Lerntransfer: Handbuch zur erfolgversprechenden Gestaltung betrieblicher Weiterbildungen für ...
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Lerntransfer:
Handbuch zur erfolgversprechenden Gestaltung betrieblicher Weiterbildungen für
Führungskräfte virtueller Teams
12-Wochen-Arbeit
im Rahmen des Bachelor-Studienganges Psychologie
an der Georg-August-Universität Göttingen
Vorgelegt am : 27.07.2011
Von : Anne Seelmann
Wohnhaft in : Düstere Eichen Weg 26, 37073 Göttingen
Geboren in : Haldensleben
Erstprüferin : Prof. Dr. Margarete Boos
Zweitprüferin : PD Dr. Cora Titz
Betreuerin : Martin Riethmüller
Seelmann (2011)
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INHALT
Inhalt 2
1. Einleitung 3
2. Theorieteil 5
2.1. Grundzüge von Weiterbildungen 5
2.1.1. Definition 5
2.1.2. Pädagogische Designansätze 6
2.1.3. Bedeutsamkeit und Grenzen 9
2.2. Führung virtueller Teams 10
2.2.1. Virtuelle Teams und ihre Führung 10
2.2.2. Besonderheiten der Kommunikation 11
2.2.3. Möglichkeiten des Informationsaustausches 12
2.3. Blended Learning als integrative Lösung 13
2.3.1. Beschreibung 13
2.3.2. Wirksamkeit 14
2.4. Lerntransfer 16
2.4.1. Definition und Begriffe 16
2.4.2. Messung von Transfereffekten 18
2.4.3. Theoretische Grundlage des Lerntransfers 19
3. Hauptteil 25
3.1. Drei Faktoren, die den Transfer beeinflussen 25
3.2. Traineemerkmale 27
3.2.1. Fähigkeit 27
3.2.2. Persönlichkeit 28
3.2.3. Motivation 29
3.3. Arbeitsumgebung 30
3.3.1. Unterstützung 30
3.3.2. Anwendungsgelegenheiten 32
3.4. Seminardesign 34
3.4.1. Blended-Learning-Instruktionsmodell 35
4. Schluss 42
Zusammenfassung 46
Literatur 47
Eigenständigkeitserklärung 50
Lerntransfer
3
1. EINLEITUNG
Erfolgreiche Weiterbildungen zeichnen sich durch ihre Nachhaltigkeit aus (Schüßler, 2007).
Kern dieser erwünschten Wirkung ist die sorgfältige Ausformung langfristigen Transfers neu
gelernter Wissensinhalte auf die Arbeitssituation. Dieser Herausforderung scheinen längst
nicht alle Fortbildungsangebote auf dem Markt gewachsen zu sein, wie Saks und Belcourt
(2006) in einer Studie zum Trainingstransfer zeigten. In 150 Organisationen beschränkte sich
die Anwendung der Trainingsinhalte direkt nach dem Training auf 64%, sechs Monate später
auf nur noch 44% und ein Jahr später auf gerade einmal 34% der Angestellten.
Die genauere Betrachtung eines deutschen Unternehmens, das seine Angestellten im
Rahmen eines Pilotprojektes in einer neuen Software schulen ließ, klärt über dieses
Phänomen auf. Eine kurze Befragung der TeilnehmerInnen direkt im Anschluss an die
Fortbildung spiegelte nicht den erhofften, positiv motivierten Aufschwung wieder, sondern
war gefärbt von Ärger, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Angst gegenüber der neuen Software.
Die hohe Arbeitsbelastung im Alltagsgeschäft demotivierte die Angestellten schließlich,
Trainingsinhalte parallel dazu selbstständig zu vertiefen.
Während die ersten TeilnehmerInnen geschult wurden, traten schwerwiegende technische
Fehler auf. Dadurch ergaben sich derart viele Anwendungsschwierigkeiten der Software auf
die betriebliche Datenbank, dass die Übungskomponente des Seminars weitestgehend
übergangen wurde. Das stiftete Verwirrung bei den TeilnehmerInnen bezüglich der
Bearbeitungsweise ihrer Kundendaten und erschwerte es Ihnen, Vertrauen zur Software zu
fassen. Auch die TrainerInnen ließen sich von dem fehlerhaften Programm verunsichern und
konzentrierten sich auf die Vermittlung von Theorie und Grundlagen. Obwohl
ausgezeichnete Organisation der Rahmenbedingungen, Erfahrungsaustausch unter
KollegInnen verschiedener Geschäftsstellen, gute Schulungsunterlagen, Aufmerksamkeit und
Hilfestellung der TrainerInnen sowie deren aufbauende, motivierende Präsenz gegeben
waren, machte sich der fehlende Praxisbezug bemerkbar. "Ich kenne nun drei Lösungswege
für ein einziges Problem, aber habe keine Idee, welcher davon in der Praxis der Beste ist!",
beschwerte sich eine Teilnehmerin des Seminars. Die Arbeitsplätze wurden bereits vor
Schulungsbeginn mit der neuen Software ausgestattet, sodass die Möglichkeit bestand,
parallel zur herkömmlichen Bearbeitungsmethode Trainingsinhalte zu erproben. Vorsorglich
wurden in jeder Geschäftsstelle zwei Angestellte rekrutiert, sich zu ExpertInnen und
Seelmann (2011)
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AnsprechpartnerInnen für KollegInnen ausbilden zu lassen. Nun führte die Fehlerbehebung
zu Unklarheiten über den Einführungstermin, sodass sich teilweise Überschneidungen mit
den Urlaubszeiten der BeraterInnen ergaben. Angesichts dessen entstand erneut große
Unsicherheit unter den Angestellten.
Dieser beispielhafte Fall deckt drei problematische Schwerpunktbereiche auf, die zu den
oben genannten, spärlichen Transferraten führen. Erstens sind das Merkmale der
TeilnehmerInnen wie Motivation, Fähigkeiten, Einstellungen und Erwartungen. Zweitens
kommt das Trainingsdesign mit didaktischen Faktoren, den Inhalten und
Übungsbedingungen zum Tragen. Dritte Rolle spielt die Arbeitsumgebung, insbesondere
soziale Unterstützung und Anwendungsgelegenheiten am Arbeitsplatz (vgl. Rank &
Wakenhut, 1998; nach Burger, 2005). Angesichts der Komplikationen, in diesem Fall sogar in
allen Hauptbereichen, und der daraus resultierenden Anwendungsscheu seitens der
Angestellten ist mit nachhaltigem Transfer nicht zu rechnen.
Die Transferforschung erlebt aktuell einen Aufschwung: Eine kurze Recherche mit dem
Stichwort „Transfer of learning“ in der Datenbank PsycINFO liefert schon 873 relevante
Publikationen seit 1921, davon allein 343 in den letzten zehn Jahren. In Google Scholar
bringt die Suche unter demselben Stichwort sogar 22.400 Ergebnisse, 11.200 davon seit
2000. Überblickswerke sind jedoch eher rar gesät. Die Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek (SUB) bietet 63 Werke zu diesem Thema, von denen nur 22 auf
Erwachsenenpädagogik in betrieblichen Weiterbildungen zugeschnitten sind. Nur ein
einziger weiterer Autor bezieht Blended-Learning-Trainings für Führungskräfte in das Thema
Lerntransfer mit ein. Die computervermittelte Kommunikation machte in den letzten 20
Jahren einen großen Entwicklungssprung, der sie durch vielfältige neue Möglichkeiten
ebenso sprunghaft beliebter werden ließ. Besonders Funktionen wie live chat und
Internetumgebungen wie social networks machen die Nutzung neuer Medien interessant
und Informationsaustausch einzigartig komfortabel. Das pädagogisch-psychologische
Potential dieser Technik ist längst nicht ausgeschöpft. Es bedarf nun verstärkt des Transfers
wissenschaftlicher Erkenntnisse in die virtuelle Umgebung.
Ziel dieser Arbeit ist die Formulierung konkreter Designempfehlungen für Weiterbildungen,
um zu anhaltendem Einsatz von Trainingsinhalten im Arbeitsalltag zu verhelfen. Sie ist
eingebettet in das Modellprojekt „Kooperation und Führung in verteilten Teams – virtuelle
Lerntransfer
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Kommunikation“ der Georg-August-Universität Göttingen. Ziel des Projekts ist es, im
Themenbereich „Führung virtueller Teams“ modellhaft ein wissenschaftliches
Weiterbildungsangebot für Fach- und Führungskräfte zu entwickeln. Ausgangspunkt
vorliegenden Elements wird daher ein Blended-Learning-Ansatz sein, der psychologisch-
pädagogische Interessen mit den modernen Möglichkeiten und Herausforderungen
virtueller Teams vereint. Das Blended-Learning-Design wird im Zuge dieser Arbeit unter dem
Aspekt des Lerntransfers und seiner expliziten Unterstützung beleuchtet. Konventionelle
Transfertheorien und aktuelle Transferforschung dienen als Grundlage zur Ableitung von
konkreten Designhinweisen für geplante Weiterbildungen. Unter Betrachtung des
Designprozesses von Blended-Learning-Seminaren werden die Empfehlungen bezüglich der
Merkmale von TeilnehmerInnen, Seminarstruktur und Arbeitsumgebung chronologisch
ausgerichtet sein. Zur beispielhaften Untermalung dient dabei das evaluierte
Medienkompetenztraining der Autorinnen Boos, Müller und Cornelius (2009).
2. THEORIETEIL
Das theoretische Grundgerüst dieser Arbeit besteht aus dem zentralen Problem der
Vereinigung pädagogischer Weiterbildungsansätze mit den Herausforderungen, die das
Setting eines virtuellen Teams bietet. Die Lösung soll ein Blended Learning Konzept
darstellen, die sich durch die Nutzung moderner Medien auszeichnet. Diese junge Variante
veranlasst zu neuen Überlegungen zum Lerntransfer, der im „klassischen Unterricht“ bereits
reichlich untersucht wurde.
2.1. Grundzüge von Weiterbildungen
Zunächst soll der Begriff Weiterbildung für diese Arbeit abgrenzend definiert werden. Da es
sich bei der Zielgruppe derartiger Bildungsmaßnahmen in der Regel um Erwachsene handelt,
können kindspezifische pädagogische Erziehungsmaßnahmen vernachlässigt werden.
Dahingegen stehen andere Herausforderungen im Vordergrund, die dem Leser knapp
zusammengefasst bewusst gemacht werden sollen.
2.1.1. Definition
Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind gefragt, so sollen Angestellte sich mit Hilfe von
Weiterbildungsmaßnahmen an die Anforderungen neuer Techniken und veränderte
Produktions- und Organisationskonzepte in den Betrieben leichter anpassen können. Neben
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dieser unterstützenden Funktion sollten sie die Qualifikationsnachfrage der
MitarbeiterInnen decken (Buttler & Tessaring, 1993). Wissenschaftliche Unterstützung aus
Pädagogik und Psychologie sollen die Qualitätsstandards dieser Maßnahmen heben. Doch
der Forschung fehlt es bisher an einer einheitlichen Begriffsbestimmung dessen, was
Weiterbildung umfasst. Daher bemühte sich Gnefkow (2008) unter Berücksichtigung
verschiedener Rahmenbedingungen, eine geeignete Definition zu schaffen:
„Unter beruflicher Weiterbildung wird die explizite Vermittlung von Kenntnissen und
Fähigkeiten einschließlich Verhaltensweisen in einer zweiten Bildungsphase verstanden, mit
der die Qualifikationen eines Mitarbeiters erhalten oder durch Erweiterung und/oder
Vertiefung verbessert werden kann. Betriebliche Weiterbildung umfasst bewusste,
planmäßige und gezielte Maßnahmen. Sie findet räumlich getrennt vom Arbeitsplatz statt
und wird vom Unternehmen veranlasst und finanziert“ (Gnefkow, 2008, S. 22). Diese
Aussagen lassen sich nun noch um den Zweck von Weiterbildungen ergänzen. "Die
berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu
erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich
aufzusteigen" (§ 1 BBiG; zit. n. Renkl, 2008, S. 221). Der Begriff Weiterbildung soll von hier an
im Sinne dieser Definitionen verstanden werden.
2.1.2. Pädagogische Designansätze
Lernen und Lehren Erwachsener soll hier kurz dem schulischen Lernen gegenübergestellt
werden, um die Unterschiede in den theoretischen Orientierungen und der Praxis deutlich
zu machen.
Abgrenzung des Lernens Erwachsener vom schulischen Lernen
Der Unterschied der Erwachsenen- zur Schulpädagogik liegt im Wesentlichen darin, dass im
schulischen Kontext größtenteils abstraktes Wissen vermittelt werden soll, das Lernen
Erwachsener hingegen eher realitätsnah und anwendungsorientiert sein sollte. Berufliche
Erfahrungen müssen in den Lernprozess integriert und nah am Arbeitsplatz gelernt werden.
Erwachsenen kann eine größere Selbstverantwortung und Selbststeuerung des Lernens
zugestanden werden (Pickl, 2004) als Schulkindern. Sie unterscheiden sich in Vorwissen,
Zielen, Lernprozessen und Anwendungsperspektive. Resnick (1987; nach Renkl, 2008)
formulierte zu diesem Thema eine treffende Gegenüberstellung schulischem zu
außerschulischem Lernen (Tabelle 1).
Lerntransfer
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Tabelle 1. Merkmale schulischen und betrieblichen Lernens (Resnick, 1987; zit. n. Renkl, 2008)
"Learning in school" "Learning out of school"
• individuelles Lernen in der Schule
• "reines Nachdenken" in der Schule
• Manipulation von Symbolen in der
Schule
• Lernen allgemeiner Gesetzmäßigkeiten
in der Schule
• kooperatives Lernen in der Praxis
• Gebrauch von Werkzeugen in der Praxis
• kontextualistisches Denken in der Praxis
• situationsspezifische Kompetenzen in
der Praxis
Bransford, Brown und Cocking (1999) ergänzten:
• Betonung von Breite
• Fragmentalisierung des Curriculums
• vorgefertigte Probleme
• Betonung von Tiefe
• Notwendigkeit der Integration multipler
Aspekte
• Notwendigkeit der Problemdefinition
Beim Kooperativen Lernen im Sinne der Zusammenarbeit mit Kollegen im Lern- und
Arbeitskontext geht es nicht wie in der Schule hauptsächlich um Einzelleistungen und den
individuellen Wissenszuwachs, sondern um Zusammenarbeit, gern auch Teamfähigkeit
genannt. Vorzugsweise werden transaktionale Wissenssysteme hergestellt. Dabei ist das
Wissen nur jedem zugänglich, wenn intensiver Austausch untereinander stattfindet. Solche
Systeme haben einen entscheidenden Vorteil, die Wissenskapazität eines Teams ist deutlich
höher als die eines Individuums, zudem wird die Verarbeitungskapazität des einzelnen
geschont und ist frei für weitere Aufgaben (Renkl, 2008).
