OEZKD Hofbogengebäude der Salzburger Residenz

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ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE VERLAG BERGER · HORN/WIEN L X V · 2 0 1 1 · H E F T 4

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ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFTFÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE

VERLAG BERGER · HORN/WIEN

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Der als Wallistrakt bezeichnete Flügel der Salzbur-ger Residenz setzt sich aus mehreren,1 in unter-schiedlichen Bauphasen entstandenen Baukörpern zu-sammen (Abb. 289). Ältester Teil des Wallistraktes istdas in der ersten Bauphase ab 1604 unter Fürsterz-bischof Wolf Dietrich von Raitenau (1587–1612) er-richtete so genannte Hofbogengebäude. Dieser dreige-schossige Riegel erstreckt sich, parallel zur Domfassadein Nord-Süd Richtung (Abb. 290). Im Norden grenztdas Hofbogengebäude an den Südflügel der Residenzmit dem Karabinierisaal, im Süden an den Konvent-trakt des Stiftes St. Peter mit der Langen Galerie.

Die Ostfassade des Gebäudes bildet die westlichePlatzwand des im Laufe des 17. Jahrhunderts einheit-lich gestalteten Domplatzes (Abb. 291). Eine drei-schiffige Durchfahrtshalle, die so genannten Hof-bögen, verbindet hier den Vorplatz der Metropoli-tankirche mit der Achse Franziskanergasse/Hofstall-gasse, welche orthogonal auf die Fassade des Domeszuläuft.

An die Westfassade des Hofbogengebäudes schließtsüdlich der Durchfahrtshalle ein dreiflügeliger Bau an(Abb. 292). Dieser wurde im Laufe des 17. und 18.Jahrhunderts in die Begrenzungsmauern des sich hierursprünglich befindlichen Hofgärtl, dem PalastgartenWolf Dietrichs, eingebaut.2

Im Zuge von Umbauarbeiten für universitäre Zwe-cke in den 1960er Jahren durch Architekt Otto Pros-singer (1906–1987), wurden die drei Hofflügel, mitAusnahme der Stadtfassaden, zur Gänze abgetragenund neu errichtet. Ein ähnliches Schicksal war damalsauch für den südlichen Bereich des Hofbogengebäu-des vorgesehen.3 Erst in letzter Minute konnte eine

Zerstörung der reich ausgestatteten Innenräume zu ei-nem großen Teil abgewendet werden.4

Unter anderem konnte damals die Zerstörung ei-nes, südlich der Hofbögen situierten, als Ein-Säulen-Raum bezeichneten Saalraumes im Erdgeschoss ver-hindert werden. Auch die an diesen anschließende indas erste Obergeschoss führende Wendeltreppe mitihrer reich stuckierten Untersicht, sowie ein reich mitStuck ausgestatteter kreuzgewölbter Raum im 1. Ober-geschoss, blieben erhalten.

Das Prunkgeschoss des Hofbogengebäudes befin-det sich im 2. Obergeschoss und ist im Norden überden Karabinierisaal sowie den Markus Sittikus-Saal andie Prunkräume der Residenz angebunden. Ein Ver-bindungsgang führt in den Toskanatrakt der Residenzsowie auf die Emporen über den Chrokapellen derFranziskanerkirche.

Südlich war das piano nobile einst direkt an diesich im Konventtrakt des Stiftes St. Peter befindlicheLangen Galerie bey Hof angeschlossen. Dieser Traktwurde in den Jahren 1656–1661, mit dem Ziel denDomplatz städtebaulich einheitlich zu fassen, an dasHofbogengebäude angebaut.5

QUELLEN- UND FORSCHUNGSLAGE

In der Forschung zur Salzburger Residenz wurdeder Wallistrakt bis dato nur am Rande behandelt. DasFehlen einer grundlegenden wissenschaftlichen Be-trachtung im Zusammenhang mit der Bautätigkeit WolfDietrichs ist wohl auf die zu einem frühen Zeitpunkterfolgte Nutzungsänderung in diesem Bereich der Re-sidenz und die damit verbundenen grundlegenden

1 Erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bürgerte sich für das Hof-bogengebäude mit seinen westlich angrenzenden Trakten im ehe-maligen Hofgärtl der Name Wallistrakt ein. Diese Bezeichnung gehtdarauf zurück, dass Fürsterzbischof Hieronymus Graf von Collo-redo (1772–1812) das zuvor von den Bayrischen Gesandten be-nutzte Appartement im piano nobile des Hofbogengebäudes sei-ner jüngeren Schwester Maria Franziska als Wohnung überließ.Diese war mit dem k.k. Kämmerer und niederösterreichischen Re-gierungsrat Stephan Olivier Graf Wallis verheiratet. Das Paar über-siedelte 1778 nach Salzburg. Fürsterzbischof Graf von Colloredounterstützte die beiden finanziell und wies ihnen als Wohnungdas Hofbogengebäude zu.

2 Die später errichteten Baukörper wurden auf die Gartenmauer ausder ersten Bauphase aufgesetzt. Die Begrenzungsmauern des Gar-tens sind im Bestand der Straßenfassaden noch erhalten.

3 Erst Ende Jänner 1965, kurz bevor die Gewölbe des Ein-Säulen-Raumes eingeschlagen und die monolithische Säule im oberen Be-reich abgeschnitten hätte werden sollen, kam es zu einer Inter-

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DAS HOFBOGENGEBÄUDE DER SALZBURGER RESIDENZ

vention von Landeskonservator Hoppe, unterstützt durch Landes-archivdirektor Klein, Professor Sedlmayr sowie dem ArchitektenProssinger bei Landeshauptmann Lechner zur Erhaltung der Räum-lichkeiten. Prossinger hatte hierfür einen alternativen Entwurf vor-bereitet, der den Landeshauptmann schließlich von der Erhaltungdes historischen Raumes überzeugen konnte.

4 Die Planungen sahen vor auch diesen Bereich zu entkernen. Schluss-endlich konnte man sich jedoch zur Erhaltung der beiden unte-ren Stockwerke inklusive des als Ein-Säulen-Raum bezeichnetenSaals und einem reich stuckierten Treppenhaus durchringen. DieStuckdecken aus dem 18. Jahrhundert im 2. Obergeschoss wurdenzur Gänze zerstört. Die Träme der tragenden Deckenkonstruktionaus der Erbauungszeit des Hofbogengebäudes wurden als abge-hängte Zierdecke des Hörsaales wiederverwendet.

5 Walter Schlegel, Erzbischof Guidobald Graf von Thun als Bauherr,in: Erzbischof Guidobald Graf von Thun (1654–1668), Ein Bau-herr für die Zukunft, Roswitha Juffinger (Hg.), Salzburg 2008,S. 205–256.

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289. Salzburg, Residenz, Baualterplan des Wallistraktes, Erdgeschoss und zweites Obergeschoss

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baulichen Veränderungen am Gebäude zurückzufüh-ren. Der räumliche und inhaltliche Zusammenhangmit dem Hauptgeschoss der Residenz war nicht mehrgegeben. Mit dem Umbau in den 1960er Jahren wurdedas Hofbogengebäude endgültig aus dem Kontext desGesamtensembles der fürsterzbischöflichen Residenzgelöst.

Während der letzten Umbauphase in den 1960erJahren war das Interesse an der Erforschung der Ge-schichte des Gebäudes erwartungsgemäß gering. Sosind uns weder genauere Aufzeichnungen noch einewissenschaftliche Dokumentation über die im Zuge

der Bautätigkeit erlangten Erkenntnisse zur Bauge-schichte des Hofbogengebäudes überliefert. Das Feh-len jeglicher Informationen kann jedoch durch einefotografische Dokumentation dieser Umbauphase sehrgut ausgeglichen werden.6 Die Bilder zeigen nicht nur,wie respektlos man noch in den 1960er Jahren mitdem baulichen Erbe umging, sondern liefern auch un-wiederbringliche Hinweise zur Nutzungs- und Bauge-schichte des Hofbogengebäudes.

Primärquellen zur Baugeschichte finden sich erstab dem Jahr 1745.7 Erst von da an dokumentieren zahl-reiche Berichte, Überschläge und Rechnungen, Um-

6 Die Fotodokumentation, bestehend aus zwei Ordnern mit über400 Aufnahmen, befindet sich im Besitz von Dr. Norbert Mayr, dermir diese freundlicherweise für meine Arbeit zur Verfügung ge-stellt hat.

7 Norbert M. Grillitsch, Zur Ausstattungsgeschichte der Residenz inSalzburg, in: Die Salzburger Residenz 1587–1727, Vision und Rea-lität, Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege(ÖZKD) LXIII 2009, S. 52–73, S. 52. Ein großer Teil der Dokumentevom späten 16. bis frühen 18. Jahrhunderts wurde in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts aus Platzgründen vernichtet.

8 Salzburger Landesarchiv (SLA), HK, HBA 1590–1639, Lit. P, 1612.Hierbei handelt es sich um eine Auflistung der noch offenen For-derungen für die von Clamer in der Residenz geleisteten Arbei-ten während der Regierungszeit Wolf Dietrichs.

9 SLA, GA XXIII / 61, 1612. Es handelt sich um ein Inventar der Re-sidenz, dass nach der Resignation Wolf Dietrichs im Jahr 1612 ent-standen ist.

10 Willibald Hauthaler (Hg.), Johann Stainhauser, Das Leben, Regie-rung und Wandel des Hochwürdigsten In Gott Fürsten und HerrnWolff Dietrichen, gewesten Erzbischoven zu Salzburg etc., in: Mit-teilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 13, Salz-burg 1873, S. 3–140.

11 Richard Schlegel, Fragmente zur Geschichte der Bautätigkeit Erz-bischof Wolf Dietrichs von Raitenau, in: Mitteilungen der Gesell-schaft für Salzburger Landeskunde 92, 1952, S. 130–146.

12 Petrus Eder OSB/Abt Amand Pachler: Rationale Super novo Aedi-ficio Monasterii s. Petri 1662, aus dem lateinischen übersetzt undveröffentlicht: Rechenschaftsbericht über den Neubau zu St. Peter

290. Salzburg, Residenz, Lageplan

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und Zubauten am Hofbogengebäude bis in die heu-tige Zeit.

Aus der Erbauungszeit sind als relevante Quel-len zur Baugeschichte lediglich eine Rechnung desHoftischlers Simon Clamer [Claner]8 sowie ein In-ventar der Residenz, beide aus dem Jahr 1612, er-halten.9

Auch in den zeitgenössischen Chroniken, wie etwaden Aufzeichnungen des Chronisten Johannes Stain-hauser,10 oder in der Ficlerschen Chronik und der Ano-nymen Chronik,11 finden sich wenige Anhaltspunktezur Bau- und Nutzungsgeschichte des Hofbogenge-bäudes. Diese Berichte vermitteln allerdings ein gutnachvollziehbares Gesamtbild der Bauvorhaben rundum den Bischofshof während der Regierungszeit WolfDietrichs. Über den Anbau der Langen Galerie sindwir durch die Aufzeichnungen von Abt Amand Pach-ler (1657–1673) sehr gut informiert.12

Die wohl wichtigste und genaueste historische Plan-darstellung des Hofbogengebäudes findet sich im Be-standsplan, dem sogenannten Hagenauerplan der Salz-burger Residenz aus dem Jahre 1787.13 Dank dieserBestandserhebung lässt sich die innenräumliche Si-tuation des piano nobile vor den Umbauten im aus-gehenden 18. Jahrhundert gut rekonstruieren.

