Jenseits von Herrschaft und Schuld. Marcuses politische Theologie zwischen Ödipus und Christus:...

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Christoph Schmidt Jenseits von Herrschaft und Schuld. Marcuses politische Theologie zwischen Ödipus und Christus: Politische, ästhetische und erotische Eschatologie Christoph Schmidt: The Hebrew University, Faculty of Humanities, Mount Scopus, IL-91905 Jerusalem. E-mail: [email protected] I Von der Psychoanalyse zu einer politischen Christologie Ganz im Geist der kritischen Theorie deutet Marcuse die Dialektik der Aufklärung nicht nur aus der marxistischen Perspektive als Umschlag der bürgerlichen Be- freiungsbewegung in das kapitalistische Herrschaftssystem. Mit Sigmund Freud erkennt er hier zugleich die zyklische Logik des Zivilisationsprozesses wieder, die sich in der ödipalen Dramaturgie wiederspiegelt. Auf die Beseitigung des Va- ters durch den Sohn, so Marcuse in Triebstruktur und Gesellschaft 1 , ist bisher im- mer noch die Wiedereinsetzung des Herrschaftsprinzips durch den Sohn gefolgt. Wird Aufklärung damit für Marcuse in ihrer ödipalen Mythizität transpa- rent, so eröffnet die psychoanalytische Einsicht in die Rolle des Eros für den 1 Herbert Marcuse: Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, (im Verlauf des Textes TuG), in: H. Marcuse, Schriften, Bd. 5, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979 [1955]). Daneben beziehe ich mich im Folgenden auch auf Herbert Marcuse, Der eindimen- sionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, (DeM) in: H. Marcuse, Schriften. Bd. 7, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984. Ders.: Versuch über die Befreiung, (VüB) ebenda, und ders.: Repressive Toleranz (RT), in: H. Marcuse, Schriften, Bd. 8, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989. Was die Sekundärliteratur betrifft, so seien hier v.a. Barry Katz: Herbert Marcuse and the Art of Liberation. An Intellectual Biography, London: New Left Books 1982, Jürgen Habermas, Antworten auf Herbert Marcuse, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1969, Hans Albert, Plädoyer für kritischen Rationalismus, München: Piper 1971, die Einführungen von Douglas Kell- ner: Herbert Marcuse. The New Left and the Sixties, New York: Routledge 2005 und Hanning Voigts: Entkorkte Flaschenpost. Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und der Streit um die Neue Linke, Berlin: LitVerlag 2010, erwähnt. DOI 10.1515/naha-2012-0014 Naharaim 2012; 6(2): 247 268

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Christoph Schmidt

Jenseits von Herrschaft und Schuld.Marcuses politische Theologie zwischenÖdipus und Christus: Politische,ästhetische und erotische Eschatologie

Christoph Schmidt: The Hebrew University, Faculty of Humanities, Mount Scopus,IL-91905 Jerusalem. E-mail: [email protected]

I Von der Psychoanalyse zu einer politischenChristologie

Ganz im Geist der kritischen Theorie deutet Marcuse die Dialektik der Aufklärungnicht nur aus der marxistischen Perspektive als Umschlag der bürgerlichen Be-freiungsbewegung in das kapitalistische Herrschaftssystem. Mit Sigmund Freuderkennt er hier zugleich die zyklische Logik des Zivilisationsprozesses wieder,die sich in der ödipalen Dramaturgie wiederspiegelt. Auf die Beseitigung des Va-ters durch den Sohn, so Marcuse in Triebstruktur und Gesellschaft1, ist bisher im-mer noch die Wiedereinsetzung des Herrschaftsprinzips durch den Sohn gefolgt.

Wird Aufklärung damit für Marcuse in ihrer ödipalen Mythizität transpa-rent, so eröffnet die psychoanalytische Einsicht in die Rolle des Eros für den

1 Herbert Marcuse: Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu SigmundFreud, (im Verlauf des Textes TuG), in: H. Marcuse, Schriften, Bd. 5, Frankfurt a.M.: Suhrkamp1979 [1955]). Daneben beziehe ich mich im Folgenden auch auf Herbert Marcuse, Der eindimen-sionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, (DeM) in: H.Marcuse, Schriften. Bd. 7, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984. Ders.: Versuch über die Befreiung,(VüB) ebenda, und ders.: Repressive Toleranz (RT), in: H. Marcuse, Schriften, Bd. 8, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1989. Was die Sekundärliteratur betrifft, so seien hier v.a. Barry Katz: HerbertMarcuse and the Art of Liberation. An Intellectual Biography, London: New Left Books 1982,Jürgen Habermas, Antworten auf Herbert Marcuse, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1969, Hans Albert,Plädoyer für kritischen Rationalismus, München: Piper 1971, die Einführungen von Douglas Kell-ner: Herbert Marcuse. The New Left and the Sixties, New York: Routledge 2005 und HanningVoigts: Entkorkte Flaschenpost. Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und der Streit um die NeueLinke, Berlin: LitVerlag 2010, erwähnt.

DOI 10.1515/naha-2012-0014 Naharaim 2012; 6(2): 247–268

Zivilisationsprozess im Sinne dieser Konstruktion zugleich eine neue existen-ziell-erotische Perspektive auf die marxistische Utopie einer herrschaftsfreienGesellschaft. Diese bedürfte einer Suspension der ödipalen Logik, die die bishe-rige Geschichte der Rationalisierung und Technologie als eine Geschichte derKlassenkämpfe bestimmt hat.

Setzt die herrschaftsfreie Gesellschaft damit immer schon die Suspensionder ödipalen Logik voraus, so kennzeichnet Marcuse diese Revolution tatsäch-lich wiederholt in eschatologisch-theologischen Begriffen als eine „Tilgung derUrsünde“ oder gar als „Erlösung“ (TuG 83, 111, 147), die er beide mit dem mes-sianischen Werk des „häretischen Jesus“ (TuG 64) identifiziert. Jesus wird hiertatsächlich zu demjenigen Sohn, der mit dem Reich der Liebe das Prinzip vonHerrschaft und Schuld endgültig suspendieren soll. Wo Ödipus den Vater besei-tigt, um seine eigene Herrschaftsordnung zu etablieren, steht Christus also fürdenjenigen Akt der Beseitigung des Vaters, der sich einer Wiedereinsetzung derHerrschaft verweigert.

Der häretische Jesus fungiert also bei Marcuse als der eschatologische Ar-chetyp eines „letzten Ödipus“, der mit seiner „großen Weigerung“, das Herr-schaftsprinzip wieder einzusetzen, das utopische Reich der Liebe in einer „neu-en Sensibilität“ hier und jetzt gründen soll. Marcuses psychoanalytische Utopieauf marxistischer Grundlage entspricht damit einer politischen Christologie, diees in der realen politischen Geschichte zu realisieren gilt.

Steht der häretische Jesus für die Idee einer „Erlösung“ und utopischen Be-freiung des Eros, so delegiert Marcuse die eigentliche eschatologische Praxiseinerseits an die Technologie, andererseits an das ästhetische Subjekt. Wo dieTechnologie den Menschen von der unmittelbaren Not (Ananke) der Naturbe-herrschung und Arbeit freistellt, soll das ästhetische Subjekt als der seinerselbst bewusste Sohn über Erinnerung, Phantasie und Imagination die Perspek-tive auf eine andere politische Praxis eröffnen. Damit wird die ästhetische Kritikder Normen, Formen und Regeln der bestehenden Kommunikation zum Vorbildeben der „ödipalen Suspension“ des häretischen Jesus, der in einem Akt desletzten Vatermordes das Prinzip Herrschaft an sich beseitigen soll. In einem Aktder letzten Gewalt soll sich damit das Subjekt von Herrschaft und Schuld über-haupt „erlösen“. In den Figuren von Orpheus und Narziß (TuG 147ff.) veran-schaulicht Marcuse diese ödipale Suspension zunächst ästhetisch als Destruk-tion der bestehenden Formen herrschaftlicher Kommunikation, um dieseÄsthetik als Vorlage für eine wahre politische Aktion und erotische Lebenspra-xis zu mobilisieren.

Wo die politische Aktion des Sohnes auf eine direkte Gewalt gegen dasHerrschaftssystem „des Vaters“ zielt, soll sich die Praxis der Erotik schon „real-utopisch“ auf eine „genitofugale Sexualität“ verlegen. Mit dieser verweigert sich

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der Sohn dem Prinzip der Zeugung und soll damit tatsächlich „Erlösung“ alsdie biologische Abschaffung des Vaterprinzips ins Werk setzen.

In den Metamorphosen des letzten Ödipus vom häretischen Jesus zum poe-tischen Mythos von Orpheus und Narziss vollzieht sich also eine Eschato-Logik,die mit der endgültigen Abschaffung von Herrschaft immer schärfer die Gefahrdieser absoluten Politisierung des Theologischen enthüllt. Die radikale Neuauf-lage der Aufklärung als Auszug aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit,muss, gerade weil sie diese als endgültigen Auszug aus der Schuld auffasst, zueiner Politik der Gewalt gegen den Vater als absoluten Feind eskalieren.

