Ein Roggenvorrat von der Neuen Straße in Ulm
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heinland-
Pfalz
Kl,...,.zartiln• Zarten
SCHWEIZ
Hessen
• Blslngen • Banngen
0 10 20 30km
Karte der Städte und Gemeinden, aus denen in diesem Bond berichtet wird.
• Ravensburg
8 fl.~im
Oete~lz
Bo~ Helelenhelm- ' Sdlllaitheim
• Heidenheim •
1..:
Bayern
7
Inhalt
5 Vorwort
13 Verzeichnis der Autoren
17 Die Ausgrabungen 2004 in den frühen jungpaläolithischen Schichten des Hohle Fels bei Schelklingen, AlbDonau-Kreis (N.J. Conard, M. Malina)
22 Fortsetzung der Grabungen im spätpaläolithischen Fundplatz Kappel bei Bad Buchau am Federsee, Kreis Biberach (M. Jochim)
22 Die abschließende Grabungskampagne im mesolithischen Siedlungsareal von Siebenlinden, Stadt Rottenburg, Kreis Tübingen (Th. Beutelspacher, C.-J.Kind)
26 Steinzeitliche Pioniere und frühe Kelten am Fuß des Hohentwiels in Singen, Kreis Konstanz G. Hald, H. Schlichtherle)
30 Bandkeramische Siedlung, schnurkeramische Gräber und ein trapezförmiges Haus- Notbergungen in Münchingen, Stadt KorntalMünchingen, Kreis Ludwigsburg G. Bofinger, E. De Gennaro)
34 Die Ausgrabung 2004 am jungneolithischen Bergbau in Kleinkems, Gde. Efringen-Kirchen, Kreis Lörrach (P. Carlucci, F. Siegmund)
36 Neolithische und bronzezeitliche Seeufersiedlungen am Südufer des Überlinger Sees bei Staad, Stadt Konstanz (M. Mainberger, A. Müller)
39 Fortsetzung der Tauchsondierungen und Prospektionsarbeiten unter Was-
ser am Nordufer des Überlinger Sees zwischen Seefelder Ach und Meersburg, Bodenseekreis (J. Köninger)
44 Sondagen in neu entdeckten Arealen der Station • Täschenwiesen" bei Alleshausen, Kreis Biberach, am Rand des nördlichen Federseeriedes (J. Köninger)
48 Torwiesen II- eine jungsteinzeitliche Inselsiedlung im Federsee bei Bad Buchau, Kreis Biberach? (H. Schlichtherle, W. Hohl)
52 Geomorphologischer Wandel und jungsteinzeitliche Besiedlung auf dem Atzelbuckel bei Ilvesheim, RheinNeckar-Kreis (J. Maran, C. Casselmann, F. Falkenstein)
55 'frassenarchäologie: vorgeschichtliche und römische Siedlungsbefunde in Sersheim, Kreis Ludwigsburg (1. Stork)
58 Zwei frühbronzezeitliche Einbäume im Federseemoor bei Bad Buchau-Kappel, Kreis Biberach (H. Schlichtherle, W.Hohl)
62 Ein spätbronzezeitlicher Opferplatz über der Donau bei Inzigkofen, Kreis Sigmaringen (H. Reim)
65 Neue Grabfunde der Urnenfelderzeit aus dem nördlichen Kreis Heilbronn (A.Neth)
68 Bemerkenswerte Siedlungsbefunde der späten Urnenfelderzeit in Ludwigsburg-Pflugtelden (W. Joachim, I.Stork)
9
71 Neue Brandgräber der frühen Eisen- .Rotacker", Kreis Breisgau-zeit aus der Nekropole beim .ßurren- Hochschwarzwald (H_ Wendling) hof, Gde-Grabenstetten, Kreis Reutlingen (G_ Stegmaier) 110 Neues zum Oppidum von Altenburg,
Gde.Jestetten, Kreis Waidshut 74 Sondagegrabung in einem Hügel der (A. Bräuning, R. Dehn)
Gruppe .Satzet-Süd" bei Ertingen-Binzwangen, Kreis Biberach (F. Klein) 113 Eine keltische Viereckschanze am
