Begriffsbestimmungen der Soziologie im Transfer: Zur Übersetzung von Max Weber ins Spanische und...

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Arturo Parada Vigo Begriffsbestimmungen der Soziologie im Transfer: Zur Übersetzung von Max Weber ins Spanische und Portugiesische 1. Einleitung Erst seit den 1960er-Jahren, konkret: nach dem Heidelberger Soziologentag von 1964 ist es in Deutschland zu einer breiteren Max Weber-Rezeption gekommen, die dann – oft an die Übersetzung von Talcott Parsons' The Structure of Social Action gekoppelt – auch im Ausland stattgefunden hat (zu Italien vgl. Schmitt 2006). In dieser Hinsicht ist die frühe Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft ins Spanische als ein wahres kulturelles 'Wunder' zu betrachten, das nur vor dem Hintergrund des regen kulturellen Lebens der spanischen zweiten Republik (1931- 1936), des Exils der spanischen Intellektuellen v. a. nach Lateinamerika und der Bereitschaft der Länder dieses Kontinents – allen voran Mexico –, die Exilanten mit offenen Armen zu empfangen und sich das kulturelle Gut vorurteilslos anzu- eignen, stattfinden konnte. Zu dem hohen Ansehen, das die deutsche Wissenschaft in den Anfängen des 20. Jahrhunderts genoss, gesellte sich das Vermögen und die Bereitschaft spanischer und lateinamerikanischer Intellektuelle und Verlage, zur Förderung und Institutionalisierung einer Disziplin beizutragen, die noch stark zwischen Soziologie und Philosophie schwankte. Die Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft, die (es seien hier alle Übersetzer genannt) Medina Echavarría, Juan Roura Farella, Eugenio Imaz, Eduardo García Máynez und José Ferrater Mora voller Begeisterung – erinnert sich Medina Echavarría – und "silenciosamente y sin demasiados aspavientos, en espera de la gratitud silenciosa de nuestros mejores estudiosos" 1 (apud Moya López, 792) anfertigten, ist als ein Meilenstein anzusehen, der sich nur dank des Verlags Fondo de Cultura Económica verwirklichen konnte, eine Ehre, die nun auch den Übersetzern der portugiesisch-brasilianischen Aus- gabe, 2 Regis Barbosa, Karen Elsabe Barbosa und Gabriel Cohn, gebührt. Zu nennen 1 „ohne größeres Aufsehen und in der Hoffnung, dass es uns unsere besten Köpfe im Stillen danken möchten“ (Übersetzung A. P.). 2 Meinen Dank für bibliographische Angaben an den Kollegen Dr. Alexandre Braga Masella (De- partamento de Sociologia, Universidade de São Paulo) und Ana Garralón (Fondo de Cultura Económica, Librería Juan Rulfo, Madrid).

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Arturo ParadaVigo

Begriffsbestimmungen der Soziologie im Transfer:Zur Übersetzung von Max Weber ins Spanische und

Portugiesische

1. Einleitung

Erst seit den 1960er-Jahren, konkret: nach dem Heidelberger Soziologentag von 1964 ist es in Deutschland zu einer breiteren Max Weber-Rezeption gekommen, die dann – oft an die Übersetzung von Talcott Parsons' The Structure of Social Action gekoppelt – auch im Ausland stattgefunden hat (zu Italien vgl. Schmitt 2006). In dieser Hinsicht ist die frühe Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft ins Spanische als ein wahres kulturelles 'Wunder' zu betrachten, das nur vor dem Hintergrund des regen kulturellen Lebens der spanischen zweiten Republik (1931-1936), des Exils der spanischen Intellektuellen v. a. nach Lateinamerika und der Bereitschaft der Länder dieses Kontinents – allen voran Mexico –, die Exilanten mit offenen Armen zu empfangen und sich das kulturelle Gut vorurteilslos anzu-eignen, stattfinden konnte. Zu dem hohen Ansehen, das die deutsche Wissenschaft in den Anfängen des 20. Jahrhunderts genoss, gesellte sich das Vermögen und die Bereitschaft spanischer und lateinamerikanischer Intellektuelle und Verlage, zur Förderung und Institutionalisierung einer Disziplin beizutragen, die noch stark zwischen Soziologie und Philosophie schwankte. Die Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft, die (es seien hier alle Übersetzer genannt) Medina Echavarría, Juan Roura Farella, Eugenio Imaz, Eduardo García Máynez und José Ferrater Mora voller Begeisterung – erinnert sich Medina Echavarría – und "silenciosamente y sin demasiados aspavientos, en espera de la gratitud silenciosa de nuestros mejores estudiosos"1 (apud Moya López, 792) anfertigten, ist als ein Meilenstein anzusehen, der sich nur dank des Verlags Fondo de Cultura Económica verwirklichen konnte, eine Ehre, die nun auch den Übersetzern der portugiesisch-brasilianischen Aus-gabe,2 Regis Barbosa, Karen Elsabe Barbosa und Gabriel Cohn, gebührt. Zu nennen 1 „ohne größeres Aufsehen und in der Hoffnung, dass es uns unsere besten Köpfe im Stillen

danken möchten“ (Übersetzung A. P.).2 Meinen Dank für bibliographische Angaben an den Kollegen Dr. Alexandre Braga Masella (De-

partamento de Sociologia, Universidade de São Paulo) und Ana Garralón (Fondo de Cultura Económica, Librería Juan Rulfo, Madrid).

