erneut geschildert, die Bilddarstellungen beschrieben und Fragen nach der Funktionvon Bildsteinen in Grabkontexten gestellt. Der Stein von Fröiel sei als Gtabbeigabe

aufzufassen, die dazu diene, den Status der hinterbliebenen Familie zu legitimieren, in-dem sie eine Verbindung zwischen den Generationen herstelle und vor Augen führe.

Er gehöre in dre Zeit um 800.

Die Bildfläche des Steines wird von einer breiten Randborte eingerahmt, die aus

einem Flechtwerk besteht. Unten ist die Bildfläche durch zwei schraffierte w^ ge-

l1 Jnn<rn ENrxvrsr - Lans OrssoN, Lär känna Fröjel. En socken pä Gotiand. Fröjel Hembygdsförening

50 är, Klintehamn 1999, S.93f. Für eine Kopie dieser Seiten, weitere Hilfen und ein stets offenes Ohrbin ich Jan Pedet Lamm zu herzlichem Dank verpflichtet.

12 JaN Puonn Lalrlr - Entr NyI-fN, Bildstenar, Värnamo 12003, S.205.13 Iurn (wie Anm.8) S. 104, Fig.7.la Jonaru NoRDERANG - Prn \üTtornsrnörrr, Vikingatida bildstenar - nägra exempel pä nya fynd, in: Got-

ländskt Arkiv. Meddelanden frän liöreningen Gotlands Fornvänncr 76,2004, S.82-89, S.86, Bild 3.

1s AraxaNoEn ANonErpr, Bildstenen frän Ftöjel. Port till en glömd värld. fördiupningskurs i Arkeologi.

D-uppsats. Handledare: doc. Dan Carlsson. Högskolan pä Godand 2001.

Sigmund Oehrl

rechte Bänder vom'Wurzelbereich' getrennt. Unmittelbar oberhalb der'steinwurzel'befindet sich ein Schiff auf einer Reihe stilisierter \ü7ellen. Es frihrt nach rechts. DerVordersteven vefügt über einen Tierkopf, der Achtersteven ist schmucklos. ZweiBe-satzungsmitglieder befinden sich auf dem Vorderdeck, eine weitere Figur ist auf demAchterdeck dicht am Steven positioniert. Es dürfte sich um den Steuermann handeln.Mehrere Stränge, die scheinbar das Deck oder die Reling mit dem großen grob karier-ten Segel verbinden, stellen Schoten bzw. die Takelage dar. Unterhalb des Masttoppsbefinden sich zwei gekreuzte Stangen mit nach unten weisenden Schlüsselbart-ähn-lichen Fortsätzen. Sie scheinen aufder Rah zu sitzen oder auf sonstige NTeise Teil derTakelage zu sein. Möglicherweise handelt es sich um eine Wetterfahne (altnordisch

-flnrg)tu,wie sie auf dem Bildstein Smiss I in Stenkyrka zu sehen ist17. über dem Segelsind drei anthropomorphe Gestalten auszumachen. Sie scheinen sich in Bewegung zubefinden und in Fahrtrichtung des Segelschiffes zu schreiten. Tracht und Kopfformgeben die Gestalten als Männer zu erkennen. Die Figur, die der Gruppe vorangeht,hdlt ein offenbar nicht vollständig erhaltenes längliches Obfekt in der ausgestrecktenHand. Es macht den Anschein, als habe sie einen geschäfteten Gegenstand geschul-tert. Auch die Mittelfigur trägt einen Schaft in der ausgestreckten Hand. Dieser reichtüber den Kopf der Gestalt hinaus und endet in einem breiten Fortsatz, so dass der Ge-genstand wie eine überdimensionierte Axt oder Hacke anmutet. Die hintere Figur hateine Schwettscheide an der Hüfte befestigt und hält ein längliches, vermudich unvoll-ständiges Objekt in der erhobenen Hand. Oberhalb der Dreiergruppe befindet sicheine Frau in einem weiten Kleid, die ein Trinkhorn in ihrer Hand hält. Vor ihr steht einMann mit einem Kinnbart, der den einen Arm scheinbar nach hinten, den anderenaber seinem Gegenüber entgegen streckt. Der Arm des Mannes hat eine sehr eigen-artige Form und scheint in ein gezacktes, sich zum Ende hin verbreiterndes länglichesGebilde überzugehen, das mit der Ftau mit dem Trinkhorn verbunden ist. Mann undFrau scheinen sich auf irgendeine Art zu berühren. Möglicherweise reichen sie sich(etwas unglücklich dargestellt) die Hände oder tauschen einen Gegenstand aus? Hin-ter dem Rücken des Mannes ist ein langbeiniger Vogel dargestellt. F;hat einen kleinenRumpf mit einem kurzen, spitz niaufenden Schwanzgeftede4 einen langen Hals undeinen kleinen Kopf. Der Schnabel ist spitz, gerade und vetgleichsweise kurz. Die Pro-portionen lassen auf einen Schreiwogel - einen Storch oder einen Reiher - oder einenKranichartigen schließen. Mit seinem Schnabel berüht der Vogel die anthropomor-phe Figur im Nackenbereich, so als wolle er nach ihr picken. Über der Szene mit demVogel, im Kopfbereich des Steins, ist ein Reiter zu sehen. Er trägt eine spitze Kopf-bedeckung sowie einen Kinnbart und hält die ZngeI in der Hand. Das Pferd bewegtsich in die gleiche Richtung wie das Schiff und die Dreiergruppe.

16 H.;aru.rn Fnr, Altnordisches Seewesen (Wörter und Sachen 4) Heidelberg 1,91,2,5.5917 LINoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig.97.

Ornithomorphe Pslchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

II ZUR DEUTUNG VON SCHITF, REITER UND TRINKHORNFRAU

Schiff und Reitet stellen die beiden häufigsten Motive auf den gotländischen Bild-

steinen der Gruppen C und D dar. Nach dem Stand von 2002 warcn es mindestens

26 Reiter- und 34 Schiffsdarstellungen18. In 19 Fällen werden ein Reiter im Kopffelddes Steins und ein Schiff im unteren Bereich der Fläche abgebildet. \üTenigstens zehn

Mal wird der Reiter von einer Frau mit einem Trinkhorn und/oder einem anderen Ge-

genstand in der Hand in Empfang genommen 1e. Diese Begrüßung wird üblicherweise

als Aduentus eines gefallenen Kriegers in \Walhall interpretiert. Ausschlaggebend sind

insbesondere die Walhall-schilderungen im Skaldengedicht'Eiriksmäl', den eddischen'Grimnismäl'und der'Gylfaginning'des Snorri Studuson. Bei Snorri heißt es: Enn eru

lar aörar er |irina skulo i Valhgll, bera drykkiu ok gata boröbünaöar ok plgagna. Saä era par

nefndar i Grinnisnälan: (Grn. 36) ,,Hrist ok Mist / uil ek at mdr horn beri, / Skegisld ok

.fkpgul, / Hilldr ok brüda / Hlpkk ok Herfotur, / Gsll ok Geirahsö, / Randgid ok Räögiö, /ok ReginleiJ / Der bera einherium p/." bessar heita ual$tiar; lar sendir Ööinn til huerrar orrosto,

lar kiösa feigö ä menn ok räda sigiz}. In den 'Eiriksmäl' fordet Odin die \ü/alküren auf,\Wein für den gefallenen Eirik Blutaxt zu bringen: Huat er pat drauma quaö odenn / er ek

hagdankfri daglitlu / ualholl riöia / fi uegnofolki / uacta ec einheia / bad ec uprisa / becki at

stra / borkar at !öra / ualrtyiur uin bera / sem uisir come2l . Demnach handele es sich bei der

Ftau mit dem Trinkhorn um eine \7alküre, die einen gefallenen Krieger imJenseits mit

18 BEar,r Börrcan NrnoENzu, Darstellungen auf gotländischen Bildsteinen, vor allem des Tlps C und D,

und die Frage ihres Zusammenhanges mit Stoffen der altnordischen Literatur. Hausarbcit zur

Erlangung des Magister Grades an der Ludwig-Maximilians-Universität München 1982, Tabellel;

BEara Börrcun-NrronNzu - ADALBERT BöTTGER-NIEDnNzu, Neufunde gotländischer Bildsteine

1981-1985, in: Skandinavistik. Zeitschrift für Sprache, Literatur und Kultur der notdischen Länder 16,

1986, S. 1-19; Lauu - Nvrr4N (wie Anm. 12) S. 180-206'le Z.B:. LINoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig. 104, 105, 111-117.2(' Kapitel 36, GorrFRlED Lonsrqz (Hg.), Snorri Sturluson: Gylfaginning. Tcxt., Übersetzung, Kom

mentar von GorrpnrEo LoRENz (Texte zur Forschung 48) Darmstadt 1984, 5.44'7; Übetsetzrng

(ebd. S.447): ,Zu nennen sind noch (außerdem) die, die in Valhpll bedienen, den Trunk [die Getränkel

bringen sollen und das Tischzeug und die Trinkgefäße verwahren. In den Grimnismäl IGrm. 361 heißen

sie,,HristundMist-/ichwill,dasssiemirdasTrinkhornbdngen[...]/SkeggtoldundSkogul,/Hilldrund Druör, / Hl(2kk und Herfetur,,/ Goll und Geirahqö, / Randgriö und Räögriö / und Reginleif. ,/ Sie

bringen den einheriar Bier." Sie heißen valkyrjur; Ööinn sendet sie in jeden Kampf, sie bestimmen, wer

von den Männern den Tod finden solle, und entscheiden über den Sieg.'

21 Strophe 1, FrNNun JöNssoN (Hg.), Den Norsk-Islandske skjaldedigtning. Udgiven af Kommissionen

for det Arnamagnranske Legat, A 1: Tekst efter händskrifterne, B 1: Rettet text. Photomechanischer

NachdruckderAusgabevon 19't2-1g15,Kopenhagen 1967,A1 S.174,8 1 S.164; ÜbersetzunglGus-

rav NrcxEr - FEr-rx NrnoNrn lHgg.l, Edda 2. Götterdichtung und Sptuchdichtung. Üb.rtragen uctt

Fuux GENzuun [Thule. Altnordische Dichtung und Prosa 2] Düsseldorf - Köln, Neuausgabe 31963,

S. 196): ,Welch ein Traum ist dieses? / Vor Tag meint ich rufzustehn, / für erschlagnes Wehrvolk / \üal-

hall zu rüsten: / ich weckte die Einherjer, / hieß sie aufstehen, / die Bänke zu decken, / dieBecher zu

spiilen, - / und die Walküren Wein holen, da ein \Waltender käme.'

Sigmund Oehrl

einem Trunk willkommen heißtz2. Die zahlreichen Reiterbilder auf den gotländischenBildsteinen seien somit als Darstellungen eines Verstorbenen auf dem \ü7eg ins Toten-reich zu verstehen.

Jedoch ist diese Interpretation in jüngerer Zeit bisweilen auch abgelehnt worden.Lori Eshleman bezweifelt den mythologischen Charakter der Begrüßungsszenen23.Velmehr sieht sie in der Darreichung des Horns eine allgemein gültige Huldigungs-formel, die aus der hervorragenden Rolle der Frau im Trinkzeremoniell germanischerKriegergefolgschaften abzuleiten sei. Lori Eshlemans Überlegungen basieren auf denErgebnissen von Michael Enright, der sich ausfuhdich mit den literarischen Zeugnis-sen dieser Frauenrolle befasst hat2a. Mit dem rituellen Ausschank von Met, Sfein oderBier bestätige die Frau des Gefolgschaftsführers regelmäßig die hierarchischen Struk-turen innerhalb det Gruppe und schaffe bzw aktualisiere die persönlichen Bindungen,auf denen die Kriegergemeinschaft beruht. Lori Eshleman geht noch einen Schrittweitet und vermutet, dass die Begrüßungsszene auf den godändischen Kenotaphendie gesellschaftliche Stellung und Funktion

f ener Frauen vergegenwärtigen soll, deren

Männetn zu Ehren das Denkmal errichtet wurde25. Auf diese Weise solle die Datstel-lung auf dem Stein der Legitimation von Herrschaftsansprüchen der Witwe dienen26.\Wenn ich recht sehe, wird eine derartige Sichtweise von flur wenigen Forschern in Be-tracht gezogen2T.Tatsächlich übetsieht oder unterbewertet Lori Eshleman eine Reihe

22 Wie Ute Zimmermanns Überlegungen zeigen, kämen iedoch grundsätzlich auch andere mythischeFrauengestalten in Betracht UrE Zruuunu,rNN, Bier und Unsterblichkeit - Zur Funktion der Walkü-ren in Walhall, in: Eot,rn MARoLD - ULRIcH MürrEn (Hgg.), Beretning fra femogtyvende wrrfagligevikingesymposium, Kiels Universitet 2006, Ha1bierg2006, S. 45-56.

23 So bereits: Eva Kocs NrrrstN, Kvinden med hornet, in: Skalk 1986:6, S. 16 f.2a MIcHanr J. ENnlcuT , Lady With a N{ead-Cup. Ritual, Group Cohesion and Hierarchy in the Gctmanic

Watband, in: Frühmittelaltetliche Studien 22,1988, S. 170-203.25 Bereits Sune Lindqvist hatte die Darstellung einer trauernden Witwe erwogen (SuNr LrNoqvrsr, Got-

lands bildstenar, in: Rig 16,1,933,5.97-'117, S.99 f.).26 LonI Esr*Er'l,tN, Weavers of Peace, \üfeavers of rüUar, in: DraNr Vornrnar (Hg.), Peace and Negotia-

tion. Strategies for Coexistence in the Middle Ages and the Renaissance (Arizona Studies in the MiddleAges and the Renaissance 4) Turnhout 2000, S.17-26.

27 So bezweifelt etwa Rudolf Simek, dass die Trinkhornfrau auf den gotländischen Bildsteinen eineWalküre darstellt, da sie auch auf Schmuckgegenständen und Goldblechfiguren auftauche, auf denendie Darstellung einer Totenführerin jedoch deplatziert sei (Ruoorr- SIturr, Goddesses, Mothers, Disir.Iconography and interpretation of the |emale Deitv in Scandinavia in the first Millenium, in: Wrr-Hrr-lrHnrzuaNN - Ruoor-r SIurx [Hgg.], Mythological rWomen. Studies in Memory of Lotte Motz1922-1997 [Studia Medievalia Septentrionalia 7l Wien 2002,5.93-1.23, S. 110f.). Da es sich allerdingsum zwei ganz verschiedene Denkmälergruppen mit sehr unterschiedlichen Bildkontexten handelt,erscheint mir der Einwand wenig plausibel.Jüngst hat Andreas Lundin die außerskandinavischen Paral-lelen des Aduentus-J\{otivs beleuchtet und - was meines Erachtens keinesfalls zwingend ist - eine nicht-mythologische Deutung der gotländischen Reiterbilder abgeleitet: ANonras LuNDrN, The advent ofthe esteemed horseman-soveteign. A study of rider-motifs on Gotlandic picture-stones, in: ANpEnsAxonf N u. a. (Hgg.), Old Norse religion in long-term perspectives. Origins, changes, and interactions.An international conference in Lund, Sweden, June 3-7, 2004 (Ydgx till Midgärd 8) Lund 2006,s.369-374.

Ornithomorphe Psychoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

wichtiger Indizien, die durchaus eine Konkretisierung der Frauenrolle im mythologi-schen Kontext erfordert.

An erstet Stelle ist der Umstand zu nennen, dass die Frau auf dem BildsteinTiängvide I in Alskog28 einem Reiter begegnet, dessen Pferd acht statt vier Beine hat

(Abb. 2). Dieses absondediche Bildsteinross taucht auf zweiweiteren Denkmälern auf(Ardre I und Ardre VItt;zr und steht offensichtlich mit Odins achtbeinigem PferdSleipnir in Verbindung, über dessen Herkunft und außergewöhnliche Gestalt der My-thograf Snorri Sturluson Bericht erstattet3O. Nach Aussage des Eddaliedes 'Baldrs

draumar' vermag Odin auf dem Rücken des achtbeinigen Götterpferdes in die Welt

der Toten zu reisen, um dort eine verstorbene Seherin zu wecken und sie nach den

beunruhigenden Träumen seines Sohnes Balder zubefragen3l. Nach Balders verhäng-

nisvollem Tod durch den Mistelzweig reitet der Gott Hermod auf Sleipnir ins Jenseits,um dort die Herausgabe Balders zu fordetn32. Äuf den godändischen Bildsteinen ist

iedoch keineswegs Odin33 oder Hermod, sondern vielmehr ein Verstorbener auf dem

Rücken des Totenpferdes dargestellt3a. Im Fall von Tfängvide I wird er von einer Wal-

küre in Empfang genommen. \üüie Gustav Trctzig zeigen konnte, hält det Reiter vonArdre VIII und Tiängvide I seinen \üTillkommenstrunk in Form einer Trinkschale in

28 LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig. 137 f.2e Ebd. 1, Fig. 139, 140,160,'t66.30 'Gylfagrnning', Kapitel 42, Edition und Übersctzung: LonEuz (wie Anm.20) S.488-491.31 Strophe 2, HnNs KusN - Gusrnv NncrEr (Hgg.), Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwand-

ten Denkmälern 1: Text (Germanische Bibliothek. 4.Reihe: Texte) Heidelberg 51983, S.277; Überset-

zung: AnNuLl- Knause, Die Götter- und Heldenlieder der Alteren Edda, übcrs. und hg. von AnNuu-KR,rusE (Reihe Reclam) Stuttgart 2004, S. 182.

32 'Gylfagrnning', Kapitel 49, Edition ord Üb.rsetzong: LonrNz (wie Anm.20) S.549-553.33 So beispielsweise: Luowrc ButssoN, Der Bildstein Ardre VIII auf Gotland. Göttermythen, Helden-

sagen und Jenseitsglaube der Germanen im S.Jahrhundett n. Chr. (Abhandlungen der Akademie det

Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte lrolge 102) Göttingen 1976,

S. 89 f. Anm. 9; Guronu G;rssrNc, Hesten i forhistorisk konst og kultus, in: Viking 7, 1,943, 5.5-143,s.78 ff.

3a S. insbesondere: DEtrnv Errrr,rEns, Der frühmittelalterliche Hafen der Ingelheimer Kaiserpfalz und

godändische Bildsteine, in: Schiff und Zeit 1,1973,5.52-57; DurlEv EI-I-uEns, Religiöse Votstellungcn

der Germanen im Bildprogramm gotländischer Bildsteine und der Ostkrypta des Bremer Domes, in:

Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 25,1981, S.31-54; Du'rlrv Etrrlrnns, Schiffsdarstellungen auf skan-

dinavischen Grabsteinen, in: HEI-vur Ronr (Hg.), Zum Problem der Deutung frühmittelalterlicher

Bildinhalte. Akten des l.Internationalen Kolloquiums in Marburg a. d. Lahn, 15. bis 19. Irebruar 1983

(Veröffentlichungen des Vorgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg a. d. Lahn,

Sonderband 4) Sigmaringen 1986, S. 341-372; ferner etwa: KARL Heucx, Brieflichet Hinweis auf einc

kleine ostnordische Bilder-Edda, in: Kanl Hauc< (Hg.), Zur Germanisch-l)eutschen Heldensage.

