Die aktuelle Diskussion zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch und die empirische Evidenz nach...

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DOI 10.1515/zaw-2013-0023 ZAW 2013; 125(3):383–399 Benjamin Ziemer Die aktuelle Diskussion zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch und die empirische Evidenz nach Qumran Benjamin Ziemer: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; [email protected] Das erste Heft des 125. Jahrgang der ZAW bot den willkommenen Anlass, den aktuellen Stand der Wissenschaft und den Beitrag, den die ZAW hierzu geleis- tet hat, zu bilanzieren. Eines der Themen dieser Zeitschrift war und ist die Frage nach der Entstehung des Pentateuch. Thomas Römer nennt die Lage der Penta- teuchforschung seit den 70-er Jahren eine »anarchische Situation«, und das ist auch gut so.¹ Denn dem Fortschritt der Wissenschaft ist nicht gedient, wenn sich eine Hypothese zur Herrschaft über andere aufschwingt, wie in den von Matthias Köckert ironisch so benannten »goldenen Zeiten, als das Quellenmodell noch nahezu unbestritten in Geltung stand«.² Die von Irmtraud Fischer so genannte »beinah monolithische Methodendominanz« jener Zeit, die angesichts ihrer Fixierung auf die hypothetische »Vorgeschichte« die empirisch zu verfolgende »Nachgeschichte der Texte« vernachlässigt hat,³ wirkt bis heute nach, wenn Christian Frevel angesichts der Frage des Übergangs vom Josua- zum Richter- buch, den er ein »Schibbolet der Modellbildung der kritischen Erforschung von Pentateuch und deuteronomistischem Geschichtswerk« nennt,⁴ ungeachtet der verschiedenen vorgeschlagenen Lösungen feststellen muss, dass »dabei selbst der geneigteste Leser keinen neuen Problemstand erkennen können« wird.⁵ Dagegen thematisiert Reinhard G. Kratz mit den Qumranfunden ein wichti- ges Feld, in dem wir heute tatsächlich mehr und Genaueres wissen als frühere 1 T. Römer, Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchfor- schung, ZAW 125 (2013), 2–24, 2. 2 M. Köckert, Gen 15: Vom »Urgestein« der Väterüberlieferung zum »theologischen Programm- text« der späten Perserzeit, ZAW 125 (2013), 25–48, 25. 3 I. Fischer, Von der Vorgeschichte zur Nachgeschichte: Schriftauslegung in der Schrift – Inter- textualität – Rezeption, ZAW 125 (2013), 143–160, 143. 4 C. Frevel, Das Josua-Palimpsest. Der Übergang vom Josua- zum Richterbuch und seine Konse- quenzen für die These eines Deuteronomistischen Geschichtswerks, ZAW 125 (2013), 49–71, 49. 5 Ebd., 51.

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DOI 10.1515/zaw-2013-0023   ZAW 2013; 125(3):383–399

Benjamin ZiemerDie aktuelle Diskussion zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch und die empirische Evidenz nach Qumran

Benjamin Ziemer: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; [email protected]

Das erste Heft des 125. Jahrgang der ZAW bot den willkommenen Anlass, den aktuellen Stand der Wissenschaft und den Beitrag, den die ZAW hierzu geleis-tet hat, zu bilanzieren. Eines der Themen dieser Zeitschrift war und ist die Frage nach der Entstehung des Pentateuch. Thomas Römer nennt die Lage der Penta-teuchforschung seit den 70-er Jahren eine »anarchische Situation«, und das ist auch gut so.¹ Denn dem Fortschritt der Wissenschaft ist nicht gedient, wenn sich eine Hypothese zur Herrschaft über andere aufschwingt, wie in den von Matthias Köckert ironisch so benannten »goldenen Zeiten, als das Quellenmodell noch nahezu unbestritten in Geltung stand«.² Die von Irmtraud Fischer so genannte »beinah monolithische Methodendominanz« jener Zeit, die angesichts ihrer Fixierung auf die hypothetische »Vorgeschichte« die empirisch zu verfolgende »Nachgeschichte der Texte« vernachlässigt hat,³ wirkt bis heute nach, wenn Christian Frevel angesichts der Frage des Übergangs vom Josua- zum Richter-buch, den er ein »Schibbolet der Modellbildung der kritischen Erforschung von Pentateuch und deuteronomistischem Geschichtswerk« nennt,⁴ ungeachtet der verschie denen vorgeschlagenen Lösungen feststellen muss, dass »dabei selbst der geneigteste Leser keinen neuen Problemstand erkennen können« wird.⁵

Dagegen thematisiert Reinhard G. Kratz mit den Qumranfunden ein wichti-ges Feld, in dem wir heute tatsächlich mehr und Genaueres wissen als frühere

1 T. Römer, Zwischen Urkunden, Fragmenten und Ergänzungen: Zum Stand der Pentateuchfor-schung, ZAW 125 (2013), 2–24, 2.2 M. Köckert, Gen 15: Vom »Urgestein« der Väterüberlieferung zum »theologischen Programm-text« der späten Perserzeit, ZAW 125 (2013), 25–48, 25.3 I. Fischer, Von der Vorgeschichte zur Nachgeschichte: Schriftauslegung in der Schrift – Inter-textualität – Rezeption, ZAW 125 (2013), 143–160, 143.4 C. Frevel, Das Josua-Palimpsest. Der Übergang vom Josua- zum Richterbuch und seine Konse-quenzen für die These eines Deuteronomistischen Geschichtswerks, ZAW 125 (2013), 49–71, 49.5 Ebd., 51.

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Forschergenerationen, und zwar genau in dem spannenden Bereich zwischen Vor- und Nachgeschichte der Texte.⁶ An den durch empirischen Textvergleich zu beobachtenden redaktionellen Prozessen muss sich die redaktionsgeschicht-liche Methodik messen lassen, wie zuletzt vor allem David M. Carr nachdrücklich gefordert hat.⁷ In diesem Aufsatz soll darum paradigmatisch die Plausibilität der Zuschreibung immer größerer Teile des Pentateuch an eine wachsende Anzahl »nach-priesterlicher« oder »nach-priesterschriftlicher« Redaktionen – ein in der aktuellen Diskussion angesichts einer überschaubaren argumentativen Basis erstaunlich große Zustimmung findender Trend⁸ – überprüft werden.