Weitere wichtige Hinweise auf das ursprünglicheAussehen des Gebäudes können anhand zeitgenössi-scher Darstellungen gewonnen werden. So liefert dievon Daniel Miller um 1656 gemalte Stadtansicht Salz-burg vom Mönchsberg wichtige Informationen überdas ursprüngliche Erscheinungsbild (Abb. 293).14 Diebeiden von Thiemo Sing im Jahr 1657 gemalten An-sichten St. Peter vom Norden und St. Peter vom Südengeben zahlreiche heute nicht mehr vorhandenen De-tails des Gebäudes wieder.15 In diesem Zusammen-hang muss auch noch die Darstellung des Gebäudesim sogenannten Sattler Panorama von Hubert Sattleraus dem Jahr 1829 angeführt werden.

HISTORISCHE, STÄDTEBAULICHE UND

ARCHITEKTONISCHE VORAUSSETZUNGEN

Mittelpunkt des geistlichen Zentrums war der Vor-platz der Domkirche, der so genannte Fronhof, dersich zwischen Dom, Bischofshof, dem Stift St. Peterund dem an die Stadtpfarrkirche16 angebauten Klos-ter der Peterfrauen erstreckte (Abb. 294).17 Die einzigeVerbindung zwischen Marktplatz, dem Zentrum derBürgerstadt und dem Fronhof stellte die Käsgasse dar,18

die zwischen dem Chor der ehemaligen Stadtpfarr-

in Salzburg in den Jahren 1657 bis 1661 und über den Abriss desalten Gebäudes, in: Petrus Eder OSB und Ernst Hintermaier (Hg.):Heinrich Franz Biber, 1644–1704. Musik und Kultur im hochbaro-cken Salzburg, Studien und Quellen, Salzburg 1994, S. 111–139.

13 Archiv St. Peter: 083–10_r. Wolfgang Hagenauer (1726–1801),„Grundriß Der Erzbischöflichen Winterresidenz in Salzburg zu ebe-ner Erde“, Tusche, koloriert, 66 x 49 cm, Wasserzeichen: Ligaturund Wappen, D&CBlauw, 1787; 083–09_r. Wolfgang Hagenauer(1726–1801), „Grundriß Der Erzbischöflichen Winterresidenz inSalzburg des zwyten Stockwerks“, Tusche, koloriert, 66 x 49 cm,Wasserzeichen: Ligatur und Wappen, D&CBlauw, 1787.

14 Daniel Miller (?), Zwei Salzburger Stadtansichten für Abt AlbertKeuslin, Öl auf Leinen, je 91 x 407 cm, 1655/1657?, Archiv St. Peter.

15 Archiv St. Peter, A 320/386, Fr. Thiemo Sing OSB (?), St. Peter vonNorden, Gouache auf Pergament, 19,5 x 27,9 cm, 1657; A 320/387,Fr. Thiemo Sing OSB (?): St. Peter von Süden, Gouache auf Per-gament, 19,5 x 27,9 cm, 1657.

16 Heute Franziskanerkirche.17 Er wurde zusammen mit dem Neubau des Domes unter Konrad

III. von Wittelsbach (1179–1183) errichtet. Die Schauseite des Bi-schofshofes orientierte sich allerdings nicht zum Fronhof hin, son-dern zum nördlich gelegenen Marktplatz der Stadt. Die Südseitedes Fronhofes gegen das Stift St. Peter bildete keine homogenePlatzwand, sondern setzte sich aus einer Vielzahl unterschiedlicherEinzelobjekte der mittelalterlichen Klosteranlage zusammen. Wieauf der Stadtansicht von 1553 gut erkennbar, war der Platzraumdes Fronhofes gegen das Kloster der Petersfrauen hin, also dortwo sich heute die Franziskanergasse führt, mittels einer Mauer be-grenzt. Diese Mauer dürfte sich ungefähr dort befunden haben,wo sich heute die Straßenfassade des Osttraktes des Franziska-nerklosters befindet.

18 Die Verbindung zum Frauengarten, also die heutige Achse Fran-ziskanergasse/Hofstallgasse wurde erst unter Wolf Dietrich ange-legt.

291, 292. Salzburg, Residenz; links: Ostfassade des Hofbogengebäudes zum Domplatz hin;rechts: das Hofbogengebäude vom Mönchsberg aus gesehen

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kirche und dem Westtrakt des Bischofshofes in denVorplatz der Domkirche mündete.19

Beim mittelalterlichen Fronhof, dem späteren Bau-platz des Hofbogengebäudes, handelte es sich um kei-nen urbanen Raum im Sinne der in Folge in Salzburgerrichteten barocken Platzanlagen. Der Fronhof hattevielmehr den Charakter eines architektonisch nicht ge-fassten Vorhofes zur Domkirche.20

Erst mit dem Regierungsantritt Erzbischof Wolf Die-trichs von Raitenau im Jahre 1587 begann sich das Ge-sicht der Stadt grundlegend zu ändern, im Zentrum dermittelalterlichen Bischofsstadt blieb kein Stein auf demanderen. Aus dem alten Bischofshof wurde die fürst-erzbischöfliche Residenz, die sie umgebende Stadt wurdenach italienischem Muster umgestaltet.21 Unmittelbarnach seiner Wahl begann Wolf Dietrich, mit dem Ziel,

seinen Wohnsitz, das so genannte Rinderholz entspre-chend seiner Standes- und Komfortansprüche anzu-passen, mit kleineren Adaptierungsarbeiten.22 Es folgtedie Errichtung des Neugebäudes,23 sowie zahlreiche Er-neuerungsarbeiten im und um den mittelalterlichenDom. Unter anderem ließ Wolf Dietrich im Jahr 1589eine neue Sakristei für die Domkirche errichten.24

Ab dem Jahr 1596 berichten die Chronisten wiedervon Arbeiten im Bereich des mittelalterlichen Bi-schofshofes, der heutigen Residenz. Mit dem Ziel, dasRinderholz abzubrechen,25 wurde die bischöflicheWohnung in den Osttrakt der Residenz verlegt.26

In diese Umbauphase dürfte auch die Errichtungdes Karabinierisaales im Südtrakt der Residenz zu da-tieren sein. Bereits in der Anonymen Chronik wird imZusammenhang mit dem Dombrand im Jahr 1598 von

19 Wie auf der Stadtansicht von 1553 zu erkennen ist, konnte derFronhof mittels eines Tores zur Käsgasse hin geschlossen werden.

20 Sowohl auf der Stadtansicht von 1553 als auch auf der Darstellungvon Vianen aus dem Jahr 1602, ist der weite, unbebaute, archi-tektonisch nicht gefasste Charakter des Fronhofes sehr gut nach-vollziehbar.

21 Franz Martin, Beiträge zur Geschichte Wolf Dietrichs von Raite-nau, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde51, Salzburg 1911, S. 209–336, S. 233.

22 Walter Schlegel, Baumaßnahmen des Fürsterzbischof Wolf Dietirchvon Raitenau (1587–1212), in: Die Salzburger Residenz 1587–1727,Vision und Realität, ÖZKD, LXIII, 2009, S. 27–51, S. 30.

23 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 32.

24 R. Schlegel (zit. Anm. 11), S. 141.25 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 54.26 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 50. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die

an diesen Trakt angebaute St. Johanneskapelle profaniert und ineine Guarderoba umgewandelt.

27 R. Schlegel (zit. Anm. 11), S. 144.28 Salzburger Landesarchiv, Hs 12, Salzburgische Chronica 1612, fol.

176v.29 Walter Schlegel, Vom Bischofshof zum Residenzbau, in: Gerhard

Ammerer (Hg.), Strategien der Macht, Hof und Residenz in Salz-burg um 1600 – Architektur, Repräsentation und Verwaltung un-ter Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, Salzburg 2011,S. 333–370, S. 356: Im Südtrakt entspricht die Breite des Karabi-

293. Daniel Miller(?), Salzburger Stadtansicht für Abt Albert Keuslin, 1655/1657,Öl auf Leinen, je 91 x 407 cm, Ausschnitt, Archiv St. Peter

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einem schönen neuen Saal in diesem Bereich der Re-sidenz berichtet.27 Auf einer Stadtansicht Salzburgs ausdem Jahre 1565 ist an der Stelle des späteren Karabi-nierisaales ein großes Bauvolumen auszumachen. Hierhandelt es sich um das große Kastengebäude (Traidt-kasten) der Residenz.28 Vieles spricht dafür, dass WolfDietrich den Speicherbau zu dem, für das höfischeZeremoniell notwendigen, großen Saal, den heutigenKarabinierisaal, umbauen ließ.29

Wie auf der Darstellung von 1565 weiters zu er-kennen ist, befand sich in unmittelbarer Nachbarschaftzum großen Kastengebäude der Glockenturm der Re-sidenz.30 Dieser wurde unter Wolf Dietrich gekürztund in den Baukörper des Südtraktes bis unter dasDach eingebunden. Es kann angenommen werden,dass die Treppenanlage im Turm bis zum Bau der

Haupttreppe um 1610 zur vertikalen Erschließung derRäumlichkeiten im 2. Obergeschoss diente. 31

1598 brannte der mittelalterliche Dom teils nieder.32

Obwohl der Erzbischof anfangs noch versuchte dieDomkirche wiederaufzubauen,33 war er gezwungen,sich nach einem langfristigen Ersatz für diese umzu-sehen. Naheliegend wählte man für diesen Zweck dieStadtpfarrkirche. Unmittelbar nach der Brandkatas-trophe wurde daher mittels einer Holzbrücke über dieKäsgasse ein provisorischer Zugang von der Residenzin die Kirche geschaffen.34

Erste Berichte über Neubaupläne für einen Domstammen erst aus dem Jahr 1601,35 die endgültige Ent-scheidung über den Neubau wurde im Jahr 1602 ge-troffen.36 Der Weg zur Neuplanung des gesamten Stadt-zentrums war nun frei.

nierisaales der spätmittelalterlichen Substanz. In der Trennwandzwischen Saal und Haupttreppe, der ursprünglichen Hoffassadedes großen Kastengebäudes, konnten im Zuge von Putzausbesse-rungen, Leitungsverlegungen etc. mehrfach historische Maueröff-nungen oder zumindest deren Reste bis in eine Höhe ungefähr1,5 m über Fußbodenniveau des Saales nachgewiesen werden.

30 W. Schlegel (zit. Anm. 22), S. 27–51, S. 46: Die genaue Position desTurmes konnte von Schlegel im Bestand der Residenz nachge-wiesen werden.

31 Ebenda, S. 27–51, S. 46.

32 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 58ff.33 Ebenda, S. 60.34 Ebenda, S. 60: Auch dies spricht dafür, dass der Südtrakt mit dem

Karabinierisaal bereits 1598 zu einem großen Teil ausgebaut gewe-sen sein muss, denn es ist nicht anzunehmen, dass der Erzbischofvon seiner im Osttrakt der Residenz gelegenen Wohnung über denGetreidespeicher in die westlich gelegene Pfarrkirche gelangte.