Marcuse hat sich gegen eine Korrespondenz zwischen seiner Lehre und derterroristischen Praxis der Baader-Meinhof Gruppe mit dem Hinweis verwehrt,der revolutionäre Augenblick sei noch nicht gekommen.2 Wenn sein Denkenauch einen entscheidenden Einfluss auf die Liberalisierung und Pluralisierungder Lebensstile ausgeübt haben mag, so hat Marcuses revolutionäre Eschato-logik sich dieser Liberalisierung als einem Mechanismus der Anpassung ans Sys-tem auch schon wieder entgegengestellt. Die in der deutschen 68er Bewegungsich radikalisierende Baader-Meinhof Gruppe hat sich nicht nur auf HerbertMarcuse berufen, sondern tatsächlich die direkten praktischen Konsequenzenaus eben den eschatologischen Potenzialen von Marcuses Begriff der Revolutiongezogen.3 Unter dem Druck der besonderen Verhältnisse der deutschen Söhnezu ihren Vätern, die Auschwitz möglich gemacht hatten, geriet der Terror „ge-gen die Väter“ im Bund mit den sexuellen Eskapaden und Happenings der Kom-munen zu einer präzisen Illustration eben dieser praktisch gewordenen Eschato-logie. Die fanatisierten Gesichter der zu jeder Gewalt bereiten Anarchisten

2 Vgl. Herbert Marcuse: “Murder is not a Political Weapon”, in: H. Marcuse, New Left and theSixties, S. 177–179.3 Vgl. Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine Kulturrevolution 1967–1977, Köln: Kie-penheuer und Witsch 2001. Ders.: Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus,Köln: Kiepenheuer und Witsch 2003. Werner Kraushaar, Die Bombe im jüdischen Gemeinde-haus, Hamburg: Hamburger Edition 2005. Götz Aly: Unser Kampf. 1968 – Ein irritierter Blickzurück, Frankfurt a.M.: Fischer 2008. Jürgen Habermas: Antworten auf Herbert Marcuse, Frank-furt a.M.: Suhrkamp 1969, S. 15. hatte schon damals die vorsichtig formulierte Frage nach derGewaltdimension von Marcuses Denken, ohne auf ihre eschatologische Dimension einzugehen,so gestellt: „Seit einem knappen Jahr stiftet der meistzitierte Satz Marcuses einige Verwirrung.Am Ende seines Aufsatzes Repressive Toleranz spricht Marcuse in Anführungszeichen von ei-nem „Naturrecht“ auf Widerstand für unterdrückte und überwältigte Minderheiten: ‚Wenn sieGewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen dieetablierte. Da man sie schlagen wird, kennen sie das Risiko, und wenn sie gewillt sind, es aufsich zu nehmen, hat kein Dritter, und am allerwenigsten der Erzieher und Intellektuelle, dasRecht, ihnen Enthaltung zu predigen.‘ Ich würde wünschen, daß Marcuse diesen Satz nocheinmal erläuterte.“

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entsprechen tatsächlich der letzten, unter eschatologischen Bedingungen unver-meidlich entstellten Gestalt dieser psychoanalytisch – theologisch – ästheti-schen Metamorphose: Baader-Meinhof als politisch-eschatologische Fratze vonÖdipus/Orpheus.

Die folgende kritische Revision von Marcuses politischer Christologie wirdvor allem von Marcuses Hauptwerk Eros und Zivilisation aus zunächst den Zu-sammenhang von Psychoanalyse und Theologie (1), dann die Rolle von Tech-nik und Kunst für diese politische Theologie (2) und zuletzt deren Bedeutungfür die politische „Erotologie“ Marcuses (3) skizzieren. Indem sie die verschie-denen Metamorphosen der Eschatologisierung von Marcuses politischer Theo-logie rekonstruiert, geht es dieser Skizze nicht um eine pauschale Kritik an de-ren heilsgeschichtlicher Dimension4, diese ist im Übrigen von Michel Foucaultund Hans Albert schon früh vorgetragen worden. Es geht hier vor allem um dieKennzeichnung der drei regionalen Eschatologien des Ästhetischen, Politischenund Erotischen und deren inneren Zusammenhang. Während sich die politi-sche Eschatologie heute, zumal in Agambens Denkfiguren5, ohnehin in Ästhe-tik und Philologie zurückzieht, scheint heute vor allem Marcuses „Begriff desErotischen“ von besonderem Interesse zu sein. Er bezeichnet offenbar eindurchaus noch wirksames, „letztes Eschaton“, das seine unmittelbare Aktuali-tät in der aktuellen Diskussion über die Zukunft der Liebe6 bewahrt zu habenscheint. Die These vom „Tod des Eros“ heute erscheint jedenfalls wie die letzteKonsequenz aus Marcuses eschatologischer Radikalisierung der Aufklärungund ohne eine Rekonstruktion der psychoanalytischen, politischen und theo-logischen Voraussetzungen seiner „Erotologie“ kaum in ihrer Tiefendimensionzu erfassen.

4 Vgl. hierzu: Albert: Plädoyer für kritischen Rationalismus, v.a. der Essay: „Kritische Rationali-tät und politische Theologie. Zur Analyse der deutschen Situation“, S. 45–75 und: „Wissen-schaft und Verantwortung. Max Webers Idee rationaler Praxis und die totale Vernunft der poli-tischen Theologie“, S. 76–105. Michel Foucault, Der Wille zum Wissen, Frankfurt a.M.:Suhrkamp 1983, S. 17ff., wo der Autor den Diskurs vom herrschaftsfreien Sex als messianischePseudotheologie ironisiert.5 Vgl. Giorgio Agamben, Herrschaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Grundlage von Ökono-mie und Regierung, Berlin: Suhrkamp 2010. Vgl. dazu meinen Aufsatz: „Die Rückkehr des Ka-techons“, in: Giorgio Caronello (hrsg.), Erik Peterson. Die theologische Präsenz eines Outsiders,Berlin: Duncker und Humblot 2012.6 Vgl. Martha Nussbaum, Love’s Knowledge, New York: Oxford UP 1990. Volkmar Sigusch:Neosexualitäten. Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion, Frankfurt Main: CampusVerlag 2005. Jean Luc Marion, The Erotic Phenomenon, Chicago: Chicago UP 2006. Niklas Luh-mann, Liebe. Eine Übung, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008. Alain Badiou, L’Eloge de l’Amour,Paris: Flammarion 2009.

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II Christus als letzter Ödipus

Die strukturelle Analogie zwischen der marxistischen Kritik der Geschichte derKlassenkämpfe und der ödipalen Logik des Zivilisationsprozesses dient bei Mar-cuse zunächst einer gegenseitigen Kritik der Diskurse. Mithilfe der politischenÖkonomie hinterfragt Marcuse den statisch-mythischen Begriff der Arbeit beiFreud, wie er mit Freuds Psychoanalyse die existenziell-erotischen Grundlagendes Zivilisationsprozesses und damit die Tiefendimension von Entfremdung,Unterdrückung und Revolution offenlegen will. Die Pointe liegt hier im Wesent-lichen darin, dass die marxistische Analyse der Produktivkräfte die ökonomi-schen Möglichkeiten zu einer Befreiung vom Zwang der Arbeit durch die Tech-nologie erweisen soll. Indem die Technik das Subjekt vom Druck unmittelbarerNaturbeherrschung und Arbeit und so von der bei Freud statisch bestimmtenMacht der „Ananke“ befreien soll, sollen die erotischen Potenziale freigelegtwerden, die bisher verschüttet nunmehr die wahre revolutionäre Energie desSubjekts entfesseln können.

Was zunächst die freudianische Dimension der Herrschaftslogik betrifft, ten-diert Marcuses Theorie der Revolution tatsächlich dazu, die existenziell-erotischePerspektive in den Vordergrund zu stellen. Das ergibt sich schon allein aus derödipalen „Personalisierung“ der hegelianischen Dialektik von Herr und Knechtauf der Basis der Vater-Sohn Konfiguration fast notwendig. Dem Prinzip herr-schaftlicher Organisation entspricht der „Vater“, dem der Revolution der „Sohn“.Diese Personalisierung durch den Antagonismus Vater-Sohn, die durch die freu-dianische Perspektive diktiert wird, färbt auf Marcuses Konzeption einer erotischfundierten Revolution der Gesellschaft unmittelbar ab, insofern diese dazu ten-diert, sich zu einer Revolution des Sohnes gegen den Vater zu transformieren.

Unter den gegebenen Bedingungen der Naturbeherrschung und des daraussich ergebenden Zwangs zur Arbeit unterliegt der Eros des Menschen zunächstallerdings ganz der bio-sozialen Dynamik von Herrschaft und Gewalt, wie sie un-ter der präzivilisatorischen Herrschaft des Urvaters sich kristallisiert. Die Ord-nung, die der primordiale Vater über seine Familienhorde erhebt, dient dem ei-genen maximalen erotischen Lustgewinn, d.h. der erotischen Ausbeutung derTöchter und der Versklavung der Söhne für die Arbeit, die damit vom Genuss derFrauen ausgeschlossen sind. Mit dem Zusammenschluss der Söhne gegen denVater, der zum Mord an diesem „erotischen Souverän“ führt, beginnt der eigent-liche Zivilisationsprozess, aber das bedeutet vor allem, dass die Söhne mithilfevon Totem und Tabu nunmehr ihre eigene Herrschaftsordnung etablieren.