südlichen Oberrhein bei Mengen, 76 Eine späthallstattzeitliche Befesti- Gde. Schallstadt-Wolfenweiler, Kreis
gungsmauer am Osthang der Achalm, Breisgau-Hochschwarzwald Stadt Reutlingen (U. Veit, A. Willmy) (A. Bräuning, S. Dornheim, Ch. Huth)
79 Ertrunken im Neckar?- Über den 117 Frühe Germanen im Vorfeld des Limes. Fund einer eisenzeitlichen Leiche in Untersuchungen im .Reißwag" bei Mannheim-Seckenheim (W. Rosendahl, Königshofen, Stadt Lauda-Königs-K. Wlrth, N.Nicklisch, K. W.Alt) hofen, Main-Tauber-Kreis (R.Keller,
D.Krauße) 82 Archäologische Untersuchungen in
der Vorburg der Heuneburg - Siedlung 122 Die römischen Militärlager auf dem und Befestigungssysteme am frühkel- .Berg" bei Ennetach, Stadt Mengen, tischen Fürstensitz an der oberen Kreis Sigmaringen (H. Reim) Donau, Gde. Herbertingen-Hundersin-gen, Kreis Sigmaringen (J. Bofinger) 125 Eine fabrica im Limeskastell Aalen
(M.Scholz) 87 Neue Forschungen im Umland der
Heuneburg bei Herbertingen-Hunder- 129 Campus. Ein Exerzierplatz der ala II singen, Kreis Sigmaringen (S. Kurz) Flavia miliaria in Heidenheim
(M.Scholz) 91 Ein zweiter Rechteckhof am früh-
keltischen Fürstensitz auf dem Ipf bei 132 Konstanz, Münsterplatz: von Legionä-Osterholz, Gde. Kirchheim am Ries, renund Domherren 0. Heiligmann, Ostalbkreis (K. Fuhrmann, R. Krause, R.Röber) H. von der Osten-Woldenburg)
136 Neue Untersuchungen zum militäri-97 Archäologische Sondagen und Pro- sehen und zivilen Rottweil in
spektionen auf dem lpf bei Bopfingen, römischer Zeit (K. Kortüm) Ostalbkreis (R. Krause)
141 Einblick in unbekannte Areale: der 102 Frühkeltische Eisenproduktion im Südvicus des Kastells Walheim, Kreis
Nordschwarzwald-Rennöfen des Ludwigsburg (1. Stork) S.Jahrhunderts v. Chr. bei Neuenbürg-Waldrennach, Enzkreis (G. Gassmann, 144 Neue Untersuchungen zum römischen G.Wieland) Kastellbad von Osterburken, Neckar-
Odenwald-Kreis (K. Kortüm) 107 Neuesaus Tarodunum.Ausgrabungen
in der mittel- und spätlatenezeitlichen 148 Der erste Kastellvicus am mittleren Großsiedlung von Kirchzarten-Zarten Odenwaldlimes nimmt Gestalt an:
10
Ergebnisse der Grabung 2004 in Mudau, Teilgemeinde Schloßml, Neckar-Odenwald-Kreis (RRabold)
153 Abschließende archäologische Untersuchungen im Bereich des Nordwestvicus von Riegel, Kreis Emmendingen (J. Klug-Treppe, B. Lißner)
158 Wahre und falsche .Götzentempel". Neues zum römischen vicus von Neuenstadt am Kocher, Kreis Heilbronn (K. Kortüm, H. von der OstenWoldenburg)
165 Zur Fortsetzung der Vicusgrabung in den .Steinäckern" bei Güglingen, Kreis Heilbronn (K. Kortüm, A. Neth)
168 Pflanzenreste aus dem römischen vicus von Güglingen .Steinäcker", Kreis Heilbronn (M. Rösch)
171 Dendrochronologische Untersuchungen der Hölzer aus dem römischen vicus von Güglingen .Steinäcker", Kreis Heilbronn (W. Tegel)
173 Römerkeller in romanischer Zeit weitergenutzt - Fortsetzung der Ausgrabungen im Pausenhof der Dalbergschule in Ladenburg, Rhein-NeckarKreis (B. Rabold)