35 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München, Kurbayern Geh. Landes-archiv 570.

36 Salzburger Landesarchiv, Domkapitelprotokoll 1602, S. 13–15.

294. Stadtansicht von 1553, lavierte Tuschfederzeichnung auf Papier, 94,5 x 259,5 cm, Nachzeichnung des 19. Jahrhunderts,Bearbeitung Verfasser 2010, Ausschnitt. A: Bauplatz des Hofbogengebäudes; B: Bischofshof; C: Stift St. Peter; D: Dom; E: Fronhof,

F: Kloster der Petersfrauen; G: Pfarrkirche; H: Käsgasse; I: Pfarrgärtl; J: Marktplatz; Salzburg Museum

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Im Zusammenhang mit der Errichtung der neuenMetropolitankirche und der dadurch notwendigen Um-organisation des Zentrums der Stadt dürfte auch dieendgültige Entscheidung zum Ausbau des Bischofs-hofes zur fürsterzbischöflichen Residenz gefallen sein.Sämtliche baulichen Aktivitäten konzentrieren sich abnun auf diesen Bereich. Um das entsprechende Raum-programm für einen repräsentativen Fürstenhof un-terzubringen, dürfte allerdings der eigentliche Bereichdes mittelalterlichen Bischofshofes zu klein gewesensein. Als einzige räumliche Reserve, auf die Wolf Die-trich unmittelbar zugriff hatte, bot sich hierfür dieweite unregulierte Fläche des Fronhofes in idealerWeise an.37

DAS HOFBOGENGEBÄUDE UND

DIE PLANUNGEN SCAMOZZIS FÜR SALZBURG

Der tatsächliche Einfluss des venezianischen Ar-chitekten Vincenzo Scamozzi (1548–1616) auf die Bau-tätigkeit zur Zeit Wolf Dietrichs von Raitenau in Salz-burg ist bis heute nicht geklärt und wird wohl auchnie restlos geklärt werden können. Urkundlich gesi-chert ist lediglich die Rückreise des Architekten am15. Februar 1604 von Salzburg nach Vicenza.38 Hier-bei handelt es sich um den einzigen nachweisbarenAufenthalt Scamozzis in Salzburg.39 Es ist allerdings an-zunehmen, dass es sich dabei nicht um den einzigen

Besuch des venezianischen Architekten in der Stadtan der Salzach gehandelt hat.40 In seiner L’idea dellaarchitettura universale beschreibt der Architekt, dasser neben den Planungen für einen neuen Dom auchEntwürfe per riformare e accrescere il Palazzo nuovoerstellt hätte.41

Auffallend ist jedoch, dass sich nach der nach-weislichen Abreise Scamozzis im Februar 1604 die Bau-tätigkeit hauptsächlich auf den Bereich des alten Bi-schofshofes und auf die städtebauliche Neugestaltungdessen Umfeldes in Bezug auf die Neuerrichtung ei-ner Domkirche konzentrierte.42 Die ersten Arbeitenzur Erweiterung des Bischofshofes begannen im Früh-jahr 1604 mit der Errichtung des Hofbogengebäudeshinaus auf dem Fronhof gegen das Stift St. Peter.43 ImLaufe desselben Jahres hatte das Gebäude bereits einesolche Höhe erreicht, dass sich Abt Martin Hattingergezwungen sah, das durch den erzbischöflichen Neu-bau dunkel gewordene Refektorium umzubauen undzu vergrößern. 44

Dass Wolf Dietrich den Um- und Neubau der Re-sidenz hier am Fronhof begann, dürfte daran gelegenhaben, dass der Bauplatz dem Fürsten unmittelbar zurVerfügung stand. Hier mussten keine Gebäude abge-löst und langwierig abgetragen werden. Auf dem Fron-hof konnte der für die fürstliche Hofhaltung notwen-dige repräsentative Raumbedarf relativ schnell herge-stellt werden und die bisher für diese Zweck genutz-

37 Setzt man voraus, dass es Ziel war, die diese Residenz umgeben-den repräsentativen Plätze zu erhalten, war eine Erweiterung derResidenz nur nach Süden, also hinaus auf den mittelalterlichenFronhof und nach Westen in den Pfarrgarten möglich. ZwischenBischofshof und Pfarrgarten befand sich allerdings die Käsgasse,für die erst Ersatz geschaffen werden musste. Außerdem war eshier notwendig zahlreiche Gebäude abzulösen und abzubrechen.

38 Martin (zit. Anm. 21), S. 209–336, S. 243.39 Wladimir Timofiewitsch, Die Grundrisszeichnung Vincenzo Sca-

mozzis im Salzburger Museum Carolino Augusteum, in: Festschriftfür Karl Oettinger, Erlangen, 1967, S. 424ff. Laut der These Timo-fiewitschs, die er anhand der Widmung an Wolf Dietrich in derVenetia Giovanni Stringas aufstellt, hielt sich Scamozzi von frü-hestens Dezember 1603 bis eben zum 15. Februar 1604 in Salz-burg auf. Scamozzi selbst gibt in der Widmung seiner L’idea dellaarchitettura universale an Erzherzog Maximilian von Österreichfür seinen Aufenthalt in Salzburg das Jahr 1604 an.

40 Vincenzo Scamozzi, L’Idea dell’architettura universale, Venezia 1615,Teil 1, Buch 3, Kapitel 8, S. 251. In der Beschreibung seines Ent-wurfes spricht Scamozzi von dem herrlichen Ausblick auf die ge-genüberliegenden, mit einem herrlichen Grün bedeckten Hügel.Es ist also anzunehmen, dass sich Scamozzi noch zumindest einweiteres Mal, entweder im Frühjahr oder Sommer des Jahres 1604in Salzburg aufhielt, da er die colline, che le sono dirincontro, rin-vestite di belle verdure sicherlich nicht in den Monaten Jänner undFebruar sah. Für die Annahme, dass Scamozzi im Laufe des Jah-res 1604 noch einmal in Salzburg war, spricht weiters, dass er inseiner L’idea genauestens über die in der Umgebung der Stadt zurVerfügung stehenden Gesteinssorten und deren Anwendung Aus-kunft gibt. Es ist als unwahrscheinlich zu betrachten, dass sich dernorditalienische Architekt in den wenigen Winterwochen in de-nen er sich wahrscheinlich in Salzburg aufhielt, ein solch detai-liertes Wissen über das Bauwesen in der Stadt aneignete und ne-benbei auch noch erste Entwürfe für die neue Domkirche undden Umbau der Residenz anfertigte.

41 Ebenda, S. 251.42 Die Arbeiten im Bereich rund um das Neugebäude wurden zwar

auch noch nach 1604 fortgesetzt, neu errichtet bzw. fertiggestelltwurde hier jedoch nur mehr der sogenannte „fünfte Flügel“. Die-ser fällt vor allem durch seine klare Grundrisslösung auf. Die sichdort befindliche Wendeltreppe und die Proportion der Räume ste-hen ihrem Charakter nach dem Hofbogengebäudes und der Dom-dechantei sehr nahe.

43 W. Schlegel (zit. Anm. 29), S. 333–370, S. 350.44 Hans Tietze, Die Denkmale des Benediktinerstiftes St. Peter in Salz-

burg, 1913, S XL.45 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 101. Im Jahr 1607 wurde die Straße

von den Hofbögen in den Frauengarten gepflastert.46 Ebenda, S. 83ff.: Noch während des Aufenthaltes Scamozzis wurde

am 4. Februar 1604 das Klausentor abgebrochen und die Gstät-tengasse in Richtung dieses Tores erweitert.

47 Der Marktplatz der Stadt wurde mittels der Kirchengasse (der heu-tigen Sigmund-Haffner-Gasse) an diese neue Achse angeschlossen.

48 Hauthaler (zit. Anm. 10), siehe Anm. 45.49 Ebenda, S. 100: Bis dahin bestand unter dem, gleichzeitig mit dem

Hofbogengebäude, als Ersatz für die nach dem Dombrand von1598 hergestellte hölzerne Brücke, errichteten Verbindungsgangvom heutigen Kaisersaal zur Stadtpfarrkirche ein Durchfahrtsbo-gen, dessen Abmessungen analog zu den Durchfahrten des Hof-bogengebäudes gestaltet war. Dieser dürfte mit der Schließung derGasse 1607 vermauert worden sein. Walter Schlegel konnte diesenDurchfahrtsbogen bei Bauarbeiten in den 1990er Jahren nach-weisen.

50 Eder (zit. Anm. 12), S. 112.: Wolf Dietrich ließ hier unter anderemdurch einen italienischen Baumeister ein neues Dormitorium er-richten.

51 Ebenda, S. 112. Wie aus den Darstellungen Thiemo Sings ersicht-lich, glich diese Mauer in ihrer Höhe und architektonischen Ge-staltung den Begrenzungsmauern des ehemaligen Hofgärtls, daswestlich an das Hofbogengebäude anschloss.

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ten Bereiche der Residenz für einen Um- bzw. Neu-bau freigemacht werden.

Der Bau des Hofbogengebäudes stand auch am Be-ginn einer Reihe städtebaulicher Maßnahmen, die inengem Zusammenhang mit dem Dombauprojekt Sca-mozzis standen und Voraussetzung für den weiterenAusbau des Bischofshofes zu einer fürstlichen Resi-denz waren.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Errichtungsarbei-ten des Hofbogengebäudes unmittelbar nach dem ein-zigen nachweislichen Aufenthalt Scamozzis in Salzburgbegannen.

So leitete das auf dem Fronhof errichtete Gebäudenicht nur die städtebauliche Fassung eines repräsen-tativen Vorplatzes für die geplante Domkirche ein, son-dern war auch Ausgangspunkt einer neu projektier-ten45 Verkehrsachse hinaus in den Frauengarten und

weiter zum Klausentor, der nördlichen StadtausfahrtRichtung Mülln.46

Durch die Errichtung dieser neuen Straßenachsekonnten die Käsgasse freigespielt und die in Bau be-findlichen Erweiterungen der Residenz im ehemali-gen Pfarrgärtl mit den Neubauten im Bereich des Bi-schofs- Fronhofes und verbunden werden.47 Der neueStraßenzug wurde 1607 fertiggestellt,48 die Käsgasseim selben Jahr geschlossen.49

Im Zusammenhang mit der Umgestaltung des mit-telalterlichen Fronhofes zu einem entsprechend ar-chitektonisch gefassten Vorplatz für die neue Dom-kirche Scamozzis dürften auch die Arbeiten im Be-reich des Stiftes St. Peter gestanden haben. Teile desStiftes wurden modernisiert,50 die auf den Fronhof ori-entierten mittelalterlichen Klostergebäude hinter einerhohen Mauer versteckt (Abb. 295).51

295. Fr. Thiemo Sing OSB (?), oben: St. Peter von Norden; unten: St. Peter von Süden,Gouachen auf Pergament, 19,5 x 27,9 cm, 1657, Archiv St. Peter

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Übergeordnete städtebauliche Idee hinter all die-sen Eingriffen in das urbane Gefüge der Stadt dürftedie Verwirklichung einer via principalis in der Achsedes von Scamozzi projektierten Domes gewesen sein,52

von der aus man den Vorplatz der Domkirche durchdie Hofbögen, gleichsam wie durch einen Triumph-bogen, betrat.53

Bei Fassadenrestaurierungen in den 1930er Jahren(Abb. 296) sowie bei extremen Raureiferscheinungenim Jahr 1942 wurde sichtbar,54 dass sich die Hofbö-

gen ursprünglich mit fünf, und nicht wie heute mitdrei Durchfahrtsbögen, hin zum Domplatz öffneten.

