Anpassungsstrategien lateinamerikanischer Roma-/Zigeunergruppen
Transcript of Anpassungsstrategien lateinamerikanischer Roma-/Zigeunergruppen
Universität Leipzig
Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften
Institut für Ethnologie
Bachelorarbeit
erster Betreuer: Dr. Olaf Günther
zweiter Betreuer: Dr. Jochen Schulz
Sommersemester 2012
ANPASSUNGSSTRATEGIEN LATEINAMERIKANISCHER
ROMA-/ZIGEUNERGRUPPEN
Ein Vergleich der argentinischen Kalé, der mexikanischen Ludar
und der kolumbianischen Rom.
Cäcilie Melzer – Bachelor of Arts Ethnologie und Geographie
GLIEDERUNG
EINLEITUNG ......................................................................................................................S.3
1. THEORETISCHER HINTERGRUND............................................................................S.4
1.1 ZIGEUNER IN LATEINAMERIKA...................................................................S.4
1.2 BEGRIFFLICHKEITEN UND METHODE........................................................S.8
2. RAHMENBEDINGUNGEN DER FALLSTUDIEN.....................................................S.10
2.1 DIE SPANISCHEN KALÉ IN BUENOS AIRES..............................................S.10
2.2 DIE LUDAR IM LÄNDLICHEN MEXIKO.....................................................S.15
2.3 DIE KOLUMBIANISCHEN ROM IN BOGOTÁ.............................................S.19
3. ANPASSUNG DER GRUPPEN IM VERGLEICH.......................................................S.25
3.1 ANPASSUNG VERSCHIEDENER KULTURELEMENTE ............................S.25
3.1.1 TÄTIGKEIT.............................................................................................S.25
3.1.2 MOBILITÄT............................................................................................S.30
3.1.3 SPRACHE................................................................................................S.33
3.1.4 UNSICHTBARKEIT...............................................................................S.35
3.2 FAZIT VERGLEICH.........................................................................................S.36
4. SCHLUSSBETRACHTUNGEN...................................................................................S.39
LITERATURVERZEICHNIS...............................................................................................S.43
ABBILDUNGSVERZEICHNIS..........................................................................................S.45
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EINLEITUNG
„Anthropology has always had it´s comparative side“.
Mit den Worten Johnsons ([1]) bringt man es auf den Punkt: Der interkulturelle Vergleich
gehört zu den spannensten Leistungen der Ethnologie. Er ermöglicht es uns
kulturübergreifend zu denken, Parallelen aufzudecken und Einzelfälle im Kontext zu sehen.
Die Roma/Zigeunerkulutren gelten als sehr anpassungsfähig. In der vorliegenden Arbeit
werden wir uns mit der Wandlungsfähigkeit verschiedener lateinamerikanischer Gruppen
beschäftigen. Dafür lernen wir drei Roma/Zigeunergruppen näher kennen. Für die Wahl der
Gruppen lag das Hauptaugenmerk auf einer Tätigkeit im unterhaltenden Bereich, das heißt
zum Beispiel Tanz, Musik, Theater oder wie im Falle der Ludar Hypnoseshows. Verglichen
werden die spanischen Kalé in Argentinien, die sich als Flamenco-Gitanos verstehen, mit den
mexikanischen Ludar, die mit ihrem Wandertheater Mexiko durchqueren und den
kolumbianischen Rom, deren traditionelle Zirkustätigkeiten langsam verschwinden und durch
Handel und hydraulische Ingenieurstätigkeiten ersetzt werden.
Eine Einführung in die allgemeine Situation der Roma/Zigeuner auf dem
lateinamerikanischem Kontinent und Informationen zu Begrifflichkeiten und Konzepten
schaffen einen theoretischen Hintergrund für die Arbeit.
Im zweiten Kapitel werden die drei Gruppen zunächst einzeln vorgestellt. Die Bedingungen
des Landes geben einen Eindruck über die äußerlichen Lebenssituation, die die
Roma/Zigeuner in Argentinien, Mexiko und Kolumbien vorfinden. Sie sind als Rahmen für
den Vergleich ihrer Anpassung zu verstehen. Im zweiten Teil des Kapitels wird die jeweilige
Gruppe selbst gefasst, ihre Herkunft und ihr Stand zu anderen im Land lebenden Gruppen
abgesteckt. Im letzten Teil soll schließlich ein Blick auf die emische Sicht ermöglicht werden.
Kalé, Ludar und Rom werden nach Möglichkeit in der Selbstreflektion zu Wort kommen.
Im Folgekapitel geht es schließlich um die Art der Adaptierung an die neuen
Lebenssituationen in den lateinamerikanischen Ländern durch die einzelnen
Roma/Zigeunergruppen. Wir untersuchen, welche Kulturelemente strategisch angepasst
werden. Als vordergründige Elemente der Anpassung werden die ökonomische Aktivität, die
Mobilität, die Sprache und die Sichtbarkeit im Vergleich betrachtet. Bei anderen Elementen
fehlte es entweder an ausreichend Vergleichsmaterial oder sie konnten im Zuge der eigenen
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Recherche als konstant angesehen werden. Zu letzteren Charakteristika gehören die innere
Struktur der in den Familien organisierten Gruppen, Status von Alter und Geschlecht,
traditionelle Rechtsinstanzen wie Klanchefs oder die KRISS sowie das eigene Wertesystem.
Eine Ausführung erfolgt aufgrund des Umfangs der Arbeit nicht.