Der Aufstand gegen den Vater ist eine Aufhebung gegen eine biologisch gerechtfertigteAutorität, seine Ermordung zerstört die Ordnung, die das Leben der Gruppe erhalten hat-te […] Aber die Söhne wünschen ja dasselbe wie der Vater; sie wünschen maximale Be-

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friedigung ihrer Bedürfnisse. Und sie können dieses Ziel nur durch Wiederholung derHerrschaftsordnung in einer neuen Form erheben. (TuG 61)

Die Transformation von der erotischen Souveränität des Urvaters zu der legal-gesetzlich begründeten Herrschaftsordnung der Söhne nimmt nicht nur modell-haft das Phänomen des Politischen vorweg, sie veranschaulicht das, was Marcu-se die „doppelte Schuld“ nennt und was die Geschichte des Politischen je vonNeuem in ihrer Zyklizität bestimmen wird. Wo Freud diese Zyklizität aus derAmbivalenz erklärt, derzufolge die Söhne mit der Einsetzung des Totems einer-seits die Beseitigung des Vaters feiern, andererseits aber dessen Verlust auchbetrauern und sich nach ihm sehnen, betont Marcuse eine doppelte Schuld,nämlich die Schuld am Verbrechen des Mordes und die Schuld der Wiederein-setzung des durch den Vater verkörperten Herrschaftsprinzips.

Statt dem Versprechen einer möglichen vaterlosen Gesellschaft zu entspre-chen,7 haben die Söhne mit ihrer Reproduktion der Herrschaft auf legaler Basisdiese politische Herrschaft durch die Einsetzung des Totems, dem tierischen Ur-symbol des Vaters als Gott, erst recht konsolidiert und theologisch sanktioniert.Diese Religion des Vaters ist in ihrem Wesen also nichts anderes als das Prinzipder Legitimation der politischen Herrschaft, das Urprinzip einer jeden politi-schen Theologie der Souveränität. Eine Emanzipation von diesem zyklischenMechanismus der Macht als dem Mythos der Aufklärung im Ganzen, eine Befrei-ung vom Prinzip des souveränen Subjekts oder des souveränen Gesetzes setztdamit die Möglichkeit einer Suspension voraus, in der der Sohn mit der Beseiti-gung des Vaters das Prinzip von Herrschaft überhaupt revoziert. Es wäre alsogleichsam die Tat eines letzten Ödipus, der mit der Beseitigung des Vaters dievon diesem in Gang gesetzte Logik der Herrschaft nunmehr selbst suspendierenwürde. Damit würde er den Zyklus von Macht und Gegenmacht, d.h. den zurhistorischen Regel gewordenen Ausnahmezustand in einer letzten „absolutenAusnahme“ suspendieren, deren Sinn Herrschaftsverweigerung ist.

Diesen letzten Ödipus als die durch und durch eschatologische Figur einerendgültigen Befreiung rekonstruiert Marcuse in dem häretischen Bild von Jesus.Dieser „Sohn Gottes“ vertritt jetzt das Prinzip einer ödipalen Befreiung von derVaterreligion ohne eine Reproduktion von dessen Herrschaft. Jesus’ Botschaftvom Reich der Liebe entspricht damit bei Marcuse einer Befreiung des wahrenEros von Herrschaft und Gesetz. „Die Botschaft des Sohnes war eine Botschaftder Befreiung: der Sturz des Gesetzes (das Herrschaft ist) durch Agape (die Erosist). Das würde mit dem häretischen Bilde Jesu als Sühner im Fleische überein-

7 Vgl. Hierzu: Paul Federn, Zur Psychologie der Revolution. Die vaterlose Gesellschaft, Wien:Anzengruber-Verlag 1919.

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stimmen, des Messias, der gehorsam ist, um den Menschen hier auf Erden zuerlösen.“ (TuG 65)

Dieser häretische Jesus, indem er mit dem Prinzip der Liebe das „Gesetzaufhebt“, entspricht einerseits einem traditionell christlichen Bild, wird abervon Marcuse eben dadurch zugleich „häretisiert“8, daß dieser Jesus jetzt nurnoch als Sohn autritt und den Gottvater beseitigt. Frei von seiner dogmatischenKonstitution soll dieser Jesus den Menschen „hier auf Erden schon erlösen.“Dieser entdogmatisierte Christus wird hier also ganz aus der Perspektive einerödipalen Eschato-logik gedacht, die ihrerseits nichts anderes, als eine „De-dogmatisierung“ des freudianischen Ödipus-Prinzips selbst bedeutet, das ja ineiner „doppelten Schuld“ besteht: der Beseitigung des Vaters und der Rehabili-tierung des Herrschaftsprinzips durch den Sohn. Jesus und der letzte Ödipussind bei Marcuse Archetypen jener „großen Weigerung“ (die Herrschaft fortzu-setzen), die eine „neue Sensibilität“ (einer erotischen Praxis ohne Herrschaft)ermöglichen soll.

Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der psychoanalytischen Kritik ander christlichen Religion auszuführen.9 Es sei hier nur kurz darauf hingewiesen,dass sich Marcuse in diesem Zusammenhang auf einen Vortrag von ErichFromm10 bezieht, der den christlichen Messias aus der psychoanalytischen undmarxistischen Perspektive in die Rolle eines Revolutionärs der ausgebeutetenMassen Palästinas einsetzt, um den im Dogma an der Seite des Gottvaters regie-renden Christus als Ideologem der mit Herrschaft und Kaisertum versöhntenStaatskirche zu charakterisieren. Unter Berufung auf Adolph von Harnacks kriti-sche Dogmengeschichte hatte Fromm Christus tatsächlich als Begründer einesutopischen „Liebeskommunismus“ interpretiert, der durch die Transformationder sozial-politischen Basis dieser messianischen Religion zunehmend ent-messianisiert und dogmatisiert wird. Die spätere Gleichsetzung des Sohnes Gottesmit dem Vater im Dogma der Trinität, verkehrt nach Fromms Verständnis denSinn der ursprünglichen ödipalen Rebellion in einen Akt der Unterordnung desSohnes unter den Vater. Statt den Vater zu beseitigen, opfert sich jetzt der Sohnfür den Vater, um dafür mit der Herrschaft an seiner Seite „belohnt“ zu werden.

8 Barry Katz: Herbert Marcuse and the Art of Liberation, S. 154, berichtet von Marcuses Plan,mit Jacob Taubes zusammen sogar eine Geschichte der Häresie als „Corpus Hereticorum“ zuschreiben.9 Diese Geschichte beginnt wahrscheinlich mit Theodor Reik, „Dogma und Zwangsidee. Einepsychoanalytische Studie zur Entwicklung der Religion“ (Sonderabdruck aus „Imago. Zeit-schrift für Anwendung der Psychanalyse auf die Natur- und Geisteswissenschaften“, Bd. XIII(1927).10 Erich Fromm, Die Entwicklung des Christusdogmas, Wien: Internationaler pyschoanalyti-scher Verlag 1931.

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Marcuse greift diese Deutung auf, um sie freilich auch pointiert gegen diefreudianische Dogmatik von der ewigen Wiederkehr desselben Ödipusprinzipszu wenden.

Dann wäre die spätere Transsubstantiation des Messias, die Vergöttlichung des Sohnesan der Seite des Vaters ein Verrat seiner Botschaft durch seine eigenen Jünger – dieLeugnung der Befreiung im Fleische, die Rache am Sohn. Das Christentum hätte danndas Evangelium von Agape und Eros wieder dem Gesetz unterworfen, die Vaterschaftwäre wieder aufgerichtet und verstärkt. (TuG 65)

Die Revolte gegen Herrschaft und väterliche Autorität ohne Selbsteinsetzung desSohnes als Herrscher zielt damit auf eine globale Kritik an Freuds Destruktion derReligion als Illusion und Neurose. Wo Freud die begrifflichen Instrumente ausge-arbeitet hat, mit denen Marcuse die Dialektik der Aufklärung in ihrer mythischenZyklizität rekonstruiert, da soll sie selbst – aus der eschatologischen Perspektivedes letzten Ödipus – in ihrer eigenen Verfallenheit an den Mythos der Vernunft-herrschaft überführt werden, die nichts anderes als eine Fortsetzung der ödipalenHerrschaft bedeutet. Marcuse will also die theologische „Illusion“ retten, indemer sie auf der Grundlage eben dieser Figur des letzten Ödipus deutet. Freud

glaubte, daß der Untergang dieser Illusion den materiellen und intellektuellen Fortschrittder Menschheit äußerst beschleunigen würde und pries Wissenschaft und wissenschaft-liche Vernunft als die großen befreienden Antagonisten der Religion. Wo aber die Reli-gion weiterhin das kompromisslose Streben nach Friede und Glück bewahrt, haben ihreIllusionen noch einen höheren Wahrheitsgehalt als die Wissenschaft, die an der Aus-schaltung dieser Ziele arbeitet. (TuG 67/8)

Wenn die christliche Theologie mit Hilfe der Psychoanalyse auf ihre utopischeGrundlage gestellt wird, muss die Psychoanalyse durch eine am häretischen Je-sus orientierte Eschatologie der Liebe in ihrer eigenen wissenschaftsgläubigenIllusion transparent werden. Freuds Ideal des Logos, der den Prozess der Kulturvollenden soll, erweist sich für Marcuse als die Fortführung der Dialektik derAufklärung und insofern als Fortführung der „Rationalität des herrschendenRealitätsprinzips“, die sich gegen „die metaphysische Spekulation über denEros durch(setzt).“

Mit der Rekonstruktion der ödipalen Dyamik von Fortschritt und Herrschaftgeht es Marcuse also um nichts weniger als eine politische Theologie, derenletzter Sinn eine endgültige Befreiung des Eros von Herrschaft und Schuld istund die damit die Idee von „Erlösung“ in dieser politischen Theologie tatsäch-lich säkularisiert. „Hinter der Definition des Subjekts […] erhebt sich das Bildder Erlösung vom Ich“ (TuG 111), schreibt Marcuse. Damit stellt sich aber immerschon die Frage, wie diese säkulare Erlösung hier und jetzt als ein Werk desMenschen vor sich gehen soll.