Sechzehn Aufsätze zum neuen Forschungsstand (Wege der Forschung 14) Darmstadt L961,5.429;SuNr LrNoqvrs.r, lrorngutniska altaren och därtill knutna studiet, in: Kungl. Humanistiska Vetenskaps-

Samfundet i Uppsala, Arsbok 1964, S.1*165, S.81; Gnno WoLFGANG \ürorn, Odins Wagen. Reflexe

altnordischen Totenglaubens in literarischen und bildlichen Zeugnissen der Wikingerzeit, in: Frühmit-telalterliche Studien 7, 1 973, S. 88-99, S. 94 f.

Sigmund Oehrl

der erhobenen Hand35. Das Gebäude, auf das die Reitet von Ardre VIII und Tf ängvideI zusteuern, kann vor diesem Hintergrund als postmortaler Aufenthaltsort - wahr-scheinlich Walhall - angesprochen werden. Auf dem Bildstein von Tfängvide scheintdem toten Reiter ein Hund vorauszueilen. \ü7ie Anne-Sofie Gräslund anhand literari-scher und archäologischet Zeugnisse zeigen konnte, galt der Hund nicht nur in Indien,Iran und Griechenland, sondern auch im germanischen Norden als Vermittler zwi-schen der $7elt der Lebenden und der \Welt der Toten36. Vor diesem Hintergrundkönnte der Hund von Tjängvide als Ps.ychoponpos3T, als Begleiter und Führer des Ver-storbenen auf dem \X/eg ins Jenseits zu verstehen sein. Dass es sich tatsächlich umeinen toten Krieger handelt, offenbart die Komposition auf dem Bildstein Ardre I(Abb. 3). Dort ist der Reiter des achtbeinigen Pferdes durch eine absonderliche Arm-haltung gekennzeichnet. Der Reiter führt seinen übedangen linken Arm auf unnatür-liche \Weise hinter dem Rücken und an der rechten Hüfte entlang vor seine Brust, wosich seine Handgelenke kreuzen. Diese Verrenkung, die den Mann ungelenk und be-

hindert erscheinen lässt, kann als Bildchiffre verstanden werden. Die Schlachtfeld-

szene über dem Reiter macht deudich, wie diese Chiffte zu interpretieren ist. Nebeneinem stehenden Krieget mit Schwert, Speer und Horn befinden sich dort zwei lie-gende Gestalten. Eine von ihnen wird gerade von einem Speer durchbohrt. Offenbarhandelt es sich um gefallene Krieger. Einer der Toten ist durch die gleiche Verrenkunggekennzeichnet wie der Reiter. Demnach dürfte auch der Reiter als gefallenet Kdegerzu deuten sein. Das achtbeinige Totenpferd trägt ihn in die Unterwelt3s.

Da aber die von der Frau mit dem Horn empfangenen Reiter überwiegend aufdem Rücken eines vierbeinigen Pferdes heran reiten und (in wenigstens vier Fällen) 3e

von einem Hund begleitet werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch dieses'gewöhnliche' Tier das Jenseitsross repräsentiert. Dafür sprechen auch insbesondere

15 Gusrav TRorzrc, Ett bildstensmotiv i arkeologisk belysning, in: Gotländskt Arkiv. Meddelanden frän

Föreningen Gotlands Fotnvänner 53, 1981, S.31-38.36 ANNE-Sonr GnAsI-uNo, Dogs in graves - a question of svmbolism? ln: Bansno SnNrIrlo FnIzEu-

(Hg.), Pecus. Man and animal in antiquity. Proceedings of the conference at the Swedish Institute inRome, September 9-12,2002 (The Swedish Institute in Rome, Projects and Seminars 1) Rom 2004,

S.170ff. Zut Seelengeleiter-Funktion von Hund und Pferd s. ferner: MaNrnBo LuRKER, Art.'Seelen-geleiter', in: Wörterbuch der Symbolik s1991, S. 664 f. mit weiterführender Literatur.

37 Der Terminrs Nekropompos (vexqonoptöE) = ,Totenführer', der im Vergleich zt Pslcltopompos

(tlru1ottoU.t[6E) = ,Seelenfühtet' die Vorstellung eines leibhaftig die Jenseitsreise antretenden Toten

evozieren mag, wäre in der vorliegenden Studie ebenfalls brauchbar gewesen. Beide Termini stellen Epi-theta des griechischen Gottes Hermes dar, zu dessen Aufgaben es gehött, die Toten in den Hades zu

bringen. Dz Pycboponpos in der wissenschaftlichen Litetatur geläufiger ist, wird er auch hiet bevorzugt.38 Kad Hauck hält den Reiter auf dem Rücken des achtbeinigen Pferdes für Odins Sohn Balder: K,cnL

Haucx, Varianten des göttlichen Erscheinungsbildes im kultischen Vollzug erhellt mit einer ikonogra-phischen liormenkunde des heidnischen Altars. Zur lkonologie der Goldbrakteaten 30, in: Frühmittel-alterliche Studien 1 8, 1984, S. 266-31 3, 5. 27'/ ff .

3e LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig. 128, 134, 141, 144; NonoEnÄNc - rJüIornsrnöu (wie Änm. 14)

Bild 2.

Ornithomorphe Pycbopoxtpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

die dreieckigen Hindemisse, über die das Pferd in wenigsten neun Fällen hinweg-

steigtao. Sie dürften als jener Zaunbzw. ienes Gitter zu deuten sein, das nach'Grim-nismäl'a1 und 'Lokasenn'42 das Totenreich umgibt und abschirmt43. Laut Snorri

bringt Sleipnir den Gott Hermod mit einem spektakulären Sptung übet diese Absper-

rung und befördert ihn somit ins Totenreichaa. Schließlich ist der Biidstein von Bote in

Garda zu erwähnen, auf dem ein Reiter, der von einer Trinkhornfrau empfangen und

von einem vorauseilenden Hund begleitet wird, eine liegende Gestalt - vielleicht einen

Leichnam - auf seinem Pferd zu transportieren scheinta5. Hierher gehören meines Er-achtens auch die eigenartigen Pferdedarstellungen von Tängelgärda I (Abb. 4) und IIinLärbroa6, die bisweilen zu den achtbeinigen Pfetden gerechnet werden47. Es dürfte

sich iedoch eher um eine Art Pferdeattrappe aus einer Pferdehaut, einem Holzgestell

und einer Maske handelnas. Auf dem Rücken dieser mit Stangen aufgedchteten Pfer-

deattrappe, die wie ihre'realen'Vorbilder über dreieckige Hütden zu schteiten und

acht Extremitäten zu haben scheint, liegt der Leichnam eines Mannes. Drei schrei-

tende Krieger, die dem Geschehen mit gesenkten Schwertern den Rücken zuwenden,

lassen an eine Art Prozession denken. Beata Böttger-Niedenzu macht auf den Bericht

des Ahmad Ibn Fadlän über die Schiffsbestattung eines \Tikingers aufmerksam, in

dem es heißt, ein Verwandter des Verstotbenen sei rückwärts zum Schiff geschritten,

um es zu entzünden4e. Auch auf dem Bildstein macht es den Anschein, als bewegten

sich die Männer rückwärts auf den Toten zu. Das Bildmotiv von Tängelgärda scheint

eine Bestattungszeremonie wiederzugeben, bei welcher der mythische Unterweltrittmit Hilfe eines künstlichen Totenrosses - einer Att pferdegestaltige Bahre - kultisch

nachempfunden wird.Vor diesem Hintergrund und mit Hinblick auf die archäologisch und literarisch

bestens belegte Bedeutung des Schiffes im nordgermanischen Bestattungsbrauch-

tums0 ist es verständlich, dass auch die Schiffsdarstellungen dem Komplex derJen-

a(t Z.B.: LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1,Fig.64,83, 94; BöIIcER-NIEDENzU - BöTTGER-NIEoaNzu (wie

Anm. 18) Zeichnung 3.ar Strophe 22, KuHN - Nrcrn (wie Anm. 3l ) S. 61; Übersetzung: Kn,rusn (wie Anm. 31) S. 96.

a2 Sttophe63,KunN-Nrcxrl(wieAnm.3l;S. 109;Übersetzung:Kn.lusE(wieAnm.31)S. 160.

a3 LINoqvIsr (wie Anm.7) 1, S.99; rVEaun (wie Anm.34) S.95.aa 'Gylfagrnning', Kapitel 49, Edition und Übersetzung: LonrNz (wie Anm' 20) S' 549-553.a5 LrNoqvtsr (wie Anm.7) 1,11i9.141,2,5.47.a6 LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig.86-90, 2, S.93.a7 Z.B.Lruw - NvrEN (wie Anm. 12) S. 190.a8 Lrxoqvrsr (wie Anm.7) 1, S.98 f., 105; SuNn LINDQvIST, Sagnet om Hild, in: Skalk 3, 1968, S. 18-27,

S.26; Essrnr'.raN (wie Anm.8) S.33 f.

ae Börrcan-NIEDENzU (wie Anm. 18) S.58.50 Mtcnarr MüLLrn-ri(/rrrr, Bestattung im Boot, in: Offa. Berichte und Mitteilungen aus dem Schleswig-

Holsteinischen Landesmuseum für Vor- und llrühgeschichte in Schleswig, dem Landesamt für Vor- und

Frühgeschichte von Schleswig-Holstein in Schleswig und dem lnstitut für Ur- und Frühgeschichte an

der Universität Ktel 25 / 26, 1 9 68 / 1, 9 69, S. 7 -203.

10 Sigmund Oehrl

seitsreise zugeordnet werden51. Einige altnordische Quellen sowie das altenglischeHeldenepos'Beovrulf'berichten von einem Schiff, in dem die Leiche des Verstorbe-nen auf das offene Meer hinaustreibts2. \fohin die Fahrt geht, bleibt ungewiss. Aus-drückliche Hinweise darauf, dass der Tote bzvz. seine Seele auf dem Schiff in ein To-tenreich fährt, gibt es überraschenderweise kaum. In der von Arngrimur Jdnsson(1568-1648) stammenden Zusammenfassung der im späten zwölften Jahrhundertentstandenen, heute weitgehend vedorenen'skjcldunga saga' heißt es iedoch von Si-

gurd Ring: pui Alfsola funere allato magnaru nauin nortuorum cadaueribas oneratam solus ui-

uorum conscendit, seque et nlrtuan A/fsolan in puppi collocans nauim pice, bitumine et sulphure in-

cendijubet; atque sublatis uelis in altam, ualidis ä continente inpelhntibus uentis, proran dirigit,

simulque manus sibi aio/entas intulit; sese totfacinorum patratorem, tantlrum regnlrx/m p0ssesszrem,

more mqloram stlrrtlm, regali ponpa Odinum Regen (id ut inferos) inuisere malle quam inefüs

senectutis infirnitaten perpeti alaci animo ad socios in littore antea relictos prafatus [.. .l 53. Hierdürfte die Reise des Leichenschiffes also nach \üTalhall führen. In der'Vglsunga saga'

erscheint Odin als geheimnisvoller Fährmann, der den toten Helden Sinfiotli vomUfer abholt und mit ihm ins Ungewisse fahrt: .finfotli drekkr okfellrpegar niär. Signundr

iss app ok gekk harmr inn nar bana ok nik likit ifang sir okferr til skdgar ok kom loks at einum

fröi. I>ar sä hann mann fd. i. Odinl ä einum bäti litlun. Sä naör sPJrr ef ltann aildi piggja atbonttnfar.yfrf oröinn. I{ann jättarPui. Skipit uar suä litit at pat bar lä eigi, ok uar likitfiirstflutt,en Signandr gekk neö fröinan. Ok pui nest buarf Signundi skipit ok suä nadrinnsa . Beteits imsechsten Jahrhundert berichtet Prokop von den Seelen der Verstorbenen, die sich an

s1 Kritisch hingegen: SvrvIa ArrHnus, Die Gotländischen Bildsteine: Ein Programm (Göppinger Arbei-ten zur Germanistik 588) Göppingen 1993, S. 136 ff.

s2 Müurn-'J7trrr (wie Anm. 50) S. 126 ff.; Är:rnrus (wie Anm. 51) S. 136 ff.s3 Jaroa BrNrorxtssoN (Hg.), Arngdmi Jonae Opera Latine Conscripta, 1 (Bibliotheka Arnamag-

nranz9) Hafnir 1950, S.463; s. auch: AxEr Ornrx, Skjoldungasaga i ArngrimJonssons Udtog, in: Aar-

boger for Notdisk Oldkyndighed og Historie, 2. Rekke 9,1894, S. 132; Übersetzung (SuNE LINoqvts'r,Ynglingaätteni gravskick, in: Frornvännen 16, 1921, S.83-194, S. 172): ,När han erhöll bud om, attAlfsol var död, gick han ensam ombord pä ett stort med de fallnas lik betäckt skepp, placerade sig och

den döda Alfsol i lyftingen och lät med tiära, beck och svavel sätta skeppet i brand. Och med hissade se-

gel styrde han ut till havs, pädriven av kravtig landvind, samtidigt väldsamt bärande hand pä sig siälv.

Med friskt mod sade han till sina män, som han nyss lämnat pä stranden, att han, som utförd sä mänga

stordäd och ägde sä mänga riken, efter sina fäders sed hellre ville begiva sig med kunglig värdighet tillkung Oden (Arngrim tillägger: det är till underjorden), än awakta den overksamma älderdomens kraft-löshet.' Michael Müller-Wille überträgt Lindqvists Üb..s.t"rng ins Deutsche: Müutn-VInE (wieAnm.50) S. 129.

5a Kapitel 10, RoN,to GEoRGE FrNcu, The Saga of the Volsungs. Edited and tanslated with lntro-duction, Notes and Appendices by RoNaro G. FtNcn (Icelandic Texts) l-ondon - Edinburgh 1965,

S. 18 f.; Übersetzung (ebd.): ,Sinflötli drank and immediately collapsed. Sigmund rose to his feet, almostsuccumbing to his grief, and he took the body in his arms and went to the forest, and eventually came toa firth. There he saw a man Id. i. Odinl in a small boat. The man asked if he wanted to be ferried across

the firth. He said he did. The boat was so small that it would not hold them, and the body was taken first,Sigmund walking alongside the firth. The next instant the ship vanished from Sigmund's sight, and withit the man.'

Ornithomorphe Pslchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 11

der Britannien gegenübediegenden Küste sammeln, um sich von den Einheimischen(die Untertanen der Franken sind) in Kähnen über das Meer transportieren zu Ias-

sen5s. Laut Dedev Ellmers stellen Schifffahrt und Ritt auf den godändischen Bildstei-

nen zwei aufeinander folgende Abschnitte der Jenseitsreise dar. Zunächst müsse der

Tote von der rü(/elt det Lebenden mit dem Schiff anteisen. Am jenseitigen Ufer ange-

langt ginge es - literatisch belegten Gepflogenheiten der realen \ü7elt entsprechend -auf dem Pferd des Gastgebers (d. h. Odins) weiter nach \Walhalls6.

III INTE,RPRETATION DE,S VOGELS

Auch auf dem Bildstein von Fröjel dürften Schiff, Reiter und Trinkhornfrau als

Darstellungen der Jenseitsreise zu deuten sein. Eine bemerkenswerte Besonderheit

stellt die Tatsache dar, dass der Tote scheinbar von seinem Pferd abgestiegen und inGesellschaft eines Schreitvogels bzw. eines Kranichs als Fußgänger vor die \Walküre ge-

treten ist. Zudem ist die außergewöhnliche Begrüßungsszene eng mit einer Gruppe

dreier schreitender Männer verbunden, die geschäftete Gegenstände in den Händen

halten. Eine Interpretation der Darstellungen liegt meines Wissens nicht vor. LediglichAlexander Andreeff stellt im bereits erwähnten Seminaraufs^tz von 2001 einige Ver-

mutungen an57. Das gezackte Obfekt zwischen dem Mann und der Frau hält er für eine

Schlange oder einen Kessel. Der Mann scheine eine Mischung aus Mann, Frau und Vo-

gel darzustellen und sei als Priester oder Zauberer zu deuten. Der Vogel stelle einen

Kranich dar und verweise auf Odin, obgleich diese Funktion sonst nur Adler und Rabe

zustehe. Zwei det drei Männer unterhalb der Begrüßungsszene seien mit Speeren be-

waffnet, während der Vordermann mit einem Meißel hantiere. Es mache den Ein-druck, als ritze der Mann mit dem Meißel die Randborte des Bildsteins. Andreeff geht

von einem Selbstbildnis des Künsders aus. Älexander Andreeff und die übrigen Be-

trachter scheinen die Nähe der Darstellungen von Fröjel zu den Kompositionen aufden Kistensteinen Sanda kyrka I (G 181) und Alskog kyrka übersehen zu haben. DieGemeinsamkeiten zwischen den Steinen sind so groß, dass ich - trotz der unsicheren

zeitlichen Abstände - davon ausgehe, dass allen drei Denkmälern gleiche Vorstellun-

gen und Bildkonventionen zugrunde liegen. Da das Flachrelief der Steine unterschied-

Iich fein gearbeitet bzw. erhalten ist und abweichende Varianten des Themas vodiegen,die vzechsels eitig ergänzende Informationen ttansportieren, ist es angebracht, die Kis-tensteine für die Interpretation der Darstellungen von Frölel hetanzuziehen und den

Versuch einer gegenseitigen Erhellung zu wagen.

ss Kapitel IV, 20, Prokop, Gothenkrieg. Nebst Auszügen aus Agathias, sowie Fragmenten des Anonymus

Valesianus und des Johannes von Antiochia, übers. von D,rvIo Cosrr (Die Geschichtsschreiber der

deutschen Votz eir2/7) Leipzig 31903, S.280 f.56 Errunns (wie Anm.34).57 ANonEEnn (wie Anm. 't5) 5.20-24,37.

t2 Sigmund Oehrl

1 Der Kistenstein Sanda kyrka I

Der Runenstein von Sanda kytka ist Sune Lindqvists Gruppe E zuzuotdnen(Abb. 5). Er ist im Ringerikestil verziert und datiert in das etste Vertel des elftenJahr-hunderts s8. Die Reliefdarstellungen sind sehr deudich herausgearbeitet. Die Bildflächedes Kistensteins wird oben von einem Runenband, unten und an den Seiten iedochvon Ornamentik im Ringerikestil eingerahmt5e. Gleich unterhalb des Runenbandes

befindet sich eine Art Gebäude, das aus einer horizontalen Bodenlinie und zwei an de-

ren Enden stehenden vertikalen Linien besteht. Die Runenborte bildet ein konvexes

Dach. Innerhalb dieses'Hauses' sitzt in beiden Ecken jeweils eine Figur mit dem Rü-

cken an der \Wand auf einer Art Klotzstuhl. Die Figur in der linken Ecke macht eine

auffällige Geste. Sie scheint sich die Hand vor den Mund bzw. das Gesicht zu halten.