Auf der beschriebenen Basis wird im letzten Kapitel auf die Frage eingegangen, welche
Anpassungsstrategien erkennbar sind und wie diese im Zusammenhang mit dem jeweiligen
Land zu verstehen sind. Weitergehend wird gefragt, welche Bedeutung die
Unterhaltungstätigkeit in der Anpassungsstrategie hat.
1. THEORETISCHER HINTERGRUND
1.1 ZIGEUNER IN LATEINAMERIKA
Mit der Eroberung Lateinamerikas (La Conquista) gibt es auch Roma/Zigeuner auf den
amerikanischen Kontinenten ([2], S.98). Als Einwanderer und aufgrund der hohen
Mobilitätsbereitschaft der Roma/Zigeuner kann man davon ausgehen, dass seit dieser Zeit in
fast jedem lateinamerikanischem Land Roma/Zigeuner zu finden sind. Es gibt für die
Amerikas allerdings keinen offiziellen Zensus. Maronese (2005: ebd., S.99) führt auf
Erhebungen der südamerikanischen Verbände basierende Zahlen für die in Lateinamerika
lebenden Roma/Zigeuner an:
Kolumbien: 8.000 (bzw. 5.000 laut PROROM, In: [3])
Brasilien: 800.000 – 1.000.000
Chile: 15.000 – 20.000
Argentinien: 300.000
Ecuador: 5.000
Uruguay: 5.000 Abb.1
Verschiedene Quellen gehen nach Maronese (ebd.) von circa 4 Millionen Roma/Zigeunern auf
dem gesamten amerikanischem Kontinent aus. Davon leben etwa 1 Million in den USA. Für
Kanada, Zentralamerika und weitere hier nicht aufgeführte Länder sind zum aktuellem
Wissenstand keine Zahlen bekannt.
In Mexiko vermutet SKOKRA* und andere Organisationen eine der größten
Roma/Zigeunerpopulationen. Sämtliche Gruppen europäischer Roma/Zigeuner sind dort
* SKOKRA (Sóveto katar le Organizátisyi hai Kumpaníyi Romane ánda l'Américhi) ist der Dachverband derRom/Zigeuner-Organisationen in Amerika. Er wurde 2000 während der Konferenz gegen Rassimus undFremdenhass in Quito gegründet (Conferencia Contra el racismo y la Xenofobia) ([4])
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vertreten, unter anderem die spanischen Kalé, Boyash, Machwaya, Lovaria und Kalderash
(Vgl. [2], S.99). Die Koordinatorin von PROROM, Ana Dalila Gómez Báos, spricht von 1,5
Mio Roma/Zigeunern in Mexiko und Zentralamerika. ([3])
Man kann in Lateinamerika nicht von einem einheitlichen Wissensstand ausgehen. Zu
beachten ist, dass die Quellenlage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. Zieht
man den vergleichsweise reichen Wissensstand der europäischen tsiganologischen Forschung
heran, so scheint das Fach in Lateinamerika ein noch weit offenes Feld zu sein. Recht
umfangreich ist die argentinische Forschung. Hier werden gleich in mehreren Werken
regionalübergreifend die "die Roma/Zigeuner in Südamerika" (gitanos en Suramerica, In: [5],
S. 99) und die "die Roma/Zigeuner Realität" (realidad gitana, In: [6], S.163) thematisiert.
Quellen über die brasilianischen Zigeuner konnten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht
in die vorliegende Arbeit einbezogen werden. Atico Vilas-Boas da Mato ([7] und [8]) kann
jedoch als ein führender Wissenschaftler auf dem Gebiet genannt werden.
Nach Campos Cabello und Maronese ([9], S.17 und [2]) besteht die These, dass bereits
Christopher Kolumbus auf seiner dritten Reise die ersten Kalé aus Spanien mitbrachte. Laut
Schiffsregister landeten 1498 Antón, Catalina, Maciías und Maria de Egipto als erste
Roma/Zigeuner auf amerikanischem Boden. Nach Maronese gibt es ebenfalls Hinweise auf
spanische Roma/Zigeuner in der Karibik zu Anfang des 16. Jahrhunderts ([2], S. 98).
Begibt man sich auf die Suche nach der Herkunft der lateinamerikanischen Roma/Zigeuner,
zeigt sich nach Quellenlage dieser Arbeit, dass alle beschriebenen Gruppen ausnahmslos ihren
Ursprung in Europa haben. Streck (2008: S.41, In: [10], S.73) weißt darauf hin, dass es
generell sinnvoll ist die lateinamerikanischen Roma/Zigeuner als Teil der Kolonialgeschichte
und Einwanderer zu betrachten. Er zieht hierzu seine Mutter-Tocher Metapher heran:
"Im Auswandern unterscheiden sich Zigeuner nicht wesentlich von Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung,
die seit Jahrhunderten die Neuen Welten besiedeln und europäische Tochterkulturen gründeten. […] Europa
[exportierte] nicht nur seine Raumausstattungen, sondern auch seine Zwischenräume." (ebd.)
Über das Verhältnis zur Mehrheitsbevölkerung schreibt er weiter:
"Zigeunergruppen werden aber nicht ausgebeutet [...] In normalen Zeiten entziehen sich Zigeuner den
Zwängen der Arbeitsgesellschaft, so dass das Verhältnis manchmal sogar wie Ausbeutung der Mehrheit durch
die Minderheit aussehen kann. " (Streck (2011), In: [11], S.117)
Gründe der Einwanderung nach Lateinamerika sind ähnlich denen der europäischen
Migrationsgeschichte der Roma/Zigeuner. Vor allem Rassismus und systematische Verfolgung
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sind hier zu nennen. In Spanien wurden seit der Verordnung von 1528 alle Menschen
ausgewiesen und geächtet, die keinen anerkannten Beruf ausübten oder einer nomadischen
Lebensweise nachgingen. Beides wurde mit der Aussendung auf die Galeren sanktioniert.