Der Einsatz von Hilfsmitteln in der Schule ist insbesondere bei Prüfungen untersagt.
Erworbenes Wissen muss meist frei reproduziert werden. Im betrieblichen Kontext dagegen
ist der Einsatz von Hilfsmitteln häufig Lerngegenstand.
Mit kontextualistischem Denken im Gegensatz zur Manipulation von Symbolen ist gemeint,
dass das Lernen Erwachsener einen Fokus auf Problemlösestrategien und deren
unmittelbare Anwendung am Arbeitsplatz legt. Schüler hingegen müssen einen abstrakten
Wissensschatz erwerben, der mit ihrem Alltag häufig eher weniger zu tun hat. Dadurch
entsteht sogenanntes "träges Wissen", das zwar vorhandenes Wissen bedeutet, aber
äußerst selten zu irgendeiner Anwendung kommt (Bransford, Goldman & Vye, 1991; Renkl,
1996; nach Renkl, 2008). Der schulische Lernstoff wird deshalb so abstrakt vermittelt, damit
Seelmann (2011)
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er in einer Vielzahl von Gelegenheiten anwendbar bleibt. Fort- und Weiterbildlungen zielen
dagegen auf das Lernen spezieller Fertigkeiten für besondere Anwendungskontexte ab.
Lehren für Erwachsene
Betriebliche Weiterbildungen nach individuellem Bedarf sind Trend. Vorgefertigte
Weiterbildungsangebote können diesen Markt nicht sättigen, denn persönlich abgestimmt
und immer verfügbar sollen sie sein. Bildung ist zur Dienstleistung vorangeschritten (Renkl,
2008). Sie kann sich am Teilnehmer oder am Bildungsbedarf orientieren, woraus sich die
folgenden Lehrprinzipien ableiten lassen.
Teilnehmerorientierung
Sowohl Planung als auch Durchführung einer Bildungsmaßnahme sind auf konkrete
Personen ausgelegt, die Adressaten der Maßnahme. Damit verbunden lösen sich
Planungsprozesse allmählich von Inhalten. Das Ziel der Teilnehmerorientierung ist die
Bindung der Adressatengruppe entweder im Sinne der Vermeidung von Dropouts oder aus
Gründen der Kundenbindung (Renkl, 2008).
Die Umsetzung teilnehmerorientierter Bildungsmaßnahmen setzt ein umfangreiches und
fundiertes Wissen um die Bedürfnisse der Teilnehmer voraus. Es kann durch direkte
Interaktion gewonnen werden, wobei es die Herausforderung der Lehrenden ist, den
Unterricht kurzfristig an den Teilnehmer zu adaptieren. Ein anderer Weg wäre, auf
Erfahrungen zurück zu greifen (eigene oder fremde), wodurch schon in der Planungsphase
Rücksicht auf die Teilnehmer genommen werden könnte. Letzteres kann nur unter der
Annahme empfohlen werden, dass valide und generalisierbare Erfahrungen zur Verfügung
stehen. Es sind also mehrere Ansätze zur Umsetzung der Teilnehmerorientierung bekannt.
Sie legen den Schwerpunkt auf Bedarfserhebung und setzen an verschiedenen
Planungszeitpunkten an (Tietgens, 1980; Schiersmann, 1994; Pfeiffer, 1993; Schulz, 1998;
nach Renkl, 2008; Gnefkow, 2008).
Bedarfsorientierung
Während teilnehmerorientierte Maßnahmen dazu tendieren sich von Inhalten zu lösen, legt
die Bedarfsorientierung auf diese besonderen Wert. Das Bildungsangebot soll sich am Markt
der Erwachsenenbildung und den dort vertretenen Bildungsinteressen orientieren. "Bedarf
an Weiterbildung ergibt sich aus technischen und gesellschaftlich-politischen Entwicklungen
(...). Mit dem Begriff Bedarf wird die Einsicht in die Notwendigkeit bezeichnet, ein aus diesen
Lerntransfer
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Entwicklungen sich ergebendes Defizit zu beseitigen" (Jechle, Kolb & Winter, 1994; zit. n.
Renkl, 2008). Diese Lerninteressen, von denen hier als Bedarf gesprochen wird, sind in der
Nachfrage so heterogen ausgeprägt, dass eine Orientierung an der Gesamtheit nicht möglich
ist (Renkl, 2008).
Im Vorfeld der Umsetzung solcher Maßnahmen bedarf es den umfangreichen Einsatz von
Bedarfserhebungsinstrumenten, wie beispielsweise der "Critical-Incident Technik" von Meier
(1991; nach Renkl, 2008). Ziel der Befragung ist es, Erfolgsfaktoren in der alltäglichen
Arbeitswelt aufzudecken. Organisationsmitglieder werden nach erfolgsrelevantem Verhalten
gefragt, woraus dann Qualifizierungsziel und - bedarf abgeleitet wird. Die eigentliche
Umsetzung kann nach der Theorie kognitiver Flexibilität gestaltet werden, die besagt, "dass
komplexes Wissen, das beim fortgeschrittenen, z.B. beruflichen Lernen erworben und später
flexibel in neuen Kontexten angewandt werden soll, am besten in fallbasierten
Lernumgebungen erworben wird, in denen multiple Perspektiven auf relevante Probleme
ermöglicht bzw. gar erzwungen werden" (Renkl, 2008). Das Ziel, Wissen anwendbar zu
erwerben und im beruflichen Kontext flexibel einzusetzen, wird dadurch erreicht, dass
Lernende durch Ausprobieren sowohl Anwendungsmöglichkeiten als auch
Anwendungsbedingungen oder -probleme und ihre Lösungen lernen. Es ist empfehlenswert
Lernende verschiedene Rollen bei der Problembearbeitung einnehmen zu lassen und
variierende Anwendungsbeispiele zu schaffen (Spiro, Feltovich, Jacobson & Coulson, 1991;
Spiro, Vispoel, Schmitz, Samarapungavan & Boerger, 1987; nach Renkl, 2008).
2.1.3. Bedeutsamkeit und Grenzen
Der Notwendigkeit lebenslangen Lernens wurde in den letzten Jahren zunehmend
Bedeutung zugesprochen. Das liegt nicht zuletzt an der kontinuierlichen technologischen
Entwicklung im beruflichen als auch im privaten Umfeld. In Unternehmen passieren immer
wieder Neustrukturierungen und Veränderungen von Arbeitsabläufen, die Wissen und
Fertigkeiten in neuer Organisation erfordern. Der gesellschaftliche Wandel, ausgedrückt in
gesteigerten Erwartungen gegenüber Effizienz von Produktion und Dienstleistungen (Renkl,
2008) üben Veränderungsdruck aus. Diese Gründe tragen dazu bei, dass Lernen im
Erwachsenenalter zunehmend in Mode kommt.
Dabei ist zu bedenken, dass die Lernfähigkeit im Sinne der schnellen Informationsverarbei-
tung mit zunehmendem Alter abnimmt. Dazu gehören empirisch nachgewiesene Leistungs-
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einbußen kognitiver Funktionen wie beispielsweise beim Kurzzeitgedächtnis, bei der
Aufnahmegeschwindigkeit neuer Informationen oder der Problemlösegeschwindigkeit
(Renkl, 2008). Dem gegenüber steht der Zuwachs von Wissen und dessen Verfügbarkeit für
die Lösung komplexer Probleme. Das herausragende Talent älterer, erfahrener Menschen ist
ihre Fähigkeit, umfangreiches Wissen an spezielle situative Gegebenheiten zu adaptieren
(Salthouse 1987, 1990; nach Renkl, 2008). Die menschliche Entwicklung ist auch in höherem
Alter noch formbar (Baltes, 1990; nach Renkl, 2008). Diese Grenzen zwingen
SeminarentwicklerInnen, pädagogische Designs mit Bedacht und äußerster Rücksichtnahme
auf ihre Zielgruppe zu entwerfen bzw. auszuwählen. Beispielsweise kann die
Gedächtnisleistung Erwachsener durch entsprechendes Training deutlich verbessert und
sogar der Leistung jüngerer Erwachsener angenähert werden (Renkl, 2008).
2.2. Führung virtueller Teams
In diesem Abschnitt soll festgehalten werden, was unter dem Begriff des virtuellen Teams
verstanden wird und erläutert, was zu den außergewöhnlichen Führungsaufgaben gehört.
Dazu zählen insbesondere kommunikative Neuerungen, die von beiden Seiten betrachtet
werden.
2.2.1. Virtuelle Teams und ihre Führung
Im Sinne der Globalisierung ist es aktuell notwendig internationale Standorte miteinander zu
verknüpfen. Die Zusammenarbeit über große Distanzen ist heute Alltag in vielen
Unternehmen und wird begleitet von der Forderung nach effektivem
Informationsmanagement. Das beinhaltet Bedarf an technischen Lösungen in Form
moderner Medien und neue Kompetenzen der Teams, die sich nun in virtuellen
Umgebungen bewegen. Virtuelle Teams sind also definiert als „flexible Gruppen, bestehend
aus standortverteilten und ortsunabhängigen Mitarbeitern, die in Anlehnung an
Arbeitsaufträge zusammengesetzt und informationstechnisch vernetzt sind“ (Hertel &
Konradt, 2007, S. 9). Sie weisen die herkömmlichen Merkmale eines Teams auf mit der
herauszustellenden Besonderheit der Standortverteilung und den daraus folgenden
Konsequenzen für die Kommunikationstechnik.
Die Führung virtueller Teams gestaltet sich unkonventionell, da interaktive Führungsstile den
besonderen Herausforderungen der virtuellen Kommunikation gerecht werden müssen.
Lerntransfer
11
Konkrete Führungskonzepte für diesen Bereich befinden sich derzeit noch in der
Entwicklungsphase, deshalb lassen sich bisher keine genauen Strategieempfehlungen
ableiten (Hertel & Konradt, 2007). Den Umständen entsprechend haben sich die
Anforderungen an Führungskräfte verändert. Neben aufgabenbezogenen Funktionen wie
Kommunikation und Koordination, gewinnt der Aufbau der Beziehungsebene zunehmend an
Bedeutung. Überzeugungsarbeit und Gestaltung von Teamidentität rücken in den
Mittelpunkt. Führungskräfte schaffen aktiv Gruppennormen durch Gerechtigkeit,
Transparenz und Offenheit ihres Verhaltens. Kooperationsbeziehungen müssen oft schnell
gebildet und vertieft werden, können sich aber ebenso schnell wieder auflösen. Das
erfordert eine hohe Flexibilität von Führungspersonen und insbesondere kompetenten
Umgang mit Unsicherheiten (Lord & Smith, 1999; nach Hertel & Konradt, 2007).
Folglich sind Weiterbildungen für Führungskräfte virtueller Teams auch inhaltlich neu
orientiert. In der Ausarbeitung von Rosen et al. (2006; nach Hertel & Konradt, 2007) wird
deutlich, dass Kommunikation innerhalb virtueller Teams mit neuen Aufgaben verbunden ist
und daraus ein dringender Entwicklungsbedarf entsteht. Beispielsweise ist es von
unterschätzter Bedeutung das Kommunikationsmedium entsprechend der Aufgabenstellung
zu wählen (s. Task-Media-Fit Model von McGrath & Hollingshead, 1994, nach Boos & Jonas,
2008) oder durch Feedback-Kompetenzen die Motivation im Team aufrecht zu erhalten. Der
aktuelle Forschungsstand bezüglich kommunikativer Besonderheiten und Möglichkeiten ist
hier zwar oberflächlich angerissen, dennoch ist die Bemerkung unverzichtbar, dass dieser
Bereich noch nicht erschöpfend erforscht ist.
2.2.2. Besonderheiten der Kommunikation
Aktuell existieren mehrere Modelle, die computervermittelte Kommunikation größtenteils
mit Informationsverlusten und Verringerung zwischenmenschlicher Kontakte beschreiben.
Eine detaillierte Beschreibung der gängigen Theorien ist bei Döring (1999) nachzulesen, hier
soll lediglich eine kurze Themeneinführung stattfinden. Einer der bekanntesten solcher
Ansätze ist das SIDE-Modell (SIDE: Social Identity and De-Individuation). Der Theorie gemäß
wird angenommen, dass durch Nutzung textbasierter Medien Informationen über
individuelle Besonderheiten (z.B. Körperhaltung, Ausstrahlung, Mimik) fehlen. Anstatt die
Kommunikation subtil auf die Merkmale des Gegenübers abzustimmen, orientieren sich User
entweder an eigenen Standards oder ordnen ihre GesprächspartnerInnen in eine bekannte
Seelmann (2011)
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soziale Kategorie ein (Döring, 2000). Konsequenz des Egozentrismus oder der
Stereotypisierung ist häufig emotionale Missinterpretation der Textinformationen, wenn
MitarbeiterInnen ungenügend über derartige Schwierigkeiten aufgeklärt wurden. Die
fehlenden Hintergrundinformationen führen außerdem zur Enthemmung beim Austausch
von Gedanken und Gefühlen, was Fluch und Segen zugleich sein kann. Einerseits kommt es
schnell zur Verletzung sozialer Normen kommen, andererseits kann sich daraus ein
wertvoller Informationsgewinn ergeben (Döring, 2000), weshalb an dieser Stelle eine auch
eine gegenläufige Perspektive vorgestellt werden soll.
2.2.3. Möglichkeiten des Informationsaustausches
Das Digitalisierungs-Modell betont unter anderem die konkreten Vorteile computerver-
mittelter Kommunikation (Döring, 2000). Die Nutzung moderner Medien eröffnet
beispielsweise Möglichkeiten Informationsvermittlung hinsichtlich Zielgruppen, räumlicher
Distanz, Geschwindigkeit und Automatisierbarkeit wesentlich zu erweitern. Der Vielfalt der
bisher entwickelten Softwarelösungen kann an dieser Stelle längst nicht Rechnung getragen
werden und sei deshalb nur zusammengefasst als enorm einfachere Zugänglichkeit zu
Informationen. Auch das Problem des fehlenden persönlichen Kontakts scheint längst gelöst
durch Videoübertragungen, Bildmaterialien und Selbstdarstellungen in Form von
Homepages o.ä. Die vereinfachte und erhöhte Erreichbarkeit kann soziale Netzwerke sogar
erweitern und verdichten. Die Wahl des geeigneten Mediums zur Kommunikationsabsicht ist
aktuell wesentliches Erfolgskriterium.
Einen Ansatz emotionaler Basis bieten die Modelle der Imagination und Konstruktion, die
behaupten Informationslücken würden als fantasieanregend und wohltuend empfunden.
