MANFRED BARTMANN, Salzburg Ansinnen aus einer anderen Welt

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MANFRED BARTMANN, Salzburg Ansinnen aus einer anderen Welt Außeruniversitäre, feldexperimentelle Befragungen zum Thema Klangfarbe im Kulturvergleich Ausgangspositionen In diesem Beitrag geht es um mögliche Verbindungen zwischen Musik- psychologie und Ethnomusikologie, wobei beide Fachrichtungen in erster Linie als Musikwissenschaften zur Geltung kommen sollen. Mit dem stimmt überein, dass feldexperimentelle Erforschungen des multidimensionalen, multifaktoriellen Parameters Klangfarbe (Reuter 2005) Grundprobleme der Erforschung musika- lischen Erlebens und Verhaltens berücksichtigen müssen, abgesehen davon, dass es in solchen Zusammenhängen immer darauf ankommt, Texte von Kontexten zu unterscheiden und insofern auch kulturanthropologisch zu arbeiten. Konse- quenterweise böte sich in diesem Zusammenhang vielleicht an, an Stelle von Musikpsychologie von einer Ethnopsychomusikologie zu sprechen, in Analogie zu einer Ethnomusikologie, die als eine Musikethnologie ihren Anfang nahm. Vorrangiger Gegenstand dieser Ausführungen sind die methodischen Konse- quenzen, die sich einerseits aus dieser Art des Angangs und andererseits aus grundverschiedenen kulturellen Kontexten ergeben haben. Die daraus resultie- renden Spannungsfelder haben sowohl auf die Hypothesenbildungen als auch auf die Strategien der Datengewinnung einen erheblichen Einfluss genommen (Bruhn 1997). Verglichen werden sollen hier einige Versuche, ethnomusikologische Feld- forschungen in stärkerem Maße im kulturanthropologischen Sinne rezeptions- psychologisch auszurichten. Dies geschah in Anlehnung an die Arbeiten Aroms (Arom 1976, 1985ff.), Brandls (Brandl 2006), Kadens (Kaden 1993, 2004) und nicht zuletzt an die meiner Kollegen 1 Patricia Breitbarth (Breitbarth 2006), 1 Dieser Aufsatz spricht Frauen und Männer gleichermaßen an. Auf das Hinzufügen der jeweiligen weiblichen Formulierungen wurde zugunsten einer besseren Lesbarkeit und angemessenen Sprachqualität verzichtet.

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MANFRED BARTMANN, Salzburg Ansinnen aus einer anderen Welt Außeruniversitäre, feldexperimentelle Befragungen zum Thema Klangfarbe im Kulturvergleich Ausgangspos i t ionen

In diesem Beitrag geht es um mögliche Verbindungen zwischen Musik-psychologie und Ethnomusikologie, wobei beide Fachrichtungen in erster Linie als Musikwissenschaften zur Geltung kommen sollen. Mit dem stimmt überein, dass feldexperimentelle Erforschungen des multidimensionalen, multifaktoriellen Parameters Klangfarbe (Reuter 2005) Grundprobleme der Erforschung musika-lischen Erlebens und Verhaltens berücksichtigen müssen, abgesehen davon, dass es in solchen Zusammenhängen immer darauf ankommt, Texte von Kontexten zu unterscheiden und insofern auch kulturanthropologisch zu arbeiten. Konse-quenterweise böte sich in diesem Zusammenhang vielleicht an, an Stelle von Musikpsychologie von einer Ethnopsychomusikologie zu sprechen, in Analogie zu einer Ethnomusikologie, die als eine Musikethnologie ihren Anfang nahm. Vorrangiger Gegenstand dieser Ausführungen sind die methodischen Konse-quenzen, die sich einerseits aus dieser Art des Angangs und andererseits aus grundverschiedenen kulturellen Kontexten ergeben haben. Die daraus resultie-renden Spannungsfelder haben sowohl auf die Hypothesenbildungen als auch auf die Strategien der Datengewinnung einen erheblichen Einfluss genommen (Bruhn 1997).

Verglichen werden sollen hier einige Versuche, ethnomusikologische Feld-forschungen in stärkerem Maße im kulturanthropologischen Sinne rezeptions-psychologisch auszurichten. Dies geschah in Anlehnung an die Arbeiten Aroms (Arom 1976, 1985ff.), Brandls (Brandl 2006), Kadens (Kaden 1993, 2004) und nicht zuletzt an die meiner Kollegen1 Patricia Breitbarth (Breitbarth 2006), 1 Dieser Aufsatz spricht Frauen und Männer gleichermaßen an. Auf das Hinzufügen der

jeweiligen weiblichen Formulierungen wurde zugunsten einer besseren Lesbarkeit und angemessenen Sprachqualität verzichtet.

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Jürgen Schöpf (Schöpf 2008) und Regina Schwaninger (vormals Sohneg; vgl. Sohneg 2004). Einige davon sollen hier durch eigene Erfahrungen ergänzt und kontrastiert werden (Bartmann 1994, 2003, 2006).2

Die wiederum resultieren aus einer Reihe von Feldexperimenten. Eine tabel-larische Zusammenfassung (vgl. Tab. im Anhang) mag verdeutlichen, dass dabei durchweg fremdkulturelle Hör- und Verstehensweisen zur Disposition standen. Fremdartigkeit – und nicht etwa die plakative Kategorie „außereuropäisch“ – hat sich im Zuge dieser Forschungen als das eigentliche Erkenntnisproblem herausgestellt. Fremdverstehen bildet in diesem Zusammenhang eine notwendige Voraussetzung eines kritischen historischen Selbstverstehens, entsprechend dem hermeneutischen Postulat, im Fremden das Eigene erkennen zu lernen. Daraus folgt, dass es überhaupt nicht darum ging, den Betrachter als Subjekt möglichst auszuschalten, ein Ideal, dass sich etwa in den Naturwissenschaften findet.

Dazu gehört, dass Musiken hier nicht im Sinne ästhetischer Objekte an sich verstanden werden, sondern als intentionale und folglich verstehbare kommuni-kative Handlungen, die mit in sich geschlossenen, aus dem Alltag herausgeho-benen Raum- und Zeitstrukturen einhergehen, d.h. Welten schaffen, die ihren eigenen Sinn stiften, in sich aufgehen, sich selbst darstellen und deshalb in allen Beteiligten nachwirken (Brandl 2006: 74-75).

Zu den Ausgangspositionen dieses Beitrags gehört außerdem, dass dieses Nachwirken gemeinhin nicht im stillen Kämmerlein geschieht, sondern in Span-nungsfeldern, in denen lokale Identitäten und überlokale Einflüsse aufeinander treffen:

Identität ist dabei nicht psychologisch gemeint, sondern meint bestimmte Arten von kollektiver, also religiöser, sozialer oder kultureller Identität. (Gingrich, zit. n. URLTaschwer 2002).

Von erheblicher Bedeutung war in den hier im Folgenden erläuterten, in der Regel offenen Settings, dass ihre lokalen Welten generell über Identitäten mit globalen Einflüssen, vor allem aber mit Revitalisationsbewegungen (Wallace 1956, 1968; Weiss 1988) und -ideologien interagiert haben (Bartmann 1998). 2 Unberücksichtigt (weil in universitären Kontexten entstanden) blieben die 2001 in

Salzburg erstellten „Am-Ohr"-Aufnahmen mit Moya Aliya Malamusi aus Malawi (Bartmann 2003) sowie ein kultureller Verstehenstest mit Malamusi, den Regina Schwaninger 2003 (ebenfalls in den damaligen Räumen der Salzburger Musikwissen-schaft) durchgeführt hat (Sohneg 2004).

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Allerdings galt und gilt es bei den Auswertungen der Einzel- oder Gruppen-sitzungen (vgl. Tab.), nicht nur kulturelle Identitäten im Gingrichschen Sinne zu berücksichtigen, sondern immer auch persönliche Anteile, d.h. psychologische Identitäten. Das liegt daran, dass die hier in Rede stehenden Feldexperimente in Botswana (I und II, 1999), auf der kanarischen Insel El Hierro (1993), in einem algerischen Flüchtlingslager (2001) und in einem Workshop in Rudolstadt (2005) auf teilnehmenden Verhaltensbeobachtungen, -beschreibungen und de-ren Auswertungen (Bruhn 1997) beruhen. Die Interaktionen mit den Probanden wie auch die der Probanden untereinander, soweit sich diese glücklicherweise ergaben, wurden soweit wie möglich videographiert oder wenigstens audiogra-phiert. Insofern galt es schon bei den Datenerhebungen, vor allem aber bei den Auswertungen zwischen Texten und Kontexten, zwischen kulturellen und persönlichen Anteilen zu unterscheiden, allein um situativ adäquat reagieren zu können. Während der Vorbereitungen hatte dieses zunächst hypothetisch, im Rahmen der Einzel- oder Gruppensitzungen bisweilen sogar ad hoc zu geschehen, während im Zuge der Auswertungen dafür immer wieder neue Kategorien gefunden und sorgfältig abgeglichen werden mussten. Letztlich ging es darum, zu dekategorisieren, um zu rekategorisieren. Dieses betraf die Evaluierung aller Reaktionen der Probanden und in gleichem, wenn nicht in stärkerem Maße die der eigenen Beobachtungen, letztlich die sämtlicher Wahrnehmungen, sofern sie in den Protokollen oder in dem Video- oder Audiomaterial einen erkennbaren und insofern wissenschaftlich nachvollziehbaren Niederschlag gefunden hatten.

In ihrer zweiten Spalte berücksichtigt meine tabellarische Zusammenfassung Forschungen, die u.a. in Zentralafrika und Namibia durchgeführt worden sind. Darauf wird in den nachstehenden Ausführungen nur am Rande eingegangen, zumal sie bereits durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen belegt sind (Arom 1976, 1985, 1995, 2004, 2007; Fürniss, Olivier 1997). Die letzte Spalte vermittelt einen ersten Eindruck von Schöpfs Arbeit (2009) im indischen Bundesstaat Assam.3 Die anderen, weiter oben bereits aufgezählten Feldexperi- 3 Den darüber zu erwartenden Publikationen soll hier nicht vorgegriffen werden, wenn-

gleich Schöpf hier dankenswerterweise für Vergleichszwecke vorab einige Tabellen-einträge zur Verfügung gestellt hat. Schöpf hat schon am 31.03.2009 in Wien im Rahmen eines Vortrags von seiner jüngsten Feldforschung in Assam berichtet. Die hat im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Projektes zur Dokumen-tation bedrohter Sprachen (DoBeS), The Traditional Songs and Poetry of Upper Assam – A Multifaceted Linguistic and Ethnographic Documentation of the Tangsa, Tai and Singpho Communities in Margherita, Northeast India, stattgefunden. Schöpf ist Mitarbeiter des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissen-

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mente werden im Lichte dort direkt oder auch nur indirekt spürbarer Revitalisationsbewegungen (Bartmann 1998, Weiss 1988) einzeln erläutert. Denen ist gemeinsam, dass sie im weitesten Sinne als partikularisierende Weiterentwicklungen der kulturrelativistischen Maxime „Jeder ist anders“ aufgefasst werden können.

Dazu muss gesagt werden, dass sich nicht nur gesellschaftspolitisch motivierte Strömungen oder Ideologien und dementsprechend oft einseitig ausgerichtete Vorgaben vor Ort als heikel erweisen können. Auch in der Regel gar nicht reflektierte Vorstrukturen des Verstehens (Brandl 2006: 39), die sich in allen Lebenswelten unmerklich herausgebildet haben, können ein Forschungsvorhaben gefährden, können – für Nichteingeweihte oft unmerklich – zu Fallstricken werden. Meistens spielen vielschichtige Missverständnisse dabei eine maßgebliche Rolle. Ausräumen lassen sie sich allein im Rahmen eines echten Dialogs darüber (Bartmann 2006, Brandl 2006: 20). Dieser glückt erfahrungsgemäß allenfalls dann, wenn der wissenschaftliche Konsens, der die Untersuchungen motiviert und letztlich auch legitimiert, denen, die über ihren Konsens Auskunft geben könnten, angemessen vermittelt werden kann. Sofern vor Ort kein für die Gewährsleute nachvollziehbarer Anlass geboten wird, über Dinge zu sprechen, über die sie normalerweise nicht sprechen, weil sie allen Eingeweihten im wahrsten Sinne des Wortes zu selbstverständlich sind, bleibt der Forscher mit seinem Anliegen im wahrsten Sinne des Wortes außen vor.

Dem bleibt nachzutragen, dass derart ausgerichtete Feldexperimente nur in glücklichen Ausnahmefällen im Rahmen eines Erstkontaktes mit einer fremden Kultur erfolgen können oder gar sollten.4 Unabdingbar ist eine Vertrautheit mit

schaften und musikethnologischer Partner eines Teams von Linguisten und Anthro-pologen. Ihm geht es um die Verbindlichkeiten von Sprachmelodien der dort vorherr-schenden Tonsprachen in der Vokalmusik und in diesem Zusammenhang um Feste, Tanzlieder und Arbeitslieder, aber auch um informelles Singen wie das von Wiegen-liedern von Sprechern des Tai (Phake), Singpho (Jingpo, Jinghpaw) sowie Tangsa (Naga). Dabei arbeitet er mit Tonaufnahmegeräten und soweit möglich, mit Video-aufnahmen (Vortragsankündigung sowie persönliche Mitteilungen im Mai 2009).

4 Das Experiment mit zwei saharauischen Sängerinnen (Tab. Spalte 5) ist im Rahmen eines relativ kurzen Aufenthalts gelungen. Wenngleich es sich dabei nicht um einen Erstkontakt mit der saharauischen Kultur gehandelt hat, so bleibt doch festzuhalten, dass, wie in dem entsprechenden Kapitel gezeigt werden wird, ein ganzes Bündel von Faktoren dieses Vorhaben außerordentlich begünstigt hat. - Breitbarths Intensivbe-fragung des usbekischen Ausnahmegitarristen Enver Izmaylov (Tab. Spalte 6) hat funktioniert, weil es ihr gelungen ist, die Vorstrukturen des Verstehens, die im

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den musikalischen und tänzerischen Ausdrucksformen, vor allem aber eine Kenntnis der Alltagskultur, insbesondere der alltäglichen Umgangsformen ein-schließlich der in den verschiedenen Kontexten vorherrschenden Auto- und Heterostereotype (Bartmann 2006), um kulturadäquate Forschungsideen im hier gemeinten Sinne überhaupt erst zu entwickeln. Vor allem aber braucht es stabiler, in gewissen Grenzen sogar belastbarer Beziehungen zu jenen Gewährs-leuten, die im Rahmen neuerlicher Treffen dann auch noch als Probanden agieren sollen. In der Regel sind dafür längere Forschungsaufenthalte in einer überschaubaren Region erforderlich. Als noch besser haben sich sukzessive Feldforschungen erwiesen, die sich auf der kanarischen Insel El Hierro über einen Zeitraum von sechs Jahren verteilt haben (Bartmann 1994).

Dieser Beitrag handelt davon, idiokulturelle Verstehensweisen des Parameters Klangfarbe und seiner vielfältigen Verknüpfungen mit musikalischen, aber auch mit anderen, in der Regel fremden, im westlichen Sinne vielleicht sogar „unmusikalisch“ anmutenden Ausdrucksformen nicht nur zu dokumentieren und später zu analysieren, sondern sich ihnen experimentell und insofern in gewissen Grenzen verifizierbar anzunähern. Insofern berührt dieser Anspruch die oft auf das Begriffspaar verstehen/erklären verkürzten Unterschiede zwischen geistes- und naturwissenschaftlich ausgerichteten Arbeitsweisen.5 In diesen Zusammenhang gehören auch Klagen, wonach erstere inzwischen eine

Vielfalt von Schulen, Methoden und Themen [kultiviert haben], die sich hervorragend zur Nischenbildung eignen. Man kann problemlos aneinander vorbeiforschen. (URL Hochadel 2004).

Mit dem stimmt überein, dass restudies einschlägiger musikethnologischer Arbeiten immer noch Seltenheitswert haben. In den Naturwissenschaften wird demgegenüber sehr häufig an denselben Fragen in scharfer Konkurrenz zueinan-der geforscht:

Rahmen so genannter world-music-Festivals (Bohlman 2002: 146-150) begegnen, weitgehend auszublenden.

5 Mit dem stimmt überein, dass sozialwissenschaftliche Aussagen gemeinhin als falsi-fizierbar, nicht aber als verifizierbar gelten. Den daraus resultierenden Methodenstreit der Sozialwissenschaften hier zu vertiefen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Födermayr und Deutsch haben schon beizeiten darauf hingewiesen, dass Musiken immer sowohl ein geistes- als auch ein naturwissenschaftliches Problem dar-stellen (Födermayr/Deutsch 1992).

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Die wichtigen Experimente werden wiederholt. Und wenn sie nicht reproduzierbar sind, hagelt es Kritik. (URL Hochadel 2004).

So nimmt es nicht wunder, dass viele Geisteswissenschaftler jede Verifi-kationsproblematik eher einem naturwissenschaftlich ausgerichteten Denken zuschlagen, oft mit dem Hinweis auf eine fehlende oder von vornherein für unmöglich erklärte Reproduzierbarkeit. Immerhin besteht aber dennoch – völlig zu Recht – weitgehend Einigkeit darüber, dass Musizieren forscherseits weniger als ein beobachtbares Verhaltensmuster, sondern als eine verstehbare kulturelle Handlung aufgefasst werden sollte. Auf eine Vielzahl leider nur wenig aufeinander abgestimmter ethnomusikologischer Positionierungen lässt indes die Tatsache schließen, dass der immer noch sehr verbreitete Kulturrelativismus der Kognitiven Anthropologie im Sinne einer ethnoscience (Beuchelt 1988) dem-gegenüber durchaus naturwissenschaftlich anmutet. Dieser Ansatz

reduziert sich selbst auf eine möglichst originalgetreue Deskription der Kulturpattern und deren Gebrauch und Funktion in beobachteten Situationen. Die Interpretation der deskriptiven Daten wird an die kate-goriale Analyse der Linguistik delegiert und bleibt außerhalb musikwis-senschaftlicher Methodenkompetenz. Dies negiert die Verifikationsproble-matik, bzw. delegiert sie an einen e t i s c h e n Behaviorismus (Brandl 2006: 19, Hervorhebung Brandl).

Letzterem tritt Kaden leidenschaftlich entgegen. Dabei beruft er sich auf Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ (Bloch 1962, 1974). Von dort aus fordert er ein zwischenmenschliches Vertrauensverhältnis zwischen Forschern und Ge-währsleuten. Einen solchen „Wärmestrom der Geschichte“ erachtet Kaden gar als notwendige, absolute und unerlässliche Bedingung, um überhaupt an Interviews zu gelangen, die im wissenschaftlichen Sinne brauchbar sind. Gelingt dieses aber, so prophezeit Kaden dem Forscher:

Archaische Musik, Volksmusik, wird er in diesem Strome wiederfinden (Kaden 1993: 46).

Kadens beschwörende Diktion blieb seinerzeit nicht unbemerkt. In einer Rezension seines Buches heißt es, sie weise ihn

als geist-, erlebnis- und ergebnisreichen Moralisten [aus], der in seinem Bemühen um ein „menschliches“ Denken, Fühlen, Hören und Musizieren zeitweilig vom rationalen Reflektieren in eine nur zu verständliche und häufig notwendige Lebens-Euphorie verfällt (Schleuning 1994: 192-193).

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Der Blochsche Wärmestrom zielt auf die Erwartungen der Menschen, möchte ihre Hoffnungen erfassen. Feldexperimente im hier beschriebenen Sinne versu-chen, die beteiligten Erwartungshorizonte wenigstens temporär zu erweitern. Ihr Ziel ist eine Verschmelzung der Horizonte über Dialoge, die dafür auf Augen-höhe stattfinden müssen (Brandl 2006: 20). Im Folgenden soll gezeigt werden, dass der vielfach beschworene Wärmestrom dafür bisher nirgendwo ausgereicht hat. Überall haben kalte Tatsachen auch noch eine Rolle gespielt.

