Möglichkeiten der Rekonstruktion eisenzeitlicher Frauenkleidung mit zwei und drei Fibeln

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Einleitung

In der Literatur, bei Lebensbildern und inMuseen ist oft ein sehr einheitl iches Bildder eisenzeitl ichen Frauentracht zu fin-den. In den meisten Fällen handelt essich um ein knöchel- bis bodenlanges Ge-wand, das an den Schultern mit Fibelnbefestigt und gegürtet wird, der soge-nannte eisenzeitl iche Peplos. Wie es zudieser Rekonstruktion kommt und welchealternativen Möglichkeiten aufgrund derQuellensituation bestehen, sol l im Folgen-den diskutiert werden.

Quellen zur eisenzeitl ichen Kleidung

Grundsätzl ich bieten sich folgende Quel-len an, um eisenzeitl iche Kleidung zu re-

konstruieren: Trachtlagen aus Gräbern,Originalfunde von Kleidungsstücken, Ab-bildungen bekleideter Menschen und Be-richte von den Nachbarn aus dem Mittel-meerraum (GRÖMER, RÖSEL-MAUTENDOR-FER 201 2, 929-931 ; GRÖMER 201 0, 293-306). Jede dieser Quellenarten spiegelteine einseitige Sichtweise wider undmuss quellenkritisch hinterfragt werden.So repräsentieren Trachtlagen aus Grä-bern selten einen gesellschaftl ichenQuerschnitt, da es sich oft um bestimmteIndividuengruppen und deren Verwandtehandelt wie zum Beispiel beim latènezeit-l ichen Gräberfeld in Pottenbrunn/Nieder-österreich (RAMSL 2002, 1 52). Abbildun-gen von bekleideten Menschen sind oftsehr abstrakt und dadurch schwer zu in-terpretieren. Viele der Darstel lungen wie

Experimentel le Archäologie in Europa 1 3 – Bilanz 201 4, S. 1 1 9-1 28Kategorie: Rekonstruierende Archäologie

Möglichkeiten der Rekonstruktion eisenzeitl icherFrauenkleidung mit zwei und drei Fibeln

Helga Rösel-Mautendorfer

Summary – Possibilities in the reconstruction of Iron Age woman dress using two

or three fibulas. The basis for reconstructions of prehistoric garments are finds ofclothes, the position of the jewelry (like pins, fibulas, belt plates and buckles) in graves,pictures of clothed people, and, if available, written sources. For the Iron Age femaledress often a peplos, a tube dress fixed with fibulas on the shoulders, is reconstructed,based on the find of Huldremose (a tubular textile object) and the occurrence of pairedbrooches at the shoulders. On Iron Age figures, however, there are no concreterepresentations of this type of clothing and the ancient authors just describe trousers,shirts, jacket-like robes and cloaks and give information about the fabric designs. Theuse of fibulas in conjunction with other types of clothing or headgear has rarely beendiscussed. Also in the presence of three fibulas in a zone from the shoulders to the chestoften the peplos is the assumed type of clothing. In this presentation alternative garmentsfor the Iron Age will be discussed, which can be fixed by two or three brooches on thebody.

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zum Beispiel in der Situlenkunst weisenmehrere Bedeutungsebenen auf, auch ei-ne Idealisierung der Darstel lung ist mög-l ich (GRÖMER 201 0, 303-305). Die Berich-te antiker Autoren sind wiederum aus de-ren eigenem Kulturkreis geprägt. Es han-delt sich daher nicht um objektiveBerichte (GRÖMER 201 0, 305-306). Selbstbei Originalgewändern lassen sich zwarAussagen zu diesen speziel len Klei-dungsstücken machen, al lerdings seltenallgemein gültige Aussagen zur Kleidungaller Gesellschaftsmitgl ieder.Betrachtet man allerdings mehrere Quel-len gemeinsam, lässt sich das Bild zur ei-senzeitl ichen Kleidung etwas eingrenzen.Als Quellen zur eisenzeitl ichen Frauen-tracht im Speziel len lassen sich Trachtla-gen aus Frauengräbern heranziehen, sozum Beispiel die ältereisenzeitl ichen Grä-ber aus Hallstatt/Österreich (GRÖMER