Sie trägt ein langes Kleid und langes Haar, das bis auf den Rücken reicht. Es dürfte sich

um eine Ftau handeln. Die in der rechten Ecke sitzende Gestalt hat ebenfalls langes

Haar, wird jedoch mit Kinnbart dargestellt und somit als Mann gekennzeichnet. Sie

umfasst mit einer Hand den Schaft eines vor ihr aufgerichteten Speeres. Zwischen denzwei sitzenden Petsonen ist eine stehende, dem sitzenden Mann zugewandte Figur ab-

gebildet, die ebenfalls die Hand um den Schaft der \Vaffe legt. Sie trägt eine Art Kappeoder Helm auf dem Kopf und einen Mantel, der über der Schulter fixiert ist und einen

Arm freilässt. Es handelt sich um einen Mann. Außerhalb des Gebäudes ist an der lin-ken Nfand ein großer Vogel dargestellt. Der lange Hals des Tieres durchdringt oberhalbder sitzenden Frau die Wand und ragt in das Innere des Gebäudes hinein. Der spitze

Schnabel des Vogels berührt den Rücken der stehenden Männerfigur und scheintsie zu stoßen oder anzustupsen. Die Körperform des Vogels lässt zunächst auf einenSchreiwogel - Storch oder Reiher - schließen (Abb. 6, 7). Die Ausbildung des

Schwanzgefieders könnte auf einen Ktanich hin'ureisen. Die sichelartigen und zer-

schlissenen inneren Armschwingen hängen beim Kranich vom Schwanz herab undbilden so eine aufFällige Hinterpartie, die als 'schwanzhaube' bezeichnet wird60.

Grundsätzlich käme aber auch ein Schwan oder eine Gans in Betracht. Unterhalb des

Häuschens befinden sich drei schreitende Personen mit geschäfteten Objekten in denHänden. Die Figuren tragen allesamt ein bis auf die Oberschenkel reichendes Oberteilund scheinen sich nach links zu bewegen. Der Vordermann trägt einen Kinnbart und

58 FronLrN rWEsrpHAL, Untersuchungen zur späten Bildsteingruppe Gotlands, in: Mlcsanr Müurn-VInE (Hg.), Zwischen Tier und Kreuz. Untersuchungen zur wikingerzeitlichen Ornamentik im Ost-

seeraum (Studien zur Siedlungsgeschichte und Archäologie der Ostseegebiete 4) Neumünster 2004,

s. 37 7 454, S. 440, Lbb. 22.5e Eine sehr ausführliche Beschreibung des Steins liefert Sune Lindqvist: Lrxoqvrsr (wie Anm.7) 2,

s.107-109.60 Benln BRUUN - AnrHun SINcpn - Claus KöNtc, Der Kosmos Vogelführer. Die Vögel Deutsch-

lands und Eutopas in Fatbe, Stuttgart 51982, S.102; RIcHano Ftrrrn - HEnuaNN HEtNznr -JouNPansrow, Pareys Vogelbuch. Alle Vögel Europas, Nordafrikas und des Mitderen Ostens, übers. und

überarbeitet von Güurnrn NIETHAMMER und HaNs EouuNo rilüol,runs, Berlin - Hamburg 41988,

s.1 10.

Ornithomorphe Pslchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildstcine

eine spize Kopfbedeckung mit einer Art Troddel. Er hält einen Speer in der Hand. Diemittlere Figur hat nackenlanges Haar und hält eine Art Schaufel in der Hand. Die dritte

Figur ist im Kopfbereich beschädigt. In der erhobenen Hand hält sie einen länglichen,

oben gebogenen spitzen Gegenstand, der wie eine Sichel anmutet. Hinter dem'sichel-träger'befindet sich ein großes Rondell. Darunter ist ein kronenförmiges gezacktes

Gebilde zu sehen.

HugoJungner hat vor tund S0Jahren eine - zumindest in den Grundzügen - ein-

leuchtende Interpretation der Bildkomposition von Sanda kyrka I vofgelegt6l, der sich

viele Forscher weitgehend oder teilweise angeschlossen62 haben. Demnach sei inner-

halb des Gebäudes eine Form von Eidesleistung zu sehen. Der stehende Krieger leiste

einen Eid auf den Speer in der Hand des sitzenden Mannes und vrerde somit feierlich

in dessen Gefolgschaft aufgenommen. Jungner verweist auf zwei Texte, die einen ger-

manischen Btauch dieset Ärt bezeugen: In den'Gesta Danorum'des Saxo Gramma-

ticus hält König Hiarthwar Nfiggo, dem einzigen Überlebenden aus der Schar des RolfKrake, die Spitze seines Schwertes hin, damit er es berühre und auf die \Waffe seines

neuen Herrn den Treueid leiste. !üiggo erwidert, dass man unter Rolf Krake hingegen

beim Griff des Schwertes zu schwören pflegte: Olin nanque se regu/// clientela datui tacto

gladii capuh obsequium polliceri solebant63. Jungners zweiter Beleg stammt von Cassiodor.

Dieser berichtet von der Adoption des Herulerkönigs durch Theoderich und bemerkt,

dass es unter den Völkern als große Ehre angesehen werde, ,durch Waffen zum

Sohn werden zu können' (Per arna feri posse fliun grande inler gentes cottstat esre praeco'

niun 1.. .l 6a). Die Formel per arma spiegelt einen Rechtsbrauch, bei dem während einer

Eidesleistung Waffen berührt werden müssen65. Die Belege derartiger Rechtsbräuche

61 Huco JuNGNER, Den gotländska runbildsten frän Sanda. Om Valhallstro och hednisk begravnings-

ritual, in: Fornvännen 25,1'930, S. 65-82.62 ManrrN NrNcx, Wodan und germanischer Schicksalsglaube, Jena 1935, S.97; KoNs.rtNltx Ru-

cu.rnor, Runenkunde,Jena 1936,5.1,20;PBrEn P,rursrN, Die Wikingerlanze von Termonde in Belgien,

in: Mannus. Zeitschrift für Deutsche vorgeschichte 29, 1937, S.381-411, S.394f.; Kanl Haucr,Alemannische Denkmäler der vorchdstlichen Adelskultur, in: Zeitschrift für Württembergische Lan-

desgeschichte '16, 1957, S. 1-40, S. 18 f.; Brncrr AnnnrNIus, Vikingatida miniatvrer, in: TOR 7, 1961',

S. 139-164, S. 152ff.; Kanl H,rucr u.a., Art.'Bilddenkmiiler (zur Religion)', in: RGA 2, 1976,

S. 577-590, S.582; Kanr HAUCK, Gott als Ärzt. Eine exemplarische Skizze mit Text- und Bildzeugnis-

sen aus drei vetschiedenen Religionen zu Phänomenen und Gebärden der Heilung. Zur Ikonologie det

Goldbrakteaten 16, in: Csnrsrrr- METER - Uwr Rusnnc (Hgg.), Text und Bild. Aspekte des Zusam-

menwirkens zweier Künste in Mittelalter und ftüher Neuzeit, Wiesbaden 1980, S' 19-62, S.46.

63 Buch lI, 67,JORGEN OLRrK - HaNs H. R,f DER (Hgg.), Saxonis Gesta Danorum. Primum a C. Knabe &

P. Herrmann recensita, 1: Textum Continens, Haunir 193t, S.6l; Überscrzung (P,rur Hrnnu,r.ruru,

Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der f)änischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Teil 1:

Übersetzung, Leipzig 1901, S.85 f.): ,Yor Zeiten nämlich pflegten die, welche sich in die Gefolgschaft

eines Königs begaben, Treue zu geloben unter Berührung des Schwertgriffes.'6a 'Yaiae' 4, Brief 2, Cassiodori Senatoris Variae, hg. von TnEooon MoulrssN (MGH Auctores antiquis-

simi 12) Berlin 1894, S. 114f.65 Mit Hinweisen auf weitere Belege und Literatur: HpINnrcn MITTEIS, Lehnrecht und Staatsgewalt. Un-

rersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Nüeimar 1933, ND Darmstadt 1958, S.21 f.

1,3

14 Sigmund Oehrl

sind zahlreich. LautJordanes wird etwa auch König Theoderich von Kaiser zeno auf

diese v/eise adoptiern Et post aliqaod tempus ad ampliandum honorem eias in arma sibi eum

ftian atloptauit di suisqae stipentliis triunpbum in urbe donauit,factusque consul ordinarias, quod

silnmum bonum primumqne in *undo decus edicitttr66. Auch der ostgotische Heetführer Ge-

simund wird nach Cassiodor,allein dutch \ü/affen zum Sohn gemacht' (solun armisflias

factus) und in das Geschlecht der Ämaler aufgenommen6T. Im siebten oder achten

l^rrrn.r.rd".t noriert Markulf in seiner metowingischen Formelsammlung den \üTortlaut

eines Rit.rals zuf Aufnahme in die Königsgefolgschaft (antrustiones), bei dem das Be-

rühren der lraffen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt Et quia illifdelis' Deo propitio, nos-

ter ueniens ibi in palatio nostro ana can araa sua in manu nostra trustem etfdelitann nobis aisus

est coniarasse: propterea perpresentem preceptun decernenus ac iobemus, ut deinceps memoratus i/le

inter numero antrascionoram conputetur5s -

Eine Adopti on per arm)könnte laut Hugo Jungner auch auf dem Stein von Sanda

kytka festgeh^lt.r, ,.i.r. Jungner geht jedoch davon aus, dass es sich bei der Eidesleis-

tung rro., ianda keinesf"ll. ,r- eine reale, diesseitige Handlung, sondern vielmehr um

die Aufnahme eines gefallenen Kriegers in die Gemeinschaft des Kriegs- und Toten-

gotres handelt. Da die mit Abstand häufigsten Motive - Schiff, Reiter und Trinkhorn-"fr^u

-die Jenseitsreise als zentrales Thema der gotländischen Bildsteine ausweisen6e'

ist diese Sichtweise durchaus nahe liegend. Odin reiche dem Gefallenen den Speer,

fordere den Treueid und nehme ihn somit als Sohn an. Tatsächlich heißt es in der

'Gylfaginnin g': Hann [Odin] beitir ok Vatfoör puiat hans |skaynir eru allir peir er i ualfalla,

Lnm.24; Haucx, Alemannische Denkmäler (wie Anm' 62) S' 19 Anm' 40; Groxc rvalrz' Deutsche

verfassungsgeschichte 2, Teil 1. Die Verfassung des Fränkischen Reiches, Graz a1953' S' 337 Anm' 2,

S.338 Anm. 1; W6LFG^NG Fnrrzr, Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit' lhr \üresen

und ihre politische Funktion, in: Zeitschrift det savigny-stiftung für Rechtsgeschichte' Germanistische

Abteilung 71, 1954,5.74-125, S.93 Anm' 62'

66 .egds2. 57, Kapitel 289, Iordanis Romana et Getica, hg. von TnuoDoR MoMMSEN (MGH Auctores an-

tiquissimi 5:1) Berlin 1882, S. 132; Die Übersetzung von Wilhelm Martens in'Die Geschichtsschreiber

der deutschen Vorzeit' ist in diesem Fall leider ganz unzureichend. Dort heißt es höchst vereinfacht, der

Kaiser nehme Theoderich ,als waffensohn an' (\ülrHu-u MARTENs IHg.l,Jordanes Gothengeschichte

nebst Auszügen aus seiner römischen Geschichte [Die Geschichtsschreiber der deutschen vorzeit 5l

Leipzig21884,S.93). Richtiger wäre wohl: ,Mit den \Waffen nahm er ihn als Sohn an..

67 'Variae' 8, Brief 9, Cassiodori Senatoris Variae (wie Anm' 64) S' 239'

68 Marculfi Frormularum liber I 18, formulae Merowingici et Karolini Aevi, hg' von Klnr Zrurvßn (MGH

LL Formulae) Hannover 1886, S.55; Üb.rs.t rng (rüEr,trrz [wie Anm.65l S' 338): ,Und weil iener Ge-

tfeue nach Gottes Willen kommend dort in unserem Palast mit seinen \(affen in unsere Hand Gefolge

und Treue beschworen hat, deshalb durch die gegenwärtige urkunde beschließen und befehlen wir'

dass jener obenerwähnte hinfüro unter die zahl der Antrustionen gerechnet werde.'

6e Unter den späten gotländischen Bildsteinen ist neben den üblichcn Motiven auch eine christliche Dar-

stellung derJenseitsreise festzustellen. Det Kistenstein Ätdre vI (G 114) zeigt meines Erachtens einen

anthropomorphen Seelengeleiter - vermutlich Michael * der eine Seele in Gestalt eines Kindes auf der

schulter trägt und durch postmortale Strafstätten führt (LrNoqvIsr [wie Anm. 7l 1, Fig' 165; SIcrr'ruNo

orHnl, vietbeinerdarst.ll.,.rg.n auf schwedischen Runensteinen. studien zur nordgermanischen Tiet-

und Fesselungsikonografie [Ergänzungsbände zum RGA 721 Berlin - New York 2011 ' s'240-248)'

()rnithomorphe Ps.lcboponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

lein [ski]par hann Va/ho// ok Wngilf, ok heita ]eir ]ä EinheriarTq. Das Gebäude sei ienenvon Ardre VIII und Tiängvide I zur Seite zu stellen und als Walhall zu deuten. Der sit-

zende Mann sei Odin, die Dame gegenüber aber seine Gemahlin Frigg, die ähnlich wie

in der Prosa-Einleitung der'Grimnismäl' mit ihrem Gatten in dessen Halle beisam-

mensitze: Ödiro o, Frig säto i Hliösciälfo oc sä um heima a//a71. Der als Hliösciälfbezerch-

nete Ort kann sowohl Odins Halle als auch seinen Thron bzw. Hochsitz innerhalb der

Halle benennen. Odin ist der ,Vater der Gefallenen' (Valfeär).Der öskasonr (,Adoptiv-sohn', wörtlich ,s7unschsohn') leiste seinen Eid auf Odins $Vaffe, den Speer Gungnir.Dieser stellt ein typisches Ättribut des Gottes dar, das in der literarischen Übediefe-rung72 seit dem neuntenJahrhundert und durch die nordischen GoldbrakteatenT3 be-

reits in der Völkerwanderungszeit greifbar wird. Auf Grundlage der von Markulf auf-

gezeichneten Formel erwägt Kad Hauck jedoch eine Auslieferung der \ü7affe des Toten

an den thronenden Gott. Der Gefallene erhalte seine \Waffe zurück und werde somitzum Gefolgsmann des TotengottesTa. Ein der Komposition von Sanda kyrka I ver-

gleichbaret Rechtsakt ist im Übrigen auf der 2001 auf dem Gräberfeld von Trossingen

im Landkreis Tuttlingen geborgenen Leier dargestellt (Abb. 8) 7s. Das lnstrument aus

dem sechsten Jahrhunde n zeigt auf der Vorderseite zwei einander zugewandte Grup-pen von ieweils sechs bewaffneten Kriegern. Zwischen beiden Truppen steht eine

Fahnenlanze aufrecht auf dem Boden. Die beiden Vordermänner umfassen den Schaft

der \Vaffe. Ob es sich um eine reale Eidesleistung oder eine Szene aus der Götter- bzw.

Heldensage handelt, ist noch offen76. Die Ausstattung der Krieger mit jeweils zwei

70 LonpNz (wie Anm.20) S.285, Übersetzung (ebd. S.286): ,Er [Odinl heißt auch Valfqör, weil alle die-jenigen, die im Kampf fallen, seine Adoptivsöhne sind, ihnen weist er Valhpll und Ving6lf an, und sie

heißen dann Einheriar.'71 KuHN-Nrcrpr(wieAnm.3l;S.56; Überserzung(Knausr[wieAnm.31lS.90):,OdinundFrigg

saßen in Hlidskialf und sahen über die ganze Welt.' Ein Paar in einem stilisierten Gebäude auf dem

Mähnenstuhl von Sollested ist ähnlich gedeutet worden (furra Scnutor-LonNsrN, Bilddarstellungen

auf wikingerzeitlichen Mähnenstuhlpaaren. Ein Diskussionsbeitrag, in: Hur..lur Roru IHg.], ZumProblem det Deutung frühmittelalterlicher Bildinhalte. Akten des l.Internationalen Kolloquiums

in Marburg a. d. Lahn, 15. bis 19. Irebruar 1983 [Veröffendichungen des Vorgeschichtlichen Seminars

der Philipps-Universität Marburg a. d. Lahn, Sondetband 4] Sigmaringen 1,986,5.297-302,5.298f .,Abb.1-2).

72 Jurrus Scswru'rrnrNc, Wtrdans Speer, in: Zeitschdft für deutsches Altertum 60, 1923,5.290-292.HÄNs KUHN, Kleine SchriftenlV, Berlin 1,978,5.247-258.

73 K.Lnr Haucr, Die Wiedergabe von Göttersymbolen und Sinnzeichen der A-, B- und C-Brakteaten aufD- und tl-Brakteaten exemplarisch erhellt mit Speer und Kreuz. Zur Ikonologie det Goldbrakteaten 35,

in: Frühmittelalterliche Studien 20, 1,986, 5. 47 4-51'2.7a Haucr (wic Anm.62) S. 19.75 B,rna.rn,r TnnuNr-GnossKopF, Herausragende Holzobjekte aus Grab 58 von Trossingen, Kreis Tutt-

lingen, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2002, S. 151-154; Bansana TnruNE-Gnossrorr, Die vollständig erhaltene Leier des 6.Jahrhunderts aus Grab 58 von Trossingen, Ldkr.

Tutdingen, Baden-Würtemberg, in: Germania 84, 2006,5.93-142l- Bann,rn,r Tunuun-GnossroRr,Art.'Tros singen', in: RGA 31,, 2006, S. 27 7 -28 1,

76 TnruNs-GnossKopF, Leier (wie Anm.75) S. 134f.

15

16 Sigmund Oehrl

Schilden lässt sich vor dem Hintergrund literarischer Parallelen damit erklären, dass

die beiden Gruppen zu Zwelkämpfen angetreten sind 77. Jeder der Kombattanten trägt

einen Ersatzschild. Die Eidesleistung auf den Speer widerspricht dieser Sichtweise kei-neswegs. Man denke etwa an das'Reihenkampf-schema', die nacheinander ablaufen-den Zweikämpfe zwischen den Männern Dietrichs und Gibichs, im'Rosengartefl ztrrJ7orms'78. Am Ende der Kämpfe wird der Untedegene lehenspflichtig und muss demSieger Treue gelobenle. Trotz des großen zeitlichen Abstandes zur mittelhochdeut-schen Dietrichepik ist es zumindest denkbaq dass auf der Leier von Trossingen einvergleichbarer Vorgang angedeutet wird.

Hugo Jungners Vermutung, dass es sich im Fall von Sanda um eine jenseitige Ei-desleistung handelt, soll durch seine Deutung des langhalsigen Vogels ethärtet werden.Da sich dieser mit dem Körper noch außerhalb der göttlichen Behausung befindet undden Krieger scheinbar mit dem Schnabel anstupst und ihn so vor den Thron des Herr-schers stößt, macht es tatsächlich den Anschein, als trete et hier als eine Art Vermittlerauf und bringe den Mann aus der Ferne in das Haus seines neuen Hertn. Jungner vet-sucht, die Pslcbopompos-Rolle des Vogels, die in der altnordischen Schriftübedieferungkeinen unmittelbaren Niederschlag gefunden hat, durch eine alte südschwedischeBezeichnung für den Schwarzstorch zu bestätigen. Dieser werde als odenssaa/a d.h.,Odinsschwalbe' bezeichnet. So wie im Volksglauben der \üfeißstorch die Kinder insLeben bringt, so trage der Schwarzstorch die Verstorbenen zu Odin in die Totenvzelt.Der Vogel von Sanda stelle also einen Schwarzstorch dar, der einen gefallenen Kriegernach N7alhall führt. Inwiefern Jungners Argumentation und ornithologische Zuord-nung tragfähig sind, sei dahingestellts0. Als relativ sicher zu betrachten ist iedoch dieBeobachtung, dass der langhalsige Vogel den stehenden Mann in das Gebäude und vorden Sitz des Eid abnehmenden Herrschers führt. Anders kann das Arrangement kaum

aufgefasst werden81.