Die nachstehenden Kapitel fokussieren einige Revitalisationsbewegungen (Bartmann 1998; Wallace 1956, 1968; Weiss 1988), deren Ideologien auf die eine oder andere Weise in sämtliche der im Folgenden beschriebenen Settings hineingewirkt haben. Zu den hier vorgestellten Strömungen gehört, dass sie schwerlich ohne teilweise völlig neu konstruierte Kulturverteidigungslinien aus-kommen. Die Idee einer African Renaissance, der kanarische Berberkult, die vermeintliche „Nicht-Ideologie“ der Befreiungsbewegung Polisario und nicht zuletzt die Idee eines um den Faktor world music erweiterten Folkrevivals ließen vor Ort ambivalente Projektionen gewahr werden. Die handelten von afrozentri-schen Erwartungshorizonten, vom Mythos einer altkanarischen Abstammung und vermeintlichen africanidad aller Kanarier, vom Selbstbestimmungsrecht und einer ersehnten Rückkehr zu eigenen Herrschaftsformen in angestammte Gebiete in der Westsahara und von einem in den späten 80er Jahren entstandenen Sendungsbewusstsein, wonach die Idee einer world music das Folkrevival der 60er und 70er Jahre sowohl überwindet als auch erneuert und unser aller Musik-Erleben dadurch in ein Goldenes Zeitalter geführt hat. Botswana 1999: Zwischen s e c re t ivene s s und afrocentr i sm 6 Tab. (siehe S. 278-279) Spalte 1 (Botswana I/ Schöpf und Bartmann), Spalte 3 (Botswana II/ Schöpf).

Im südlichen Botswana außerhalb der Landeshauptstadt Gaborone, in einer Gegend nahe Tlôkweng am Rande der Felder, die mabutswe genannt werden, durften Jürgen Schöpf und ich im August/September 1999 teilnehmend beob-achten und sogar Ton- und Videoaufnahmen machen (Schöpf 2008). Allerdings 6 Jürgen Schöpf gebührt Dank für unzählige anregende Gespräche sowie für seine

Durchsicht des Botswana-Kapitels.

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haben wir beide über mehrere Wochen (Schöpf bis auf Ausnahmen auch nicht über Monate) dort nur vereinzelt Gewährsleute gefunden, mit denen die Aufnahmen hätten besprochen werden können. Normalerweise bewirkt ein Vorspielen über Lautsprecher, bisweilen auch schon das Herumreichen eines Kopfhörers erkennbare und damit auswertbare Reaktionen. Darauf aufbauend, hat Simha Arom seinerzeit in Zentralafrika die Methode des re-recording entwickelt. Mit Hilfe der Musiker, die ihre Spielparts in einem Mehrspur-verfahren einem anderweitig vorher aufgenommenen, fertigen Summenbild neuerlich hinzugefügt haben, konnten Arom und seine Schüler die einzelnen Schichten einiger der sich für Nichteingeweihte verwirrend darstellenden, poly-phonen Strukturen allmählich rekonstruieren oder reduzieren, dadurch letztlich identifizieren und ihren jeweiligen musikalischen Stellenwert analytisch heraus-arbeiten (Arom 1976, 1985; Arom et. al. 2007a, b; Fürniss/Olivier 1997; Tab. Spalte 2).

In Botswana ist Schöpf nur ein einziges Mal etwas Ähnliches gelungen (Tab. Spalte 3). Weil es sich dort generell als schwierig erwies, über musikalische Belange ins Gespräch zu kommen, haben wir die Bewertung einer Hörbeispiel-serie, in deren Verlauf sich die einsaitige Trogzither serankure in unseren For-scherohren klangfarblich allmählich herausschälte, auch videographiert. Dieses Video legt ein subtiles System nonverbaler Reaktionen nahe. Das ist uns aller-dings leider erst sehr viel später aufgefallen. Indes hat die Salzburger Ethno-musikologin Regina Schwaninger diesen Ansatz weiter verfolgt. Sie hat 2003 einen im Kubikschen Sinne „kulturellen Verstehenstest“ gefilmt und systema-tisch ausgewertet (Sohneg 2004). Solche und andere Arbeiten (Breitbarth 2008) ermutigen, Videoaufnahmen noch in sehr viel stärkerem Maße als eine musik-psychologische Datenerhebungsmethode zu nutzen. Bruhn hat schon vor gerau-mer Zeit angeregt,

Videobeobachtungen [darüber hinaus] durch die Aussagen der handelnden Versuchsperson zu ergänzen. Dieses Verfahren der ‚Selbstkonfrontation’ ist bisher jedoch noch nicht praktiziert worden. (Bruhn 1997: Sp. 1570).

Einen Grund für die im südlichen Botswana so zurückhaltenden Reaktionen

sehen Schöpf und ich in streng hierarchischen, meist patriarchalischen, in Tlôkweng und Umgebung vor allem häuptlingszentrierten Kommunikations-strukturen. Experimentieren bedeutet, etwas auszuprobieren, ohne vorher zu wissen, was dabei herauskommt. Auf so etwas konnten sich unsere Informanten nur schwer oder gar nicht einlassen. Für sie bedeutete Ausprobieren, das Auszu-

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probierende immer auch gleich beherrschen zu wollen, beherrschen zu müssen. Eine Ausnahme bildete der traditional doctor Pae Moeketsane, mit dem Schöpf eine experimentelle Einzelbefragung erfolgreich durchführen konnte (Tab. Spalte 3). Unübersehbar war, dass er eine allseits respektierte gesellschaftliche Sonder-stellung einnahm. Die haben wir sogar als weitgehend unabhängig von seiner Funktion als traditional doctor wahrgenommen. Das uns gegenüber sonst übliche Gebaren, auf konkrete Fragen möglichst nicht einzugehen, uns trotz unserer regierungsamtlichen Forschungsgenehmigung lieber auflaufen zu lassen, ent-sprach überhaupt nicht Moeketsanes freundlich aufgeschlossener Wesensart, geschweige denn, dass eine wie immer geartete stillschweigende Übereinkunft uns gegenüber für ihn hätte verbindlich sein können. Abgesehen von ein paar weiteren, hier genannten Ausnahmen waren allerdings nur wenige bereit, als Gewährsleute im Wortsinne für eine im wissenschaftlichen Sinne verwertbare Information gerade zu stehen. Zu dieser speziellen Form einer traditionellen Zensur gehört immer noch, dass letztlich alles, was über die Tswana aus Tlôkweng gesagt oder geschrieben wird, vom dortigen Fürsten (kgosi) abgesegnet werden muss. Er allein entscheidet darüber, ob es sich dabei um eine „proper description of the tribe“ handelt.7 Wie wir recherchieren konnten, hatten ähn-liche Schwierigkeiten seinerzeit schon dem berühmten Musikafrikanisten Hugh Tracey zu schaffen gemacht. Tracey hat die aus diesen Strukturen resultierende und letzlich jedem musikethnologischen Forschungsvorhaben überaus hinder-liche secretiveness der Tswana 1959 in einem Aufsatz beklagt (Tracey 1959).

Inzwischen speist sie sich auch aus einem nicht nur im südlichen Afrika verbreiteten Afrozentrismus (URL Britannica o.J.). Der war seinerzeit für uns indirekt bereits spürbar. Von Mitarbeitern der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Gaborone, in deren Geschäftsstelle wir dankenswerterweise unseren Stützpunkt einrichten durften, erfuhren wir von den Schwierigkeiten, im Sinne einer Aids-Prävention Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Vor allem südafrikanische Einflüsse erwiesen sich dabei als bisweilen wenig hilfreich. Wir selbst hatten mitbekommen, wie der damalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki den Zusammenhang zwischen HIV-Virus und Aids-Erkrankungen zur Hauptsendezeit im Fernsehen öffentlich angezweifelt hatte. Mbekis damalige Einlassungen mögen aus heutiger Sicht dubios, wenn nicht gar 7 Persönliche Mitteilung von Jürgen Schöpf, der dem kgosi im Juni 2009 sein Buch

(Schöpf 2008) vorgestellt und ihm ein Belegexemplar ausgehändigt hat. Für den inzwischen neuen kgosi war es offensichtlich problematisch, ein fertiges Produkt vor-gelegt zu bekommen, ohne vorher von Schöpfs Arbeit gewusst zu haben.

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ignorant anmuten. Nicht unbedingt verständlicher, aber doch nachvollziehbarer erscheinen sie im Lichte der Idee einer African Renaissance. Die hatte Mbeki im Zuge seiner Amtszeit popularisiert. Am 11.10.1999 wurde in Pretoria das African Renaissance Institute gegründet, das dann seinen Hauptsitz in Gaborone nehmen sollte (Okumu 2002: 17). Mbekis Ideen haben weltweit harsche Reaktionen hervorgerufen:

Mr. Mbeki and his ruling elite are not quarantined from popular and politically correct intellectual trends including „multiculturalism“ and cultural relativism. The latter has spawned offspring, including Afro-centrism, a black nationalism that shades into black racism (URL O'Malley 2000).

Dementsprechende Eindrücke kann ich allenfalls indirekt bestätigen. Am

wenigsten traten sie im Umgang mit der damals schon älteren Generation zutage. Das mag damit zusammen hängen, dass nicht Thabo Mbeki, sondern dessen Vorgänger sowohl für den Unterhäuptling Seka Matsetse Matlapeng (1917-2001), als auch für den Herbalisten Pae Moeketsane (gest. 2003) ein großes Vorbild war. Beiden verdankt Schöpf den Großteil seiner Einsichten. Ersterer war ein Stellvertreter des Fürsten (kgosi). Ihm hatte Matlapeng unsere For-schungsgenehmigung präsentiert und im Sinne dieses amtlichen Dokuments um Unterstützung für uns geworben. Eher beiläufig hat mir Matlapeng seinerzeit mitgeteilt, dass er diese Angelegenheit wiederholt in mehreren Versammlungen zur Sprache bringen musste. Immerhin durften wir völlig unabhängig vom kgosi im Hause Matlapengs dessen Spiel seiner einsaitigen Trogzither serankure auf-zeichnen (Schöpf 2008). Gleichzeitig fanden wir dort mehrere Fotos von Nelson Mandela aufgestellt. Der traditional doctor Moeketsane hat den größten und stärksten seiner Hunde voller Stolz Mandela gerufen. Ein Artikel in der Washington Times legt nahe, dass wir zu einem Zeitpunkt in Botswana gearbeitet haben, als sich eine afrozentristische Strömung gerade neu zu formieren begann:

In South Africa, these ideas were articulated by Steve Biko in the 1970s and thereafter by the Black Consciousness Movement. Nelson Mandela was jailed during this period of ideological ferment and was not influenced by them as Mr. Mbeki was. (URL O'Malley 2000).

Mir sind afrozentrische Haltungen eher im alltäglichen Umgang mit der

jüngeren Generation begegnet. Immer wurden sie allenfalls indirekt angedeutet. So wurden Probleme jeglicher Art schnell zu rein afrikanischen erklärt, für die

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allenfalls afrikanische Lösungen in Frage kamen („we do it the African way“). Dafür hatte sogar der in Botswana verbreitete English Breakfast tea in erster Linie „black and strong“ zu sein. In diesem Sinne wurde er vernünftigerweise schon damals hauptsächlich aus ostafrikanischen Teeanbaugebieten bezogen.

Sehr viel deutlicher traten solche Reaktionen im Zusammenhang mit einer auch in Gaborone und Umgebung sehr verbreiteten spirituellen Hinwendung zum jamaikanischen Reggae und ihren Protagonisten zutage. Das seien Leute, die bewiesen hätten, dass sie sich von niemandem irgendetwas sagen ließen.8 Ge-meint waren vor allem der 1987 ermordete Peter Tosh (URL 2009 Tosh) und nicht zuletzt der schon 1981 verstorbene Bob Marley (Bohlman 2002: 118-120, URL 2009 Marley). Bob Marley & The Wailers hatten 1980 die LP UPRISING vorgelegt (LP 1980 Marley). Dieses letzte zu seinen Lebzeiten erschienene Studioalbum gilt als Marleys religiösestes. Beinahe jeder Titel darauf bezieht sich auf die Rastafari-Religion, die aus dem Christentum entstanden ist und viele alttestamentarische Züge aufweist. Die Rastafari-Bewegung lehrt die Göttlichkeit des letzten Kaisers von Äthiopien. Haile Selassie (1892-1975) wähnte sich als der 225. Nachfolger des Königs Salomon. Diese Metaphorik hatte vor allem der afro-amerikanische Journalist Marcus Garvey vermittelt (Schöpf 2008: 29). Folgerichtig wollte Bob Marley seinen Titel COULD YOU BE LOVED emanzi-patorisch verstanden wissen. Einer wie immer westlich orientierten Erziehung wird darin eine Absage erteilt. Ihr hat Marley einen gesteigerten Sozialdarwi-nismus zugeschrieben:

Don't let them fool ya, Or even try to school ya ! Oh, no ! We've got a mind of our own So go to hell if what you're thinking is not right ! […] Don't let them change ya, oh ! Or even rearrange ya! Oh, no ! We've got a life to live. They say: only, only, only the fittest of the fittest shall survive Stay alive ! (LP 1980 Marley, Transkription Bartmann).

8 Mündliche Mitteilungen von unserem Mitarbeiter Myizer Matlhaku aus Kanye. Uns

gegenüber hat Matlhaku außerdem vermutet, traditional doctors verfügten unter Umständen über die Fähigkeit, AIDS zu heilen. Unseren Wissens nach haben die beiden traditional doctors Pae Moeketsane und Lepatata Matlapeng (Schöpf 2008: 49-50) dieses kein einziges Mal von sich behauptet.

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In Gaborone taten sich mir bevorzugt dann Probleme auf, wenn es Mittels-männer9 bedurfte, um in Hinblick auf meine Forschungen in Sachen African Guitar Kontakte zu Musikern herzustellen. Mir lag daran, deren Musiken gegen ein Entgelt, das wir vor Ort compensation genannt haben, zu video- oder wenig-stens zu audiographieren. Nach den dortigen Vorstellungen hatte jede Kontakt-aufnahme im Sinne einer grassroots communication zu geschehen, womit letztlich gemeint ist, dass möglichst viele von dem kleinen Geschäft zwischen Forscher und Musiker profitieren wollten und sollten. Daraus resultierende Schwierig-keiten traten erst in den Hintergrund, nachdem es gelungen war, eigene und möglichst unabhängige Kontakte zu knüpfen.

Als noch wichtiger sollte sich herausstellen, selbst einige Techniken der botswanischen secretiveness schnell zu erlernen und vor Ort umgehend anzu-wenden. Ausländer aus Sambia, Zimbabwe, Tansania und Kamerun hatten mich in einem Internetcafe beizeiten darüber aufgeklärt, dass batswana im Rahmen alltäglicher Begegnungen kaum jemals Orte oder Namen zu nennen pflegen. Dadurch sollen Rückschlüsse auf Aufenthaltsorte und einen damit verbundenen Umgang vermieden werden. Das war mir auch schon aufgefallen. Später sollte ich feststellen, dass Gitarristen, die ich erst nach mehreren Wochen ausfindig machen und aufzeichnen konnte, mir in Gaborone lange vorher verschwiegen worden waren. Das mag einerseits damit zusammenhängen, dass man einige dieser Musiker den inoffiziellen Bierkneipen (shebeens) 10 und insofern gesellschaftlichen Randgruppen zuordnete (DLR Bartmann 2000a). Vielleicht mochte man nicht zugeben, so jemanden zu kennen. Andererseits wusste man um den geschäftlichen Wert solcher Informationen, deren unbedarfte, vor allem aber kostenlose Weitergabe zu Hause vielleicht sanktioniert worden wäre. „We feel cheated“11, wurde uns oft auch dann bedeutet, wenn ein Aufnahmetermin weder vermittelt, geschweige denn zustande gekommen war. Um dem zu entgehen, erwies es sich bisweilen als vorteilhafter, bereits existierende Auf-nahmen lieber nicht zu erwähnen.

Dies betraf – im Nachhinein folgerichtig – sogar meine Mitschnitte der Sendereihe dipina le maboko (songs and poetry), die Radio Botswana jeden Sonntagmorgen in der Landessprache Setswana ausgestrahlt hat. Meine wochen- 9 Tswana-Frauen blieb es meinem Eindruck nach leider verwehrt, sich diesbezüglich zu

betätigen. 10 Während der Apartheid trafen sich in den shebeens nicht nur Nachbarn, sondern vor

allem auch politische Aktivisten. In Botswana galten shebeens 1999 eher als anrüchig. 11 Cheated = geprellt, übervorteilt, hereingelegt.

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langen Bemühungen, von unserem GTZ-Stützpunkt aus telefonisch mit dem zuständigen Redakteur dieser herausragenden, nicht nur im musikethnologischen Sinne aufregenden Sendereihe Kontakt aufzunehmen, mit ihm gar ein Treffen zu vereinbaren, sollten sämtlich im Sande verlaufen. Wiederholt wurde mir bedeutet, das gesamte Archiv sei leider einer versehentlichen Vernichtung anheim gefallen. Dipina le maboko sollten allerdings dennoch viele weitere Jahre gesendet werden. Acht Jahre später hat das Internetmagazin mmegi online einen bemer-kenswerten Artikel dazu veröffentlicht. Darin wird versucht, die offensichtlich verbreitete Haltung, die wir vor Ort im Sinne eines „we feel cheated“ kennen gelernt haben, endlich ein wenig zurecht zu rücken:

It may have been criticised for ripping off Tswana cultural music legends but Radio Botswana's Tswana music programme, Dipina le maboko has become a library of knowledge for contemporary musicians who turn to it to learn how the legends of old used to recite their poetry and songs (URL Gaotlhobogwe 2007).

Dazu muss gesagt werden, dass uns in einem Zeitraum von über zehn Jahren

kein Tonträger aufgefallen ist, der im Sinne eines „ripping off Tswana cultural music legends“ nennenswerte Verkaufszahlen erzielt hätte, schon gar nicht auf dem internationalen, sich an der Idee einer world music (Bohlman 2002, URL Anderson 2000)12 orientierenden Musikmarkt.13 Vor diesem Hintergrund 12 Bohlman (2002) liefert einen stark generalisierenden Abriss einschlägiger Welt-

musikideen und -konstrukte. Sogar die Geschichte der Musikethnologie finden wir teilweise darin eingebettet. Kritische Stellungnahmen vermeidet Bohlman. Es entsteht der Eindruck, dass Ethnomusikologen für ihn möglichst auch world music scholars sein sollen. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal sich die Musikwissenschaft immer schon schwer damit getan hat, auch zu aktuelleren Strömungen Stellung zu beziehen. Ian Anderson hat world music zusammen mit anderen Musikjournalisten seinerzeit als eine Tonträger-Verkaufskategorie aus der Taufe gehoben (URL Anderson 2000).

13 Schon lange vor 1999 haben wir arbeitsteilig begonnen, systematisch im Internet, aber auch in den einschlägigen deutschen, österreichischen, aber auch in Londoner und Pariser Plattenläden nach Tonträgern Ausschau zu halten, die Musiktraditionen botswanischer Provenienz dokumentieren oder auch nur verwenden. Das tun wir heute noch. Unser Augenmerk gilt nachgerade den pop- und/oder weltmusikalisch orientierten Produktionen aus dem südlichen Afrika. In diesen Zusammenhang gehören auch Gespräche, die ich vor einigen Jahren im Rahmen meiner Juroren-tätigkeit für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik mit einem Vertreter eines namhaften deutschen Worldmusic-Labels in Rudolstadt führen konnte. Der Tenor war, dass man sich nach vielen schwierigen und ergebnislosen Verhandlungen leider gezwungen sah, zunächst davon abzusehen, Produktionen mit Musiken aus dem

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erscheint Gaotlhobogwes Internetbeitrag umso bemerkenswerter. Ich folgere daraus, dass sich ein rip-off nach tswanischem Verständnis nicht so sehr an weltweiten Verkaufszahlen, sondern an anderen, teilweise bemerkenswert niedrigen Schwellen misst. Diese dürften auf jeden Fall mit der Urheber-rechtsproblematik, aber auch mit einigen afrozentrischen Wertvorstellungen zusammenhängen.

Botswanas Rechtssystem kannte 1999 keine musikalischen Urheberrechte. Dieser Umstand erklärt, warum die hochinteressanten Feldaufnahmen im Rahmen dieser Sendereihe allenfalls unter allerstrengsten Vorbehalten gesendet werden durften, überhaupt gesendet werden konnten. Ich gehe davon aus, dass ein neugieriger Ethnomusikologe mit unüberhörbarem britischem Akzent damals allein deshalb außen vor gehalten werden musste. Unklugerweise hatte ich in den ersten Wochen, seinerzeit noch in Unkenntnis der tswanaüblichen secretiveness, voller Begeisterung erwähnt, ein paar dieser Sendungen über meinen kleinen Weltempfänger mitgeschnitten zu haben. Auf diese Weise wollte ich mein Interesse an den tswana-Musiktraditionen bekunden. Aus meiner heutigen Sicht war das naiv. Im Nachhinein reime ich mir zusammen, das mich das damals wohl eher hat verdächtig erscheinen lassen. Alles in allem hätte mir seinerzeit geholfen, wenn man mir den Stellenwert der Urheberrechtsproblematik im Sinne eines „wir sind damit leider noch nicht soweit“ wenigstens ansatzweise bedeutet hätte. Den unschätzbaren Wert dieser Aufnahmen erahnte man 1999 meinem Eindruck nach durchaus schon, allerdings mussten weitere acht Jahre vergehen, bis dieses offene Geheimnis dem unaussprechlichen Diktum einer botswanischen secretiveness entsprechend auch der Weltöffentlichkeit gegenüber zugegeben werden konnte:

But one thing is clear, Radio Botswana's Dipina le Maboko programme has become a boswa-cultural heritage [sic!] to young cultural musicians, who continue to benefit from the programme as they can always learn from the past masters, most of whom the youngsters have never met except through the music repeatedly played on the radio (URL Gaotlhobogwe 2007).