201 0, 300, Abb. 1 47) oder Mitterkir-chen/Österreich (PERTLWIESER 1 982, 9-24;PERTLWIESER 1 991 , 29-31 ; LESKOVAR1 998), und latènezeitl iche Gräber zumBeispiel aus Mannersdorf/Österreich(RAMSL 2011 ) oder Pottenbrunn/Öster-reich (RAMSL 2002). Bei Abbildungen vonFrauen, zum Beispiel aus der Situlen-kunst (AUSSTELLUNGSKATALOG SITULENKUNST1 962), ist es nicht klar, ob es sich hier umAlltagskleidung, Festkleidung oder rituel leKleidung handelt, wobei die Grenzenmöglicherweise auch recht unscharf ge-wesen sein können. Zusätzl ich finden wirInformationen zur Kleidungsform auf zeit-genössischen Darstel lungen von beklei-deten Menschen, die nicht einem Ge-schlecht zu zuordnen sind. Oft sind dieseDarstel lungen sehr abstrakt gehalten, wieetwa auf ältereisenzeitl icher Keramik (DO-BIAT 1 982, 279-322), dennoch können sieInformationen zur Gewandlänge und Sil-houette beinhalten. Einem einer Frau zu-ordenbarer Originalfund stammt aus Dä-nemark, die eisenzeitl iche Moorleiche ausHuldremose trug einen karierten Rock,ein kariertes Tuch als Obertei l und dar-

über ein Cape aus Fell (MANNERING, GLE-BA, BLOCH HANSEN 201 2, 1 05-1 09; NØR-GAARD 2008, 43-58). Dazu kommen Fun-de von Kleidungsstückresten wie zumBeispiel die zusammengenähte und aneinem Gewebe angenähte Borte ausHallstatt (GRÖMER, RÖSEL-MAUTENDORFER

201 3, 451 -452). Möglicherweise handeltes sich um eine Ärmelborte ähnlich einemFund eines abgerissenen Ärmelfragmentsvom Dürrnberg bei Hallein (GRÖMER,STÖLLNER 2009, 1 05-1 57). Zu diesenQuellen kommen zusätzl ich Quellen zureisenzeitl ichen Kleidung, die nicht ge-schlechtsspezifisch zuordenbar sind, wiezum Beispiel al lgemeine Beschreibungender Kleidung von antiken Autoren, wiezum Beispiel von Diodor aus dem 1 .Jahrhundert vor Chr. : „Ihre Kleidung isterstaunl ich; sie besteht aus gefärbtenHemden, Q und Hosen, die sie brakesnennen. Mit Schnallen befestigen sie dar-über gestreifte Mäntel, im Winter aus wol-l igem, im Sommer aus glattem Stoff, dermit kleinen, sehr bunten Rechtecken ge-mustert istQ“ (Diodor, Historica V.30.1 ).

Übliches Bild der eisenzeitl ichenFrauentracht

Grundsätzl ich lassen sich zwei verschie-dene Typen an modernen Darstel lungeneisenzeitl icher Frauen unterscheiden. Beider einen werden die Frauen mit Umhän-gen, Mänteln oder Tüchern dargestel lt,sodass keine Fibeln sichtbar sind, wiezum Beispiel bei dem Bild „Grablegungeines Fürsten“ von Marc Zaugg (OSTER-WALDER, ZAUGG 1 991 , 70-71 ).Bei den anderen Abbildungen der eisen-zeitl ichen Frauentracht werden Fibeln, diezum Verschließen der Gewänder dienen,dargestel lt. Meistens wird ein Schlauch-gewand, das an den Schultern mit Fibelnbefestigt und gegürtet getragen wird, ge-zeigt. So zum Beispiel bei den Frauen aufdem Lebensbild „Dorfleben“ vom AtelierBunter Hund. Das Bild zeigt eine rekon-