17 6 Eine ungewöhnliche Deponierung unter der Römerstraße von Heidelberg-Neuenheim nach Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis (A. Hensen, C. Berszin, E. Stephan, J. Wahl)
179 Zum Abschluss der Ausgrabungen in Gebäude H der römischen Gutsanlage von Hechingen-Stein, Zollernalbkreis (St. Schmidt-Lawrenz)
181 Archäologische Untersuchungen im römischen Gutshof von HohenfelsLiggersdorf, Kreis Konstanz (J. Hald)
185 Zum Abschluss der Ausgrabungen eines römischen Gutshofs bei Enzweihingen, Stadt Vaihingen an der Enz, Kreis Ludwigsburg (R. Krause)
189 Ein Militärdiplom-Fragment aus Heidenheim-Schnaitheim, .Fürsamen" (M.Scholz)
190 Ein römerzeitliches Konstruktionselement in einem Baggersee bei Lichtenau, Kreis Rastatt (M. Mainberger)
193 Ein alamannischer Begräbnisplatz bei Böfingen, Stadt U1m (F. Klein)
196 Alamannische Krieger und mittelalterliche Handwerker in AmmerbuchEntringen, Kreis Tübingen (G. Stegmaier)
199 Gefolgschaftskrieger des fränkischen Königs - das Gräberfeld auf dem Hermsheimer Bösfeld in MannheimSeckenheim (U. Koch, K. Wrrth)
203 Alamannische Gräber beim Kaplaneihaus in Hirrlingen, Kreis Tübingen (H.Reim)
207 Abschließende Untersuchungen im spätmerowingerzeitlichen Gräberfeld auf der .Großen Höhe" in Birkenfeld, Enzkreis (Ch. Peek, G. Wieland)
21 0 Mitleihofens Dorfränder - zum Fortgang der Untersuchungen in Lauchheim, Ostalbkreis (1. Stork)
213 Ausgrabungen in der Wüstung Niederramsbach auf Gemarkung Cleebronn, Kreis Heilbronn (A. N eth)
217 Archäologische Prospektion im mittelalterlichen Klosterbezirk von Reichenau, Kreis Konstanz (P. Schmidt-Thome, H. von der OstenWoldenburg)
11
12
220 Endspurt der Großgrabung .Neue Straße" in Ulm (Go Ki!rz, Go Legant, Do Schmid, Ko Weiner)
223 Ein Roggenvorrat von der Neuen Straße in Ulm (Mo Rösch)
227 Ein Haus an der Stadtmauer - Mittelalterliche und frühneuzeitliche Funde aus Wiesloch, Rhein-Neckar-Kreis (Lo Ho Hildebrandt, Uo Gross)
230 Mittelalterliche Funde bei der katholischen Kirche in Mühlhausen, RheinN eckar-Kreis (Lo Ho Hildebrandt, Uo Gross)
232 Vom Suburbium zur Stadt- Neue Befunde zur frühen Stadtgeschichte Heidelbergs (Mo Benner, F. Damminger)
236 • 0 0 0 an der Ecke zu Sunnesheim 0 0 0 " -
Zur Entdeckung der Burg in Sinsheim, Rhein-N eckar-Kreis (F. Damminger)
242 Mittelalterliche Siedlungsreste beim Spitalhof in Altdorf, Kreis Esslingen (Mo Weihs, Uo Gross)
243 Befunde zur Stadtbefestigung von Balingen, Zollemalbkreis (Eo Schmidt)
246 Stadtmauer, Gräber und Baubefunde in der Gerichtsgasse 12 in Konstanz GoFesser)
249 Gerberviertel und Stadtbefestigung -Fortsetzung der archäologischen Untersuchungen in Weinheim an der Bergstraße, Rhein-N eckar-Kreis (AoWendt)
254 Archäologische Untersuchungen im .Humpisquartier" in Ravensburg (BoSchmid)
257 Töpfereischutt des l6oJahrhunderts in der Dettinger Straße in Kirchheim unter Teck, Kreis Esslingen (R. Laskowski, Uo Gross)
261 Geheimgang und Kasematten: archäoo logische Beobachtungen im Heidelberger Schlossgarten (Mo Untermann, UoGross)