Diese Beispiele mögen immerhin verdeutlichen, warum es 1999 schwierig, wenn nicht gar unmöglich war, eigene oder andere Video- oder auch nur Audiodokumente verschiedenen Kulturträgern vorzuspielen, sei es gar, um sie von ihnen bewerten zu lassen. Unsere Tonaufnahmen berührten immer auch

südlichen Afrika zu initiieren, geschweige denn, welche ins Vertriebsprogramm aufzu-nehmen.

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Persönlichkeitsrechte. Damals erwies sich schon ihr Besitz als heikel, vor allem aber jede nicht-autorisierte Wiedergabe Dritten gegenüber. Unseren Aufnahme-tätigkeiten maß man demgegenüber keine derartige Bedeutung zu. Hatten wir eine compensation ausgehandelt und bezahlt, spielte das Aufnahmegerät kaum mehr eine Rolle. Ab dann sollte meinem Eindruck nach allerdings auch nicht mehr darüber gesprochen werden.

Diese Erfahrungen korrelieren durchaus mit einigen afrozentrischen Wertvor-stellungen, die gemeinhin als eine Antwort auf einige vermeintlich eurozentrische verstanden werden möchten. Erstere können dabei nicht einmal als genuin botswanisch oder schwarzafrikanisch gelten, sondern lassen sich in die USA zurückverfolgen. Im Africa Speaks Reasoning Forum14 schreibt ein afrikanrebel06, der sich „somewhere in the cosmos and realm of the ancestors“ verortet, unter dem Titel Afrocentric vs. Eurocentric Worldviews:

The Afrocentric, or African-centered, worldview is very different from the Eurocentric, or Europe-centered, worldview. Afrocentrism is centered around the beliefs that:

The highest value of life lies in the interpersonal relationships between men; One gains knowledge through symbolic imagery and rhythm; One should live in harmony with nature; There is a oneness between humans and nature; The survival of the group holds the utmost importance; Men should appropriately utilize the materials around them; One's self is complementary to others; Change occurs in a natural, evolutionary cycle; Spirituality and inner divinities hold the most significance; There are a plethora of deities to worship; Cooperation, collective responsibility, and interdependence are the key values to which all should strive to achieve; All men are considered to: be equal, share a common bond, and be a part of the group;

The Afrocentric worldview is a circular one, in which all events are tied together with one another. The Eurocentric worldview is centered around the beliefs that:

The highest value of life lies in the object, or in the acquisition of the object;

14 Zum Selbstverständnis dieses Forums heißt es: „Africa Speaks Reasoning Forum

engages all social issues with the main focus on our common African humanities.“ Die entsprechenden Webseiten finden sich unter den Domänennamen AfricaSpeaks.com, RastaSpeaks.com und RastafariSpeaks.com

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One gains knowledge through counting and measuring; One should control and dominate nature; There is a dichotomy, or separateness, between nature and humans; The survival of the fittest holds the utmost importance; Men should have an unlimited exploitation of the materials around them; One's self is distinct from others; Change occurs to meet the immediate objectives, and is quite arbitrary; A distant, impersonal god holds the most significance; There is only one supreme deity to worship; Competition, independence, separateness, and individual rights are the key values to which all should strive to achieve; All men are considered to be individualistic, unique, and different;

The Eurocentric worldview is a linear one, in which all events are separate and there is no togetherness (URL afrikanrebel 2009).

Die voranstehenden Auflistungen lassen erkennen, in welchem Ausmaß Ethnozentrismen sowohl Auto- als auch Heterostereotype kultivieren. Ohne darüber Bescheid zu wissen, dürfte es kaum möglich sein, Einblicke in die ortsüblichen Diskurse zu gewinnen, geschweige denn, aktiv daran teilzunehmen (Bartmann 2006). Der Begriff Afrozentrismus wird dem afroamerikanischen Afrikanisten Molefi Asante zugeschrieben, der 1942 als Arthur Lee Smith Jr. in Valdosta in Georgia geboren wurde (URL Asante 2000). In der Britannica Concise Encyclopedia heißt es dazu:

Most Afrocentrists are African Americans who regard all blacks as syncretic Africans and who believe that their worldview should positively reflect traditional African values. Afrocentrists argue that for centuries blacks and other nonwhites have been dominated, through slavery and colonization, by Europeans and that European culture is either irrelevant or hostile to efforts by non-Europeans to achieve self-determination. Rooted in historical black nationalist movements such as Ethiopianism, Pan-Africanism, and Negritude, Afrocentrism asserts the cultural primacy of ancient Egypt and is seen as a spur to political activism. In addition to emphasizing cooperation and spirituality, it champions contemporary African American expressive culture (language, cuisine, music, dance, and clothing) (URL Britannica o.J.).

Unsere Erfahrungen in Botswana (1999) lassen erahnen, dass diese Ideen auch in anderen Teilen Schwarzafrikas verfingen - beileibe nicht nur in jenen, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer geographischen Lage von Verschleppungen

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und Sklaverei besonders betroffen waren.15 Aus afrozentristischer Sicht sollen sie inzwischen nicht mehr nur für ganz Schwarzafrika, sondern, wie das Africa Speaks Reasoning Forum belegt, nachgerade für die gesamte afrikanische Diaspora gelten.

Nachzutragen bleibt, dass die oben aufgeführten ethnozentrischen Stereotype zu Missverständnissen einladen. „Knowledge through counting and measuring“ erinnert an den Blochschen Kältestrom nüchterner, exakter Tatsachen, hier verbrämt als ein eurozentrischer Wesenszug. Dem steht im afrozentrischen Sinne „knowledge through symbolic imagery and rhythm“ entgegen. Festzuhalten bleibt, dass Felduntersuchungen, die sich auf einen spezifischen Erwartungs-horizont beschränken, die hermeneutische Distanz zwangsläufig schmälern. Das Statement „the highest value of life lies in the interpersonal relationships between men“ erinnert nicht nur an Kadens Verständnis von einem Wärmestrom im Blochschen Sinne (Kaden 1998: 46), sondern auch an die Klagen des Grazer Soziologen Christian Fleck über die Harmoniesucht seiner Kollegen. Die sind in einem Wiener Wissenschaftsmagazin nachlesbar. Der Artikel zitiert außerdem den Innsbrucker Politikwissenschaftler Anton Pelinka:

Es gibt wenig Diskussionen – stattdessen läuft viel hintenrum. Wichtig sind die Seilschaften (URL Hochadel 2004).

Man könnte auch sagen: Diskurse gelten bisweilen wenig, Beziehungen dafür

umso mehr. Der Innsbrucker Molekularbiologe Lukas Huber hebt hervor:

Die wissenschaftliche Streitkultur wird hier nicht zuletzt deshalb so wenig gepflegt, weil das universitäre System extrem hierarchisch strukturiert ist (URL Hochadel 2004).

Die Tswana-Kultur hat sich uns als streng hierarchisch dargestellt. Aus

heutiger Sicht hätte ich mich kaum oder vielleicht gar nicht darin zurecht gefunden, wenn ich nicht vorher schon eineinhalb Jahre lang in Österreich gearbeitet hätte. Mein Kulturschock (Bartmann 2006) wäre um einiges heftiger ausgefallen. Umso mehr freue ich mich, hin und wieder allerdings wundere ich mich im Nachhinein auch darüber, welch wertvolles und aussagekräftiges 15 Im Falle von Botswana lässt sich diese Teilhabe durch die wirtschaftliche Abhängigkeit

vom Südafrika der Apartheid-Ära erklären: Die meisten Informanten der in den Neunzigern über sechzig jährigen Männer waren in ihrer Jugend Arbeitsmigranten in südafrikanischen Bergwerken.

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Material wir trotz secretiveness und afrocentrism in Botswana aufzeichnen konnten (DLR Bartmann 2000a, Schöpf 2008).

Dafür galt es, Balanceakte zu wagen. So sollte es sich im Rahmen meiner Feldforschungen in Sachen African Guitar schnell als nicht zielführend heraus-stellen, afrozentrische Erwartungshorizonte leichtfertig mit Blochschen Wärme-strömen zu verwechseln. Vielmehr ging es um flexible Bedeutungsperspektiven, darum, in eine „sich selbst relativierende Reflektion“ einzutreten (Brandl 2006: 20). Letztlich galt es, die Balance zu halten zwischen dem, was mir so merk-würdig fremd und gleichzeitig doch irgendwie vertraut vorkam. Vor Ort konnte ich auf Anhieb oft gar nicht sagen, warum ich das so empfunden habe. Tomlinson empfiehlt, diese Balance zunächst einmal auszuhalten, auf dem Zaun, der das Ungewohnte gewahr werden lässt, sitzen zu bleiben, selbst wenn die Verlockungen, sich durch einen Sprung zur einen oder anderen Seite in eine vermeintliche Sicherheit, in eine mental stabilere Lage zu retten, sehr groß sind. Diskurse vermögen den Horizont nur dann zu erweitern, sofern es gelingt, in ihrem Verlauf verschiedene Mittenpositionen einzunehmen (Bartmann 2006):

[...] we all sit in between, on the fence, suspended – leaning to one side or the other, no doubt, but always on the fence. [...] we play ceaselessly at a balancing act, teetering between what seems to us familiar and comfortable and what seems distant. In a slightly different connection this act can even be posited as a fundamental feature of all our understanding historical or otherwise. (Tomlinson 1993: 4).

E l Hier ro 1993: Volks l iedsänger zwischen de jo und af r i canidad . Tab. Spalte 4 (Kanarische Insel El Hierro/ Bartmann).

Die herreños, die Bewohner der kleinsten und westlichsten Kanareninsel El Hierro, haben für das Nachwirken ihrer Tänze und Musiken einen eigenen, einen emischen Begriff. Man sagt dort dejo, was eine Art Nachhall beschreibt. Etwas, das bleibt. Wie gezeigt werden wird, kann das auch eine klangfarbliche Wirkung sein (Bartmann 1994: 245-272).

Um herauszufinden, wie sich diese Wirkung entfaltet, wie sie im Einzelnen wahrgenommen, ob und inwiefern daran gar etwas erkannt oder wiedererkannt wird, habe ich El Hierro über einen Zeitraum von 6 Jahren (1987-1993) immer wieder aufgesucht (Bartmann 1994). Bisweilen braucht es so lange, um eine

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tragfähige Hypothese zu gewinnen, deren experimentelle Überprüfung lohnens-wert und vor allem durchführbar erscheint. Es ging darum, eine Vorgehensweise zu entwickeln, die mit der örtlichen Alltagskultur, insbesondere mit den ortsüb-lichen Gepflogenheiten und Umgangsformen in Einklang gebracht werden konnte. Gegenstand meiner Untersuchungen waren die kunstvollen Verzie-rungen und Verschleifungen der solistisch vorgetragenen Arbeitslieder (cantares), die früher beim gemeinschaftlichen Mähen (segando) abwechselnd auf dem Feld angestimmt wurden und seinerzeit der Arbeitsorganisation, dem Zeitvertreib, aber auch der Ehe- und Partnerschaftsanbahnung dienten.

Die Vortragsweise dieser Lieder kann als von der iberischen Halbinsel beeinflusst gelten (Bartmann 1994). Das wird nicht einmal von den kanarischen bereberólogos bestritten. Gemeint ist damit eine separatistische Intellektuellen-bewegung, welche die Kanarischen Inseln als von den Spaniern zwangskoloniali-siert ansieht. Als ihr Hauptargument fungiert die Annahme, die seinerzeit größtenteils versklavten Altkanarier (auf El Hierro: bimbaches, ansonsten guanches, womit generalisierend eigentlich nur die Altkanarier der Insel Teneriffa gemeint sind) hätten den Archipel ursprünglich von Nordwestafrika aus besiedelt. Diese so genannte „Inselberbertheorie“ ist umstritten (Biedermann 1983, Stumfohl 1990). Inzwischen verbreiten kanarische Berberaktivisten, letztlich seien alle Kanarier berberischer Abstammung.16 Folgerichtig ist ihnen 16 Unterstützt sehen sich die Berberaktivisten durch DNA-Untersuchungen:

The prehistoric colonisation of the Canary Islands by the Guanches (native Canarians) woke up great expectation about their origin, since the Europeans conquest of the Archipelago. Here, we report mitochondrial DNA analysis (HVRI sequences and RFLPs) of aborigine remains around 1000 years old. The sequences retrieved show that the Guanches possessed U6b1 lineages that are in the present day Canarian population, but not in Africans. In turn, U6b, the phylogenetically closest ancestor found in Africa, is not present in the Canary Islands. Comparisons with other populations relate the Guanches with the actual inhabitants of the Archipelago and with Moroccan Berbers. This shows that, despite the continuous changes suffered by the population (Spanish colonisation, slave trade), aboriginal mtDNA lineages constitute a considerable proportion of the Canarian gene pool. Although the Berbers are the most probable ancestors of the Guanches, it is deduced that important human movements have reshaped Northwest Africa after the migratory wave to the Canary Islands. (URL Maca-Meyer 2003).

Nach Ansicht vieler Berberaktivisten bergen diese Befunde weitreichende Konse-quenzen, insbesondere im Hinblick auf ihre eigene kulturelle Identität und insofern vor allem in kulturpolitischer Hinsicht. Mit solchen Sichtweisen geht einher, dass

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der europäische Einigungsgedanke fremd. Festzuhalten bleibt, dass Ansichten, wonach die Kanarischen Inseln eigentlich zu Afrika gehören bzw. gehören sollten, inzwischen auf dem gesamten Archipel sehr viel häufiger begegnen als mir seinerzeit.17

Schon vor geraumer Zeit hat der kanarische Ethnograf Manuel Lorenzo Perera auf El Hierro eine Hirtenkultur ausgemacht (Lorenzo Perera 1981, 2002). Dieses Konstrukt erinnert an die Anfänge der Ethnologie. Die Hirtenkultur wurde

von der „Wiener Schule“ einst als ein eigener Kulturkreis angesehen, der sich aus einer jägerischen „Urkultur“ heraus entwickelt hätte. (Hirschberg 1988a: 214).

Als vermeintliche jägerische Urkultur im Sinne der längst obsoleten Kultur-kreislehre (Hirschberg 1988b, c: 271-273) gelten Lorenzo Perera vermeintlich berberische Altkanarier.

historische Prozesse letztlich auf zufällige Eingriffe in genetische Systeme reduziert werden (Brandl 2006: 5).

17 Die Suchworte „Canarias, Amazigh“ erschließen eine stetig wachsende Anzahl und Vielfalt in diesem Sinne bekenntnishaft präsentierter Webseiten, die sämtlich dem kanarischen Berberkult zuzurechnen sind. Berber (amazigh) ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von Ethnien, die sich als Nachfahren einer maßgeblichen nordafrika-nischen Altschichtbevölkerung verstehen. Das aktuell frequentierte Internetportal Asociación Cultural Ossinissa (URL Ossinissa o.J.) empfängt den geneigten Internet-surfer mit der Hymne Rompen las Olas im Reggaerhythmus. Diesen Titel hat die Gruppe Africuya schon 1997 eingespielt. Die Ankündigung eines Bob Marley Still Alive Reggae Festival (Mai 2007 in Arona, Santa Cruz De Tenerife) weist die Africuya-Musiker als veteranos aus (URL Bcn Reggae Town o.J). In der Geschichte El Hierros hat Ossinissa inzwischen auch einen kanarischen Che Guevara ausgemacht. Dabei handelt es sich um den im März 1699 auf El Hierro geborenen Capitán D. Juan Francisco de León, der in jungen Jahren nach Venezuela auswandern und dort zu einer Art Nationalsymbol avancieren sollte (URL Acosta o.J.). Der Inselchronist José Padrón Machín (1905-1996), den ich 1987 interviewen durfte, hat Francisco de León in seinen Noticias relacionadas con la historia de la Isla del Hierro besonders hervorgehoben (Machín 1983). Das Ossinissa-Portal wartet auch mit einem inter-aktiven tamazight Sprachkurs auf. Das ist ein „Oberbegriff für alle Berbersprachen und/oder -dialekte in Marokko, Algerien und Tunesien. [...] Es herrscht kein Konsens darüber, ob man Tamazight als eine einzige Sprache ansehen soll.“ (URL Tamazight 2009). Benannt hat sich die Ossinissa-Gruppe nach dem letzten altkanarischen Herrscher El Hierros: „El nombre que designa a nuestra asociación es Ossinissa, por ser éste el último rey amazigh (bereber) de la Isla de El Hierro.“ (URL Ossinissa o.J.). Ossinissa soll sich den spanischen Eroberern besonders heftig widersetzt haben.

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Meinem Eindruck nach war es mir von 1987 bis 1993 vergönnt, mit den Trägern einer Überlieferungsschicht zu arbeiten, die sich von solchen und ande-ren Konstrukten noch weitgehend unbeeindruckt zeigte. Die Gewährsleute, die ich auf El Hierro wiederholt besuchen durfte, waren zur Zeit meiner Feld-untersuchungen zumeist schon in den Siebzigern oder sogar älter. Die meisten waren auch schon in Lorenzo Pereras eher dokumentarischem Buch zu Wort gekommen (Lorenzo Perera 1981). Mit nachvollziehbaren Schlussfolgerungen hält sich Lorenzo Perera darin zurück. Allenfalls spekulative Andeutungen sind seinem grundlegenden Werk, wenn auch nur vereinzelt, zu entnehmen. Insofern konnte ich auf El Hierro im Sinne einer restudy arbeiten. Im Zuge dessen hat niemand mir gegenüber von sich aus einen Bezug zu nordafrikanischen Berber-kulturen hergestellt, geschweige denn von einer Kenntnis irgendeiner berberi-schen Musiktradition Zeugnis abgelegt. Allerdings wurden die inseltypischen Plastikquerflöten (pitos) und Kastagnetten (chácaras) gemeinhin den Altkanariern zugeschrieben. Schnell sollte sich herausstellen, dass die textlosen Resynthesen der einstimmigen Gesangsproben, die ich im Rahmen einer standardisierten, offenen Befragung vorgespielt habe, nach ganz anderen Kriterien beurteilt wurden.

Für diese Resynthesen hatte ich im Wiener Institut für Schallforschung Grundfrequenzspuren aus den Schallsignalen herausgerechnet und diese über den Soundchip meines damaligen Atari ST- Rechners als modulierte Rechtecksignale erneut verklanglicht (Bartmann 1991, 1994). Zunächst galt es zu klären, ob diese Art der Klangmanipulation sich überhaupt mit den idiokulturellen Hör- und Verstehensweisen vertrug. Dabei war von Vorteil, dass mich die Sängerinnen und Sänger als jemanden kannten, der sich für die cantares der Insel interessiert und deshalb Kassettenkopien von inzwischen vergriffenen Schallplatten mit sich führt. Als ein wichtiger Treffpunkt und Anlass, um über solche Angelegenheiten ins Gespräch zu kommen, sollte sich in jedem Inseldorf die so genannte Lügenecke (mentidero) erweisen. Diese traditionelle Institution kannte ich schon vom spanischen Festland. Meistens handelt es sich um eine Mauer in einem Dorf- oder Stadtzentrum, auf der sich zumeist ältere Herrschaften abends treffen, um Neuigkeiten auszutauschen und dabei zu lügen, dass sich die Balken biegen. Auch ich wurde hin und wieder aufgefordert, phantastische Geschichten beizu-steuern. So bekam ich die Gelegenheit, meine textlosen Resynthesen vorzustellen und zu erläutern. Meine Bemerkung, ich hätte von einigen Liedern die Texte entfernt und könne die Musiken jetzt nicht mehr auseinander halten, passte in

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den mentidero-Kontext. Aber auch anderswo konnte ich damit eine allgemeine Neugier entfachen.