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wären auch verschiedene mexikanische Institutionen und Institute, so z. B. die Escuela Nacional de Jurisprudencia oder das Instituto de Investigaciones Sociales, die den nötigen intellektuellen Nährboden beitrugen. Trotz allem ist die Rezeption Max Webers in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich, da die politischen, sozialen und akademischen Gegebenheiten z. T. eher hemmend als fördernd gewirkt haben. Der Beitrag Max Webers zur Soziologie ist aber, selbst in akademischen Milieus, wo andere Denkrichtungen und Schulen prägend sind, mittlerweile unumstritten. In den letzten Jahren weisen einige Titel auf eine neue kontrastive Auseinandersetzung mit Max Weber hin, so z. B.: O malandro e o protestante: a tese weberiana e a singularidade cultural brasileira, d. h.: Der Schelm und der Protestant: Webers These und die Singularität brasilia-nischer Kultur (Souza 1999). Es sei nun kurz etwas zum Titel dieses Beitrags erwähnt. Es heisst „von Max Weber” und nicht z. B. „von Max Webers Wirtschaft und Gesellschaft“, weil es darum geht, einerseits die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die sich im Transfer aus der fachspezifischen Anwendung von im Deutschen als allgemein zugänglich und verständlich betrachteten Begriffen ergeben, und andererseits deutlich zu machen, inwiefern andere Sprachkreise bzw. Kulturen vor die Aufgabe gestellt werden, neuen Begriffsbestimmungen der Soziologie Rechnung zu tragen, und zwar in dem Maße, dass diese sowohl ihren soziologisch-sozialen 'Entwicklungsraum' als auch ihre neue soziologisch-soziale Umgebung angemessen darzustellen in der Lage sind: Soziologie erforscht – das sollte nicht vergessen werden – Handlungen in abgegrenzten Gesellschaftssystemen. Vor dem Hintergrund einer neuen Teilüber-setzung bzw. -ausgabe von Wirtschaft und Gesellschaft – konkret von: Kapitel III: Die Typen der Herrschaft –, an der der Verfasser dieses Beitrags seit einiger Zeit arbeitet, sollen hierzu einige Beispiele aus der portugiesischen bzw. brasilianischen und der spanischen 'klassischen' Ausgabe von Wirtschaft und Gesellschaft heran-gezogen werden.Die Rezeption von Max Weber in Spanien und Portugal bzw. Brasilien ist sehr politisch bestimmt und ruft erst seit kurzem größere Aufmerksamkeit in der Forschung hervor. Es zeigt sich, dass Weber verschiedene Parteien bedienen konnte, bzw. dass der Autor zur Untermauerung der eigenen ideologischen Stand-punkte herangezogen wird (vgl. u. a. Correia 1973; Moya López 2007; Ruano de la Fuente 2007; Souza 1999). Die erste Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft ins Spanische stammt aus dem Jahr 1944, angeleitet, betreut und mitübersetzt von José Medina Echavarría – wie schon gezeigt, ein wichtiger Name in Verbindung mit Weber in der spanisch-sprachigen Welt –, wenn auch schon in Spanien in den 1920er-Jahren Hinweise auf Max Webers Werk zu finden sind, so bei Ortega y Gasset. Aus dem Jahre 1942

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stammt eine Historia económica general, übersetzt von Manuel Sánchez Marto und herausgegeben vom Verlag Fondo de Cultura Económica in México.Die erste Übersetzung von Wirtschaft und Gesellschaft ins – brasilianische – Portugiesisch erscheint erst 1991.