1  Gen 15 vor oder nach Gen 17 – eine unentscheidbare Kontroverse?

Die Aporie der Pentateuchdiskussion, wenn sie ohne Rücksicht darauf geführt wird, wie redaktionelle Prozesse nach Ausweis der Qumranfunde tatsächlich abgelaufen sind, lässt sich beispielhaft anhand der genannten Beiträge von M. Köckert, T. Römer und C. Frevel zeigen. Es gibt mit Gen 15 und 17 genau zwei Abschnitte in der Genesis, in denen die Landverheißung gegenüber Abra(ha)mdurch die zentrale theologische Kategorie ברית qualifiziert wird. Beide Texte stammen angesichts deutlicher stilistischer und theologischer Differenzen kaum von demselben Verfasser, es ist aber auch kaum anzunehmen, dass sie völlig unabhängig voneinander entstanden sind. In Frage steht aber, welcher Text den anderen voraussetzt. Köckert und Römer sind sich darin einig, dass Gen 15 jünger als Gen 17 sei,⁹ während Frevel vom Gegenteil ausgeht.¹⁰

6 R. G. Kratz, Das Alte Testament und die Texte vom Toten Meer, ZAW 125 (2013), 198–213.7 D. M. Carr, The Formation of the Hebrew Bible. A New Reconstruction, 2011, 13–149. 8 Immer wieder werden Gen 15; Ex 1,6.8; Ex 3  f. und Jos 24 als Schlüsseltexte genannt, vgl. aber Carr, Formation, zu Gen 15 (257–259), Jos 24 (132–137) und Ex 3  f. (140–144), der die nachpries-terliche Einordnung dieser und anderer Abschnitte m.  E. zu Recht als »self-inforcing theories of enclosed and temporary groups of scholars« charakterisiert, die an die Stelle des nötigen »gathe-ring of observations that might produce plausible and lasting transmission-historical theories« treten (143  f.). Zu Gen 15 vgl. auch B. Ziemer, Abram–Abraham. Kompositionsgeschichtliche Un-tersuchungen zu Gen 14, 15 und 17, BZAW 350, 2005.9 Köckert, »Urgestein«, 42  f.; Römer, Urkunden, 12  f. Zu den von Köckert und Römer vorgebrach-ten Argumenten für eine nachpriesterliche Einordnung von Gen 15 siehe bereits Ziemer, Abram, 166–188.254–272.293–298.304–309; vgl. auch Carr, Formation, 257  f., Anm. 11.10 E. Zenger u.  a., Einleitung in das Alte Testament, 82012, 223  f. Innerhalb des ZAW-Jubiläums-heftes wird die Kontroverse zwischen Römer und Frevel am Beispiel der Einordnung von Jos 24* explizit, dessen älteste Bestandteile in vielen Modellen auf derselben literarischen Ebene wie

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Dass derart gegensätzliche Hypothesenbildungen möglich sind, hat seinen Grund darin, dass ein und dieselbe Beobachtung – sowohl in Gen 15 als auch in Gen 17 wird die Landverheißung an Abram bzw. Abraham als ברית qualifi-ziert, um nur ein zentrales Beispiel zu nennen – zu einander entgegengesetzten Schlussfolgerungen über die relative Chronologie der beiden Kapitel führen kann. Dieses Dilemma ist prinzipieller Natur und begegnet in redaktionsgeschichtli-chen Hypothesenbildungen auf Schritt und Tritt: Sowohl Köckert als auch Römer bemerken, dass das Verb ידע in Gen 15 an zwei Stellen vorkommt, nämlich in V. 8 und in V. 13. Köckert verwendet dies als Argument dafür, dass V. 13–16 gegenüber dem Grundbestand des Kapitels sekundär seien, während für Römer die gleiche Beobachtung als Hinweis darauf gilt, dass diese Verse von Anfang an integraler Bestandteil von Gen 15 gewesen seien.¹¹ Nur eine der beiden Argumentationen kann diachron zutreffen.¹²

Ohnehin bleibt unklar, was die »nach-priester(schrift)liche« Einstufung für das Verständnis von Gen 15¹³ austragen soll. Nach Römer »stellt« Gen 15 »eine klare literarische Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus her«;¹⁴ nach Köckert hat Gen 15,13–16 »programmatischen Charakter« für die Verbindung von Erzvätern und Exodus.¹⁵ Beides klingt plausibel. Nur brauchte diese »literarische Verbindung« nicht mehr hergestellt und dieses »Programm« nicht mehr entwor-fen zu werden, wenn beides bereits in der »Priesterschrift« vorgelegen hätte. Man könnte darum die Diskussion an dieser Stelle resigniert abbrechen und sich, sofern man nicht ganz auf die diachrone Fragestellung verzichtet, damit begnügen, die eigenen Argumente für überzeugender zu halten als die der jeweils anderen Seite. Da ich die Hoffnung auf Verständigung nicht aufgeben will, soll

Gen 15 verortet werden (Frevel, Palimpsest, 69: »Jerusalemer Geschichtswerk« und damit vor-priesterlich; Römer, Urkunden, 21  f., gegen Frevel: nachpriesterlich).11 Köckert, »Urgestein«, 39; Römer, Urkunden, 12.12 Zur Interpretation von V. 13–16 als integralem Bestandteil des Kapitels vgl. Ziemer, Abram, 204–218.234–242. 13 Für das Verständnis dieses faszinierenden Kapitels (Ziemer, Abram, 165–272) verdanke ich entscheidende Impulse den Arbeiten von S. Noegel, A Crux and a Taunt: Night-Time then Sun-set in Genesis 15, in: P. R. Davies / D. J. A. Clines (Hg.), The World of Genesis: Persons, Places, Perspectives, JSOT. S 257, 1990, 128–135 (zu V. 5), I. Willi-Plein, Zu A. Behrens, Gen 15,6 und das Vorverständnis des Paulus, ZAW 112 (2000), 396–397 (zu V. 6) sowie Y. Zakovitch, The Pattern of the Numerical Sequence Three-Four in the Bible, 1977 (zu dem die Verse 7–21 beherrschenden Zahlenschema), für das Verständnis von Gen 17 als Bestandteil einer Kompositionsschicht dage-gen den beiden großen Studien von E. Blum.14 Römer, Urkunden, 13.15 Köckert, »Urgestein«, 40.

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an dieser Stelle aber zunächst auf den erstaunlichen Konsens verwiesen werden, den es in Bezug auf Gen 17 gibt.

2 Der Konsens über die Schichtzugehörigkeit von Gen 17

Der auf der weitgehend einhelligen Identifizierung der »priesterlichen« Texte im Pentateuch beruhende entstehungsgeschichtliche Konsens über Gen 17*¹⁶ ist ein dreifacher:

Es besteht erstens Einigkeit darüber, dass die Verfasser von Gen 17* auch, u.  a., Gen 1*; 5*; 9* und Ex 6*¹⁷ geschrieben haben, allesamt Texte, die gemeinsam mit Gen 17 meist als »priesterliche« Texte apostrophiert werden. Dieser Konsens besteht ungeachtet der umstrittenen Frage, was sie darüber hinaus noch geschrie-ben haben – eine rein erzählende »priesterliche Grundschrift«, eine Erzählung und Gesetzgebung umfassende »Priesterschrift«¹⁸ oder eine auch vorpriesterli-ches Material einschließende »priesterliche Komposition«,¹⁹ von der wiederum umstritten wäre, wie weit sie von der Endgestalt (oder den Endgestalten) des Pen-tateuch entfernt ist.²⁰

Einigkeit besteht zweitens darüber, dass die Verfasser von Gen 17* und Ex 6* auch nicht-priesterliche Traditionen der Erzeltern- und Exodusgeschichte gekannt haben. Uneins ist sich die Forschung nur darüber, wieviel vom nicht-