Wie aus dem Grundriss Scamozzis für einen Domin Salzburg aus dem Jahr 1606 hervorgeht, waren ander Westfassade seines Domprojektes ebenfalls fünfZugangsportale vorgesehen, die ihre Entsprechung inden fünf Durchfahrten des Hofbogengebäudes ge-funden hätten.55

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann angenommen wer-den, dass also das Hofbogengebäude mit seinen ur-sprünglich fünf geplanten Durchfahrten in einem en-gen Zusammenhang mit dem Projekt Scamozzis für eineneue Salzburger Bischofskirche stand. Allerdings sprichtvieles dafür, dass die Bögen noch im Zuge der Errich-tungsarbeiten geschlossen wurden. Bereits die zwischen1610 und 1615 entstandene Anonyme Chronik berich-tet im Zusammenhang der Errichtung des Hofbogen-gebäudes von drei und nicht von fünf Durchfahrten.56

Die Annahme, dass die Bögen noch während derBauzeit geschlossen wurden, wird auch durch die mo-nolithische Säule (Abb. 297), auf der die vier Jochedes hinter den vermauerten Durchfahrten liegendenEin-Säulen-Raumes ruhen, gefestigt. Es ist nicht anzu-nehmen, dass vorgesehen war, dass die Gewölbe derdrei nördlichen Durchfahrtshallen auf Pfeilern aus Na-gelfluhquadern lasten und die beiden südlichen aufeiner Säule aus rotem Adneter Kalkmarmor. DieserMaterial- und Stilwechsel innerhalb eines räumlichenVerbandes hätte keineswegs den Form- und Ge-schmacksvorstellungen des beginnenden 17. Jahrhun-derts entsprochen.

Da das fürstliche Appartement im 2. Obergeschossdes Hofbogengebäudes bereits ab 1606 voll ausge-stattet und bewohnt war, ist also nicht davon auszu-gehen, dass die Säule samt den Gewölben zu einemspäteren Zeitpunkt, also nach 1606 eingebaut wurde.

Es muss daher noch während der Bauzeit zu einerPlanänderung gekommen sein. Ob dies in Zusam-menhang mit einer Modifikation der Planungen fürden neuen Dom geschah, kann heute nicht mehr nach-gewiesen werden. Es ist jedoch durchaus möglich, dassman sich bereits vor 1606, also noch während der Er-

52 Adolf Hahnl, Die Profanbauten Wolf Dietrichs, in: Katalog Salz-burger Landesausstellung Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Rai-tenau, Gründer des barocken Salzburg, Salzburg 1987, S. 221–224,S. 221.

53 Wolfgang Steinitz, Ehrenpforten, Festgerüste und Trionfi, in: Fest-schrift für Hans Sedlmayr, Johannes Graf von Moy (Hg.), Salzburgund München 1977, S. 145–224: Zumindest einmal, nämlich ausAnlass der Säkularfeier im Jahr 1682, wurden die Hofbögen nach-weislich zu einem Triumphbogen umfunktioniert. Die Wahl desHofbogengebäudes als Standort der erzbischöflichen Ehrenpfortestreicht die zentrale städtebauliche Rolle der Hofbögen als End-punkt der erzbischöflichen via triumphalis heraus.

54 Für gegenständliche Hinweise und die Bereitsstellung des ent-sprechenden Fotomaterials bedanke ich mich bei HR WalterSchlegel.

296. Salzburg, Residenz, Fassadenrestaurierung in den 30erJahren; die vermauerten Bögen zum Domplatz sind sichtbar

297. Salzburger Residenz, Ein-Säulen-Raum mit derzentralen monolithischen Säule

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richtung des Hofbogengebäudes, vom großen Dom-entwurf Scamozzis verabschiedete.57 Auch ist denkbar,dass man schon zu diesem Zeitpunkt von der ur-sprünglich vorgesehenen Ostung des Domes Abstandnahm und ein nach Süden orientiertes Domprojektverfolgte. Die Notwendigkeit einer Analogie der Hof-bögen zur Hauptfassade des geplanten Domes warnicht mehr gegeben.58

Der noch in der Bauphase des Hofbogengebäudesvollzogene Planungs- und/oder Planerwechsel ist ander Ostfassade klar ablesbar (Abb. 298, 299). Die viernördlichen Fensterachsen folgen einem bewusstenRhythmus. Die Achsen wurden zu zwei Achsenpaarengekuppelt. Über den fünf ursprünglich geplanten Bo-genöffnungen befindet sich im Obergeschoss je einDoppelfenster.

Im südlichen Bereich der Fassade gegen das StiftSt. Peter kommt dieses System ins Wanken. Entspre-chend der zu erwartenden symmetrischen Ausbildungder Fassade wären hier ebenfalls vier, zu zwei Fens-terpaaren zusammengefasste Achsen zu erwarten. Statt-dessen findet sich jedoch ein buntes Durcheinandervon in unterschiedlichen Abständen angeordneten Ein-fach- und Doppelfenstern. Geht man davon aus, dassdas ursprüngliche Gestaltungskonzept der Fassadeneine symmetrische Ausbildung um die Mittelachse vor-sah und der Bau von Nord nach Süd hochgezogenwurde, wird durch die tatsächlich ausgeführte asym-metrische Gestaltung der Fassade deutlich, dass es hier

zu einer Abänderung des ursprünglichen Gestal-tungsansatzes gekommen sein muss und in diesemZusammenhang auch die beiden südlichen Bogen-öffnungen hin zum Domplatz geschlossen wurden.

APPARTEMENT NACH RÖMISCHEM VORBILD

Pracht und Größe eines Palastes sind die Schlag-worte, die in den zeitgenössischen Residenzbe-schreibungen des 16. und 17. Jahrhunderts immer wie-der fallen. Dabei ging es nicht nur um die Größe desBaus, die Kostbarkeit der Ausstattung, die Qualität derangesammelten Kunstschätze oder die Gestaltungdurch die am besten ausgebildeten Künstler nach neu-estem Geschmack. Bedeutend waren auch die Größedes Hofstaates, der Glanz des gesellschaftlichen Le-bens und eine reibungslose interne Organisation. Diehöfische Etikette, die in entsprechenden Hof- und Kam-merordnungen festgelegt war, regelte den Ablauf bisins Detail. Mit zunehmender Präsenz bestimmte dasjeweilige Zeremoniell immer stärker auch die Dispo-sition des Grundrisses und die architektonische Ge-staltung der fürstlichen Residenzen.

Für Salzburg ließ Wolf Dietrich von Raitenau 1590eine Neuordnung des Hofstaates festlegen, in der erdas Zeremoniell am Salzburger Bischofshof neu or-ganisierte.59 Für die räumlichen Lösungen der wäh-rend der Regierungszeit Wolf Dietrichs in Salzburgentstandenen Appartements können römische Kardi-

55 Georg W. Seunig, Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Salz-burg unter Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, Diss. ETHZürich 1981, S. 255ff. Seunig rekonstruierte mit Hilfe des Hofbo-gengebäudes die ungefähre Lage des von Scamozzi projektiertenDomes.

56 Wilfried Keplinger, Eine unveröffentlichte Chronik über die Re-gierung Erzbischof Wolf Dietrichs, in: Mitteilungen der Gesellschaftfür Salzburger Landeskunde 95, Salzburg 1955, S. 67–91.

57 Rainald Franz, Vincenzo Scamozzi (1548–1616) – Studien zumWerk, Dissertation Wien 1996, S. 75. Wie Franz nachweisen konnte,

handelt es sich bei der Plandarstellung Scamozzis aus dem Jahr1606 um keinen Bauplan sondern um eine Stichvorlage für seineL’idea dell’Architettura Universale.

58 Hauthaler (zit. Anm. 10), S.92: Die Abbrucharbeiten des mittelal-terlichen Domes begannen im Jahr 1606. Fünf Jahre später, im Jahr1611, wurden die Fundamente für einen neuen, gegen Süden ori-enterten Dom mit der Hauptfassade hin zum Residenzplatz gelegt.

59 Adolf Hahnl, Die Profanbauten Wolf Dietrichs, in: Katalog Salz-burger Landesausstellung Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Rai-tenau, Gründer des barocken Salzburg, 1987, S. 221–224, S. 221.

298, 299. Salzburg, Residenz, Rekonstruktion des Zustands der Fassaden um 1610;links: tektonischer Aufbau der Ostfassade; rechts: tektonischer Aufbau der Westfassade

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nals- und Papstpaläste als Vorbilder angenommen wer-den.60 Wolf Dietrich hatte in seinen römischen Jahrenausreichend Gelegenheit, sowohl die Paläste der Kar-dinäle als auch jene der Päpste zu studieren.61

Die Abfolge und Funktion der einzelnen Räum-lichkeiten leitete sich bei den römischen Vorbildernvom päpstlichen Zeremoniell ab. Die Anwendungdes für das römische Appartement des 16. Jahrhun-derts typischen Raumschemas findet sich in fast al-len Palastbauten Wolf Dietrichs wieder.62 Dem rö-mischen Beispiel folgend, begann der Weg zum Fürs-ten bereits mit dem Durchschreiten des Hauptpor-tals der Residenz. Im Haupthof, dem, wenn man so

will, öffentlichsten Raum der Residenz, begann dieAbfolge von öffentlich zu immer mehr privat kon-notierten Räumen, die in den Privatgemächern desFürsten endete.

Vom Hof gelangte man über das Haupttreppenhausins piano nobile.63 Das Hauptgeschoss betrat man überdie so genannte sala grande. Dieser Saalraum dienteals Rahmen großer Feste und war Aufenthaltsort derWache; von dieser Funktion leitet sich auch der Nameder sala grande der Salzburger Residenz, dem so ge-nannten Karabinierisaal,64 ab. Von diesem Saal aus ge-langte man in die fürstlichen Appartements. Der rö-mischen Tradition entsprechend wurden über den Ka-

300. Hauptgeschoss der Residenz (zweites Obergeschoss). A: Haupthof; B: Haupttreppe (errichtet um 1610), C: Lage desmittelalterlichen Glockenturmes; D: Karabinierisaal (vermutlich noch vor 1600 errichtet); E: Ritterstube; F: Vorzimmer; G:Audienzsaal; H: Leibzimmer; I: Ausgleichstreppe; J: Kaiserstiege; K: Wendeltreppe; L: Stuckierter Raum (vermutlich das studiolo)im ersten Obergeschoss; M: sala terrena im Erdgeschoss; N: Hofgärtl; O: Übergang über ehemalige Käsgasse; P: Achse derehemaligen Käsgasse; Q: Begrenzungsmauer des Hofgärtls; R: Begrenzungsmauer gegen das Stift St. Peter. Plangrundlage:Archiv St. Peter: Wolfgang Hagenauer (1726-1801): „Grundriß Der Erzbischöflichen Winterresidenz in Salzburg des zwytenStockwerks“. Tusche, koloriert, 1787. 66x49 cm, Wasserzeichen: Ligatur und Wappen, D&CBlauw, Bearbeitung: Verfasser 2012.