(Vgl. [2], S.97).
Betrachtet man nun die Roma/Zigeuner innerhalb der Kolonialgeschichte ist in der Literatur
zunächst von einer erzwungenen Ausreise im 16. und 17. Jahrhundert die Rede. Die
unerwünschten Zigeuner wurden als Sklaven in die Kolonien von Spanien, Portugal,
Frankreich, Holland, England und Schottland deportiert ([12], S.17).
In de Foletiers Werk über die Geschichte der Roma/Zigeuner ([13]) wird deutlich, dass
besonders die nomadische Lebensweise von den europäischen Staaten immer wieder als
Anlass für eine systematsische Ausweisung herangezogen wurde. Portugal beschließt 1686
mit einem Dekret die Abschiebung umher ziehender cíngaros nach Maranhão (Vgl. ebd.
S.58). Im Zuge der Zigeunergesetze wurden nicht anpassungswillige Roma/Zigeuner aus
Spanien nach Afrika und Lateinamerika abgeschoben (ebd.). Ferdinand der VI. beschließt
regelmäßig Ausweisungen nach Afrika. Ende des 18. Jahrhunderts werden trotz Verboten
weiterhin umherziehende gitanos zum Militärdienst in Amerika verpflichtet. In Großbritanien
gab es keine staatliche Ausweisung der dortigen Roma/Zigeuner. Geschäftsleute brachten sie
im 17. Jahrhundert nach Jamaica und Barbados um sich auf diese Weise der gypsies zu
entledigen. Dort arbeiteten sie auf den Plantagen. Auch in Frankreich kann man nicht von
einer systematischen Deportation sprechen. Im 16. Jahrhundert wurden unter Luis XIV.
Jedoch vereinzelt Roma/Zigeuner auf die amerikanischen Inseln zwangsausgesiedelt. (Vgl.
[13] S.58)
Neben der beschriebenen erzwungenen Ausweisung sprechen de Foletier und Maronese ([13],
[2]) ebenfalls von einer freiwilligen Auswanderung von Roma/Zigeunern nach Lateinamerika.
Aufgrund von Verfolgung in Europa entschieden sich Roma-/Zigeunerfamilien eigenständig
zum Auswandern. Auf der Suche nach neuen Horizonten emigrierten sie selbst dann noch
weiter als eine Verfolgung auf dem lateinamerikanischem Kontinent ebenfalls bekannt
wurde*. ([2], S.98)
Im 19. und 20. Jahrhundert gab es eine weitere Auswanderungswelle von europäischen
Roma/Zigeunergruppen. Sie wanderten freiwillig aus und verteilten sich über die Kontinente
der Amerikas. In den 80er Jahren flüchteten serbische, rumänische und bulgarische
Roma/Zigeuner vor den kommunistischen Regimen nach Lateinamerika (ebd.).
* Nach der Conquista verordneten Indianergesetze (legislación de Indias) die Gefangennahme und Deportationvon wandernden Völkern.
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Die folgende Übersicht soll einen ersten Überblick über die Herkunft der in
Lateinamerika lebenden Gruppen geben. Sie erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Gruppe Herkunft
Kalderash Russland, Schweden, Frankreich, Serbien und Moldavien
Machwaya Serbien
Lovaria Ungarn, Deutschland und Russland
Rrom Xoraxané hauptsächlich aus Serbien
Boyash Romänien und Serbien
Sinti keine Angabe
Kalé Spanien und Portugal
Bolochoc und Rusos (Bogotá, Kolumbien)
Russland, teilweise auch aus Frankreich und Deutschland
Ludar (Mexiko) Bosnien und Rumänien
Abb.2: Eigene Zusammenstellung nach Maronese (2005), Secretaria de gobierno et al. (2008), Campos Cabello (2007) und Armendáriz et al. (2001)
Bei de Foletier ([13], S.59) ist ebenfalls von der Einreise sogannter chinganeros die Rede. Zur
Zeit der Unabhängigkeitskriege zu Anfang des 19. Jahrhunderts kamen sie als Musiker,
Tänzer, Wahrsager und Magier nach Lateinamerika.
Sie "kannten [den Kontinent von] Buenos Aires über die Pampas bis zu den Anden und hatten Publikum bis
nach Venezuela. Man nannte sie die 'chinganeros'." *
Ungeachtet der unterschiedlichen Herkunft kann man von einem regen Austausch der
Gruppen untereinander ausgehen. Viele Gruppen pfelgen permanenten Kontakt untereinander.
Auch unter dem Einfluss der dominanten Sprache in den einzelnen Ländern (Portugiesisch,
Spanisch und Englisch) hilft vor allem den Roma/Zigeunern dieser Kontakt untereinander ihre
Traditionen sowie eigene Sprache zu bewahren. Durch den Besuch einer gemeinsamen
Kirche, der Iglesia Internacional Romaní Pentecostal und der Reisebereitschaft entstehen
Heirats- und Handelsbeziehungen auch zwischen den Gruppen unterschiedlicher
lateinamerikanischer Länder. ([2], S.99)
Es sind desweiteren Strukturen von politischer Organisation bei den lateinamerikanischen
Roma/Zigeuner zu erkennen. Der Dachverband der amerikanischen Roma/Zigeuner
(SKOKRA) sowie die lokalen Verbände der Asociación Identidad Cultural Romaní de
Argentina ("Verein für die kulturelle Identität der Romaní in Argentinien", AICRA) und der
*Originalzitat: "[Los gitanos...] que conocían Buenos Aires, las Pampas y los Andes, conseguían clientela hastaen Venezuela. Los llamaban ''chinganeros' ."