16 Die Sternchen sind nötig, da manche Autoren innerhalb von Gen 17 mehrere Verfasser sehen und z.  B. die Verse 9–14 für sekundär erklären wollen; von einem Konsens kann deswegen nur in Bezug auf den Kern des Kapitels die Rede sein.17 Eine Ausnahme bildet hier Th. W. King, The Realignment of the Priestly Literature, 2009, der die »P«-Texte in der Genesis, darunter Gen 17,1–13.15–27, als unabhängige Quelle neben der eigentlichen und von Ex 6,9 bis Num 36,13 reichenden »Priestly Source« betrachtet, während Ex 6,2–8 der »Holiness School« zuzurechnen sei, die beide Quellen miteinander verbunden habe. I. Knohl, The Divine Symphony, 2003, 157  f., schreibt Ex 6 ebenfalls der »Holiness School« zu, rechnet aber zahlreiche andere allgemein als »priesterlich« anerkannte Texte in Ex–Num dem gleichen »Corpus« zu wie Gen 17.18 Seit Noth wird in der deutschsprachigen Forschung oft als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das legislative priesterliche Material dem erzählenden gegenüber sekundär sei. Darüber besteht aber kein Konsens, vgl. nur die Arbeiten der Kaufmann-Schule. Das Gegenteil könnte Sinn machen: Priesterliche Quellen wären vor allem in den Büchern Ex, Lev und Num zu suchen, während die »priesterlichen« Texte in der Genesis dazu geschrieben worden sein könnten, um die priesterliche Gesetzgebung in die ältere Pentateucherzählung zu integrieren.19 Bahnbrechend immer noch E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte, WMANT 57, 1984, sowie ders., Studien zur Komposition des Pentateuch, BZAW 189, 1990.20 Blum rechnet mit mehreren nachfolgenden Bearbeitungsschichten, was die Plausibilität sei-nes Modells leider empfindlich beeinträchtigt; dagegen Ziemer, Abram, 377  f. mit Anm. 525.

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priesterlichen Material zu ihrem Horizont gehört habe, und ob sie dieses ersetzen oder interpretierend und kontrastierend ergänzen wollten.

Drittens, und das ist das Erstaunlichste, besteht auch Einigkeit darüber, dass das Werk der Verfasser von Gen 17* in Ur-, Erzeltern- und Exodusgeschichte in allen kanonischen Fassungen der Tora weitestgehend im Wortlaut und in der ursprünglichen Reihenfolge erhalten ist. Dieses wäre nur bei der Annahme, dass die Formulierung von Gen 17* unmittelbar mit der Endredaktion des Pentateuch zusammenfällt, selbstverständlich. Denn dass in einem durch eine Redaktion hergestellten Text deren redaktionelle Eigenformulierungen vollständig erhal-ten sind, ist eine Tautologie. Die absolute Ausnahme wäre hingegen, dass eine verarbeitete Quelle auch nur halbwegs vollständig erhalten bleibt. Römer belegt das selbst, wenn er sich mit dem Argument auseinandersetzt, aus den (wenigen) vermeintlichen Lücken in »P« sei zu schließen, dass es keine Quelle sei. Zu Recht bemerkt er:

»Allerdings geht die Annahme, dass bei der Zusammenfügung verschiedener Dokumente diese vollständig erhalten blieben, von der falschen Voraussetzung aus, dass die Redak-toren ihre Quellen so vollständig wie möglich erhalten wollten. Beispiele aus Mesopota-mien, insbesondere das Gilgameschepos, zeigen jedoch den freien Umgang mit alten Doku-menten, die im Zuge einer Neuausgabe gekürzt, ausgelassen oder umgeschrieben werden können.«²¹

Wie unten gezeigt werden soll, ist dank der Qumranfunde sogar für einige Fort-schreibungsprozesse im engsten Zusammenhang mit der Entstehung der bibli-schen Bücher ein empirischer Textvergleich möglich, anhand dessen der Umgang mit literarischen Vor lagen beurteilt werden kann.

Der Konsens besteht also in Folgendem: Der »priesterliche« »Faden«, zu dem Gen 17* gehört, hat erstens von Beginn an mindestens den Bereich von Ur-, Erz-eltern- und Exodusgeschichte umfasst, dabei zweitens auch an »nicht-priesterli-che« Traditionen angeknüpft und ist drittens im Pentateuch nahezu vollständig erhalten.²²

Dagegen besteht in Bezug auf Gen 15* in all diesen Punkten Uneinigkeit. Wie weit reichte, erstens, die literarische Tätigkeit des Verfassers von Gen 15*? Hat er auch Anteil an Gen 12 oder an Gen 22, hat er auch Ex 3  f.* oder wenigstens Ex 4,1–9 geschrieben, und hat er Anteil an Jos 24? Impliziert also der in Gen 15 evidente Bezug auf Exodus- und Landnahmetraditionen, dass das Werk, für das

21 Römer, Urkunden, 16.22 Dieser Konsens gilt nicht in gleichem Maße für die gesetzlichen Materialien, die, lt. Carr, For-mation, 109, Anm. 17, »appear to have had a more complex and often earlier prehistory«.

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Gen 15* ursprünglich geschrieben wurde, auch selbst eine Exodus- und Land-nahmegeschichte enthalten hat?²³ Kennt oder verarbeitet, zweitens, der Verfas-ser von Gen 15* »priesterliche« Texte?²⁴ Angesichts der konträren Auffassungen zu all diesen Fragen ist es, drittens, natürlich auch fraglich, inwieweit das Werk, zu dem Gen 15* ursprünglich gehört haben muss, vollständig rekonstruierbar ist.

Eine solche Uneinigkeit über den ursprünglichen literarischen Kontext einer in ein größeres Werk integrierten Perikope darf nicht verwundern. Sie ist nicht die Ausnahme, sondern entspricht voll und ganz dem Erwartbaren, wie die fol-genden Beispiele deutlich machen werden. Das Phänomen der deutlichen Wie-dererkennbarkeit der »priesterlichen« Texte innerhalb der kanonischen Pen-tateucherzählung wird demgegenüber im Licht der empirischen Beispiele von Redaktionsgeschichte neu zu beurteilen sein.

3 Empirische Beispiele für Redaktionsgeschichte

R. G. Kratz geht in seinem genannten Aufsatz davon aus, dass

»die Entstehung eines biblischen Texts von seinen Anfängen bis zu seiner letzten Gestalt als dynamischer Prozess der Rezeption und (innerbiblischen) Interpretation begriffen werden kann«.²⁵

Um die Dynamik dieses Prozesses zu verstehen, bieten die sog. »rewritten bible«-Texte einzigartiges Anschauungsmaterial. Denn nach Kratz

»lassen Auslassungen und Überschüsse in den rewritten bible-Texten, ganz gleich, ob sie auf einer Vorlage beruhen oder im Zuge der Reformulierung vorgenommen wurden, die Technik erkennen, wie der biblische Text gewachsen ist. Auch für das Werden der bibli-schen Vorlagen ist mit Umformulierungen, Auslassungen und vor allem mit Zufügungen im Laufe der Überlieferung zu rechnen. In den rewritten bible-Texten setzt sich somit nur fort, was in den biblischen Vorlagen und ihrer Komposition bereits begonnen hat.«²⁶

23 Zu diesen Fragen bestehen größere Differenzen zwischen den genannten Aufsätzen von Römer und Köckert, während Frevel hier tendentiell meist mit Römer, teilweise aber auch mit Köckert übereinstimmt.24 Hier stimmen nun Römer und Köckert gegen Frevel überein.25 Kratz, Texte, 200.26 Kratz, Texte, 204.