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rabinierisaal zwei Wohneinheiten mit nahezu gleicherRaumabfolge erschlossen (Abb. 300). 65

Durch das Portal an der Ostwand des Saales ge-langt man in das um 1596 ins mittelalterliche Gefügeder Residenz eingebaute Appartement.66 Im Westenführt eine aus der Zeit Wolf Dietrichs stammende Aus-gleichstreppe in den67 im Hofbogengebäude befind-lichen Kaisersaal.68 Die Bezeichnung Kaisersaal gehtauf das 19. Jahrhundert zurück.69 Bis dahin wurde die-ser Raum als Ritterstube bezeichnet. So begann dieRaumabfolge des Appartements über den Hofbögen,parallel zur Abfolge der Räumlichkeiten im Osttraktder Residenz, mit einer so genannten Ritterstube.70 Pri-mär diente dieser Raum als Warteraum für Audien-zen.71 Er war Zwischenglied zwischen der sala grandeund den südlich anschließenden, immer privater wer-denden Räumlichkeiten des fürsterzbischöflichen Ap-partements,72 in das Wolf Dietrich wahrscheinlich nochim Jahr 1606 übersiedelte.73

Die ursprüngliche Ausstattung der Ritterstube imHofbogengebäude ist nicht mehr erhalten. Allerdings

kann anhand einer Rechnung74 sowie einem Inventaraus 161275 das Aussehen der einstigen Ausstattung gutnachvollzogen werden. Anstatt der heute verputzten,flachen Decke schloss eine, wahrscheinlich gefasste,Holzkassettendecke den Raum nach oben ab. DieWände waren mittels einer hölzernen Lambrie ver-kleidet. In diese Holzvertäfelung waren eingefaste Tü-cher integriert.76

Die Ritterstube war noch einem relativ großen Kreisdes Hofstaates zugänglich. Von hier aus war das Vor-dringen in die südlich an diese anschließenden Räum-lichkeiten nur mehr einem beschränkten Kreis ge-stattet. Der Charakter der Räumlichkeiten wird immerintimer. Dem ersten, an die Ritterstube südlich an-schließenden Raum kann anhand einer Rechnung nocheindeutig die Funktion eines Vorzimmers, einer so ge-nannten anticamera zugewiesen werden.77 DieserRaum ist weiters an ein zweiläufiges Treppenhaus an-gebunden,78 das das piano nobile mit dem Erdgeschossdes Hofbogengebäudes verbindet. Mittels dieses ver-tikalen Verbindungsweges war es Besuchern möglich,

60 Grillitsch (zit. Anm. 7), S. 52–73, S. 53ff. Wolf Dietrich verbrachtefünf Jahre seiner Studienzeit in Rom. Während dieses mehrjähri-gen Studienaufenthaltes sowie bei seiner Rückkehr ins Rom Six-tus V., aus Anlass seines ad limam Besuches im Jahr 1588, hatteWolf Dietrich ausreichend Möglichkeiten, die neuesten Entwick-lungen auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus in derEwigen Stadt zu studieren.

61 Georg Steinmetzer, Der „Palazzo Nuovo“ in Salzburg – Zur Pla-nungsgeschichte des Palastes von Erzbischof Wolf Dietrich vonRaitenau, in: Erich Marx (Hg.), Die Neue Residenz in Salzburg, Jah-resschrift des Salzburger Museums Carolino Augusteum 47–48, Salz-burg 2001–2002, S. 53–111, S. 76: Wolf Dietrich hatte während sei-ner Studienzeit dank der Verbindungen seines Onkels KardinalMarco Sittico Altemps Gelegenheit, die wichtigsten römischen Pa-läste zu besuchen. Darüber hinaus vermutet Steinmetzer, dass sichder belesene Wolf Dietrich auch intensiv mit den zeitgenössischenTheorien zum Palastbau auseinandersetzte.

62 Hahnl (zit. Anm. 59), S. 221–224, S. 223ff. 63 Das Hauptgeschoss befindet sich in der Salzburger Residenz im

2. Obergeschoss. Hier weicht der Salzburger Bau vom römischenSchema ab. In Rom findet sich das Hauptgeschoss zumeist im ers-ten Obergeschoss. Da die Errichtung der heutigen Haupttreppeerst für die Jahre 1610/1611 anzunehmen ist, wurde das zweiteObergeschoss daher entweder über einen Vorgängerbau der Haupt-treppe oder mittels der Treppe in dem von Wolf Dietrich in dasGebäude eingebundenen und gestutzten mittelalterlichen Turm,vertikal erschlossen.

64 W. Schlegel (zit. Anm. 5), S. 237. Die Raumhöhe des von Wolf Die-trich errichteten Saales betrug allerdings nur 6 m und reichte nochnicht wie heute über zwei Geschosse.

65 Steinmetzer (zit. Anm. 61), S. 53–111. Auch in der Neuen Residenzfindet sich ein Parallelappartement, ein sogenanntes apartamentogemello, nach römischem Vorbild.

66 Betrachtet man deren heterogenen Grundriss, ist ein Hineinbas-teln der für das Zeremoniell notwendigen Räumlichkeiten in diebestehende Gebäudestruktur noch deutlich erkennbar.

67 W. Schlegel (zit. Anm. 22), S. 27–51, S. 47. Die Höhenlage des Hof-bogengebäudes wurde in der Folge für sämtliche später errichte-ten Teile der Residenz übernommen, bis hin zum neu erbautenUmgang oberhalb des Kapellenkranzes der Franziskanerkirche. DieBereiche des piano nobile, die in die mittelalterliche Baustrukturder Residenz eingebaut wurden, wie der Karabinierisaal und dasAppartement im Ostflügel, liegen tiefer.

68 Das zweite Obergeschoss des Hofbogengebäudes liegt höher alsdie Bereiche des piano nobile, wie der Karabinierisaal und dasAppartement im Ostflügel, die in die mittelalterliche Baustruktur

der Residenz eingebaut wurden. Die Höhenlage des Hofbogen-gebäudes wurde in der Folge für sämtliche später errichteten Teileder Residenz, bis hin zum neu erbauten Umgang oberhalb desKapellenkranzes der Franziskanerkirche übernommen.

69 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das piano nobiledes Hofbogengebäudes zu einer Wohnung für Kaiser Franz Josephsumgebaut, die er während seiner Aufenthalte in Salzburg nutzte.Aus dieser Zeit dürfte auch die Bezeichnung Kaisersaal stammen.

70 Im stadtrömischen Palastbau wurde dieser Raum als salotto odersala seconda bezeichnet. Dass es sich beim heutigen Kaisersaalum die ehemalige Ritterstube des westlichen Appartements han-delte, geht aus der Rechnung der Holzausstattung des Raumes ausdem Jahr 1612 hervor (SLA, HK, HBA 1590–1639, Lit. P, 1612).

71 Christoph Luitpold Frommel, Der Römische Palastbau der Hochre-naissance, Tübingen 1973, S. 70. Eine weitere Funktion, die diesemRaum zukam, war die Aufstellung von Schaubuffets zur Schaustel-lung des kostbaren Tafelgeschirrs anlässlich großer Festlichkeiten.

72 Im Hofbogengebäude übernahm die Ritterstube weiters noch eineVerteilerfunktion. Über die Tür der Westwand gelangte man inden Gang über die Käsgasse und weiter zur Pfarrkirche und denneu errichteten Trakt im Pfarrgärtl. Das nördliche Portal führtheute in den Markus Sittikus-Saal, von dem anzunehmen ist, dasses sich zur Erbauungszeit um eine offene Loggia handelte.

73 Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 93. Der Chronist Stainhauser legte dieErrichtung des Hofbogengebäudes ins Jahr 1606. Da die Bauar-beiten jedoch im Jahr 1604 schon sehr weit fortgeschritten waren,dürfte es sich also hier um das Fertigstellungsjahr des Gebäudeshandeln. Daher kann angenommen werden, dass das Hofbogenge-bäude spätestens 1606 vom Erzbischof bezogen wurde. – W. Schle-gel (zit. Anm. 22), S. 45. Damit war der bisher vom Fürsterzbischofbewohnte Ostflügel der Residenz frei für Um- und Ausbauarbei-ten, deren Beginn ab dem Jahr 1605 anzusetzen ist.

74 Salzburger Landesarchiv, HK, HBA 1590–1639, Lit. P, 1612.75 Salzburger Landesarchiv, GA XXIII /61.76 Laut dem Inventar von 1612 befanden sich in der Ritterstubn drei-

zehn Stück Tappezerey und zwei Tafel Tebich. Es ist anzunehmen,dass es sich hierbei um wertvolle flämisch Gobelins handelte. SieheRotraut Bauer, Wandteppiche, in: Katalog Salzburger Landesaus-stellung Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, Gründer desbarocken Salzburg, Salzurg 1987, S. 350.

77 Salzburger Landesarchiv, HK, HBA 1590–1639, Lit. P.78 Diese wird heute als Kaiserstiege bezeichnet. Auch diese Be-

zeichnung dürfte auf die Nutzung des Hofbogengebäudes durchKaiser Franz Joseph zurückgehen. Das Zugangsportal zum Treppen-haus aus den nördlichen Hofbögen im Erdgeschoss dürfte zu ei-nem späteren Zeitpunkt eingebaut worden sein.

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in die privaten Räumlichkeiten des Fürsterzbischofszu gelangen, ohne dabei den vom Zeremoniell vor-gesehenen Weg durchschreiten zu müssen.79 Weiterswar das Hauptgeschoss des Hofbogengebäudes überdiese Treppe auch mit der Küche, die sich im Erdge-schoss dieses Bereiches befand, sowie mit der sich imersten Obergeschoss unter dem Karabinierisaal ehe-mals situierten Silberkammer, verbunden.80

Bei den folgenden Räumlichkeiten dürfte es sichum die Privatzimmer des Fürsterzbischofs, die so ge-nannten Leibzimmer, gehandelt haben.81 Die ur-sprüngliche Disposition des Grundrisses in diesemTeil des piano nobile ist uns im Hagenauerplan über-liefert.82 Es ist heute jedoch nicht mehr möglich, denRäumlichkeiten ihre genauen Funktionen zuzuord-nen.83 Folgt man dem römischen Vorbild, befand sichhier an ein Audienzzimmer anschließend ein Schlaf-zimmer sowie ein Ankleidezimmer, die so genannteguarderoba.84

Die Aneinanderreihung der zeremoniellen Räum-lichkeiten erfolgte im Hofbogengebäude noch ohnedie Ausbildung eines begleitenden Korridors.85 DieZimmer waren fast durchwegs beidseitig, von Ost undWest, belichtet. Leider ist von der einst reichen Aus-stattung des Hofbogengebäudes fast nichts mehr vor-handen. Sie musste 1788 einem Umbau im Stil derZeit weichen.86 Allerdings kann angenommen werden,dass die Räumlichkeiten, analog zu den noch erhal-

tenen Ausstattungsensembles aus der Zeit Wolf Die-trichs, gestaltet waren. Als Deckenuntersicht ist einegefasste Holzkassettendecke anzunehmen. Die Fuß-böden dürften aus rotem Kalkmarmor bestanden ha-ben. Die Portaleinfassungen waren, wie in den Ab-bruchprotokollen aus dem Jahr 1788 ersichtlich,87 eben-falls aus Kalkmarmor gefertigt. Die einzelnen Räumewurden teils mit Kaminen, teils mit Kachelöfen ge-heizt.88

79 Steinmetzer (zit. Anm. 61), S. 81. Steinmetzer vermutet, dass dieWesttreppe der Neuen Residenz einem ähnlichen Zweck diente.Eine vergleichbare Anordnung ist auch aus dem Palast Sixtus V.bekannt.