265 Was die Schweizer Gardisten nicht wussten - Ausgrabungen beim Zeughaus in Mannheim (Ko Wrrth)
267 Nachgrabungen auf dem Burgstall Ror auf Gemarkung Bisingen, Zollemalbkreis (Eo Schmidt)
271 Der Burgstall .Burstel" in Michelbach am Wald, Stadt Öhringen, Hohenlohekreis (Mo Weihs, Uo Gross)
273 Ein spätmittelalterliches Steigbrett aus der Grube Kohlbach in Hohensachsen, Stadt Weinheim, RheinNeckar-Kreis (Lo Ho Hildebrandt)
275 Archäobotanische Untersuchungen und Gedanken zur zeitlichen Einordo nung der Schiffsplanken von Unteruhldingen "Stollenwiesen", Kreis Konstanz (Cho Herbig)
277 Fundmünzen aus Württemberg (UoKlein)
287 Ortsregister
299 Grabungstechnik, Grafik, Zeichnungen, Fotografie, Restaurierung
30 1 Bildnachweis
ser Baulinie, belegt für das späte 14.Jahrhundert, in Schnitt 4leicht nach Norden einschwenkt. Dort konnte die bislang fehlende Südhälfte des bereits in Feld 4 angeschnittenen Salzstadels aufgedeckt werden. Mit einer Grundfläche von 26m x 27m nahm der ebenerdige Großbau aus Kalkbruchsteinen die gesamte Breite des Baublocks ein (Abb. 208). Er entstand nach 1389 auf privat genutzten Hofstellen, die ab 1379 für den öffentlichen Großbau aufgekauft worden waren. Rekonstruierbar anband von Binnenmauem ist eine Aufteilung in vier Hallen: eine geräumige westliche von 10m x 27m, eine nordöstlich gelegene von 13m x 11m und zwei weitere, 6mx14m messende Räume an der Sattler Gasse. Mit diesem Befund sind erstmals die Messehallen des schriftlich überlieferten Kaufhauses greifbar, die für die Ausweitung der Handelstätigkeiten in der erblühenden Reichsstadt IDm notwendig geworden waren. Der Salzstadel wurde bis zur Errichtung der Gräth, seinem Nachfolgebau mit Waage und Zoll, im Jahr 1460 durch eine nachträgliche Teilunterkellerung und mögliche Anbauten erweitert. In diesem Sinne interpretierbar ist wohl ein östlich an den Salzstadel angebauter Gewölbekeller mit einer Grundfläche von 7 m x 18m. Von einem gepflasterten Vorhof aus führte ein mit einer Breite von 1,6m auffällig geräumiger Zugang in das 126m2 große Untergeschoss (Abb. 205) .
Salzstadel
Die digitale Aufnahmetechnik begünstigte die zügige Grabungsdokumentation vor Ort. Damit konnten die baubegleitenden Untersu-
0 5 10m
chungen in Feld 13, trotzengster Zeitvorgaben, als letzte Herausforderung der Großgrabung in der Neuen Straße erfolgreich abgeschlossen werden. Gabriele Kurz, Gabriele Legant, Doris Schmid,
Karin Weiner
Literaturhinweis
G. Klll71G. Legant/D. Sch.mid/1. VogUK. Weiner,
Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2003,
225-231; J. Oexle, Ulm. In: Stadtluft, Hirsebrei
und Bettelmönch. Die Stadt um 1300.
Ausstellungskatalog Stuttgart/Zürich 1992/93
[Stuttgart 1992) 164--181; A. Rieber/K. Reutter,
Die Pfalzkapelle in Ulm. Bericht über die
Ergebnisse der Schwörhausgrabung 1953 [Ulm
1974); K. Wöhrle, Zur mittelalterlichen
Befestigung Ulms. Ulm und Oberschwaben 28,
1932, 38-50.