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An den Vorgängen, die hier zu beobachten sind, muss sich jede redaktionsge-schichtliche Rekonstruktion messen lassen.²⁷ Wie genau können deren Resultate sein, wenn man nur den Endpunkt der Redaktionsgeschichte kennt, aber zu den Vorstufen keinen unmittelbaren Zugang mehr hat? Andersherum gefragt: Wieviel von Wortlaut, Umfang und Inhalt einer Quelle bleibt üblicherweise nach zwei oder drei Fortschreibungen noch übrig?

Es ist nicht leicht, empirische Belege für eine solche mehrstufige Redaktions-geschichte zu finden. R. G. Kratz wählt ein klassisches Beispiel:

»Ein besonders schöner Fall, bei dem dieser Prozess der Redaktions- und Rezeptionsge-schichte innerhalb des Alten Testaments selbst und darüber hinaus verfolgt werden kann, ist die Geschichte der Ahnfrau, die von ihrem Mann, um sich selbst zu schützen, an einem fremden Ort als Schwester ausgegeben wird.«²⁸

Für Kratz ist dabei Gen 26,7–14 die älteste Fassung, nach deren Vorbild Gen 12,10–20 gestaltet worden sei, »wovon wiederum die Fassung in Gen 20,1–18 abhängig« sei.²⁹ Das Beispiel legt sich für ihn auch deshalb nahe, weil es in Jubiläenbuch und 1QGenesis-Apokryphon (1QapGen) zwei weitere, nachbiblische Fassungen dieser Geschichte gibt, deren Charakter als Fortschreibung der Erzählung von Gen 12, im Falle des 1QapGen unter Aufnahme von Motiven aus Gen 20, evident ist. Bereits 1960 hatte Eva Oßwald in der ZAW die vier Versionen von Gen 20, Gen 12, 1QapGen 19  f. und Jub 13 synoptisch miteinander verglichen und ihre Beobachtungen ganz ähnlich interpretiert.³⁰

Kratz skizziert kurz, wie die verschiedenen Fassungen der Geschichte suk-zessive entstanden sein könnten, wobei er im Unterschied zu Oßwald nicht eigens auf die bis heute kontrovers diskutierten Abhängigkeitsverhältnisse zwi-schen Jub und 1QapGen eingeht.³¹ Die Frage, die hier gestellt werden soll, lautet: Wie genau könnten wir die Hauptvorlage von Jub 13 oder 1QapGen 20 – also Gen 12,10–20 – rekonstruieren, und wie genau die Vorlage zweiten Grades – nach Kratz Gen 26,7–14 –, wenn wir keinen Zugang zur Genesis hätten?

27 Vgl. Carr, Formation, 102–149.28 Kratz, Texte, 204  f.29 Kratz, Texte, 205.30 E. Oßwald, Beobachtungen zur Erzählung von Abrahams Aufenthalt in Ägypten im »Genesis-Apokryphon«, ZAW 72 (1960), 7–25. Teilweise anders I. Fischer, Die Erzeltern Israels, BZAW 222, 1994, 245–249.31 Vgl. hierzu nur Ziemer, Abram, 39–46, sowie D. Machiela, The Dead Sea Scrolls Genesis Apo-cryphon: A New Text and Translation with Introduction and Special Treatment of Columns 13–17, STDJ 79, 2009, 12–17.105–130.140  f.

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Es handelt sich natürlich um eine konstruierte Problemstellung, da alle dafür in Frage kommenden Experten die tatsächliche Vorlage, wie sie in der Genesis steht, viel zu genau kennen. Was sich aber messen lässt, ist, wieviel denn maximal rekonstruiert werden könnte, wenn – hypothetisch – ein Literarkritiker ans Werk ginge, der jede Redaktionsschicht mit 100%-iger Sicherheit abzutragen in der Lage wäre. Wieviel vom Wortlaut und der Struktur einer Vorlage zweiten Grades würde er eruieren können?

3.1 Jub 13,10–15 und Gen 12,10–20

Ich will zunächst von der Erzählung in Jub 13,10–15 ausgehen.³² Die kursiv gesetz-ten Textanteile haben eine Entsprechung im biblischen Text von Gen 12,10–20, eingeklammerte Textteile stehen an anderer Stelle als in der Vorlage.³³

Jub 13,10 Und es war Unfruchtbarkeit auf der Erde. 11 Und Abram zog in das Land Ägypten, im dritten Jahr dieser Jahrwoche. Und er wohnte in Ägypten fünf Jahre, bevor seine Frau von ihm geraubt wurde. 12 Und Tanais von Ägypten wurde damals erbaut, im siebenten Winter nach Hebron. 13 Und es geschah, als Pharao Sora, die Frau Abrams, geraubt hatte, da pei-nigte der Herr Pharao [und sein Haus] mit großer Peinigung wegen Sora, Abrams Frau. 14 [Und Abram war geehrt durch großen Besitz an Schafen und Rindern und Eseln {und Kamelen} und Pferden und Knechten und Mägden] und an Silber und Gold in hohem Maße. Und auch Lot, der Sohn seines Bruders, war in Besitz. 15 Und Pharao ließ Sora zurückkehren, [Abrams Frau], und ließ ihn auswandern aus dem Land Ägypten. …

Etwa 36 der 141 Wörter von Gen 12,10–20 (MT) haben eine Entsprechung im Jubi-läenbuch. Da allerdings der Reichtum Abrams an anderer Stelle erwähnt wird und die Rückgabe Sarais an Abram frei wiedergegeben wird, bleiben maximal 24 Wörter übrig, die in der gleichen Reihenfolge auch im Jubiläenbuch erhalten

32 Dieser Abschnitt des Jubiläenbuches ist nicht im hebräischen Original erhalten; die in Qum-ran gefundenen hebräischen Textfragmente anderer Abschnitte haben aber die Zuverlässigkeit der äthiopischen Textüberlieferung bestätigt. Ich zitiere im Folgenden die Übersetzung von K. Berger, Das Buch der Jubiläen, JSHRZ II/3, 1981, 398  f.33 Hier und im Folgenden wird jeweils der masoretische Text zu Grunde gelegt. Der Befund würde naturgemäß durch Einbeziehung anderer Textzeugen in einigen Details anders aus-sehen (vgl. etwa die Erwähnung Lots in Gen 12,20 in LXX und Samaritanus), was aber für die hier behandelte Frage der Rekonstruierbarkeit keinen wesentlichen Unterschied macht. In der Realität war der Verfasser des Jubiläenbuchs wie die früheren biblischen Schriftsteller nicht ein-fach einer einzelnen Vorlage ausgeliefert, sondern Teil eines lebendigen mündlich-schriftlichen Überlieferungsprozesses (vgl. Carr, Formation, 13–36).