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Proceso Organizativo del Pueblo Rrom de Colombia ("Verein für organisatorische Prozesse
der Rom in Kolumbien", PROROM) wurden für den nationalen und internationalen
Austausch gegründet ([3], [4]). Seit 2001 gibt es eine gemeinsame Erklärung der
lateinamerikanischen Roma/Zigeuner, die die rechtliche Gleichstellung mit der indigenen und
der afroamerikanischen Bevölkerung fordert (PROROM, In: [3]).
Nach Angaben von PROROM ([3]) und der Gruppe für ethnische Angelegenheiten aus
Kolumbien (grupo de asuntos étnicos, In: [14], S.409 & [15], S.74f) entstand die folgende
Zusammenstellung gemeinsamer Charakteristika der Roma/Zigeuner in Lateinamerika:
1. Das Recht ein Gitano zu sein von Geburt an.
2. Eine lange nomadische Tradition und seine Umwandlung in neue Formen.
3. Die Idee eines gemeinsamen Ursprunges und einer gemeinsamen Geschichte.
4. Eine eigene Sprache: Das Romanés (Romaní, Romai Shib).
5. Die Anerkennung von Alter und Geschlecht als statusgebend innerhalb der Gruppe.
6. Ein starker Zusammenhalt innerhalb der Gruppe sowie ein komplexes
Beziehungssystem zu den Nicht-Roma (Gadye).
7. Eine soziale Organisation auf der Basis von Verwandschaft und verschiedenen
Untergruppen.
8. Ausdruck der sozialen Organisation im patrilinearen Linagesystemen, wobei die
einzelnen Kumpeniyis (Kumpanias) autonom voneinander sind.
9. Die Großfamilie hat in der Ausübung der ökonomischen Aktivität eine entscheidende
Funktion.
10.Rechtsgültigkeit der traditionellen Autoritäten (Familienchefs) und Institutionen
(KRISS).
11. Eine besondere Fähigkeit zur Anpassung.
12.Respekt gegenüber eines komplexen Wertesystems: starke Solidarität zwischen den
Patrigruppen, eine starke Zuneigung zur individuellen und kollektiven Freiheit, einen
besonderen Sinn für physische und künstlerische Ästhetik, eine eigene Interpretation
von Naturphänomenen und eine eigene Wahrnehmung der Zeit (Bedeutung der
Gegenwart).
1.2 BEGRIFFLICHKEITEN UND METHODE
In der vorliegenden Arbeit wird der Doppelbegriff Roma/Zigeuner verwendet, wenn
Zusammenhänge bzw. resümierende Gedanken ausgedrückt werden. Der Doppelbegriff wird
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vom Forum Tsiganologische Forschung (FTF) in Leipzig als Dachbezeichnung aller
Roma/Zigeunergruppen verwendet ([16]). Die Erweiterung "/Zigeuner" als ein allgemeines
Exonym bezieht nicht nur die Roma, sondern eben auch alle weiteren Zigeunergruppen ein,
die sich selbst nicht als Roma bezeichnen würden. Er wird aufgrund der Tatsache, dass er von
den bezeichneten Gruppen selbst verwendet wird (und damit auch Endonym ist) an dieser
Stelle trotz schwieriger Vergangenheit und Mißbrauch als politisch korrekt angesehen. Ist die
Rede von den konkreten Gruppen der Ludar, der Kalé oder der Rom, benutze ich die in der
Literatur verwendeten Eigennamen. Mit dem Begriff Gadye werden die Nicht-
Roma/Zigeuner, sprich die Mehrheitsbevölkerung, gefasst.
Das FTF geht von einem relationalem Begriff der Tsiganologie aus (Vgl. ebd.). Nach Ries
([17], S.283) kann man Roma/Zigeuner als Ethnische Gruppen bezeichnen, d.h. als Gruppen
in relationaler Beziehung zur Mehrheitsgesellschaft, sprich den Nicht-Roma/Zigeunern. Bei
der tsiganologischen Forschung des FTF handelt es sich um eine relationistische
Sozialwissenschaft mit interdisziplinärem Ansatz. Sie analysiert die asymmetrischen
Beziehungen zwischen Minderheit und Mehrheiten (siehe [18]). Dazu Günther:
"Die Formulierung 'der Fremde im Eigenen' deutet ebenso wie die Formulierung 'die Fremden in der uns
kulturellen Fremde' immer auf eine Beziehung zwischen Zigeunergruppe und Umgebungsbevölkerung hin.
Diese Beziehung ist als sogenannter Relationismus zum Leitmotiv der tsiganologischen Forschung der
Leipziger Ethnologie geworden." ([19], S.9)
Die zur Anwendung kommende Vergleichsmethode wurde von Olaf Günters (ebd.: S.11)
Habilitationsschrift inspiriert. In seiner Arbeit kombiniert er den vor allem in Geschichts- und
Regionalwissenschaftlern eingesetzten diachronen Vergleich mit dem vorrangig in der
Ethnologie angewendeten synchronen Vergleich.
Die Basis dieser Arbeit bildet ein synchroner Vergleich. Wir werden das Phänomen der
Anpassungsstrategien in den verschiedenen Ländern Lateinamerikas untersuchen. Verglichen
werden die einzelnen Gruppen zum Zeitpunkt des Standes, den wir in der Literatur finden.