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Wie der Hinweis auf die von Freud geleugnete „metaphysische Spekulationüber den Eros“ nahelegt, setzt diese Erlösung des Eros von Herrschaft undSchuld voraus, dass der Eros vor seiner Instrumentalisierung im Prozess der Ra-tionalisierung an sich friedfertig und gewaltlos ist. Sinnlichkeit und praktischeVernunft, Lust und Freiheit, Eros und Gesetz, Sexualität und Agape sind „ansich“ immer schon versöhnt, bevor sie durch die Dynamik der Naturbeherr-schung entstellt werden. Gerade wenn Marcuse diese „Erlösung“ von der Erin-nerung aus in die Wege leiten will, d.h. also auf der Grundlage eines Anden-kens an den in diesem Prozess verdrängten Eros, muss sich auch der Eros, denFreud als sexuellen Trieb und Aggression konzipiert und damit eben vollends„naturalisiert“, unter der Hand verwandelt haben. Marcuse setzt also unausge-sprochen immer schon eine Theologie oder Metaphysik des Eros voraus, die dievon ihr beanspruchten materialistischen Bedingungen tatsächlich immer schonüberschritten hat. Er setzt einen metahistorisch intakten Begriff des Eros voraus,der in der realen Geschichte und das heißt: unter dem Druck der Naturbeherr-schung entstellt und verdrängt wird, aber über die Erinnerung in seiner ganzenFülle nichtsdestoweniger innerhalb der Geschichte aktualisiert werden soll.

Marcuses Idee der Erlösung setzt mit dieser Idee des intakten Eros entwederdie Präexistenz des personalen Logos der Liebe, also des dogmatischen Chris-tus, oder eines apersonalen Logos des Eros voraus. Tatsächlich drängt sich hierunmittelbar eine Analogie zu Heideggers Metaphysik auf.11 Wo Heidegger dasSein aus seiner metaphysischen Besetzung durch das mit Vernunft und Wissen-schaft determinierte Seiende, aus der Seinsvergessenheit befreien will,12 konzi-piert Marcuse eine Art Erosvergessenheit, die durch Vernunft, Wissenschaft undHerrschaft bedingt, zu einer kritischen Revision des Ursprungs der metaphysi-schen Fülle des Eros zwingt. Der metaphysische „Eros“ entspricht wie das Seinbei Heidegger einer Fülle der Erfahrung, die durch die Herrschaft zu einem defi-zienten Eros instrumentalisiert und entstellt worden ist.

Die Figur des häretischen Jesus und des letzten Ödipus setzt in jedem Fallimmer schon die Präexistenz eines Eros voraus, der die onto-erotologischenVoraussetzungen Freuds gerade destruiert. Diese Destruktion aber wird wederpsychoanalytisch explizit durchgeführt noch eigens in einer „Theologie“ oderMetaphysik wirklich begründet.

11 Katz, Herbert Marcuse and the Art of Liberation, S. 58ff. rekonstruiert die Beziehung Marcu-ses zu Heideggers Projekt der Existenzialontologie sehr genau, aber erwähnt diesen immerhinauffälligen Zusammenhang zwischen Heideggers Konstruktion von Sein und Seinsvergessen-heit vis à vis Marcuses Eros und Erosvergessenheit allerdings nicht.12 Vgl. etwa Martin Heidegger: Holzwege, Frankfurt a.M.: Klostermann 1977, hier vor allem:„Nietzsches Wort: Gott ist tot“, S.209–268. Ders.: Gelassenheit, Pfullingen: Neske 1959.

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Entweder also greift Marcuse auf eine Metaphysik der Liebe bzw. eine Theo-logie der präexistenten Liebesfülle zurück, oder er muss einen historisch imma-nenten Mechanismus konstruieren, der die „Erlösung“ vom herrschaftlichenEros durch das Werk des Menschen ermöglichen kann. Marcuses politischeChristologie versucht diese „Erlösung“ zunächst tatsächlich als „autopoiesis“des Subjekts, also als seine Selbsterschaffung mithilfe der „techne“, d.h. mitden Mitteln von Technik und Kunst, zu denken. Es wird also zu fragen sein, obdie Technik diese ihr zugemutete Aufgabe einer Veränderung aller herrschaftli-chen Bedingungen gesellschaftlichen Seins übernehmen kann oder ob sie beiMarcuse zuletzt nur eine Art „deus ex machina“ bleibt, der das Problem derMöglichkeit einer Veränderung der biologischen Bedingungen der menschlichenNatur nur verdeckt und herausschiebt.

III Von der politischen Christologiezu einer ästhetisch- technologischenAutopoiesis

Wenn der Arbeitszwang nicht nur ein mythisches Axiom wie bei Freud darstellt,sondern den marxistischen Gesetzen der politischen Ökonomie und technischenRationalität unterworfen ist, d.h. also sich historisch verändert, dann, soschließt Marcuse, lässt sich von der technischen Beherrschung der Natur nichtnur eine Erleichterung der Arbeitsbedingungen, sondern eine Befreiung von derherrschaftlichen Konstitution der Gesellschaft selbst erwarten. Wenn Herrschaftdemnach in Marcuses Konstruktion nur eine Funktion des dem Menschen vonder „äußeren“ Natur auferlegten Zwangs zu ihrer Beherrschung und Manipula-tion darstellt, dann soll die technische Rationalisierung dieser Beherrschungden Schlüssel zu einer unerwarteten Emanzipation, nicht nur vom Arbeits-zwang, sondern vom Herrschaftsprinzip selbst enthalten. Die politisch-erotischeUtopie von der letzten ödipalen Befreiung findet also zunächst in der Idee derbefreiten Technologie ihr utopisches Substrat.

Mussten alle Klassenkämpfe bisher in der (ödipalen) Reproduktion vonHerrschaft enden, zeichnet sich mit den Möglichkeiten der spätkapitalistischenTechnologie für Marcuse zum ersten Mal in der Geschichte die reale Möglichkeitihrer Abschaffung ab. Die „Erlösung“ von der Herrschaft selbst wird – auf derGrundlage dieser historischen Teleologie – tatsächlich erst durch die Technolo-gie möglich. Technologie fungiert hier demzufolge als der „deus ex machina“,dessen Geheimnis der letzte Ödipus nur zu entziffern braucht, um seine „Erlö-sung“ ins Werk zu setzen.

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Dieser Zusammenhang verdeutlicht einmal mehr Marcuses Vorbehalt gegendas Proletariat als revolutionäres Subjekt. Dieses ist längst in das System desSpätkapitalismus integriert, da sich seine Arbeits- und Lebensbedingungen imSpätkapitalismus qualitativ extrem verbessert haben. Tatsächlich aber wird esdamit aber bei Marcuse erst Recht zum Opfer einer totalen Verblendung durchdie Kulturindustrie und ist schon im Begriff, zu demjenigen eindimensionalenMenschen zu degenerieren,13 der dann gar nicht mehr in der Lage ist, die durchdie Technologie mögliche Abschaffung des Systems der Herrschaft zu durch-schauen bzw. zu ergreifen.

Wohl setzt Marcuse auf die revolutionäre Energie der von diesem integrati-ven Kapitalismus ausgegrenzten Randgruppen und Ghettobewohner der Mono-pole einerseits und die Befreiungsbewegungen in der prämodernen dritten Weltandererseits, aber die eigentliche Aufgabe, den Bann der historischen Logik vonNatur und Naturbeherrschung zu brechen, fällt nun immer mehr demjenigenSubjekt einer „neuen Sensibilität“ zu, das den metaphysischen Zusammenhangzwischen Utopie und Technologie aufzudecken vermag. Da die traditionellenherrschaftlichen Autoritäten und Instanzen im System zugleich zunehmend de-personalisiert und immer anonymer geworden sind, findet sich dieses letzte re-volutionäre Subjekt dadurch umso unmittelbarer einem „System“ der Herrschaftgegenüber, das sich eben dem Funktionieren der Technologie verdankt. Dieserunmittelbare Zugang zum System und seinen maschinellen Bedingungen setztdieses Subjekt also vom revolutionären Standpunkt aus prinzipiell in eine „pri-vilegierte“ Situation, gerade weil es vom unmittelbaren Druck der Naturbeherr-schung potentiell freigestellt und durch kreative Arbeit im Wesentlichen entlas-tet ist. Aus der Perspektive dieser alltäglichen Konfrontation vermögen vorallem der Intellektuelle und der Künstler die Gesetzmäßigkeit des Systems undseiner technologischen Bedingungen zu erfassen. Bevor die Technologie alsodurch das System zum Instrument der vollendeten Herrschaft wird und diesesich in ihrem Wesen dann vollkommen verbirgt, gilt es Herrschaft und Verber-gung im Augenblick dieser ultimativen Gefahr zu durchschauen. Dann vermagdas sensible Subjekt den Hebel zu einer Umfunktionierung der Technik anzuset-zen und das heißt: das sie bedingende System selbst abzustellen.