2. Zur Übersetzung in der Soziologie

Die Übersetzungsentscheidungen innerhalb der sogenannten Geisteswissenschaften sind als besonders relevant zu betrachten, denn sie bestimmen letztendlich die sinn-schaffende über ihren angeblichen 'Realitäts-' oder 'Wirklichkeitsgrad' hinausgehen-de Potentialität jeder Übersetzung – und somit auch des Originals: Heideggers Begriffswelt, in der Dasein, Vorhandenheit oder Zuhandenheit zeitliche Dimensio-nen innehaben, die bei mancher Übersetzung ins Spanische verlorengegangen sind, belegen dies beispielhaft. Schon allein die Übersetzung von 'Geisteswissenschaften' in andere Sprachen bereitet nicht wenige Schwierigkeiten (vgl. Gadamer 1998, An-merkungen 3, 8, 39 des Übersetzers). Wie andere geisteswissenschaftliche Disziplinen auch, ist nun Soziologie natürlich in erster Linie ein Schlachtfeld der Begrifflichkeiten, aus dem nur derjenige, der in der Lage ist, subjektive Sinngebung zur allgemeinen Akzeptanz zu führen, sieg-reich hervorgeht. In dieser Hinsicht hängt die Rezeption Webers nicht zuletzt von Entscheidungen bei der Übersetzung fundamentaler Konzepte ab, z. B. von Herr-schaft, die bis dato immer noch Grund zu einer kritischen Auseinandersetzung bieten (vgl. Gerhardt 2007 und Abellán bei Weber 2006, 171-181). In der inter-nationalen soziologischen Forschung nimmt also Auslegung und Aneignung von Begriffen einen wichtigen Stellenwert ein – wie dies auch z. B. im juristischen Bereich der Fall ist –, wobei die Debatte schwerlich auf sowohl individuelle als auch soziale (gemeinschaftliche) Kultur- und somit sprachspezifisch diachronische, d. h. historisch gewachsene Interpretationsschemata verzichten kann, wenn auch selbstverständlich erst Konsens Dialog und Übersetzung überhaupt ermöglichen: wie der Soziologe, so sollte auch der Übersetzer sicherlich nicht von einer einheit-lichen weltanschaulichen Übereinkunft im Verständnis von Termini wie 'Macht' ausgehen und das jeweilige Voraussetzungssystem immer im Auge behalten.Die Übersetzung soziologischer Texte beansprucht also eine hermeneutische Ver-fahrensweise, bei der die Eruierung sowohl der entsprechenden soziologisch-histo-rischen Gegebenheiten in Enstehung und Usus der Begriffswelten als auch der syn-chronischen Bedeutungs-Netze oder Analogie-couplings nicht zu kurz kommen sollte.Schon der Soziologe Medina Echavarría bringt dies auf eigene Weise klar zum Ausdruck, wenn er schreibt:

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Toda asimilación conceptual lleva consigo, necesariamente, allí donde hay recepción, una adecuada traducción de términos, de palabras. Pero las palabras y los términos se dan siempre a su vez dentro de una lengua que tiene una peculiar estructura y un espíritu propio. Nada más lejos, en este instante de toda pretensión de casticismo; los idiomas, quiérase o no necesitan evolucionar, renovarse y enriquecerse de un modo constante. Pero tanto esa renovación como ese enriquecimiento tienen que seguir la propia lógica de una lengua, que es al mismo tiempo una lógica espiritual. Estamos en toda recepción frente al problema – que no creo menor y desdeñable – de la traducción. (Medina Echavarría, La recepción de la sociología norteamericana, Zitat apud Moya López 2007, 776)3

Dies sei nun im Folgenden beispielhaft erläutert.

3. Zur Begrifflichkeit bei Max Weber aus Sicht des Übersetzers

Anscheinend 'leicht verständliche', von Weber permanent gebrauchte Konzepte weisen bei der Übersetzung ins Spanische oder Portugiesische größte Schwierig-keiten auf. So zum Beispiel der Begriff Behörde, laut Duden (Ausgabe 1999): „a) staatliche, kommunale od. kirchliche Dienststelle, Verwaltungsorgan; b) Sitz der Behörde; Amtssitz; Amtsgebäude; c) Pflicht, Aufgabe, Amt"; im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm heißt es: „BEHÖRDE, f. 1) locus ad quem aliquid deferendum est: die zuständige, rechtmäszige behörde; vor die rechte behörde gehen; sich bei der behörde melden. s. ortsbehörde, gerichtsbehörde, polizeibehörde u.s.w. den brief an die behörde (adresse) besorgen. 2) res, quae convenit: wir werden die behörde verfügen, das gehörige.“ Die Etymologie gibt Aufschluss über den Ursprung des Wortes: „mhd. behoeren = zugehören, eigentl. = Ort, (Amts)stelle, wohin etw. gehört“; und im Herkunftswörterbuch heißt es: "Behörde: Das seit dem 18. Jh. bezeugte Kanzleiwort gehört zu älter ndh. behören, mhd. behœren "zugehören, zukommen" (vgl. hören) und bedeutete ursprünglich "das [Zu]gehörige, später "Ort, [Amts]stelle, wohin etwas zuständigkeitshalber gehört.". Und im Goethe-Wörterbuch:

Behörde überwiegend in späten amtl Schr, Br amtl Charakters u autobiogr Werken.