Wie im vorigen Kapitel beschrieben, sind die Gruppen alle als Einwanderkulturen aus Europa
zu verstehen. Damit sind sie geschichtlich Teil der Eroberung Lateinamerikas. Wir wir in der
vorigen Aufstellung gesehen haben, gibt es einen Kern von Charakterisitka, der den
lateinamerikanischen Roma/Zigeuner gemeinsam ist. Es sind deswegen vergleichbare
Wirkungsmechanismen in der Art und Weise ihrer Anpassungsstrategien zu vermuten. Zudem
ist zu beachten, dass es sich bei den spanischen Kalé in Argentinien, den mexikanischen
Ludar und den kolumbianischen Rom um drei voneinander sehr verschiedene Untergruppen
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der Roma/Zigeuner handelt, die nach meinem Forschungsstand seit ihrer Ankunft in
Lateinamerika nicht im direktem Austausch stehen. Dafür sprechen die verschiedenen
Ankünfte auf dem Kontinent, verschiedene gruppeneigene Sprachen sowie ihre geographische
Distanz zueinander.
Für die Darstellung der Anpassung ziehen wir eine asynchrone Perspektive heran. Vor allem
nach der Migration aus Europa und während der Staatenbildung in den lateinamerikanischen
Ländern gewinnt diese an Bedeutung. Im vierten Kapitel wird die asynchrone Dimension die
Anpassungsfähigkeit in Form von Wandel der Tätigkeiten und Mobilität den synchronen
Vergleich untermauern. Diese Dimension schafft uns ein breiteres Verständnis für die
Wandlungsfähigkeit der Gruppen. Veränderungen im Staat und der Mehrheitsbevölkerungen
sollen anhand von Anpassung, die als eine Reatkion darauf zu verstehen ist, nachgezeichnet
werden. Wir verdeutlichen damit Anpassungsprozesse und Wandelbarkeit der einzelnen
Gruppen.
2. RAHMENBEDINGUNGEN DER FALLSTUDIEN
2.1 DIE SPANISCHEN KALÉ IN BUENOS AIRES
BEDINGUNGEN IN ARGENTINIEN
Im 19. Jahrhundert definiert sich Argentinien als Nation. Hochzeit der Einwanderung ist zu
Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1870 und 1914 kamen sechs Mio Europäer, vor allem
Männer und Angehörige der sozial niederen Schichten aus Italien und Spanien. Die
Hauptgründe für die Immigrationswelle sind Armut, Industrialisierung, Kommerzialisierung
und Modernisierung der Landwirtschaft und das Bevölkerungswachstum in Europa.
([10], S.33)
Über die Wanderung der Roma/Zigeuner in Südamerika und deren Ankunft in Buenos Aires
gibt es kaum wissenschaftliches Material. Auf Basis ihrer Interviews mit Gitanos in Buenos
Aires schreibt Carrizo: „Verfolgt von Gesetz, Armut und Krieg oder auch auf der Suche nach dem Glück
reisten sie über den Atlantik zusammen mit den Vorfahren vieler Angehöriger der argentinischen Gadzhe-
Gesellschaft.“ (ebd.)
Eine erste Volkszählung in Buenos Aires Ende des 18. Jahrhunderts erwähnt Gitanos als
Straßenverkäufer und Wahrsager ([20], S.8, In: ebd.). Im selben Werk spricht La Porta von der
Möglichkeit, dass Gitanos schon im 16. Jahrhundert zusammen mit den Gründern der Stadt in
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Buenos Aires angekommen sein könnten (ebd.). Carrizo zieht an dieser Stelle passender
Weise Gay und Blasco ([21], S.639) heran. Diese stellen Roma/Zigeuner als „Menschen der
Gegenwart“ dar, die keinen großen Wert auf Vergangenheit und Gedächtnis legen. Die
Zeitvorstellung der Roma/Zigeuner macht es nur bedingt notwendig, das heißt vor allem im
Sinne eines kontextuellen Zusammenhanges, ihre Herkunft darzustellen. Papandreou stellt bei
den andalusischen Gitanos sogar eine Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Herkunft fest
und schreibt über deren emische Sicht: „Unter den Gitano-Informanten herrschen sowohl
Gleichgültigkeit als auch Ideenvielfalt über die eigene Gitano-Herkunft.“ ([22], S.85) Ihre
Informanten geben an aus Indien oder Afrika zu kommen, andere bestehen darauf die
eigentlichen Ureinwohner Andalusiens noch vor der Ankunft der Christen gewesen zu sein.
Die Bedeutung der eigenen Herkunft scheint hier vor allem identitätsbildender Natur zu sein.
Im argentinischen Staat sind verschiedene Minderheiten bekannt, dazu gehören unter anderem
Araber, Juden, Armenier, Iren und auch Roma/Zigeuner. De Foletier (1974) geht von einem
Bevölkerungsanteil der Roma/Zigeuner von unter 1% der Gesamtbevölkerung aus. Er spricht
weiter von ungefähr 300.000 Roma/Zigeunern in Argentinien ([13], S.101f). Die einzelnen
Gruppen der argentinischen Roma/Zigeuner unterscheidet er nach ihrer Sprachzugehörigkeit:
Zu den Romaní sprechenden Gruppen gehören die griechischen, moldavischen und russischen
Kalderash, einige Lovara-Familien sowie die Rrom Xoraxané aus Chile. Spanisch sprachig
sind die aus Spanien emigrierten argentinischen sowie die spanischen Kalé. Aus Serbien und
Rumänien kommen die Rumänisch sprechenden Boyash. (ebd.)