Das Fehlen negativer Personeneindrücke würde also beispielsweise zu einem freundlicheren
Umgang unter Teammitgliedern führen (Walther, 1996; nach Döring, 2000). Auf der anderen
Seite sind Informationslücken Quelle von Unsicherheit, die schnellstmöglich reduziert
werden möchte. Spontane, emotionale Ergänzungen aufgrund ungenügender Information
können Missverständnisse, Rollenkonflikte oder Enttäuschungen hervorrufen (Döring, 2000).
Die auffallenden Ähnlichkeiten des emotionalen Geschehens in virtueller sowie realer
Umgebung sprechen allerdings dafür, dass Hürden mithilfe von Kommunikations-
kompetenzen auch ebenso ähnlich überwunden werden können. Auf Grundlage dieser
Annahme wurden bereits Trainings für verschiedene Aspekte computervermittelter
Lerntransfer
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Kommunikation entwickelt und mit erfolgreicher Verbesserung des gegenseitigen
Verständnisses durchgeführt (z.B. Boos, Müller & Cornelius, 2009).
Veränderte Führungsaufgaben, neue kommunikative Herausforderungen und Möglichkeiten
stellen besondere Anforderungen an die Art und Weise der Weiterbildung. Sie muss
pädagogische Prinzipien berücksichtigen, aber im Sinne des Lerntransfers nah am virtuellen
Arbeitsplatz orientiert gestaltet sein. Unter den geforderten Merkmalen stellt sich das
Blended Learning als optimaler Ansatz erfolgreichen und anwendungsorientierten Lernens
dar.
2.3. Blended Learning als integrative Lösung
Dieses hoffnungsträchtige Konzept ist noch recht neu und wird zunächst beschreibend
vorgestellt. Die anschließend betrachteten Studien zur Wirksamkeit sind kritisch zu
interpretieren, da sie einem bisher nur kleinen Pool relevanter Studien entstammen.
2.3.1. Beschreibung
Die Idee der virtuellen Lehr-Lernumgebung entwickelte sich in den letzten Jahren zusammen
mit dem technischen Fortschritt und der zunehmenden Kompetenz des durchschnittlichen
Users bis hin zum aktuell etablierten E-Learning weiter. Eine psycho-pädagogische Sicht auf
das erweiterte Lernangebot, das durch Multimedia und Vernetzung erst möglich geworden
ist, bieten die Ausführungen von Zumbach (2010). Mittlerweile stehen auch methodisch-
didaktisch hochwertige Konzepte zur Verfügung, die mediengestütztes E-Learning und
klassische Präsenzveranstaltungen gelungen kombinieren. Derartige hybride
Trainingskonzepte verbessern den Lernerfolg in Führungsverhaltenstrainings und sichern
den Transfer in die virtuelle Praxis (Riegert, 2006).
Im Vergleich zu reinen Präsenzveranstaltungen oder reinem E-Learning bietet das
kombinierende Blended Learning überzeugende Vorteile, wie Sauter und Sauter (2002)
übersichtlich zusammenfassten (nach Riegert, 2006). Der Einsatz moderner Medien in Form
von Informations-, Übungs-, Simulations- und tutoriellen Systemen (Klauer & Leutner, 2007)
erlaubt es Lernenden beinahe jederzeit und ortsunabhängig zu lernen und zu arbeiten. Diese
Systeme sind es auch, die problemorientiertes Lernen arbeitsbegleitend mit hohem
Praxisbezug und permanentem Feedback anbieten. Vernetzung mit weiteren Usern und
Systemen ermöglichen persönlichen Informationsaustausch und Zugriff auf gespeichertes
Seelmann (2011)
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Wissen. Tutoren können beispielsweise online mit Lernenden Kontakt aufnehmen und zum
Ausprobieren der Trainingsinhalte anregen, während sich Mitglieder einer Lerngruppe im
gegenseitigen Erfahrungsaustausch unterstützen. Dabei soll die einfache Bedienbarkeit der
Technik bei der Organisation unterstützen und den Lernenden selbst ein bedarfsgerechtes
und individuelles Lernen nach der eigenen Geschwindigkeit steuern lassen.
Präsenzveranstaltungen zur Vor- und Nachbereitung der Trainingsmaßnahme runden das
Konzept ab, indem sie durch persönlichen Bezug Vertrauen, Verbindlichkeit und Motivation
aufbauen. Blended Learning Konzepte erstrecken sich über einen längeren Zeitraum als bei
instruktionellem Vorgehen der Fall wäre. Das Lernen am Arbeitsplatz spart so viel Zeit für
Organisatorisches ein, dass mehr Möglichkeiten für die Vermittlung von Lerninhalten zur
Verfügung stehen. Der Blended-Learning-Ansatz wird den Anforderungen aus der
Erwachsenenpädagogik gerecht und nutzt die kommunikativen Besonderheiten virtueller
Umgebungen geschickt zum Vorteil der Lernenden. Daher soll er später erneut aufgegriffen
und eine Seminardesignvariante von Alonso et al. (2005) vorgestellt werden.
2.3.2. Wirksamkeit
Bernard et al. (2004) führten eine Metaanalyse über 232 Vergleichsstudien zwischen face-to-
face Instruktionsunterricht (klassischen Unterricht) und dem Fernstudium in seinen
Varianten durch. Die AutorInnen berücksichtigten den technischen Fortschritt der Medien, in
dem sie die sogenannte distance education in fünf Generationen gliederten und sich auf die
jüngsten drei in ihrer Studienauswahl beschränkten. Distance education wurde definiert als
semipermanente räumliche und/oder zeitliche Trennung von Lernenden und Lehrenden,
Einfluss einer Bildungseinrichtung auf Planung, Unterrichtsmaterialien, Support und
Erfolgsmessung und die Verfügbarkeit von Kommunikationsmedien für Lernende und
Lehrende. Diese Definition schließt das hier vorgestellte Blended-Learning-Konzept mit ein.
Das Ergebnis der Analyse deutet darauf hin, dass es praktisch keinen Unterschied zwischen
beiden untersuchten Lehrformen hinsichtlich des Lernerfolges gibt. Allerdings filterten die
AutorInnen diejenigen Features heraus, die Lernerfolg und eine positive Einstellung zum
Lernen unter der entsprechenden Lehrform am besten vorhersagen (Tabelle 2).
Lerntransfer
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Tabelle 2. Zusammenfassung von Studien-Features, die Erfolg und Einstellung vorher sagen (Bernard, 2004,
gekürzt)
Klassischer Unterricht Distance Education
Synchrone Kommunikation
Erfolg Erfolg
• Face-to-face Meetings mit Lehrperson • Face-to-face-Kontakt mit Lernenden
• Telefongebrauch zum Kontakt mit
Lehrperson
• Nutzung von einseitigen Medien wie TV
und Video
Einstellung Einstellung
• Möglichkeit zum face-to-face-Kontakt mit
Lernenden
• systematisches instruktionales Design
• Nutzung von einseitigen Medien wie TV
und Video
• Möglichkeit zum mediengestützten
Kontakt zur Lehrperson
• Anregung des Lehrenden-Lernenden-
Kontakts
• Telefongebrauch zum Kontakt mit
Lehrperson
Asynchrone Kommunikation
Erfolg Erfolg
• keine signifikanten Prädiktoren • problemorientiertes Lernen
• Möglichkeit zum mediengestützten
Kontakt zur Lehrperson
• Informationen über Lernfortschritt für
Lernende
• Nutzung von einseitigen Medien wie TV
und Video
Einstellung Einstellung
• Internetnutzung • problemorientiertes Lernen
• computergestützte Kommunikation
• computerbasierende Instruktion
Die Ergebnisse der Metaanalyse sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren. Bernard et al.
(2004) räumten selbst massive Mängel am Informationsgehalt der verwendeten Studien ein.
Wahrscheinlich waren diese der Grund für die extreme Variabilität der Effektgrößen, die nur
tendenziell um Null schwankt. Die AutorInnen schlossen daraus treffend, dass distance
education manchmal sehr erfolgreich, aber auch manchmal sehr erfolglos verlaufen kann.
Seelmann (2011)
16
Sie vermuten, dass dieses Ergebnis der mangelhaften methodischen Qualität der Studien
geschuldet ist. Nur einige wenige konnten für die Formulierung von Praxisimplikationen
berücksichtigt werden, weshalb auch diese nur mit Vorsicht angenommen werden sollten.
Sie hoben das problemorientierte Lernen und Interaktionsmöglichkeiten durch face-to face
oder Medien mit Lehrenden und Lernenden als besonders erfolgversprechend hervor. Dabei
spielen die Komponente des kooperativen Lernens und der Interaktionsaspekt eine
elementare Rolle. Weiter abstrahiert lässt sich sogar sagen, dass effektives distance learning
maßgeblich von pädagogischen Prinzipien abhängt (Bernard et al., 2004, S. 413). Daher ist es
Fokus dieser Arbeit psycho-pädagogische Empfehlungen für die Konstruktion eines
nachhaltigen Blended Learning Seminars auszuformulieren. Gewicht liegt dabei
insbesondere auf dem Aspekt der Nachhaltigkeit, der durch explizite Unterstützung des
Lerntransfers erreicht werden soll.
2.4. Lerntransfer
Lerntransfer ist das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit. Der Begriff wird im Folgenden
definiert und einige ausgesuchte Unterteilungen vorgestellt. Daraufhin wird die Messung
von Transfereffekten mit den gängigen Versuchsplänen beschrieben. Folgend sei der
theoretische Hintergrund zur Transferforschung zusammengefasst.
2.4.1. Definition und Begriffe
Seit über hundert Jahren wird nun schon an Transfer geforscht (Haskell, 2001). In dieser Zeit
gab es verschiedene Auffassungen von Transfer und zunehmend mehr Unterteilungen in
artspezifische Abzweigungen. Aus dem Vergleich älterer Definitionen schloss Burger (2005)
auf folgende Kernaussage: Wurde etwas in einem Zusammenhang erlernt und dann auf
einen anderen Zusammenhang übertragen, spricht man von Transfer.
In ihrer Transferdefinition arbeiteten Hasselhorn und Gold (2006; S. 139) die Auffassung von
zwei verschiedenen Kontexten in Lern- und Anwendungssituation deutlicher heraus. „Die
erfolgreiche Anwendung des zuvor angeeigneten Wissens bzw. der erworbenen Fertigkeiten
im Rahmen einer neuen, in der Situation der Wissens- bzw. Fertigkeitsaneignung noch nicht
ersichtlichen Anforderung wird in der Lernpsychologie als Transfer […] bezeichnet.“
Klauer (2011; S. 17) kritisierte an dieser Definitionsvariante, dass sie die Möglichkeit von
negativem Transfer ausschließe und formulierte folgende Beschreibung: „Transfer ist ein
Lerntransfer
17
nichttrivialer Lerneffekt, d.h. ein Lerneffekt bei Aufgaben, die in dem fraglichen Prozess
weder gelernt noch geübt wurden.“ Er war der Auffassung man müsse mit weit mehr
Transferphänomenen rechnen, als bisher angenommen, denn er käme bei allem Lernen vor
(Hebb 1949; nach Klauer, 2011).
Begriffe
Lerntransfer lässt sich zunächst in zwei große Kategorien einteilen (Hasselhorn & Gold,
2006): Proaktiver Transfer bedeutet eine Erleichterung des Lernens in einer Situation B,
nachdem in einer Lernumgebung A Kenntnisse und Fertigkeiten erworben wurden. Der
retroaktive Transfer beschreibt, wie durch spätere Lernsituationen früher erworbenes
Wissen noch unterstützt werden kann. Im folgenden Abschnitt werden hier relevante
lernpsychologische Unterbegriffe ausschließlich des proaktiven Transfers erläutert.
Positiver vs. negativer Transfer. Werden durch das Lernen Problemlösefähigkeiten gefördert
und zukünftiges Lernen erleichtert, spricht man von positivem Transfer. Wird durch früheren
Wissenserwerb späteres Lernen oder Problemlösen behindert, handelt es sich um negativen
Transfer. Dieser lässt sich beispielsweise beobachten, wenn gelernte Regeln oder
Problemlösestrategien übergeneralisiert werden und in Fehllösungen neuer Aufgaben
resultieren. Ursachen für den negativen Transfer sind z.B. mangelnde Kenntnisse über die
Anwendbarkeit des neuen Wissens oder die Deautomatisierung einer ehemals
hochautomatisierten Handelsroutine, was zumindest kurzfristig zu
Leistungsverschlechterung führen kann (vgl. z.B. Hasselhorn & Mähler, 1993; nach
Hasselhorn & Gold, 2006).
Proximaler vs. distaler Transfer. Hintergrund dieser Unterscheidung ist die Annahme, dass je
unähnlicher eine mögliche Anwendungs- von der eigentlichen Lernsituation wäre, desto
schwieriger sei der Transfer. Ob eine große Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit zwischen beiden
Situationen besteht, lässt sich nach der Inhalts- (z.B. Wissensinhalte, Fertigkeiten, Strategien)
oder Kontextkomponente (Ort und Zeit der Transfersituation) beurteilen (Barnett & Ceci,
2002; nach Hasselhorn & Gold, 2006). Sie ist dimensional und ihr Grad lässt sich daran
ausmachen, wie viele gleiche Elemente oder Teile zwei Situationen oder Lernaufgaben
haben (Klauer, 2011).
Im Verlauf dieser Arbeit werden überwiegend Maßnahmen zur Unterstützung positiven und
Vermeidung negativen Transfers vorgestellt. Verschiedene Autoren führen feinere
Seelmann (2011)
18
Unterscheidungen aus, erwähnt werden beispielsweise horizontalen und vertikalen (Blume
et al., 2010), literalen und figuralen Transfer (Hasselhorn & Gold, 2006) sowie Zuordnungen
nach Bewusstheit oder Spezifität von Transfer (Hasselhorn & Gold, 2006). Die Dimensionen
des Transfers sollen an dieser Stelle zur Abrundung der Begriffsbedeutung erwähnt sein,
finden aber keine weitere Einbettung.
2.4.2. Messung von Transfereffekten
Der Definition zufolge ist Transfer immer das Resultat eines Lernprozesses, der sich hier als
unabhängige Variable darstellt. Weiterhin kann Transfer nur in anderen Problematiken als
dem Gelernten selbst auftreten, andernfalls könne nur von Wiederholungseffekten die Rede
sein. Die abhängige Variable wäre also als vom Gelernten verschiedener Kontext festzulegen
(vgl. Klauer, 2011). Für die adäquate Messung von Lerntransfer erweisen sich die folgenden
Versuchspläne als geeignet.
Klassische Experimentieranordnungen sind der Proaktions- und der Retroaktionsplan
(Osgood, 1962; Ellis, 1965; nach Klauer, 2011). Der Proaktionsplan misst den Effekt eines
Trainings A auf einen Test B im Vergleich zu einer untrainierten Kontrollgruppe. Dahingegen
soll der Retroaktionsplan den Einfluss eines Trainings auf früher gelerntes Wissen
überprüfen. Tabelle 3 stellt beide Versuchspläne schematisch dar.