1 zuständige (amtl) Stelle, Instanz, organisierte (meist staatl bzw dem Landesherrn unterstellte) Institution mit allg od speziellem Geschäftsbereich u administrativen, kontrollierenden, ausführenden ua Funktionen, überwiegend Kollegialbehörde, mehrf

3 Jedwede konzeptuelle Aneignung macht es unbedingt notwendig – dort, wo Rezeption von-statten geht –, Begriffe, Wörter angemessen zu übersetzen. Aber Wörter und Begriffe treten nur innerhalb von Sprachen auf, mit jeweils eigener Struktur und Geist. Nichts liegt mir in diesem Moment ferner als einen typischen 'spanischen' Stil zu befürworten; ob man will oder nicht, Sprachen müssen sich kontinuierlich fortentwickeln, sich erneuern und bereichern. Aber diese Erneuerung und Bereicherung muss der Logik der jeweiligen Sprache folgen, welche zur gleichen Zeit eine spirituelle Logik darstellt. Immer stellt sich in der Rezeption das Problem der Übersetzung, das ich nicht für gering und zweitrangig halte. (Übersetzung A. P.)

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mit stärker persönl Bezug, auch für den Regenten selbst; häufig im Bereich des Sachsen-Weim Verwaltungsapparates a als zusammenfassender od allg Ausdruck: für versch nicht näher bezeichnete, un-bekannte, als bekannt vorausgesetzte od im Kontext erwähnte Institutionen, insbes mehrf für die Leitung der G (u Voigt) unterstellten wiss u künstlerischen Einrichtun-gen in Jena u Weim (meist als amtl Selbstbezeichnung) sowie für einzelne dazugehöri-ge Institute u Kabinette

2 private Person (Personengruppe), die für best Fragen zuständig ist od für die etw bestimmt, an deren Adresse etw gerichtet ist.4

Die Übersetzungen für Behörde, die von den zweisprachigen Wörterbüchern ange-boten werden, schwanken im Spanischen und Portugiesischen zwischen „autori-dad/autoridade (pública)/órgãos de poder, poder público“ und „oficina, negociado, departamento, delegación, servicio,“ usw.5

Die auf 'Offizialität' eingeschränkte Sinngebung fehlt bei den vermeintlichen spani-schen und portugiesischen Entsprechungen, die alle viel weiter gefasst werden und auch im privaten, d. h. nicht amtlichen Bereich zur Geltung kommen (können): die Grenze zwischen dem staatlich-amtlichen und dem privaten Gebrauch ist hier sehr verschwommen. Der Grund für diese fehlende Übereinkunft ist leicht zu fassen: die spanischen und portugiesischen Begriffe leiten sich ja alle direkt vom Lateinischen ab, übernehmen also die Vielfältigkeit ihres historisch gewachsenen Sinnes, während der deutsche Begriff in den Kanzleien seine endgültige Prägung findet, also zeitgleich mit der Realität, die jener benennt: die Bürokratisierung des neuzeit-lichen Staates des Abendlandes. Der deutsche Begriff ist in vielfacher Hinsicht un-missverständlich, fest an semantische Assoziationen gekoppelt, die über jeden Zweifel erhaben sind: eine Behörde ist ein Amt. Nicht so im Spanischen und Portu-giesischen, wo "autoridad" oder "poder público" sowohl von einem Beamten – vom Lehrer bis zum Staatsanwalt – als auch von einer Dienststelle oder Institution – z. B. dem Parlament – verkörpert werden kann. Die Genauigkeit des deutschen Be-griffs geht also notwendigerweise in der Übersetzung verloren, die notfalls auf be-stimmende Ergänzungen zurückgreifen muss. Die 'Verspätung' der deutschen Sprache hat hier zugunsten der Präzision gewirkt.Was für Behörde zutrifft, ist auch bei anderen anscheinend verständlichen, also wohl „einfach“ zu übersetzenden Termini der Fall, so z. B. bei: Herrschaft, Stab,

4 vgl. http://www.woerterbuchnetz.de/woerterbuecher/gwb/wbgui?lemid=JB01259 (30.04.2009).5 Es werden die gängigen ein- und zweisprachigen Wörterbücher herangezogen (Duden, Real

Academia Española, Slabý, Pons, Langenscheidt, aber auch Terminologie-Tools wie IATE, Canoonet, Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache usw.). Lexikalische Unterschiede zwischen Portugal und Brasilien kommen in diesem Aufsatz nicht zur Geltung. Auf Unter-scheidungen zwischen dem Spanischen der Iberischen Halbinsel und den zahlreichen Varianten Lateinamerikas wird generell verzichtet.

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Verband, Befehls- bzw. Amtsgewalt, Satzung usw., die dann bei Max Weber auch gerne in Zusammensetzungen auftauchen: Herrschaftsverband, Grundherrschaft, Verwaltungsstab, Befehlsgewalt ... und die einer besonderen „Behandlung“ bedür-fen, denn was einmal als einfaches Wort interpretiert und übersetzt worden ist, muss nicht unbedingt vollständig in die Übersetzung des Gefüges eingehen.Gilt dies für den Bereich der Soziologie, so ist dies auch nicht weniger in der zu Webers Zeiten noch jungen Disziplin der Psychologie der Fall. Begriffe wie Sinn (¿"sentido", "significado..."?), Einfühlung (¿"empatía", "simpatía", "endopatía..."?), Eingebung (¿"intuición", "adivinación..."?), die bei einer nicht schon unbedingt ge-naueren Betrachtung selbst im Deutschen natürlich kontroverse Deutungen erlau-ben, bei Weber aber ein wahres Gerüst seiner Analysen bilden, stellen den Über-setzer vor eine schwierige Aufgabe, da eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Auswahl steht und die Entscheidung für diesen oder jenen Begriff weittragende Konsequenzen mit sich bringt. Dies um so mehr, als Weber schon sehr früh keinen Zweifel daran ließ, dass seiner Überzeugung nach soziologisches Denken in Sprache stattfindet und dass ein verstehendes – bejahendes, verneinendes oder zweifelndes – Einvernehmen Voraussetzung für jegliche Teilnahme an der Befra-gung von Sinnwelten ist. So heißt es schon in der Einführung zu den "soziologi-schen Grundbegriffen":