Obwohl man einhellig erklärte, meine herkömmlichen Tonaufnahmen den klangnivellierten vorzuziehen, wunderte man sich allenthalben und meinte, dass die Melodien sehr klar zu vernehmen seien. Die tonadas klängen vertraut und auch nicht verstimmt. Es handele sich zweifelsfrei um Feldarbeitslieder. Lola Padrón und María Barbuzano aus Los Llanillos reagierten genau wie Benito Padrón aus Tigaday, Aurora Quintero aus Las Casas und Alcíra Padrón aus El Pinar s ingend auf das Vorspielen der modulierten Rechtecksignale. Dies geschah mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass für dieses Liedgenre ausgeprägte Individualstile typisch sind. Auf dem Land hätte eben ein jeder sein eigenes Lied, seinen eigenen Stil vorzuweisen:

Yo creo que es segando [...] Suena como cantar del campo. [...] Pero en el campo todos tenemos nuestro cantar. (Aus dem Tonbandinterview mit Aurora Quintero und Alcíra Padrón am 07.07.93 in Valverde).

Diese Vorerkundungen haben mich seinerzeit ermutigt, eine Schwellenbe-

stimmung zu wagen. Darunter versteht man ein methodisches Vorgehen, das in der Psychophysik zur Bestimmung von Wahrnehmungsschwellen dient. Ich habe mich für ein so genanntes Grenzverfahren entschieden. Ich wollte wissen, ob und wenn ja, ab wann und vor allem woran die Probanden eine Sängerin oder einen Sänger aus ihrer Umgebung anhand systematisch manipulierter, ansonsten klang-nivellierter Hörbeispiele erkennen. Meine Versuche zielten auf die so genannte Satisficing-Regel. Darunter ist eine non-kompensatorische Entscheidungsregel zu verstehen (Jungermann et. al. 1998):

Die Entscheidung fällt dann für ein Objekt, wenn man eine akzeptable Option gefunden hat, die das individuelle Anspruchsniveau erfüllt. Die Situation muss befriedigend, nicht notwendigerweise optimal sein. Die Entscheidung fällt nicht für die beste, sondern für die relativ beste Lösung. Diese Option tritt ein, wenn mehrere Entscheidungsobjekte nicht neben-einander, sondern nacheinander auftreten. (URL PsychologieLexikon 2008).

Für meine Fragestellung bot sich ein aufsteigendes Verfahren an (Abbildung 1). Um die Validität zu steigern, wurden die Befragungen mit noch zwei weiteren Beispielserien dieser Art wiederholt und insgesamt neun verschiedene Gewährsleute in dieser Art und Weise interviewt. Die offenen, durch Hörbei-spielserien vorstrukturierten Befragungen erwiesen sich als geeignet, die

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Bedeutung einiger vorher schon eruierter Stilmerkmale (Haltetonvibrati, volteos) 18 über die Reaktionen und Aussagen der Kulturträger ansatzweise zu verifizieren. Ein weiteres, wichtiges Validitätskriterium war dadurch gegeben, dass die Gewährsleute eine sinnvolle musikalische Aufgabe darin sahen, sich „so etwas“ anzuhören. Um sich dessen zu Beginn einer jeden Sitzung zu versichern, hat jeder dieser Sessions nicht mit einer kompletten Serie begonnen (Abbildung 1), sondern mit einzelnen Frequenzkurven, die ich nicht manipuliert oder geglättet hatte. Alle Hörbeispiele erklangen aus dem kleinen Lautsprecher meines damaligen Kassettenaufnahmegeräts marantz CP 230. Ein großer Vorteil war, dass dieses Gerät allen Gewährsleuten bereits bekannt war. Hätte ich seinerzeit meinen Atari-ST-Rechner mitgebracht und die Signale aus dessen Monitor-lautsprecher angeboten, wäre mit Abwehrreaktionen zu rechnen gewesen. Ein Mikrofon, das mit einem zweiten Aufnahmegerät verbunden war, hat sämtliche Gespräche aufgezeichnet. Alles in allem bewirkte meine Apparatur aus meiner Sicht keine beobachtbaren Versuchsleitereffekte.

Die Hörbeispielserien bargen den Nachteil, dass jede Reihe ihren Reiz schon nach einmaligem Vorspielen verloren hatte. Weil die Wiederholbarkeit dieser Ex-perimente von daher stark eingeschränkt war, galt es, mehrere Gewährsleute unabhängig voneinander über ein- und dieselbe Reihe zu befragen.

18 Als so genannte volteos (das sind Hecht- oder Luftsprünge, es können auch Purzel-

bäume damit gemeint sein) bezeichneten die Gewährsleute schnelle melodische Wendungen, die sich als steile Frequenzkurvenausbuchtungen abbilden. In der Regel gehen sie von einem Halteton aus und kehren ebenso schnell wieder dorthin zurück. Dabei kann es sich einerseits um spitze Kurvenverläufe handeln, die aufgrund extrem kurzer Zieltondauern eine eher klangfarbliche Wirkung entfalten anstatt deutliche Tonhöheneindrücke zu hinterlassen, andererseits um Ausbuchtungen, in deren Verlauf mehrere Zieltöne herauszuhören sind. In beiden Fällen bleiben die volteos immer den wichtigeren Haltetönen zugeordnet. Solche Wendungen gelten als ein wichtiges Kriterium für eine akzeptable segando-Interpretation. Die Mitteilung „cada cantador tiene su manera de voltear“ lässt sogar darauf schließen, dass volteos als Kennzeichen des persönlichen Ausdrucks gedeutet werden. Ihre Funktion besteht darin, die Haltetonebenen auf eine möglichst unverwechselbare Art und Weise auszu-schmücken (Bartmann 1994: 242-243).

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Abbildung 1: Annäherungen an den A-Teil der berühmten Segando-Version von Benito Padrón aus dem Inseldorf Tigaday, die neben anderen auch der Sängerin María Armas nacheinander zur Bewertung vorgespielt wurden (Bartmann 1994: 265). Das Hinzu-fügen, Weglassen und erneutes Hinzufügen eines volteo (vgl. *) hat María Armas Wieder-erkennungsprozess sehr beeinflusst.

Immer bot die Abfolge der immer detaillierteren Beispiele einen Spannungs-

bogen, der verhindert hat, dass Motivation und Aufmerksamkeit vorzeitig er-lahmten. Die neuen Details wirkten im Verbund mit den schon gehörten wie Sachimpulse, die ein Lehrer verwendet, um Diskussionen voran zu bringen, aufrecht zu erhalten. Dem Feldforscher hat diese Vorgehensweise erlaubt, sich weitgehend auf nondirektive Reaktionen zu beschränken. Dennoch waren alle drei Serien so beschaffen, dass sie die Konzentration und Aufmerksamkeit der 9

Ansinnen aus einer anderen Welt 243

Probanden nicht länger als 15, allerhöchstens aber 20 Minuten in Beschlag nahmen (Bartmann 1994: 248).

Interessanterweise zeitigte erst die Wiedergabe der 6. SEG05-Kurve (Abbil-dung 1, Nr. 6) nennenswerte, im Sinne der Hypothese auswertbare Reaktionen. Sie lässt erstmalig die klangfarbliche Wirkung eines Haltetonvibratos vernehmen. María Armas, die ich dazu allein in ihrem Haus befragte, sah sich weiterhin außerstande, den Sänger zu benennen, bestätigte aber das inseltypische Genre canto de la siega. Benito Padrón, der mir zusammen mit seiner Frau Eurosia Cejas in Tigady in seinem Haus für diese Aufgabe zur Verfügung stand, identifizierte sich selbst sehr schnell als den Sänger. Dieses bekräftigte er seiner Frau gegenüber auf deren Nachfrage hin nachdrücklich. Das Absetzen der Stimme und das Schlusstonvibrato veranlasste andernorts María Barbuzano, die sich ebenfalls bei sich zu Hause zusammen mit ihrer Tochter meinem Experiment zur Verfügung gestellt hatte, sich spontan für Benito als den fraglichen Sänger zu entscheiden.

Für die 7. SEG05-Kurve (Abbildung 1, Nr. 7) wurde ein weiterer Schleuder-ton hinzugefügt, ein Halteton mit einem Vibrato versehen und die letzte Wendung vor dem Schlusston wieder entfernt. María Armas lag daraufhin der Name des Sängers wie auf der Zunge, aber sie konnte ihn noch nicht aussprechen. Benito Padrón sah sich in seiner Entscheidung bestätigt, während María Barbuzano sich verunsichert zeigte und ihrer Tochter gegenüber plötzlich einen mir gänzlich unbekannten Schwager als den fraglichen Sänger in Erwägung zog. In der Inselhauptstadt Valverde hatte sich meine Zimmerwirtin Aida H. Fébles ebenfalls als mit diesem Liedgenre vertraut herausgestellt. Sie bekräftigte ihre schon vorher anhand des Haltetonvibratos (Abbildung 1, Nr. 6) getroffene Entscheidung, es müsse sich um Benito handeln.

Die entscheidenden Belege dafür, dass die klangfarblichen Wirkungen der feinmodulatorischen Vorgänge, insbesondere die der Schleudertöne (volteos) und Haltetonvibrati im Sinne emischer Kategorien nicht nur identifiziert und ver-standen, sondern auch herangezogen werden, um Personalstile zu identifizieren, erbrachten die Beurteilungen der 8. SEG05-Kurve (Abbildung 1, Nr. 8). Sowohl María Armas als auch Eloy Quintero Morales aus dem Inseldorf El Pinar hatten sich vorher noch verunsichert gezeigt, als die letzte Wendung in den Schlusston (Abbildung 1, Nr. 7*) plötzlich fehlte. Auch Don Eloy sah sich daraufhin veranlasst, seiner Frau Alcíra Padrón vorzuschlagen, einen ganz anderen Sänger, und zwar den seinerzeit schon längst verstorbenen José Simanca aus dem Inseldorf Sabinosa in Erwägung zu ziehen. Doña Alcíra widersprach, bis das Abspielen der 8. SEG05-Kurve die Dinge auch für Don Eloy ins Lot brachten.

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In ähnlicher Weise sah sich nun auch María Armas in dem bestätigt, was sie vorher schon vermutet hatte.

Alles in allem sind auf El Hierro zwei Vorteile dieser Vorgehensweise zum Tragen gekommen: Aufsteigende Verfahren zur Schwellenbestimmung helfen, schrittweise jene Entscheidungsprozesse bewusst zu machen, die aufgrund der subtilen Veränderungen der Reizmaterialien zunächst nur intuitiv erfolgen und sich erst im Nachhinein als verbalisierbar herausstellen. Des weiteren erwies es sich in diesem Zusammenhang als besonderes wertvoll, wenn die Summe aller gebotenen Höreindrücke ab einem gewissen Punkt Diskussionen der Gewährs-leute untereinander entfachte, ein Vorteil, den Simha Arom in vielen Vorträgen immer wieder hervorgehoben hat. Diese Diskussionen kehrten in der Regel Scheinnormales, etwas im Hinblick auf die idiokulturellen Hör- und Verstehens-weisen Allzu-Selbstverständliches hervor. Dem Forscher erschlossen sich dadurch die spezifischen Vorstrukturen des Verstehens der singenden Mäher auf El Hierro, die dort sonst kaum oder gar nicht reflektiert werden (Brandl 2006: 39).

Mit Bezügen zu einem neuerlichen africanismo im Sinne einer nuestra africanidad können diese Ergebnisse selbstredend nicht aufwarten, wenngleich das Liedgenre cantares auf allen Kanarischen Inseln nachweisbar ist.

Inzwischen hat man versucht, ein anderes Genre, das auf dem gesamten Archipel gepflegt wird und oft als eine Folklore für Touristen zum Einsatz kommt, zu „berberisieren“. Für diese so genannte folklore reciente sind vor allem bailes de cuerdas typisch. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass man Lieder und Tänze, die sich bis in das Europa des 18. Jahrhunderts zurück verfolgen lassen, mit spanischen guitarras sowie mit auf der iberischen Halbinsel üblichen doppel-chörigen Kurzhalslauten (bandurrias und laúds) begleitet:

Los denominados bailes de cuerdas están muy relacionados con dos hechos históricos y a su vez imbricados entre sí: la progesiva llegada a la Isla de los indianos [sic !] que habían regresado de Cuba, ya la recreacíon de las primeras sociedades o casinos a finales del siglo XIX y comienzos del XX. Paulatinamente fueron proliferando los tocadores de guitarra, bandurria y laúd, a cuyo son, en las recíen creadas sociedades, tenían lugar los denominados bailes de cuerdas. El concepto engloba a un conjunto de bailes, generalizados incluso en ambientes rurales de la Europa del siglo XVIII (folías, malagueñas, seguidillas, isas) y del XIX (polka, mazurka, berlina), los cuales arribaron a la isla de El Hierro –como tantas otras cosas- con bastante retraso (Lorenzo Perera 1989: 44).

Ansinnen aus einer anderen Welt 245

Vor dem Hintergrund, dass die Ursprünge dieser auf allen Kanarischen Inseln vertretenen música de cuerdas im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts zu suchen sein dürften, erscheint eine in genau diesem Sinne adaptierte kanarische Version eines Liedes aus der Kabylei19 besonders geeignet, weitere Wesenszüge des kanarischen bereberismo hervor zu heben. Daran lässt sich zeigen, dass sich diese kulturelle Strömung längst verselbständigt hat. Die Rede ist von dem Lied A VAVA INOUVA 2 des algerischen Künstlers Idir, dem Aufmacher seiner CD Identités (CD Idir 1999). Die zählt zu den herausragenden world-music-Alben des Jahres 1999. Produziert wurde sie in Paris.

Idir, der 1949 als Hamid Cheriet in Aït Lahcène geboren wurde, sieht sich als Teil einer unterdrückten Minderheit. Inzwischen gilt er als das literarische und nicht zuletzt musikalische Sprachrohr der Kabylei. Berberaktivisten zählen diese Region zu einem großen Gebiet, das sie tamazgha nennen. Nach ihrer Lesart gehören alle berberischen Brudervölker unter diesen Neologismus zusammen gefasst, in dem das Konstrukt des angeblich von allen Berbern verstandenen und gesprochenen tamazight mitschwingt (URL Tamazgha 2009). Dazu möchten bzw. sollen auch die Kanarier gehören:

Tamazgha [...] is a Tamazight word employed for the area more often known as the Maghreb or North Africa, covering the area between the Mediterranean Sea and the Niger River, from Siwa Oasis to the Canary Islands. Although the root MZGH is very ancient, Tamazgha as a country name is modern. It appeared for the first time in Algeria in the seventies. It is not clear at all who invented it. The main inhabited areas of Tamazgha are northern Libya and the Atlas Mountains chain from Tunisia to Western Sahara. It corresponds roughly to Herodotus' Libya, and to the medieval European term Barbary (URL Tamazgha 2009).

19 Die Kabylei [...] ist die Region in Algerien, in der die große Mehrheit der Bevölkerung

der Kabylen die Berbersprache Kabylisch spricht. [...] In jüngster Zeit kam es in der Kabylei immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der einheimischen Bevölkerung und der Zentralregierung, vor allem wegen der Nichtanerkennung des Kabylischen als Amtssprache. Nach den blutigen Unruhen im Jahr 2001, bei denen über 100 Todesopfer zu beklagen waren, hat die Regierung eingelenkt und die Sprache als Nationalsprache, nicht jedoch als Amtssprache in der Verfassung verankert. Die Kabylei ist eine der Regionen, in der sich ein Großteil der Bevölkerung gegen den islamischen Fundamentalismus stellt. In den letzten Jahren ist es vielfach zu Übertritten zum Christentum gekommen. [...] Die Arbeitslosigkeit ist erdrückend und die Regierung ändert daran wenig. Die [...], die eine bessere Zukunft wollen, wandern hauptsächlich nach Europa (meist Frankreich) aus. (URL Kabylei 2009).

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Idirs lyrischer Text kreist metaphorisch um eine gestörte Vater-Tochter Beziehung. A VAVA INOUVA 2 (CD Idir 1999) beschwört die Sehnsucht nach einem angstfreien, stimmigen Familienleben. Eine Tochter namens Ghriba bittet ihren Vater Inouva um Einlass. Sie fürchtet sich vor den Waldungeheuern. Die lassen den aufmerksamen Hörer an algerische Massaker denken, denen ein islamistischer Hintergrund zugeschrieben wird. Der Vater mag nicht öffnen. Er fürchtet sich selbst zu sehr. Idirs Neueinspielung dieses Titels bedient sich gängiger Ausdrucksmittel des keltischen Folkrevivals, für die einerseits die schottische Sängerin Karen Matheson, andererseits ein effektvoll eingesetzter irischer Dudelsack (uilleann pipes) verantwortlich zeichnet. Die Aufnahme A VAVA INOUVA 2 (URL Idir 2008) gilt allenthalben als eine im Sinne gängiger world music-Standards besonders gelungene Produktion (Bohlman 2002: 60-63, 77 ff.; URL Anderson 2000).

Demgegenüber interpretiert die Folkloregruppe Almogaren aus Gran Canaria (Valsequillo) ihre Version dieses Liedes als eine kanarische música de cuerdas. Wie in diesem Genre üblich, findet ein Solosänger in einem einstimmigen Chorrefrain seinen pathetisch anmutenden Widerhall. Die Gruppe hat sich nach einer altkanarischen Bezeichnung für einen Tempel auf Gran Canaria benannt (URL Almogaren 2008). „Su único CD es fundamental para tod@s aquell@s [sic !] que nos consideremos independentistas y nacionalistas.“20 Die version guanche des Idir-Titels A VAVA INOUVA nennt sich folgerichtig EL GUANCHE BEREBER. Auch der Liedtext wurde dementsprechend neu verfasst. Anklänge an den Originaltext sind darin nicht auszumachen. Stattdessen wird ein líbica sangre Africana [sic!] beschworen:

Del fondo de los siglos viene el guanche bereber, el guanche bereber Líbica sangre africana, libio guanche bereber Del fondo de los siglos viene el guanche bereber, el guanche bereber Líbica sangre africana, libio guanche bereber. África no es sólo el sur, ni solo el negro africano África es también el norte, esclavo negro, esclavo blanco

20 Diese Einschätzung der Gruppe findet sich im Diskussionsforum der Webseite azarug.

Dort hat ein Cho Amazigh am 05.03.2006 um 15:51h die Frage aufgeworfen, ob inzwischen „algún tipo de música independentista o nacionalista canaria“ auszu-machen sei (http://www.azarug.org/debate/viewthread.php?tid=3520; zuletzt aufge-rufen am 12.07.09.) Ein YouTube- Videoclip unter dem Titel El guanche Bereber zeigt ein entsprechendes, klischeehaft anmutendes Bildmaterial (URL Almogaren 2008).

Ansinnen aus einer anderen Welt 247

Hijo de la esclavitud, del hambre, de las cadenas De nuestra sangre y sudor toda el África está llena. (URL Almogaren 2008, Transkription Bartmann).

Nachzutragen bleibt, dass ein interkultureller Dialog mit Vertretern dieser Strömung sich mir in den 80er Jahren als schwierig erwiesen hat. Auf Teneriffa wies mich schon damals mein spanischer Akzent 21 als einen „Goten“ (godo) aus. Auf den Kanaren ist godo eine verächtlich gemeinte Bezeichnung für Festland-spanier. Andere Einstiegsprobleme in einen Dialog bereiteten Attitüden, die der Volkskundler Manfred Seifert treffend charakterisiert hat:

In Zeiten des zerfallenden Horizonts mit seiner unbeschränkten Öffnung nach allen Seiten [...] ist die „ganze Welt zur Bühne“ (Bausinger 1986:13) geworden. [...] In dieser Gemengelage [...] der geistigen Orientierungen ist das populare Kulturgut frei verfügbar geworden. [...] [Die] Auswahl muss jetzt jedoch bewusst geschehen, weil sie nicht mehr von der Selbstver-ständlichkeit der Milieubindung vorgegeben ist. Gerade aus der Entgren-zung des Zugriffs auf Kultur erwächst auch jener neue Zug zum Heimat-lichen, der in seiner bekenntnishaften, ästhetisch-genießerischen und ge-wollten Haltung eine emotional gesteigerte Bewusstseinslage vor dem Hintergrund der Verfremdung des Alltags zu erkennen gibt. (Seifert 1997: 217f).

Mit Seiferts Ausführungen stimmt überein, dass mir bei den teilweise schon betagten, ehemaligen Mähern aus der Golfo-Region der kleinsten kanarischen Insel El Hierro entsprechende Haltungen seinerzeit überhaupt nicht begegnet sind.

Anhand des kanarischen Berberkults lässt sich zeigen, dass Revitalisations-bewegungen immer auch politisch determinierte Strömungen sind. Es werden „bestimmte Kulturelemente aus Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt“, denen man „einen symbolischen Wert für eine neues Bewusstsein der Zusammengehörigkeit“ verleiht (Weiss 1988: 403). Was die kanarischen Musik-traditionen betrifft, so darf erwartet werden, dass sich künftig vielleicht noch weitere damit einhergehende musikalische Denk- und Umgehensweisen der hier 21 Mein so genannter godo-Akzent rührt daher, dass ich meine Spanischkenntnisse

Anfang der 80er Jahre in Sommerkursen der Universitäten in Salamanca und Santander erworben habe, abgesehen von meinen von da ab beinahe alljährlichen Rundreisen in Galizien, Asturien, Katalonien, Kastilien-La Mancha und nicht zuletzt in Andalusien, von wo aus sich mir besonders im Norden Marokkos nach und nach einige nordafrikanische Musiktraditionen erschlossen haben.