Tabelle 3. Proaktiver und retroaktiver Versuchsplan (Klauer, 2011)
Proaktionsplan
Experimentalgruppe lernt A → Test B
Kontrollgruppe lernt A nicht → Test B
Retroaktionsplan
Experimentalgruppe Test A → lernt B → Test A
Kontrollgruppe Test A → lernt B nicht → Test A
Beide Pläne haben gewisse Grenzen in ihrer Einsetzbarkeit (vgl. Klauer, 2011). Der
Proaktionsplan empfiehlt sich beispielsweise nur, wenn bei Personen der Experimental- und
Kontrollgruppe mit Sicherheit gleiche Leistungsniveaus bestehen. Ist dies nicht gegeben,
sollten auf sehr große Stichproben rekrutiert werden, da sich auf diese Art und Weise durch
zufällige Zuordnung zu den Versuchsgruppen die Leistungsniveaus recht ausgeglichen
verteilen lassen. Für kleinere Stichproben eignet sich aus diesem Grund eher der
Lerntransfer
19
Retroaktionsplan, durch dessen Prätest sich Leistungsunterschiede statistisch ausgleichen
lassen. Die Tätigkeit der Kontrollgruppe ist ebenfalls kritisch zu betrachten. Durch die
Versuchspläne ist bisher nicht festgelegt, was sie statt dem Training tun sollen. Im Sinne der
Präzision der Messungen ist es vorteilhaft, der Kontrollgruppe ein Treatment ähnlicher
Beanspruchung wie der Experimentalgruppe, allerdings mit deutlich anderen Anforderungen
zukommen zu lassen. Insbesondere da es sich um die Untersuchung von Lerneffekten
handelt, sollte die kognitive Beanspruchung durch das Treatment auf vergleichbarem Niveau
sein (Klauer, 2011). Darüber hinaus stellt sich die Frage nach möglicherweise auftretenden
Prätesteffekten beim Einsatz des Retroaktionsplans. Sie sind abhängig von Art und Inhalt des
Prätests in unterschiedlichen Größenordnungen zu erwarten. Beispielsweise führt es bei
kognitiven Leistungstests zu stärkeren Effekten, wenn Prä- und Posttest gleich sind, weil es
sich durch die Wiederholung um eine Lerngelegenheit handelt. Durch den Einsatz von
Paralleltests würde dieser Effekt abgeschwächt werden. Da alle Versuchsgruppen im
Retroaktionsplan gleichermaßen den Prätesteffekten unterliegen, ist nur eine einfache
Korrektur bei der Transfereffektberechnung vorzunehmen, bei der die Differenz zwischen
Prä- und Posteffekt gebildet wird. Anders verhält es sich bei affektiv-emotionalen Tests.
Probanden können durch die Fragen des Prätests für bestimmte Vorurteile, Meinungen,
Vorzüge und ähnliches sensibilisiert werden. Je nach gewählter Skala wird diese
Sensibilisierung verschiedene Auswirkungen haben, die aufgrund der vielfältigen
Möglichkeiten nicht zuverlässig vorhersagbar sind. Solche Tests sollten daher wohl überlegt
eingesetzt und der Sensibilisierungseffekt keinesfalls vernachlässigt werden.
2.4.3. Theoretische Grundlage des Lerntransfers
Lernen verbessert erwartungsgemäß in erster Linie die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die
durch den Stoff vermittelt werden. Darüber hinaus hat das Lernen Effekt auf vorher
Gelerntes und darauf folgendes Lernen (Klauer, 2011), aber auch auf Einstellungen und
allgemeine Denkfähigkeiten. Beschäftigt man sich mit Theorien, die versuchen solchen
Lerntransfer zu erklären oder zumindest Bedingungsfaktoren zu identifizieren wird man
immer wieder auf Thorndike und seine Theorie der identischen Elemente stoßen.
Thorndike ging davon aus, dass generalisierbare Lern- und Denkfähigkeiten
(bereichsübergreifende Kompetenzen) nicht durch Inhaltsvermittlung gelehrt würden. Er
formulierte in seiner Theorie, dass Lerntransfer nur stattfindet, wenn Wissenselemente der
Seelmann (2011)
20
Anwendungssituation bereits in der Lernsituation enthalten waren (Hasselhorn & Gold,
2006). Lernende müssten also möglichst speziell auf die Anforderungen hin ausgebildet
werden, denen sie später gegenüber stehen (Klauer, 2011). Hasselhorn & Gold (2006)
kritisierten Thondikes Fokussierung objektiver Elemente. So ergänzten sie seinen Ansatz
folgendermaßen: Es ginge nun um die von Lernenden subjektiv wahrgenommene Ähnlichkeit
von Vorgehensweisen und Strategien, denn Lern- und Transfersituation könne nie
vollkommen identisch sein.
Eine moderne Variante von Thorndikes Theorie definierte den Ausdruck „identische
Elemente“ etwas genauer. Anderson veröffentlichte 1983 (nach Klauer, 2011) eine Theorie
namens Adaptive Control of Thought (ACT). Er unterschied dabei strikt zwischen
deklarativem, verbalisiertem Wissen und prozeduralen Fertigkeiten. Beide sollen durch
productions miteinander verknüpft sein, das sind Regeln der Form „wenn Bedingung A erfüllt,
dann folge Handlung B“. Lerntransfer trete nur dann auf, wenn Aufgaben mindestens eine
production gemeinsam hätten, d.h. wenn dieselbe Bedingungskonstellation genau dieselbe
Handlung fordere. Daraus ließe sich das Prinzip der Gebrauchsspezifität ableiten, nach dem
wir nicht einfach Kenntnisse, sondern Kenntnisse in und für bestimmte
Anwendungszusammenhänge erlernen würden. Gemeinsame Elemente definieren sich also
über gemeinsame Handlungen ausgelöst von den gleichen Bedingungen.
Nach Thorndike würde im Falle identischer Aufgabenelemente positiver Transfer stattfinden,
im Falle völliger Verschiedenheit der Aufgaben kein Transfer. Auch Andersons Ansatz zufolge
fände kein Transfer statt, wären ungleiche productions für zwei Aufgaben anzuwenden.
Klauer (2011) merkte zu Recht an, dass der negative Transfer in diesen Theorien fehle und
sie deshalb widerlegbar wären, weil die Existenz negativen Transfers nicht angezweifelt
werden könne. Dennoch ist beiden Ansätzen in gewissem Maße zu vertrauen. Wie Thorndike
richtig erkannte, findet Transfer unter der Voraussetzung identischer Aufgabenelemente
statt, wobei es sich bei diesen Elementen nicht um Wissensinhalte handeln muss. Wie
Anderson schon bemerkte, sind es Handlungen, also Lösungsstrategien, die übertragbar auf
ähnliche Aufgabenstellungen (Bedingungen) sind. Tieferes Eindringen in die Fragestellung,
was genau von Lernenden transferiert wird, veranlasste Klauer (2011) zwei Transferbereiche
zu unterscheiden. Es können sowohl Strukturen der Lernsituation, als auch Lernstrategien
zwischen Problemen übertragbar sein.
Lerntransfer
21
Transfer von Strukturen
Mit Strukturen sind Handlungspläne, Merkmale der Lernsituation oder Problemstellung und
deren Zusammenhänge gemeint. Der Transfer von Strukturen bedeutet die Übertragung von
Handlungsplänen auf ein Problem oder eine Situation ähnlicher Beschaffenheit, auch
Analogienbildung genannt.
Das Lernen anhand von Analogien ist für das Verstehen essentiell. Es bedeutet die
Verknüpfung von neuem mit vorhandenem Wissen und stellt somit eine Wissensintegration
dar. Nicht immer werden Analogien im Unterricht vorteilhaft eingesetzt. Ein zu grober
Vergleich oder zu oberflächliche Assoziationen können auch negative Effekte hervorrufen.
Eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung für den Erfolg von Analogienbildung ist, dass
Lernende die bereits gelernten Inhaltsgebiete ausgezeichnet verstanden haben. Ist dies nicht
gegeben, findet kein Transfer statt, da entscheidende Gemeinsamkeiten zwischen
Anforderungen nicht erkannt werden. Unangemessene Analogien können sogar negativen
Transfer herbeiführen (vgl. Hasselhorn & Gold, 2006). Diesem Phänomen kann durch
verstärkte Anleitung oder Förderung des Austausches in Gruppen entgegengewirkt werden
(Alonso et al., 2005). Modellhafte Lösungen und Diskussionsrunden bieten sich insbesondere
an.
Ein gutes Beispiel für den Einsatz von Analogien zum besseren Verständnis komplexen neuen
Wissens ist die Verwendung von Metaphern. Es handelt sich um Veranschaulichungen, um
durch Analogien das Verstehen von Sachverhalten zu erleichtern (Klauer, 2011). In der Praxis
stellt es sich häufig als problematisch heraus die gemeinsamen Relationen zweier Probleme
zu entdecken. Dies wird erleichtert, wenn mehrere analoge Probleme offeriert werden, die
Realitätsbereiche gut bekannt sind, die Aufgaben leicht sind und die Belastung des
Arbeitsgedächtnisses relativ gering bleibt (Klauer, 2011).
Transfer von Strategien
Judd (1939; nach Hasselhorn & Gold, 2006) vertrat weniger Thorndikes Sichtweise und
betonte statt ähnlicher Elemente Verallgemeinerungen, die von Lernenden erkannt und in
neuen Situationen angewandt werden müssten. Er formulierte daraus die Theorie des
Erkennens von Prinzipien, die besagt, dass dieselbe allgemeine Regel, die in einer Aufgabe A
gelernt wurde, auch für die Bewältigung von Aufgabe B hilfreich ist (Hasselhorn & Gold,
2006). Hier geht es also nicht darum gelernte Inhalte auf neue Probleme zu übertragen,
Seelmann (2011)
22
sondern Techniken und Strategien zu erlernen und in den fraglichen Situationen
anzuwenden (Klauer, 2011). Zur Konkretisierung dieses Sachverhaltes folgen nun einige
ausgewählte Vertiefungen, die besonders im vorliegenden Zusammenhang relevant sind.
Die Strategie des Vergleichens
Sobald ein Problem analog zu einem anderen gelöst werden soll, ist die Strategie des
Vergleichens essentiell, um die gemeinsame Grundstruktur zu entdecken. Dies erfordert eine
tiefe Verarbeitung einzelner Merkmale der Problemsituation. Es ist hilfreich mehr als zwei
Probleme miteinander zu vergleichen, um das Erkennen der Grundstruktur zu erleichtern
und ihren positiven Transfer zu begünstigen (Klauer, 2011).
Die Strategie des Vergleichens steht im Mittelpunkt jener Prozesse, die induktives Denken
ermöglichen. „Induktives Denken besteht in der Entdeckung von Regelhaftigkeiten oder
Gesetzmäßigkeiten (…)“ (Klauer, 2011, S. 103). Es ist deshalb von so großer Bedeutung, weil
seine Verfahrensweise für jeden strukturellen Transfer grundlegend ist.
Metakognitive Strategien
Metakognitive Prozesse sind dafür verantwortlich, dass wir uns unseren eigenen Wissens
und Könnens und auch unseren Nichtwissens bewusst sind. Speziell im Kontext des
Problemlösens beinhaltet das metakognitive Wissen Kenntnis um die Art der Aufgaben und
ihre Anforderungen, um geeignete Strategien und um die eigenen Fähigkeiten sowie deren
Grenzen (Flavell 1979, nach Klauer, 2011). Sie ermöglichen die Steuerung des eigenen
Denkens, in diesem Zusammenhang auch Selbstregulation oder metakognitive Kontrolle
genannt. Sie ist gekennzeichnet durch Planung, Steuerung bzw. Überwachung und
Bewertung eigenen Handelns (Flavell 1979, nach Klauer, 2011).
Das transferorientierte Training metakognitiver Strategien besteht im Wesentlichen in drei
Schritten. Zunächst muss das Wissen um die Strategie selbst vermittelt werden. Dann muss
sie eingeübt werden, sodass von einem Können die Rede sein kann. Daraufhin wird es
notwendig sein auf mögliche Anwendungsgelegenheiten der Strategie hinzuweisen (Klauer,
2011). Auch hier spielt das Vergleichen auf kognitiver Ebene eine elementare Rolle. Neue
Aufgaben müssen mit gelernten Anwendungsmöglichkeiten verglichen und über den Einsatz
einer Strategie entschieden werden. In verschiedenen Studien zum Training einzelner
metakognitiver Strategien (z.B. Planungsfähigkeit und Nachweis kausaler Zusammenhänge)
konnte sowohl Trainingserfolg als auch positiver Transfer auf ungeübte Aufgaben gleichen
Lerntransfer
23
Typs und Anspruchsniveaus beobachtet werden (Fritz & Hussy, 2001; Zohar & Peled, 2008;
nach Klauer, 2011).
Im Rückblick auf die bisherige Forschung zum Training metakognitiver Strategien fand Klauer
(2011) nicht nur derartig positive Ergebnisse. Erklärungsversuche waren z.B. die verschieden
bemessenen Lernzeiten oder Quantität der Lerninhalte, aber auch Interaktionseffekte
verschiedener Strategien, wenn das Training mehrere umfasste. Lerndefizite stellten sich
möglicherweise nur als kurzfristiges Problem dar, das sich auflösen würde, sobald gelernte
Strategien automatisch abliefen, also keiner bewussten Verarbeitung mehr bedürften. Ein
weiterer nicht unwichtiger Einflussfaktor ist die Qualität der Lehre. So hingen
Erfolgsergebnisse auch davon ab, inwiefern Lehrende motivierenden und gut strukturierten
Unterricht darbieten konnten.
Bereichsspezifische Strategien
Viele Strategien sind nicht so bereichsübergreifend und daher nicht auf beliebige
Problemsituationen anwendbar wie das Vergleichen. Der Einsatz einer falschen Strategie
führt sogar zu einer Leistungsminderung. Hier soll ein positives Beispiel anhand des Trainings
und Transfers einer spezifischen Führungsstrategie erläutert werden.
In der Wirtschaft werden viele solcher Führungsstrategien unterschieden. Gegen ein
Honorar werden sie im Training (Coaching) angeboten, experimentelle Untersuchungen zu
ihrer Wirksamkeit sind allerdings eher selten. Hier soll es um einen speziellen Führungsstil
von Bass (1985) gehen, den er Transformational Leadership nannte. Klauer (2011) beschreibt
die Führungsstrategie als gekennzeichnet durch charismatische Elemente, indem man die
Vision vermittle, an einem wichtigen Vorhaben beteiligt zu sein. Angestellte sollen
intellektuell stimuliert und ermutigt werden, selbst vernünftige Lösungen zu entwickeln und
überholte Verfahren in Frage zu stellen. Es werde Wert darauf gelegt, Angestellte in ihrer
persönlichen Entwicklung zu unterstützen, sie zu höheren Zielen zu ermuntern und
Zielstrebigkeit zu fördern.