Die Methode dieser einleitenden, nicht gut zu entbehrenden, aber unvermeidlich abstrakt und wirklichkeitsfremd wirkenden Begriffsdefinitionen beansprucht in keiner Art: neu zu sein. Im Gegenteil wünscht sie nur, in – wie gehofft wird – zweckmäßi-gerer und etwas korrekterer (und eben deshalb freilich vielleicht pedantisch wirken-der) Ausdrucksweise zu formulieren, was jede empirische Soziologie tatsächlich meint, wenn sie von den gleichen Dingen spricht. Dies auch da, wo scheinbar unge-wohnte oder neue Ausdrücke verwendet werden. (Weber 1972, 1)

Diesen Vorüberlegungen gemäß lautet der berühmte Satz bei Weber: „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ und, präziser, „[Soziologie bedeutet] die sinnhaft orientierten Handlungen deutend zu verstehen“. Die Nähe zur Diskussion um Verstehen und Sinn, ja, zur großen Sprachhinterfragung und -kritik des Abendlandes überhaupt ist hier offensichtlich und selbstverständlich übergreifend – auch, und gerade, in Hinsicht auf die Mög-lichkeiten der Über-setzung.Es lässt sich also erstmal festhalten, dass Begrifflichkeit bei Max Weber aus Sicht des Übersetzers als wesenhaft zu verstehen ist, und zwar in dem Maße, dass zu einem sinngerechten Transfer in die Zielkultur eine Art Dekonstruktion von im Deutschen nicht unbedingt intentionell 'belasteten' Begriffen vonnöten ist, bei der das Konzept in seine sprachlich-kulturell, d. h. geschichtlich gewonnenen Bestand-teile zerfällt. Nur so wird es möglich, zu einer zielsprachlichen Adäquatheit zu

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gelangen, die – das sei von vornherein unterstrichen – in einem anderen kulturellen Kontinuum gedacht, also interpretiert wird. Behörde als „autoridad“, „institución“, „repartição“, „oficina“, „organismo“/ („público“/“competente“) usw. wiederzu-geben ist naheliegend und – womöglich – unvermeidlich, doch auch irreführend, denn Substantielles bleibt auf der Strecke. Sinn-voller wird die Übersetzung nur, wenn auf nähere Bestimmungen zurückgegriffen wird: „repartição estadual/ federal/de finanças“ usw., oder im Spanischen: „organismo/negociado/oficina público/de registros“ usw. Da es aber darum geht, „die sinnhaft orientierten Handlungen deutend zu verstehen“, gestaltet sich der neue Text zu einer anderen (Interpretations-)Welt, denn auch in der Soziologie werden keine 'deutschen Wälder' übersetzt: der gefühlsrationale, also evokative Bezug zum Staat als ordnen-de Größe, der dem 'deutschen Verständnis' von Behörde anhaftet, tritt bei der spanisch/portugiesischen Übersetzung kaum in Erscheinung. Was dort ein wahres Schlüsselwort ist, verwandelt sich hier in reine semantische Funktion. Behörde ist also nicht eine einfache „oficina“ oder „negociado“, sondern „una oficina, un departamento estatal que ejerce un fuerte poder ordenador y/o sancionador sobre los ciudadanos“, ein Amt, dass eine starke ordnende und/oder bestrafende Gewalt auf die Bürger ausübt. Der (bikulturelle) Übersetzer sollte also in gleicher Weise wie der Autor Weber handeln und tragende Begrifflichkeit vorentlasten, so dass ein klares deutendes Verständnis überhaupt erst möglich wird. Mut, Kenntnisse und gesunder Menschenverstand sind hierfür unerlässlich.