Es ist nicht schwer, in diesen Reflexionen die Spuren von Heideggers späte-rer Metaphysik der Technologie als Vollendung der ontotheologischen Metaphy-

13 Vgl. Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschritte-nen Industriegesellschaft, Werke, Band 7, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987, S. 27: „Je rationaler,produktiver, technischer und totaler die repressive Verwaltung der Gesellschaft wird, desto un-vorstellbarer sind die Mittel und Wege, vermöge derer die verwalteten Individuen ihre Knecht-schaft brechen und ihre Befreiung selbst in die Hand nehmen können.“

Jenseits von Herrschaft und Schuld. 257

sik zu erkennen. Auch hier kommt alles auf die richtige Einsicht in das herr-schaftliche Wesen der Metaphysik, die die Technologie durchwaltet, an, um de-ren ausschließliche Macht in einem nicht mehr herrschaftlichen Zugang zu bre-chen.14 Die Technologie bezeichnet auch bei Marcuse denjenigen Abschluss desdurch Nietzsches Philosophie des Willens zur Macht enthüllten Wesens der Me-taphysik als Naturbeherrschung, das sich in ihrer Selbstvollendung gerade un-widerruflich zu entziehen droht. Wo bei Heidegger nur noch eine am Sein selbstsich orientierende Erfahrung des „Entzugs“ es vermag, das Doppelwesen derTechnik zwischen Katastrophe und Rettung zu durchschauen, da denkt Marcusediese Erfahrung von Leiden und Entzug allerdings wieder aus der freudia-nischen Perspektive der zivilisatorischen Beherrschung des Eros. Indem dieTechnologie trotz und wegen der neuen Möglichkeiten der sexuellen Praxis imSpätkapitalismus das eigentliche Wesen des Eros vollends verdeckt und ver-stümmelt, wird dieser erotische Entzug zum Ausgangspunkt einer möglichenWende dieser Herrschaftslogik.

Wie bei Martin Heidegger wird auch bei Marcuse das ästhetische Subjekt,der Künstler, damit zum eigentlichen Subjekt einer möglichen „Metanoia“. DerKünstler, der mit seiner Phantasie und Imagination den erotischen Erfahrungs-grund seiner Subjektivität ins ästhetische Werk setzt, vermag so nicht nur dieSpuren der erotischen Unterdrückung am ehesten zu artikulieren, sondern erallein kann das Geheimnis der technischen Sphinx ins Utopische wenden: alsBefreiung der erotischen Phantasie und ihrer Möglichkeiten. Damit übernimmtjetzt das ästhetische Subjekt die Aufgabe, die Utopie des häretischen Jesus unddes letzten Ödipus mithilfe der technologischen Möglichkeiten ins Werk zusetzen.

Ganz ähnlich wie Martin Heidegger orientiert sich also auch Marcuse anDichtung und Kunst als Möglichkeit einer Subjektivität „jenseits des Willens zurMacht“, die der kritische Theoretiker vor allem auf dem Hintergrund der Ästhe-tik Kants und Friedrich Schillers, aber auch der Dichtung Paul Valérys und Rai-ner Maria Rilkes zu konzeptualisieren versucht. Marcuse macht vor allem KantsBegriff des interesselos nur erfahrbaren autonomen Schönen, die FriedrichSchiller in der Idee vom sich selbst genügenden Spiel erweitert, geltend, um mitdem Andenken an das erotische Potenzial der Subjektvität den utopischenRaum des politischen Spiels und einer herrschaftsfreien Erotik zu skizzieren.

Aus dieser ästhetischen Perspektive erfährt der häretische Jesus als der letz-te Ödipus zuletzt eine ästhetische Metamorphose, wie dieser ästhetische Ödipuszugleich die eschatologisch-theologische Intention des Messias in sich aufneh-

14 Vgl.: Martin Heidegger, „Die Zeit des Weltbildes“, in: M. Heidegger, Holzwege, S. 75–114.

258 Christoph Schmidt

men muss. Ödipus/Jesus verwandelt sich jetzt in die poetisch-mythischen Figu-ren von Orpheus/Narziss, die die durch Kunst und Poesie sich befreiende Natursymbolisieren sollen: die in und an sich seiende Natur des Eros „jenseits vonHerrschaft und Schuld“. Diese Befreiung betrifft zunächst die Technologieselbst, die „mechanische“ Kunst, die bisher Instrument der Herrschaft, nun zueinem Aspekt der „freien“ kreativen Kunst wird, mit der sich das ästhetischeSubjekt in seinen erotischen Seinsmöglichkeiten neu entdeckt und in letzter In-stanz neu erschaffen, theologisch gesprochen: „erlösen“ soll.

Kunst fungiert bei Marcuse damit zunächst als die Einsicht in die durchHerrschaft verschütteten Möglichkeiten des Daseins, aber von hierher auchschon als Imagination einer wahren Realisierung in die durch das Wesen derTechnologie sich ergebenden erotischen Möglichkeiten. Sie ist damit zunächstkritische Phantasie, die gegen die herrschaftliche Deformation von Subjekt –Objekt aufbegehrt, indem sie den Eros gegen den Logos ausspielt. „Die kritischeFunktion der Phantasie liegt in ihrer Weigerung, die vom Realitätsprinzip ver-hängten Beschränkungen des Glücks und der Freiheit als endgültig hinzuneh-men.“ (TuG 130) Als ein solches Prinzip der Weigerung erinnert Kunst über eineDestruktion der das Realitätsprinzip beherrschenden Formen, Normen und Re-geln von Sprache und Kommunikation an die utopischen Potenziale erotischenSeins. Zu der ästhetischen Praxis gehört damit immer schon ein „Bruch“, eine„Destruktion“ und tatsächlich eine ästhetische Gewalt gegen diese durch Herr-schaft entstellten Formen von Kommunikation, die Marcuse vor allem am Bei-spiel des Surrealisten Andre Breton erläutert.

Die neue Sensibilität und das neue Bewußtsein, die einen solchen Umbau entwerfen sol-len, erfordern eine neue Sprache […] Der Bruch mit dem Kontinuum der Herrschaft mußebenso ein Bruch mit deren Vokabular sein. (VüB 269)

Erst mit diesem Bruch zeichnet sich der Horizont einer möglichen Selbsterfah-rung, und eschatologisch: der Selbsterschaffung ab. Am Beispiel von Paul Valé-rys und Rainer Maria Rilkes Dichtung schreibt Marcuse: „das Klima dieser Spra-che ist das der „Tilgung der Spuren der Ursünde“, ist die Auflehnung gegeneine Kultur, die auf Mühsal, Herrschaft und Triebverzicht gründet.“ (TuG 142)

Die Poetik, die „den Produktionsprozess in einem Schöpfungsprozess“ voll-endet (VüB 260), zielt also auf eine radikale „autopoiesis“ des Subjekts. Das abersetzt voraus, dass die Ästhetik eben nicht in einer reinen Autonomie „interesse-los“ und „für sich“ steht, sondern dass sie tatsächlich die Grenzen des ästheti-schen Spiels längst überschritten hat hin zu einer politisch-erotischen Praxis hierund jetzt. Die Kunst bezeichnet also nicht mehr nur den Augenblick einer Kon-templation „jenseits des Willens zur Macht“, einer „interesselosen“ und befriede-ten Kontemplation, oder um mit dem späten Heidegger zu sprechen: eines „Wol-

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lens des Nichtwollens“,15 sondern sie soll ihre utopische Imagination vom befrie-deten Subjekt gerade in eine Lebenspraxis und zuletzt in eine durchaus aktiv„wollende“ Politik mit eigenen Strategien der Destruktion und Gewalt umsetzen.Kunst soll damit zu einer den ganzen Menschen und die Gesellschaft betreffen-den kreativen Technologie der Umschaffung der realen Verhältnisse werden. Inletzter Instanz soll diese Idee einer kreativen Technologie der Kunst tatsächlichauf eine Veränderung der biologischen Triebstruktur des Subjekts hinweisen, dieAutopoiesis sich in einer ästhetisch-biologischen Selbstschaffung erfüllen.

Der Aufbau einer solchen Gesellschaft setzt jedoch einen Menschentyp voraus, der so-wohl eine andere Sensibilität als auch ein anderes Bewusstsein besitzt, Menschen, dieeine andere Sprache sprechen, andere Ausdrucksformen haben und anderen Impulsenfolgen. (VüB 260)

Es ist nicht schwer, in den beiden Aspekten ästhetischen Verhaltens, in der Des-truktion und der Imagination einer utopischen Befriedung die beiden Handlung-en wieder zu erkennen, mit denen sich der letzte Ödipus von der doppeltenSchuld befreien soll. Die ästhetische Destruktion entspricht der letzten Gewaltgegen die Herrschaft und Gewalt des Vaters, während die ästhetische Utopieden idealen Stand ihrer Suspension imaginiert.