Das Transformational Leadership wurde von Barling, Weber und Kelloway (1996; nach Klauer,
2011) genauer unter die Lupe genommen. Neun von 20 leitenden Managern einer großen
kanadischen Bank wurde das Training zuteil. Zunächst wurden die TeilnehmerInnen in einer
Gruppensitzung mit der Theorie des neuen Führungsstils vertraut gemacht. Dann folgten
individuelle Einzeltrainings der Autoren persönlich mit individuell abgestimmten
Seelmann (2011)
24
Zielvereinbarungen zu jeder neuen Sitzung. Der Erfolg dieser Maßnahme wurde bei den
Angestellten gemessen, für die die jeweiligen Manager verantwortlich waren. Es handelte
sich also um den Transfer der gelernten Führungsstrategien auf die Angestellten in der
Alltagssituation. Die Auswertung der Befragung ergab überwältigend positive Ergebnisse:
Angestellte hatten den Eindruck, der Vorgesetzte nehme an dem Fortkommen der Einzelnen
persönlichen Anteil, der Vorgesetzte hätte eine stärkere Bindung zum Unternehmen und
erreichten deutlich höhere Verkaufszahlen im Vergleich zur untrainierten Kontrollgruppe. Es
konnte ein nachhaltiger Transfereffekt nachgewiesen werden.
Asymmetrischer Strategietransfer
„Man spricht von asymmetrischem Transfer, wenn man es mit zwei Aufgaben A und B zu tun
hat und wenn das Erlernen von A größeren Transfer auf die Leistung in B bewirkt als das
Erlernen von B auf die Leistung in A“ (Klauer, 2011, S. 169). Asymmetrischer Transfer taucht
insbesondere dann auf, wenn es um das Erlernen von Strategien geht, speziell wenn sie
verschiedene Allgemeinheitsgrade haben. Salomon (1989; nach Klauer, 2011) behauptete
außerdem, eine Strategie könne nicht gleichzeitig sehr wirksam und weit anwendbar sein.
Demnach gilt, „je weiter anwendbar eine Strategie ist, desto schwächer ist sie im konkreten
Fall, und je begrenzter ihre Anwendbarkeit, desto hilfreicher erweist sie sich, wo sie in Frage
kommt“ (Klauer, 2011, 170). Daher kommt es zwar häufiger zum Transfer allgemeiner
Strategien, die aber nur zu geringfügig höherem Lernerfolg führen. Des Weiteren tritt
asymmetrischer Transfer häufig auf, wenn Lernende bereits über ein Strategierepertoire
verfügen, aber dennoch neue Strategien lernen sollen. In vielen Fällen ist es schwierig die
Notwendigkeit dessen einzusehen, was die Lernmotivation erheblich schwächt. Mit
speziellen Methoden kann diesem Effekt entgegen gewirkt werden, wie z.B. mit dem
„informierten Training“: Probanden bzw. Lernende werden über Sinn, Zweck und Vorteile
der neuen Strategie umfassend aufgeklärt (Palincsar & Brown, 1984; nach Klauer, 2011),
wodurch sie zum Vergleich alter und neuer Strategien angeregt werden und sich für die
vorteilhaftere Variante entscheiden. Wenn eine bereits beherrschte Strategie durch eine
andere ersetzt werden soll, tritt häufig eine Phase der Verunsicherung ein, in der die
Leistung insgesamt schlechter wird (vgl. Goldmann et al., 1989; nach Klauer, 2011).
Lerntransfer
25
3. HAUPTTEIL
Es sind drei Faktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg eines Seminars
hinsichtlich des Lerntransfers haben. Sie werden nun beschrieben und mithilfe eines
theoretischen Modells im Transferprozess orientiert.
3.1. Drei Faktoren, die den Transfer beeinflussen
Das erste und seither meist zitierte (z.B. Burger, 2005, Weisweiler, 2008)
organisationspsychologische Rahmenmodell aus Untersuchungen von Transfer in
betrieblichen Weiterbildungen wurde von Baldwin und Ford (1988) aufgestellt (Abb. 1,
Burger, 2005). Sie identifizierten drei Einflussfaktoren auf den Transferprozess, die sich in
darauf folgenden Modellen etablierten. Erstens sind das die Merkmale des Trainees, dessen
fachliche und inhaltsunabhängige Fähigkeiten, Motivation und Persönlichkeit. Zweitens geht
es um das Trainingsdesign, eingeschlossen der Lernziele, Lehrmethoden und das Einflechten
von Lehr-Lernprinzipien wie den Einsatz verschiedener Trainingstechniken und die Schaffung
von Anwendungsgelegenheiten. Dritter globaler Einflussfaktor ist die Arbeitsumgebung, die
aus dem Transferklima, der sozialen Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen und
Hemmnissen sowie Möglichkeiten bezüglich des Transfers besteht (Blume et al., 2010). Es
sind diese drei Faktoren, die Transferwirkung zuverlässig voraus sagen sollen und
erfolgreichen Transfer vorbereiten.
2010 führten Baldwin und Ford zusammen mit Blume und Huang eine Metaanalyse durch,
die aufdeckt, welche Auswirkungen diese prädiktiven Faktoren bezüglich des Transfers in
verschiedenen Kontexten und bei unterschiedlichen Aufgaben haben. Sie untersuchten den
Zusammenhang zwischen Traineemerkmalen, Arbeitsumgebung und Trainingsmaßnahmen
mit dem Transfer, außerdem moderierende Variablen auf diesen Zusammenhang. Dabei
handelte es sich unter anderem um den Zeitabstand zwischen Training und Transfermessung,
Selbst- vs. Fremdbeobachtungsmaße, Labor- vs. Feldforschung und die Unterscheidung
zwischen Fähigkeitentransfer und Prinzipientransfer. Die Autoren trugen Erstunter-
suchungen zur Korrelation oben genannter Faktoren mit Transfermessungen aus
verschiedenen Datenbanken zusammen. Sie schlossen bei ihrer Recherche konsequent
Studien aus, die lediglich Lernerfolg untersuchten und keine Transferleistung erforderten.
Bevorzugt wählten sie die Messung von transferbezogener Effektivität anhand von
Seelmann (2011)
26
Praxistests, Fremd- oder Selbstauskünften, in dieser Reihenfolge priorisiert. Des Weiteren
begrenzten sie ihre Auswahl auf englische Studien mit gesunden, erwachsenen Teil-
nehmerInnen. Die Kodierung der Studien wurde von zwei unabhängigen Personen
vorgenommen, um Reliabilität zu gewährleisten. Blume et al. (2010) hielten sich nach eigen-
en Aussagen in der metaanalytischen Vorgehensweise an die wissenschaftlich evaluierten
Richtlinien von Geyskens (2009).
Ergebnisse der Metaanalyse waren folgende: a) Die Verwendung derselben Auskunftsquelle
(z.B. Selbstbeobachtung) oder desselben Experimentalkontexts in Lern- und Transfersitua-
tion erzeugte bei der Messung eine scheinbar höhere Korrelation zwischen Transfer und Um-
gebung sowie Motivation. b) Der Zusammenhang zwischen Transfer und anderen Variablen
blieb unabhängig von der Art des Gelernten. c) Alle Zusammenhänge sind signifikant ab-
hängig von Quelle und Zeitpunkt der Transfermessung. In zahlreichen Studien kommt es
daher zu verzerrt höheren Transfereffekten. Nach statistischer Korrektur kamen Blume et al.
(2010) zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Korrelationen bezüglich der drei Transferde-
terminanten hauptsächlich moderat waren. Der einzig starke Zusammenhang bestand
zwischen Transferleistung und allgemeiner kognitiver Fähigkeit. Somit sind die folgenden
Darstellungen unter diesem Gesichtspunkt zu relativieren, denn die oben definierten Trans-
ferdeterminanten sagen erfolgreichen Transfer demnach nur bedingt voraus.
Baldwin und Ford (1988; nach Burger, 2005) fassten die oben diskutierten
Transferdeterminanten unter dem Begriff Training Inputs zusammen. Diese haben ihren
Annahmen zufolge einen direkten Einfluss auf die Training Outputs, beschrieben als Lern-
und Behaltensleistung. Darüber hinaus wirken Traineemerkmale und
Arbeitsumgebungsfaktoren wiederum direkt auf die sogenannten Transferbedingungen,
wobei hier speziell Generalisierung und Aufrechterhaltung des Gelernten gemeint ist (Abb.
1).
Lerntransfer
27
Abbildung 1. Das Rahmenmodell des Trainingstransfers (Baldwin & Ford, 1988, S. 65; zit. n. Burger, 2005,
S. 93)
Aus diesem Modell lassen sich wertvolle forschungsrelevante Implikationen ableiten, wes-
halb es noch immer häufig im Rahmen der Transferforschung diskutiert wird. Erwähnens-
wert ist allerdings seine begrenzte Anwendbarkeit für die Praxis, denn ihm fehlt die Einord-
nung der Transferdeterminanten in den individualpsychologischen Verlauf eines Transfer-
prozesses (Burger, 2005). Einige Autoren nahmen diese Herausforderung an, so entwickelten
sie beispielsweise das integrative Bedingungsmodell von Rank und Wakenhut (1998; nach
Burger, 2005) oder die deutlich komplexere Variante von Cannon-Bowers et al. (1995). Die
vorliegende Arbeit ist jedoch orientiert an abgebildetem Rahmenmodell, um die Dar-
legungen kompakt zu halten. In diesem Kapitel soll nun weiterhin auf Traineemerkmale,
Charakteristiken der Arbeitsumgebung und des Seminardesigns eingegangen und konkrete
Gestaltungsempfehlungen eingeflochten werden.
3.2. Traineemerkmale
Baldwin und Ford (1988) nahmen Fähigkeit, Persönlichkeit und Motivation als die
wesentlichen Personenmerkmale an, die über mehr oder weniger erfolgreichen Transfer
unterscheiden. Hinsichtlich dieser Funktion werden sie an dieser Stelle genauer beleuchtet.
3.2.1. Fähigkeit
Dem Prozessmodell von Baldwin und Ford (1988) angelehnt formulierten Rank und
Wakenhut (1998) ausführlichere Beschreibungen der drei Bedingungsfaktoren (nach Burger,
2005). Sie fassten die transferrelevanten Fähigkeiten des Trainees als allgemeine Intelligenz
Traineemerkmale
• Fähigkeit
• Persönlichkeit
• Motivation
Trainingsdesign
• Lernprinzipien
• Sequenzierung
• Trainingsinhalt
Arbeitsumgebung
• Unterstützung
• Gelegenheit zur
Anwendung
Lernen und
Behalten
Generalisierung und
Aufrechterhaltung
Training Inputs Training Outputs Transferbedingungen
Seelmann (2011)
28
zusammen. Dieser Punkt ist insbesondere deshalb kritisch zu betrachten, weil die AutoInnen
fachliches Vorwissen als nicht lernrelevant betrachteten. Die aktuelle Forschung zu
pädagogisch wertvollen und nachhaltigen Methoden beweist allerdings das Gegenteil,
nämlich dass Verknüpfungen zu bestehendem Wissen das Lernen und die Verankerung im
Langzeitgedächtnis erleichtern und Interferenzen mit dem Vorwissen sogar negativen
Transfer hervorrufen (Klauer, 2011; Riegert, 2006). Die allgemeine Lernfähigkeit soll der
situations- und inhaltsübergreifender Faktor auf Seiten des Trainees sein, anhand dessen
sich Erfolg vorhersagen ließe. Dieser Sachverhalt gilt jedoch bisher nicht als empirisch
bestätigt (Burger, 2005).
Klauer (2011) betrachtet die Fähigkeiten von Lernenden ebenfalls als transferbedeutsam,
setzt sie aber in seiner Theorie in ein neues Verhältnis, denn Transfer hänge außerdem von
der Schwierigkeit von Lern- und Transferaufgaben ab (Abb. 2). Weniger befähigte Lernende
würden einen geringeren Lerngewinn aus schwierigen Aufgaben ziehen als fähigere.
Leichtere Aufgaben würden hingegen zu etwa gleichem Lernerfolg führen. Weniger
befähigte Lernende profitieren deutlich stärker von Lernhilfestellungen oder leichten
Transferaufgaben. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass weniger befähigte Lernende
maximalen Lernerfolg bei leichten Aufgaben erreichen, sehr fähige Lernende dagegen nur
bei schwierigen.
Abbildung 2. Interaktion zwischen Fähigkeit und Lernerfolg in Abhängigkeit von der Schwierigkeit der
Aufgaben
3.2.2. Persönlichkeit
Ähnlich der Intelligenzvorstellung von Rank und Wakenhut (Burger, 2005) werden auch
Persönlichkeitsmerkmale als stabile individuelle Personenfaktoren angenommen. Es liegt
daher nahe zu untersuchen, ob ein konstanter Persönlichkeitsfaktor Einfluss auf den
0
5
10
15
20
25
30
35
70 80 90 100 110 120 130
Lern
erf
olg
Fähigkeit
Leichte Aufgaben
Mittlere Aufgaben
Schwierige Aufgaben
Lerntransfer
29
Lernerfolg nehmen kann. Dowaliby und Schumer (1973) nahmen in diesem Zusammenhang
an, dass Ängstlichkeit unterschiedlich mit der Lehrmethode interagiert. Sie untersuchten in
ihrer Studie wenig und hoch ängstliche Collegestudierende und ihren Lernerfolg unter
lernerzentriertem oder lehrerzentriertem Unterricht. Beim lernerzentrierten Studium hatten
die Lernenden viel größere Freiheit, den Lernweg selbst zu bestimmen und den Lernerfolg
selbst einzuschätzen im Gegensatz zur Lehrorientierung. Die Autoren nahmen an, dass hoch
ängstliche Studierende von dieser Freiheit profitieren würden.
Abbildung 3. Lernerfolg bei hoch und niedrig ängstlichen Lernenden in Abhängigkeit vom Lehrverfahren
(nach Dowaliby & Schumer, 1973)
Den Ergebnissen zufolge reagieren ängstliche Studierende entgegen den Erwartungen
deutlich positiver auf die vorgegebene Strukturierung lehrerzentrierten Unterrichts (Abb. 3).
Klauer (2011) folgert daraus, dass Studierende möglicherweise überfordert waren,
Entscheidungen völlig allein zu tragen. Hilfestellung bei den einzelnen Vorgehensweisen
reduziere ihre Unsicherheit und die damit verbundene emotionale Belastung.