80 Walter Schlegel, Zur Bau und Ausstattungsgeschichte der Fürsterz-bischöflichen Silberkammer in der Salzburger Residenz, in: Ro-switha Juffinger (Hg.), Zentrum der Macht, die Kunstsammlungender Salzburger Fürsterzbischöfe, Band II, Salzburg, 2011, S 381–394, S. 381.

81 Christoph Luitpold Frommel, Der Römische Palastbau der Hoch-renaissance, Erlangen, 1973, S. 71.

82 Die ursprüngliche Raumstruktur wurde ab 1788 mit den Umbau-ten für die Familie Wallis durch den Architekten Ludwig Greniergrundlegend verändert.

83 Salzburger Landesarchiv, GA XXIII/61: Als Ausstattung der fürstli-chen Leibzimmer listet das Inventar von 1612 vierzehn Tappeze-rey von rot und gelben Toppeltaffet und vier Vorhänge auf. Wei-ters werden als Ausstattung der fürstlichen Räume noch Felle,Schreib- und andere Kästen und Truhen, Senften, Leibstühle usw.auf.

84 Frommel (zit. Anm. 81), S. 72.85 Auch der römische Palast kannte noch keinen begleitenden Kor-

ridor.86 Salzburger Landesarchiv, HBA 3/61, 1788.87 Salzburger Landesarchiv, HBA 3/61, 1788.88 Siehe Hagenauerplan. Die Kamine dürften ähnlich wie jene an der

Ostseite des Karabinierisaales gestaltet gewesen sein.89 Beim Stuck handelt es sich um eine reiche Akanthusranken-Or-

namentik mit alternierend eingeschlossenen Mascerons und Putti.Vergleichbare, jedoch nicht so reich ausgestattete Stuckdecken, be-finden sich über den Wendeltreppen im Chortrakt an der Fran-ziskanerkirche und im nördlichen Gartenhof. Die heutige mono-chrome Weißfassung des Stucks dürfte nicht der ursprünglichenFarbigkeit entsprochen haben. Der Stuck der vergleichbaren Wen-deltreppe im Toskanatrakt verfügte ursprünglich über eine rosaUnterlegung. Außerdem war der Stuck dieses Treppenhauses mitgrau eingefärbten Zwischenschichten zur Erzielung sgraffitoarti-ger Schattenwirkung unterlegt. Vgl. Manfred Koller, Die neuenTechniken in der Kunst Salzburgs um 1600, in: Barockberichte 5/6,Salzburg 1992, S. 197–201.

90 Frommel (zit. Anm. 81), S. 73.91 Beim Stuck handelt es sich in diesem Raum um eine frühe Va-

riante einer Ausstattung mit Laub- und Bandlwerkstuck. Mit sei-nen Grotesken, Schweif- und Rollwerken ähnelt die Ornamentikdieser Stuckdecke jener der Gewölbemalereien in der sala terrenader Residenz. – Vgl. Stephan Bstieler, Die Sala Terrena der Salz-burger Residenz und ihre Ausstattung, in: ÖZKD LXIII, 2009, S. 74–93, S. 87. Wie die Künstler der Wandmalereien in der Dietrichs-ruhe, dürfte sich auch der Stuckateur im Hofbogengebäude an derOrnamentstichfolge Grottesco in diversche manieren von HansVredeman de Vries orientiert haben. – Vgl. Arthur Saliger, Die Salz-burger Stuckarbeiten in der ersten Hälfte des 17. Jhs., Diss. Wien1970, S. 162. Es ist als Charakteristikum der Stuckdecken zur ZeitWolf Dietrichs anzusehen, dass sie von malerischen Gewölbedeko-rationen inspiriert waren. Die plastischen Stuckornamente warendeshalb auch farbig gefasst, wie es an der Stuckausstattungen desNeugebäudes heute noch erfahrbar ist. – Vgl. Manfred Koller, DieFarbstuckdecken Erzbischof Wolf Dietrichs in Salzburg, in: Res-tauratorenblätter Bd. 9, Wien 1987, S. 183. Da diese Farbigkeit je-doch nicht mehr der klassizistischen Geisteshaltung der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts entsprach, wurden in dieser Zeit zahl-reiche Stuckdecken weiß überstrichen.

301. Salzburg, Residenz, Wendeltreppeim Hofbogengebäude

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Aus der Bauaufnahme Hagenauers aus dem Jahr1787 geht hervor, dass ursprünglich eine gewendelteTreppe von den Leibzimmern im piano nobile ins Erd-geschoss des Hofbogengebäudes führte. Diese Treppehat sich in den beiden unteren Geschossen erhalten(Abb. 301). Das reich stuckierte Treppenhaus verbandalso ursprünglich die intimsten Räumlichkeiten derfürstlichen Wohnung mit dem heute als Ein-Säulen-Saal bezeichneten Saalraum im Erdgeschoss des Hof-bogengebäudes. Die reiche Ausstattung der Treppelässt vermuten,89 dass es sich hier um keine zweit-rangige vertikale Erschließung oder gar um eine Ge-sindetreppe handelte. Vielmehr besitzt die Treppe denCharakter einer alleine dem Fürsten vorbehaltenenscala segreta. Bereits Alberti legte großen Wert darauf,dass der Hausherr von seinem Appartement im Piano

Nobile auf einer Geheimtreppe ungesehen auf dieStraße, in die Gärten oder die Bibliothek gelangenkonnte.90

Im ersten Obergeschoss ist an diese Treppe ein na-hezu quadratischer, rund 15 qm großer, kreuzgewölbter,reich stuckierter Raum angeschlossen (Abb. 302). Überdiesen Raum gelangt man weiter in einen ebenfallskreuzgewölbten, rechteckigen Raum. An diesen grenz-ten ursprünglich noch zwei weitere kleine Neben-räume. All diese Räumlichkeiten waren ursprünglichausschließlich über die Wendeltreppe erschlossen.

Aufgrund der reichen Stuckausstattung kann ange-nommen werden,91 dass es sich hier um einen hoch-rangig genutzten Raum handelte, der in unmittelbarräumlichem Zusammenhang mit den fürstlichen Leib-zimmern stand.

302. Salzburg, Residenz, Stuckdecke im ersten Obergeschoss des Hofbogengebäudes

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Aus dem römischen Palastbau des 16. Jahrhundertssind zahlreiche vergleichbare Räumlichkeiten, die auchhier fast ausschließlich über eine scala segreta er-schlossen waren, bekannt. Diese, als studiolo be-zeichneten Räume dienten dem Hausherrn als Zu-fluchtsort für die zurückgezogene und einsame Be-schäftigung mit den Wissenschaften oder Geschäften.Sie waren meist klein bemessen und boten kaum Platzfür andere Personen als den Nutzer.92 Bei den an-schließenden Räumlichkeiten handelte es sich meistum eine Bibliothek oder Kunstkammer.93

Die gewendelte Treppe führt im Erdgeschoss in denheute als Ein-Säulen-Raum bezeichneten, zweige-schossigen, vierjochigen Saalraum (Abb. 297), der sichhinter den vermauerten Bogenöffnungen hin zumDomplatz befindet. Hierbei handelte es sich um einenGartensaal, der sich ursprünglich zum westlich an dasHofbogengebäude anschließenden Hofgärtl öffnete(Abb. 303). Somit stand der intimste Bereich des erz-

bischöflichen Appartements, entsprechend der römi-schen Tradition, in einer direkten Beziehung zu ei-nem Palastgarten (Abb. 304). Der Ziergarten mit ei-ner, sich zu diesem öffnenden Loggia ist ein weiteresElement, das direkt aus der Tradition des römischenPalastbaus des 16. Jahrhunderts für die Salzburger Re-sidenz übernommen wurde.94

Die einzelnen Joche des Saalraumes werden vonbreiten, vermutlich einst stuckierten Gurten getrennt.Die vier Gewölbejoche des Saales ruhen auf einer zen-tralen Säule toskanischer Ordnung. Diese monolithi-sche Säule befand sich ursprünglich in der 1589 vonWolf Dietrich errichteten Domsakristei und wurde hierim Hofbogengebäude nach deren Abbruch im Jahr1602 sekundär verwendet.95

Dass sich der Saal ursprünglich hin zum Garten öff-nete, beweist ein Foto der Umbauarbeiten aus demJahr 1965 (Abb. 305).96 Auf dem Bild sind die Resteder reichen Stuckierung der Bogenlaibung hin zumehemaligen Hofgärtl klar erkennbar. Die stuckierte Bo-genlaibung lässt darauf schließen, dass es sich beimEin-Säulen-Saal nicht, wie oft vermutet, um eine Vor-fahrts- oder Durchfahrtshalle gehandelt haben kann.97

Sowohl die Gestaltung des Stucks als auch die Raum-struktur lassen eine deutliche Analogie, zur etwas spä-ter entstandenen, sala terrena in der Dietrichsruh derResidenz erkennen.98 Wie bereits weiter oben ausge-führt, dürfte dieser Gartensaal nicht Teil des ur-sprünglichen Raumprogrammes des Hofbogengebäu-des gewesen sein, da ja hier zwei weitere Durchfahr-ten zum Domplatz vorgesehen waren. Jedoch kannangenommen werden, dass es noch im Laufe der Er-richtungsarbeiten zu einer Planänderung kam, mögli-cherweise ausgelöst durch eine Abkehr von Scamoz-zis ursprünglichem Domentwurf.