Marcuse rechnet die erste Form der Handlung, Destruktion und Bruch, vorallem der eigentlichen politischen Aktion zu, während er die erotische Praxisschon als Ausdruck der „neuen Sensibilität“ und so als Veränderung der biolo-gischen Triebstruktur „hier und jetzt“ auffasst. Bevor wir die unmittelbarenKonsequenzen der ästhetischen Praxis für die Erotik im nächsten Abschnitt ge-nauer analysieren wollen, gilt es deren Transposition in die politische Aktionkurz zu skizzieren.

Marcuse formuliert die Transposition der ästhetischen Logik auf den Bereichdes Politischen vorzugsweise in Max Webers Begriffen der Legalität und Legiti-mität. Die ästhetische Destruktion im Namen der Utopie wird politisch, indemsie den bestehenden Rahmen der Legalität im Namen der utopisch herrschafts-freien Legitimität sprengt. Eben weil Politik unter dem Zeichen der eschatologi-schen Beseitigung von Herrschaft überhaupt steht, wird sie nicht nur destruktiv,sondern sie muss mit dem demokratischen System selbst brechen.

Folglich wird der Kampf um Änderungen, die über das System hinausgehen, kraft seinereigenen Dynamik im Sinne des Systems undemokratisch, und von Anbeginn wohnt Ge-gengewalt dieser Dynamik inne. (VüB 299)

15 Martin Heidegger, Gelassenheit, S. 32: „Nicht-Wollen heißt demnach, willentlich dem Wol-len absagen. Der Ausdruck Nicht-Wollen bedeutet sodann noch jenes, was schlechtthin außer-halb jeder Art von Willen bleibt.“

260 Christoph Schmidt

Da der Akt der Befreiung von der Herrschaft aber zugleich immer hinter demIdeal derjenigen Herrschaftsfreiheit zurückbleibt, die sie utopisch imaginiert,verwandelt sich das Ideal der Freiheit von Gewalt und Herrschaft, jedenfalls so-lange Herrschaft, zumal die liberale Demokratie fortbesteht, in einen immerwieder zu wiederholenden Akt der Be-freiung durch die Gegengewalt.

Wenn die Männer und Frauen einmal frei […] handeln und denken, haben sie die Kettezerbrochen, welche Väter und Söhne von Generation zu Generation verband. Sie habendamit die Verbrechen gegen die Menschheit nicht getilgt, aber sie werden frei sein, ihnenEinhalt zu gebieten und ihre Wiederkehr zu verhüten. (VüB 262)

Die ästhetische Revolte des sensibilisierten Subjekts muss sich, der Eschato-lo-gik vom letzten Ödipus entsprechend, also in eine vorläufig permanente Revolu-tion gegen die Väter verwandeln. Folgerichtig muss Marcuse sein Publikum im-mer wieder dazu ermahnen, die Revolte gegen die Väter aufzunehmen. Dieeschatologische Situation erweist sich als Akt einer letzten Scheidung von Vaterund Sohn, Herrschaft und Unschuld, die in letzter Instanz alle politischen Ent-scheidungen in Mitleidenschaft ziehen muss. Da die Söhne selber schon un-schuldig/schuldlos sein sollen, weil sie den Zirkel von Gewalt und Gegengewaltdurchbrechen, können zuletzt nur noch die Väter alle Schuld tragen. Damit er-zeugt diese Schuldlosigkeit des Sohnes eine unendliche Potenzierung derSchuld bei dem Vater, der so als Feind nicht mehr nur besiegt, sondern tatsäch-lich beseitigt werden muss. „Nicht wir, sondern die Väter sind schuldig; sie sindnicht tolerant, sondern falsch; sie wollen sich von ihrer eigenen Schuld freikau-fen, indem sie uns, die Söhne, schuldig machen.“ (VüB 250)

So aber muss die Idee einer „Tilgung der Ursünde“, d.h. der von Marcuseso definierten „doppelten Schuld“ der Ab- und Einsetzung der Herrschaft zueiner Art absolutem „ödipalen Ausnahmezustand“ gegen das Vaterprinzip eska-lieren. Der Übergang von der Ästhetik zur Politik, mit dem die ästhetische Des-truktion der Regel zum Prinzip der Zerstörung auch der demokratischen Legali-tät wird, entspricht zuletzt tatsächlich einer souveränen Dezision im Geiste CarlSchmitts,16 die ihre Legitimation jetzt „autopoietisch“ aus einer letzten meta-physischen Entscheidung zwischen Herrschaft und Unschuld, und d.h. politischkonkret zwischen Freund und Feind bezieht.

16 Nach Katz, Herbert Marcuse and the Art of Liberation, S. 63, hat Marcuse in einer Rezensionzu Siegfried Marck: „Die Dialektik in der Philosophie der Gegenwart“ unter dem Titel: „ZumProblem der Dialektik I“, aus dem Jahr 1930 Carl Schmitt scharf kritisiert, aber unüberhörbarist bei Marcuse die spätere Wendung zu dessen Rhetorik aus einer linksaktivistischen Perspek-tive. Vgl. Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, Berlin1996. Ders.: Der Begriff des Politischen, Berlin 2002.

Jenseits von Herrschaft und Schuld. 261

Für Marcuse entspricht die Gegengewalt des Sohnes dabei längst noch nichtdem Maß der geschichtlich angehäuften Gewalt des Vaters. Das bedeutet aber,dass diese Gewalt im Maßstab 1:1 durch die Gegengewalt zunächst „eingelöst“werden muss, bevor der Sohn ganz in den als ursprünglich imaginierten Zustandder Unschuld zurückkehren kann. „Wenn die in der kulturellen Herrschaft desMenschen angehäufte Schuld je durch Freiheit eingelöst werden kann, dannmussdie Ursünde noch einmal begangen werden. Wir müssen wieder vom Baum derErkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufinden.“ (VüB 171) DerEinzug in das Paradies, das hier vor und jenseits der realen Geschichte angesiedeltist und doch in einem Akt der ästhetisch-biologischen autopoiesis ins Werk ge-setzt werden soll, erfordert gerade wegen seiner Eschato-logik einer „Tilgung derSpuren der Ursünde“ die Entfesselung einer unendlichen Gewalt, mit der zugleichdie endgültige Abschaffung der Herrschaft in eine unendliche Zukunft rückt.

Marcuses „Anti-Ödipus“ bestätigt damit, freilich gegen die eigene Intention,den Verdacht Sigmund Freuds, dass der Eros seiner Natur nach im Bund mitAggression und Gewalt tatsächlich erst durch den mühsamen Prozess der Zivili-sation domestiziert werden kann und dass die Revolution gegen dieses zivilisa-torische Prinzip von Herrschaft und Gesetz zuletzt nur einen Rückfall in denbarbarischen Naturzustand auslösen kann. Gegen alle diskursiven Gegenmaß-nahmen, die Marcuse gegen Freuds Reduktion des Eros auf die Aggression vor-zunehmen versucht, trotz ihrer lokalen Suggestivkraft, können Schillers Ästhe-tik des Spiels und Platons Metaphysik des Eros nicht die in ihrem Wesengewaltsame Natur dieser erotischen Befreiung verdecken. Wo sich die Techno-logie als Ausweg anbot, d.h. als derjenige deus ex machina, der eine totale Be-freiung vom Prinzip Herrschaft ermöglichen sollte, da zeigt sich also zuletzt,dass die Emanzipation vom Zwang der Naturbeherrschung eben nicht die eroti-sche Natur des Menschen „erlöst“, sondern diese erst Recht zu der Gewalt ver-dammt, die sie auszulöschen angetreten war.

Damit muss sich Marcuses radikale Eschatologie die Möglichkeiten zu einerkritischen demokratischen Praxis von vorne herein verbauen, die etwa das „Sys-tem“ des demokratischen Rechtsstaates als Voraussetzung für eine kritischeSelbstkorrektur mit demokratischen Mitteln durch die Bürger begreift. Diesemtheoretischen Befund entspricht ziemlich exakt die politische Situation in derBundesrepublik Deutschland im Jahr 1969: die radikale Avantgarde der Studen-tenrevolte griff ausgerechnet in dem Augenblick zu den Mitteln von Terror undMord, als der damalige Bundeskanzler Brandt bei seiner Antrittsrede 1969 dafürplädierte, „mehr Demokratie zu wagen.“17 Die radikalisierte Baader-Meinhof

17 Vgl. Jillian Becker, Hitler’s Children. The Story of the Baader Meinhof Terrorist Gang, London:Michael Joseph 1977. Koenen, Das rote Jahrzehnt. Hans Kundnani, Utopia or Auschwitz: Germa-

262 Christoph Schmidt

Gruppe hatte damals Marcuses eschatologischen Dezisionismus gegen das Sys-tem der Väter in die unmittelbare und unerbittliche Tat übersetzt und geradeeine jede kritische Praxis innerhalb des bestehenden demokratischen Systems,wie sie von dem moderaten Flügel der Studentenbewegung entworfen wurde,als Verrat geahndet.