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geblieben sein dürften. Der gemeinsame Text wäre demnach (mit den Verszahlen aus Gen 12, umgestellter Text in eckigen Klammern) folgender:

(10) ויהי רעב בארץ וירד אברם מצרימה … (11) ויהי … (15) ותקח האשה … פרעה … [(16) ולאברם … ויהי לו צאן ובקר וחמרים ועבדים ושפחת … {וגמלים}]

(17) וינגע יהוה את פרעה נגעים גדלים [ואת ביתו] על דבר שרי אשת אברם… (20) … פרעה … וישלחו אתו … [אשתו] …

Und es war eine Hungersnot im Land, und Abram zog hinab nach Ägypten … Und es geschah, … dass die Frau genommen wurde … Pharao … [Und Abram … er hatte Schafe und Rinder und Esel und Knechte und Mägde … {und Kamele}.] Und Jhwh schlug den Pharao mit großen Plagen, [und auch sein Haus,] wegen der Sache mit Sarai, der Frau Abrams … Pharao … und sie schickten ihn … [seine Frau] …

Das ist durchaus so etwas wie das Gerüst der Handlung; allerdings fehlt das Motiv, dass Abram Sarai als seine Schwester ausgegeben habe, es fehlt auch die Begrün-dung für den Reichtum Abrams, dessen Erwähnung zudem an anderer Stelle erfolgt. Vor allem aber fehlen alle wörtlichen Reden. Von dem, was die Vorlage zu einer spannenden Erzählung gemacht hat, erfahren wir also gar nichts. Gesetzt den (unwahrscheinlichen) Fall, ein Literarkritiker könnte allein aus dem Jubilä-entext herausarbeiten, welche Wörter auf die Vorlage zurückgehen, dann hätte er damit nicht die Vorlage rekonstruiert, sondern maximal ein Viertel des Textes dieser Vorlage, und weder der Stil (Entfaltung der Handlung in wörtlichen Reden) noch der Kern der Geschichte (Abram gibt Sarai als seine Schwester aus) wäre erkennbar.³⁴

Ähnlich ernüchternd fällt das Resultat aus, wenn wir von Gen 12 aus nach der Vorlage zweiten Grades, nach Kratz also Gen 26, zurückfragen.

Wieder sollte die Frage lauten: Wieviel vom Wortlaut der Vorlage (Gen 26,7–14MT mit 118 Wörtern) ist in der Fortschreibung (Gen 12,10–20) enthalten?

Da zwischen Gen 26 und Gen 12 alle Personen- und Ortsnamen ausgetauscht werden, bleibt nur ein dünnes Gerüst: Der gemeinsame Text umfasst nur ca. 20 Wörter, davon 13 in der gleichen Reihenfolge, und lautet (in der Reihenfolge von

34 Die Auslassung dieses »anstößigen« Kerns der Geschichte beruht sicher auf der Absicht, Abraham in ein besseres Licht zu stellen (Fischer, Erzeltern, 246  f.). Dass die Autoren von Fort-schreibungen bestimmte Interessen verfolgen, markiert einen entscheidenden Unterschied zwi-schen Redaktions- und Textgeschichte, der gravierende Folgen für die Rekonstruierbarkeit von Vorlagen hat. Vgl. Carr, Formation, 114: »The idea that successive groups of scribes would have preserved earlier strands of material so precisely that we could reconstruct them in complete, readable form involves a category mistake regarding different forms of textual transmission.«

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Gen 12 und mit den Verszahlen von Gen 12,10–20 // 26,7–14, umgestellte Textteile in eckigen Klammern):

(26,7b//12,12) … אשתו … והרגו אתי/יהרגוני … [(7a//13) אחתי את/אחתי הוא] (8//14) … ויראו/וירא [ (14//16) ויהי לו … צאן ו… בקר … ועבדים/עבדה …] (9//18) ויקרא … ל … ויאמר

… אשתך הוא (9//19) … אמרת אחתי הוא … (11//20) ויצו … אשתו …

… seine Frau … sie werden mich töten … [du bist / sie ist meine Schwester] … und es sah/sahen … [und er hatte … Schafe und … Rinder … und Knechte …] und … rief zu … und sagte: »… sie ist deine Frau … du hast gesagt: ›Sie ist meine Schwester‹« … Und er befahl … seine Frau …

Hier wäre also im Zuge der Fortschreibung der Kern der Geschichte erhalten geblieben – dass jemand seine Frau als seine Schwester ausgegeben hat –, und auch der Stil, die Bevorzugung wörtlicher Rede, wäre noch erkennbar. Da die Namen alle ausgetauscht worden sind, könnte man allerdings über den ursprüng-lichen Kontext nur spekulieren.

Die Eingangsfrage lautete aber, wie genau man eine Vorlage zweiten Grades rekonstruieren kann. Die Antwort lautet in diesem Fall: Überhaupt nicht. Denn die meisten Satzfragmente aus Gen 12,10–20, die, setzt man die von Kratz vertre-tene Abhängigkeitsrichtung voraus, wörtlich aus der Vorlage in 26,6–11 stehenge-blieben wären, fehlen im Jubiläenbuch.

In diesem empirisch nachvollziehbaren redaktions- und rezeptionsge-schichtlichen Prozess ist also schon nach nur zwei Fortschreibungsvorgängen vom Wortlaut des ursprünglichen Textes fast nichts mehr übrig geblieben. Als Vorlage der Vorlage von Jub 13,10–15 könnte der »ideale« Literarkritiker, für den jedes Wort gleichsam einen unauflöslichen Herkunftsstempel trägt, nicht mehr rekonstruieren als das Stichwort »Frau« und den einen Satz, der gleich zweimal seine Position geändert hätte: »und er hatte Schafe und Rinder und Knechte«.

3.2 1QapGen 19,10–20,32 im Vergleich zu Gen 12,10–20

Etwas günstiger sieht es mit der Parallele im aramäischen 1QapGen aus. Hier haben etwa 120 der 141 Wörter von Gen 12,10–20 eine direkte Entsprechung im Text der Fortschreibung. Nicht enthalten sind u.  a. die beiden Nebensätze לגור ,und die Aufzählung des Viehreichtums Abrams ,(V. 10) כי  כבד הרעב בארץ und שםdie als einziges im Jubiläenbuch erhalten geblieben war (V. 16). Also könnte der »ideale« Literarkritiker immerhin sechs Siebentel der Vorlage rekonstruieren, darunter wären nun auch (abgesehen von der Aufzählung in V. 16) diejenigen

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Bruchstücke, die den Kern der Erzählung ausmachen und bereits zu Gen 26 gehörten.

Da die Wörter aber (anders als etwa in den Pescharim!) keinen schützen-den Herkunftsstempel tragen, wäre das Gelingen einer exakten Rekonstruktion tatsächlich sehr unwahrscheinlich, weil das 1QapGen die Perikope gegenüber seiner Vorlage vom Umfang her mehr als verfünffacht³⁵ und zudem in eine Ich-Erzählung Abrams umgewandelt hat.

Das Problem ist deutlich: In aller Regel verhindern »Umformulierungen«, »Auslassungen« und »Zufügungen« (Kratz) eine Rekonstruktion von Wortlaut und Umfang einer Vorlage. Möglich sind allenfalls begründete Vermutungen darüber.