Ein Roggenvorrat von der Neuen Straße in Ulm
Bei den Ausgrabungen an der Neuen Straße in U1m wurden nur aus bestimmten Befunden gezielt Bodenproben für botanische Untersuchungen entnommen. Trotz dieser Beschränkung auf klare, gut datierte und vor allem
ältere, d. h. mittelalterliche Befunde fielen aufgrund der gewaltigen Dimension dieser Stadtkerngrabung Proben in erheblichen Umfang an, deren Auswertung noch nicht abgeschlossen ist. Im Herbst 2004, kurz vor Ab-
Kernbau von 1389 Unterkellerung und östlicher Anbau
Abb.208 Ulm, Neue Straße. Salzstadel mit zugehörigen Kellern.
223
sei es durch die Vorfrucht im Zuge des obligaten Fruchtwechsels in der Dreifelderwirtschaft, wobei im Roggen hauptsächlich Hafer, Gerste oder Saatweizen zu erwarten sind; sei es durch nicht artenreines Saatgut, was in der traditionellen Landwirtschaft der Normalfall gewesen sein dürfte. Während in Dinkelvorräten neben den Körnern stets auch Spelzen in erheblicher Menge vorliegen, weil dieses Getreide beim Dreschen nicht entspelzt, sondern in Spelzen eingelagert und später in einem zweiten Arbeitsgang entspelzt wurde, sind in Roggenvorräten meist überwiegend Körner, wenige Ährenspindelglieder und meist gar keine Spelzen enthalten. Beim Roggen, einem freidreschenden Getreide, fallen nämlich die Körner beim Dreschen leicht aus den Spelzen und können von diesen, den Ährenspindeln und dem Stroh durch Rechen, Sieben und Worfeln oder bei Verwendung einer Wmdfege leicht abgesondert werden. Die zarten Spelzen sind außerdem verkohlt kaum erhaltungsfähig.
Viersamige Wicke
Der Unkrautanteil in den Roggenvorräten ist das, was nach dem Mähen, Dreschen, Sieben und Worfeln im gereinigten Vorrat übrig geblieben ist. Dabei werden niederwüchsige , sehr früh oder sehr spät fruchtende sowie kleinsamige Unkräuter weitgehend, hochwüchsige und großsamige mit ähnlichem Entwicklungszyklus wie das Getreide dagegen nur unvollständig entfernt. Paradebeispiele für diese "Vorratsunkräuter" sind die Kornrade und die Trespen (Bromus), die im Vorrat von der Neuen Straße die Masse der Unkräuter ausmachen. Solche mit kleinen Diasporen wie Gezähnter Feldsalat, Wicken und Distel sind dagegen viel seltener. So kann man davon ausgehen, dass die nachgewiesenen 120 Früchte und Samen von sieben Unkräutern nur einen kleinen Teil dessen darstellen, was in dem Roggenfeld ursprünglich wuchs. Es sind auch die Arten, die, betrachtet man alle 18 Roggenvorräte, mit die höchsten Stetigkeiten aufweisen (Kornrade 69 %, Viersamige Wicke SO%, Rauhaarige Wicke und Roggentrespe 44%,
1% Distel Roggen-Spindelglieder
10% 1%
Kornrade 36%
Dinkelspelzen 16%
Abb.210 Ulm, Neue Straße. Hochmittelelterlicher Roggenvorrot. Übrige Pflanzenfunde, prozentualer Anteil der Resttypen. Berechnungsbosis: 167 Pflonzenreste.
225
Abb.209 Ulm, Neue Straße.
Hochmittelalterlicher Roggenvorrot.
Roggenkörner und übrige Pflanzen
funde. Berechnungsbasis: 6034
Pflanzenreste.