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beschriebenen Art, sofern man sie auf den Kanaren als solche überhaupt reflek-tiert, dem unterordnen werden oder gar unterzuordnen haben. Unter diesem Blickwinkel bringen Revitalisationsbewegungen zunächst Kulturverzerrungen mit sich (Bartmann 1998). Für die Mählieder auf El Hierro ist dieses allerdings kaum mehr zu erwarten, da solche Arbeitsliedtraditionen (cantares) in ihrem ursprünglichen Kontext inzwischen kaum mehr vorhanden sind und inzwischen als eher altmodisch gelten.

Demgegenüber lehrt die Adaption des Idir-Titels A VAVA INOUVA, dass es der Folkloregruppe Almogaren vor allem um die Artikulation und Verbreitung eines politischen Bekenntnisses ging. Das kanarische Musikidiom música de cuerdas blieb davon unberührt. Festzuhalten bleibt, dass im Zuge des kanarischen Berberkults bisher weder instrumentale Klangfarben nordafrikanischer Musik-traditionen noch damit einhergehende Denk- und vor allem Spielweisen (Elsner 1997) als kompatibel erachtet, geschweige denn mobilisiert worden wären.

Unter dem Blickwinkel eines dynamischen Kulturbegriffs bleibt zu berück-sichtigen, dass Musiktraditionen immer Verhandlungssachen sind. Auf den Kanaren ist bemerkenswert, dass inzwischen sogar ein Stück Touristenfolklore dem Konstrukt einer vermeintlich gemeinsamen Herkunft und Sprache ("nuestra africanidad“) dienlich sein konnte (Reich 1971). Alger i sches F lücht l ings lager 2001: Saharaui sche Sänger innen zwischen maur i scher gr iot -Tradi t ion, spanischer Pla t tenf i rma und Pol i sar io Tab. Spalte 5 (wilaya Smara/ Bartmann)

Die hier genannte Tabellenspalte handelt von rein vokalen Rekonstruktionen der Skalen des maurischen Modalsystems howl. Das sind ungewohnte Realisationen, weil im saharauischen Kontext zum Ausmusizieren des howl immer eine speziell gestimmte spanische oder elektrische Gitarre gehört (Bay2 Bartmann 2002). Dennoch konnte ich im Juni 2001 im wilaya Smara, einem der vier Flüchtlings-lager der saharauis in Südalgerien in der Nähe von Tindouf, unbegleitete howl-Gesangsproben aufzeichnen. In Smara leben hauptsächlich Frauen. An jenem Tag, an dem meine Aufnahmen stattgefunden haben, stand gerade kein Gitarrist zur Verfügung. Bemerkenswert fand ich, dass die beiden Sängerinnen Umm Edleila Lehzman und Hadhoum Abeid auch gar nicht auf einen Gitarristen

Ansinnen aus einer anderen Welt 249

bestanden haben. In dieser Situation ergab sich für mich die Chance, meine Aufnahmetätigkeit im Sinne eines Experiments zur musikalischen Kognition zu gestalten. Um zu verstehen, wieso dieses trotz eines relativ kurzen Aufenthaltes in den Lagern und gleichsam im Zuge eines Erstkontaktes mit den beiden Sängerin-nen gelingen konnte, bedarf es zunächst einiger Ausführungen über

die Rolle saharauischer Musiker in der world music-Szene, den Westsaharakonflikt, einige Wesenszüge des maurischen Musikverständnisses, die mauretanische Sozialstruktur einerseits und die saharauische

andererseits, und über den Wandel der gesellschaftlichen Rolle der saharauischen Frauen seit

ihrer Vertreibung. Dem spanischen Produzenten und Begründer des CD-Labels nubenegra

Manuel Dominguez gebührt das Verdienst, saharauische Musiken und Musiker einer an der so genannten world music orientierten und interessierten Öffentlich-keit (URL Anderson 2000, Bohlman 2002, URL Byrne 1999) bekannt gemacht zu haben (CDs Sahrauis 1998). Folgerichtig gastierte daraufhin die Gruppe Leyoad, deren Musiker aus den südalgerischen Flüchtlingslagern stammen und teilweise auf den CDs der nubenegra-Anthologie vertreten sind22, 1999 auf Deutschlands größtem Weltmusikfestival (Bohlman 2002: 146-150) im thüringischen Rudolstadt. Diese und andere Auftritte etablierten zusammen mit den Tonträgern, denen 1999 der Preis der Deutschen Schallplattenkritik verliehen worden war, eine bis heute anhaltende Aufmerksamkeitskoalition einschlägiger Festival- und Konzertveranstalter sowie Weltmusik-Magazine. Das deutsche Weltmusik-Magazin Folker kategorisierte seinerzeit die Rudolstadter Konzerte und nicht zuletzt den Tanzworkshop von Leyoad aus den Flüchtlingslagern der West-Sahara als „kulturpolitisch wertvoll“23. Auf diese und andere Weise sollte 22 Umm Edleila Lehzman singt auf der CD3 die Titel LUCHA DE MASAS (Kampf der

Massen, Nr. 3), AAIÚN (Laayoune, Nr. 4), 20 DE MAYO (20. Mai, Nr. 6) und UARGEZIZ (Uargeziz, Nr. 8). Hadhoum Abeid singt auf der CD1 die Titel NUESTROS OJOS (Unsere Augen, Nr. 4), SE ALARGA LA NOCHE (Die Nacht wird lang, Nr. 5), LA NOCHE DEL EXILIO (Die Nacht des Exils, Nr. 13) und BANI (Nr. 15). (CDs Sahrauis 1998). Der Gruppe Leyoad gehörten die beiden Sängerinnen 1999 nicht an.

23 http://www.folker.de/9903/sfr.htm; zuletzt aufgerufen am 22.05.09.

Manfred Bartmann 250

eine möglichst breite Öffentlichkeit von dem Konflikt um die Westsahara (Hodges 1983) erfahren:

Nach dem Rückzug Spaniens aus der Westsahara-Kolonie im Jahre 1975 besetzte Marokko den ökonomisch ergiebigen nördlichen Teil des saharauischen Staates, während Mauretanien das restliche Wüstengebiet besetzte. Algerien als dritte regionale Konfliktpartei stellte sich hinter die neu entstandene Befreiungsbewegung Polisario (Front populaire pour la Libération de Saqia al Hamra et Rio de Oro), welche sich für die politische Eigenständigkeit des ehemaligen Kolonialstaates einsetzte. Seit der gewalt-samen Aneignung des westsaharischen Kolonialgebietes durch Marokko und Mauretanien im Jahre 1976 kommt es regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen um die reichhaltigen Phosphatminen von Buu Craa als wichtigstes politisches und ökonomisches Zentrum der Westsahara. (URL Hunziker 2004: 1).

Die 1973 als Polisario gegründete politische Vertretung der Befreiungs-bewegung proklamierte 1976 die DARS, die Demokratische Arabische Republik Sahara (Zunes 1987). Ihre politische Herrschaft beschränkt sich auf die algerischen Flüchtlingslager (Bhatia 2001). Das ist „eine Republik von Staaten-losen“ (URL medico 2005), in der seit 1976 ein Grossteil der Bevölkerung der ehemaligen Kolonie Westsahara und inzwischen mindestens ebenso viele Nachkommen von Hilfslieferungen leben.24 Mauretanien hat 1979 auf alle territorialen Ansprüche verzichtet. Dadurch, dass Marokko seitdem auch das südliche Drittel der Westsahara besetzt hält, reduziert sich der Konflikt in der öffentlichen Meinung weitgehend auf die wirtschaftlichen und territorialen Interessen Marokkos und der Polisario. Hunziker weist demgegenüber nach, dass weder die koloniale Grenzziehung durch ein Wüstengebiet, in dem nomadi-sierende Bevölkerungsgruppen grenzüberschreitend leben oder gelebt haben, noch das reichhaltige Phosphatvorkommen die Entstehung des Konflikts aus-reichend erklären können, geschweige denn dessen außergewöhnlich lange Fort-dauer (URL Hunziker 2004: 11). Weiter trägt demgegenüber die Einsicht, dass vor allem tiefgreifende kulturel le Differenzen die verbliebenen Hauptparteien trennen:

Der Konflikt zwischen dem marokkanischen Staat und der von der Polisario proklamierten Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) ist

24 Nach internationalem Recht soll ein Referendum über die Zukunft der Westsahara

entscheiden. Weil Marokko daran kein Interesse hat, konnte über die Durch-führungsmodalitäten bislang keine Einigkeit erzielt werden.

Ansinnen aus einer anderen Welt 251

letztlich ein Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Konzeptionen der politischen Herrschaft: dem modernen Territorialstaat mit einer auf Zentralgewalt beruhenden Herrschaft und der segmentären Gesellschaft mit einer auf dem Senioritätsprinzip beruhenden Herrschaft. (URL Hunziker 2004: 12; vgl. dazu auch Zunes 1987: 38).

Die unterschiedlichen Stammesgruppen der Berber und Mauren aus dieser Region fasst man unter dem Sammelbegriff saharauis zusammen (Mercer 1976: 498, Zunes 1987):

Die wichtigsten grenzüberschreitenden berberischen Stammesgruppen im Norden des Konfliktgebietes sind die Reguibats (Rgeibat Regueibat). Im Süden der Westsahara im mauretanischen Grenzgebiet, sind es die Ahl Bàrikalla (Ahel Bàri Kalla) und die arabischen Oulad Delim (Ulad Delim). Es handelt sich bei diesen ethnischen Gruppen im Konfliktgebiet um Mauren [wie man später die berberisch-arabische Mischbevölkerung genannt hat] und Araber, die eine spezifisch politisch-tribale Ordnung haben. Die maurischen Reguibats, welche traditionellerweise die Befreiungs-bewegung der Polisario unterstützen, sind eine Konföderation von Krieger-stämmen, die aus den Charg im Osten und den Sahîl im Westen bestehen. (URL Hunziker 2004: 8).

Pablo San Martín hat in den Flüchtlingslagern den Konstruktionsprozess einer aus diesen Stammeskulturen neu entstandenen, nationalistisch gefärbten saharaui-Subjektivität erforscht. Dadurch gewann er eine Reihe neuer Einblicke in ein dynamisches Wechselspiel zwischen Identität und politischer Gewalt (San Martín 2008):

[...] in order to achieve a better understanding of the Western Sahara conflict, it is necessary to focus on the hegemonic politics developed by both the Frente Polisario and Morocco. It is not only a (military or diplomatic) dispute about the control of the Territory, but a dispute to hegemonise a collective social imaginary about what it is to be Saharawi, who the Saharawis are and who the ‘others’ are that delineate the frontier of ‘our Sahara’. (URL San Martin 2007).

Die saharauis sprechen hassaniya. Dabei handelt es sich um eine arabische Varietät, die sich im 15. und 16. Jahrhundert zusammen mit den jemenitischen Beni-Hassan-Stämmen verbreitet und die in der Region gesprochenen Berber-sprachen fast vollständig ersetzt hat, gleichzeitig aber auch als von der Berber-sprache tamazight (URL Tamazgha 2009) beeinflusst gelten kann. Nicht zuletzt dadurch sticht hassaniya unter den anderen nordafrikanischen Arabischvarianten

Manfred Bartmann 252

hervor. Es gibt mehrere hassaniya-Dialekte, die vor allem in phonetischer Hinsicht verschieden sind. Weil sie der marokkanischen Idee einer „Marokkani-sierung“ der Westsahara widersprechen, sind sie in den besetzten Gebieten verboten (Lippert 1987: 53)25. Dessen ungeachtet wird hassaniya mehrheitlich in der Westsahara, im von dort aus nördlich gelegenen marokkanischen Tarfaya-Streifen, in Mauretanien, aber auch in der Region um Tindouf im südlichen Algerien und in einem kleinen Streifen Malis gesprochen. Die arabisch-berberischstämmigen Volksgruppen dieser Gebiete nennen sich selbst Beni Hassan. Die wissenschaftliche Literatur nennt sie Mauren. Sie fassen die genann-ten Gebiete zu einer einzigen Region zusammen, die sie als ihren angestammten Kulturraum erachten. Der wird allerdings nicht eigentumsrechtlich gedacht. Entscheidend sind nach maurischem Verständnis nicht seine räumlichen, sondern seine funktionalen Grenzen26. Die hassaniya-sprechenden Mauren nennen ihn trab al bidhan („Land der Weißen“)27, im Gegensatz zu bilal al sudan, dem „Land der Schwarzen“.

In musikkultureller Hinsicht ist dem trab al bidhan eine artifiziale Tradition28 gemeinsam, die sich in einer besonderen Art und Weise auf die persisch-arabische Musiktheorie bezieht (Guignard 1975). Die saharauis nennen sie al howl al thaabit 29 oder kurz howl bzw. azawan 30. Dahinter verbirgt sich ein Modalsystem, welches fünf Hauptkomplexe umfasst (Jouad 1994). Die saharauis stellen sie sich als verschieden große Meere vor. Sie gilt es immer in der Reihen- 25 Human Rights Watch berichtet von systematischen Menschenrechtsverletzungen in

den besetzten Gebieten (URL Goldstein et. al. 2008). 26 Mit dem stimmt überein, dass die Landaufteilung „in den traditionellen berberischen

Gesellschaften [...] durch ökologische Faktoren bestimmt [ist] und [...] politisch von der Durchsetzungsmöglichkeit einzelner Verwandtschaftsgruppen definiert [wird]“ (URL Hunziker 2004: 11).

27 Die hassaniya-Region trab al bidhan entspricht weitgehend dem schon erwähnten tamazgha-Gebiet, einem Konstrukt, dem sich die meisten nordafrikanischen Berber-stämme zuordnen. Anders als bei dem Neologismus tamazgha handelt es sich bei trab al bidhan allerdings um eine historisch belegte, emische Bezeichnung, die nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern viele weitere gemeinsame Kulturelemente umfasst.

28 Über die verschiedenen anderen Stammes- und Volksmusiktraditionen dieser Region ist bisher kaum gearbeitet worden.

29 Wörtlich etwa: Das festgelegte Rundherum (Übersetzung durch den Autor). Bakk. phil. Mehrenegar Rostami (Universität Salzburg) gebührt Dank für ihre wertvolle Hilfe bei dieser und bei anderen Übersetzungen.

30 Azawan dürfte eines jener Wörter berberischen Ursprungs sein, die die Beni Hassan in ihre Sprache übernommen haben.

Ansinnen aus einer anderen Welt 253

folge karr, faagu, lakhal, labyad und lebtayt zu „befahren“31, womit – wie in vielen Maqamkulturen – das oft freirhythmische Ausmusizieren modaler Enti-täten gemeint ist, die an verschiedenen Orten eines Skala-Melodie-Kontinuums liegen können (Bartmann 2005: 106-109):

The individual modes [...] are differentiated from each other by stressing certain degrees of the scale, adding particular ornaments or notes, or emphasizing specific intervals. A distinction is made between lakhal ('black') modes, in which importance is given to degrees forming dissonant intervals with the tonic, and labyad ('white') modes, which have simpler modal structures, and in which all the degrees of the scale are equally important. 'Blackness' renders the ethos of a modal group more forceful and tense, while 'whiteness' softens and embellishes it. Thus 'black' faagu [...] incites to combat; while 'white' faagu [...] incites to dance32. (Guignard 2001: 158).

Ein jedes dieser Meere hat ein eigenes Ethos. In Mauretanien assoziiert man mit labyad traurige und mit lebtayt nostalgische Gefühle (Guignard 2001: 158). Der Gitarrist Ali Farka Touré (1939-2006) aus Mali pflegte gerne im Modus lebtayt zu musizieren (CD Farka Touré 1994). Faagu ist mir bei den saharauis vor allem als ein Meer der Tänze begegnet (Bay2 Bartmann 2002). Karr wird häufig verwendet, um den Propheten zu lobpreisen, generell um religiöse Ge-dichte zu vertonen. Dieser Modus bringt Freude und Fröhlichkeit zum Aus-druck. Der Modus lakhal bleibt in zunehmendem Maße der Interpretation von Musiken des Nahen Ostens vorbehalten, die als „modern“ empfunden werden. Nachzutragen bleibt, dass es zwischen den weißen und schwarzen Modi noch eine Reihe von Zwischenstufen33 gibt:

When a musician performs a modal group, he must always move from blackness to whiteness: he begins with an introduction, which is typically black and whose rhythm is generally not measured; then he plays a series of eswaar (measured pieces) that mix in various proportions black, white and zzraag ('spotted') melodic formulae. At the end, he plays an introduction to the white mode; the pieces that follow must be entirely white. This

31 CD Ensemble El-Moukhadrami 1994/2000, DVD Bissot 1999, CD Aïcha Mint

Chighaly 1997, CD Griots de Mauritanie 2000, CD Starry Nights 2003. 32 Für den Modus faagu zeigt Guignard die musikalischen Unterschiede zwischen

'blackness' und 'whiteness' an Hand zweier leicht zugänglicher Notenbeispiele (Guignard 2001: 158).

33 Charles Duvelle fasst die Wege und Modi des maurischen howl-Systems übersichtlich in einer Tabelle zusammen (Duvelle 2000: 12).

Manfred Bartmann 254

sequence will allow for omissions, but never for a reversal of order. (Guignard 2001: 158).

In Mauretanien bleibt die Ausübung dieser artifizialen Tradition Berufs-

musikern vorbehalten, die

eine eigene Kaste bilden. Diese Musiker, Männer wie Frauen, die griot be-ziehungsweise griotte (mauretanisch iggiw bzw. tigiwit) genannt werden, überliefern auf mündlichem Wege in ihren Familien von einer Generation zur anderen die Techniken und Kenntnisse ihres Berufes, besonders die des Instrumentalspiels und die Regeln und Feinheiten ihrer Kunst, die sich auf eine sehr komplexe theoretische Grundlage stützt. (Duvelle 1983: 174).

Collaer und Elsner beschreiben „die Position der griots als merkwürdig ambivalent. Sie werden einerseits gebraucht und andererseits gemieden. Sie gehören zum Status der Herrscher der dominierenden Kriegerstämme, in deren Gefolge sie auf großem Fuße leben, nehmen zugleich aber einen sehr niedrigen Rang ein.“ (Collaer/Elsner 1983: 13). Boehm hat in Mauretanien beobachtet, dass sich in letzter Zeit hier und da Außenseiter der Musikerkaste anschließen konnten. Dies betrifft besonders einige gor-djigène, die der an sich sozial geächteten Randgruppe der „Mann-Frauen“ zugeordnet werden. Boehm führt dieses Phänomen darauf zurück, dass den griots traditionellerweise seit jeher auch ein „unverschämtes Auftreten“ sowohl zugeschrieben als auch zugestanden wurde:

Bei den Versuchen, die griots zu beschreiben, tauchen häufig die Bezeichnungen „Chronist“, „Spielmann“, „Unterhaltungskünstler“, „Musi-ker“, „Dichter“ und „Genealog“ auf. Tatsächlich erfüllt der griot zahlreiche Aufgaben als Vermittler, Redner, Unterhalter, wandelnde Chronik. Mit seinem Gesang benennt er auch sonst nicht ausgesprochene Missstände und dient als gesellschaftliches Ventil. Und schliesslich gilt die Musikerfigur in ihrem Auftreten häufig auch als Beispiel für ein eigenwilliges und nicht angepasstes Gesellschaftsmitglied, eine Negativfigur, von der man sich abgrenzen muss. Dieses Bild des griots liegt in seinem Privileg begründet, im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Gesellschaft Emotionen durch Musik, Sprache und Mimik auszudrücken. Griots brechen Tabus, erzählen Obszönitäten und sind nicht zu Ehrerweisungen verpflichtet. Aufgrund ihrer sozialen Stellung werden sie denn auch verachtet, gefürchtet und verehrt. Denn durch die Freiheit des Ausdrucks verfügen die griots über eine gewisse Macht, über Reichtum und über Zugang zu wichtigen Leuten (URL Boehm 2007: 66).

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In Mauretanien basieren alle sozialen Beziehungen auf einer strengen Hierarchie, die sowohl sozial als auch ethnisch begründet wird. Mauren unter-scheiden einen freien von einem unterwürfigen Status. Der Reihe nach: Zum bidhanischen Adel zählen die Krieger und die Erben der religiösen Mauren der Almoraviden (El Hamel 1999), die auch marabouts genannt werden. Die Nachkommen der seinerzeit von den Arabern besiegten Berber folgen ihnen im Status. Sie sind dem Adel tributpflichtig, gehören aber ebenfalls zur Elite. Die Handwerker bilden eine eigene Kaste, die der der griots gleichgestellt ist (URL Bidhan 2009). Am Ende der Hierarchie stehen die Sklaven (Mercer 1982, El Hamel 1999: 64-65)34.