303. Salzburg, Residenz, hypothetische Rekonstruktion,Bick aus der sala terrena in das Hofgärtl

304. Salzburg, Residenz, hypothetische Rekonstruktion,Blick in das Hofgärtl

305. Salzburg, Residenz, Umbauarbeiten 1964/1965. Dieursprüngliche Stuckausstattung im südlichen Bogen zum Hof

ist klar erkennbar

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DAS HOFBOGENGEBÄUDE DER SALZBURGER RESIDENZ 359

DAS URSPRÜNGLICHE ARCHITEKTONISCHE

GESTALTUNGSKONZEPT DER FASSADEN

Von den originären architektonischen Gestaltungs-elementen sind heute nur mehr wenige Teile, wie zumBeispiel die Fenstereinfassungen, im Bestand erhalten.Die Putzoberflächen wurden in den 1930er Jahren zurGänze abgeschlagen und präsentieren sich gegenwärtigin dem, dem damaligen Zeitgeschmack entsprechen-den, groben, heute grau getünchten Rieselputz. An-statt des profilierten Gesimses fand sich ursprünglicheine weit ausladende Hohlkehle, die gemeinsam mitdem Grabendach in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts abgetragen wurde. Die Ochsenaugen wur-den vermauert und durch kleine rechteckige Lüf-

tungsöffnungen ersetzt.99 Ursprünglich war die Hohl-kehle das bestimmende Gestaltungselement der Fas-saden des Hofbogengebäudes (Abb. 306, 307). In ei-nigen Bereichen der Residenz haben sich bis heuteHohlkehlen erhalten.100 Diese wurden von der For-schung allerdings bisher in das ausgehende 18. Jahr-hundert datiert.101 Die im Zuge der gegenständlichenArbeit durchgeführten Bauforschungen konnten je-doch eindeutig nachweisen, dass die Hohlkehle unddie in diese eingeschnittenen Ochsenaugen Teil desursprünglichen architektonischen Gestaltungskonzep-tes des Hofbogengebäudes war (Abb. 308).102

Hohlkehlen finden sich in Salzburg ab dem Endedes 16. Jahrhunderts.103 Sie entstanden am Abschlussder Entwicklungsgeschichte des Grabendaches und

92 Frommel (zit. Anm. 81), S. 73.93 Luigi Grassi, Dizionario di arte, Termini, movimenti e stili dall’an-

tichità a oggi, Torino 2003, S. 839.94 Frommel (zit. Anm. 81 S. 89.95 Die Säule dürfte bei den Zeitgenossen Wolf Dietrichs einen ziem-

lichen Eindruck hinterlassen haben, da sie der Chronist Stainhau-ser auf das Genaueste beschrieb, [Hauthaler (zit. Anm. 10), S. 33].Da die von Stainhauser gemachten Maßangaben ziemlich genaumit jenen der Säule im Hofbogengebäude übereinstimmen, ist da-von auszugehen, dass die Säule, nachdem die Sakristei im Jahre1602 abgebrochen worden war [Hauthaler, zit. Anm. 10, S. 73],hier an dieser Stelle wiederversetzt wurde.

96 Im Zuge der Umbauarbeiten für universitäre Zwecke wurden diebereits im Laufe des 17. Jahrhunderts mittels dünner Wände ge-schlossenen Bögen geöffnet und anschließend wieder vermauert.

97 Die Annahme, dass es sich bei den beiden südlichen Durchfahr-ten um die Vorfahrt zur bischöflichen Wohnung im Hofbogenge-bäude handelte, kann nicht zutreffen. Wie bereits nachzuweisenversucht wurde, konnte das Hofbogengebäude, dem Zeremoniellentsprechend, nur über Karabinierisaal und Kaisersaal offiziell er-schlossen gewesen sein. Es hätte nicht dem Zeremoniell entspro-chen, wäre man direkt über die Haupterschließung in den inti-men Bereich des Appartements gelangt. Die Wendeltreppe hat kei-neswegs den Charakter einer öffentlichen Treppe. Weiters lassendie Wandstärken der geschlossenen östlichen Durchfahrtsbögen,sowie der Trennwand zu den Hofbögen, darauf schließen, dassdiese bereits während der Bauzeit vermauert wurden.

98 Es ist anzunehmen, dass sich in der sala terrena im Hofbogen-gebäude unter den Malschichten der vergangenen Jahrhundertenoch Reste einer entsprechenden Wandmalerei und Stuckausstat-tungen finden. Wie auf Fotos aus den 60er Jahren zu erkennenist, wurde der Putz in den Gewölbekappen damals nicht abge-schlagen.

99 1863 wurde der Dachstuhl über dem Tiefen Zimmer neu herge-stellt (Salzburger Landesarchiv, RSV III/36). 1870 wurde das Dachüber dem Nord- und Westtrakt erneuert (Salzburger LandesarchivRSV III/36). Das Dach des eigentlichen Hofbogengebäudes wurdeim Zuge der Dachsanierung der Residenz in den folgenden Jah-ren neu errichtet. Im Zuge der Neuherstellung der Dachstühlewurde auch die ursprüngliche Hohlkehle abgetragen und durchdas heutige profilierte Hauptgesims ersetzt. Die Ochsenaugen wur-den vermauert.

100 Die Hohlkehle hat sich am Südflügel des Toskanatraktes sowie amChortrakt an der Franziskanerkirche erhalten. In beiden Fällenwurde auch das Grabendach im 19. Jahrhundert nicht durch einSatteldach ersetzt.

101 W. Schlegel (zit. Anm. 22), S. 27–51, S. 34. 102 Reste der ursprünglichen Hohlkehle aus der Erbauungszeit konn-

ten vom Verfasser im Dachboden über dem Chortrakt an der Fran-ziskanerkirche nachgewiesen werden. Weiters finden sich Plandar-stellungen aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, die den Abbruchder Hohlkehle und die Errichtung eines profilierten Gesimses do-kumentieren. Salzburger Landesarchiv, BA VI 1–107–4: Grundriss-und Profilplan, Residenz, Wallistrakt, für einen neuen Dachstuhl mitEisenblech Eindeckung über der Kavalierswohnung, 1870.

103 Franz Martin, Das Salzburger Grabendach, in: Mitteilungen derAnthropologischen Gesellschaft in Wien LVI. Band, Wien 1926S. 308–319, S. 311. Ob die Hohlkehle tatsächlich über die Schweiznach Salzburg kam, wie Martin meint, ist nicht mehr nachweisbar.Als älteste erhaltene Beispiele gibt Martin die Hohlkehlen am Nord-trakt der Residenz an der Franziskanerkirche und am Schloss Hell-brunn an. Die Tatsache, dass die Hohlkehle gerade zur Zeit WolfDietrichs in die lokale Architektur Salzburgs Eingang fand, legt je-doch die Vermutung nahe, dass diese tatsächlich mit den italieni-schen Baumeistern am Hofe des Erzbischofs ihren Weg nach Salz-burg fand und in der Folge auch an den Bürgerhäusern ange-wendet wurde. Die Hohlkehlen der Bürgerhäuser wurden ur-

306, 307. Salzburg, Residenz, Rekonstruktion des Zustandes der Ostfassade des Hofbogengebäudes im Jahr 1606;links: Blickrichtung Norden; rechts: Blickrichtung Süden

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bildeten mit diesem eine sowohl gestalterische wieauch funktionale Einheit.104 Bis in die zweite Hälftedes 19. Jhs. befand sich auch auf dem Hofbogenge-bäude ein für Salzburg typisches, im Falle der Resi-denz mit Lärchenschindeln gedecktes Grabendach.105

Diese Dachform rief am Hofbogengebäude die Illu-sion eines damals technisch nicht herstellbaren, fla-chen Daches hervor.

Der, durch die weit ausladende Hohlkehle und dasscheinbar flache Dach stark betonte waagrechte, Ge-bäudeabschluss unterstrich die horizontale Ausrich-tung und den klaren kubischen Gesamteindruck desGebäudes zusätzlich. Heute scheint die Fassade nachoben hin auszulaufen. Das ursprünglich, auf den Prin-

zipien des Tragens und Lastens basierende, architek-tonische Gestaltungskonzept ist nicht mehr lesbar. Vonden aus der Erbauungszeit erhaltenen architektoni-schen Gliederungselementen der Fassade findet sichneben den bereits erwähnten Fenstereinfassungen ander nördlichen Ecke der Ostfassade ein rustizierterEckpilaster aus Nagelfluh. Ein solcher Pilaster ist si-cherlich auch an der ursprünglich freistehenden süd-lichen Ecke der Fassade zu denken.106 Der Pilaster ruhtauf einem Nagelfluhsockel, dessen Höhe jener derPostamante der Pfeiler der Durchfahrtshalle aus eben-diesem Material entspricht.

Der Aufbau der Fassade ist dreigeschossig. Die Ge-schosse werden durch flache doppelte, aufgeputzteHorizontalbänder, auf denen jeweils die Fenster auf-sitzen, gegliedert.107 Vertikal betont wird die ebenflä-chige Fassade lediglich durch die rustizierten Eckpi-laster und die Fensterachsen. Durch die ursprünglichin die Hohlkehle eingeschnittenen Ochsenaugenwurde der Rhythmus der vertikalen Fassadengliede-rung in die Gebälkzone übertragen.108 Dadurch ent-stand eine sanfte vertikale Rhythmisierung der an-sonsten von horizontalen Gliederungselementen do-minierten Fassade.109

Wie bereits im Zusammenhang mit den fünf ge-planten Durchfahrtshallen beschrieben, folgen die viernördlichen Fensterachsen einem bestimmten Rhyth-mus (Abb. 298, 299).110 Dieses Gestaltungskonzept wie-derholt sich allerdings im südlichen Bereich der Fas-sade nicht mehr. Auch hier wären vier, zu je zwei Paa-ren zusammengefasste Achsen zu erwarten. Es dürftejedoch, wie bereits besprochen, noch während derBauzeit zu einem Planungs- und/oder Planerwechselgekommen sein, und die Fassade wurde nicht mehr,dem ursprünglichen Gestaltungskonzept folgend, fer-tiggestellt.

Wie die, die gegenständliche Arbeit begleitendeBauforschung ergab, handelte es sich beim originä-ren Nullflächenputz um einen feinkörnigen Riesel-putz. Die Flächen waren weiß getüncht.111 Die Putz-oberfläche der architektonischen Gliederungsele-mente bildete eine weiße glatte Feinzugschicht.112

sprünglich aus glatten Holzlatten hergestellt und mit Heiligenbil-dern und Sprüchen geziert. Im 18. Jahrhundert wurden sie ange-rohrt und verputzt. An den Palastbauten der Erzbischöfe wurdedie Hohlkehle mittels Ziegeln aufgemauert, mit Putz beworfen undabgezogen.

104 Margot von Gumppenberg, Entwicklung und Typologie des Salz-burger Bürgerhauses, Diss. Salzburg 1985, S. 164. Der oberste Randdes horizontalen Fassadenabschlusses wurde vorgezogen und derrechte Winkel zwischen dem herausführenden Abschluss und derFassade durch eine Wölbung verbunden. Die Fassade bekam so nachoben eine optische Begrenzung, ein abschließendes Zierelement.

105 Imma Wallderdorf, Die fürsterzbischöfliche Residenz in Salzburgunter Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/1812. Kunst im Dienste der Aufklärung?, Dissertation 2010, S. 106.Die Residenz war mit Lärchenschindeln gedeckt, während andereGebäude mit Fichtenschindeln gedeckt waren.

106 W. Schlegel (zit. Anm. 5), S. 205–256. Hier wurde in den Jahren1656–1661 der Konventtrakt des Stiftes St. Peter mit der LangenGalerie angebaut, der heute die südliche Achse verdeckt.

107 Die Bänderung wurde im Zuge der Fassadenrestaurierung in den30er Jahren erneuert, entspricht aber der ursprünglichen Fassa-dengestaltung, wie auf historischen Darstellungen ersichtlich.

108 Die Ochsenaugen, auch oeil-de-boeuf genannt, dienten ursprünglicheinerseits als Lüftungsöffnungen für das Dachgeschoss, andererseits,wie auf der Darstellung von Thiemo Sing aus dem Jahr 1657 deut-lich zu erkennen ist, wurde auch die Dachentwässerung mittels Was-serspeiern durch diese querovalen Öffnungen geführt. Wie vom Ver-fasser nachgewiesen werden konnte, haben sich im Dachgeschossdes Chortraktes an der Franziskanerkirche Reste eines Ochsenau-ges aus der Errichtungszeit des Hofbogengebäudes erhalten.