224
Übrige 4
3%
Roggenkörner 97%
schluss der Grabungen, wurden in Höhe des Rathauses unter dem modernen Straßenkörper der Sattlergasse drei alte Straßenpflasterungen und ein Brandhorizont aufgedeckt (vgl. Beitrag G. Kurz u. a., S. 220ff.). In dem über der zweiten Pflasterung gelegenen Brandhorizont, der ins 12.Jahrhundert datiert, nahmen die Ausgräberinnen zahlreiche verkohlte Körner wahr. Die entnommene Probe wurde unverzüglich dem Labor für Archäobotanik des Landesdenkmalamts übergeben. Ihre Bearbeitung und Auswertung wurde vorgezogen, und die Ergebnisse können hier kurz vorgestellt werden. Untersucht wurde eine Probe von 1550 g Gewicht mit einem Volumen von 1150 ml. Sie bestand hauptsächlich aus Holzkohle, Getreidekörnern sowie Kies und Sand. Insgesamt wurden daraus 6034 verkohlte Pflanzenreste ausgelesen und bestimmt, was einer Konzentration von 5250 Resten je Liter entspricht. Darunter waren 5665 Roggenkörner (Secale cereale), was einen Anteil von 93,9% ausmacht. Bruchstücke von Roggenkörnern, umgerechnet auf 202 ganze Korneinheiten, erhöhen den Roggenanteil um weitere 3,3 %. Der Roggen war weiterhin durch 16 Spindelglieder vertreten, was einen Anteil
von 0,3% bedeutet. An anderen Nahrungspflanzen wurden 2 Haferkörner (Avena), 2 un· bestimmbare Getreidekörner, 26 Hüllspel· zenbasen des Dinkels (lliticum spe!ta) sowie ein Schalenfragment der Haselnuss (Corytus avellana) gefunden. Diese Probenbestandteile haben zusammen einen Anteil von nur 0,5 %. Knapp 2 % der Pflanzenreste sind Unkräu· ter. Am häufigsten ist die Kornrade (Agros· temma githago) mit 61 Samen, gefolgt von der Roggentrespe (Bromus secalinus) mit 30 und wohl der Acker-11-espe (Bromus cf.aroen· sis) mit 19 Körnern. Seltener sind Gezähnter Feldsalat (Valerianella dentata) mit vier Früchten, Rauhaarige Wicke (Vida hirsuta) mit drei und Viersamige Wicke (Vida tetrasperma) mit zwei Samen sowie eine Distel (Carduus) mit einem Fruchtbruchstück Aus Baden-Württemberg wurden bisher 18 archäologische Roggenvorräte bekannt. Davon datieren drei in die Römische Kaiserzeit, zwölf ins hohe und drei ins späte Mittelalter. Neun dieser Funde sind mehr oder weniger reine Roggenvorräte, während bei den übri· gen andere Getreide in teilweise erheblichem Umfang beigemischt sind. In einigen Fällen haben auch andere Kulturpflanzen, insbesondere Leguminosen, bis zu 20% Anteil. Der Unkrautanteil hingegen ist meist gering, liegt im Mittel bei knapp 5 % und steigt nur selten auf 10%. Der Ulmer Fund gehört hier zu den besonders reinen Vorräten, gemeinsam mit den Funden von Lam· poldshausen (römisch), Herrenberg-Raistin· gen (Hochmittelalter); Heilbronn, Kaiserstra· ße (Hochmittelalter); Nussloch (1301 A.D.). Giengen/Brenz (Hochmittelalter) und einem weiteren, ebenfalls hochmittelalterlichen Ulmer Vorrat, der in den 1970er Jahren beim Grünen Hof ausgegraben wurde. Stärkere Beimengungen anderer Getreide und Nahrungspflanzen erklären sich durch die Vermischung verschiedener Vorräte beim Brand oder bei der Einbettung in den Boden, geringere Beimengungen hauptsächlich durch beabsichtigte oder unbeabsichtigte Beimischung, sei es durch Mischsaat, wie sie für Roggen, Dinkel oder Einkorn belegt ist;
226