77 Tnruxr-GnossKopl., Leier (wie Anm.75) S. 135.78 GEonc Horz, Die Gedichte vom Rosengarten zu Worms, Halle a. S. 1893, mit den beiden wichtigsten

Fassungen, der älteren Vulgat-Fassung der Vetsion A und der Vulgat-Fassung l) der Version DP sowie

der Version F, welche die älteste Überlieferung aufweist. Entsprechendes findet sich auch in der'Fiörekssaga', was auf eine Überlieferung des Reihenkampfthemas vor dem l3.Jahrhundert hinweisenkönnte (foacntlr HErnzre , Einfühtung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik IDe Gruyter Studien-bücherl Berlin u. a. 1 999, S. 1 83 mit weiterführender Literatur).

7e Version A: Strophe 37.7 f. (Hor-z [wie Anm.78.] S.65).80 F6rhallur Vilmundarson ist der Auffassung, der Begriff ad.ensnalahabe nur indirekt mit dem Gott Odin

zu tun und verweise vielmehr auf die (im Vergleich zum \rVeißstorch) hohe Aggressivität des Schwarz-

storches 1Ö6nuar-lun VtruuNoansoN, Ööinshani og odenssvala, in: Grimnir. Rit um nafnfrröi 3,

1996, S.52-65).81 Die ältere f)eutung von Alexander bzw dessen Vater Sophus Bugge (ArExrNorn Buccn, Die Vikin-

ger. Bilder aus der nordischen Vergangenheit. Autorisierte Üb.rtragrng aus dem Norwegischen vonHEruz HuNcrnraNo, Halle a. S. 1906, S.202; Ruoorr Bnonv-JoHaNsEN, Oldnordiske stenbilleder

IGvldendals Uglebogcrl Kopenhagen 31979, S.140), nach der die Komposition Swanhild und ihrenMannJörmunrek mit dessen Berater Bikki darstelle, derJörmunreks Sohn Randwer mit dem Speer tö-

Ornithomorphe Pslchoponpoi im Bildprogtamm der gotländischen Bildsteine

In Ermangelung literarischer Quellen, die einen nordischen Pslchoponpos in Ge-

stalt eines Vogels ausdrücklich bestätigten, verweistJungner zumindest darauf, dass die

Vorstellung vom Seelentransport durch einen Vogel in der römischen Antike verbrei-

tetwat82. Hier ist es iedoch ein Adler, der die vom brennenden Scheiterhaufen aufstei-

gende Seele abholt und in den Himmel trägt83. Ahnliche Vorstellungen scheinen mir

iedoch insbesondete in der christlichen Übedieferung aufzutauchen. In einigen Quel-Ien wird davon berichtet, dass die Seele des Verstorbenen äus eigener Ktaft - mit Flü-

geln ausgestattet oder gar in Vogelgestalt (oft als Taube) 84 - in den Himmel oder an

sonstige postmortale Aufenthaltsorte fliegt85. Es handelt sich hauptsächlich um Jen-seitsvisionen und Formulierungen in der Liturgie, die aus der Zeit det alten Kirche

stammen. In den meisten Jenseitsvisionen ist die Seele des Visionärs iedoch von der

Führung durch eine autoritative Person, vorwiegend einen Engel, abhängig. Den

eigentlichen Transport der Seele übernimmt dabei zuweilen eine Taube. In der Visiondes neunf ährigen Alberich von Settefrati (* um 1107), die.von einem Mönch im Klos-ter Monte Cassino aufgezeichnet wurde, heißt es: auis candida, columbe similis, adueniens

rtstramqile suum in 0s nel,tltt iniciens, nescio quid exinde abstrabi sentiebam, ac deinde per comam

ten solle, ist abzulehnen, da sie 1. nicht mit den Aussagen der Schriftquellen in Einklang zu bringen ist

('Skäldskaparmäl', Kapitel 42, Edition: ANrnoNv Faurrrs IHg.], F,dda 2. SkäldskaparmäI, Teil 1. ln-troduction, Text and Notes, London 1998, S.48-51, Übersezutgt AnNurr KnnusE, Dic Edda des

Snorri Studuson. Ausgewählt, übers. und kommentiert von AnNutp KRAUsE [Reclams Universal-

Bibliothek 782'l Stuttgart 22005, S.148-155) und 2. die besondere Positionierung des Vogels nicht

befriedigend erklärt. Der Vogel sei ein Schwan und kennzeichne Swanhild. Doch warum befindet sich

det Schwan teils vor, teils innerhalb des Gebäudes und warum stupst er Bikki mit seinem Schnabel an?

Nicht zuletzt die Gegenüberstellung mit der Begrüßungsszene von Fröjel und der Gcbäudeszene von

Alskog kyrka wird deudich machen, dass die Bildkomposition von Sanda kytka I kein Motiv aus dem

J örmunrek-swanhild-Komplex, sondern tatsächlich die Ankunft eines Verstorbenen im Totenreich dar-

stellt. Beata Böttger-Niedenzu machr darauf aufmerksam, dass in der altnordischen Lite ratur vereinzelt

von Vögeln die Rede sei, die auf einem l)ach sitzen. Die beiden angeführten Textstellen sind jedoch

nicht überzeugend und haben meines Erachtens nichts mit den Vögeln von Alskog kyrka und Sanda

kyrka I zu tun (Börrctn-NraorNzu [wie Anm. 181 S. 73). Peter Paulsen meint, der Vogel repräsentiere

das Federkleid det Frigg (P,rursuN [wie Anm.62l S.395).82 JuNcNan (wie Anm. 61) S. 78-80.83 KuRr LarrE, Römische Religionsgeschichte. Handbuch der Altertumswissenschaft. trünfte Abteilung,

vierter Teil, München 1960, S. 309 Anm. 1.

8a Ahnliche Vorstellungen sind auch bei den Balten nachzuweisen (Manrla GIveur,rs, Die Balten. Urge-

schichte eines Volkes im Ostseeraum, München - Berlin 1992,5.215).8s Prrnnr CouncErrr, Art.'Flügel (Flug) der Seele 1', in: RAC 8, 1 972, Sp. 40-64; Pnrrn DINzELBACHER,

Die Vision Albedchs und die Esdras-Apokryphe, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Be-

nediktinetordens und seiner Zweige 87, '1976, 5.435442,5.441;' Pprrn DtNzrrBAcHER, Der Him-

melsaufstieg nach Bildern und Texten des Mittelalters, in: Fntrontcs Mösrus (Hg.), Der Himmel über

der Erde. Kosmossymbolik in mittelaltedicher Kunst, Leipzig 1995, S.78-97, S.81; Prran DrNzusr-cnrn, Ekstatischer Flug und visionäre \üTeltschau im Mittelalter, in: Dtt,rsn R. Bnurn - lVorrcaNc

Bsnnrucen (Hgg.), Fliegen und Schweben. Annäherung an eine menschliche Sensation, München

1997, S. 111-145, S. 112; Pprpn DrNzar-sacnpn, Die letzten Dinge. Himmel, Hölle, Fegefeuer im Mit-telalter ( Herder Spektrum 471 5 ) Freiburg - Basel - Wien 1999, S. 95.

17

18 Sigmund Oehrl

capitis sao me lre apprelrendens,ferre cepit, sablinen uidelicet a terra, qaantt/m unius stalura est ho-

minis. Tanc etiam beatas Petrus apostolus ac dao angeli apparaerunt michi; qtlzrilm alter Hemaa-nue/, alter aocabatur He/01, qui ne simul ducentes, loca penarum et inferni ostendere ceperants6.

Während seiner Besichtigung der ienseitigen Straforte beobachtet Alberich einen wei-teren vogelgestaltigen Seelenführer: Interea stafite me ibi iuxta inferni claustra cum illam, que

me capillo capitis portabat, colambam non aiderem et maximo tremore trepidarea, sabito respiciens

sarcum uideo aaem quandam nimie nagnitudinis atque palchritudinis desuper aduenientem et mo-

nacbam quendam ueterantm pasille, ut nicbi uidebatur, statureferentem sah remigio alarilm rilaram.puodsi super illas igniuomas et sqaalidas tenebras uenisset, eum ab alto dimittens, in ipsis incendiis

cadere permisit. paen na/igni continuo spiritus circundantes, se inuicem ad elm percutiendum

cobortai cepenmfi ctlm repefite eadem aais aduolans, eamqae de illorum manibus eipiens, slrßrlm

reuexitsT . Bereits im Jahr 695 erlebt der westgotische Mönch Baldarius, wie seine Seele

von drei Tauben abgeholt und in den Himmel gebracht wird88. In einer Vision eines

anonymen Mönches von Vaucelles fliegt eine große weiße Taube herbei und lässt sich

auf dem Gesicht des Visionärs nieder. Dann fliegt der Mönch auf dem Rücken des

Vogels durch ein Fenstet in den Himmel. Schließlich scheint der Mönch weniger aufdem Rücken des Vogels, als vielmehr neben diesem zu sitzen. Die Taube bekommt einmenschenähnliches, aber unbeschreibliches Antlitz. Der Vogel, der sich als Schutz-engel des Visionärs entpuppt, zeigt diesem die Strafstätten und das Himmlische Jeru-salemse. Vorstellungen dieser Art könnten durchaus auf den bekehtungszeitlichenRunenstein von Sanda eingewirkt haben. Es sei auch eine bildliche Darstellung ange-

führt, die als christliche Variante des vogelgestaltigen Psltchoponpos gedeutet werdenkann. In einer Würzburger Handschrift der Paulusbriefe aus dem späten achten Jahr-hundert ist eine Kreuzigungsdarstellung zu sehen, auf der die Schächer am Kreuz vonVögeln abgeholt zu werden scheinen (Universitätsbibliothek Würzburg, M. p. th. f<rl.

86 Kapitel 1, Visio Alberici. DicJenseitswanderung des neunjährigen Alberich in der vom Visionär um1127 in Monte Cassino revidierten Fassung, hg. von Paur GEnn,rno Scnr'ltor (Sitzungsberichte der\Wissenschaftlichen Gesellschaft an derJohann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 35,

Nr.4) Stuttgart 1997, S.168; Üb.tr.trung (ebd. S. 169): ,Ein weißer Vogel, der einer Taube glich, kam

zu mir und steckte seinen Schnabel in meinen Mund; ich spürte, daß er erwas aus ihm herauszog. Dannpacktc er mich mit seinem Schnabel an meinem Haupthaar und hob mich ungefähr so hoch vom Bodenempor, wie die Gtöße eines Menschen beträgt. Darauf erschienen mir auch der heilige Apostel Petrus

und zwei Engel, von denen der eine lmmanuel, der andere Elohim hieß. Gemeinsam führten sie michund zeigten mir die Orte der Strafen und der Hölle.'

87 Kapitell5,VisioAlberici(wieAnm.861 S. 182;Übersetzung(ebd.S. 183),Alsichunterdessennebenden Schranken des Höllenabgrundes stand und die Taube nicht mehr sah, die mich an meinem Haupt-haar trug, und deshalb heftig zu zittern begann, da schaute ich nach oben und erblickte einen sehr gro-ßen, schönen Vogel. Von oben het flog er heran und trug einen alten Mönch von, wie ich meine, kleinerStatur unter seinen Schwingen. Als er über diese feuerspeiende, schmutzige Finsternis gelangt war, ließ

er den Mönch los und von oben mitten in das lieuer fallen. Die bösen Geister umringten ihn sofort undermunterten sich wechselseitig, ihm Schläge zu versetzen; da kam plötzlich derselbe Vogel herbeigeflo-gen, entriß den Mönch ihren Händen und trug ihn wieder nach oben.'

88 Dtttzutslcrlrn, Ekstatischet Flug (wie Anm. 85) S. 114 f.8e DINze rsacF{nn, Ekstatischer Flug (wie Anm. 85) S. 117 f.

()rnithomorphe PEchoponpai im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 19

69, fol. 7r) ltt. A.rtd"n bösen Schächer fliegen zwei dunkle entenartige Vögel, auf den gu-

ten Schächer aber zsrei helle Vögel mit menschlichem Antlitz zu (Abb. 9). Als Führer -nicht eines Toten sondern der drei Magier - tritt im Übrigen auch ein langhalsiger Vogel

auf dem northumbrischen Runen- und Bildetkästchen von Auzon ('Franks Casket')

auf91.

2 Der Kistenstein von Alskog kyrka

Ich komme nun zum Kistenstein von Alskog kyrka, der zu einer kleinen Gruppe

von Steinen zählt, die Lindqvist als Tiängvidegfuppe bezeichnet (Äbb. 10)e2. Die

figurenreichen Steine der Tiängvidegruppe, zu denen auch die Bildsteine Ardre VIIIe3

und Tiängvide Iea gehören, sind Lindqvists Abschnitt D zuzuweisen. Dieser wird von

Lindqvist in die zweite Hälfte des achtenJahrhunderts, neuerdings jedoch in das achte

bis zehnte Jahrhundert eingeordnete5. Den Stein von Alskog kyrka datiert Lisbeth

Imer insbesondere aufgrund der \Wagendarstellung in das zehnte Jahrhunderte6. Erwurde sekundär als Bodenplatte und Taufbeckenfundament genutzt, rechteckig zuge-

hauen, mit einer schalenförmigen Vertiefung versehen und durchlocht. Das Relief ist

stark abgetreten. Die Darstellungen, die uns im vodiegenden Fall weiterführen, befin-

den sich auf der Bildfläche ganz unten, auf der horizontalen Flechtbandborte, rechts

neben dem AbflusslocheT. Dort befindet sich eine teils durch die Durchbohrung be-

schädigte Darstellung eines Gebäudes, das dutch ein konvexes Dach angegeben wird.

In der rechten Ecke des überdachten Bereiches sitzt eine Frau mit langem Haar und

langem Gewand auf einem Klotzstuhl. Auf dem Gebäude befindet sich der beschä-

digte und vereinfacht dargestellte Körper eines großen Vogels, der seinen langen Hals

durch das Dach steckt und den weit aufgesperrten Schnabel in das Hausinnere richtet.

Unterhalb des offenen Schnabels liegt eine ureitere anthropomorphe Gestalt auf dem

e0 Canr NontrNpalr, Die Buchmalerei, in: Karl der Große - Werk und Wirkung. Zehnte Ausstellung un-

ter den Auspizien des Europarates, Aachen 1965,5.224-308, S.273 f., Abb. 69; lVorncaNc Kurae, Art.'Seele', in: Irxikon de r Christlichen Ikonogtaphie 4, '1972,5p.141'.

el Jüngst hat sich Ute Schwab mit der Bedeutung dieser außergewöhnlichen Figut auseinandergesetzt:

Urr ScHwan, Franks Casket. Fünfstudien zum Runenkästchen von Auzon (Studia Septentrionalia Me-

diaevalia 15) Süien 2008, S. 11,3ff.,Tfi.3.e2 LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1, S.49 f.e3 LrNoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig. 139.ea Lrxoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig 137.e5 Iuen (wie Anm.8).e6 IvEn (wie Anm.8) S. 100f., 105.e7 Eine ausführliche Beschreibung aller Bilder befindet sich wie gewohnt.im \ü/erk Sunc Lindqvists

(LrNoqvrsr [wie Anm.7l 2, S. 13-15). Eine weitere Beschreibung der Figuren, eine Zusammenstellung

ihrer bisherigen Deutungen und neue lnterpretationsansätze liefert Sigmund Oehrl (SIcrr'ruNo OEnnl,

Wieland der Schmied auf dem Kistenstein von Alskog kvrka und dem Runenstein Ardre k1'rka LIl * Zur

partiellen Neulesung und Interpretation zweier gotländischer Bildsteine, in: \WtruEr-v HeIzrlaNN u. a.

[Hgg.l, Analecta Septentrionalia. Festschrift für Kurt Schier [Ergänzungsbände zum RGA 65] Berlin -New York 2009, S. 542-550, Anm. 1 6).

20

Boden. Sie liegt in det Mitte des Raumes zu Füßen der Frau und scheint einen Leich-nam vorzustellen' Der Kopf der Figut ist zvat nicht erhalten, doch lässt die Form derBekleidung auf einen Mann schließen.

Die Komposition von Alskog kytka - eine sitzende Frau in einem Haus, in das einlanghalsiger Vogel seinen Kopfsteckt - ist auch aufdem Stein von Sanda kyrka I zu se-hen' obgleich die linke Ecke des Gebäudes von Alskog verloren ist, lässt sich hier an-hand der eng verwandten und besser bewahrten Hausszene von Sanda eine sitzendeMännergestalt etschließen. Es dürfte sich um dieselbe Konstellation handeln. DerSchreitvogel /Ktanich bzvz. Schwan von Sanda stößt den im Haus stehenden Kriegervon außen an und stupst ihn vor den Thron des Fürsten. Der langhalsige vogel änAlskog abet scheint den Mann regelrecht auszuspeien. Unmittelba-r unter dem aufge-sperrten Schnabel des Vogels, der nun ebenfalls als Schreitvogel, Kranich oder Schwanbestimmt werden kann, liegt det leblose Menschenkörp"r. D;"d.rr.h, dass der Kdegerauf dem Stein von Atskog als liegender Leichnam präsentiert wird, bestätigt sich Jung-ners Verdacht, der Eid Leistende von Sanda sei ein Toter. In beiden FäIlen witd einVetstorbener von einem Vogel in ein Gebäude im Jenseits verbracht und vor die Au-gen eines Götterpaares geführt. Im Fall von Sanda muss det Tote einen Waffeneid leis-ten. Im Fall von Alskog liegt der Tote als Leichnam vor den Füßen des paares, von demfreilich nut die Frau erhalten geblieben ist. Nur am Rande sei angemetkt, dass die realeBestattung des Toten links neben der Beschädigung zur Da.rtJlrr.rg gekommen seinkönnte' Dort ist ein liegendet Toter in einem simplifizierten ovalen Grab oder einemSatg zu sehen. Neben ihm kniet oder sitzt vermutlich eine Frau, hinter der sich ein Vo-gel (!) befindet. Möglicherweise stellt die darunter abgebildete Wagenfahrt einen wei-teren Abschnitt der Jenseitsreise dar. Tatsächlich werden auf einigen gotländischenBildsteinen Wagenfahre{innen von einer Walküre im Totenreict vrlttt ommen gehei-ßen' Gerd Wolfgang \ü7ebet hat sich mit den Bildern dieserJenseitsfahrt auseinander-gesetzt und literarische sowie archäologische Zeugnisse ,rrr"--..g.tragene8.

Letzte Zweifel datan, dass es sich bei den Hausszenen von S".rd^ ,rJd Alskog umzwei spielarten des gleichen Motivs handelt, werden ausgeräumt, indem wir die Dar_stellung rechts neben dem Gebäude von Alskog kyrka in äie Betracht.rng einbeziehen.Dort ist die gleiche Dreiergruppe zu sehen, die auf Sand a kyrkal unterhalb der Göt-terwohnung platziettwutde. Es handelt sich um drei schreitende Männer mit geschäf-teten Gegenständen auf der Schulter. Auch das rätselhafte Rondell hinter der Männer-gruppe kehrt auf dem Bildstein von Alskog wieder. In der Variante von Sanda schwebtdie Scheibe oder Kugel über einem gezackten,im Fall von Alskog jedoch über einemquadratischen Gebilde. Hausszene und Dreiergruppe schein.r, f"ri zusammenzugehö_ten. Im Übrigen tauchen Teile des Dreietgruppen-Motivs auch auf den Fragmentenvon Annexhemmanet I in Hemse auf9e. Es sind die überreste zweiet Männer mit

Sigmund Oehrl

e8 tüZnsrn (wie Anm.34).ee Tosrn Orro PLÄSSMANN, Über zwei gotländische Bildsteine, 1: Der Bildstein von Sanda, eine Rechts-

urkundederspätenWikingerzeit,in:EricGrafOxenstierna,DieWikinger,Betlinu. ^.21()59,5.24,1-245,s.242f .