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struierte Dorfszene im hallstattzeitl ichenDorf in Fällanden-Fröschbach aus derZeit um 600 v. Chr. (FURGER, FISCHER,HÖNEISEN 1 998, 8). Die Lebensbilder vonFanny Hartmann beziehen sich hingegenauf konkrete Fundensembles: die Frauen-gräber aus Andelingen, Muttenz, Leuker-bad und ein Mädchengrab von Vevey.Auch diese Frauen tragen Schlauchge-wänder trotz unterschiedl icher Fibelan-zahl (MÜLLER 1 991 ,1 1 6, Abb. 3; 1 20, Abb.9). Das Bild zur Kleidung der Kelten vonSabina Nüssl i Baltensweiler zeigt einespinnende Frau in einem Schlauchge-wand (BOLLINGER 1 992, 1 4). Ebenfal ls inSchlauchgewändern dargestel lt wurdendie Figurengruppe aus dem KantonalenMuseum für Urgeschichte(n) Zug und dieFigurengruppe aus der Ausstel lung „Goldder Helvetier – Keltische Kostbarkeitenaus der Schweiz“ im Jahr 1 991 imSchweizer Landesmuseum (http: //lebens-bilder. landesmuseen.ch).Die Quellen zu diesen Darstel lungen undRekonstruktionen bilden zu einem dieTrachtlagen von paarigen Fibeln imSchulterbrustbereich, wie sie aus demGräberfeld Hallstatt (Berichte Ramsauer1 855/56) oder Pottenbrunn (RAMSL 2002)bekannt sind, ein schlauchförmiges Ge-wand, dem sogenannten Peplos ausHuldremose (MANNERING, GLEBA, BLOCHHANSEN 201 2, 1 05), sowie provinzialrömi-sche Abbildungen von Mädchen- undFrauentrachten mit Fibeln, wie zum Bei-spiel das Grabrel ief aus Klagenfurt/Kärn-ten mit der sogenannten norischen Mäd-chentracht (GARBSCH 1 965), unter der An-nahme, dass die Frauen noch länger anden traditionel len Trachten festgehaltenhaben (BIRKHAN 1 997, 1 070).Obwohl diese Interpretation durchausmöglich ist, gi lt es doch zu bedenken,dass es sich bei dem Peplos aus Huldre-mose um einen Depotfund handelt unddie Trageweise eine Interpretation vonMargrethe Hald (HALD 1 980) ist, basie-rend auf griechischen Peplosdarstel lun-

gen wie sie bei der Darstel lung vom Tex-ti lhandwerk um 550 v. Chr. (PEKRIDOU-GO-RECKI 1 989, 1 5, Abb. 2) zu finden sind. In-wiefern dieses Gewand wirkl ich sogetragen wurde und nicht etwa als Rockoder Umhang ist aufgrund des Befundesleider nicht nachweisbar (MANNERING,GLEBA, BLOCH HANSEN 201 2, 1 05). Zudemkommt, dass zwar eisenzeitl iche Abbil-dungen von Frauen mit verschiedenenKleidungsstücken vorkommen, wir aufdiesen allerdings keine Anhaltspunkte füreinen Peplos haben. Der Peplos ist mei-ner Meinung nach eine durchaus ge-rechtfertigte Interpretation der eisenzeitl i-chen Frauentracht, aber aufgrund derQuellenlage sollten auch weitere Inter-pretationen in Betracht gezogen werden.Im Folgenden möchte ich weitere Inter-pretationen und Rekonstruktionen vor-stel len, zuerst welche, wo mit Hilfe der Fi-beln ein Kleidungsstück fixiert wird, da-nach Ensembles, wo mit Hilfe der Fibelnverschiedene Kleidungsstücke miteinan-

Abb. 1: Trageweisen des Schlauchge-wandes. – Ways to wear a tube garment.

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der verbunden werden oder mehrere Klei-dungsstücke mit Fibeln übereinander ge-tragen werden.

SchlauchgewandAbbildungen von Schlauchgewändern fin-det man bei griechischen sowie römi-schen Frauendarstel lungen, getragen mitÜberschlag wie bei der peplos kore ausder Ausstel lung „Bunte Götter. Die Farbig-keit antiker Skulptur“ (Ausstel lung in KHMWien vom 1 3.11 .201 2 bis 1 7.3.201 3) oderohne Überschlag wie bei dem Wandge-mälde der Skylla aus Rom (KYBALOVÁ,HERBENOVÁ, LAMAROVÁ 1 966, 83, Abb. 86).Diese Varianten werden mit zwei Fibelnan der Schulter verschlossen. Auch mitdrei Fibeln lässt sich ein Peplos rekon-struieren. Ein Peplos mit einer dritten Fi-bel ist bei einem provinzialrömischen

Grabmedail lon aus Greith/St. Marein(BIRKHAN 1 999, 356, Abb. 670) aus dem 2.Jahrhundert nach Chr. belegt. DieseNadel rafft den Stoff in der Mitte zusam-men. Inwiefern diese Trageweise auf tra-ditionel le Trageweisen der Eisenzeit zu-rückgreift, lässt sich nicht beantworten(Abb. 1).