Das Beispiel der Preisgabegeschichten habe ich gewählt, weil es von Kratz für die Demonstration einer mehrstufigen Redaktionsgeschichte vorgeschlagen wurde. In jedem Fall zeigt der recht verschiedene Umgang mit der Vorlage in Jub und 1QapGen die vielfältigen Möglichkeiten von Fortschreibungsvorgängen auf. Es soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, dass sich auch am Umgang des Jubiläenbuches mit Gen 15 und 17 zeigen lässt, wie schnell die in der kano-nischen Genesis so evidente Differenzierung zwischen »P« und »Nicht-P« durch marginale Hinzufügungen,³⁶ Umformulierungen³⁷ und Auslassungen³⁸ bis zur Unkenntlich keit verwischt wird. Doch handelt es sich dabei schon nicht mehr um eine empirisch zu beschreibende mehrstufige Redaktionsgeschichte. Es soll darum auch noch das zweite Beispiel thematisiert werden, in dem nach Kratz zu erwarten ist, dass eine zweistufige Redaktions- und Rezeptionsgeschichte inner-halb und außerhalb der Bibel verfolgt werden kann.

35 Aus Platzgründen muss deshalb hier auf eine Wiedergabe verzichtet werden. Anschaulich wird das Verhältnis zwischen 1QapGen und seiner Vorlage in der Synopse von Oßwald, Erzäh-lung, 10–19, aber auch in der Textausgabe von K. Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer I, 1984, 172–177, der durch Kursivdruck die Textelemente hervorhebt, die Parallelen im Genesis-Text haben. Zur theologischen Tendenz der Bearbeitung vgl. Fischer, Erzeltern, 248  f., und Kratz, Texte, 206.36 Ziemer, Abram, 43.46.194, zu Jub 14,1.10.19  f.; 15,1  f.37 A. a. O., 225, zu Jub 14,7; a.a.O., 198 mit Anm. 189, zu Jub 14,9.38 Die Gen 17,1.24  f. genannten Jahreszahlen sind für das chronologische System der »priester-lichen« Texte zentral (vgl. Ziemer, Erklärung der Zahlen von Gen 5 aus ihrem kompositionellen Zusammenhang, ZAW 121 [2009], 1–18, 3), werden aber in Jub 15 ebenso weggelassen wie z.  B. das System der Toledot-Überschriften. Stattdessen wird durch die Datierung in den dritten Monat der Gen 15 entsprechende Abrambund (Jub 14,1.10.20) mit seiner zu Gen 17 parallelen Bestätigung (Jub 15,1; vgl. noch 16,13; 17,1) sowie explizit dem Noah-Bund (Jub 6,1.10; 14,20) und der Sinaiof-fenbarung (Jub 1,1; 6,11.20.22; vgl. Ex 19,1) verknüpft.

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3.3 Bundesbuch – Deuteronomium – Tempelrolle

Es handelt sich dabei um die Reihe Bundesbuch–Deuteronomium–Tempelrolle.³⁹ Auch hier gibt es auf jeder Stufe Umformulierungen, Auslassungen und Zufü-gungen, und darüber hinaus sogar einen doppelten Perspektivwechsel – das Bundesbuch ist als Gottesrede formuliert, das Deuteronomium als Moserede, die Tempelrolle wieder als Gottesrede.⁴⁰ Schon damit wird ein Muster erkennbar, das sich der Rekonstruierbarkeit grundsätzlich entzieht, aber gar nicht so selten anzutreffen ist: Der jüngste Text in einer Kette von Fortschreibungen kann Ele-mente enthalten, die an sich älter sind als die entsprechenden Elemente seiner Vorlage. Das kann Zufall sein, es kann sich aber auch um eine – bewusst oder unbewusst vorgenommene – »echte« Korrektur der Vorlage zurück zur Vorlage der Vorlage handeln.

Es muss wohl nicht eigens ausgeführt werden, dass weder der Text des Bun-desbuches vollständig im Deuteronomium noch der des Deuteronomium vollstän-dig in dem der Tempelrolle enthalten ist. Da zudem die Anordnung gesetzlicher Materialien nicht durch die Erzähllogik bestimmt ist, ändert sich die Reihenfolge der Texte hier in jeder Neuformulierung ganz erheblich, so dass sich über den Umfang und die Struktur der jeweiligen Vorlage nur äußerst wenig sagen ließe.⁴¹

Z.B. begegnet die Talionsformel in 11QT 61,12 in einem Passus (11QT 61,6–12), der weitgehend wörtlich mit Dtn 19,15–21 übereinstimmt. Darüber, dass die Tali-onsformel auch schon im Bundesbuch (in Ex 21,23–25), aber in anderem Kontext, mit einer anderen Präposition (תחת statt ב) und mit einer längeren Aufzählung (acht Glieder, statt fünf in Tempelrolle und Deuteronomium) begegnet, könnte man, wenn man das Bundesbuch nicht zur Verfügung hätte, nur spekulieren.

In 11QT 51,11–18 wird das Richtergesetz aus Dtn 16,18–20 reformuliert.⁴² Von den 66 Wörtern haben 39 ein wörtliches Vorbild in Dtn 16,18–20. Auch die Über-schüsse im Text der Tempelrolle speisen sich größtenteils aus der deuterono-mischen Formelsprache, nur der Passus »בעוון הבית ומטמא גדולה אשמה »ועושה

39 Kratz, Texte, 204, nennt die Tempelrolle als Beispiel für das rewriting im Bereich von Geset-zestexten, neben der Reihe »Bundesbuch, Deuteronomium, Heiligkeitsgesetz« (206). Natürlich gelten hier die gleichen methodischen Einschränkungen wie bei Jub und 1QapGen: Dem Verfas-ser der Tempelrolle lag nicht der MT des Dtn vor, sondern eine mehr oder weniger stark davon abweichende Textfassung; den Redaktoren des Dtn lag nicht der MT von Ex 21–23 vor, sondern eine mehr oder weniger stark davon abweichende Vorstufe desselben.40 Dazu Kratz, 207  f.41 Vgl. Carr, Formation, 89, der beschreibt, wie ein aus der Tempelrolle rekonstruiertes »Deute-ronomium« aussähe.42 Vgl. hierzu Carr, Formation, 52  f., mit einer synoptischen Darstellung beider Texte.

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(11QT 51,15  f.) ist nicht im Stil des Deuteronomiums formuliert. Von den 47 Wörtern des Deuteronomiumtextes wiederum (acht Wörter gehören hier zu Floskeln, die in 11QT fehlen) haben zwölf eine wörtliche Vorlage in Ex 23,6–8 im Bundesbuch (von dort insgesamt 26), nämlich die folgenden:

»Du sollst das Recht nicht beugen … und du sollst kein Bestechungsgeld nehmen, denn die Bestechung macht … blind und führt die Sache der Gerechten in die Irre.«

Mit »wörtlicher Entsprechung« ist dabei keine buchstäbliche Entsprechung gemeint,⁴³ wie der Textvergleich dieser zwölf Wörter deutlich macht (die kursiven Zahlen zeigen zusätzliche Wörter an, die eckigen Klammern Umstellungen):

Ex 23,6–8 לא תטה משפט +13+ ושחד לא תקח כי השחד יעור +1+ ויסלף דברי צדיקיםDtn 16,18–20 +13+ 17+ לא תטה משפט +3+ ו[לא תקח] שחד כי השחד יעור +2+ ויסלף דברי צדיקם+11Q19 51,11–18 +37+ [ומעור] 14+ ולוא יקחו שוחד [ולוא יטו משפט] כי השוחד +2+ ומסלף דברי הצדק+

Hier hat sich demnach eine prägnante Begründung durch zwei Fortschreibungs-vorgänge hindurch gehalten, die lediglich umgestellt und leicht in der Formu-lierung geändert wurde. Ob man allerdings ohne empirischen Textvergleich die Quellenzugehörigkeit dieser weisheitlichen Begründung richtig erkannt hätte, ist fraglich – עור pi. und סלף pi. sind im Rahmen des Bundesbuchs ebenso singulär wie in Deuteronomium oder Tempelrolle. Die wortgetreue Konservierung ausge-rechnet dieser Begründung weist darauf hin, dass singuläre, prägnante Formu-lierungen, die sich deutlich von ihrem Kontext abheben und dem Literarkritiker dadurch »verdächtig« scheinen, mitunter die einzigen Bestandteile eines Textes sein können, die schon aus der Vorlage zweiten Grades stammen.