Ornithomorphe Psycltoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 21

einem sichel- und einem spaten- oder hackenartigen Gegenstand zu erkennen. Hinterden Figuren befindet sich ein Rondell auf einer Ärt Tisch odet Plattform. Der Runen-bildstein von Annexhemmanet gehört in Lindqvists Gruppe E und dütfte in das elfte

Jahrhundert zu datieren sein.

Die Kombination von Dreiergruppe und Totenvogel-Szene verbindet die Kisten-steine von Sanda und Alskog mit dem Neufund von Fröiel. Im Übrigen sind die dreiBildsteine und die Fragmente von Annexhemmanet in einem recht geringen Umkreis(maximal 25 km) angetroffen worden. Während auf den Kistensteinen von Sanda undAlskog100 ein Schteiwogel/Kranich oder Schwan den Toten in das Haus eines Götter-paares führt, indem er ihn mit dem Schnabel stößt oder ausspeit, stupst das Pendantvon Fröjel den Verstotbenen vor die Walküre mit dem Trinkhorn. Durch die Walkü-ren-Variante von Fröjel wird der mythologische und eschatologische Kontext des Vo-gelmotivs von Sanda und Alskog erneut bestätigt. Auf allen dtei Steinen erscheint derVogel als Pslcbopompos, der den gefallenen Krieger zu Odin bringt - direkt nach Walhallodet zunächst in die Obhut einer \üfalküre, die einen Begrüßungstrunk bereithält. DetVogel dient der \üflalküre als Gehilfe oder scheint an ihre Stelle zu treten und ihre Funk-tion als Seelenführer zu übernehmen. Sollten auf dem Stein von Fröjel Krieger undWalküre tatsächlich einen Gegenstand austauschen, so wäre die Szene übrigens mitdem Paar unterhalb des Hallengebäudes auf Tiängvide I vergleichbar (Abb. 2).Lindqvist vetmutet hier ein Trinkhorn, das der Kämpfer mit der Axt überreicht be-kommt101. Meines Erachtens wäre die Darstellung einer vzeiteren Axt zu erwägen, dieder Krieger bei seiner Ankunft aushändigt. Ahnüches könnte auch im Fall von Fröjelangedeutet sein. Leider ist diese Stelle zu undeudich. Bevor ich zu den problemati-schen Deutungsversuchen der äußerst enigmatischen Dreiergruppe vorstoße, möchteich mich noch etwas ausfühdicher mit dem Verhältnis zwischen dem Vogel und derWalküre befassen und nach weiteren Belegen und Parallelen Ausschau halten, ummeine Ergebnisse zu bestätigen und zu konkretisieren.

3 Die Vogel-Affinität der nordischen $7alküren

Nach Aussage der Bildsteine von Sanda kyrka und Alskog kyrka hat der Vogelden Toten bzw. dessen Seele empfangen und direkt zu Odin nach Walhall geführt,während die prominente Frau mit dem Trinkhorn abwesend ist. Man möchte fast an-

100 SuneLindqvistvermutetinderHausszenevonAlskogkvrkaeineDarstellungdesgefesseltenLokiundseiner Frau Sigyn (Lluoqvtsr [wie Anm.7l 2, S. 14; LINoqvtsr [wie Anm.34l S.69). Über Loki sei eineSchlange zu sehen, deren Gift aus dem aufgesperrten Maul herabtropft (nach'Gylfaginning', Kapitel 50,Edition und Übersetz.ng LonaNz [wie Anm.20] S.581-583). Diese Interpretation mag zunächst ein-leuchtend erscheinen. Allerdings ist das Tier aufdem Dach kaum als Schlange anzusprechen. Außerdemist in der Hand der Frau kein Trinkgefäß zu erkennen, mit dem sie das Schlangengift auffangen könnte.Letztlich scheint Lindqvist die aufschlussreiche Nähe zwischen Alskog kyrka und Sanda kvrka I über-

,/ sehen zu haben.101 LrNoqvrsr (wie Anm.7) 2, S. 17.

22 Sigmund Oehrl

nehmen, der Vogel sei selbst eine Art Walküre. Ohne den Bildstein von Ftöjel zu ken-nen hat Karl Hauck bereits 1982 vermutet, dass der Vogel von Sanda kyrka I, den er als

Schwan anspricht, eine tiergestaltige Walküre darstellt102. Gegen diese Sichtweise

scheint nun iedoch die Aduentus-Variante von Fröjel zu sprechen, da sie Walküre undVogel nebeneinander darstellt und eine genaue Arbeitsteilung - der Vogel führt unddie Walküre begrüßt - vorführt. Vor diesem Hintetgrund wird erwägbar, dass die weib-liche Person, die mit dem Göttervater in Walhall thront, nicht dessen Gattin Frigg,sondern eine seiner Walküren darstellt, die gemeinsam mit ihrem Herrn in der Halleweilt und die Ankunft des Helden erwartet103. Zunächst gilt es, die Bildsteine Godandsnach weiteren Infotmationen zum Walküre-Vogel-Verhältnis zu befragen.

Tatsächlich gibt es einen weiteren Bildstein, der über die Funktion des Vogels Aus-kunft gibt. Es handelt sich um das Fragment des Kistensteins von Barshaldershed inGrödingbo (Abb. 11). Die Platte ist zu etwa 50o/o ethalten und bildet eine \üüagenfahtt

ab. Im \ü/agenkasten sizt bzw steht eine Gestalt, deren Haar - scheinbar als Zopf - bisauf den Nacken reicht. Es könnte sich um eine Frau handeln. Sie hält Zijrgel in derHand, die waagerecht übet den Rücken eines Pferdes zu dessen nicht bevrahrtemHaupt führen. Das Pferd schreitet über eine Hürde hinweg. Pferd und \ü7agen sinddurch eine Deichsel vetbunden. Hinter dem \üagen befindet sich eine weitere Figur intypischer Herrentracht, die hinter dem GeFährt her schreitet und es mit der Hand be-rührt, als wolle sie schieben. Vor der \üagenlenkerin erscheint eine Frau mit einemTrinkhorn in der Hand. Die Komposition hinter der Trinkhornfrau ist nicht leicht zudeuten und infolgedessen häufig missverstanden worden. Nachdem ich die Bildflächeselbst autopsiert habe, komme ich zu folgendem Schluss: Zwischen der Frau mit demHorn und dem Pferd befindet sich eine rechteckige Fläche, die von drei Bildelementenbegrenztwird. Die untere Längsseite bildet ein Teil der Zügel. Die obere Längsseite bil-det ein länglicher Gegenstand, vermutlich det Schaft eines rüTerkzeuges, in der ausge-

streckten Hand einer knienden Männergestalt. Die richtige Sichtweise dieser kopflosenFigur ergibt sich aus dem Vergleich mit der Darstellung obethalb der Dreiergruppe aufdem Kistenstein von Alskog kyrka. Dort handelt es sich um Wieland den Schmied 10a.

Die linke Schmalseite besteht aus einem langen Vogelhals. Der Vogel befindet sich un-mittelbar hinter det Trinkhornfrau und vrendet sich ebenfalls in Richtung $üagen105.

102 HANS DnEscsrn - K,rRl Haucx, Götterthrone des heidnischen Nordens, in: Ftühmittelalterliche Stu-

dien 16, 1982,5.237-301, S.259.103 Neil S. Price sieht in der Frau eine Velva (Seherin). In deren Gesellschaft trete Odin in der altnordi-

schen Litcratur häufiger auf (Nur S. Pnrcr, The Viking way. Religion and War in Late Iron Äge Scan-

dinavia IAun 31] Uppsala 2002,5.167).104 OEsnL (wie Anm.97) 5.544-550, Abb.4-6; s. auch:JönN Srarcran, Hjältar, kungar och guder.

Receptionen av bibliska element och av hiältediktning i en hednisk värld, in: Äsr Brnccnru - SrrraNAnvtossoN - ANN-MÄRI HÄnaNs (Hgg.), Minne och myt. Konsten att skapa det förflutna (Vägar tillMidgärd 5) Lund 2004, S.39-78, S.57.

10s Auch Anders Siegfried Dobat erkennt den Vogel, sieht darin jedoch scheinbar die stilisierte Darstellungeines ornithomorph verzierten Prachtkummets (ANDREs Stucnnteo Dooar, Bridging mythology and

Ornithomorphe Pslchoponpai im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 23

Auf dem langen, senkrecht aufgerichteten Hals sitzt ein kleines Köpfchen mit einem

kurzen Schnabel. Der Rumpf mit dem spitzen Schwanzgefieder und den beiden Beinen

ist zwischen dem Wagenkasten und dem Hinterteil des Pferdes positioniert. Die Kör-perform tdfft auf einen Schwan oder eine Gans zu. Innethalb der so eingerahmten Flä-

che befindet sich ein kleinet Vierbeiner, der sein Haupt in den Nacken wirft. Der Stein

von Barshaldershed kann nur grob in das achte bis elfte Jahrhundert datiert werden.

Lisbeth Imer plädiert für das zehnteJahrhundertl06. Sgie bereits erwähnt, hat Gerd

$TolfgangWeber gezeigt, dass die \üTagenfahrt dem Pferdedtt zur Seite zu stellen und als

Form der Jenseitsreise aufzufassen ist107. Die Wagenlenketin bzvz. der \Wagenlenker

von Ekeby kyrka108, Levide kyrka ltor (beide elftesJahrhundert)110 und Barshalders-

hed11i witd wie der Reiter von einer Frau begrüßt und mit einem Trinkhorn versehen.

Auf den Steinen von Levide kyrka und Ekeby kyrka wird der \Wagen von ienem Hundbegleitet, der auch den Reitern den \ü7eg zu weisen scheint. Die als Umzäunung des To-

tenreiches gedeutete Hürde, über die das Totenpfetd hinweg schreitet, ist auch auf dem

Fragment von Barshaldershed zu sehen. Auf dem Kistenstein von Alskog kytka ist

durch die Nähe zur \Walhallszene und der Darstellung eines Toten im Grab bzw Sarg

ein deutlicher Hinweis auf die Jenseitsreise gegeben. Belangreich ist \üTebers Hinweis

auf das Eddalied'Helreiö Brynhildar', in dem Brynhild nach ihrem Tod in einem \ü/agen

verbrannt wird und dann mit diesem ins Totenreich fährt [...] enn Brynhildr uar ä gdro

brend, oc uar hon i reiö, peii ergaduefon uar tioldud. Suä er sagt, at Brynbildr 6c rued reidinni ä belueg

ocfor an tün,lar ergygr noccor biril12. Auf dem Kistensteinfragment von Barshaldershed ist

also eine Walküre zu sehen, die eine Verstorbene bzvz. einen Vetstorbenen im Jenseitsmit einem Ttunk willkommen heißt. Ein schwanähnlicher Vogel schreitet dicht hinter

der \Walküre her und scheint gemeinsam mit ihr die Begrüßung vorzunehmen.Eine vergleichbare Konstellation ist auf dem Ftagment eines wikingischen Bild-

steins aus Sockburn (Sockburn Nr. 15)113 in [g1l2m festzustellen (Abb. 12). Aufeinem der beiden Fragmente eines so genannten'hogbacks'ist eine kopflose Frau mitlanger Schleppe erkennbar, die mit ausgestreckter Hand einen nicht mehr erhaltenen

Gegenstand vor sich hält. Dass es sich um den Überrest einer Begrüßungsszene, wie

106

107

108

109

110

111

112

belief. Viking Age functional culture as a reflection of the belief in divine intervention, in: Old Norse te-

ligion [wie Anm. 27] S. 184-188, S. 1 86).

Iurn (wie Anm.8) S. 101.

Wrnun (wie Anm.34).LtNoqvIsr (wie Anm. 7) 1, Fig. 180, 2, S.4l,I;ig.344; L,tIr.rrr.r - Nvlf N (wie Anm. 12) S. 87.

LINDevIsr (wie Anm.7) 1, Fig. 178, 2, S.96.

Wusrpnar (wie Anm.58) S.438 f.

L^MM - Nvr6u (wie Anm. 12) S. 103.

Prosaeinleitung, KunN - NEcKEL (wie Anm.31) S.219; Übersetzung (KRAUSE Iwie Anm.31] S.382):

,Aber Brynhild wurde auf dem zweiten IScheiterhaufen'] verbrannt, und sie war in einem Wagen, der

war mit kostbaren Stoffen bedeckt. So sagt man, dass Brynhild mit dem \Wagen über den Helweg fuhr

und zu einem Hof kam, auf dem eine Riesin wohnte.'

Nummerierung nach Rosnuanv Cnavn, Corpus of Anglo-Saxon Stone Sculpture 1: County Durham

and Northumberland, ()xford 1984.

24 Sig-rnund Oehrl

sie auf den gotländischen Bildsteinen auftaucht - also eine \ü7alküre mit Trinkhorn -handelt, hat bereits James T. Lang in Erwägung gezogen1l4. Tatsächlich beweise einweiterer Bildstein aus Sockburn, dass die Ankunft in Walhall auch im Progtamm dernotdenglischen Steindenkmäler eine Rolle spielt. Jenes Kreuzschaftfragment (Sock-burn Nr. 3) bilde demnach einen Reiter ab, der mit seinem Beizvogel auf der Hand indas Totenreich reist. Darunter sei derselbe Mann dargestellt, der inzwischen angelangtund abgestiegen sei und von einer \Walküre mit einem Ttinkhorn versorgt werde115.Die Walküre auf dem'hogback'von Sockburn wird interessanterweise von einem lang-halsigen Vogel begleitet. Er ähnelt einem Schwan oder einer Gans, befindet sich dichthinter der Frauengestalt und scheintihr zu folgen.

Nur unter großem Vorbehalt sei ein weiterer godändischer Stein angeführt, derein ähnliches Vogelgeleit abbilden könnte. Die schlecht bewahrten Darstellungen auf3.o" 1y116 in Halla sind von Gabriel Gustafson, Fredrik Nordin und Olof Söding un-terschiedlich gelesen worden 117. Sune Lindqvist entscheidet sich in seiner Publikationvon 1941 /1942 ffu eine von Gustafson, Nordin und Söding verworfene Lesung118.Die Abbildung zeigt eine außergewöhnlich große und wuchtige Frau, die ein langesTrinkhorn in die Höhe hält und einen Reiter begrüßt. Gustafson, Nordin und Sörlinghatten in ihrer endgültigen Zeichnung von 1913 eine andere Sichtweise bevorzugt(Abb. 13) 1le. Demnach handelt es sich um eine Frau von gewöhnlicher Körpergtöße,die ein Trinkgefäß mit sich führt und über deren Kopf ein langhalsiger vogel - einSchwan oder eine Gans - schwebt. Der Vogel scheint die Walküre zu begleiten und istebenfalls dem Reiter zugewandt. Da die Lesung strittig ist und keine neuere Bilddoku-mentation vodiegt, werde ich die Darstellung von Broa IV nicht in meine Überlegun-gen einbeziehen.

Als besonders aufschlussreich könnte sich die Begnißungsszene auf dem Bild-stein Hunninge 4 in Klinte (Klintebys) erweisen. Hier wird ein Reiter mit einem Beiz-vogel von einem Hund begleitet und von einer Frau mit einem Trinkhorn willkommengeheißen (Abb. 14). Det Hund ist oberhalb des Reiters zu sehen. vor dem Hundscheint sich die leicht beschädigte Darstellung eines Vogels zu befinden120. Offenbarfliegt er dem Pferd und dem Hund voraus. Sune Lindqvist geht nicht näher auf die Ge-stalt des Vogels ein. Meines Etachtens ist der lange Hals des schwanenartigen Tieresnach unten gerichtet, wobei dessen Haupt hinter dem Kopf der \Walküre zu vermurenist (Äbb. 15). Das Stoßgefieder steht waagerecht ab und 'weist in Richtung des Hun-

114 J,ruus T. Lauc, Illustrative Carving of the Viking Period at Sockburn-on-Tees, in: Archaeologica Ae-liana, 4. Serie 50, 1,972, 5.235-248, S. 241, Fig. 1 f.

r15 Richard N. Bailey deutet die Bilder in gleicher V/eise (RIcnano N. B,uruv, Viking Age Sculpture inNorthern England ICollins Archaeology] London 1980, S.136, Pl. 39).

116 Ltuoqvrsr (wie Anm.7) 1, Fig 117.117 LtNoqvrsr (wie Anm.7) 2, S.61, fig.381-384.118 LrNoqvrsl (wie Anm.7) 1, Irig. 105, 1,16,2,Fig.383.1le LrNoqvIsr (wie Anm.7) 2,Fig.382,384.

'20 Fbd. s.91.

Ornithomtrrphe Pslchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 25

demaules. Die Schwingen sind ausgebreitet und ein klobiges Beinchen weist nach un-ten. Es macht den Eindruck, als fühte der Vogel den Reiter vor die \ü7alküre. Sollte

diese Sichtweise - die noch am Original zu überptüfen ist - dchtig sein, dann bestätigtHunninge 4 die durch Fröiel, Sanda und Alskog etschlossene Vorstellung vom vogel-gestaltigen Seelengeleiter.