Demgegenüber haben die saharauis die maurische Sozialstruktur und deren Hierarchien, wie sie die mauretanische Gesellschaft noch widerspiegelt, weit-gehend überwunden. Die Polisario betreibt „in den Lagern ein Regime, das in vielen Aspekten durchaus 'auf der Höhe der Zeit' ist: Religiöser Fundamen-talismus ist ihnen fremd, der Glaube Privatsache, bei Scheidungen behält die Frau das Zelt, Mädchen und Jungen werden zusammen unterrichtet.“ (URL medico 2005).

There is no formal ideological education in the schools. Pure ideology appears to be foreign to these traditionally nomadic people who for centuries have rallied behind the desire to be free. The Sahrawis have never known dictatorship. Unlike their neighbors to the north and south, they have never had an emir. According to a Sahrawi historian, this tradition of independence led to perhaps the lowest level of collaboration with colonial authorities of any country in Africa or the Arab world. With the exception

34 Die Institution der Knechtschaft blieb auch noch nach der Unabhängigkeit (1960)

weitgehend akzeptiert (URL Bidhan 2009). Zumindest in verdeckter Form gibt es sie immer noch (Bales 1999, URL HRW Mauritania 1991; vgl. auch http://report2009.amnesty.org/en/regions/africa/mauritania; zuletzt aufgerufen am 16.08.09):

Der mauretanische Staat hat die Sklaverei schon oft abgeschafft, zuletzt 1980. Die Regierung gibt zu, dass Hunderttausende „Ex-Sklaven“ [haratin, Mercer 1982] unbezahlte Arbeit gegen Kleidung und Nahrung leisten, leugnet aber, dass es sich um Sklaverei handelt. Die Sklavenhalter argumentieren, ihre Sklaven seien gar keine richtigen Sklaven, sondern eine Art Pfand für die Entschädigung, die ihnen die Regierung nach dem Gesetz von 1980 noch schuldet. Wo ehemalige Sklaven heute in der Lage sind, ein Stück Land zu bestellen, versuchen viele Sklavenhalter, es wieder an sich zu reißen, weil sie befürchten, eine zukünftige Regierung könnte das Gesetz von 1980 tatsächlich in die Praxis umsetzen. Noch nie ist ein Sklavenhalter bestraft worden. (URL Stickley 1999).

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of colonial periods, the Sahrawis have never known long-term domination from above in a political sense. (Zunes 1987: 39).

Zunes beschreibt die Besonderheiten der saharauischen Elite wie folgt:

Within an Islamic context, the Polisario espouses a kind of indigenous socialism. The Polisario has eliminated slavery, [...] and has announced its intention to nationalize the mines. The movement has declined to identify itself as Marxist, however, saying that the ideological direction of the nation is up to the Sahrawis themselves, not to a vanguard party. Many observers identify the Polisario with the early FRELIMO35 in Mozambique or with the nationalism of Amilcar Cabral and the PAIGC36 in Guinea-Bissau. Yet, Polisario claims that whatever its inspiration from other African revolutionary movements, the Sahrawi experiment is indeed unique. The Polisario's radically decentralized system of governance and its participatory democratic structure is in sharp contrast to Marxist-Leninist models favored by many other Third World nationalist movements. The radical decentralization of Polisario internal administration is an example of how the Sahrawis take a very different attitude towards government. If the goal is control, centralism is clearly preferable. However, if the real interest is in popular self-governance-especially by working in small groups using decision-making by consen[s]us, then there is a clear advantage to decentralism. This is the Polisario's preferred model. (Zunes 1987: 38).

Die Polisario hat die Ideen anderer Befreiungsbewegungen „in die Realität der sahrauischen Feudalgesellschaft“ übersetzt. Demzufolge galt es, „zuallererst [...] [den] Tribalismus zu zerschlagen, die überkommene Stammesgesellschaft“ (URL medico 2005). Dazu gehören Sklaverei und Knechtschaft, wofür sich mir im Jahre 2001 anlässlich meines Besuches in den Flüchtlingslagern auch keine Anhaltspunkte ergeben haben, obwohl ich schon 1999 für dieses Thema sensi-bilisiert worden war:

Die 1999 in Rudolstadt gastierende saharauische Gruppe Leyoad verbrachte ihre Freizeit geschlechtergetrennt. Es bot sich an, mit den Männern einen Festi-valrundgang zu unternehmen. Auf der großen Heineparkbühne, die viel größer ist als jene Bühnen, auf denen Leyoad aufgetreten war, absolvierte der berühmte senegalesische Sänger Baaba Maal, der inzwischen schon über 15 Alben veröf-fentlicht hat, mit seiner virtuosen Band und seinen versierten Tänzerinnen und Tänzern einen grandiosen Auftritt, dem ich meinen Beifall zollte. Zu meinem Erstaunen äußerte einer der Leyoad-Musiker dafür Unverständnis. Für ihn war 35 FRELIMO steht für „Frente de Libertação de Moçambique“. 36 PAIGC steht für „Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde“.

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das die Musik eines Sklaven, die keine besondere Aufmerksamkeit oder gar Wert-schätzung verdiente. Inzwischen hat Human Rights Watch sowohl in den Flücht-lingslagern als auch in den besetzten Gebieten Anhaltspunkte dafür zusammen-getragen, dass solche Denkweisen noch keineswegs als überwunden anzusehen sind.37

In den Flüchtlingslagern fällt auf, dass die saharauischen Frauen in diesem dezentralisierten Herrschaftssystem eine besondere Rolle spielen, die sich längst auch – wie gezeigt werden wird – auf die musikalische Praxis des howl-Systems ausgewirkt hat. Dieser Wandel hängt auch damit zusammen, dass es bei den saharauis keine griots mehr gibt. Wie alle anderen Kasten, hat die Polisario auch die Musikerkaste abgeschafft. Jedem ist erlaubt, zu musizieren, wenngleich die saharauische Gitarre (Bay2 Bartmann 2002) genau wie ehedem die Binnen-spießlaute tidinit (Elsner 1983) immer noch den Männern vorbehalten bleibt. Frauen trommeln, klatschen, steuern Zungentriller bei (Bartmann 1994: 273-320) und singen. Ein Großteil ihrer Lieder handelt vom Exodus und vom Exil, kreist um ihren Kampf um Unabhängigkeit (CDs Sahrauis 1998). Anne Lippert resümiert:

Women's participation in the Sahrawi liberation struggle is rooted in both written and oral traditions. Their role has expanded in the current struggle, as leaders of the Polisario Front – in an effort to erase the effects of Spanish colonialism on urban Sahrawis and to enlarge the roles of Sahrawi nomadic women – have given women access to education and on-the-job admini-strative and skill training. (Lippert 1992: 651).

37 Human Rights Watch hat im Dezember 2008 einen 216seitigen Bericht vorgelegt, der

sich zu gleichen Teilen mit der Situation in der von Marokko besetzten Westsahara und mit der in den algerischen Flüchtlingslagern auseinandersetzt:

In sum, credible sources testified to Human Rights Watch about vestiges of slavery that continue to affect the lives of a portion of the black minority in the Tindouf camps. The practices involve historical ties between families that involve certain rights and obligations that are not always clear. Being a slave does not necessarily preclude enjoying freedom of movement. The issue of slavery in the Tindouf camps deserves closer scrutiny than Human Rights Watch has been able to undertake. It bears mentioning that Sahrawis in the Moroccan-controlled Western Sahara told us that residual practices of slavery can be found there, as well. Responding to questions about slavery, the Polisario has acknowledged the survival, „to a limited extent, of certain practices related to antiquated thinking“ and said it was „determined to combat and eradicate them whenever they emerge and no matter what shape they take.“ We welcome this statement and urge the Polisario to be vigilant in pursuing this objective. (URL Van Esveld et. al. 2008: 151).

Manfred Bartmann 258

Lippert hat saharauische Frauen 1977, 1978, 1981 und 1987 in den algeri-schen Flüchtlingslagern zum Wandel ihrer gesellschaftlichen Rollen befragt:

When Sahrawi women state that the Polisario Front has educated them, they mean it literally. The Front began clandestine schools for women just after its founding in 1973. Schooling for women has continued to be a priority over the years because the liberation/education of the Sahrawi women has been a key Polisario strategy to achieve societal cohesion among the several tribal groups and across al age-groups. (Lippert 1992: 650).

Dazu muss gesagt werden, dass diese Polisario-Strategie an ein traditionelles Rollenverständnis anknüpfen konnte:

In traditional Sahrawi life, as in similar nomadic traditions, women exercised real power and played a dominant role in the camp as well as in the tent; according to Sahrawi informants, this did not continue in Sahrawi towns because of Spanish cultural influence. These informants believed women's power endured in nomadic life because it implicitly and explicitly supported Sahrawi resistance to external Islamic and Western forces. In traditional Sahrawi society Sahrawi women could inherit property and could subsist independently of fathers, brothers, and husbands. Women were valued by Sahrawi tribes - among which monogamy was the rule - for their importance in establishing alliances through marriage, within and across tribes. The traditional nomadic Sahrawi woman ruled the tent and played a major role in the tribal education of her children. She also wore no face veil and had great personal freedom within the tribal encampment, whose open tents were conducive to easy converse among men and women. Women had full responsibility for the camp during the frequent absences of the men for warring and trading. They were responsible for making, repairing and moving the tents; for milking goats and camels; and for participating in major tribal decisions, including those concerning Koranic schooling for male and female children. Names of women Koranic teachers, marabouts (mystic holy leaders), traditional healers, and scholars are part of the Sahrawi oral heritage. (Lippert 1992: 638-639).

Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, hatte ich im Rahmen einer von der

deutschen Hilfsorganisation medico international 38 organisierten Informations- 38 Vier Jahre später sah sich medico gezwungen, „aus einem von der Europäischen Union

finanzierten Unterstützungsprogramm für die Westsahara“ auszusteigen: Der Grund hierfür war, dass die Konflikte zwischen dem Finanzier in Brüssel und den politischen Verantwortlichen in den sahrauischen Flüchtlingslagern derart angewachsen waren, dass uns ein verantwort-licher Umgang mit Hilfe nicht mehr möglich erschien. (URL medico 2006: 23).

Ansinnen aus einer anderen Welt 259

reise im Juni 2001 Gelegenheit, die beiden saharauischen Sängerinnen Umm Edleila Lehzman und Hadhoum Abeid über ihre Parts im Rahmen einer howl-Session zu befragen.

Zu der Zeit verfügte ich bereits über verschiedene sowohl video- als auch audiographierte Interviews mit einigen Gitarristen, die mir das howl-System anhand ihrer speziell gestimmten spanischen oder elektrischen und dadurch letztlich „saharauischen“ Gitarren Schritt für Schritt erklärt hatten. Dabei war mir aufgefallen, dass sie die g*-Saite ihrer auf einen offenen E-Akkord (e-h-e-g*-h-e) gestimmten Gitarre von einem Modus zum nächsten systematisch einen Viertelton tiefer stimmen. Dadurch stehen auf jeder herkömmlichen Gitarre die für den jeweiligen Modus typischen Intervalle zur Verfügung (Bay2 Bartmann 2002). Um einen Modus für andere Eingeweihte erkennbar darzustellen, sind die sich durch das systematische „Verstimmen“ ergebenden Viertelton-Intervalle allerdings weniger von Belang. Viel wichtiger sind be-stimmte Spielfiguren und vor allem einige sehr ausgefeilte Spielmanieren der Zupfhand. Diese Techniken erlauben Tonkaskaden, die so schnell gespielt werden, dass sie vor allem klangfarbliche Wirkungen entfalten, die wiederum als typisch für den jeweiligen Modus empfunden werden.

Vor diesem Hintergrund wollte ich herausfinden, in welcher Form die Sängerinnen das Skalensystem memorieren und woran sie sich dabei orientieren. Letztlich ging es mir darum, jene musikalischen Fähigkeiten näher zu bestimmen, die gemeinhin den mauretanischen griots zugeschrieben werden (CD Aïcha Mint Chighaly 1997, DVD Bissot 1999):

Ein maurisches Konzert beginnt fast immer mit einer Art instrumentaler Einleitung, in deren Verlauf die griots die Stimmung der Instrumente korrigieren, indem sie den „Modus“ aufnehmen und auf seinen verschie-denen Stufen spielen, um sich und die Zuhörer in die Stimmung des

Vorher hatte medico fast 30 Jahre lang Nahrungsmittel und Medikamente geliefert, um darüber die Selbstverwaltungsstrukturen der Lager zu stärken. Im Jahre 2005 musste medico schließlich feststellen:

Eine zweite Generation Sahrauis wächst als Flüchtlinge heran. Für die sahrauische Lagerverwaltung wird die Distribution der Hilfe zum einzigen Bereich, in dem sie am Zug bleibt. Die ganz real existierende Bürokratie einer virtuellen Staatlichkeit beharrt auf ihrem Machtmonopol. Die Elendsverwaltung umfasst Elemente repressiver Herrschaft, bestimmt über den Nahrungsmittelbedarf ihrer Staatsbürger in spe, über die Auslandsreisen, das Studium in Kuba. Auf den umliegenden Märkten in Algerien und Mauretanien tauchen vermehrt Hilfsgüter auf. (URL medico 2005).

Manfred Bartmann 260

gewählten „Modus“ zu versetzen. Während der Einleitungsphase bereitet sich der griot, der singen muss, oft dadurch vor, dass er einige melodische Wendungen andeutet, und besonders dadurch, dass er den ersten Ton, der der ersten Stufe des „Modus“ entspricht, repetiert. Dann beginnt der Gesang im eigentlichen Sinne: Die Stimme führt eine Melodie im freien Rhythmus mit instrumentaler Begleitung aus, die vom Sänger selbst oder von anderen griots gespielt wird. Zu diesem Zeitpunkt des maurischen Konzerts steht die Singstimme im Mittelpunkt des musikalischen Interesses; manchmal wechseln sich mehrere Solisten untereinander ab. (Duvell 1983: 174).

Auf das Abenteuer, alle Modi des al howl al thaabit auch ohne die

Unterstützung einer Gitarre sicher anzusingen und im weiteren Verlauf einem offensichtlich immer noch nicht in ausreichendem Maße eingeweihten Forscher gleichsam musikalisch aktiv zu „erläutern“, konnten sich die beiden Sängerinnen nicht zuletzt deshalb ohne Umschweife einlassen, weil viele Frauen des trab al bidhan sowohl nach ihrem traditionell maurischen (Lippert 1992: 638-639) als auch nach ihrem politischen Verständnis im Sinne der Polisario-„Nicht-Ideologie“ (Zunes 1987) seit jeher in ihren jeweiligen Umfeldern als bedeutende Kulturträger und vor allem -vermittlerinnen fungiert haben.39 Zugute kam mir dieser kulturell verwurzelte Vermittlerstatus immer besonders dann, wenn Umm Edleila Lehzman und Hadhoum Abeid sich über meine seltsamen Fragen wundern mussten. Das konnte ich daran ermessen, dass die beiden einander dann fragend ansahen, sich kurz besprachen, um mir daraufhin neue Zugänge zu einem tieferen musikalischen Verständnis anzubieten.

Nicht zuletzt allerdings hat zur erfolgreichen Durchführung meines Vorha-bens beigetragen, dass Nadjat Hamdi, die Vertreterin der Polisario in Österreich („Jeder Tag, den wir in den Flüchtlingslagern verbringen, ist ein verlorener Tag“), wusste, dass ich mich für saharauische Musiktraditionen interessiere. Nadjat hat meine Gruppe daraufhin gleich bei unserer Ankunft im wilaya Smara mit der etwa 40jährigen Umm Edleila Lehzman bekannt gemacht. Umm Edleila hat uns daraufhin ohne Umschweife eingeladen, für die Dauer unseres Aufent-halts zusammen mit ihrer großen Familie in deren großen Nomadenzelten zu 39 El Hamel bescheinigt den maurischen Frauen diese Rollen schon für das 14.

Jahrhundert. Dabei bezieht er sich auf den berberischen Forschungsreisenden Ibn Battuta (geb. 1304, gest. 1368 oder 1377), dessen zumindest teilweise frei erfundenen Reiseberichte er als einen „eye-witness account“ ansieht, so in seinem Kapitel „The place of women in the education system“ (El Hamel 1999: 74-76). Das ist – um das Mindeste zu sagen – quellenkritisch nicht immer zweifelsfrei nachvollziehbar.

Ansinnen aus einer anderen Welt 261

wohnen. Schnell sollte sich herausstellen, dass Umm Edleila mit der etwa gleich-altrigen Hadhoum Abeid befreundet war. Nachdem Umm Edleila verbreitet hatte, ich sei ein Musikforscher, der sich auf Spanisch gut verständigen kann, durfte ich mich außerdem aus dem für alle Besucher verbindlichen Besich-tigungs- und Veranstaltungsmarathon ausklinken und mich frei im wilaya be-wegen. Allerdings musste seitens der Polisario Ahmed Salem unserem kleinen Experiment zur musikalischen Kognition beiwohnen. Er stellte sich als Umm Edleilas Bruder heraus. Mein Experiment hat er kaum beeinflusst, geschweige denn gestört. Wir haben einfach akzeptiert, dass er sich seiner Rolle entsprechend hin und wieder zu Wort melden musste, um einschlägige politische Statements in mein Mikrofon zu sprechen.

Wenngleich einer detaillierten Auswertung dieses Experiments hier nicht vorgegriffen werden soll, die außerdem den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, so bleibt jetzt schon festzuhalten, dass Umm Edleila Lehzman und Hadhoum Abeid nicht nur über ein traditionelles Repertoire, sondern auch über fundierte howl-Kenntnisse verfügen, die weit über jenes Frauengenre hinaus-gehen, das Elsner in Mauretanien „neben der Hochkunst der griots“ verortet:

Neben der Hochkunst der griots existieren in Mauretanien Gesänge, die die Frauen der adligen Kasten und ihrer Vasallen für sich allein zur Unter-haltung ausführen. Sie begleiten sich dabei auf Schlaginstrumenten. Stilistisch und tonalmelodisch stehen manche dieser Gesänge der professionellen Musik nahe, auch wenn sie nicht in gleicher Weise ausge-arbeitet sind und oft nur einzelne Melodiezeilen stetig wiederholen. (Elsner 1997: Sp. 226).

Nachzutragen bleibt, dass die besondere Situation der DARS als eine gleich-sam virtuelle „Republik aus Staatenlosen“ den saharauischen howl-Ausdrucks-formen wenn überhaupt, nur in begrenztem Maße Nachwuchsmusiker beschert. Auch Musiker müssen sich in den Lagern der allgemeinen „Flüchtlings- und Lagerökonomie des Nichtstuns fügen, einige flüchten nach Europa.“ (URL medico 2005). Während medico international schon 2005 nicht mehr bereit war, zu einer „allein technischen Abwicklung und Überwachung einer Hilfe ohne absehbare Chance auf Beseitigung ihrer Ursachen, zur Aufrechterhaltung einer immerwährenden Lagerhaltung für Flüchtlinge“ beizutragen, kurz gesagt: nicht mehr den „humanitären Ausputzer“ spielen wollte (URL medico 2005), ruft die spanische Plattenfirma nubenegra inzwischen dazu auf, den saharauis „vergessene“

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Gitarren zu spenden, ganz im Sinne einer musikalischen „Entwicklungshilfe“40 zur Förderung eines saharauischen Denkens auf spanischen und auf anderen Gitarren (Bay2 Bartmann 2002). Abzuwarten bleibt, ob diese Aktion die strikte Geschlechtertrennung, die im saharauischen Musikleben wie überall im trab al bidhan zu beobachten ist, verfestigen wird oder in verstärktem Maße auch saharauische Frauen ermutigt bzw. ihnen erlaubt, sich dieser Instrumente anzu-nehmen. t f f -Rudols tadt-Workshop 2005: Enver Izmaylov aus Usbekis tan zwischen world music , Magic eGui tar und e iner Instrumenten-kunde nach Hornboste l /Sachs . Tab. Spalte 6 (Rudolstadt/ Breitbarth).