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4. Zur komparativen Verfahrensweise aus Sicht des Übersetzers: ein Werkstattbericht

Der oben beschriebene Anspruch lässt selbstverständlich keinen Raum für den Gedanken einer 'richtigen', 'wahren' Übersetzung, die vollkommen dem soge-nannten Ausgangstext genüge. Der Versuch einen zweiten mit seiner Vorlage völlig übereinstimmenden Text zu schaffen hat schon Jorge Luis Borges 1939 in seiner Erzählung Pierre Menard, autor del Quijote als unmögliches und zur gleichen Zeit unnötiges Vorhaben geschildert: Es gibt keine Texte, nur Leser-Interpreten-Nutzer oder – von einem beruflichen Blickpunkt betrachtet – Kunden. Diese Einsicht hat erst den Eingang in die Translationswissenschaft von Begriffen wie Informations-/ Interpretationsangebot oder translatorisches Handeln ermöglicht, womit eine 'Pro-fessionalisierung' der Aufgabe des Übersetzers oder Dolmetschers einhergeht, die weit über die Forderung von instrumentellem Know-how reicht. Es ist der Schritt vom Fachmann zum – kreativen – Experten, bei dem ein überdurchschnittliches Maß an 'technischem' Können als selbstverständlich aber nicht als Kernkompetenz angesehen wird, so wie es in Japan im literarischen Bereich seit langem Tradition ist. Aus dieser Sicht gestaltet sich die Übersetzung eines Textes zum Dialog, der auf Vereinbarungen hinauszielt. Dass bei diesem Dialog die Stimme jener, die sich der entsprechenden Aufgabe schon einmal gewidmet haben, Gehör findet, scheint geradezu unerlässlich und unterstreicht die offene Vielschichtigkeit jeder Trans-lation. Die Übersetzung von anderen Texten Webers wirkt in diesem Sinne exem-plarisch, wie dies Gerhardt in Bezug auf Talcott Parsons' Übersetzung von Die pro-testantische Ethik und der Geist des Kapitalismus gezeigt hat (Gerhardt 2007).Diese theoretischen Überlegungen führten bei meinem Übersetzungsvorhaben zur Hinzuziehung der vorhandenen spanischen und portugiesischen Ausgabe von Wirt-schaft und Gesellschaft. Die Vor- und Nachteile, die sich bei der Übersetzung soziologischer Texte unter Berücksichtigung der oben angestrebten allgemeinen Ziele aus einer vergleichenden Vorgehensweise ergeben, seien im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele erläutert. Soviel ist aber schon zu sagen: es geht kein Weg daran vorbei zu folgern, dass nicht Perfektion, sondern Unvollkommen-heit das Schicksal des Menschen darstellt: Demut ist Pflicht.Beispiel I: Im deutschen Original heißt es (S. 138):6

Es fehlt aber überhaupt für die Rationalisierung der Wirtschaft die sichere Kalkulier-barkeit der Belastung nicht nur, sondern auch des Maßes privater Erwerbsfreiheit.

In der spanischen Ausgabe (S. 191):

6 Alle folgenden Angaben und Zitate beziehen sich auf die im Literaturverzeichnis aufgeführten Ausgaben.

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Porque falta en absoluto para la racionalización de la economía no sólo el cálculo seguro de los gravámenes, sino también de la masa de la actividad lucrativa privada.

Auf Portugiesisch (Weber 2004, 157):Porque falta geralmente, para a racionalização da economia, a possibilidade de calcu-lar exatamente não apenas as cargas tributárias, mas também o grau de liberdade das atividades aquisitivas privadas.

Im Deutschen bereitet sicherlich sowohl dieses verschobene „nicht nur“ als auch der Begriff „Belastungen“ Schwierigkeiten; Ersteres hat mit dem Stil der Zeit, auch sicherlich mit Webers sehr persönlicher Schreibweise zu tun, Zweiteres wird im vorhergehenden und weiteren Kontext eindeutig auf tributäre, fiskalische Forderun-gen bezogen. In der spanischen Übersetzung wird auf wortwörtliche Übereinkunft gesetzt, auch die syntaktisch-semantische Nominalisierung übernommen, mit dem Ergebnis, dass sogar ein falscher – ortographischer – Freund Eingang findet: Maß im Sinne von „Ausmaß“ hat hier wenig mit „masa“, also mit „Masse“, mit (Menschen-) „Menge“ zu tun. Der Satz ist verworren, da auch darauf verzichtet wird – wie im Portugiesischen auch – zumindest teilweise die Verbalisierung des Nomens Rationalisierung zu unterstreichen, so dass dem Leser ein dem Spanischen und Portugiesischen fremder Stil das Verständnis erschwert. Die portugiesische Übersetzung ist eher um Präzision und Lesbarkeit bemüht, was sich durch die Er-gänzung „a possibilidade de calcular“ für Kalkulierbarkeit und „o grao de liber-dade“ für „Maß“ bemerkbar macht. Nicht ganz korrekt dagegen ist die portugiesi-sche Übersetzung „atividades aquisitivas privadas“ für private Erwerbsfreiheit, da somit nicht zwischen Kauf und Erwerb unterschieden wird; im Spanischen ist dies mit „lucrativas“, also der Geschäftswelt angehörend, besser wiedergegeben.Die Übersetzung, die der Verfasser dieses Beitrags hier anbietet, lautet:

Sin embargo, alcanzar una completa racionalización de la economía no es posible en tanto en cuanto se carezca de la posibilidad de calcular de forma segura no solo las cargas sino también el margen de libertad del que se dispone para desempeñar actividades lucrativas particulares.