IV Die Rückkehr ins Paradies als orgiastischesEndspiel

Die Idee einer ödipalen Unschuld bestimmt also die Zielsetzung dieses radika-len „Auszugs des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, dieals radikale Poetik formuliert, in der Tat praktisch und politisch werden soll,um den Menschen zuletzt von aller Schuld zu befreien. Insofern nun die eroti-sche Praxis nicht nur die bürgerlichen Normen hier und jetzt im Namen einerbefreiten Sexualität überwindet, sondern schon in die real existierende Trieb-struktur des Subjekts eingreifen, ja sogar eine utopische Verwandlung von des-sen biologischer Konstitution nach sich ziehen soll, entspricht die Erotik demeigentlichen Kern der eschatologischen Dimension dieser politischen Theologie.

„Hieraus ergibt sich, dass der radikale Wandel, der die bestehende Gesell-schaft in eine freie transformieren soll, in eine Dimension der menschlichenExistenz hereinreichen muss, die in der Marxschen Theorie kaum berücksichtigtwurde – die biologische Dimension, in der die vitalen Bedürfnisse und Befriedi-gungen des Menschen sich geltend machen.“ Es geht also darum, „dass die Re-volution […] kraft dieser biologischen Grundlage die Chance“ haben soll, „denqualitativ technischen Fortschritt in qualitativ andere Lebensformen zu überfüh-ren.“ (TuG 258) Was das eigentlich konkret bedeutet, ergibt sich aus der Ideeder dem ästhetischen Spiel nachgebildeten Form von Sexualität.

Mit der ästhetischen Grundlegung des Politischen ereignet sich zuletzt einradikaler Strukturwandel der erotischen Praxis. An die Stelle der durch das Ge-setz der Fortpflanzung funkionalisierten Sexualität tritt zunächst eine spiele-risch-experimentierende Sexualität. Die Idee des ästhetischen Spiels, wie sieFriedrich Schiller in den „Briefen zur ästhetischen Erziehung“ als Ideal des sichselbstbestimmenden Menschen bestimmt hat, der sich – anders als bei Kant –nicht mehr der „Neigung“, d.h. Lust und Sinnlichkeit entgegenstellt, soll jetzt in

ny’s 1968 Generation and the Holocaust, New York: Columbia UP 2009. Vgl. auch: ChristophSchmidt, “The Israel of the Spirit: The German Student Movement of the 1960s and its Attitudeto the Holocaust”, in: Dapim. Studies on the Shoah, Vol. 24, (2010): 269–318.

Jenseits von Herrschaft und Schuld. 263

einer Praxis des erotisch-sexuellen Spiels aktualisiert werden. „Von der unterdas genitale Supremat gezwungenen Sexualität zu der Erotisierung der Gesamt-persönlichkeit. Das ist eine Ausweitung, statt einer Explosion der Libido.“ (TuG173) Erotisches Spiel und Experiment sollen dabei einer radikalen „Resexualisie-rung des Körpers“ dienen, in der Marcuse die „Wiederherstellung der Urstrukturder Sexualität“ erkennt. Deren Ziel, das betont Marcuse immer wieder, ist auchhier ein Bruch, nämlich eben mit dem „Primat der genitalen Funktion“. DerOrganismus soll „auf dieser Stufe“ in seiner Gesamtheit zum „Substrat derSexualität“ (TuG 176) werden. Ganz abgesehen davon, dass die biologische „Ur-struktur der Sexualität“ höchstwahrscheinlich der Struktur der Fortpflanzungentsprach, denkt Marcuse mit dieser „Urstruktur“ eine utopische Idee von Libi-do, deren „inhärentes Streben nach kulturellem Ausdruck ohne repressive Mo-difikation […] genitofugal zu sein“ scheint. Diese Sexualität hat eine eigeneEschatologie, insofern sie „vom genitalen Supremat fort zur Erotisierung des Ge-samtorganismus zu streben“ versucht. (TuG 179)

Die fraglos reale Möglichkeit des sexuellen Experiments und der spieleri-schen Integration der sogenannten „Perversionen“ (Homosexualität, Sadismusetc.) im Sinne einer Pluralisierung und Liberalisierung der individuellen Lebens-stile wird von Marcuse auch hier von vorneherein in einen eschatologischen Ho-rizont gestellt, in dem der „letzte Ödipus“ als „häretischer Jesus“ sich über dieseFundamental- und Experimentalerotik tatsächlich selbst neu schaffen, bio-logisch transformieren und in theologischer Sprache: selbst erlösen soll. Heils-geschichtlich verabsolutiert wird Erotik, wie die zu ihr parallele Politik, auchhier so überlastet, dass sie sich als Modus einer reinen Gewalt entpuppen muss.

Die genitofugale Erotik, weit davon entfernt, nur eine Erweiterung des se-xuellen Genusses zu ermöglichen, entspricht nämlich auch hier unausweichlichdem eschatologischen Prinzip einer autopoiesis, die Marcuse als eine besondereForm von Apotheosis beschreibt. Indem der letzte Ödipus und Gottessohn Jesusnun seine ästhetische Praxis als Ödipus/Narziss entfaltet, verweigert er sichnicht nur den herrschaftlichen Gesetzen der genitalen Sexualität, sondern diesegenitofugale Sexualität bezeichnet immer schon die Weigerung des Sohnes, bio-logisch selbst zum Vater zu werden.

So bezwecken die orphisch-narzißtischen Urbilder […] Urbilder der großen Weigerung[…], die Trennung von libidinösem Objekt (oder Subjekt) zu ertragen. […] Orpheus ist derArchetyp des Dichters als Befreier und Schöpfer: er richtet eine höhere Ordnung in derWelt auf – eine Ordnung ohne Unterdrückung. […] Er ist der Dichter der Erlösung, derGott (!), der Frieden und Erlösung bringt, indem er Mensch und Natur nicht durch Ge-walt, sondern durch den Gesang befriedigt. (TuG 148)

Der sich selbst erschaffende Gott von Dichtung und Genuss kündigt mit seinerlibidinösen Praxis und Poesie nicht nur seine eigene Sohnschaft auf, sondern er

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verweigert sich dem Zeugungsprinzip an sich bzw. der eigenen Vaterschaft, unddamit der alten biologischen Ordnung im Ganzen. Der Auszug aus der selbstver-schuldeten Unmündigkeit gipfelt demnach in dem Auszug aus der alten Schöp-fungsordnung. Dieser Auszug entspricht jetzt einer Totalisierung des Lustprin-zips, die sich notwendig eben „narzisstisch“ immer mehr auf das eigene Selbstkonzentriert und in solcher Bevorzugung der Lust das Prinzip der dem biologi-schen Eros eigenen ethischen Dimension in der elterlichen Verantwortung undFürsorge entzieht.

Wie Narziß verwirft er (= Orpheus) den normalen Eros, nicht um eines asketischenIdeals, sondern um eines noch volleren Eros willen. Wie Narziß protestiert er gegen dieunterdrückende Ordnung der zeugenden Sexualität. Der orphische und narzißtische Erosist hier bis zum Ende die Verweigerung der Ordnung. (TuG 148)

In letzter Instanz ist damit die sexuell-biologische Ordnung „an sich“ eine Ord-nung der Unterdrückung, insofern die Biologie des Vaters schon an sich unaus-weichlich nur ein falsches Handeln bedeuten kann. Mit der Revolution gegenHerrschaft, verwandelt sich das Prinzip der väterlichen Herrschaft über dieseerotische Praxis in ein nur noch biologisches Prinzip, das, gerade wegen dereschatologischen Zielsetzung, mit dieser bio-erotischen Praxis faktisch eliminiertwerden muss. Die erotisch befriedete Praxis, weit von dem naiv-paradiesischenIdeal einer von Herrschaft und Schuld befreiten Sexualität sich entfernend,erweist sich als der utopisch-metaphysische Kern derselben Gewalt, die sich inder politischen Aktion als vorläufig anhaltende Gegengewalt gegen den Vaterkonstituiert hat.

Mit der Aufhebung der Generationenfolge, der ödipalen Zyklik, wird daserotische l’art pour l’art, der absolute Genuss des Selbst als die Apotheose eineserotischen Egoismus zu dem Prinzip, das mit der Vaterschaftsverweigerung tat-sächlich die geschichtliche Zeit aufhebt. Wo Friedrich Schiller die Utopie deshomo ludens als Fluchtpunkt seiner Selbstverwandlung als autonomes Gesamt-subjekt der Geschichte imaginiert und dafür die Formel von der „Aufhebung derZeit in der Zeit“ einsetzt, da erweist sich Marcuses erotisch-poetischer Gott Nar-ziss allerdings als Metononymie einer realen Aufhebung der geschichtlichenZeit selbst. Die erotische Orgiastik mit ihrer Vaterschaftsverweigerung als escha-tologisches Programm kann – jenseits ihrer existentiellen Möglichkeiten –nichts anderes als die Apotheose eines erotischen Selbstgenusses und Egoismussein, der in einer letzten orgiastischen Inszenierung der sexuellen Leidenschaf-ten und Perversionen den erotischen Kairos als das Ende der Menschheit in ei-ner orgiastischen Selbstvernichtung zelebriert.