Das Kürzel tff steht für „Tanz&Folk Fest“, wobei unter „Folk“ die Musik des Folkrevivals gemeint ist. Dieses nahm in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA seinen Anfang (Cantwell 1996). Inzwischen ist der Begriff besonders

gebräuchlich [...] für Musik, die sich auf englische, schottische, irische, nordamerikanische, französische oder skandinavische Volksmusik stützt. Seit den 1960er Jahren wird die Bezeichnung Folkmusik allerdings unabhängig vom englischen Sprachraum für jedwede Kategorisierung von Musik verwendet, die ihren Ausgangspunkt in der Volksmusik der jeweiligen Herkunftsländer hat [...]. Der Begriff hat sich seit den 1970er Jahren auch für die moderne Folklore-Bewegung in Deutschland etabliert. Als Bestandteil der modernen Populärkultur grenzt sich Folk von volkstüm-licher Musik und Weltmusik ab. (URL Folk 2009).

Demgegenüber möchte Bohlman dieses Genre der world music unterordnen.

Er hält folk music für die original world music, sogar für die erste world music (Bohlman 2002: 69, 70). Wie gezeigt werden wird, ist das im weitesten Sinne 40 [...] es urgente formar una nueva generación de guitarristas que puedan hacer más

llevadera la larga espera en los confines del desierto, aportando energías renovadas a esa lucha por recuperar la tierra usurpada. Sólo pedimos UNA GUITARRA PARA EL SAHARA. Si tienes alguna guitarra, que descansa en tu almacén tras largos años de servicio, y crees que en manos de un saharaui puede volver a sonar con ímpetu reno-vado, nosotros nos comprometemos a ponérsela en sus manos. (http://www.nubenegra.com/; zuletzt aufgerufen am 21.08.09).

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keineswegs abwegig, zumal im kulturanthropologischen Sinne beide als Revitali-sationsbewegungen (Wallace 1956, 1968; Weiss 1988) anzusehen sind:

The folk revival ... was never really a movement that started with the folk; it was a top-down movement all along, and indeed the top started with the saints and followed a trajectory toward a middle- and lower-upper class constituted of college students and upwardly mobile leftists during an age of expanding mass communication (Bohlman 1998: 94).

Wie schon die begeisterten folk-music-Experten, so lassen auch world-music-

Enthusiasten im Seifertschen Sinne bekenntnishafte, ästhetisch-genießerische und gewollte Haltungen erkennen (Seifert 1997). Um letzteres zu bekräftigen, sieht sich auch diese Bewegung veranlasst, sich hin und wieder zu erneuern. Zumindest nach außen hin, denn zumeist betreffen solche „Erneuerungen“ ledig-lich Äußerlichkeiten. So hat das alljährliche „Tanz&Folk Fest Rudolstadt“ seine 13. Ausgabe im Jahre 2003 plötzlich als „tff-Rudolstadt“ angekündigt. „Folk“ sollte nur noch abgekürzt und nicht mehr explizit im Festivalnamen auftauchen. Auf den ersten Seiten des Programmhefts sah sich der künstlerische Leiter genötigt darauf hin zu weisen („irgendwann ist man es einfach leid“), das Festival sei „keinesfalls so verschnarcht und volkstümelnd, wie manche denken“.41

Damit folgte die Festivalleitung einem Trend, der sich schon lange vorher abgezeichnet hatte. Das Folk Roots Magazine (Untertitel: Local Music From Out There), in dem die 1979 von dem englischen Folkmusiker Ian Anderson gegrün-dete englische Zeitschrift Southern Rag aufgegangen war, war schon 1998 in fROOTS umbenannt worden. Der Untertitel wurde beibehalten, allerdings versteht man sich seitdem als The essential worldwide roots music guide. Noch im Jahre 2000 trieben den renommierten englischen Musikjournalisten Colin Irwin darin große Sorgen um: „the silent majority still equates folk music with Aran jumpers for the great and the good.“ Irwin brannte darauf, ein Meer von 41 Bernard Hanneken in: tff Rudolstadt 2003. Das komplette Programm. 176 Seiten.

Rudolstadt 2003: Stadt Rudolstadt/Kulturdezernat, S. 6. Ich besuche das Rudolstadt-festival -von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen- seit 1995 regelmäßig. Vom 05.-08.07.2000 habe ich aktiv an dem festivalbegleitenden International Symposium FOLK MUSIC IN PUBLIC PERFORMANCE teilgenommen (World Of Music 2+3/2001). Daraus ist sowohl eine Rundfunksendung (DLR Bartmann 2000b), als auch ein Aufsatz (Bartmann 2001b) entstanden. Mir ist in all den Jahren niemand begegnet oder aufgefallen, der die regelmäßigen folk-orientierten Festivalbeiträge, vor allem diejenigen, die das englische Folkrevival beigesteuert hat und immer noch beisteuert, als „verschnarcht und [/oder] volkstümelnd“ empfunden hätte.

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Vorurteilen, eine „sea of ill-conceived prejudice bought lock stock and barrel by the mass of the populace“ ad absurdum zu führen (Irwin 2000: 21). Diesbe-züglich verortet Irwin die westirischen Aran Islands gleichsam inmitten schreck-licher, gefährlicher Untiefen. Das kann nur nachvollziehen, wem geläufig ist, dass die dort gestrickten Pullover neben anderen Klischees vor etwa 30 Jahren irgendwann zu einem Symbol für vermeintlich rückständige Folkmusiker und deren Musiken geworden sind:

Cover your ears, children, I am going to utter two of the most abused, emotive, misunderstood words in the English language. Brace yourselves [...] Folk Music [...] Instantly a cacophony of curious images flash across the pages like subliminal nightmares: Aran jumpers, pewter mugs, morris men playing with their bells, fingers trapped in ears and voices that spurt erratically through the nose, beards' n' beerguts, 75-verse ballads about obscure ancient battles, pimply earnest youths singing to their navels. The clichés are endless, the ignorance mind boggling, but that's the nature of the beast. (Irwin 2000: 21; zit. n. Bartmann 2001b: 193-194).

Dass der Zeitgeist diese erdrückende Ansammlung von Klischees innerhalb

weniger Jahre hervorgebracht und dem Musikgenre folk dadurch ein so nachhaltiges Imageproblem beschert haben soll, vermag ich bis heute nicht nachzuvollziehen. Die Intensität, die aus Irwins Zeilen spricht, lässt eher an Autostereotypisierungen denken. Die werden vor dem Hintergrund, dass Irwin das englische und irische Folkrevival schon in 70er und 80er Jahren als assistant editor der einflussreichen englischen Wochenzeitung Melody Maker maßgeblich begleitet hat, verständlicher. Irwin ist selbst ein ausgewiesener folkie, vor allem auch seinem Selbstverständnis nach. Seinen Sohn Christy hat er nach dem berühmten irischen Sänger Christy Moore benannt. Irwins überzeichnete Bilder beruhen also auf Innenansichten. Die sieht er einerseits als dringend erneuerungsbedürftig an, andererseits möchte er sich in dieser Form von ihnen abgrenzen. Solche Ambivalenzen sind typisch für Revitalisationsbewegungen, die immer auch eine sich verselbständigende und dadurch verzerrende Dynamik entfalten. In diesen Befund gehört auch, dass weitreichende sowohl Hetero- als auch Autostereotypisierungen vorgenommen werden müssen, um Bemühungen um eine Erneuerung vor einem solchen Hintergrund umso naheliegender er-scheinen zu lassen.

Ein Jahr vor Irwins Beschwörungen eines Abwehrzaubers gegen vermeintliche subliminal nightmares hatte sich der britische Ethnomusikologe Jonathan Stock noch bemüht, mit britischen Folkbegeisterten in einen Dialog einzutreten. Via

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Internet ist sein lesenswerter Artikel immer noch abrufbar. Aus heutiger Sicht ist er umso bemerkenswerter, als dass Stock darin nicht dem „British folk music enthusiast and collector“ (URL Stock 1999) ein Imageproblem zuschreibt, sondern der Ethnomusikologie:

Ethnomusicology has an image problem. Insofar as anyone has heard of ethnomusicologists at all, there is a fairly common feeling (and not unjustified, bearing in mind what ethnomusicologists collectively seem to do) that ethnomusicology is, exclusively, the study of non-Western musics. Actually, this isn't so. Ethnomusicologists study Western traditions also. (URL Stock 1999).

Alles in allem handelt es sich bei all diesen vermeintlich erdrückenden

Vorurteilen um letztlich wirklich ernst gemeinte Konstrukte, die eine bewusste Hinwendung zu etwas vermeintlich Neuem motivieren und vor allem legiti-mieren helfen müssen. Demzufolge haben wir es auch hier weniger mit einem Imageproblem einer musikologischen Fachrichtung oder der des Folk-Genres zu tun, sondern mit diesbezüglich gewollten Haltungen, die wiederum bestätigt werden wollen. Damit gehen Vorstrukturen des Verstehens einher, über die Stock schon vor 10 Jahren mit den folk music experts ins Gespräch kommen wollte:

My impression is that folk music enthusiasts might argue that the ethnomusicologist's priorities need to be reversed. [...] ethnomusicologists have a bit of a problem with the idea of 'the music itself', in that we know 'music' is not the same thing everywhere around the world. [...] I imagine the folk music experts are more confident that they know what music is, and, as a result, would tend to see some ethnomusicological enquiry into musical processes and concepts as peripheral. [...] Ethnomusicological research often (at least in theory - less often in practice) tends away from the explicitly evaluative. Insofar as songs or musicians are criticised, it is from the perspectives of those who perform and sustain this music. [...] as a cultural 'insider', the folk scholar presumably feels more comfortable in offering personal (and often informed) views in such instances. Ethno-musicological relativism may seem admirably even-handed but also somewhat distancing. Musical enthusiasm and communicative passion are hard to reconcile with a discipline that rather passes the interpretative buck. (URL Stock 1999).

Der englische Folkmusiker, Journalist und fROOTS-Herausgeber Ian Anderson distanziert sich ausdrücklich von wissenschaftlichen Sicht- und Heran-gehensweisen. Er verweist auf verschiedene underground-orientierte Zugänge, die

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ihm seinerzeit offen standen und ihn weit stärker angesprochen haben als etwa unsere Wissenschaft:

As I wasn't too bright or motivated, I didn't go to university and thus grew a deep mistrust of people who used terms like 'ethnomusicology' and 'anthropology'. But there were other underground routes to worldly delights. The American magazine Sing Out! was one. I first heard Bai Konte's kora on one of their flexi-discs in the '70s, little imagining that I'd one day visit his home and work with his son. At the beginning of the '80s things gradually started to get better. The information revolution was growing and the world was getting smaller. (URL Anderson 2000: 2).

Anderson denkt, dass der Punk-Rock, der Mitte der 1970er Jahre auch in

London zusammen mit der Subkultur des Punk aufgekommen war, der englischen Folkszene das Wasser abgraben konnte, weil letztere sich seinerzeit nur noch als eine Art geschlossene Gesellschaft präsentiert hat. Zu dieser Sicht-weise gehört, dass die stark durch den Punk beeinflussten Musiker Billy Bragg (URL Bragg 2009) und The Pogues (URL Pogues 2009) im Verein mit der world music die Dinge nicht nur wieder in Lot gebracht, sondern uns darüber hinaus sogar ein Goldenes Zeitalter beschert haben. Festzuhalten bleibt, dass auch diese Perspektive wieder eine Ambivalenz beinhaltet. Sie erlaubt, sich von etwas zu distanzieren, was aus heutiger Sicht damals – wenngleich bei weitem sicher nicht überall – als rückständig galt und gleichzeitig die Erneuerung desselben zu feiern:

The UK folk scene [...] had closed ranks and turned ist back on the real world. [...] So the folk scene lost a generation. It took the likes of Billy Bragg, The Pogues and World Music [sic!] to start bringing the curious back, to discover the riches that we'd had all along. And then we had to wait for another later generation to revitalise English folk and bring about the golden age we're in right now. (Anderson 2009: 6).

Festivalplaner, Aktivisten, Journalisten und Musiker verstehen „ihre“ world

music keineswegs als ein Phänomen, das es fachgerecht in der Musikgeschichte zu verorten gälte (Capellen 1906/07, Revers 1998)42. Vielmehr feiern sie es als eine 42 Um die (vorletzte) Jahrhundertwende entsprach „Weltmusik“ einem Bedürfnis nach

Exotisierung und vor allem Selbstexotisierung. Als einer der Auslöser gilt die Pariser Weltausstellung (1889). Der Begriff taucht allerdings erst in einem Aufsatz des Musikwissenschaftlers Georg Capellen (1869-1934) auf, der seinerzeit eine musi-kalische Erneuerung durch den Orient herbeisehnte (Capellen 1906/07). Beeinflusst war Capellen von Curt Sachs (1881-1959) und anderen Vertretern einer längst obsoleten Kulturkreislehre.

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gelungene Revitalisierung ihrer musikalischen Präferenzen und Leidenschaften, die sie – je nach Generation – teilweise bis ins Folkrevival der 60er Jahre zurück verfolgen. Mit dem gewissermaßen neu gedachten, wenngleich keineswegs neu erdachten Genre world music werden deshalb kaum nennenswerte inhaltliche Positionen, geschweige denn Definitionen verbunden, erst recht keine musik-wissenschaftlichen. Wie gezeigt werden wird, begegnen im Rahmen des world-music-Kults veraltete Vorstrukturen des Verstehens, die teilweise an die Gründer-tage der Musikethnologie erinnern, aber dennoch – und das ist das Entschei-dende – als eine seit langem ersehnte Erneuerung und Weiterentwicklung verstanden werden.

Der gebürtige Schotte David Byrne43, den der renommierte BBC-Radio-moderator Charlie Gillett 44 zusammen mit Paul Simon (URL Simon 2009), Ry

Weltweit war häufig ein Bedürfnis nach Regeneration die Triebfeder, sich mit anderen Kulturen zu beschäftigen. Auch das ermüdete Europa bedarf anscheinend hin und wieder exotischer Reize, um seine Energien aufzufrischen. Willkommene kulturelle Gegenpole, weil vermeintlich „wild“ und „erotisch", bildeten seit jeher der Orient und Afrika, aber auch Minderheiten. Neuerdings bieten regionalistische Strömungen dies-bezüglich weite Betätigungsfelder. Ähnlich wie auf den Kanarischen Inseln oder in Ostfriesland (Bartmann 1998) bieten sie Raum für Volkstümeleien und andere Selbst-exotisierungen, die im Sinne einer Revitalisationsbewegung umgedeutet und als Erneuerungen verstanden werden. Die Faszination, die von Exotisierungen wie von Selbst-Exotisierungen gleichermaßen ausgeht, ist also nicht neu, sie nimmt seit Jahrzehnten immer wieder neue und intensivere Formen an. Seit ungefähr drei Jahrzehnten spricht man auch in diesen Zusammenhängen gerne von „Weltmusik". Damit ist das Konzept einer weltumfas-senden neuen Musik gemeint, eine Art „metakultureller“ Dachverband, in dem sich alle Exoten wiederfinden sollen. Demgegenüber betont der amerikanische Begriff world music ein unabhängigeres Nebeneinander diverser Kulturen.

43 Für seine künstlerischen Leistungen wurde Byrne mit dem Oscar (1988), einem Grammy (1988), mit dem Golden Globe Award (1987) und mit dem Academy Award (1987) ausgezeichnet.

David Byrne (born May 14, 1952) is a Scottish musician best known as a founder member of the New Wave band Talking Heads [URL Talking Heads 2009]. His collaboration with Brian Eno [URL Eno 2009] on the ground-breaking album MY LIFE IN THE BUSH OF GHOSTS [CD Byrne/Eno 1981/2006] attracted considerable critical acclaim, and represented a significant step forward in the evolution of sampling as a legitimate musical endeavour. [...] Byrne releases his own works on his label Luaka Bop [http://www.luakabop.com; zuletzt aufgerufen am 28.08.09], a world music label which also releases the work of artists [like] Los De Abajo [URL Los de Abajo 2009], and others. (URL Byrne o.J.).

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Cooder (URL Cooder 2009) und Peter Gabriel (URL Gabriel 2009) zu den „World Music Prophets“ zählt (URL Gillett o.J.), hat schon 1999 auf einige musikkulturelle Begleiterscheinungen hingewiesen, die ihm als sehr bedenklich aufgefallen waren:

In my experience, the use of the term world music is a way of dismissing artists or their music as irrelevant to one's own life. It's a way of relegating this „thing“ into the realm of something exotic and therefore cute, weird but safe, because exotica is beautiful but irrelevant; they are, by definition, not like us. Maybe that's why I hate the term. It groups everything and anything that isn't „us“ into „them.“ This grouping is a convenient way of not seeing a band or artist as a creative individual, albeit from a culture somewhat different from that seen on American television. (URL Byrne 1999).

Byrne gebührt das Verdienst, als „World Music Prophet“ anerkannt zu sein und dennoch kulturkritische Standpunkte zu vertreten, in denen kulturanthro-pologische Fachbegriffe mitschwingen. Zu dem von Byrne beklagten Exotismus gehört auch, wenn „weltmusikalische“ Synthesen sich willkürlich bei nichtwest-lichen Musiktraditionen bedienen, diese allerdings gar nicht verstehen und deshalb nur deren Klangfarben verwenden, um damit letztlich in einem west-lichen Popmusikidiom zu verharren. Anderson verwahrt sich sowohl gegen Byrnes als auch gegen andere Kritiker. Er wähnt Verschwörungstheoretiker am Werk:

Ever since World Music emerged as a useful marketing concept back in 198745, conspiracy theorists have wasted energies on criticising it. 'Enough!', says Ian Anderson ... (URL Anderson 2000).

44 Charlie Gillett (20.02.1942 – 17.03.2010) hat immer versucht, alles zu vermeiden,

was seiner Meinung nach den Eindruck eines musikalischen anglo-centrism hätte er-wecken können. Folgerichtig ist mir in seiner leider schon geraume Zeit vor seinem Tod eingestellten, legendären BBC-Radioshow „Saturday Night", von mir jahrelang jeweils sonntags um 0.05h mitgeschnitten (WDR5 Funkhaus Europa), so gut wie nie britische Folkmusik begegnet.

45 Vom 29.06.1987 an haben sich englische Journalisten (neben vielen anderen auch Ian Anderson und Charlie Gillett) wiederholt mit Vertretern einiger von den major labels unabhängigen, wenngleich maßgeblichen englischen Plattenfirmen getroffen, um Maßnahmen zu besprechen, die man als besonders vordringlich erachtete. Dazu ge-hörte, world music im Sinne einer plakativen Verkaufskategorie in den Plattenläden zu etablieren. In der ersten Presseverlautbarung hieß es:

One of the problems perceived as hindering the development of this music is the haphazard racking of the records in the shops. As the labels

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Nicht alle Revitalisationsbewegungen verstehen sich als religiös motivierte Erneuerungs- oder Aufbruchsbewegungen (Weiss 1988), allerdings ist allen gemeinsam, dass aus deren Sicht ein jeder, der es wagt, die Erneuerungen oder auch nur deren Symbole in Frage zu stellen, schon nicht mehr dazugehören kann. Dazu gehört, dass Verteidigungen solcher Errungenschaften oft von einer emotional gesteigerten Bewusstseinslage Zeugnis ablegen. Nach Revers sind solche Ambivalenzen typisch für „Europäische Treibhausblüten“ und „Exotische Zukunftsmusik“ (Revers 1998).

Aus den Rudolstadter Festivalprogrammen sticht seit der Neugründung des Festivals (1991) der alljährliche Instrumentenschwerpunkt heraus. Die Idee stammt vom St. Chartier-Festival 46 in Frankreich. Was dort als eine informelle Session üblich war und ist, die lediglich kurzer Absprachen bedarf, wurde in Rudolstadt zu einem anspruchsvollen Konzert einer Handvoll internationaler Virtuosen auf einem bestimmten Instrument bzw. einem Instrumententyp.47 Um einander kennenzulernen und zu proben, reisen die eingeladenen Künstler bereits eine Woche vor Festivalbeginn an. Im Fernsehen hieß es dazu aus dem off:

Jeder von ihnen ist Virtuose, hat in der Weltmusik einen Namen. In ihnen ruht die Magie des Projektes, die nach ein paar Minuten hellwach ist. Ein vertrauter Prozess für [den Bandleader, Musikwissenschaftler und Journa-

46

concerned have a very wide spread of music in their catalogues, many shops willing to stock this material could benefit from expert advice about this specialised (but not specialist) music. It was agreed that the term WORLD MUSIC would be used by all labels present to offer a new and unifying category for shop racking, press releases, publicity handouts and 'file under...' suggestions. This means that you no longer have to worry about where to put those new Yemenite pop, Bulgarian choir, Zairean soukous or Gambian kora records. (URL Anderson 2000: 4). /www.saintchartier.org/; zuletzt aufgerufen am 28.08.09. http:/

47 http://www.tff-rudolstadt.de/start/schwe_pu.htm; zuletzt aufgerufen am 28.08.09. Bisherige Magieprojekte: 1991 – Knopfharmonika (Magie auf Knopfdruck); 1992 – Geige (Magie nach Strich & Bogen); 1993 – Drehleier (Magie zum Ankurbeln); 1994 – Perkussion (Magie zum Trommeln); 1995 – Mandoline (Magic Mandolins); 1996 – Hackbrett (Magic Dulcimers); 1997 – Saxophon (The Saxy Thing); 1998 – Banjo (Magic Banjos); 1999 – Mundharmonika (Magic Harmonicas); 2000 – Stimme (Magic Voices); 2001 – Klarinette (Magic Clarinets); 2002 – Kniegeige (KnieFiedelMagie); 2003 – Marimbaphon (Magic Marimba); 2004 – Zither; 2005 – elektrische Gitarre (Magic eGuitar); 2006 – Dudelsack (Magic Pipes); 2007 – Tasteninstrumente (Magic Keyboard); 2008 – Rahmentrommel (Magic Tambourine Men); 2009 - Kurzhalslaute (Magic Lute).