Rechteckiges Tuch an den SchulternfixiertEine weitere Möglichkeit ist, ein recht-eckiges Tuch an den Schultern mit Fibelnzu fixieren und zu gürten (Abb. 2). Einesolche Trageweise ist aus dem antikenGriechenland belegt. Bei uns gibt es kei-ne Abbildungen, die diese Trageweisekonkret belegen würden. Allerdings gibtes seit der Bronzezeit großflächige Stoffe.So ist zum Beispiel der Fund von Pusto-

Abb. 2: Trageweise eines rechteckigen Tuches an den Schultern fixiert, seitlich oder mit-tig geöffnet. – Ways to wear a rectangular cloth fixed on the shoulders and open on theside or in the centre.

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polie 1 70 x 300 cm groß (BENDER JØRGEN-SEN, GRÖMER, MARIC BAKOVIC, in Vorberei-tung), ähnl iche Stoffbreiten gibt es auchvon eisenzeitl ichen Funden aus Däne-mark, zum Beispiel Trindhøj (1 33 x 1 84cm) oder Muldbjerg (211 x 1 31 cm) (BER-GERBRANT, BENDER JØRGENSEN, FOSSØY201 3, 252). Auch ältereisenzeitl iche Web-stuhlbreiten wie zum Beispiel aus Klein-klein/Österreich mit 370 cm, die durch dieWebgewichtsvertei lung anzunehmen ist(DOBIAT 1 990, 46; 50-60), weisen auf dieProduktion großflächiger Stoffe hin.Eine weitere Möglichkeit ist die Verwen-dung eines rechteckigen Tuches als Klei-dungsstück, bei dem die Öffnung wie beieinem Mantel in der vorderen Mitte ist(Abb. 2). Grundsätzl ich ist diese Trage-weise mit zwei Fibeln möglich, die Ver-wendung von einer dritten oder vierten Fi-bel zum Schließen der vorderen Mitte istal lerdings von Vortei l . Während in der äl-teren Eisenzeit die Fibeln paarig an derSchulter vorkommen, kommt in der Latè-nezeit oft eine zusätzl iche Fibel in der Mit-te vor (freundliche Mittei lung P. Ramsl).Mantel- oder jackenartige Kleidungs-stücke, die in der vorderen Mitte ge-schlossen werden, sind zum Beispieldurch die figürl iche Fibel vom Dürrnbergbei Hallein belegt. Bei gal lorömischenMatronenabbildungen aus dem 2. Jahr-hundert n. Chr. kommen mantelähnl icheÜbergewänder in der Gegend von Bonnvor (BIRKHAN 1 999, 244, Abb. 361 ). Der V-förmige Ausschnitt und die darunter l ie-gende Schnalle oder Fibel sprechen fürdie Darstel lung eines in der vorderen Mit-te zu schließenden Kleidungsstückes.

Tuch kreuzweise drapiertEine weitere Möglichkeit ist das rechtecki-ge Tuch im vorderen Bereich doppelt zutragen und die Enden mit dem Rückentei lan der Schulter zu fixieren (Abb. 3). Einedementsprechende Darstel lung findetman auf dem Grabstein des Blussus(BOPPERT 1 992/93, 345-378). Die Frau

des Bestatteten trägt möglicherweise einso drapiertes Gewand als Überkleid. Die-se Drapierung lässt sich mit zwei, aberauch mit drei Fibeln fixieren, wobei diedritte Fibel beide Stofftei le in der Mitteverbindet.

Zu diskutieren wäre auch noch die Längeder jeweil igen Kleidungsstücke. Währendgriechische und römische sowie provinzi-alrömische Abbildungen meistens knö-chel- oder bodenlange Kleidung zeigen,werden bei eisenzeitl ichen Frauendar-stel lungen mit Ausnahme der Tanz- undWagenszene eines Kegelhalsgefäßes ausSopron (EIBNER 1 980, 238, Taf. 29), keinebodenlangen Gewänder dargestel lt.Meistens befindet sich die Gewandlängein der Mitte der Unterschenkel. Zur Tra-geweise im Alltag lässt sich sagen, dassdie bodenlange Variante recht unpraktischist, vor al lem bei einem Wiesenunter-grund. Die Feuchtigkeit durch Tau oderRegen wird sofort vom Stoff aufgesogen.Wie bereits oben erwähnt, besteht dieMöglichkeit, dass die Fibeln zum Fixierenanderer Kleidungsstücke an einem Ge-wand dienten oder aber dass mehrere mitFibeln verschlossene Kleidungsstückeübereinander getragen wurden.