Nach Carrizo ([10], S.74) gehören die spanischen Kalé, so wie auch die anderen
argentinischen Roma/Zigeuner (gitanos), zu den „fremden“ Gemeinschaften in Buenos Aires.
Trotz der gemeinsamen Immigrationsgeschichte distanzieren sie sich von den Criollos
(Nachfahren der europäischen Einwanderer). Sie sind vom offiziellem Diskurs zur Geschichte
der Stadt ausgeschlossen und werden nur sporadisch und unverbunden im Zusammenhang mit
romantischen Stereotypen wahrgenommen. Carrizo vergleicht den Status der Gitanos mit dem
der Afro-Argentinischen Bevölkerung bevor diese 2010 wissenschaftlich, politisch und
medial als Minderheit anerkannt wurde. Die Gitanos aus Buenos Aires sind Mitglieder der
Gruppen der Kalé, Kalderasha und Ludar und gehören zu den mittleren und unteren sozialen
Schichten der argentinischen Gesellschaft.
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Sie sind „[...] Gitanos und Nachfahren von europäischen Einwanderern, die sich jedoch nicht mit der
hegemonialen criollo Kultur identifizieren. Für die Criollos sind sie unsichtbare, unbekannte Fremde und für
die Wissenschaftler und den Staat sind sie in der Minderheit.“ ([10], ebd.)
Nach Carrizo (ebd. S.75) eröffne der Status „Minderheit“ den Gitanos neue Möglichkeiten.
Die Autorin behauptet, dass sich damit der Status der Roma/Zigeuner in der
Mehrheitsbevölkerung verbessern würde. Sie würden damit zum Beispiel mit den Indigenen
assoziiert, womit sie folglich die selben Rechte einfordern könnten. Sich zu einer Minderheit
zu bekennen bezeichnet die Autorin folglich als „Suche nach vorteilhaften Nischen in der modernen
und postmodernen Gesellschaft.“ (ebd.) Sie argumentiert hier mit Streck. In einem Beitrag merkt
dieser „[...] an, dass die Regulierungsansprüche der modernen Zivil- und Industriellgesellschaften eine
Bedrohung für die Bewahrung und Entwicklung der für die Roma/Zigeuner traditionellen Zwischenräume
darstellt“ ([23], S.38).
Anpassung gehört zu den Grundzügen der Lebensweise von Roma/Zigeunern. James C. Scott
spricht vom Widerstand durch Adaption ([24], S.269) als eine Überlebensstrategie gegen
kulturelle und politische Fremdherrschaften.
HINTERGRUND DER KALÉ
Laut SKOKRA (In: [2], S.96ff) immigrierten die Kalé aus Spanien in zwei Wellen. Ende des
19. Jahrhunderts kamen ca. 30 Familien aus Andalusien nach Argentinien. Die Nachkommen
dieser Migrationswelle kennt man heute als die argentinischen Kalé. Die spanischen Kalé
kamen in den 1960er Jahren aus Madrid. Sie legen, wie wir im Laufe der Arbeit noch sehen
werden, Wert auf die Verbindung zur ihrem Herkunftsland. Über Brasilien wanderten sie nach
Uruguay bzw. Argentinien ein und grenzen sich bewusst von den zuvor eingewanderten
argentinischen Kalé ab ([10], S.35).
Nach de Foletier ([13], S.104) sprechen die argentinischen Kalé selbst von einer Ankunft vor
der Conquista. Schon in der Art der Kleidung insbesondere der Frauen unterschieden sie sich
optisch von den Kalderash, die zur selben Zeit in das Land einwanderten. Sie leiten kleine
Bauunternehmen, in denen sie auch Gadjés (Nicht-Roma/Zigeuner) beschäftigen, oder im
Großhandel. Carrizo spricht in ihrer Arbeit desweiteren von Tätigkeiten als Auto-,
Antiquitäten- und Schrotthändler ([10], S.22). Sie haben den für die Mehrheit der Bewohner
von Buenos Aires typischen argentinischen Akzent angenommen*. Nach de Foletier ([13],
S.104) kennen sie allerdings auch den eigenen Kalé Dialekt. Entgegen der spanischen Kalé
nehmen sie den argentinischen Akzent auf und betreiben den Flamenco nicht geschäftlich,
*Diese Variante des Spanischen wird in den Ländern um den Fluss Rio de la Plata gesprochen (Vgl. [25], S.33).
12
haben sich diese Tradition jedoch als gruppeneigene Musik erhalten (ebd.). Die argentinischen
Kalé wohnen in Buenos Aires westlich des Zentrums und halten nicht viel von den spanischen
Kalé, welche in der Innenstadt wohnen (Vgl. [10], S.22). Dabei verweisen die argentinischen
Kalé auf die unmoralische Lebensweise vor allem der Männer der spanischen Kalé in der
Flamenco-Szene. Der Konsum von Alkohol, Marihuana und Kokain und der Kontakt mit
Payos (Nicht-Kalé) im Nachtleben beschmutzten Körper und Seele. Zudem gäbe es
Rendezvous zwischen Kale-Musikern und Payas (Frauen der Nicht-Kalé).