Manfred Bartmann 270

listen] Wolfgang Meyering, der das Projekt seit 7 Jahren austüftelt und leitet. ach dieser Einleitung erklärte Wolfgang Meyering vorN dem Hintergrund des

ersten

, und sie so hnell zusammenwachsen. Und das ist natürlich ein sehr schönes Gefühl.

sich dabei implizit auf Curt Sachs (S e d Sachs (Hornbostel/ Sachs 1914) bezieht48.

Probentages der KnieFiedelMagie im Jahre 2002:

Man kann mal relativ schnell ausmachen, ob diese Gruppe [...] menschlich auch zusammen passt, wenn sie sich treffen und einfach zusammen sitzen und wie sie dann so aufeinander zugehen, ob sie offen sind oder ob sie [ein] bißchen reserviert sind. Man versucht so [ein] bißchen zu eruieren, wer vielleicht ein bißchen schwieriger, wer [ein] bißchen mehr Probleme hat, in die Gruppe hinein zu wachsen, oder wer weniger, und dann ist es doch erstaunlich, dass in so kurzer Zeit, und das liegt vielleicht einfach auch daran, dass es Musiker sind, die gewohnt sind, oft mit fremden Menschen umzugehen, dass in so kurzer Zeit so viel passiert musikalischsc(Wolfgang Meyering, mdr Magie 2002, Transkription meine).

Daran wird deutlich, dass die Rudolstadter Magieprojekte tunlichst ver-meiden möchten, was anderen Aktivitäten in Sachen world music herbe Kritiken eingebracht hat. Das interkulturelle Virtuosentreffen möchte an Stelle eines bloßen Nebeneinanders (wenngleich sich das, wie wir sehen werden, nicht immer vermeiden ließ) echte Dialoge, gleichsam musikalische Horizontver-schmelzungen befördern. An Stelle einer bloßen Toleranz soll ein respektvollesMiteinander seinen musikalischen Ausdruck finden. Vordergründige Exotisie-rungen haben in Meyerings Projekten deshalb keinen Platz.

Ofenböck konnte herausarbeiten, dass Meyering dabei zunächst immer einen instrumentenkundlichen und in diesem Zusammenhang objektorientierten An-satz verfolgt. Davon legen seine vorbereitenden Programmheftbeiträge Zeugnis ab, in denen er versucht, das jeweils „magische“ Instrument im musikwissen-schaftlichen Sinne systematisch zu erfassen und sogar seine Ursprünge zu ergründen (Ofenböck 2005). Anhand von Meyerings Aufsatz „Die Kniegeige - oder das Problem mit der Systematik“ (Meyering 2002) lässt sich zeigen, dass er

achs 1913, 1979) und noch stärker auf diSystematik von Hornbostel un

böck hat recherchiert, dass Meyering sein musikwissenschaftliches Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster absolviert hat. Die Einsicht[nahme] der an der dortigen Hauptbibliothek befindlichen Lehrveranstaltungsverzeich-nisse der letzten drei Jahrzehnte hat gezeigt, dass die instrumentenkund-lichen Lehrveranstaltungen [dort] durchwegs Titel folgender Art trugen: „Chordophone“, „Blasinstrumente“, „Tasteninstrume

48 Ofen

nte“ etc. [Diese]

Ansinnen aus einer anderen Welt 271

Typisch für diesen Ansatz ist, dass „Instrumentenkunde gleichsam in etischer Reinkultur“ betrieben wird:

Entstehungsgeschichte, Morphologie (= Gestalt, Form, Bau) und der Versuch [einer] (zum Teil zwanghaften) Einordnung in von außen geschaffene Kategorien stehen dabei im Mittelpunkt. [...] Was die Musiker in den Interviews über ihr eigenes Instrument sagen bzw. wie sie als Handelnde „von innen“ ihre eigene Kultur beschreiben, bezeichnet die Musikwissenschaft als [eine] emische Sichtweise. Diesem Zugang steht jener Meyerings gegenüber, der als Autor des Einführungstextes über die Kniegeigen Instrumentenkunde „von außen“ betreibt, [d.h. aus einer etischen Sichtweise]. (Ofenböck 2005: 4).

Festzuhalten bleibt, dass der instrumentenkundlichen Systematik nach

Hornbostel/Sachs heute nur mehr eine wissenschaftgeschichtliche Bedeutung zukommt, weil sie der längst widerlegten Kulturkreislehre (Hirschberg 1988b,c) verhaftet bleibt. Erich Stockmanns Ansatz trägt demgegenüber um einiges weiter, nicht zuletzt, weil er die zum Teil grundverschiedenen musikkulturellen Kontexte berücksichtigt (URL Stockmann 1998)49. Dazu muss gesagt werden, dass emische und etische Sichtweisen im Rahmen der Magie-Projekte gar nicht unberücksichtigt bleiben können, weil sie sich immer schon in den Proben ihre Bahn brechen. Spätestens dort muss für die gemeinsame Aufführung um Formen eines Ausgleichs zwischen ihnen gerungen werden. Ein aufschlussreiches Interview mit Meyering über die Probenverläufe, in dem auch von Kulturkreisen (Hirschberg 1988b) die Rede ist, trägt folgerichtig den treffenden Titel „Zwischen Euphorie und Panik“ (URL Meyering Interview 2009).50

49

ICTM-Studygroup. Max-Peter

50

teres-

Begrifflichkeiten [zeigen] eine ausgesprochene Nähe zur Systematik von Hornbostel/Sachs. (Ofenböck 2005: 8/9, Fußnote 4).

Als ihr langjähriger und wohlwollender Begleiter ist Erich Stockmann (1926-2003) vielen Festivalbesuchern unvergessen geblieben. Stockmann war der Begründer und Leiter der Study Group on Folk Musical Instruments im International Council for traditional Music (ICTM; Unesco), der ältestenBaumanns Skriptensammlung hält weitere, sehr brauchbare Downloads zum Thema Instrumentenkunde bereit (URL Baumann 2000).

Seit einigen Jahren widmet das mdr-Fernsehen dem Projekt alljährlich eine ein-stündige Dokumentation unter dem Titel „Magie im Spiel“ (vgl. mdr Magie 2002), die im jeweils darauf folgenden Jahr zusammen mit den Festival-CDs auf einer beigefügten DVD auch käuflich erworben werden kann. Für die Magie-Projekte dürfte sich dadurch der Erfolgsdruck erhöht haben. Vorher wurden die Magie-Konzerte nur über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragen. Zusammen mit einer Fülle weiterer Konzertmitschnitte geschieht dieses immer noch. Dem in

Manfred Bartmann 272

Alles in allem transportieren die Magie-Projekte eine Reihe im Folgenden erläuterter, im Umfeld des Festivals kaum reflektierter Vorstrukturen des Verstehens (Brandl 2006: 39), die teilweise an die Gründertage der Musik-ethnologie erinnern:

Ein objektorientiertes Denken und Arbeiten motiviert interkulturelle Begegnungen, die für die Teilnehmer bisweilen durchaus einen zufäl-ligen Charakter haben, allerdings unbedingt ein gemeinsames Konzert zeitigen müssen.

Kontexte werden für zweitrangig erachtet. In den Magieprojekten steht jedes dieser organologisch ähnlichen Instrumente in der Regel außerhalb der traditionellen Ensembletypen, die für seine Herkunftskultur typisch sind. Lautstärke- und Klangfarbenhierarchien, die eine Reihe von Ensembles auszeichnen, weil sie ihren typischen Klang ausmachen, müssen spätestens im Verlauf des Konzerts tonmeisterlich abgemischt und dabei meist nivelliert werden.

Ein diachrones Anordnen der Gegenstände und Phänomene im Sinne der Kulturkreislehre (Hirschberg 1988b, c) findet seinen Ausdruck darin, dass auch Instrumenten, die im Hinblick auf ihre Handhabung grundverschieden sind, eine Verwandtschaft und sogar eine gemeinsame Urheimat zugeschrieben wird, ganz im Sinne von etwas, was die Musiker verbindet (mdr Magie 2002).

Die Teilnehmer werden im Vorfeld ausgesucht und dabei danach bewertet, ob es sich um integrative Persönlichkeiten handelt (URL Meyering Interview 2009). Idealerweise sollte jeder mit jedem zusam-men musizieren können.

Wenn irgend möglich, sollen alle Beteiligten auch in der Lage sein, im Verlaufe eines Konzerts gleichzeitig aufzuspielen. Laute Tutti-Einsätze haben – neben virtuosen Einlagen einzelner – die Höhepunkte vieler „Magie“-Konzerte markiert.

Generell werden Musikern besondere kommunikative Kompetenzen zugeschrieben:

Musiker sind es gewohnt, oft mit fremden Menschen umzugehen. Deshalb können sie auch schnell zu einer Gruppe zusammen wachsen. (Meyering, vgl. mdr Magie 2002).

sierten Rundfunk- und Fernsehteilnehmer erschließen sich dadurch jährlich etwa 15h Rundfunk- und ca. 2h Fernsehmitschnitte des alljährlichen Rudolstadtfestivals.

Ansinnen aus einer anderen Welt 273

Implizit wird vorausgesetzt, dass Musiker eine Art Universalsprache beherrschen (Bartmann 2001a). Im Sinne eines objektorientierten De iese Fäh

Instrumenten, Saiteninstrumenten etwa, Mandolinen, Lauten, die in Ensembles spielen, leichter ist. Solche Musiker kom-

eit, dem tapping-Gitarristen Enver Izmay r zu sehen

nkens wird dabei angenommen, dass es Instrumente gibt, die digkeit begünstigen oder ihr abträglich sein können:

Für Dudelsackspieler ist es sehr schwer, sich an andere Musiker zu gewöhnen. Das sind meist ausgeprägte Individualisten, während es bei anderen

men in der Gruppe besser miteinander klar. (URL Meyering Inter-view 2009).

Wie bei allen Magie-Projekten, stellen die Musiker ihre Instrumente nicht

nur im Rahmen zweier großer Konzerte, sondern auch in einem Workshop vor. Im Anschluss an den des Magic-eGuitar-Projekts 51 hatte die Salzburger Ethno-musikologin Patricia Breitbarth Gelegenh

lov aus Usbekistan (URL Izmaylov 2007) nicht nur auf die Finge, sondern ihn auch noch zu befragen.

Beim Tapping werden die Saiten mit den Fingerkuppen der Schlaghand (meist mit Zeige- oder Mittelfinger) mehr oder minder schwungvoll auf das

51 An dem Magic-eGuitar-Projekt im Jahre 2005 waren beteiligt: Takashi Hirayasu &

Ken Ohtake (Japan); Lance Harrison (USA, Bluesgitarre); Hellmut Hattler (Deutschland, E-Bass); Enver Izmaylov (Usbekistan, tapping-Gitarre); Bo Lindberg (Schweden, Gitarrist der Formation Hoven Droven, die schon 2002 in Rudolstadt aufgetreten war); Daniel Owino Misiani (Kenia, Sänger); Alan Prosser (Groß-britannien, Gitarrist der englischen Folkrock-Formation Oyster Band, die schon 1994 und 1998 in Rudolstadt aufgetreten war); Haïg Yazdjian (Armenien/Griechenland, elektrische Oud) und Snorre Schwarz (Deutschland) am Schlagzeug, mit dem Meyering bereits in anderen musikalischen Projekten zusammen gearbeitet hatte (vgl. http://www.malbrook.de/; zuletzt aufgerufen am 30.08.09.). Der kenianische Sänger und Bandleader Daniel Owino Misiani (1940-2006) nahm in diesem Projekt eine Sonderstellung ein. Schon beim ersten Konzert musste auffallen, dass der geladene „King of Benga Music“ und „Master of the Faster Beat“ (Marotz 2005: 130) zwar eine verdächtig neue E-Gitarre des Typs Fender Stratocaster (URL Stratocaster 2009) umgehängt bekommen hatte, dieses Instrument aber nicht zu bespielen vermochte. Das mag damit zusammenhängen, dass Misiani seine Gitarrenparts schon seit gerau-mer Zeit immer an andere Gitarristen zu delegieren gewohnt war, wovon einige seiner Videos Zeugnis ablegen, oder in Rudolstadt aus anderen Gründen nicht spielen konnte. Nichtsdestotrotz war der „King of Benga“ als herausragender Protagonist einer sich an der E-Gitarre orientierenden schwarzafrikanischen Popularmusik ange-reist (Marotz 2005: 129). Der eigentliche Gegenstand des Magie-Projektes ist dem afrikanischen Patriarchen seinerzeit allerdings sichtlich fremd geblieben.

Manfred Bartmann 274

Griffbrett gedrückt oder gestoßen, sodass beim Auftreffen auf dem Bund-stäbchen an der entsprechenden Stelle die Saite in Schwingung versetzt wird. Der Klang unterscheidet sich [sehr] vom sonst üblichen Anschlag mit einem Plektrum oder dem Zupfen mit den Fingern. Mit der Greifhand ausgeführt, wird diese Spieltechnik als Hammering bezeichnet. Die Kom-bination von Hammering und Tapping bietet spieltechnisch versierten Gitarristen die Möglichkeit, ausgefallene Soli zu spielen, da hier größere Tonintervalle als üblich verwendet werden können. (URL Tapping 2009).

Die klangfarblichen Auffälligkeiten dieser Gitarrenhandhabung hatten Breitbarth motiviert, zu ergründen, welche kognitiven Grundlagen Izmaylov mit seiner Kunst verbindet. Die kognitive Dissonanz, die aufgrund der ungewöhnlichen Gitarrenhandhabung durch ein zunächst kaum fassbares Auseinanderklaffen zwischen Hörbild und Spielbild entsteht, ließen Breitbarth zunächst an streaming-Effekte denken, wie sie der Psychoakustiker Leon van Noorden 1975 erstmalig beschrieben hat (Noorden 1975). Nachdem deutlich geworden war, dass das tapping vor allem auch die visuelle Wahrnehmung desorientiert und dieses in Rudolstadt einen erheblichen Anteil des ästhetischen Erlebens dieser Kunstform ausgemacht hat, hat Breitbarth spezielle Videosequenzen, die sie im Rahmen des Magic-eGuitar-Workshops aufzeichnen konnte, transkribiert und detailgenau analysiert. Darüber hinaus hat sie ihre eingehende Befragung dieses Ausnahmekünstlers, die sie im Sinne einer experimentellen Feldforschung durch-geführt hat, videographiert und im Hinblick auf die verbalen und nonverbalen Kommunikationen ausgewertet (Breitbarth 2006). Um diese Art der Gitarrenhandhabung wissenschaftlich zunächst zu dekate-gorisieren, um sie dann zu rekategorisieren, sollte Izmaylov seine tapping-Spieler-hände einzeln vorführen. „Impossible“, so seine Reaktion (Breitbarth 2006: V/5). Das ist ein Indiz dafür, dass er seine Stücke nicht aus einzelnen Spielparts zusammensetzt, sondern sie mit beiden Händen zugleich erarbeitet, sie auf diese Weise komponiert. Auf welche der sich dabei einstellenden streaming-Effekte (Noorden 1975) er es dabei jeweils abgesehen hat, war Izmaylov nicht gewohnt zu reflektieren: „It´s all the music. Why talk about it ?“ Breitbarth hat weiter insistiert, dadurch gar einen Abbruch des Gesprächs riskiert. Schließlich eröffnete ihr Ansinnen auch dem Probanden eine neue, Izmaylov bis dahin ungewohnte Perspektive auf sein eigenes künstlerisches Schaffen. Breitbarth konnte zeigen, dass der tapping-Gitarrist daraus für sich Erkenntnisse gewonnen hatte, die er im Anschluss an ihre Intensivbefragung gleich im Rahmen einiger Rundfunkinter-views verkündet hat (Breitbarth 2006: 76).

Ansinnen aus einer anderen Welt 275

Um wissenschaftlich nachvollziehbar werden zu lassen, worin die Risiken einer solchen Befragung bestanden haben, hat Breitbarth den Verlauf ihres bis-weilen sogar konfrontativen Interviews minutiös analysiert (Abbildung 2 und 3).

Anhaltspunkte dafür, wie Videoaufnahmen im Sinne einer solchen musik-psychologischen Datenerhebung nutzbar gemacht werden können, hatte Schwaninger vorher schon erarbeitet (Sohneg 2004). Später waren wir im Wintersemester 2005/06 im Verlauf meiner Salzburger Lehrveranstaltung „Musikethnologische Filmanalyse“ irgendwann darauf gekommen, die Abspiel-geschwindigkeit unserer Forschungsvideos zu variieren, um darüber versuchs-weise ungewohnte Perspektiven auf das Geschehen zu gewinnen. Der schnelle Vorlauf hat uns dabei sehr oft gestische Körperbewegungen und andere non-verbale Momente gezeigt, die uns zunächst nicht aufgefallen waren. Durch die veränderte Abspielgeschwindigkeit erschienen sie gleichsam überzeichnet. Auf die

f es in der Regel mehrerer Perspektivenwechsel, die nicht nur ungewohnte Wahrnehmungen und Beobachtungen zeitigen, sondern auch im Sinne eines Wechsels der Bedeutungsperspektive erlebt werden, auch seitens des Probanden.

ses Phänomen und auf unsere Erfahrungen damit konnte Breitbarth ihre Methode aufbauen. Damit konnte sie den Stimmungsverlauf ihrer interkultu-rellen Begegnung noch genauer transkribieren und auswerten (Breitbarth 2006).

Anhand dieser Arbeit lässt sich zeigen: Erst das Bewusstwerden ganz verschiedener Vorstrukturen des Verstehens ermöglicht – wie Brandl sagt – „die Überwindung beider Lebenswelten in der Horizontverschmelzung des Einander-Verstehens beider Diskurspartner“ (Brandl 2006: 20). Das alles bedeutet nichts weniger, als dass die Bretter, die ich in einer solchen Situation vor dem Kopf habe, die Welt bedeuten können, und zwar eine mit meinem fremdkulturellen Dialogpartner gemeinsame Welt als das Ergebnis einer Horizontverschmelzung. Dafür bedar

Manfred Bartmann 276

Abbildung 2: „Can you try to separate them ?“ Patricia Breitbarth möchte wissen, wie Hörbild und Spielbild beim tapping (URL Tapping 2009) zusammenhängen. Enver Izmaylov soll nacheinander ausführen, was seine beiden Hände normalerweise gleich-zeitig auf dem Griffbrett tun. (Breitbarth 2006: V/4).

Nicht verschwiegen werden darf, dass mit dieser Art des Angangs knifflige

Feldforschungssituationen einhergehen können, deren Bewältigung eine gewisse Nervenstärke erfordert (Abbildung 3).52 Davon legt auch das Interview mit Meyering explizit Zeugnis ab (URL Meyering Interview 2009). Letztlich bergen nachgerade Kulturschocks Chancen, Widersprüche, Missverständnisse und Vorurteile über Perspektivenwechsel zu relativieren, wenn nicht gar auszuräumen (Bartmann 2006). Breitbarth konnte auf diese Weise zeigen, dass in den Rudolstadter Magie-Projekten nicht für das Universale gehalten werden sollte, was nur das Uniforme ist. 52 Breitbarth hat sich in Rudolstadt diesbezüglich als eine Art Naturtalent herausgestellt.

Meinen Lehrerfahrungen nach haben sich diese Fähigkeiten allerdings durchaus als vermittelbar und somit als erlernbar erwiesen (vgl. dazu „Wie damit umgehen?"; Bartmann 2006: 13ff.).

Ansinnen aus einer anderen Welt 277

Abbildung 3: Breitbarth insistiert weiter (vgl. Abbildung 2). Die Spannung löst sich, als Izmaylov schließlich beginnt, sich über Breitbarths Ansinnen zu wundern (Breitbarth 2006: V/6).

Manfred Bartm

ann 278

Ansinnen aus einer anderen Welt

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