Die spanische Übersetzung von Medina Echavarría folgt also streng – zu streng – dem deutschen Original, womit die Lektüre erschwert wird. Die brasilianische Ausgabe versucht sich zumindest syntaktisch der Zielkultur anzupassen, ist auch eher um Genauigkeit gegenüber den portugiesischsprachigen Lesern bemüht. Auch der Epochenunterschied zwischen dieser und der spanischen Ausgabe spielt sicherlich eine wichtige Rolle. Wichtig ist: aus der spanischen Übersetzung geht schon bei der Analyse weniger Zeilen deutlich hervor, dass hier eine traditionelle, dem Ausgangstext und der Ausgangskultur sehr respektvoll gegenüberstehende Übersetzerpraxis waltet, welche im gleichen Maß jener huldigt, wie sie die Lesbar-keit opfert, wobei man nicht sagen kann, dass abgewogen und letztendlich die Ent-scheidung zugunsten einer verfremdenden Vorgehensweise bevorzugt wurde. Der

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Ruhm, der in jener Zeit der deutschen Wissenschaft vorausging, mag hierzu beige-tragen haben, wie auch die Notwendigkeit, einem allgemeinen neutralen Stil zu folgen, da es sich, wie Medina Echavarría in seinen einführenden Worten darstellt, um eine Übersetzung handelt, an der mehrere Personen mitgewirkt haben und eine nicht nur terminologische Vereinheitlichung Pflicht war. Für die brasilianische Ausgabe dagegen zeichnen nur zwei Übersetzer, die den Nachnamen nach zu urtei-len miteinander verwandt sind, und ein für die konzeptuellen Details zuständiger Prüfer verantwortlich. Kommen wir nun zu unserem zweiten Beispiel.

Beispiel IIEs heißt in der deutschen Ausgabe (S. 140):

Bleibt die Bewährung dauernd aus, zeigt sich der charismatische Begnadete von seinem Gott oder seiner magischen oder Heldenkraft verlassen, bleibt ihm der Erfolg dauernd versagt, vor allem: bringt seine Führung kein Wohlergehen für die Beherrschten, so hat seine charismatische Autorität die Chance, zu schwinden. Dies ist der genuine charismatische Sinn des „Gottesgnadentums“.

In der spanischen Übersetzung wird hier „Gottesgnadentum“ durch „gracia de Dios“ übersetzt, „Este es el sentido genuinamente carismático del imperio 'por la gracia de Dios'“ (S. 194), wie auch in der brasilianischen Ausgabe: „Este é o sentido carismático genuíno da dominaçao 'pela graça de Deus'“ (S. 159).Den Verfassern der spanischen Übersetzung ist sicherlich die geradezu propheti-sche Klarsicht Webers nicht entgangen und dass sie mit ihrer Wortwahl direkt auf die aus dem spanischen Bürgerkrieg hervorgehende Diktatur anspielten: Auf allen Münzen wird nach 1939 nachzulesen sein, dass der Diktator Franco als Führer, als „caudillo por la gracia de Dios“ auserkoren war. Somit gewann natürlich die Übersetzung einen aktuellen historischen Bezug, der im Original so nicht vorhan-den war, denn die Übersetzung hätte auch lauten können 'por la gracia divina', womit die Analogie nicht (unmittelbar) hervorgetreten wäre. Die Forschungen über Medina Echavarría und den ruhmreichen Verlag Fondo de Cultura Económica legen nahe, dass an Textstellen wie diesen das Vorhaben des republikanischen Exi-lanten Medina deutlich wird, nicht nur europäisches aufklärerisches Gedankengut im amerikanischen Kontinent einzuführen und weiterzutragen, sondern auch die zu seinen Zeiten in Lateinamerika – und auch in Nordamerika (vgl. Gerhardt 2007, 50f.) – noch recht junge Wissenschaft der Soziologie mit aktuellen historischen Gegebenheiten zu verknüpfen und somit auf den Boden der Tatsachen zu stellen (vgl. Moya López 2007, Blanco 2004). In diesem Sinne ist es sicherlich nicht als Zufall zu betrachten, dass auch in der nun v. a. für Brasilien und Portugal angefer-tigten Ausgabe, d. h. für Kulturkreise, die auch über lange Zeit unter dem Joch ver-