Die spanischen Kalé, welche für unseren Vergleich herangezogen werden, kamen erst in den
60er Jahren. Seitdem pendeln sie konstant zwischen Spanien und Argentinien. Sie pflegen
ihren spanischen Akzent und leben endogam. Trotz der selben Herkunft wie die
argentinischen Kalé gibt es zwischen den beiden Kalé-Gruppen fast keinen Austausch. Die
spanischen Kalé arbeiten als Textilhändler und haben kleine Textilfabriken. Den Flamenco
haben sie erfolgreich in Argentinien kommerzialisiert und gelten als gute Musiker. Sie kleiden
sich moderner als die argentinischen Kalé, gelten aber bei der argentinischen Bevölkerung mit
den über die Knöchel reichenden Röcken der Frauen trotzdem als konservativ. ([13], S.104)
Carrizo ([10], S.73) weißt darauf hin, dass sich die Gitanos in Buenos Aires bewusst durch
Endo- und Exonyme abgrenzen. Die "Kale grenzen sich von den 'Gitanos hungaros' ab und stellen sich
als spanische Gitanos oder argentinische Kale vor." (ebd.) Die Abgrenzung der argentinischen von den
spanischen Kalé zueinander wird im folgendem Zitat deutlich. Carrizo schreibt: „In den Augen
der argentinischen Kale respektieren die spanischen Kale nicht die Gitano-Traditionen. Ihrerseits vermeiden
die spanischen Kale jede Verwechslung mit den Roma und behaupten, die argentinischen Kale nicht zu
kennen.“ (ebd.)
SELBSTREFLEXION
Wie bereits erwähnt grenzen sich die argentinischen Kalé bewusst von den spanischen ab, da
sie das nächtliche Flamencogeschäft als unrein empfinden. Die spanischen Kalé sehen in der
Beziehung zum Flamenco jedoch ihre Besonderheit. Sie präsentieren sich als Flamenco-
Gitanos mit einer besonderen angeborenen Fähigkeit zum Musizieren, ganz im Gegensatz zu
den gitanos hungaros (den ungarischen Gitanos), womit sie alle Romaní sprechenden
Gruppen abschätzig bezeichnen ([10], S.20).
Da sich die spanischen Kalé auf das Bild des Flamenco-Gitanos berufen, ist es sinnvoll es an
dieser Stelle weiter auszuführen. Nach Papapavlou ([22], S.13) entstand das romantische
Zigeunerbild in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit kamen Reisende aus
Europa und Amerika nach Spanien. Bei den Gitanos fanden sie romantische Ideale wie
13
Leidenschaft, Liebe und Tod, Erotik, Mystik und Schicksal, Natur und Freiheit. Insbesondere
in Andalusien gibt es eine stark verwurzelte Tanz- und Musiktradition. Man nahm die Frauen
der Gitanos als "feurige Zigeunerinnen" war. Ihre "primitive" Erotik und magische
Ausstrahlung sowie deren Beziehung zum Flamenco machten viel ihrer Anziehungskraft aus.
Mit Carmen haben die Franzosen Merimée und Bizét schließlich ein spanisches
Nationalsymbol geschaffen, was von nun an auf die Flamenco-Gitanos projeziert wurde. Bis
heute dient die schöne Flamencotänzerin besonders im Tourismus Andalusiens als
Aushängeschild. (ebd., S.15ff)
Das Klischee der Flamenco-Gitanos in Spanien setzt nach Papapavlou die spanischen Gitanos
mit Flamenco-Gitanos gleich. In Flamenco als Präsentation von Differenz (ebd.) beschreibt
sie die Heiligsprechung eines Gitanos (Cerefino Gimenez) aus Mittelspanien durch die
katholische Kirche in Rom. Er kam aus Zentralspanien und verbarg während des spanischen
Bürgerkrieges einen Menschen um dessen Leben zu schützen. Dafür wurde er von Francos
Anhängern umgebracht. Obwohl er nichts mit Flamenco zu tun hatte, wurde sein Leben
mithilfe eines Flamencowerkes innerhalb der Ehrung dargestellt. Papapavlou argumentiert:
"Da das Klischee fast immer die spanischen Gitanos mit dem Flamenco verbunden sieht, sollte auch der heilige
Cerafino mit dem Flamenco in Verbindung gebracht werden. Ob dieser in Realität eine Beziehung zum
Flamenco hatte oder nicht, spielte keine Rolle [...] spanischer Gitano, d.h. Flamenco-Gitano." (ebd., S.254)
Carrizo sieht in der spanischen Tradition eine Brücke, die zwischen alten und neuen
Einwanderern in Argentinien geschlagen wird (ebd., S.34). Die spanischen Kalé in Buenos
Aires machen sich das Klischee des Flamenco-Gitanos zu nutze. Zum Beispiel indem sie
ihren acento madrileño (Akzent aus Madrid) weiter pflegen. Dieser kennzeichnet sie
gegenüber der argentinischen Mehrheitsgesellschaft als spanische Gitanos. Carrizo spricht
von einer wirtschaftlichen Strategie, bei der die spanischen Kalé mithilfe ihres Akzentes und
ihrer Gitano-Identifikation einen Authentizitäts-Mehrwert schaffen (ebd., S.21).
Bei ihrer Ankunft in Argentinien haben die Roma/Zigeuner gute geschäftliche Bedingungen
vorgefunden. Sie konnten anerkannte Berufe ausüben und in allen Teilen der Stadt wohnen.
Trotzdem nahmen sie eine unterschwellige Diskriminierung ihnen gegenüber wahr, zum
Beispiel in Form von Benachteiligung, wenn sie ein Geschäft eröffnen wollten. In einem
Interviews bei de Foletier bezeichnen sie sich neben den Mestizen als am meisten
diskriminiertes Volk ([13], S.111f). Auch bei Carrizo ist die Rede davon, dass die
Roma/Zigeuner von Anfang an als unerwünschte Immigranten gesehen wurden. Es gibt
bereits 1774 Berichte über die Deportation von Gitanos aus Argentinien ([12], S.33).