Abb. 3: Ein großes rechteckiges Tuch,kreuzweise drapiert. – A rectangular cloth,draped crosswise.

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Hemdgewand und UmhangDie nächste Rekonstruktion ist eine Kom-bination von zwei Kleidungsstücken: ei-nem Hemdgewand (Abb. 4) und einemumhangförmigen Mantel. Originalfundevon Hemdgewändern oder Kitteln stam-men zum Beispiel aus Norddeutschland:Thorsberg, 1 . Hälfte des 3. Jahrhundertsn. Chr. , Obenaltendorf, 260-380 n. Chr. ,Marx-Etzel, 45-1 25 n. Chr. , Reepsholt,undatiert, (SCHLABOW 1 976, 69-80; MÖL-LER-WIERING, SUBBERT 201 2, 1 60-1 63) undaus Martres de Veyre/Frankreich, 2. Jahr-hundert n. Chr. (KANIA 201 0, 268). DasRønbjerg-Gewand datiert ebenfal ls eisen-zeitl ich ungefähr vom 7. bis 1 . Jahrhun-dert v. Chr. (KANIA 201 0, 267-268; MUNKS-GAARD 1 982, 41 -43). Die verschiedenenHemdgewänder unterscheiden sich tei l-weise im Schnitt. Der langärmelige Kittelaus Thorsberg wurde aus vier Teilen (einVordertei l , ein Rückentei l und 2 Ärmeltei-len) gefertigt und hatte brettchengewebteBesätze an den Ärmelsäumen. Der Kittelaus Obenaltendorf besteht nur aus einemVorder- und einem Rückentei l . Die Teiledes ärmellosen Kittels sind eingeschla-gen, sodass das Kleidungsstück um dieBrust schmäler ist als im Saum (SCHLA-BOW 1 976, 71 ). Der ebenfal ls ärmelloseKittel aus Marx-Etzel besteht aus einemStück, das zusammengeklappt wurde undsomit nur eine Seitennaht und einen Sei-tenbug sowie Schulternähte aufweist(SCHLABOW 1 976, 72). Der Kittel vonReepsholt hat Ärmel und wurde in einemStück gewebt (SCHLABOW 1 976, 73-76).Das Rønbjerg-Gewand besitzt einen Pon-cho ähnlichen Schnitt mit mittigem Kopf-loch, der seitl ich zusammengenäht wurde(KANIA 201 0, 267-268). Die Fragmentevon Ärmelborten aus den eisenzeitl ichenSalzabbaustel len in Hallstatt oder demDürrnberg bei Hallein zeigen, dass so einKleidungsstück auch in unserem Raum inder Eisenzeit verwendet wurde. Gallorö-mische Abbildungen zeigen ebenfal ls sol-che Kleidungsstücke, wie zum Beispiel

die Darstel lung der Epona, einer kelti-schen Gottheit aus dem Limeskastel l Ka-persburg in Deutschland (Wetterau-Mu-seum in Friedberg).Umhänge werden auch in der zeitgenös-sischen Kunst dargestel lt, wie etwa beider Bronzestatuette von Vix, 480 v. Chr.

Abb. 4: Trageweise eines Hemdgewan-des mit einem Umhang. – Ways to wear ashirt garment with a cape.

Abb. 5: Trageweise eines Hemdgewan-des mit einem Schleier oder Tuch. –Ways to wear a shirt garment with a veil.

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(BIRKHAN 1 999, 331 , Abb. 588), auf SitulaCertosa (AUSSTELLUNGSKATALOG SITULEN-KUNST 1 962, Taf. 1 4) oder dem Gürtelha-ken von Carceri bei Este, 5. Jahrhundertv. Chr. (AUSSTELLUNGSKATALOG SITULEN-KUNST 1 962, 1 03, Taf. 1 3). Umhänge kom-men auch bei gal lorömischen Objektenvor, wie auf hölzernen Votivfiguren ausFrankreich, so das Votivbi ld eines Pilgersmit Kapuzen-sagum aus der Seinequelle(BIRKHAN 1 999, 254, Abb. 386) und bei ei-ner Bronzestatuette aus Trier (BIRKHAN1 999, 359, Abb. 677). Ein Relief ausHousesteads/Großbritannien zeigt dreiGenii cucul lati bekleidet mit Kapuzenmän-teln (BIRKHAN 1 999, 246, Abb. 366). Texti l-funde von Umhängen stammen zum Bei-spiel aus Veruchio, das Objekt hat einAusmaß von 257 x 88 cm und datiert um700 v. Chr. (STAUFFER 201 2, 242-253).