Acker-Trespe und Gezähnter Feldsalat 31 %). Leider sind dureh diese Selektion vermutlich ökologisch aussagekräftige Unkräuter auf der Strecke geblieben. Die übrig gebliebenen und Erfassten können - wenngleich heute teilweise stark gefährdete "Rote-Liste-Arten"- zumindest für das Mittelalter als weit verbreitete ~erweltsunkräuter" gelten, die wenig spezifisch auf die Bodenqualität reagieren. Zwar sind die Roggentrespe und die Viersamige Wicke eher auf basenarmen, Gezähnter Feldsalat und Acker-Trespe eher auf basenreichen Böden zu finden, doch fehlen extreme Säure- oder Basenzeiger, und die Unterschiede in den Standortsansprüchen sind bei den genannten Arten so moderat, dass man von gemeinsamem Vorkommen auf einem mäßig versauerten Boden von mittlerem Basengehalt ausgehen kann. Roggen benötigt ein feines Saatbett und wird daher bevorzugt auf leichten Böden- Sandböden oder sandige Lösslehmböden - angebaut. Schwere tonige oder sehr skelettreiche Böden, zum Beispiel Weißjura-Pararendzinen, wie sie auch in der Umgebung von Ulm vorkommen, wären für Roggenbau weniger geeignet, und sind hier auch nicht angezeigt, weil deutliche Basenzeiger wie Acker-Breitsame, Acker-Hasenohr, Adonisröschen oder Acker-Haftdolde fehlen. Dass Roggen im Mittelalter aber nicht grundsätzlich auf basenärmeren Böden angebaut wurde, zeigt ein Blick auf die Ackerunkräuter sämtlicher archäologischer Nahrungspflanzenvorräte aus dem Land, differenziert nach den Hauptfrüchten Roggen (18 Vorräte), Dinkel (14 Vorräte) und sonstige Kulturpflanzen (17 Vorräte, Hafer, Gerste, Linse, Erbse, Rispenhirse, Ackerbohne). Bezüglich der Häufigkeit und Stetigkeit des Auftretens basenholder Ackerunkräuter lassen sich hier nur geringe Unterschiede ausmachen. Roggen wurde also im Prinzip auf den gleichen Böden angebaut wie andere Feldfriichte. Das liegt einmal an der Agrarverfassung, der Dreifelderwirtschaft und dem damit verbundenen Flurzwang und Fruchtwechsel, und zum anderen an der Tatsache, dass gerade im Hochmittel-
alter der Roggen als Hauptbrotfrucht in sol· ehern Umfang angebaut wurde, dass es gar nicht möglich war, ihm nur besonders geeig· nete Böden vorzubehalten. Das hohe Mittelalter, aus dem auch der vorliegende Vorrat stammt, war zugleich die Hochzeit des Roggenanbaus in Südwestdeutschland. Das geht auch aus den Vorratsfunden hervor: Zwei Drittel der 18 Vorräte sind hochmittelalter· lieh und nur jeweils ein Sechstel römisch oder spätmittelalterlich. Von den 13 Dinkelvorräten sind dagegen zehn kaiserzeitlich. zwei spät- und nur einer hochmittelalterlich. Jeweils zwei von fünf Gerstenvorräten stammen aus der Latenezeit und dem Spätmi~ alter, einer aus der Kaiserzeit, wogegen alle fünf Hafervorräte spätmittelalterlich sind der einzige Rispenhirsevorrat hochmittel· alterlich. Die Hülsenfrüchte-Vorräte streuen dagegen einigermaßen gleichmäßig über die betrachteten historischen Perioden. Ange· merkt sei, dass bisher überhaupt keine frühmittelalterlichen Vorräte bekannt geworden sind. Festzuhalten bleibt, dass die Häufigkeit von Vorratsfunden bestimmter Getreidearten einigermaßen deren wirtschaftliche Bedeutung für die jeweilige Periode wiedergibt So hatte im Südwesten bei den Kelten die Gerste die größte Bedeutung, bei den Römern der Dinkel, im Hochmittelalter der Roggen und im Spätmittelalter Dinkel und Hafer. Die Ursachen für diesen Bedeutungswan~ bei den Kömerfriichten sind vielschichtig! und teilweise noch ungeklärt. Neben wirtschaftlichen und kulturellen spielen wohl auch klimatische Veränderungen eine Rolle.
Manfred Rösch
Literaturhinweise U. Körber-Grohne, Mittelalterliche Roggenfunde aus Württemberg. Fundber. Baden-Württemberg 3, 1977, 579ff.- M. Rösch/S.Jacomet/ S. Karg, The history of cereals in the region of the former Duchy of Swabia (Herzogtum Schwaben) from the Roman to the Post-medieval period: results of archaeobotanical research. Vegetation History and Archaeobotany 1, 1992,
193 ff.