Die prozentual mit Abstand größte wörtliche Übereinstimmung über zwei Stufen hinweg finde ich im Abschnitt Ex 22,15  f.//Dtn 22,28  f.//11QT 66,9–11, wo es um die Verführung einer noch nicht verlobten Jungfrau geht. Von den 23 Wörtern des Abschnitts im Bundesbuch bleiben zwölf im Deuteronomium erhalten; dort wird der Abschnitt inhaltlich überarbeitet und umfasst nun 31 Wörter. Von diesen bleiben in der Tempelrolle 29 erhalten, und es kommen nur sechs Wörter hinzu, darunter dasjenige, das schon im Bundesbuch die Beschreibung des Kasus ein-geleitet hat, aber im Dtn ersetzt worden war: Ex 22,15 איש יפתה Dtn 22,28 // וכי איש ימצא איש 11QT 66,8 // כי יפתה In diesem einen Fall wäre also nach zwei .כי Redaktionen noch mehr als die Hälfte des ursprünglichen Wortlauts erhalten geblieben. Aber weder der ursprüngliche Kontext im Bundesbuch noch auch nur die ursprüngliche Regelung wäre dem Text der Tempelrolle zu entnehmen.

43 Buchstäblich erhalten blieben nur drei Wörter: … משפט … כי … דברי.

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4  Konsequenzen für die Redaktionsgeschichte des Pentateuch

Die geschilderten Beispiele machen eines deutlich: Es ist so gut wie ausgeschlos-sen, aus einem gegebenen Text dessen literarische Vorlage auch nur annähernd vollständig in Stil, Wortlaut, Umfang und Inhalt zu rekonstruieren. Das gilt schon für eine unmittelbare Vorlage, es gilt aber erst recht für eine Vorstufe zweiten oder dritten Grades, da auf jeder Stufe »mit Umformulierungen, Auslassungen und vor allem mit Zufügungen« (Kratz) zu rechnen ist. Dieses Bild würde sich nicht wesentlich ändern, wenn man empirische Beispiele für Redaktionsge-schichte im Bereich des Propheten- und Schriftenkanons einbezöge. Denn selbst durch die blockweise Übernahme der Jesaja-Hiskia-Legenden aus dem Könige- in das Jesajabuch (oder umgekehrt) wird es nicht möglich, vom Jesajabuch aus den Kontext im Königebuch (oder umgekehrt) wiederherzustellen. Ebensowenig wäre es möglich, die Samuel- und Königebücher aus der Chronik zu rekonstruieren, weil die Verfasser der Chronik den größten Teil des Samuel- und mehr als die Hälfte des Königebuches weggelassen haben.

Für die Plausibilität der redaktionsgeschichtlichen Rekonstruktion ist es von fundamentaler Bedeutung, auf Analogien verweisen zu können. Warum aber will etwa Uwe Becker in seinem Methodenlehrbuch die antiken Analogien zu Redaktion und Fortschreibung im Alten Testament nur auf deren »technische[…] Seite«⁴⁴ beschränken? Wohl weil ihm bewusst ist, dass in allen vergleichbaren Vorgängen, sei es in der Geschichte des Gilgamesch-Stoffes, des ägyptischen Totenbuchs oder auch der neutestamentlichen Literatur, zum Repertoire der Fortschreiber und Redaktoren neben der Tendenz zur Erweiterung immer auch Umformulierungen und Auslassungen gehören. Sicher haben wir es »im Alten Testament mit einer besonderen Art religiöser Überlieferungsliteratur zu tun, in der der Auslegungsvorgang als solcher eine zentrale theologische Rolle spielte«. Aber dass »den alttestamentlichen Büchern … nicht erst in ihrer ›kanonischen‹ Endgestalt, sondern beinahe von Beginn an – also noch im Vorgang ihres Ent-stehens – eine besondere religiöse Dignität« zugekommen wäre, »so daß im Vollzug der redaktionellen Fortschreibung das Vorgegebene, die Tradition, nicht einfach ›weggelassen‹ werden konnte«,⁴⁵ lässt sich mit den angeführten Beispie-len eindeutig widerlegen. Im Gegenteil: Tempelrolle und Jubiläenbuch beweisen, dass selbst in einer Zeit, in der die Tora bereits ihre nachmals kanonische(n) Endgestalt(en) erreichte, noch Fortschreibungen möglich waren, die genauso frei mit ihren Vorlagen umgingen, wie wir das aus anderen Zusammenhängen

44 U. Becker, Exegese des Alten Testaments, 22008, 85.45 A. a. O., 86.

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kennen. Es sollte nur vorsichtshalber darauf hingewiesen werden, dass ein klas-sischer Zirkelschluss vorliegt, wenn hypothetisch rekonstruierte »umfängliche Fortschreibungsketten«, auf welche »man« etwa, unter der methodischen Voraus-setzung, dass Texte weder umformuliert noch gekürzt werden dürfen, »in den Prophetenbüchern« »stößt«,⁴⁶ zum Beweis der Möglichkeit ihrer Rekonstruierbar-keit angeführt werden sollten.

Gerade weil sich in »den rewritten bible-Texten […] nur fort[setzt], was in den biblischen Vorlagen und ihrer Komposition bereits begonnen hat«,⁴⁷ muss sich die redaktions geschichtliche Arbeit radikal beschränken.