Lehrerzentrierter Unterricht führte in dieser Studie außerdem zu stabilerem Lernerfolg,
während es lernerzentriert zu starken Schwankungen kam. Um konkrete Implikationen für
diese Arbeit abzuleiten, fehlt es leider an der Information, ob mit einer gering oder hoch
ängstlichen Mehrheit Lernender in Führungskräftetrainings zu rechnen ist. Daher ist es
günstig eine Kombination der Lehrformen anzustreben, die sowohl freie Zeiteinteilung als
auch strukturelle Lernvorgaben vereint. Vorrangig ist es die Lehrmethode, genauer die Art
der Instruktion, die Lernerfolg vorhersagen kann. Die Persönlichkeitsmerkmale der
Lernenden nehmen darauf nur moderierenden Einfluss (Parker & Sprigg, 1999).
3.2.3. Motivation
10
15
20
25
30
niedrig hoch
Lern
erf
olg
Ängstlichkeit
Lehrerzentriert
Lernerzentriert
Seelmann (2011)
30
Aus den gängigen psychologischen Motivationstheorien (zusammengefasst von Schulz-Hardt,
2008) lassen sich Implikationen für Weiterbildungen ableiten. So ist der Zielsetzungstheorie
von Locke und Latham (1990) zu entnehmen, dass beispielsweise eine hohe Identifikation
mit der Lernaufgabe sowie Akzeptanz und Beurteilungsfeedback sich äußerst günstig auf die
Lernmotivation auswirken. Die Motivation zum Transfer wird darüber hinaus gestützt durch
Sicherheit in der Anwendung des Gelernten, Erkennen von Anwendungssituationen am
Arbeitsplatz, Einsicht in die Relevanz der Trainingsinhalte für Arbeitsabläufe und die
Überzeugung, dass Leistungsverbesserungen auf das Training zurückzuführen sind (Lemke
1995). Dabei spielt die Unterstützung von Vorgesetzten und KollegInnen eine große Rolle,
was im folgenden Abschnitt genauer erläutert werden wird.
3.3. Arbeitsumgebung
Hier sollen konkrete Eingriffe in die Arbeitsumgebung vorgeschlagen werden, die sich
günstig auf den Lerntransfer auswirken. Sie betreffen größtenteils das Verhalten von
Vorgesetzten und Kollegen sowie den Arbeitsplatz.
3.3.1. Unterstützung
Maßnahmen im Vorfeld des Seminars
Vorgesetzte und KollegInnen in die Vorbereitung des Seminars einzubeziehen, hat wertvolle
Effekte auf das Transfergeschehen. Die Weiterbildung wird umso relevanter, je mehr
Verständnis SeminarentwicklerInnen für die Arbeitssituation haben. Indem sie die Meinung
von Vorgesetzten und KollegInnen einholen, werden diese zeitgleich für den späteren Praxis-
transfer sensibilisiert und zur aktiven Mitgestaltung motiviert (Burger, 2005). Vorgesetzte
spielen insbesondere deshalb eine wichtige Rolle, weil sie die organisatorischen Rahmenbe-
dingungen des Seminars festlegen. Unter anderem erzielen sie durch das Einräumen von
Vorbereitungszeit auf das Seminar, Organisation einer Arbeitsentlastung im Anschluss an das
Seminar oder Aussichten auf Beförderung, Bonuszahlungen oder ähnlichen Gegenleistungen
einen positiven Einfluss auf KollegInnen (vollständige Auflistung von Managementaufgaben
zur Unterstützung des Transfers bei Broad, 1982).
Außerhalb ihrer organisatorischen Funktionen können Vorgesetzte wichtige Beiträge für die
Seminargestaltung leisten. In einem Vorbereitungsgespräch bringen sie hinsichtlich des
Qualifizierungsbedarfs ihrer MitarbeiterInnen selbst Vorschläge zu Fördermaßnahmen ein
Lerntransfer
31
und formulieren konkrete Anforderungen an die Bildungsmaßnahme. Bezüglich des Praxis-
transfers ist es Aufgabe der Vorgesetzten aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen Heraus-
forderungen und Möglichkeiten von Anwendungsgelegenheiten aufzulisten und Lösungs-
vorschläge zu unterbreiten. Sie sollten insbesondere ihre eigene Person als Unterstützung
des Transferprozesses einbeziehen (Burger, 2005, S. 358ff). Zur Strukturierung dieser Art von
Gespräch schlug Burger (2005) einen Interviewleitfaden für SeminardesignerInnen vor (S.
398).
Zur individuellen Unterstützung durch Vorgesetzte gehört insbesondere der persönliche
Kontakt zu den MitarbeiterInnen, bestenfalls in Form eines Gesprächs. Indem Vorgesetzte
Ziel und Zweck des Seminars konkret formulieren, motivieren sie TeilnehmerInnen zur ak-
tiven Mitgestaltung. In einer gemeinsamen Zielvereinbarung werden Erwartungen beider
Parteien festgehalten und Befürchtungen aufgeklärt. Abschließend werden Konsequenzen
für erfolgreiche Umsetzung der Ziele sowie für ihre Vernachlässigung vereinbart (Burger,
2005, S. 360ff). Burger (2005) schlägt zur Orientierung einen Gesprächsverlauf in Form eines
Leitfadens für Vorgesetzte vor (S. 400).
Maßnahmen im Anschluss an das Seminar
Mithilfe eines Nachbereitungsgesprächs kann eine Brücke zwischen Lern- und Anwendungs-
situation geschaffen werden. Ziele des Gesprächs sind Motivierung und Stärkung des Selbst-
wirksamkeitsempfindens der TeilnehmerInnen zur Umsetzung des Gelernten insbesondere
durch das Aufzeigen konkreter Möglichkeiten am Arbeitsplatz (Burger, 2005). Die Autorin
empfiehlt das Gespräch unmittelbar im Anschluss an das Seminar und gibt Gestaltungshin-
weise (Burger, 2005, S. 401), wobei sie besonders die Konkretisierung jeglicher
Vereinbarungen hervorhebt.
Weitere unterstützende Maßnahmen für Trainees könnten in Form von Coachings oder
Supervision Gestalt annehmen. Dies könnte durch Vorgesetzte sowie SeminarleiterInnen
realisiert werden, wobei auch eine Zusatzqualifikation von MitarbeiterInnen denkbar wäre.
Im Sinne eines Training-on-the-job fungieren Coaches oder SupervisorInnen als beratende
Dozenten, deren Wirkungsbereich stark auf die konkrete Arbeitssituation spezialisiert ist.
Das Coaching ist hier zu verstehen als intensives Individualtraining einzelner Arbeitsabläufe.
Dahingegen handelt es sich bei der Supervision um längerfristige Betreuung einzelner Per-
sonen oder von Gruppen (Burger, 2005, S. 363). Im Zuge des Coachinggesprächs werden im
Seelmann (2011)
32
Wesentlichen Ziele und Handlungspläne von MitarbeiterInnen und Vorgesetzten gemeinsam
erarbeitet und im Folgegespräch auf ihre Realisierung oder unerwartete Schwierigkeiten
untersucht. Burger (2005, S. 402ff) arbeitete eine Anleitung für ähnlich aufgebaute Super-
visionsgespräche aus, die sich in abgewandelter Form ebenso als Leitfaden für Coachings
einsetzten lässt. Feedback, insbesondere Zeitpunkt und Formulierung, übt enormen Einfluss
auf die Motivation der MitarbeiterInnen aus. Es ist daher dringend zu empfehlen sich an die
bekannten Feedbackregeln zu halten. Coaching und Supervision sind zeitintensive
Maßnahmen mit hohen Anforderungen und können nur unter der Voraussetzung eingesetzt
werden, dass zum einen Ressourcen verfügbar sind und zum anderen Vorgesetzte langfristig
motiviert und engagiert mitwirken (Burger, 2005).
Bei den genannten unterstützenden Maßnahmen handelt es sich zunächst um eine
Darstellung relevantester Methoden, die keinesfalls den Anspruch der Vollständigkeit hat. Es
soll nicht Ziel dieser Arbeit sein Managementaufgaben zu konkretisieren, sondern lediglich
diejenigen hervorzuheben, die sich besonders positiv auf den Transferprozess auswirken.
3.3.2. Anwendungsgelegenheiten
Neben dem persönlichen Anwendungssupport durch Vorgesetzte, tragen weitere Aspekte
der Arbeitsumgebung zur Transferförderung bei. Mit dem globalen Ziel der Verknüpfung von
Seminarinhalten und dem jeweiligen Arbeitsplatz sollen hier drei effektive
transferorientierte Maßnahmen vorgestellt werden. Dabei handelt es sich um die
Aushändigung von Selbstlernmaterialien zur Nachbereitung, Follow-up-Veranstaltungen mit
Gruppenaustausch und dem Aufbau von Lernpartnerschaften.
Begleitmaterial
Lernmaterialien im Anschluss an ein Seminar können Anwendungsgelegenheiten eröffnen,
zur deren aktiven Suche anleiten oder auf Möglichkeiten hinweisen. Sie dienen darüber
hinaus dem selbstständigen Lernen, aber auch der Evaluation eigenen Handelns. Selbst ihre
triviale Funktion als Erinnerung an Seminarinhalte hat bereits nachhaltig positive Effekte auf
TeilnehmerInnen (Burger, 2005). Konkreter bietet Burger (2005) Materialien an, die
Selbstüberwachungshilfe, Planung von Gesprächssituationen als Anwendung eines Trainings
sozial-kommunikativer Kompetenzen und Anleitung zum Lernen aus Kollegenverhalten
bieten. Dazu gehört auch ein Evaluationsfragebogen zur Selbstbeurteilung, inwiefern
TeilnehmerInnen ihre im Seminar selbst definierten Ziele umgesetzt haben.
Lerntransfer
33
Um die Beschäftigung mit Selbstlernmaterialien anzuregen, ist es von Vorteil sie persönlich
beratend zum Ende des Seminars einzuführen (Burger, 2005). Des Weiteren sollte in
Nachgesprächen oder Follow-up Veranstaltungen wieder Bezug auf die Materialien
genommen werden. Im besten Fall bietet es sich an, unmittelbar vor einem Treffen noch
einmal per E-Mail auf die Relevanz der Unterlagen hinzuweisen.
Follow-up Veranstaltungen
Das Ziel von Follow-up-Veranstaltungen ist die Anwendungsförderung nachdem
TeilnehmerInnen bereits die Gelegenheit hatten Seminarinhalte am Arbeitsplatz umzusetzen.
Zum Zeitpunkt der Nachgespräche sind MitarbeiterInnen dann in der Lage konkrete
Schwierigkeiten zu formulieren und Lösungswege auszuarbeiten. Burger (2005) schlägt
daher eine terminliche Orientierung drei bis fünf Monate nach Beendigung des Seminars vor.
Die Bearbeitung der Begleitmaterialien bis zum Nachtreffen erhöht die subjektive Relevanz
der Teilnahme enorm. In Gruppensitzungen findet vermehrt Austausch von positiven und
negativen Erlebnissen unter KollegInnen statt, was zusätzlich die Motivation auffrischt.
Selbst die bloße Ankündigung eines Nachtreffens wirkt sich positiv auf die
Anwendungsbereitschaft der TeilnehmerInnen aus (Baldwin & Magjuka, 1991; nach Burger,
2005).
Der Ablauf des Nachbereitungsgesprächs kann anhand eines Leitfadens strukturiert werden
(z.B. Burger, 2005, S. 395ff). Es handelt sich teilweise um Ansätze aus der Rückfallprävention,
die Gruppendiskussionen zur gemeinsamen Problemaufdeckung und Lösungsfindung
anleiten. Dadurch soll insbesondere die Zusammenarbeit unter KollegInnen gestärkt werden.
Lernpartnerschaften
Das Ziel von Lernpartnerschaften ist die langfristige, persönliche Unterstützung direkt am
Arbeitsplatz. Die Einbeziehung eines Kollegen oder einer Kollegin verpflichtet zur Einhaltung
persönlicher Zielsetzungen und bietet konkrete Hilfestellung auf ähnlichem Wissensniveau
(Burger, 2005). Eine Lernpartnerschaft sollte derartig vermittelt werden, dass gelegentliche
Treffen und reger Informationsaustausch stattfinden kann. Dazu gehört auch die
Berücksichtigung von Sympathie, Respekt und Vertrauen zwischen TeilnehmerInnen, die
elementare Voraussetzungen für eine Lernpartnerschaft darstellen. Sollte der Fall eintreten,
dass sich keine geeigneten Partner finden lassen, schlägt Burger (2005) alternativ Tutoren
Seelmann (2011)
34
vor. Dabei handelt es sich um ehemalige SeminarteilnehmerInnen, die eine intensive
Betreuung bieten.
3.4. Seminardesign
Das Trainingsdesign nimmt im Bedingungsmodell von Rank und Wakenhut (1998; nach
Burger, 2005) die dritte Rolle als transferrelevanter Einflussfaktor ein. Dazu zählen sie die
Berücksichtigung von Lernprinzipien, die praxisrelevanten Trainingsinhalte und deren
didaktisch wertvolle Sequenzierung. Sie formulierten sogar Leitlinien transferunter-
stützender Maßnahmen auf Grundlage von Thorndikes Theorie der identischen Elemente,
hielten sich allerdings mit detaillierteren Handlungsaufgaben an TrainingsdesignerInnen
zurück. Somit stellen diese Leitlinien eine potentialhaltige Basis für Konkretisierungen und
Modernisierungen in der Design-Perspektive dar.
Einen genauen Einblick in die Strukturierung von Blended-Learning-Trainings bietet das E-
Learning-Instruktionsmodell von Alonso et al. (2005) (Abb. 4). Positioniert zwischen
traditionellen pädagogischen Prinzipien und aktuellem Blended-Learning-Bedarf, kommt es
einer Übersetzungshilfe gleich. Darüber hinaus stellt es die Entwicklungsphasen
chronologisch dar und ermöglicht gleichzeitig einen Überblick über die Trainingsgestaltung.
Diese Eigenschaften qualifizieren das Instruktionsmodell, hier als Rahmen für Handlungs-
empfehlungen im Designprozess zu dienen.
Die Wahl eines Blended-Learning-Ansatzes, erlaubte es den Autoren, verschiedene
Lernaktivitäten und ihre Vorteile zu kombinieren (Alonso et al., 2005): Selbstreguliertes
Lernen, live E-Learning und face-to-face Interaktion in Präsenzveranstaltungen.
Selbstreguliertes Lernen kann jederzeit und überall realisiert werden, zudem vermittelt es
die Fähigkeit Problemlösestrategien gezielt den situativen Anforderungen entsprechend
einzusetzen (Hasselhorn & Gold, 2006). Das live E-Learning ist ein virtuelles Seminar, in dem
Instruktion und Interaktion stattfinden mit dem Vorteil der Einsparung von Reisekosten und
–zeit (Alonso et al., 2005). Darüber hinaus leisten strukturierte Instruktionen in
Präsenzveranstaltungen einen unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung von
Gruppenzusammenhalt, zur Verringerung von Konflikten unter Gruppenmitgliedern, zur
Zunahme von Interaktionen und zur Anregung von Gruppenproduktivität (Ivancevich, 1974),
was zur Bildung von Lerngemeinschaften und späteren online communities führt. Die
Entwicklung solcher Gruppen ist höchst wertvoll für Organisationen, da sie am
Lerntransfer
35
gemeinschaftlichen Erfolg interessiert sind, Wissen generieren und sich gegenseitig
unterstützen. Durch Blended Learning wird Lernenden eine vollständigere,
erfolgversprechendere Trainingserfahrung zuteil, da der Lernstoff von verschiedenen Seiten
beleuchtet wird und multiple praktische Anwendungen beinhaltet (Alonso et al., 2005; 2008).