Die Kompositionen von Batshaldershed und Sockburn verstärken den durch die

Darstellungen von Fröjel gewonnen Eindruck, dass Vogel und \7alküre zwei eigenstän=

dige Individuen sind, wobei das Tier der Frau zu dienen scheint. Allerdings sind zwei

weitere Bilder anzufuhren, die andeuten könnten, dass die Zusammengehörigkeit bei-der Charaktere doch tief greifender ist. Auf dem Bildsteinfragment IV von St. Ham-mars in Lärbro, das zusammen mit einer Reihe weiterer Steine das Monument von Däg-gäng bildet121, ist oberhalb einer großen Schiffsdarstellung ein Register mit einer

Willkommensszene teilweise erhalten geblieben (Abb. 16). Der Überrest eines Reiters,

dessen Pferd über zwei dteieckige Hürden hinwegsteigt, ist etkennbar. Hinter dem Rei-

ter befindet sich eine Frau mit langem Kleid und Haarzopf, die einen Ring oder - inNachfolge der antiken Victoria - einen Kranz empor hält. Vor dem Pferd steht eine

\Valküre mit langer Schleppe, die einen Kessel oder Eimer in der Hand h:ilt, um den An-kömmling zu bewirten. Der Kopf der \ü7alküre ist nicht erhalten geblieben. Bemetkens-

wert ist die Partie hinter dem Rücken der Figur. Ein Bündel aus zwei ungleich langen,etwa bis zur Schleppe reichenden und am unteren Ende leicht eingebogenen Strängenkann - folgt man Sune Lindqvists Beobachtungl22 - keinesfalls als überdimensionierterHaarzopf gewertet werden. Det Haarzopf ist nämlich als kleiner Fortsatz, vergleichbarmit der Haaftracht det'Victoria', im Schulterbereich der Frau, dicht am Körper festzu-stellen. Das Gebilde dahinter scheint somit einen aus zwei stilisierten Federn bestehen-den Flügel oder ein Flügelpaar darzustellen. Auch hier mag das Bild der antiken Victoriaeingewirkt haben und uminterpretiert worden sein. Eine vergleichbare \ü7alkürendar-

stellung ist oberhalb des Schiffes auf dem Bildstein III von St. Hammars zu sehen

(Abb. 17). Auch hier mutet das lange Gebilde zunächstwie ein außetgewöhnlich langet

Haarzopf an, doch Sune Lindqvist erkennt einen kurzen Haarknoten und Meißelspu-ren, die auf eine Verbindung zwischen dem langen Gebilde und dem Rücken detFrauenfigur hindeuten. Wie im Fall des unmittelbar neben Stein III angetroffenen Frag-mentes IV, dütfte auch hier ein Flügel zur Darstellung gekommen sein 123. Die rü7alkü-

renvariante von Däggäng lässt auf ein Mischwesen oder eine Metamorphose schließen

und könnte als Hinweis darauf gewertet werden, dass der Vogel mehr als bloß einen Be-gleiter, Partner oder Diener der Walküre darstellt. Das Verhdltnis zwischen beiden N7e-

sen scheint noch intimer zu sein: Es besteht eine physische Zugehörigkeit.Die Nähe der \falküten zu Rabe und Krähe, die in der altnordischen Literatur

festzustellen ist, liegt in deren gemeinsamer Intetessenssphäre - das Schlachtfeld und

121 Ebd.2, S.83_86, Fig.442.122 Ebd.2, s.88.123 Fbd. s.97.

26 Sigmund Oehrl

die dort ^r,zr)tteffenden

Leichname - begdndet. Dass darüber hinaus eine'genetische'Verbindung besteht und die Iüalküren auf Leichen fressende Todesdämonen in Raben-gestalt zurückzuftihren sind, ist zwx erwogen worden 124, gilt iedoch heute als zweifel-haftt2s. zu nennen wären insbesondere die walküre im Kdhenhemd (kräkabanr)im ersten Kapitel der 'Vqlsung a sa.ga'126, der Dialog zwischen einer $7alküre und einemRaben im 'Haraldskvröi' ('Hrafnsm^1')127 und eine Reihe von Raben-Kenningart2swie beispielsweise Hildar haakr (,Habicht der Hild' = Rabe), die mit Hilfe einer Vogel-bezeichnung und eines S7alkürennamens gebildet werden. Außerdem die Bezeichnungeines Raben als wonn welceasega (,dunkler Auswähler der Gefallenen') in det alt-englischen'Exodus' 12e. Kad Haucks Einschätzung, die auf den völkerwanderungszeit-lichen Goldbrakteaten auftretenden vogelgestaltigen Helfer des göttlichen pferde-heilers seien als krähengestaltige Walküren zu deuten, ist durchaus anfechtbarl30. DieDarstellung einer Frau mit Kleid, Umhang und einer Art Vogelmaske mit gekrümmtemSchnabel auf einem der Textilfragmente von Oseberg (Fragment 78) könnte jedoch aufeine \ü7alküre im Krähenhemd oder vergleichbare Vorstellungen hindeuten (Abb. t g; rlr.

12a GustavNrcxrr,Walhall.StudienübergermanischenJenseitsglauben, l)ortmund1913,S.78f.12s Kraus voNI Se E u. a', Kommentar zu den Liedern der Edda 4: Heldenlieder. Helgakviöa Hundingsba-

naI, Helgakviöa Higrvatössonat, Helgakviöa Hundingsbanall, Heiderberg2004,s.2()9f.126 Kaa,ren Grimstad übersetzt iedoch han [. . .] bra a fig kraka ham mit,she assumed the shape of a crow.

(Vplsunga saga. The Saga of the Volsungs. The Icelandic Text according to MS Nks 1824 b,4o. With anEnglish Translation, Introduction and Notes by KaanEN Gnrvsrao [Bibliotheca Germanica, SeriesNova 3l Saarbrücken 2000, S.78f.). Zu vergleichbaren Vogelhemden in der altnordischen Literatur:Kuus voN Srn u. a., Kommentar zu den Liedern der Edda 2: Götterlieder. SkirnismäI, Härbarösli6ö,Hymiskviöa, l,okasenna, Frymskviöa, Heidelberg 1997,5.532-534. Zu verglcichbaren Vogelhemdenbzw. Vogelhüllen oder Metamorphosen in der germanischen Bildüberlieferung: OrHnr- (wie Anm.97)s.5.53 f.

127 Strophe I ff., FnrNun Jörvssor.r (wie Anm.21) A 1 S.24ff.,B 1, 22ff.128 Ruoorp MEISSNER, Die Kenningar der Skalden (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germani-

schen Philologie und Volkskunde I ) Bonn - Leipzig 1921, s. 1,21. S. auch: HanrHa Manquanor, l)iealtenglischen Kenningar. Ein Beitrag zur Stilkunde altgermanischer Dichtung (Schriften der Königs-bcrger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse 14:3) Halle a. S. 1938, S. 190.

r2e voN Sru u. a. (wie Anm. 125) 5.299.13{) KARL Haucx, Die Arztfunktion des seegermanischen Götterkönigs, erhellt mit der Rolle der Vögel auf

den goldenen Amulettbildern. Zur Ikonologie der Goldbrakteaten 15, in: Kunr-Urnrcu JAscHrr -RrtNsRno rVtNsrus (Hgg.), Festschrift für Helmut Beurnann ztm 65. Geburtsrag, Sigm ringen 1,977 ,S.98-116' S. 114f.; Kanr Haucx, Wielands Hort. Die sozialgeschichtliche Stellung des Schmiedes infrühen Bildprogrammen nach und vor dem Religionswechsel, in: Kungl. Vitterhets Historie och Antik-vitets Akademien, Antikvarisk Arkiv 64, Stockholm 1,97'7,5.12f. Auch Haucks Deutung vogelförmigerFibeln und Beschläge als schwanengestaltige Walküren vermag ich nicht techt zu folgen (Haucx Iebd.ls.12f., 15,20, Abb. 9, 11).

131 Anue ErraIr CHnrsrENsrN - Mlncaner,r, Nocrrrr, Osebergfunnet 4. Tekstilene, Oslo 2006, S.52.Eine vereinfachte Form dieser Darstellung ist anscheinend aufeinem der gewebten Bilderstreifen vonÖverhogdal zu sehen (Streifen Ia). Tatsächlich hat bereits Karl Hauck d.iese eigenartige Figur als $Ual-küre angesprochen (Haucr, wielands Hort [wie Anm. 1301 s. 13, 15, 1g-20, Abb. 6). Unverhofft wirdHaucks Sichtwcise nun durch den Vergleich mit Oseberg vertretbar. Ausführlich zu övcrhogdal mitgroßen Farbabbildungen: RurH HoRNETJ, Bonaderna frän överhogdal, östersund 1991.

Ornithomorphe Pslchaponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 27

Weitere weibliche Gestalten mit einer Art Federgewand sind u. a. auf Goldblechfigtir-chen ('guldgubber') vermutet worden132. Erw'ähnenswert sind ferner die auffälligenBerührungspunkte mit wegraffenden und Leichen fressenden Todesdämonen derAntike - Keren, Harpyien und Erinyen133. Sie sind bisweilen mit Flügeln und Vogel-krallen ausgestattet, tr^gen die Verstorbenen in das Totenreich und werden in alteng-lischen Glossaren mit dem Wort walcyige, das dem altnordischen ual@ria entspricht,bezeichnet (Abb. 19) 13a.

Jüngst hat Matthias Egeler den Bogen noch weiter gespanntund verblüffende Parallelen zwischen den \Walküren, mediterranen, keltischen undvorderasiatischen Todesdämoninnen mit Aasvogel-Äffinität aufgezeigrl3s. Ob antikeVorstellungen dieser Art auf die Walkürenvariante von Däggäng eingewirkt habenkönnten, bleibt offen. Auch mag es angesichts dieser Anhaltspunkte verführerischsein, die in den Schlachtfeld- bzw. Opferszenen von St. Hammars I136 und Tängel-gfuda 1137 auftretenden Vögel als blutninstige Todesdämonen, als Leichen fressende

V/alküren in Rabenges talt zu interpretieren 138. Unmittelbare Hinweise darauf sind ie-doch nicht erkennbar. Möglicherweise kann die Walhall-Komposition von Ardre VIIIund Tiängvide I (Abb. 2) als Indiz gewertet werden. Dort befindet sich neben dem

132 tWILHpLtrr HEIzunNN, Freyja, in: ULRTCH MüLLIR - VERNTn WuNonnrrcn (Hgg.), Verführer, Schur-

ken, Magiet. Mittelalter Mythen 3, St. Gallen 2001, S. 283, Abb. 5-6.133 Auf diese hat bereitsJacob Grimm hingewiesen (Jacoa Gnrvv, Deutsche Mythologie 1-3. Um eine

Einleitung vermehrter Nachdruck der 4. Auflage, besorgt von Erano H. MEven, Berlin 1875-1878,

Grm a't968, 1, S. 354).r34 \,rep Sns u.a. (wie Anm. 125) S.300f.; zu den Harpvien (mit Abbildungen): \Jürlunru HnrNnrcn

Roscnrn, Art. 'Harpyia', in: Ausführliches Lexikon de r griechischen und römischen Mythologie 1, Abt.2. Euxistratos bis Hysiris. Vorläufige Nachträge zu Band 1, 1886-1890, Sp. 1842-1847. Weitere Abbil-dungen in: Mar,rnras EcELER, Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischcn Walkürenvor-stellungen, in: lü(/IrsrI-u Hrtzrr.r,rNN u.a. (Hgg.), Analecta Septentrionalia, Irestschrift für Kurt Schiet

(Ergänzungsbände zum RGA 65) Berlin - New York 2009, 5.393466 (insbesondere lrig.8-10).135 Ecpttn (wie Anm. 134); Marrnlas Ecrlrn, Textual Perspectives on Prehistoric Contacts: Some Con-

siderations on llemale Death Demons, Heroic Ideokrgies and the Notion of Elite Travel in European

Prehistory, in: The Journal of Indo-E,uropean Studies 37 , 2009, 5.322-341; Ma'r'rnras Ecnrnn, Wal-

küren, Bodbs, Sirenen. Gedanken zur religionsgeschichtlichen Änbindung Nordwesteuropas an den

mediterranen Raum (Ergänzungsbände zum RGA 71) Berlin - New York 2011.116 Lruoqvtsr (wie Anm.7) 1, l'-ig.81,2, S.86f. Zum Menschenopfer von St. Hammars I und seinen

Parallelen: SrcuuNo OEHnr, Neue Erkenntnisse über die schlecht bewahrten Darstellungen auf dem

gotländischen Bildstein Hangvar kyrkall, in: Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersach-

sen 27, 2008, S. 169-176. Karl Hauck meinte den Vogel über dem Altar von St. Hammars I als Odin inAdlergestalt identifizieren zu können, der das Menschenopfer in Empfang nimmt (2.B. Haucx [wieAnm.38l S.306 ff.).

r37 LrNoqvIsr (wie Anm.7) 1, llig.86, 2,5.92f., Fig.450. Eine vergleichbare Darstellung ist beispielsweise

auf einem Kreuzstein von Kirk Michael auf der Isle of Man zu sehen (PHIrtn MooRE CALLo'n KER-

voot, Manx Crosses. With an lntroduction by D,rvIo M. rJüIlsoN, London 21994,P1. LI, 101A).138 Die Runeninschrift auf dem Stein von Eggia in Norwegen könnte darauf hinweisen, dass Odin in Fisch-

oder Vogelgestalt die gefallenen Krieger abholt und in das Totenreich bringt. Die ksung ist allerdings

außerordcndich unsicher (zusammenfassend mit weiterführender Literatur: GERD H@sr, Art. 'Eggja',

in: RGA 23,1986,5.460-466; Kraus Düwur, Runenkunde, Veimar 42008, S.40-42).

28 Sigmund Oehd

ankommenden Reiter, zwei gefallenen Kriegern und einem schwebenden Speer einGreif- oder Rabenvogel, der auf odins Halle zufliegt13e. Geleitet er die Toten, die mitdem Speerra0 Odin geweiht sind, nach \)falhalll41? Schließlich ist auf den enigmati-schen Frau-Pferd-Vogel-Hybrid auf der rechten Seite (Flotentiner Platte) des north-umbrischen Runenkästchens von Auzon ('Franks Casket') hinzuweisen (ltbb. ZgSr+2.

Die geflügelte Kreatur sitzt mit einem Pflanzenstängel in der Hand auf einem(Grab-)Hügel und scheint von einem bewaffneten Krieget aufgesucht zu werden.Alfred Becker deutet die Darstellung als Leichendämonin und Bestimmerin des Hee-resschicksals (we/c1ige), Kad Hauck sieht in ihr eine \ü7alküre in Fluggewandungl+:.Auffallend ist zumindest, dass die Figur drei Formen des gotländischen Seelengelei-tets - Pfetd, Vogel und Frau - in sich vereint und einen Ktieger empfängtlaa. Darüberhinaus befindet sich neben dieser Empfangsszene ein Pferd, zwischen dessen Extre-mitäten zwei Dreipass-Symbole platziert sind. Dieses Symbol ('valknuter' oder Hrung-nis bjarta) kehrt auf den gotländischen Bildsteine n zvrischen den Beinen des Totenpfer-des wiederlas. Am Haupt des notthumbrischen (Toten)Pferdes ist ein Kelch zu sehen,der als Willkommenstrunk gedeutet werden könnte. Untethalb des Pferdes fliegt einVogel.

13e AufbeidenSteinenistdetV<rgelnurunvollständigerhaltenundschlechtzuerkennen(LlNoqvrsr[wieAnm. 7l 2, S. 16 f ., 23). Ka;tl Hauck liefert eine Rekonstruktion: Haucr (wie Anm. 38) Taf. XVIII:38.

1a0 Ein Speer schwebt auch über den Schiffen von St. Hammars I und Stenkvrka kyrka 46 (LrNoqvtsr [wieAnm.7l 1, Abb. 81,2, S.86; Suxa LtNoqvIsr, Bildstensfynd vid kyrkorestaureringar, in: GotländsktArkiv Meddelanden frän Föreningen Gotlands Fornvännet 28, 1.956, Bild 1). Er kennzeichnet dieBesatzung als dem Kriegsgott und somit dem Tod geweiht: Prrnn Prulrn, ,,Fluchweihe" oder,,Weihe-fluch": lmitative Kampfesmagie bei den Germanen nach dem Zeugnis von Runeninschriften, in:Studien zur Sachsenforschung 13, 1999, S.309, Abb. 2. Peter Pieper liefert auch eine Zusammenstellungder literarischen Belege. Zu Odin und dem Todesspeer ausfühdich: KuHN (wie Anm.72). Zur Odins-weihe mit dem Speer s. unren AbschnittlV

141 HaNs DnrscnER - Kanr Haucr (wie Anm. 102) S.281 ff.; Haucx (wie Anm.38) S.301 f. Hauck siehtin dem Vogel Odin.

1a2 Atrnno BECKER, Franks Casket. Zu den Bildern und Inschriften des Runenkästchens von Äuzon(Sprache und Literatur Regensburger Arbeiten zur Anglistik und Amerikanistik 5) Regensburg 1973,Abb. 4; Scnwan (wie Anm.91) Taf.2.

143 Bucxrn (wieAnm. 142)5.48-54;Haucx(wieAnm. 130)S. 12f., 15f.1aa SIctrluNo OrHnr, Kindsmord und Buße der kymrischen Flügelstute und die missglückte Pilgerfahrt

einer rätselfreudigen notthumbrischen Taube: Ute Schwabs Deutung des l-ranks Casket, Rezension zu:Urr ScHwan, Franks Casket. FünfStudien zum Runenkästchen von Auzon (Srudia Septentrionalia Me-diaevalia 15) Wien 2008. In: lASlonline. URL: http://ww.iaslonline.de/index.php?vorgang_id=2950(18 f.).

ras LrNnqvrsr (wie Anm.7) 1, Irig.85 f., 103, 110. Der Dreipass erscheinr auf den Bildsteinen häufig undbegleitet beispielsweise auch das Totenschiff (LrNoqvlsr [wie Anm.7l 1, Fig.79) und das Menschen-opfer von St. Hammars I in Lätbro (Lrnoqvlsr [wie Anm.7l 1, Fig.81). Auf Lillbiärs lll in Stenkyrkabesteht der Dreipass aus drei Trinkhörnern und beweist somit die enge Verknüpfung des Symbols mitdem Motiv des Jenseitsempfangs (Lntoqvrsr [wie Anm.7l 1, Fig. 112).

Ornithomotphe Pslchoponpoi im Bildprogramm dcr gotländischen Bildsteine

Mit Rabenvögeln haben wir es auf den oben besprochenen Bildsteinen freilich

nicht zu tun. Es dürfte sich um einen Schreiwogel (Storch) bzw. Kranich 146 odet einen

Schwan bzw. eine Gans handeln. Einen literarischen Hinweis danuf, dass rü7alküren

bisweilen in Gestalt von Schwänen auftreten können, liefert die'Velundarkviö^'147.