109 Dieser Effekt wurde durch den Einbau von Vorfenstern im 19. Jahr-hundert zusätzlich geschmälert. Der Schatteneffekt der tiefen Fens-

308. Salzburg, Residenz, Reste des originalen Hohlkehlen-gesimses im Trakt an der Franziskanerkirche: Fundstelle,

Probeentnahme, Materialanalyse

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DAS HOFBOGENGEBÄUDE DER SALZBURGER RESIDENZ 361

Die Materialität und Farbigkeit des im 20. Jahr-hundert aufgebrachten grauen, groben Rieselputzesentspricht daher nicht dem ursprünglichen, durch ei-

nen hellen, feinkörnigen Putz bestimmten Erschei-nungsbild des Hofbogengebäudes. ArchitektonischeGliederungselemente sowie Fenstereinfassungen setz-ten sich hauptsächlich durch ihre formale Gestaltungund ihre unterschiedliche Oberflächenqualität vomfeinkörnigen, ebenfalls weiß getünchten Putz der Null-flächen ab.113

Die Ostfassade war weitgehend analog zur West-fassade gestaltet. Auch hier folgt die Gestaltung dernördlichen Fassadenhälfte einer klaren architektoni-schen Linie, während es im südlichen Teil zu einemDurcheinander unterschiedlicher Fenstertypen und-abstände kommt.

Im südlichen Bereich der Westfassade schloss zurErbauungszeit das Hofgärtl Wolf Dietrichs an das Hof-bogengebäude an.114 Dieser Palastgarten war dreisei-tig von einer Mauer eingefasst, welche mittels Lisenenund vertieften Feldern architektonisch gegliedertwurde.115 Den oberen horizontalen Abschluss bildeteein dreifach faszetiertes Gesimse.116 Diese Gartenmauerhat sich bis heute in den Außenmauern der Hofflü-gel des Wallistraktes erhalten.117 Obwohl auch hier derPutz erneuert wurde, sind die architektonischen Ge-staltungselemente noch klar lesbar (Abb. 309).

terlaibung ist nicht mehr gegeben. Durch die fassadenbündigenAußenflügel kommt es zu einer zusätzlichen visuellen Verflachungder Fassaden.

110 Die vier Achsen sind zu je zwei Achsenpaaren gekuppelt. In derErdgschosszone finden sich quadratische Fenster mit profiliertemRahmen mit einfachen Ohren sowie ein schmiedeisernes Gitter.Die hochrechteckigen Fassadenöffnungen des ersten Stockes be-sitzen einen weit ausladenden Sturzbalken, eine architravierte Fens-tereinfassung mit doppelten Ohren und ein vorgeblendetes Korb-gitter. Die Fenster des Piano Nobile im zweiten Obergeschoss wer-den ebenfalls durch ein weit ausladendes Gebälk verdacht, die Ein-fassung ist auch hier architraviert und besitzt doppelte Ohren. DieFenstereinfassungen wurden bis auf einige Ausnahmen entlangder ehemaligen Käsgasse aus hellem Untersberger Kalkmarmorhergestellt. Hier wurden sie in der billigeren Putztechnik ausge-führt.

111 Laut Laborbefund Bundesdenkmalamt 309/11 handelte es sichbeim ursprünglichen Nullfächenputz um einen 2–3 cm dicken,hellgrauen, sehr festen und feinkörnigen Putz mit Gipsanteilen:Bindemittel: Dolomitkalk mit zugesetztem Baugips (Pyrit und SrSO4sind nachweisbar). Gipsanteil ca. 20 %. Körnung: Dolomit, Kalkund silikatisch. Korngröße: 50–1500 (100–400) μm. Die Oberflä-che bildet ein sehr weißer, dünn aufgetragener körniger, wie einfeiner Riesel wirkender Putz: 3,5 mm heller Putz. Bindemittel: do-lomitischer Kalk. Körnung: Dolomit; Korngröße: 0,5–2 mm. DieNullfläche war ursprünglich weiß getüncht. Ritzungen oder Qua-dermalereien konnten keine festgestellt werden. Untersberger Mar-mor als Körnung kann beim Nullflächenverputz ausgeschlossenwerden.

112 Laut Laborbefund BDA 312/11 besteht der Putzaufbau der Glie-derungselemente aus drei Schichten: 1). Hellgrauer Putz. Binde-mittel: Dolomitkalk mit zugesetztem Baugips (Pyrit und SrSO4 sindnachweisbar). Gipsanteil ca. 5–10 %. Im Bindemittel Brandrelikteund Kalkspatzen. Körnung: Dolomit, Kalk und silikatisch; Korn-größe: 50–1500 (100–200) μm. 2). 5 mm heller Putz. Bindemittel:(dolomitischer) Kalk mit Baugipsanteil (ca. 10–20 %). Körnung: üw.Dolomit; Korngröße: 100–200 μm. An der Oberfläche dünne Sin-terhaut. 3). 0–50 μm Kalktünche mit Vergipsung. Beim Mörtel derobersten Schicht ist die Körnung weiß, es kam also kein Salzach-

feinsand zur Anwendung. Leider wurde im Zuge der Befundungim Labor des BDA nicht untersucht, ob im Putz der architektoni-schen Gliederungselmente Untersberger Feinsand als Körnung zurAnwendung kam.

113 Ob dem Putz als Körnung der Gliederungselemente, um dessenFarbigkeit der der Fenstereinfassungen aus hellem UntersbergerKalkmarmor anzupassen, ein entsprechender Feinsand, ein Ab-fallprodukt aus den Steinbrüchen und Bauhütten, zur Anwendungkam, konnte im Zuge der gegenständlichen Laboruntersuchungennicht geklärt werden.

114 Über die gärtnerische Gestaltung des Hofgärtls fehlen uns leiderjegliche Nachrichten. So wie jedoch auf den Darstellungen von Fr.Thiemo Sing aus dem Jahr 1657 erkennbar ist, dürfte der Gartenmit der Höhe der Einfassungsmauer entsprechenden Bäumen be-pflanzt gewesen sein. Wie auf dem Hagenauerplan zu erkennen,führte ein Nebenarm des St. Petrischen Arms des Almkanals durchdas Hofgärtl. Es ist anzunehmen, dass dieser im Zusammenhangmit etwaigen Brunnen- oder Grottenanlagen stand. Das frühestemir bekannte Dokument über die Existenz des Gartens findet sichin der Planskizze des von Guidobald Thun projektierten GalerieTraktes aus dem Jahr 1657 (Archiv St.Peter: Beilage zu Hs A 50,115. Planskizze des von Guidobald Thun projektierten Galerie Trak-tes. Lavierte Federzeichnung 622 x 418 mm, 1657).

115 Wie auf historischen Darstellu6ngen erkennbar, glich die Begren-zungsmauer des Hofgärtls in ihren Proportionen und ihrer Ge-staltung der Mauer, die Wolf Dietrich als südliche Begrenzungs-mauer des Domplatzes errichten ließ.

116 Die ursprüngliche Gestaltung konnte anhand der Fotos der Um-bauarbeiten aus den Jahren 1964/1965 nachgewiesen werden.

117 Im Zuge des Einbaus der Hofflügel in das ehemalige Hofgärtl im17. und 18. Jahrhundert, wurden die Außenwände auf die Gar-tenmauer aufgesetzt und Fensteröffnungen in diese eingeschnit-ten. Die Gestaltung des westlich, außerhalb der ursprünglichen Be-grenzungsmauer des Gartens angebauten Treppenhauses, wurdean das Erscheinungsbild der Gartenmauer aus der Zeit Wolf Die-trichs angeglichen. Die Zerstörung der architektonischen Gliede-rung der ehemaligen Gartenmauer konnte in den 60er Jahren inletzter Minute verhindert werden.

309. Salzburg, Residenz, der Wallistrakt von der Franziska-nergasse aus gesehen. Im unteren Bereich des Gebäude-flügels längs der Gasse hat sich die architektonische

Gliederung der Mauer des Hofgärtls teils noch erhalten

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Clemens StandlTHE „HOFBOGENGEBÄUDE“ AT SALZBURG RESIDENCE

The „Wallistrakt“ is a wing of the extensive complex ofthe prince archbishop’s sprawling Salzburg Residence. It com-prises diverse architectural components built during variousconstruction phases. Separated from the prince archbishop’sresidence during several re-constructions and changes ofownership, the apartment in the Wallistrakt has not previo-usly been discussed in literature in association with the actualprince archbishop’s Residence.

Built during the first constructional stage starting in 1604,the so-called „Hofbogengebäude“ (arched construction sur-rounding a courtyard) served originally as the accommoda-tion suites of the prince archbishop, Wolf Dietrich of Raite-nau (1587–1612).

The building was erected between 1604 and 1606 in the„Frohnhof“, the medieval forecourt of the cathedral. Herethere was enough space to rapidly establish new living quar-ters for the prince archbishop without disturbing the ope-ration of the Residence or having to demolish bourgeoishouses. After the Hofbogengebäude was completed in 1606the medieval residence was then free for further restructu-ring and modernisation.

In specialist literature, the Hofbogengebäude has been re-peatedly associated with the Venetian architect Vincenzo Sca-mozzi. It is accepted that Scamozzi stayed in Salzburg in1603/1604 whilst preparing plans for a new cathedral as wellas for the refurbishment and extension of the Episcopal re-sidence; however, archival proof for this is lacking.

The five passages that were originally planned for theHofbogengebäude (whose construction commenced in theearliest phase) can be unambiguously associated with Sca-mozzi’s design for the cathedral. However, as subsequentmodification of the original layout of the façade shows, therewas a change of plan (or planner) at some point during the1604 to 1606 building phase.

The prince archbishop’s apartment was located on the se-cond floor, the piano nobile of the building. To the north,the Hofbogengebäude was connected directly to the „Cara-binierisaal„, the sala grande of the Salzburg Residence. Fromthere the apartment extended southwards, with the princearchbishop’s private chambers being located at the most sout-herly extremity. A richly stuccoed ceiling led into a gardenhall, the so-called sala terrena, which opened towards the„Hofgärtl“ located to the west. This giardino segreto was sur-rounded by a high garden wall. In this paper it was possi-ble to confirm the designation of the hall as sala terrena de-spite it not being recognisable as such today. Furthermore,it has been feasible to establish the original architecturalstructure as well as the composition of the materials and co-lours of the plaster surfaces dating from the time of the con-struction of the Hofbogengebäude.

As early as the time of Wolf Dietrich’s successor, MarkusSittikus of Hohenems (1612–1619), the Hofgärtl and the salaterrena appear to have been abandoned, with a three-sided

cloister with an extra storey being erected within the gar-den walls and the sala terrena bricked up. The architect forthese alterations is likely to have been Santino Solari as thelayout of the structures and the architectural presentationare closely related stylistically to Solari’s secular buildings inSalzburg.

ENGLISCHE KURZFASSUNGEN DER BEITRÄGE

ENGLISH ABSTRACTS