Eine Zusammenfassung von Alonso et al. (2009) stellte zu diesem Thema zwei
Evaluationsstudien gegenüber. Die Autoren untersuchten 2004 ob der Lernerfolg aus
Präsenzveranstaltungen auch durch Fernstudium erreicht werden kann. Gruppen von jeweils
75 Personen durchliefen einen IT-Kurs. Die TeilnehmerInnen wurden am Ende des Kurses in
einer Abschlussprüfung mit 0 bis 10 (maximal) Punkten bewertet. Die mittleren Ergebnisse
(6.77 [SD = 2.16] und 5.69 [2.29]) deuteten darauf hin, dass hier keine signifikanten
Unterschiede im Lernerfolg abhängig von der Lehrmethode auszumachen sind. Dennoch
bemängelten sie die sichtlichen Erfolgseinbußen durch das Fernstudium, woraufhin die
Autoren 2007 das Versuchsdesign um eine weitere Bedingung ergänzten. Hier integrierten
sie das Blended-Learning-Instruktionsmodell (Alonso et al., 2005) in einer zweiten
Fernstudienkomponente. 79, 78 und 78 Personen durchliefen einen Java-Programmierkurs
und bestanden die äquivalent zu 2004 benotete Abschlussprüfung. Im Vergleich zur
herkömmlichen Fernstudienvariante (5.65 [SD = 2.39]) war der integrative Ansatz überlegen
(6.59 [SD = 2.02]) und der traditionellen Präsenzveranstaltungen stärker angenähert (6.90
[SD = 2.16]). Auch in diesem Fall waren die Mittelwerte der Ergebnisse so ähnlich, dass sie
statistisch auf keinen signifikanten Unterschied schließen ließen.
Klassische Instruktion und Blended-Learning-Konstruktionen führen zu sehr ähnlichen
Erfolgen bei den Lernenden, wobei der konstruktionelle Umweg über das Blended-Learning-
Instruktionsmodell den Lernerfolg auf das vorbildhafte Niveau von Präsenzveranstaltungen
anheben konnte. Darüber hinaus hat das Lernen und Lehren über die Entfernung den
entscheidenden Vorteil der erheblichen Reisekostenreduzierung bei verteilten Teams.
3.4.1. Blended-Learning-Instruktionsmodell
Die Entwicklung eines effizienten Blended Learning Moduls als Integration dreier
Lehrmethoden erfordert einige Grundprinzipien. Alonso et al. (2005) fassten zusammen, auf
welchen Basisgegebenheiten das Blended-Learning-Instruktionsmodell aufbaut:
(1) eine Lehrperson, die das Lernen live-online sowie in Präsenzveranstaltungen anleitet
Seelmann (2011)
36
(2) Hilfestellung von Experten per Email und Telefon für personalisierte, zeitnahe
Unterstützung
(3) virtuelle Seminare durch Videokonferenz, in der Lernstoff erklärt und Fragen gestellt
werden können
(4) Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden sowie Lernenden untereinander und
mit externen Experten und Kollegen mithilfe von Chaträumen und Foren
(5) umfangreiches Übungsangebot zur Wahl zwischen selbstständiger Bearbeitung oder
angeleitetem Training
(6) Unterstützung für Umgang mit technischen Hilfsmitteln und Problemen
(7) Prüfungen
(8) Zertifikat oder Diplom, welches Teilnahme und Abschluss der Fortbildung bestätigt
Personalisiertes Gruppentraining, wie es von Weiterbildungsmaßnahmen meist verlangt
wird, zeichnet sich durch dieses Instrumentarium aus, das konsistent mit den
erfolgversprechenden Unterrichts-Features von Bernard (2004) ist. In der nun folgenden
Detailansicht des Blended-Learning-Instruktionsmodells (Abb. 4) werden einige dieser
Punkte erneut und etwas umfangreicher aufgegriffen. Auf Charakteristiken von
Lehrpersonen und Gestaltung von Zertifikaten soll nicht weiter eingegangen werden, um den
Fokus auf pädagogisch-psychologische Aspekte zu konzentrieren.
Lerntransfer
37
Abbildung 4. Blended-Learning-Instruktionsmodell (Alonso et al., 2005)
Analyse
In dieser Phase wird konkret ausgearbeitet, was gelernt werden soll. Sowohl Lernende als
auch Lehrinhalte werden analysiert, um die Lehre in den nächsten Schritten adaptiv
gestalten zu können. Die Bedarfsanalyse umfasst die Aufzeichnung von Merkmalen und
Bedürfnissen der Lernenden, die Auswahl einer geeigneten Lernumgebung sowie die
Ermittlung verfügbarer Ressourcen. Die Analyse resultiert in der Definition von Lernzielen
mit ihren Lerninhalten und Relationen zueinander. Daraus geht hervor, welches Wissen und
welche Fertigkeiten erlernt und welche Art von Aufgaben dafür bewältigt werden sollten
(Alonso et al., 2009).
Zur Organisation und übersichtlichen Darstellung von Lernzielen und Inhalten schlagen
Alonso et al. (2005) ein Wissensdiagramm (Abb. 5) vor. Es besteht aus Knotenpunkten, die zu
erlernende Kompetenz-Level darstellen, und Pfeilen, die mit den notwendigen Lernschritten
RÜCKBLICK
• auf Analyse
• auf Design
• auf Entwicklung
• auf Anwendung
DURCHFÜHRUNG
• Lernende führen
didaktische
Einheiten durch
EVALUATION
• Inforamtionen erarbeiten
• Ergebnisse analysieren
DURCHFÜHRUNG
• Lernende führen didaktische Einheiten
durch
UMSETZUNG
• Konstruktion des Lernprozesses
DESIGN
• Lernansatz
• Informationsstruktur
• Anwendungskriterien
• erwarteter Erfolg
ANALYSE • Merkmale und Bedürfnisse der
Lernenden
• Lernumgebung
• verfügbare Ressourcen
ZIELE ERREICHT?
Seelmann (2011)
38
beschriftet sind, um das Lernziel zu erreichen, auf das sie deuten. Dabei haben Lernende
gelegentlich die Option, zwischen mehreren Unterzielen zu wählen und bereits bekannte
Lerninhalte überspringen, was eine individuelle Anpassung ermöglicht.
Abbildung 5. Beispiel Wissensdiagramm zum Erlernen der studIP-Navigation (Boos, Müller & Cornelius,
2009)
In diesem Beispiel (Abb. 5) werden die Schritte des Moduls II aus der „Online-Moderation
und Tele-Tutoring“ von Boos, Müller und Cornelius (2009) dargestellt. Zielkompetenz ist der
sichere Umgang mit dem Content Management System studIP, welches erst nach
Absolvierung der Aufgaben T1 bis T9 erreicht wird. Wissensdiagramme dieser Art dienen als
übersichtliche Strukturierung der Analyseergebnisse und sollten für den weiteren Seminar-
gestaltungsprozess verwendet werden. Sie sind ebenso für Lernende hilfreich, die ihren
Kenntnisstand einordnen und sich selbst einen geeigneten Seminarplan zusammenstellen
können. Dadurch ist es ihnen möglich Kenntnislücken gezielt aufzufüllen und gleichzeitig auf
unnötige und dadurch zeitraubende Wiederholungen zu verzichten.
Design
In dieser Phase wird definiert wie gelehrt werden soll. Konkret werden hier
Problemstellungen ausgearbeitet, die in Zusammenarbeit von Lerngruppen zu bearbeiten
sind. Hier sollte besonderer Wert darauf gelegt werden, (a) die Problemstellungen in enger
Relation zu den vorangehend definierten Lernzielen zu gestalten, (b) speziell auf
Gruppenarbeit zugeschnittene Aufgaben zu stellen, (c) Gruppengröße und
Personenzusammenstellung bezüglich der Interaktionsoptimierung zu wählen und (d)
Gruppenaktivitäten um ein Produkt oder einen Prozess (z.B. als Projekt) herum zu
ZUGANG
FORUMS-
KOMMUNIKATION
INTERNET-
KOMPETENZ
NACHRICHTEN
VERWALTEN
CHAT-
KOMMUNIKATION
studIP
NAVIGATION
T1: Zugangsdaten anfordern T2: E-Mail Adresse
bestätigen
T3: Nachricht an Tutor
senden T7: Kontakt zu Teilnehmern T8: Flüster Funktion
T9: Smileys
T4: Posting editieren T5: Button-Leiste lernen
T6: Posting löschen
T7 T8
T9
Lerntransfer
39
arrangieren. So führt die aktive Teilnahme an Gruppenaktivitäten durch Reflexion von
Lerninhalten in einem sozialen Kontext zur Vermeidung von Missverständnissen und
Verfestigung von Fehlkonzepten (Alonso et al. 2005). Sie regen Lernende zur
Aktivitätssteigerung und Selbstständigkeit an, was die Arbeit in Gruppen zu einer der
wichtigsten Komponenten des Blended Learnings macht.
Teil der Designphase ist außerdem die Festlegung von Werkzeugen, Techniken und virtuellen
Lernumgebungen, die für die Lehre gebraucht werden sollen. Mit ihrer Hilfe sollen im Zuge
der Gruppenaktivitäten drei Lernformen realisiert werden (Alonso et al., 2009). Das
selbstregulierte Lernen findet in Form von asynchronen Interaktionen über das Internet (z.B.
E-Mail, Forum) statt. Live e-learning soll als synchroner Prozess über spezielle online
Kommunikationsmittel wie Chat, Videokonferenzen oder virtuelle Seminare stattfinden.
Ergänzend sind für Feedback, Vor- und Nachbereitungsgespräche Präsenzveranstaltungen
drittes Element des Blended-Learning-Modells. Es bietet sich an ein Learning-Management-
System zu wählen, dass über sämtliche online Interaktionsmöglichkeiten verfügt. Boos,
Müller und Cornelius (2009) entschieden sich beispielsweise für die Open-Source-Plattform
studIP, die über oben erwähnte Funktionen hinaus sogar Speichermöglichkeiten von
digitalisierten Lernmaterialien bietet.
Zur Evaluation des Wissenszuwachses von Lernenden werden abschließend zu jeder
Thematik Prüfungsfragen gestellt. Deren Auswertung kann durch eine Software automatisch
oder von SeminarleiterInnen manuell geschehen. Die Rückmeldung an die Lernenden erfolgt
durch die Zulassung zum nächsten Themenbereich oder Wiederholung einzelner Elemente,
wenn noch Lücken bestanden.
Umsetzung
In dieser Phase wird der Lernprozess konkretisiert, indem das Wissensdiagramm in das
Learning-Management-System integriert wird (Alonso et al., 2009). Aus den Knotenpunkten
werden Themenbereiche erstellt und die Lernschritte zum höheren Kompetenz-Level als E-
Lessons strukturiert.
E-Lessons sind kleinste eigenständige Lehreinheiten. Jede wird in sechs Sektionen unterteilt
(Alonso et al., 2005), die folgendermaßen gestaltet sein sollten:
Seelmann (2011)
40
(1) Eine Präsentation führt in das Thema der E-Lesson ein. Lernende sollen dadurch
Interesse gewinnen und durch Transparenz des Wissensumfanges motiviert werden.
(2) Die Lernziele im Sinne eines Ausblicks auf das gewünschte Resultat bereiten
Lernende auf die kommenden Aufgabenstellungen vor.
(3) Die Wissensvermittlung findet unter Anleitung zu einzelnen Lernschritten statt.
(4) Fertigkeiten werden durch Bearbeitung von Aufgaben erlernt.
(5) Übungen vertiefen Wissen und Fertigkeiten, in dem sie an realen Beispielfällen
orientiert sind. Diskussionen und Gruppenaktivitäten begünstigen kooperatives
Lernen.
(6) Ein abschließendes Fazit ruft die Erinnerung an die Schlüsselbegriffe des Themas
erneut wach. Es regt Lernende an, die Erreichung ihrer Lernziele selbst zu bewerten.
Die Sektionen Präsentation, Lernziele, Übung und Fazit gehören zur Kontextkategorie, die
Lernende durch die Wissens- und Fertigkeitenvermittlung leitet. Der Aufbau eines Blended-
Learning-Seminars aus E-Lessons als Bausteinen hilft, an die Bedürfnisse von Lernenden zu
adaptieren.
Durchführung
In dieser Phase sind die Lernenden selbst gefragt. Der Lernprozess wird maßgeblich
beeinflusst durch ihre Interaktion mit Software und Lehrenden, die in diesem Fall sehr
ähnliche Funktionen erfüllen. Zur Begünstigung von Gruppenaktivitäten sind folgende
leitende Aufgaben nötig (Alonso et al., 2005): Lernende sollen sich willkommen fühlen.
Anweisungen und Präsentationen sollen klar formuliert sein, sodass Missverständnisse
vermieden werden. Die Zusammenarbeit in Gruppen soll explizit gelehrt werden. Lernende
sollen zur Teilnahme an Gruppenaktivitäten eingeladen werden. Feedback soll so bald wie
möglich erfolgen. Die Leitung soll sich eher zurückhaltend gestalten, aber als beispielhaftes
Modell fungieren, das imitiert werden darf. Grenzen sollen die Teilnahme auf dem richtigen
Weg halten. Diese Leitlinien sollten während der gesamten Weiterbildung realisiert werden,
ob in Form einer präsenten Person, eines online Tutors oder Tutoring-Software.
Im Beispiel des Trainings von Boos, Müller und Cornelius (2009) kamen hier unter anderem
ganz grundsätzliche Strategien zum Einsatz, beispielsweise Regeln zum Feedback, das
demnach ausführlich und gleichzeitig mit viel Lob verbunden sein sollte.
Lerntransfer
41
Evaluation
Zur Überprüfung des Erfolgs der Weiterbildungsmaßnahme, wird auf Grundlage des
individuellen Lernzuwachses der TeilnehmerInnen evaluiert. In der Design-Phase entstehen
bei der Auswahl des Lernansatzes gewisse Erfolgserwartungen, die sich später in konkrete
Erfolgskriterien formulieren lassen. Eine herkömmliche Evaluationsmethode ist die
Entwicklung eines Testinstrumentes, z.B. Fragebogen, Multiple-Choice-Test oder
Arbeitsproben, mithilfe derer vor und nach der Durchführungsphase der Kenntnisstand der
TeilnehmerInnen überprüft und später verglichen wird. Einige Lernsoftware-Produkte sind in
der Lage, sogar während des Lernprozesses und der Aufgabenbearbeitung anhand
aufgezeichneter Daten den Lernfortschritt zu bestimmen. Sie erstellen ein Protokoll von Log-
ins, Bearbeitungszeit, Bearbeitungsstatus und Leistung in einzelnen Aufgaben (Alonso et al.,
2005). Diese Daten dienen einerseits dem individuellen Feedback an Lernende, andererseits
dazu, die gesamte Weiterbildungsmaßnahme unter relativ geringem Aufwand zu evaluieren.