Thomas Römer kritisiert an der »Neo Documentary Hypothesis«, dass diese nur »a single step« hinter den kanonischen Text zurückgehen will.⁴⁸ Er selbst hat also offenbar den Anspruch, die Entstehung des Textes über mehrere Stufen hinweg zu rekonstruieren. Wenn ich ihn richtig verstehe, müsste nach seinem Modell die »priesterliche« Gen-17-Schicht in Wortlaut und Umfang durch mindes-tens drei, vielleicht auch vier oder mehr Fortschreibungsvorgänge hindurch, die jeweils mindestens die Ur-, Erzeltern- und Exodusgeschichte umfasst und umfang-reiche Erweiterungen mit sich gebracht haben müssten, erhalten geblieben sein. Im Modell von Köckert müssten eher noch mehr Zwischenstufen angenommen werden, da er allein innerhalb von Gen 15 schon zwei aufeinanderfolgende Über-arbeitungen annimmt. Beide Modelle sind damit noch vergleichsweise moderat. Christoph Berner etwa übertrifft unseren erfundenen »idealen Literarkritiker« deutlich, da er für sich in Anspruch nimmt, aus einem gegebenen Endtext heraus bis zu zwanzig Redaktionsstufen im Wortlaut rekonstruieren zu können, wobei auch er, nach Abtragen von mehr als zehn Redaktionsschichten, eigenartiger-weise wieder auf die u.  a. Gen 1*; 5*; 9*; 17*; Ex 6*; 12* enthaltende »PG« stößt, wie er erstaunlicherweise diese »Bearbeitungsschicht« bezeichnet.⁴⁹

46 A. a. O., 90.47 Kratz, Texte, 204.48 Römer, Urkunden, 8.49 C. Berner, Die Exoduserzählung, FAT 73, 2010. Nach Berner, a.a.O., 8, »hofft« seine Untersu-chung u.  a. »den Beleg für die Angemessenheit des zugrundeliegenden methodischen Paradig-mas« »zu liefern«. Ich zähle bei Berner, 339–342, mindestens 15 nachpriesterliche Redaktions-schichten allein im Bereich von Ex 12  f. Das heißt: Wenn seine Rekonstruktion zuträfe, wovon Berner offenbar ausgeht, müssten mindestens fünfzehn aufeinanderfolgende Pentateuchredak-toren jeweils den vorgegebenen Text ohne Auslassungen und Umformulierungen, aber zusam-men mit allen Erweiterungen aller vorausgegangenen Redaktionsstufen, mit einer Präzision ko-piert haben, wie sie später allein die Masoreten erreicht haben, nur um mitten in diesen minutiös kopierten Text die frei formulierten eigenen redaktionellen Erweiterungen so einzutragen, dass schon der nächste Redaktor nichts mehr daran zu ändern wagte, ja die vorherige Redaktions-schicht vielleicht nicht einmal als Erweiterung erkannte! Ein solches Verfahren wäre schon ana-

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Wenn es eine »Priestergrundschrift« gegeben haben sollte, die Ur-, Erzeltern- und Exodusgeschichte umfasst hat, aber von den Endgestalten durch mehrere Redaktionen getrennt ist, dann wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-lichkeit auszuschließen, dass deren Wortlaut und Umfang annähernd vollständig aus dem Pentateuch rekonstruiert werden könnten. Dasselbe gälte für eine pries-terliche Kompositions- oder Redaktionsschicht, auf die noch mehrere »nach-priesterliche« Redaktionen gefolgt wären.

Wenn es allerdings eine priesterliche Endredaktion gegeben haben sollte, die durch die überlegte Zusammenstellung des aus priesterlicher Tradition stammenden und neu geordneten Materials (vor allem der Masse der üblicher-weise »P« und »H« zugewiesenen Texte in Ex–Num) mit den nicht-priesterlichen Erzähl- und Gesetzestexten sowie dem Deuteronomium den Pentateuch geschaf-fen hätte, so wäre die Tatsache, dass die Reihe der eng aufeinander bezogenen »priesterlichen« Texte im Endtext⁵⁰ so deutlich erkennbar ist, kein unmöglich scheinender Zufall der Überlieferung, sondern das Ergebnis bewusster und ziel-gerichteter schriftstellerischer Arbeit. Damit wäre noch nichts darüber gesagt, ob die priesterliche Kompositionsschicht ihrerseits schon eine längere literarische Vorgeschichte aufweist. Ausschließen kann man eine solche nicht, sie ist sogar wahrscheinlich. Nur mit allzu detaillierten Rekonstruktionsversuchen sollte man vorsichtig sein.

Abstract: The article seeks to contribute to the establishment of a more solid methodological foundation for the current flood of redaction-critical discussion of the origin of the Pentateuch. The relationship of »rewritten Bible« texts such as Jubilees and the Temple Scroll to Genesis or Deuteronomy corresponds to the relationship of revisions within the Pentateuch to the older texts which lie behind them. Thus it is possible to make an empirical reconstruction of redactional pro-cesses that occurred in either one or two stages. This is demonstrated with spe-cific examples, which show that the vocabulary, style and scope of the older text are at most partially preserved in the process of revision. From this the conclusion can be drawn that the impressively high degree of cohesion and coherence of the

logielos, wenn man es für eine einzelne Redaktion postulieren wollte, erst recht, wenn man es sich zweimal wiederholt vorstellt. Aber fünfzehnmal?50 Hierzu sind unbedingt auch die oft zu Unrecht vernachlässigten Rahmentexte des Numeri-buches zu zählen, vgl. Ziemer, Erklärung der wichtigsten »demographischen« Zahlen des Numeri buches aus ihrem kompositionellen Zusammenhang, VT 60 (2010), 271–287.

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Priestly narrative texts that form the framework of the Pentateuch is most simply explained if these were formulated, not for an earlier stage of composition, but precisely for that final form of the Pentateuch which can be reconstructed as the basis of MT, Sam and LXX.

Résumé: Cette étude vise à ramener la trop vaste discussion de l’histoire de la rédaction du Pentateuque à une base méthodologique plus solide. Sur la base des textes »rewritten-Bible«, comme le livre des Jubilés et le Rouleau du Temple, dont la relation à Gen. – et respectivement à Dtn. – correspond à celle de relectures à l’intérieur du Pentateuque et à leur Vorlage, et permet d’établir, de manière empi-rique, une – et même deux – étapes rédactionnelles préalables. Ceci est illustré par des exemples concrets qui établissent que le vocabulaire, le style et l’ampleur d’une Vorlage littéraire ne sont conservés que partiellement, dans le cadre d’une telle rédaction. Il en ressort, pour la constitution du Pentateuque, que la meil-leure explication de la cohésion et de la cohérence impressionnantes des textes-cadres de la narration sacerdotale réside dans le fait qu’ils ont été rédigés préci-sément en vue de cette forme finale du Pentateuque (et non à un stade préalable), à laquelle se rapportent le TM, le Samaritain et la LXX.

Zusammenfassung: Dieser Aufsatz will einen Beitrag dazu leisten, die gegen-wärtig ausufernde redaktionsgeschichtliche Diskussion zum Pentateuch auf eine solidere methodische Grundlage zu stellen. Dank rewritten bible-Texten wie dem Jubiläenbuch oder der Tempelrolle, deren Verhältnis zur Genesis bzw. dem Deuteronomium dem Verhältnis von Fortschreibungen innerhalb des Pentateuch zu ihren Vorlagen entspricht, ist es möglich, ein- oder sogar zweistufige redak-tionsgeschichtliche Vorgänge empirisch nachzuvollziehen. Das wird an konkre-ten Beispielen durchgeführt, die ergeben, dass Wortlaut, Stil und Umfang einer literarischen Vorlage im Zuge einer Fortschreibung allenfalls bruchstückhaft erhalten bleiben. Daraus wird für die Entstehung des Pentateuch der Schluss gezogen, dass die beeindruckend hohe Kohäsion und Kohärenz der erzählenden priesterlichen Rahmentexte am einfachsten erklärbar ist, wenn diese nicht für eine Vorstufe, sondern für genau diejenige Endgestalt des Pentateuch formuliert worden sind, auf welche sich MT, Samaritanus und LXX zurückführen lassen.