Dort heißt es von den geheimnisvollen Frauen, denen Wieland und seine Brüder

begegnen: Ein nam |eira Egil at ueria, / fpgr nerfra,faöni lirison; / pnnor uar Suanhuit, suan-

faörar dr6; / enn in fiöia, |eira ystir, / uaröi huitan häls Vslundar 148. In de1 vorangehenden

und der folgenden Strophe werden iene Frauen als Fremdwesen (a/uit) bezeichnet, die

Macht haben, Schicksale zu bestimmen (orlog drygia)lae. Det Kompilator des 'Codex

regius' bezeichnet diese \ü7esen als $7alküren. Snemma of morgin fundo leir fWteland und

146 Der Kranich spielt in der altnordischen Überlieferung eine vergleichsweise geringe Rolle und trittmeist - insbesondere in Bearbeitungen kontinentaler Stoffe - als exklusive Jagdbeute auf (etwa im

'strandar strengleikr', um nur ein Beispiel zu nennen: RoBERT Coor - MATTTAS Tvut.r,rruE, Strenglei-

kar. An Old Norse Translation of Twenty-one Old French Lais. Edited from the Manuscript Uppsala

De la Gardie 4-7 - AM 666b,4" INorsk Histotisk Kjeldeskrift-Institutt, Norrone Tekster nr. 3l Oslo

'1979,5.202). Relativ häufigwird tranibzw. tranaa,ls Epitheton verwendet (GuNrEn MÜrlnn, Studien zu

den theriophoren Personennamen der Germanen [Niederdeutsche Studien 17] Köln - !üien 1970,

S. 108, 186, 238 f.). Nur gelegentlich wird der Kranich mit dem Komplex'Kampf und Tod'verknüpft.

So erscheint in den'Fulur', die in den Handschriften der'Snorra-Rdda' überliefert sind, Trani als

Schwertname (FrNNunJöNssou Iwie Anm.21] S.663). Ferner tritt der Kranich in Rabenkenningar wie

hjaLlrs trani (,Kranich des Kampfgetümmels') rnd blöötrani (,Blutkranich') in Erscheinung (MutssNnn

[wie Anm. 128] S. 121). ln Strophe 17 der,Hamöismäl'wird offenbar der am Galgcn Gehängte als

,Aufreizung/Anreizung/Reiz des Kranichs' umschrieben. Die Bedeutung des zugehörigen Yerbs Qitaist unklar: 1...j tlitti a trpno |taQt [...] (Kunu - Nrcxu [wie Anm.31] S.271). Die Kenning ist ganz

enigmatisch. Sie könnte iedoch mit der Verwendunp;von lrani in skaldischen Rabenkenningar zusam-

menhängen und somit auf den aasfressenden Raben abzielen, der von den Leichnamen auf Hinrich-

tungsplätzen angelockt rvird (Huco GenINc, Kommentar zu den Liedern der Edda. Nach dem Tode

des Verfassets hg. von B. St.;tr.toNs. Zweite Hälfte: Heldenlieder, Halle a. S. 1931, S.437 f.). Von frauen,

die sich - dem Motiv der Schwanenjungfrau entsprechend - mit Hilfe einer VogelhiJlle (ltanr) in einen

Kranich verwandeln und eine Liebesbeziehung mit einem Menschen eingehen, ist in der nachmittel-

alterlichen'Ülfhams saga'ausführlich die Rede (AjarHErjun Gujnundsdöttir IHg.l, Ülfhams Saga. Aöal-

hciöur Guömundsdöttir sä um ütgäfuna og ritaöi inngang Stofnun Ärna Magnüssonar är islandi lfut53] Reykjavik 2001, S.56). Dieser Komplex witd bereits in den'Ülfhams rimur'('Varptökkur'), auf

denen die Saga beruht, angedeutet (rima 4, Strophe 27-23 tnd rima 5, Strophe 34 f., FINNUn JöNssolv

IHg.], Rimnasafn. Samling af de eldste islandske Rimer 2. Udgivet fot Samfund til udgivelse af gammel

notdisk litteratur [STUAGNL 351 Kopenhagen 1.91.3/7922, S. 151 f., 159 ff.). Um Walküren handelt es

sich bei diesen Damen aber augenscheinlich nicht. Hjalmar Falks Vermutung, der Gott Hcenir habe mit

dem Kranich zu tun, ist haldos (H;anran Farr, Med hvilken ret kaldes skaldesproget kunstigt? In: Ar-

kiv för Nordisk Filologi, Ny Fölfd 1, 1889, 5.245-277,5.259).147 Kr,tus voN SEE u. a., Kommentar zu den Liedern der Edda 3: Gtitterlieder. Vplundarkviöa, AlvissmäI,

Baldrs draumat, Rigspula, Hyndloliöö, Grottaspngr, Heidelberg 2000,5.1,22f.1a8 Strophe2,KunN-NrcrEr(wieAnm.31;S. ll7;Übersetzung(Knausr[wieAnm.31]S.234):,Eine

von ihnen umarmte F,gill, / die schöne Maid der Menschen, an der weißen Brust. / Die zweite war

Swanhwit ISchwanenweißel, sie trug Schwanenfedern; / und die Dritte, ihre Schwester, / umschlang

Völunds weißen Hals.'1ae Strophelund3,KuHN-NEcKEr(wieAnm.31)S. 117;Übersctzung:KnnusE(wieAnm.31)S.234f.

29

30 Stgmund Oehrl

seine beiden Brüderl ä uatqstrgndo konor priär, 0c spunnl /in. bar uriro hiä lein älptarhanirpeira. Itat uöro ua/@,ior. [...] beir bdöo ]er bein til scäla med sir. [...] bau biogo siau uetr.

bäflugo Par at uitia uiga oc qudmo eigi aptr150. Dass die geheimnisvollen Schwestern undihre Vogelhemden bereits auf dem Bildstein von Alskog kytka oberhalb der \Talhall-szene dargestellt sind, habe ich an anderer Stelle zu zeigenversucht15l. Ahnüche \Xzal-

kürenvorstellungen, die mit dem Motiv der Schwanenmädchen und der gestörtenMahrtenehe zusammenhängen, sind in 'Helreiö Brynhildar' anzutreffen. Dort spieltdie \7alküre Brynhild auf den Raub ihrer Vogelhülle an Lit hami aära bugfallr konangr, /ätta ystra, undir eic boit; 1...I 152. Der insbesondere für Sigurds und Gudruns Tochterbelegte Name Swanhild (,Kampf-Schwan') dürfte ein \ü/alkürenname sein, der auf einein Schvranengestalt auf dem Schlachtfeld agierende $7alküre hinweistls3. Hier sind dieum 1400 entstandenen'Griplur'und die darauf basierende'Hrömundar saga Gripsso-nar'aus dem lT.Jahrhundert zu nennen, die letztlich auf eine nicht bewahrte *'Htö-mundar saga' zurückzuführen sind. In der'Hrdmundar saga Gripssonar'heißt es vonder Frau des Helden Helgi, die in'Helgakviöa Hundingsb".r" gn.t.'als \Walküre 15a be-zeichnet wird: Einföl@nngiskona uarlar konin i äfnr ban. Hün gilaöi neö suä niklan ga/-dralätum, at engigädi at ueja sik Ö/ä7t ,nooo. Flaug hinjtfr|ä Gripsslni ok söng hätt. Hin bitI'ära [Kira] lss. Schließlich aber tötet Helgi seine schwanengestaltige \X/alküre verse-hentlich im Kampf: Filla hans ltit llra [KlraJ, si sem par uar i äfnrliki. Helgi reiddi suä hättsuerö sitt upp.lfr sik, atlat hik sundrfitleg älftarinnar, ok renndi suerdit ofan i aöllin upp at hjö:t-

tum, ok nahi: Nü er nin beillfain, ok illa tdkst til, er ek missta lin 1s6. Die Verbindung von

l50 Prosaeinleitung, KunN - NrcrEr (wie Anm.31) s. 116; übersetzung (Knausr [wie Anm.31]S'233f.): ,Früh am Morgen entdeckten sie am Seeufer drei Frauen, und die spannen Linnen. Bei ihnenlagen ihre Schwanenhüllen. l)as warenrr)0alküren. [...] l)ie Brüdernahmen sie mitin ihr Haus. [...]Siewohnten sieben Winter zusammen. Dann entflogen die Frauen um Kämpfe aufzusuchen, und sie ka-men nicht zurück.'

151 Orunr (wie Anm.97) S.549 f., Abb. 8, 10.152 Strophe6,KusN-Nrcxcr(wieAnm.3l;S.220;übersetzung(Kn,rust[wieAnm.31]s.3g4):,Der

muwolle König nahm unsre Hüllen, / von acht Schwestern, unter die Eiche getragen. [ . . . ].,l5l Kuus voN Srr u.a., Kommentar zu den Liedern der Edda 6: Heldenlieder. Brot af Siguröarkviöo,Guörünarkviöal, Siguröarkviöa in skamma, Helreiö Brynhildar, l)räp Niflunga, Guödnarkviöall,Guörfnarkviöa III, Oddrunargrätr, Strophenbruchstücke aus der Vplsunga saga, Heidelberg 2009, S. 445 f.

154 Prosaschluss,KunN-NncxEr(wieAnm.31)S. 161;Üb.tsetzung'Kn,rusr(wicAnm.31)S.296.Dortist auch von einem eigenständigen Lied über Kära die Rede 1x'g6to1, ' ö'), das bedauerlicherweise nichtüberliefert wurde.

15s Kapitel 6, GuiNI J6NssoN (Hg.), Fornaldar Sögur Noröurlanda 2, Reykjavik 1950, S.416; übersetrung(Nona Ktnsnaq Stories and Ballads ofthe far Past. Translated from the Norse [Icelandic and Faroese]with Introductions and Notes, Cambridge 1.921,5.72):,A witch had come among them in the likenessofa swan. She sang and worked such powerful spells that none ofOlaft men took heed to defend them-selves. Then she flew over the sons of Greip, singing loudly. Her name was Kara..

r5(' Kapitel 7, GuöniJ6nsson (wie Änm. 155) S.417; Übetsetzrng (Krnsnaw [wie Anm. 155] S.73): ,Hismistress'name was Kara * she who was present in the form of a swan. Helgi brandished his sword sohigh over his head that it chopped off the swant leg. He drove the sword down into the ground as far as

the hilt, and said: My luck has fled now; and it was bad business when I missed you..

Ornithomorphe Psychoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 31

Schwanenmädchen- und \ü7alkürenmotiv steht im Verdacht, eine relativ junge Erschei-nung zu seinls7. Das Auftreten der Vogelhemden in der \Tielandszene auf dem Kis-tenstein von Alskog kyrka scheint den Komplex jedoch bis in die Zeit zwischen 800

und 1000 zu rücken1s8. Allerdings ist der Vogel auf dem neuen Bildstein von Fröielmit seinen langen Beinen nur schwer als Schwan anzusprechen. Dennoch stellt sich die

Frage, ob die in der vodiegenden Untersuchung vorgestellten Bilddarstellungen vordiesem Hintergrund eingeordnet und als frühe Zeugnisse der Affinität zwischenSchwan und \Walküre gewertet werden dürfen. Die langhalsigen Vögel, die den Totenführen oder die Walküre begleiten, wären somit als Walküren in Schwanengestalt zuverstehen. Die Variante von Däggäng mag die Metamorphose oder einen archaischen,harpyienähnlichen Mischwesentyp der \üüalküre repräsentieren. Erwähnenswert ist indiesem Zusammenhang noch der Neufund von Stenbro in Silte 1se. Hier schreitet dichthinter der \ü7alküre mit dem Willkommenstrunk anstatt eines Vogels eine weitere Frau-enfigur einher (Abb. 21). Handelt es sich womöglich um die gleiche \ü7alküre, die aufden Steinen von Barshaldershed und Sockburn in Vogelgestalt auftritt160?

Auch wenn unklar bleibt, wie die ornithomorphen Pslchoporzpoi auf den gotländi-schen Bildsteinen des achten bis elftenJahrhunderts zu erklären sind - als frdrhe Zetg-nisse der \Walküre in Vogelgestalt oder als ihr litetadsch nicht überlieferter Helfer -fällt vor dem Hintergrund ihres Auftretens eines ins Auge: Neben dem Totenschiffgehören langhalsige \üasservögel zu den häufigsten Motiven auf den gotländischenBildsteinen des sechsten und siebten Jahrhunderts (Gruppe B). Die Steine von StoraRingome 161 in Alva, Stenstu162 in Hablingbo und Rikvide (Abb. 22) 163 in När bildenzwei antithetisch angeordnete Vögel und ein Schiff ab. Die Bildsteine Smiss Il6a inGarda und Broa IV16s in Halla zeigen nur einen Vogel und ein Schiff. Auf dem Steinvon Bringes (Abb.23)166 in l{e1fl2nda ist ein Vogel mit zwei X-Zeichen, auf dem

1s7 VoN Str u. a. (wie Anm. 125) 5.299. An dieset Stelle möchte ich auf die noch unveröffentlichte Disser-tation von Ute Zimmermann hinweisen, in der auch das Verhältnis zwischen Walküren und Schwanen-

mädchen diskutiert wird (Urr ZIuvrnvaNN, Kampf, Tod und die Erweckung der Helden - Zu den

Walküren-Vorstellungen in der mittelalterlichen skandinavischen Literatur. Dissertation, Kiel 2006).

Frau Zimmermann stellt fest, dass die Vogelmerkmale der Walküren in der altnordischen Literatur recht

vage sind. Vogelmerkmale seien füt lfalküren nicht charakteristisch und auch bei anderen mythischen

Frauenfiguren festzustellen. Die Bildüberlieferung wird in der Studie iedoch nicht ausgewertet.158 OEHRL (wie Anm.97) S.549 f.1se LAMM - Nvr-EN (wie Anm. 12) Bildsteinverzeichnis Nr.463; NonoEnÄNc - lüütornsrnörvr (wie

Änm. 14) S.85, Fig.85.160 ln der \Willkommensszene von Bote in Garda folgt der Walküre mit dem Horn jedoch ein männlichet

Kollege bzw. Diener (LINoqvrsr Iwie Anm. 7l 1, Fig. 141, 144,2,5.47 , Fig. 353).161 LtNoqvIsl (wie Anm.7) 2, S. 18, Fig.310.162 LrNoqvrs,r (wie Anm.7) 2, S.57, Fig.55 f.163 LINoqvIsr (wie Anm.7) 1, Fig 35, 2, S. 104, Fig.466.164 LrNoqvrsl (wie Anm.7) 2,5.47,I1ig.354.16s LrNoqvIsr (wie Anm.7) 1, Fig.59f.,2,5.62f., Fig.388f.1r'6 LrNoqvrsl (wie Anm.7) 2, S. 105, Fig,.467,468,479.

32 Sigmund Oehrl

Fragment Broa XVII 167 sowie dem Stein von Grobin 168 in Kurland jeweils ein weiteresVogelpaat datgestellt. Karl Hauck hatte den Mut, diese Vögel allein auf Grundlage derDarstellung von Sanda kyrka I als schwanengestaltige \falküren anzusprechenl6e.Diese Sichtweise scheint mir vor dem Hintergrund der hier gewonnenen Erkenntnissedurchaus erwägbar zu werden. Entscheidend ist meines Erachtens die Beobachtung,dass die \üTasservögel der Gruppe B auf Darstellungen von Tauben auf christlichenSteindenkmälern zurückgeführt werden können. Bereits Sune Lindqvist vzat der Zu-sammenhang zwischen den frühen chdsdichen Grabsteinen des Rheinlandes (Abb. 24,27) und den ab etwa 500 auf Godand auftretenden Kistensteinen aufgefallenlT0. Dieäußere Form der Kistensteine geht offenbar auf die der merowingerzeidichen Grab-steine zurück, die ihrerseits auf römischen Aedicula-Steinen mit Säulen, Giebeln undAkroterien beruht. Doch auch das Vogelpaarmotiv, die Stufenbandverzierung und das

X-Monogramm sind insbesondere auf den frühchristlichen Grabsteinen Triers vorzrr-finden und kehren auf den godändischen Bildsteinen der Gruppe B wieder171. Auf denrheinländischen Gtabsteinen wurde die Taube als Motiv gewählt, da sie in der christ-lichen Eschatologie als Repräsentant und Führer der Seele im Jenseits gilt (siehe Ab-schnitt III, 1). Die gotländischen Künsder haben das Bildmotiv des ornithomorphenPslcltoponpos aufgegriffen, die Vogelart aber der einheimischen Vorstellungswelt ange-glichen und die Taube zu einem \üTasservogel abgewandeltlT2. Dieser stellt offenbareine \Walküre bzw. einen Diener der \falküre dar oder ist vielleicht als eine Ärt Vorstufezu späteren rWalkürenvorstellungen aufzufassen. Interessanterweise keht das STasser-

vogelpaar auf dem frühwikingerzeitlichen Runenstein von Spadösa173 in Västergöt-land (Vg 119) gemeinsam mit drei weiteren einschlägigen Motiven der gotländischen

16? Lrxoqvrsl (wie Anm.7) 2, S.67, Fig.400.168 Vartnr; Pt'rnovtctt PEtnnNro, A picture stone from Grobin (Latvia), in: Ilornvännen 86,1991,

S. 1-9; Entr NvrEN, Ships or ducks? Comment on the picture-stone found at Grobin, Latvia, in: Forn-vännen 86, 1991, S. 9-10; Lauv - NyrEN (wie Anm.12) S.210 f.

16e DnEscnEn - Haucx (wie Anm. 102) 5.259 f.170 LtNoqvtsr (wie Anm.7) 1, S.40, Fig.216 f.171 KURT BöuNrn, Die ftänkischen Altertümer des Trierer Landes. Teil 1: Textband, Teil 2: Katalog, Tafeln

und 3 Karten (Germanische Denkmälet der Völkerwandetungszeit, Serie B: Die fränkischen Altertü-mer des Rheinlandes 1) Bedin 1958,Tfi.69-i 5; Kunr BöHNrn, Beziehungen zwischen dem Nordenund dem Kontinent zur Merowingetzeit, in: Römisch-Germanisches Zenttalmuseum Mainz (Hg.),Sveagold und Wikingerschmuck. Ausstellung von Statens historiska Museum Stockholm vom 12. Julibis 15. Oktober 1968 im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz (Ausstellungskataloge 3)Milnz L968, S. 187-190, Abb. 92 f.; Kunr BönNEn, Germanische Schvzerter des 5./6.Jahrhunderts, in:

Jahrbuch des Römisch-Germanischen Ze nüalmuseums Münz 34,'.987 ,Ter|2, Mainz 1989, S. 458-460,Abb. 19; SnsasrInN RIsrow, Frühes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse der archäologischen

und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel, in: Jahrbuch des Rheinischen Vereins für Denk-malpfl ege und Landschafts schutz 2006, T af . 40, 57 : *l:, 7 5:a-b.

172 Dahingehend äußert sich auch Kurt Böhner. Auf die lkonografie der Gruppe C/D nimmt Böhnet

iedoch nicht Bezug (BöuNrn, Germanische Schwerter [wie Anm. 171] S. 460).173 Huco JuNGNER - ELISABETH SvÄnosrnölr, Västergötlands Runinskdfter. Sveriges Runinskrifter 5,

Stockholm 19 40 / 1,97 0, S. 19 5-229, Pl. 90-1 05.

Ornithomorphe Psycltopanpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

Jenseitsreise wieder (Abb. 27) 174' dem gefallenen Krieget zu Pferd, dem Totenschiffund dem Gebäude (Walhall).

Es sei daran erinnert, dass der römisch-germanische Kriegsgott (und Gott der

Thingversammlung) Mars Thingsus (*Ttwaq) auf Weihesteinen und anderen Denkmä-lern des zweiten bis dritten Jahrhunderts nach Christus in Begleitung eines langhalsi-

gen $Tasservogels in Erscheinung tritt, der als Gans oder Schwan angesprochen wird(Abb. 25) 175. Für die Verbindung des Gottes mit diesem Vogel konnte bislang keine

befriedigende Erklärung geliefert werden. In den literarischen Quellen sind keinedeiAnhaltspunkte für ein etwaiges lüTasservogel-Attdbut des 7iwa7$r zu finden. Mög-licherweise liegt die Verbindung zwischen Kriegsgott und Gans bzw Schwan in derRolle des Vogels als ienseitiger Führer der gefallenen Krieger begründet? Sollte sich

hier der frühgermanische Ursprung der nordischen \Walküten fassen lassen, die erst

später von TVwa7lirin den Machtbereich seines Herrschaftsnachfolgers Vodan-Ööinn

übergegangen sind? Trotz der zeidichen Lücke zwischen den kaiserzeitlichen Zeugnis-

sen des römisch-germanischen Soldatengottes und den godändischen Bildsteinen der

Gruppe B erscheint mit diese Erklärung durchaus vorstellbarlT6.

IV INTERPRETATION DE,R DREIERGRUPPE,

Zum Abschluss sollen die bisherigen Deutungen der Dreiergruppe, die auf den

Bildsteinen von Fröjel, Sanda kyrka I und Alskog kytka neben dem vogelgestaltigenSeelenführer auftaucht, rcferiert und vor dem Hintergrund meiner Ergebnisse bewer-tet werden. Die iüngste Deutung stammt von Jörn Staecker, der die Darstellung vonSanda mit der Vorderseite des Runenkästchens von Auzon vergleicht und als Änbe-tung Christi durch die drei Magier zu interpretieren versuchtlTT. Die drei Magier seien

unterhalb des Stalls von Bethlehem mit ihren Gaben abgebildet. Innerhalb des Stalls

tauche einer der Magier erneut auf und überreiche einen Speer als Geschenk. Letzterer

r74 Dnnscnun - H,rucx (wie Anm. 102) S.284 ff.175 JoncHtt'l riüEnNpR, Die beiden Zierscheiben des Thorsberger Moorfundes. Ein Beitrag zur frühgerma-

nischen Kunst- und Religionsgeschichte (Römisch-Germanische Forschungen 16) Berlin 1941,

S.35-43, Taf.3, 16-19; Kanr Haucr, Die Veränderung der Missionsgeschichte durch die Entdeckung

der lkonologie der germanischen Bilddenkmälet, erhellt am Beispiel der Propagierung der Kampfhilfendes Mars-\)üodan in Altuppsala im T.Jahrhundert. Zur lkonologie der Goldbrakterten 20,in: Westfalen.

Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 57, 1980, 5.227-3O7,5.231 fi, Irig. 1-2,4,T2F.2-6. Auch

Kutt Böhner hat angemerkt, dass die Wasservögel auf den gotländischen Bildsteinen der Gruppe B mitder Gans d.es Mars Tbingsasin Verbindung stehen könnten (BöuNrn, Beziehungen [wie Anm. 1711

s.190).176 Ob die auf drei notdenglischen \üTeihesteinen gemeinsam mit Mars Thirrysas verehrten und vereinzelt ab-

gebildeten Göttinnen, die Alaisiagae, mit der Entstehung der Walküten-Vrrstellung zu tun haben,

wie Alexander Haggerty Krappe vermutet, sei icdoch dahingestellt (Ar-rxaNoEn H,rccrnrv Kn,*eE,The Valkyries, in: The Modern Language Review. A quartletlyJournal edited for the Modern Humani-

ties Research Association 21,, 1,926, S. 55-63, S. 56 f., 72 f.).177 S'rancxrn (wie Anm. 104) S.44-60.

.)-)

34 Sigmund Oehrl

sei auf eine missverstandene Vodage zurückzuführen. Staecker räumt selbst ein, dassdiese Deutung recht unsicher ist178. Keinesfalls könne sie für die entsprechende Szeneauf dem Stein von Alskog kyrka zutreffen, da dort innerhalb des Gebäudes ein Leich-nam liege und sich die Dreiergruppe vom Geschehen 2\wends17e. Nicht zuletzt derNeufund von Fröfel, der in Staeckers Aufsatz nicht bedcksichtigt wird, lässt die Ma-gier-Deutung in zweifelhaftem Licht erscheinen. Er bezeugt nicht nur die Rolle desvogels als Führer der Toten nach \üTalhall sondern auch, dass die Dreiergruppe ohneDarstellung eines Gebäudes in Erscheinung treten kann. Der Stall bzw. die Krippe unddie meist thtonende Gottesmutter gehören

f edoch zu den wichtigsten Elementen einer

Epiphanie-Datstellungl80. $ü'enn eine solche im Fall von Alskog und Fröjel ausge-schlossen werden kann, dann dürfte dies auch für den Kistenstein von Sanda gelten.

Die einschlägigen Ansätze stammen von Hugo Jungner und Josef otto plass-

mann181. HugoJungner deutet die drei Figuren auf dem Kistenstein von Sanda alsTeilnehmer an einem Bestattungskultl82. Das gezackte Gebilde repräsentiere einenbrennenden Scheiterhaufen, das Rondell sei die Sonne. Die geschäfteten Gegenständein den Händen der drei Männer vergleichtJungner mit wikingerzeitlichen Amuletten.Diese bestehen aus einer Reihe von Miniaturgeräten, die an einem Eisenring befestigtsind183. Das vonJungner angeführte Exemplar aus Torvalla in Uppland bestehe auseinem Speer, einem Hammer und einem Spaten und entspreche den Gegenständen aufdem Bildstein 184. Der Speer sei odin, der Hammer Thor und der Spaten Freyt zuzu-ordnen. Die Gegenstände seien imzuge der Bestattung zum Einsatz gekommen, umden Toten unter den Schutz der drei Hauptgottheiten zu stellen. \ü7as den Hammer an-belangt, so sei Snorris Bericht über die Bestattung Balders aufschlussreich, da derScheiterhaufen dort mit Thors Hammer geweiht wetde 18s. Der Tote sei mit dem Speerrituell verwundet und somit dem Kriegs- und Totengott geweiht worden. Mit denliterarischen Zeugnissen dieser Odinsweihe hat sich später Otto Höfler eingehend aus-einandergesetztls6. lnzutischen kann auch die vergleichsweise frühe Runeninschriftauf der altsächsischen Silberscheibe von Liebenau angeführt werdenl8T. Sie wird alsrau4n(b) aufgelöst, was als ,mit dem Rohrstengel (= Speer) geweiht'zu verstehen und

178 Ebd. s.54.17e Fbd. (wie Anm. 104) S.57 f.r80 Huco KEHRER, Die Heiligen Drei Königc in Literatur und Kunst, 2.Bde.I_nipzigIg0B/1,90g.181 Die beiden Interpretationsversuche wurden gelegentlich aufgegriffen und modifiziert: ÄnnunNrus (wie

Anm.62) s. 1 52 ff.; LrNoqvrsr (wie Anm. 34) S. 80 f.; Haucr u. a. (wie Anm. 62) s. 582; Lar"rrrr - Nvr6N(wie Anm. 12) S.60.

182 JuNcNrn (wie Anm.61) S.67-75.183 Annstulus (wie Anm.62) Fig.3-5; SIcNr HonN FuclrsaNc, Viking and medieval amulets in Scandi-

navia, in: Frornvännen 84, 1989, S.15-25, Fig.2.r8a JuNcNEn (wie Anm.61) Irig. 18 f.185 'Gylfaginning', Kapitel 49, Edition und Übersetzung: LonnNz (wie Änm.20) S.549, 552.186 Orro Höt'lEn, Germanisches Sakralkönigtum 1. Der Runenstein von Rök und die germanische Indi-

vidualweihe, Tübingen u.t 1952, S. 153 ff.; s. auch KusN (wie Anm.72).18? KL,tus DüwEr, Die Runeninschrift von Liebenau, in: Die Kunde, N. F.23,1()72,5.134_14'1.

Ornith<rmorphe Pslchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine

auf den Tüger des Schwertgurtbeschlags zu beziehen sein könnte. Aufgrund der

Speerweihe, die unten im Bild von Sanda vollzogen wurde, lande der kremierte Krieger

quasi umgehend in Walhall und bekomme oben im Bild den Speer des Götterfürsten

dargereicht.

Josef Otto Plassmann interpretiert die Szene als Landnahmeritual. Der Runen-/

Bildstein Sanda I sei somit als eine Art Rechtsutkunde zu verstehen, auf der die Namen

der Beteiligten inschriftlich (,Rodvisl und Farbiötn und Gunbiörn') und der Hergang

des Rituals bildlich festgehalten seien. Plassmann beruft sich insbesondere auf eine

Verordnung von Harald Schönhaar über die Landnahme auf Island, nach der in einer

bestimmten Reihenfolge Feuer entzündet und das zu nehmende Land umschritten.werden sollenl88. Das erste Feuer sei zu entzünden, wenn die Sonne im Osten stehe'

Dieses Feuer sei unterhalb der scheibenförmigen Sonne auf dem Kistenstein von

Sanda kyrka hinter der Dreiergruppe auszumach en. Letztete umschreite das Land und

trage dabei landvzirtschaftliche Geräte - Spaten und Sichel - sowie einen Speer umher.

Diese drei Gegenstände spielten in Rechtstexten eine wichtige Rolle bei Landnahme-

und Landübertragungsbräuchen. Mit der Sichel seien vzährend der rechtsfötmlichen

Übertragong von Landbesitz Kräuter oder Aste abgeschnitten und mit dem Spaten

Erdschollen ausgehoben worden. Die von Plassmann angeführten Beispiele stammen

aus def 'Lex Baiuvariorum' und der'Lex Alamannofum'189. Auch der Speer bzw.

Schaft sei als wichtiges Requisit bei Landnahmehandlungen bestens belegt. Neben der

'Kaiserchronik'und der'Landnamabök'1e0 führt Plassmann die seit dem l4.Jahrhun-

dert in schwedischen Rechtstexten auftauchenden Formulierungen skapt ok anfarl

(,Schaft und Umfahrt') und skap{arp (,schaftfahrt') antor, die eine Grenzbegehung

unter Mitnahme eines Schaftes bezeichnen. Die Gebäudeszene oberhalb der Dreier-

gruppe zeige einen alten Landbesitzer, der sein Land durch beiderseitige Handanle-

gung an den Schaft rechtsförmig an seinen Nachkommen übertrage. Als Zeugnis eines

derartigen Rechtsbrauches führt Plassmann eine Urkunde aus dem ausgehenden

l3.Jahrhund ert an1e2. Der langhalsige vogel sei ein tiergestaltiger Folge- bzw. Sippen-

geist (altnordischf,tgia) der zusammen mit dem Besitz des alten Mannes auf dessen

Erben übergehe.Restlos überzeugen kann meines Erachtens keine der Deutungen. Vor dem Hin-

tergrund der Erkenntnisse, die in der vodiegenden Untersuchung gewonnen werden

k6nnten und in Etmangelung eines Alternatiworschlags dürfte iedoch der Interpteta-

tion von Hugo Jungner der Vorzug zu geben sein. Der nicht zuletzt durch den Neu-

fund von Fröiel erwiesene mythologisch-eschatologische Sinngehalt der Vogelszene

und ihre offenbar zwingende Verknüpfung mit der Dreiergruppe scheinen mir eine

188 Ptassu.lNN (wie Anm.99) S.244, Anm.6.r8e Ebd. Anm.31.1e0 Fbd. S.245 Anm.9 f.1e1 Ebd. 5.245f. Anm.20,24.1e2 Fbd. s.248.

35

36 Sigmund Oehrl

Deutung als Landnahme- und Landübenragungsritual auszuschließen. Äuf demDenkmal von Fröfel wäre ein Landnahmeritual ein ganz unverständlicher Fremdkör-per, da er das einzige Motiv auf dem Bildstein darstellen'urürde, das nicht mit dem The-menkomplex der Jenseitsreise zu tun hat. Die Darstellung einer Bestattung hingegenwürde sich als Ausgangspunkt der Reise vorzüglich in den Bildkontext einfügen. Dieswitd durch die Komposition von Alskog kyrka bestätigt. Dort ist die Motivkombi-nation von Sanda kyrka I um einen Leichnam im Grab sowie einen Totenwagen erwei-tert. Folgenden Gedanken möchte ich unverbindlich ergänzen: Sollte es sich beider Dreiergruppe tatsächlich um Teilnehmer an einem Bestattungskult handeln, dannwäre zu erwägen, ob die Positionierung des Scheiterhaufens im Rücken der schreiten-den Männet nicht in gleicher $7eise zu erklären ist wie die Aufstellung der Krieger aufden Bildsteinen Tängelgärda I und II1e3. Möglicherweise ist auch auf dem Kistensteinvon Sanda eine rückwärts zum Scheiterhaufen schreitende Gruppe zu erkennen, wobeider sichelähnliche Gegenstand in der Hand des hintersten Mannes eine Fackel darstel-Ien könnte, mit der das Holz entzündet wird1e4. Die Darstellung entspräche somitin wesentlichen Zügen dem bereits oben erwähnten Bedcht des Arabers Ahmad IbnFadlän: ,Dann wurde das Holz zum Anzünden bereitgestellt. Nun ging der nächsteVerwandte des Toten mit einem brennenden Holzstück zum Schiff, rückwärts, das Ge-sicht den Leuten zugewandt, nackt, mit der freien Hand den Hintern bedeckend, mitder anderen das unter dem Schiff vorbereitete Holzin Brand setzend(1es. Ich erlaubemir eine zweite Ergänzung und mache auf eine Parallele zu der vermeindichen Schei-terhaufendarstellung von Sanda auf einem uppländischen Runenstein aus der zweitenHälfte des elften Jahrhunderts aufmerksam. Es handelt sich um den Stein von Hargsskog (U 595) re6, der auf der Vorderseite die Darstellung einer Kirche trägt, in dereine Glocke geläutet wird. Auf einet der beiden Schmalseiten sieht man unter einerSchlange und einem Kreuz ein rundes Gebilde, in dem sich eine kleine anthtopomor-phe Figur - vielleicht ein Wickelkind oder ein Leichnam - befindet (Äbb. 28). DieDarstellung ist als Leiche im Grabhügel oder Christus im Heiligen Grab vonJerusaleminterptetiert worden 197. Darunter sind zwei anthropomorphe Gestalten auszumachen,die gemeinsam eine Stange auf den Schultern tragen, von deren Mitte ein Seil herab-zuhängen scheint. An diesem Seil hängt ein großes rundes Gebilde. Unter dieset Kugel

1e3 LtNoqvIsr (wie Anm.7) 1, Fig.86-90, 2, S.93.1ea Der sichelförmige Gegenstand ist bereits vonJan Pcder Lamm und Erik Nyl€n als Fackel angesprochen

worden (Lavu - Nvrf N [wie Anm. 12] S. 61).1e5 HANs-PETEn HasrNRnarz, Die religiöse Welt der Germanen. Ritual, Magie, Kult, Mythus, Frei-

burg i. Br. 21994,5.22.1e6 SvEN B. F. JaNssoN - Euas rJTEssEN, Upplands Runinskrifter 2. Sveriges Runinskrifter 7, Stockholm

1,943/1946,5.493-500; SIcr'.ruND OEHRL, Zur Deutung anthropomorpher und theriomorpher Bilddar-stellungen aufden spätwikingerzeitlichen Runensteinen Schwedens (Wiener Studien zur Skandinavistik16) Wien 2006, S. 11,3-11'/.

le7 ARoN ANornssotl, Minnesvärden över Aldulv och hans mor Sigborg i Harg, in: Iconographisk post 4,

1980, S.28-33, S. 29 f.

Ornithomorphe Pgchoponpoi im Bildprogramm der gotländischen Bildsteine 3t

istganz ähnlich wie auf dem Kistenstein von Sanda eine Plattform mit drei Zacken da-

rauf zu sehen. Letztere wurden als simplifizierte \üTellen des Jotdan, die beiden Kugel-träger alsJosua und Kaleb mit der \üTeintraube aufgefasstles. Andererseits sind dteZa-cken wie im Fall von Sanda kyrka I als Flammen und das runde Gebilde darüber als

Kessel angesprochen wordenlee. All dies ist spekulativ und die genaue Bedeutung der

Dreiergruppe, die stets im Motivverbund mit dem langhalsigen Vogel auftritt, muss

vorerst offen bleiben. Dass Letzterer jedoch einen Seelengeleiter darstellt, dürfte nun

als gesichert gelten und kann bzw. sollte bei zukünftigen Interpretationen der Dreier-gruppe berücksichtigt werden.

1e8 ANoEnssor't (wie Anm. 197) S.31.lee

J,rNssoN - VrssfN (wie Anm. 196) S.497. Sune Lindqvist schlägt für das Pendant von Sanda k.vrka Ifolgende l)eutungen vor: Kessel, Sonne, Mond oder Brotleib über einem lieuer, das aufeinem flachen

Herdstein brennt (Lrxoqvrsr Iwie Änm.34l S.76). Birgit Arrhenius spricht von einer Art Feueraltar

(AnnnEuIus [wie Anm. 621 S. 152 f.).

Tet?l T

:C

t2

ZI"

:-a/

z>E,t ll

7-',2

a';!_'

=-!aL

=.=.:)

't-t 7.

cl

=

,;/. .4.

a.a

\-,. -

..f t

.-fr

--a

I

t

'fafcl II

t-;=-.:e)<.

7>;1

t'7=

a l!.

tar=c--!-jt.=

,!-:ü+

_a

;',

.."/

Tafel III

4GanE

,*.

L$

,7w\

Slorch

Abb. 5 Bildstein/Runenstein Sanda kvrkal. Nach LrNoqvrsl (l-ie Änm. 7).

^bb. 6 \trgelsilhouetten. Nach BnuuN - SrxcEn - Köxrc (n.rc r\nm. 60).

Äbb. 7 \bgclsilhouctten. Nach BRr.run - Srr'rcr:n KöNrc (u.ie Anm. (r0).

'\bb. 8 l,cicr aus Trossingen, Landkreis Tuttlingen. Nach TsuuNl-Gnossr<oer,Die rrrllstänclig erhaltene I-e icr (rvic Änm. 75).

K*rnoran Slütkerle

'taaY.q&tw*

..:,LLll::'

t',il Xranrch

1:Latar,a:.,.

4.,.i:;::))l:.:,a:,

Flän;ngo

::.:;:aaa::"t:ttt .

lb rs

,,t;:;.::!:t1,

Tefel l\'

:'-;

7:

Z

Z

€,: t:

:!--at_ .-

\>

tzt--

=t

==.+.'_ 2

!:

=t.

.Ja

aa

=t:.:

n/.a

at,

==

.L

'i=

!

"^i^6!,-Ä- \*#1t"t,li,:,

l{,;.tlü;ry'r-,'\'*"tt. t- ./.' "{€. // t,,ttF-

x._:a

&ffi

";f"w;q{;,

'fafcl V

12 ..,:,'"t'

.\b[. I I l]ilclste in (histcnsrcin) r on (irritlingbo. lJrrshr]dctshecl. \ech L,rrtlt tr"r r-rll irvic \rlnl l3,'

\$). l2 ,llgg|lch' |rrgnrcnr il;regnrcnt 15-l ron Sockburn in \ortltLttllrrie. Nrrch Larc; isic .\rlrll. l-l;.

T:rtel Yl

ta

=-t;-.-2, r_ a[--=..-,

:.t-

--::] -:ü

.J : I

a-a >-EJ

3* 2

-,-\_j-.\-J

'f:!,.=/=!,-44

-=.

r.aI

=

7

\J

!t' Ilt lt

r tl tl'rA ;a.\i

'fafel Yll

.J .2a,r-221?

ZZJJ--zz

L'

tf,

a.:=

:=

f,'*h"*

'fafel \1lI

.-

c

-e

)!:-N

2-

a=Z-/l7

-t2

z';Ä:, * -r >S

- !'Z1C;'-r

--!.'- !

J:1 -

t--:a

'. "..r '. Ia-:- !...aL-i,

tr^--

=v^-,'E r

L-!

--,a

^-a

-fafcl l\

23

,\bb. 2l Llilclstcin rln Si1tc, Stenbro (l{opie). Foto,qrafie clcs Ycttasscrs..'\bb. 22 Bilclstein von \är Rill idc. Nrch Lrxlqvrs'r (rric .\nm. -).

.\bb. 23 llilclste in r-on ^vorrianda, L3ringcs. \rch Lt:lnqvrs.r (u.ic ..\nm. r)

Tafcl X

f-

;tra;'T-

7;rC!C

="i>1.a-zD:

?.>JS-a,i ,Z

,:d

-5-;a!Uz-A;-J::Zi

=.J

.:l

.-=u;rtU5t-

=4,_t

1.t.:r

N_d-a

@,,

&pb

@:tuwt

nW;j&EW

Taiel Xl

-,1za

lat

t.7-:/?^

?

.-*&?-c.a- ^C t)

L^):J'

t:-/'/. z't -./- a I

- | /':ti=.!z -. i,

:=a= -- 't i-r

lr-,: r 7*;=-t-1.r'

=-''1t=

=ta-! :-=

t-lt

;,=.=

=+ 1

t;al;;/

g"r':;-"