Boos, Müller und Cornelius (2009) umgingen den hohen Programmieraufwand und
entwickelten stattdessen einen dynamisch verlinkten Check-Out zur Selbstkontrolle für die
Lernenden, positioniert am Ende der Durchführungsphase. Die Items des Fragebogens
testeten alle relevanten Seminarinhalte. Wann immer TeilnehmerInnen die Frage nicht
beantworten konnten oder sie falsch beantworteten, wurden sie automatisch auf die
entsprechende Seite des Online-Content weiter geleitet, um die Information noch einmal
nachlesen zu können. Zum Abschluss des Trainings erhoben die Autoreninnen Daten mithilfe
eines Evaluationsfragebogens über Trainingserfolgseinschätzung, Zufriedenheit und dem
Empfinden der Nützlichkeit des Seminars, der dann manuell ausgewertet wurde.
Fazit
Die direkte Übertragung pädagogischer Prinzipien auf einen Blended-Learning-Kontext führt
zu Einbußen im Lernerfolg. Es ist ratsam ein Instruktionsmodell wie dieses von Alonso et al.
(2005) zur Hilfe zu nehmen und sich an seinen Leitlinien zu orientieren, um ein effizientes
Training zu gestalten. Die dadurch umfangreiche Betreuung und individuelle Anpassung an
Lernende führte sogar zu größerer Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit dem Training
(Alonso et al., 2009). Die erhebliche Einsparung von Reisekosten für verteilte Teams
überwiegt gegenüber der benötigten längeren Lernzeit.
Seelmann (2011)
42
4. SCHLUSS
Qualitativ hochwertige Weiterbildungskonzepte zeichnen sich also dadurch aus, welche
nachhaltigen positiven Effekte sie auf ihre TeilnehmerInnen haben. Mit besonderer Berück-
sichtigung der virtuellen Kommunikation und daraus folgend dem Angebot virtueller Lern-
umgebungen wurde der Lerntransfer und seine drei wichtigsten Determinanten als
Moderator zur Nachhaltigkeit vorgestellt. Zur Diskussion standen Einflüsse von Trainee-
merkmalen, Arbeitsumgebung und Seminardesign, wobei letzteres als wandlungsfähigste
Variable im Vordergrund der Betrachtungen stand. Aus dieser Arbeit gehen Empfehlungen
für den Aufbau eines Weiterbildungsseminars hervor, die hier in Form einer Checkliste
zusammengefasst werden. Sie basiert auf Grundlage des deutschen Lerntransfer-System-
Inventar (Kauffeld et al., 2008) (Tabelle 4). Durch ihre Inanspruchnahme sollen Fälle wie im
zu Anfang vorgestellten Beispiel vermieden werden.
Tabelle 4. Checkliste zur Einhaltung transferbegünstigender Maßnahmen bei der Seminarentwicklung
Entwicklungsphase Skala
(Beschreibung)
Aufgaben
Trainingsspezifische Erfolgsfaktoren
Analyse Bedarfsanalyse
(Ausmaß, in dem Bedürfnisse,
Erwartungen, Befürchtungen und
Meinungen von Vorgesetzten und
MitarbeiterInnen sowie
organisationale Rahmenbedingungen analysiert
werden)
Vorbereitungsgespräch mit Vorgesetzten
und MitarbeiterInnen organisieren
Gespräch mithilfe eines Leitfadens
vorstrukturieren
Verständnis über die aktuelle
Arbeitssituation schaffen
Vorgesetzte und MitarbeiterInnen aktiv in
die Gestaltung einbeziehen, indem
Meinungen, Befürchtungen, Erwartungen,
Personen- und Situationsmerkmale,
Ressourcen aufgenommen werden
organisatorische Rahmenbedingungen mit
Vorgesetzten abstecken
Lernziele konkret definieren und
festhalten
Konsequenzen für Einhaltung oder
Vernachlässigung der Ziele vereinbaren
Orientierung
(Organisation der
Analyseergebnisse in einem
Wissensdiagramm)
Definierte Lerninhalte, -ziele und ihre
Relationen in Form eines
Wissensdiagramms festhalten
Design Instrumentarium Lehrperson für Präsenzveranstaltungen
Lerntransfer
43
(Wahl mediengestützter
Lehrbausteine personalisierter
Gruppentrainings)
und online Seminare einsetzen
Experten und TeilnehmerInnen vernetzen
(z.B. via Telefon, E-Mail, …)
virtuelle Seminare erstellen
Lernende und Lehrende unter- und
miteinander vernetzen (z.B. durch
Chaträume, Foren, …)
Übungsangebot zur selbstständigen
Bearbeitung von Aufgaben
Übungsangebot zur angeleiteten
Bearbeitung von Aufgaben
technische Beratung
Abschließende Prüfung des individuellen
Lernzuwachses
Optionale Verleihung eines Abschlusstitels
(z.B. Zertifikat, Urkunde, Diplom)
Problemstellungen entwerfen
(Ausmaß, in dem die Übungen
des Trainings auf die tatsächlichen
Arbeitsanforderungen
vorbereiten)
Sehr enge Relation zum Lernziel herstellen
Gruppenarbeit und Wissenstransfer
provozieren durch entsprechende Aufgabenstellung
Größe und Zusammenstellung der
Arbeitsgruppen optimieren, um viel
Interaktion auszulösen
Gruppenaktivitäten als Projekt arrangieren
Training-Arbeits-Übereinstimmung
(Ausmaß, in dem die
Trainingsinhalte mit den
Anforderungen im Job übereinstimmen)
Trainingsmethoden entsprechend
vorangehender Analyse nah an der
Arbeitssituation gestalten
Begleitmaterial
(Erstellen von Begleitmaterialien
für TeilnehmerInnen im Sinne der
definierten Lernziele und –
inhalte)
Anwendungsgelegenheiten für
TeilnehmerInnen am Arbeitsplatz eröffnen
Anleitungen für TeilnehmerInnen
formulieren, aktiv selbst
Anwendungsgelegenheiten zu suchen
Umsetzung Lernplattform
(Auswahl geeigneter Software zur
Umsetzung der Lernziele und –
inhalte unter Berücksichtigung des gewählten Instrumentariums)
Wissensdiagramm in ein Learning-
Management-System integrieren
E-Lessons
(Gestaltung
lernbedarfsadaptierender
Lehreinheiten)
Aus Lerninhalten, -zielen und –unterzielen
E-Lessons erstellen
E-Lessons anhand des Wissensdiagramms
organisieren
Seelmann (2011)
44
Durchführung Erwartungsklarheit
(Ausmaß, in dem die Ziele,
Abläufe und Konsequenzen des
Trainings für die TeilnehmerInnen
transparent sind)
TeilnehmerInnen in
Einführungsveranstaltung über
Analyseergebnisse, Durchführung und
Evaluation des Trainings aufklären
Motivation
(Identifikation mit Lernaufgabe,
Sicherheit in Anwendung, Einsicht
in Relevanz der Trainingsinhalte)
Akzeptanz schaffen, Gefühl des
Willkommen-Seins erzeugen
Relevanz des Trainings für die Arbeit,
Vorgesetzte und Organisation erläutern
Transparenz bzgl. des Trainings aufrecht
erhalten
TeilnehmerInnen vom persönlichen und
organisationalen Nutzen des Trainings
überzeugen
Persönliches Nachgespräch mit
Vorgesetzten ankündigen
Unterstützung durch KollegInnen
(Ausmaß, in dem gleichgestellte
KollegInnen das Lernen on-the-job unterstützen und verstärken)
Explizite Unterrichtung in
Gruppenzusammenarbeit und
Gruppenaktivität in Übungen fördern
Lernpartnerschaften koordinieren auf
Basis von Wissensniveau, Sympathie,
Respekt und Vertrauen der
TeilnehmerInnen untereinander
Unterstützung durch Vorgesetzte
(Ausmaß, in dem Vorgesetzte das
Lernen on-the-job unterstützen
und verstärken)
Coaching oder Supervision im Anschluss an
das Seminar anbieten
Unterstützung durch Begleitmaterial
(Ausmaß, inwiefern
Trainingsinhalte durch
Begleitmaterialien erinnert und
Anwendungsgelegenheiten
aufgedeckt werden)
Begleitmaterial innerhalb des Seminars
einführen und seine Relevanz erläutern
Hilfe
(Art und Verfügbarkeit von
Hilfestellungen bei Unklarheiten,
Unsicherheiten und Nachfragen)
Explizit auf die Verfügbarkeit und
Wichtigkeit des Netzwerkes hinweisen
Explizit zur aktiven Teilnahme im Netzwerk
auffordern (ggf. konkrete
„Hausaufgaben“ formulieren)
Seminarleitung
(Art und Weise der Leitung)
Zurückhaltende Leitung der Seminare
Evaluation Feedbackrahmen
(Platzierung von Rückmeldungen
über Leistungsfortschritte)
Feedback über individuellen
Lernfortschritt nach einzelnen E-Lessons
oder Gruppen von E-Lessons geben
Feekback über individuellen Lernzuwachs
nach dem gesamten Seminar einräumen
Lerntransfer
45
Nachbereitungsgespräch
(Überprüfung der Lernziele,
Erwartungen, Schwierigkeiten,
Sicherheit bzgl. Anwendung im
Gespräch zwischen Vorgesetzten
und TeilnehmerInnen)
Persönliches Nachbereitungsgespräch mit
Vorgesetzten und TeilnehmerInnen
organisieren
Gespräch mithilfe eines Leitfadens
vorstrukturieren
Erreichung der Lernziele, Erfüllung von
Erwartungen und Befürchtungen,
Schwierigkeiten und Sicherheit in der
Anwendung von Lerninhalten evaluieren
Generelle Erfolgsfaktoren
Generelle Selbstwirksamkeitsüberzeugung
(Überzeugung, generell in der
Lage zu sein, die eigene Leistung
willentlich zu ändern)
Erwartungen und Befürchtungen ernst
nehmen und aufklären
Gemeinsam Lösungswege erarbeiten oder
Lösungsstrategien vermitteln
Offenheit für Änderungen in der Arbeitsgruppe
(Ausmaß, in dem vorherrschende
Normen in der Gruppe die
Anwendung von Fertigkeiten und
Wissen ermutigen)
Offenheit der Gruppe überprüfen
Feedback
(Formelle und informelle
Rückmeldung über eine
individuelle Arbeitsleistung)
Feedbackregeln einführen
Zu regelmäßigem Feedback untereinander
in der Arbeitssituation ermutigen
Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen soll die Einhaltung dieser Maßnahmen die
Leistung der TeilnehmerInnen während der Weiterbildung und am Arbeitsplatz verbessern.
Es wird dadurch erreicht, dass psycho-pädagogische Prinzipien in das Effizienzkonzept
derartiger Bildungsmaßnahmen eingeflochten werden. Sie begünstigen den Transfer von
neu erworbenem Wissen auf die Arbeitssituation im Alltag. Bezüglich der Virtualität von
Arbeitsplätzen und Fortbildungen sind besondere Umstände zu berücksichtigen. Daher
wurden kommunikative Möglichkeiten und Herausforderungen hervorgehoben und im
Seminardesign in Form praktischer Anwendungsbeispiele umgesetzt. Darüber hinaus wurde
die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und KollegInnen in ihrer Bedeutsamkeit heraus
gestellt. Damit sind die Betrachtungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Weiter-
bildungen abgerundet mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich nicht um eine voll-
ständige Auflistung aller verfügbarer Möglichkeiten und Hindernisse handelt.
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Der Themenschwerpunkt Lerntransfer ist hoch aktuell. Zu vielen der hier vorgestellten
Punkte laufen noch Forschungsstudien, deren Ergebnisse möglicherweise einen
abweichenden Trend vorgeben. Zwar ist man bereits in der Lage Empfehlungen an die Praxis
abzuleiten, doch die Erfolge bleiben in ihrem Ausmaß unstet. Dieser Umstand ist zu einem
Teil der Ausführungen von Seminarentwicklern und TrainerInnen geschuldet, die häufig nicht
pädagogisch ausgebildet sind. Schulungen für diesen Personenkreis müssten daher
Grundprinzipien und detaillierte Handlungsvorschläge umfassen, auf die an dieser Stelle aus
Gründen des massiven Umfangs verzichtet werden musste. Aufgabe künftiger Arbeiten in
diesem Bereich sollte es daher sein noch konkreter auf Details der Ausführung einzugehen.
Die vorliegende Arbeit kann in diesem Fall als hoch aktueller Überblick psycho-
pädagogischer Prinzipien im Bereich computervermittelter Kommunikation dienen.
ZUSAMMENFASSUNG
Lerntransfer wird begünstigt, indem Lern- und Arbeitsumgebung weit wie möglich ähneln.
Das moderne virtuelle Team nutzt verstärkt computergestützte Kommunikationsmedien, auf
dessen Basis sich daraufhin virtuelle Seminare, Lernplattformen und online communities zu
Weiterbildungszwecken anboten. Die große Erfolglosigkeit für die langfristige
Personalentwicklung lässt vermuten, dass der Transfer des Gelernten zum eigentlichen
Arbeitsplatz nur mangelhaft stattfindet. Es war das Ziel dieser Arbeit für ein virtuelles
Weiterbildungsangebot psycho-pädagogische Empfehlungen an die Entwickler zu geben, die
über Ähnlichkeitsaussagen von Lern- und Arbeitssituationen hinausgehen. Anhand eines
Transfermodells wurden Arbeitsumgebung, Persönlichkeit des Trainees und das
Seminardesign als größte Einflussfaktoren auf das Transfergeschehen identifiziert und auf
dieser Grundlage Implikationen abgeleitet, die u.a. Motivation, Instrumentarium und soziale
Unterstützung betreffen. Abschließend wurde eine Checkliste formuliert, die übersichtlich
die transferförderlichen Punkte zusammenfasst.
Lerntransfer
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EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG
Hiermit versichere ich, dass ich meine Bachelorarbeit mit dem Titel „Lerntransfer: Handbuch zur
erfolgversprechenden Gestaltung betrieblicher Weiterbildungen für Führungskräfte virtueller
Teams“ selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe.
Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder anderen Quellen entnommen
sind, sind als solche kenntlich gemacht.
Göttingen, den 27.07.2011
(Vorname, Name)