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schiedener Diktaturen zu leiden hatten, die Formulierung übernommen wird. Der Zusammenhang zwischen weltlicher und geistlicher Macht, der für diese Länder über viele Jahre hinweg so verhängnisvoll sein sollte, wird somit klar unterstrichen. Es ist nun sicherlich nicht einfach zu entscheiden, ob diese Analogie im Falle einer neuen Übersetzung beizubehalten ist oder aber eher eine Restitution im Sinne einer historisch nicht so verhafteten Formulierung zu bevorzugen ist, die Webers auf Prinzipielles bedachten Analysen entgegenkommt. Im ersten Fall entspricht Geschichte auf neuartige Weise – in Form von Diktaturen des 20. Jahrhunderts mit katholischer Prägung, in Spanien als 'nacionalcatolicismo' bekannt – Webers Über-legungen, der seine Schlussfolgerungen aus der Betrachtung vergangener Epochen zieht; im zweiten wird ein größerer, ja unbestimmter und daher immerwährender zeitlicher, geistlicher und somit soziokultureller Raum geschaffen, in dem auch z. B. aktuelle soziopolitische Konflikte religiöser Prägung beheimatet werden können. Dieses letzte Beispiel zeigt deutlich, dass Übersetzung in den Geisteswissenschaf-ten kaum ein unschuldig betriebenes Handwerk sein kann, dem es möglich wäre, das sogenannte Voraussetzungssystem (S.J. Schmidt) außer Acht zu lassen. Schon Vermeer hat es hinsichtlich der Translation folgendermaßen auf den Punkt ge-bracht:

Der Prozeß Textem und der Prozeß Mensch bzw. Rezeption kommen sich zu unter-schiedlichen Zeiten unterschiedlich nahe. Sowohl hinsichtlich eines einzelnen Men-schen [...] als erst recht hinsichtlich mehrerer Menschen. Auf diese alle wirken ja ihre jeweiligen Sozialisation und die jeweiligen situationellen Umstände einer Text-rezeption je anders ein. (Vermeer 1996, 232)

Zugespitzt formuliert bedeutet dies: Soziologische Texte zu übersetzen, heißt auch Ideologie abrufen und Politik betreiben „Much More than a Mere Translation“.

5. Ausblick

Die Beispiele und Kommentare ließen sich so beliebig vermehren, dass es aus Platzgründen zu einer abschließenden Betrachtung kommen muss, die natürlich dem Thema nicht gerecht werden kann. Trotzdem sei versucht, das Eruierte exem-plarisch zu erfassen, in der Hoffnung, es möge nicht bei dem von den Romantikern so gelobten Fragment bleiben: Die Übersetzungen Webers ins Spanische und Portu-giesische harren einer weiten und genauen sozio-kulturellen Untersuchung im Ver-gleich zur Text-/Kulturvorlage, welche die entsprechenden Voraussetzungssysteme entschieden einbezieht. Es wäre die beste Art, Soziologie und Translatologie in Ver-bindung zu setzen und somit trans-/interdisziplinär zu erforschen, wie soziologische Texte in Kulturen und Räumen entstehen, bzw. wie und inwiefern sie sich im

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Transfer verändern, so dass sie in ihrem neuen kulturellen Raum leben, d. h. wirken können.Festhalten lässt sich:

• Im Gegensatz zu anderen 'Texten' kann man Soziologie nicht ohne soziales Umfeld, also ohne Zeit und Raum denken. Sie ist hier wesentlich verhaftet. Literarische Texte zielen auf Zeitlosigkeit, juristische, wissenschaftliche, technische Texte, auch die der Werbung, sind gegenwartsbetont. Soziologi-sche Texte dagegen vereinen in sich Vergangenheit, weil sie nach dem Ur-sprung forschen, Gegenwart, die sie zu verstehen versuchen, und Zukunft, da ihre grundlegende Berufung eine vorausschauende ist: „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“.

• Soziologie ist essentiell Sprache, eher mit kreativ-beschreibender denn dar-stellender Funktion.

• Sprache ist: Ich- und sozialbezogen; Sprache ist schaffende Subjektivität, die soziale bzw. gemeinschaftliche bzw. gruppenspezifische Anerkennung sucht.

• In der Übersetzung in der Soziologie sind Syntax und Lexik auf eine trans-zendente Art bedeutungsrelevant.

Generell stellt sich hier die Frage: Kann es überhaupt eine als Übersetzung zu be-zeichnende Translation in den Sozialwissenschaften geben? Man ist geneigt, die Frage zu verneinen. Nein, es gibt keine Übersetzung in der Soziologie, sondern nur Interpretation und 'rewriting', Beobachter im Sinne Vermeers und Handlung im Sinne Parsons'. Der Übersetzer steht hier – obwohl dies im Prinzip seinem Metier fernliegt – nolens volens im Rampenlicht; entsprechend groß ist denn auch seine Verantwortung: Weber zu übersetzen bedeutet, sich der eigenen Zeit zu stellen.Dies um so mehr, als aus den Titeln mancher neuer Arbeiten, die Webers Überle-gungen einbeziehen (cf. Souza 1999), ersichtlich wird, dass – moderne – Soziologie und Translation einen gemeinsamen Boden gefunden haben, in dem sie bei- und miteinander gedeihen können: den des „sociological turn“. Somit ist ein Mittler ge-fragt, der in der Lage sein sollte, sehr weit über den Begriff 'Text' hinauszuschauen.

Literaturverzeichnis

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Zur Übersetzung von Max Weber ins Spanische und Portugiesische 269

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