Funde von rechteckigen Mänteln stam-men aus Norddeutschland und datierenins 1 .-3. Jahrhundert n. Chr. (MÖLLER-WIERING, SUBBERT 201 2, 1 60-1 63).Eine Möglichkeit paarige Fibeln im Schul-terbereich mit diesen Kleidungsstückenzu verbinden, wäre das Feststecken desUmhanges an das Hemdgewand. Hat dasUntergewand einen Schlitz in der Mitte,könnte man mit einer dritten Fibel diesenverschließen.

Hemdgewand und SchleierAuf vielen Situlendarstel lungen kommenSchleier oder Tücher in der Frauenklei-dung vor. So findet man unterschiedl icheSchleier- oder Tuchformen auf der Situlavon Vače, der Situla von Certosa, der Si-tula von Providence und der Bronze-scheibe von Montebelluna (AUSSTEL-

Abb. 6: Übereinandertragen von mehreren mit Fibeln befestigten Kleidungsstücken. –Wear of superimposed garment, fixed with fibels.

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LUNGSKATALOG SITULENKUNST 1 962, Taf. 45;1 4; 59; 56). Dennoch kommen auch ingallorömischer Zeit verschleierte Frauen-darstel lungen vor, wie auf einer weibl i-chen Votivfigur aus der Quelle von Cha-malières (BIRKHAN 1 999, 288, Abb. 480).Analog zu dem vorigen Beispiel wird hierein Schleier an dem Hemdgewand mitzwei Fibeln befestigt. Optional ist wiederdie dritte Fibel zum Verschließen desAusschnittes (Abb. 5).

Verschiedene Kleidungsstückeübereinander getragenNeben den Möglichkeiten ein Klei-dungsstück an einem anderen festzuste-cken, gibt es noch die Möglichkeit mehre-re mit Fibeln befestigte Kleidungsstückeübereinander zu tragen (Abb. 6), wobeinicht al le Fibeln für den Betrachter sicht-bar sind, zum Beispiel eine Tunika mit ei-nem darüber getragenen Schlauchge-wand. Für meine Rekonstruktion verwen-dete ich drei Fibeln, da der Halsschl itz derTunika ebenfal ls mit einer Fibel ver-schlossen wurde. Die Kombination vonlangärmeligen Untergewändern und dar-über getragenen Schlauchgewändernkommt vor al lem auf Grabsteinen der Pro-vinzen Noricum und Pannonien vor(GARBSCH 1 965). Möglicherweise kannman mit so einer Trageweise auch schonin der Eisenzeit rechnen.Eine weitere Möglichkeit ist ein an denSchultern gefibeltes Schlauchgewand zutragen und darüber einen mittig fixiertenUmhang oder ein Kopftuch/Schleier. Auchin diesem Fall hätten wir zwei separateKleidungsstücke übereinander, wobei hierdie mittige Fibel für den Betrachter sicht-bar wäre, die Fibeln, die das Schlauchge-wand halten, aber nicht sichtbar sind.

Fazit

Meiner Meinung nach ergeben sich vieleMöglichkeiten eisenzeitl iche Frauenklei-dung mit zwei oder drei Fibeln zu rekon-

struieren. Alle diese Möglichkeiten lassensich aufgrund der Quellenlage mehr oderweniger gut argumentieren, aber keineder Möglichkeiten lässt sich aufgrund derQuellen mit absoluter Sicherheit nachwei-sen.Grundsätzl ich ergeben die verschiedenenTrageweisen der oft sehr ähnlichen Klei-dungsstücke ganz andere Muster in Hin-bl ick auf bedeckte und unbedeckte Kör-perzonen und damit auch der Betonungvon Körperstel len sowie andere Möglich-keiten in der Bewegungsfreiheit. Ich wür-de es begrüßen, gerade diese Vielfalt beiRekonstruktionen, in Lebensbildern undbei musealen Darstel lungen öfter darzu-stel len.

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AbbildungsnachweisAlle Abb. : Helga Rösel-Mautendorfer

AutorinHelga Rösel-MautendorferHauptstrasse 733033 AltlengbachÖsterreich