In merkwürdiger Entstellung erscheint dieses eschatologische Subjekt eroti-scher Erfüllung – der häretische Jesus – in seinen ödipalen, orphisch-narzisstischen

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Metamorphosen zuletzt wie ein negatives Zerrbild desjenigen zölibatärenMönchs, der mit seiner Askese ebenso eine Suspension der Generationenfolgeund der bestehenden Schöpfungsordnung im Zeichen der Liebe symbolisierenwill. Aber im Gegensatz zu Marcuses Gott des Eros, der sich im Namen seineseigenen selbstbezogenen sexuellen Genusses der Vaterschaft und der Generatio-nenfolge verweigert, meint die Askese des Mönchs keine Eliminierung des An-deren und des Selbst, sondern den Akt einer Selbstaufopferung für den Anderenim Namen der Nächstenliebe, der Liebe und Fürsorge, für die in der durch Erosund Macht beherrschten Schöpfungsordnung bedrückte Kreatur. Wo mit Marcu-ses Genese des letzten Ödipus und letzten Erotikers der „Andere“, zumal der„Feind“, tatsächlich eliminiert werden, erweist sich dieser Andere in allen sei-nen Konfigurationen und ohne Ausnahme für den Mönch als der eigentlicheund unmittelbare Nächste einer Liebe, die potentiell in der Feindesliebe unddem Martyrium gipfelt. Die Praxis von Marcuses Revolutionär als dem letztenSohn, der seinen Vater in einem letzten ödipalen Akt opfert, um seine eigenenerotischen Wünsche restlos zu befriedigen, scheint so nicht nur die Umkehrungder universalen Praxis des Mönchs zu bezeichnen, der sich für Gott und dieMenschheit opfert, um sich einer universalen Liebespraxis zu widmen. Am Endeverweist diese politische Christologie mit ihrer zu Ende geführten Eschato-Logikin dieser vollendeten Negation unvermeidlich immer wieder auf dasjenigechristliche Dogma, dem sie sich mit der Figur des häretischen Jesus eben immerwieder nur verweigern kann.

V Das post-messianische Schicksal der dreiregionalen Eschatologien

Marcuses politische Theologie entfaltet sich auf drei „regionalen“ Ebenen, ineiner politischen, einer ästhetischen und einer erotischen Eschatologie. Wenndie radikal messianische Form dieser politischen Theologie nicht überhaupt ob-solet geworden ist, dann überlebt sie heute primär in ästhetischen und philolo-gischen Denkformen, die die Eschatologie neutralisiert haben. Die politischeEschatologie hat sich also in die ästhetische Praxis zurückgezogen. Obwohl dieerotische Eschatologie Marcuses nach der sexuellen Revolution alle Symptomeeiner Erschöpfung zeitigt, könnte dagegen ihre Rekonstruktion eine interessanteRolle in der gegenwärtigen Diskussion über das „Ende des Eros“ übernehmen.

1. Die politische Theologie. Mit dem terroristischen Finale der radikalisier-ten Studentenbewegung im sogenannten „deutschen Herbst“ 1977 war die revo-lutionäre Konjunktion von Politik und Eschatologie im Rahmen der real existie-

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renden parlamentarischen Demokratie entgültig widerlegt worden. Die studenti-sche Rebellion verabschiedete damals Marcuses politische Theologie, sei es,dass sie sich mit Jürgen Habermas die Praxis der kritischen Intervention imRahmen der bestehenden demokratischen Verfassung aneignete und sich überdie Liberalisierung und Pluralisierung individueller Lebensstile mit der realexistierenden Demokratie18 versöhnte, oder sei es, dass sie an der Idee einerglobalen Revolution festhielt, mit deren vorläufigem Scheitern aber den Rück-zug ins Private, in zivilere Formen der Zivilisationsverweigerung antrat oder Zu-flucht in Kunst und Philosophie suchte. Damit war Marcuses politische Theolo-gie tatsächlich endgültig „erledigt“.19

2. Die ästhetische Eschatologie. Nicht die naheliegende Rückkehr zu denLehrern der ersten Stunde, zu Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die voreiner jeden eschatologischen Aktion immer wieder gewarnt hatten, war das Re-sultat dieser Neuorientierung, sondern eine beispiellose Renaissance von WalterBenjamin, deren Konjunktur bis heute anhält. Benjamins Denken enthielt gera-de, weil es sich in dem Klima einer ästhetischen Unentschiedenheit zwischenPolitik und Theologie, zwischen geschichtlicher Aktion und messianischer Inter-vention bewegte,20 den Schlüssel zu einer post-eschatologischen Praxis, wobeisowohl die Anhänger des Reformkurses wie die verhinderten Revolutionäre einerevolutionäre Rhetorik pflegen konnten, ohne diese freilich praktisch bewährenzu müssen. Das neue Leben im Aufschub bezeichnete also für die Reformer derdeutschen Partei der Grünen und der Sozialdemokratie wie Joschka Fischer21

und Otto Schily den Augenblick für einen Einzug in den Bundestag, für die ver-unsicherten Revolutionäre lag die Rückkehr in den Seminarraum näher, von

18 Vgl. Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt Main 1981. Ders.:Eine Art Schadensabwicklung, Frankfurt Main 1987. Ders.: Nachholende Revolution, FrankfurtMain 1987. Ders.: Die Moderne. Ein unvollendetes Projekt, Frankfurt Main 1992.19 Die These von der Erledigung einer jeden politischen Theologie wurde bekanntlich von ErikPeterson: Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theo-logie im Imperium Romanum, Leipzig: J. Hegner 1935, gegen Carl Schmitts Politische Theologieformuliert. Diese Erledigung begründete Peterson theologisch mit der Trinitätstheologie. DieNachgeschichte dieser „Erledigung“ reicht von Carl Schmitt, Politische Theologie II. Die Legendevon der Eredigung einer jeden politischen Theologie, Berlin 1996 bis zu Giorgio Agamben, Herr-schaft und Herrlichkeit. Zur theologischen Grundlage von Ökonomie und Regierung, Berlin: Suhr-kamp 2010.20 Vgl. Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, GS I.1, Frankfurt a.M.: Suhr-kamp 1974. Ders.: „Über den Begriff der Geschichte“, Appendix B, GS I.2, Frankfurt a.M.: Suhr-kamp 1977. Ders.: „Politisch-theologisches Fragment“, GS II.1.21 Für Joschka Fischers Wandel von einem radikal anarchistischen street fighting man zumPolitiker der demokratischen Reform, vgl. Joschka Fischer, Von grüner Kraft und Herrlichkeit,Hamburg: Rowohlt 1984. Kundnani, Utopia or Auschwitz.

Jenseits von Herrschaft und Schuld. 267

dem die Revolte ihren Ausgang genommen hatte. Beim nunmehr einsetzendenakribischen Studium von Benjamins Schriften sollte die politische Aktion tat-sächlich durch ästhetische Interpretation und Philologie ersetzt werden, die inGiorgio Agambens virtuosen philologischen Interventionen in die Abgründe derpolitischen Theologe und die politische Ökonomie kulminieren, aber tatsächlichdie Suspension der revolutionären Eschatologie im Ganzen nur bestätigen.22

3. Die erotische Eschatologie. Marcuses Aktualität scheint hier eben darinzu bestehen, daß er mit seiner Dialektik des Eros die aktuelle Diskussion überdas mögliche „Ende des Eros“, wie auch immer ungewollt, vorweggenommenhat. Es bedarf keineswegs einer so dramatischen Diagnose wie der des Phäno-menologen Jean Luc Marion, der in Le Phenomene Erotique23 behauptet, daß dieModerne an einer radikalen Liebesvergessenheit leidet, um die Symptome derseit dem 18. Jahrhundert weiterhin wirksamen Dialektik der Autonomisierungund Emanzipation des Eros zu gewahren.24 Wo der Sexologe Volkmar Siguschheute den Umschlag der sexuellen Revolution der 60er Jahre in Formen vonHerrschaft, Gewalt und sexueller Abstinenz als Symptome eines bevorstehendenTodes des Eros beschreibt,25 beklagt sich der Philosoph Alain Badiou über dasEnde der Liebe in einer radikal-kapitalistischen sexuellen Konsumhaltung, die„kein Risiko“ eingeht, um damit über eine narzisstische Reduktion des Eros aufdas eigene Selbst und den eigenen sexuellen Genuss den Anderen tatsächlichauszuklammern.26 Tatsächlich erscheinen die Symptome dieses Endes ohne eineEinsicht in die eschatologische Tiefendimension der Autonomisierung des Eroskaum verständlich werden zu können. Statt einer Geschichte der modernen Lie-besvergessenheit hätte eine kritische Archäologie des modernen Eros diese „Lo-gik des Verschwindens“ aus den eschatologischen Bedingungen zu rekonstruie-ren, die Marcuses politische Utopie des Eros zu Fall gebracht haben.

22 Agamben: Herrschaft und Herrlichkeit. Hierzu meinen Essay: „Die Rückkehr des Kate-chons“.23 Marion, Erotic Phenomenon.24 Luhmann, Liebe. Der Soziologe rekonstruiert hier den seit dem 18. Jahrhundert einsetzen-den Prozess einer Automisierung der Liebe als Leidenschaft, mit der nicht nur die bestehendensozialen und religiösen Normen der Liebe aufgehoben, sondern ein Doppelprozess der Refle-xion über das Wesen der Liebe und ihrer Sexualisierung einsetzt.25 Sigusch: Neosexualitäten.26 Badiou, Eloge de l’Amour.

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