14
Das Verhältnis zum argentinischem Staat scheint von Anfang an konfliktbehaftet, die Gitanos
werten dies aber nicht zwanghaft als Verfolgung. Carrizo schreibt auf der Basis von
Interviews mit den Gitanos aus Buenos Aires:
„Während der ersten Präsidentschaft von Peron kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen
Gitanos und der Polizei, die deren Lager in Buenos Aires zerstören wollten. Diese wurden in Brand gesetzt und
viele Gitanos verletzt und getötet. Zeltbrände und ein staatlicher Zwang zur Sesshaftmachung sind sehr
präsent im Gedächtnis der Gitano-Gemeinschaften geblieben, aber sie empfinden diese Ereignisse nicht als
Zeichen einer bewussten, gezielten Verfolgung“ ([10], S.35)
2.2 DIE LUDAR IM LÄNDLICHEN MEXIKO
BEDINGUNGEN IN MEXIKO
Wie bereits in der Einführung erwähnt gibt es keinen offiziellen Zensus über die Zahl der
Roma/Zigeuner in Mexiko. Man geht jedoch von einer der größten Populationen in
Lateinamerika aus. Im Vorwort von Piel de carpa spricht Armendáriz ([26], S.18) von
schätzungsweise 150.000 Roma/Zigeunern.
Nach Armendáriz werden in Mexiko alle Roma/Zigeuner Húngaros genannt. In dem
Ethnonym drückt sich die Annahme aus, dass die meisten Roma/Zigeuner in Mexiko aus
Ungarn kämen. Die erste große dokumentierte Migrationswelle kam in der Tat aus dem
ungarischem Staat. Es emigrierten aber auch Roma/Zigeuner aus Russland, Rumänien,
Griechenland, Spanien, Bosnien, Juguslawien, der Türkei, Frankreich und Polen (Nach
Armendáriz und Campos Cabello, In: [9], S.32 und S.11).
Zu den größten Gruppen gehören Kalderash, Rusos, Grakós, Xoraxai, Xoropestí und
Hungarasdos. Sie sprechen alle das Romaní und leben in den großen Städten und
Handelszentren. Reisen unternehmen sie nur zu Geschäftszwecken.
In Patrimonio Cultural Gitano ([2], S.99) ist des weiteren von spanischen Kalé, Boyash,
Machwaya und Lovaria unter anderen die Rede.
Die Ludar kommen vor allem aus Rumänien und Bosnien. Sie sprechen ein altes Rumänisch,
bei den jüngeren Generationen gerät die Sprache allerdings in Vergessenheit. Trotz aller
Sesshaftmachung leben die Ludar weiterhin nomadisch. Viele haben im Zuge der Verfolgung
und aus Angst vor Deportationen neue Familiennamen angenommen. Sie heißen Pérez,
Méndez, Montes, Márquez, Pereyra, García oder Brandy. Manche tragen aber auch noch alte
15
Familiennamen wie Giovanivich, Costich, Teodorovich, Markovich, Mitrovich, Bimbo,
Papadopulus oder Kuick. ([9], S.11)
Die Autoren von La Lumea de Noi ([26]), Lorenzo Armendáriz und Ricardo Pérez, möchten
mit ihrem Werk Geschichte und Herkunft der Ludar für die nachfolgenden Generationen
konservieren. Dafür hat Pérez, selbst Ludar, zahlreiche Interviews geführt. In La Lumea de
Noi schreibt er, dass die Ludar in Mexiko die Freiheit gefunden haben, die in Europa durch
Verfolgung und Sesshaftmachung eingeschränkt sei. Er begründet die Aussage mit der
begrenzten Fläche der vergleichsweisen kleineren Länder Europas. Die Ludar könnten in
Mexiko frei arbeiten und umherziehen. Obwohl sie eigentlich eine Weiterreise in die
Vereinigten Staaten geplant hatten, blieben sie deshalb. Sie fühlen sich als Mexikaner und
hätten die gleichen Rechte wie andere Mitbürger. Sie dürften sogar wählen. Bei ihren
Veranstaltungen bekämen sie sogar Hilfe durch die "Obrigkeit":
"Die Autoritäten unterstützen uns jetzt. Sie stellen uns einen Wachmann für mehr Sicherheit unseres
Publikums während unserer Vorführungen zur Verfügung [...] natürlich bezahlen wir die Polizei, aber es ist
schon eine Hilfe." ([26], S.23)*
Pérez spricht auch von Versuchen die Roma/Zigeuner in den 30er und 40er Jahren zu
deportieren. Nach seinen Worten entstand dadurch eine "Collage" aller Roma/Zigeuner. Sie
begannen sich bedeckt zu halten, änderten ihre Namen und fingen an die Landessprachen zu
lernen. Die Familie des Autors wechselte die Namen gleich zweimal von Yovanovichi zu
Yovani und schließlich zu Pérez Pérez. Er beschreibt eine in sich geschlossene Gemeinschaft
der Ludar ähnlich einer großen Familie, die sich auch in finanziellen Notlagen unterstützen:
"Auch wenn wir verschiedenen Nachnamen haben, sind wir doch alle eine Familie. Wir helfen uns gegenseitig
und sind immer vereint. [...] Wir sind wie eine große Kette, die niemals reißen darf [...] Das ist die Familie!"
(ebd., S.23)**
HINTERGRUND DER LUDAR
Die Autorin Campos Cabello reiste viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann mit den
mexikanischen Ludar. Den Großteil ihrer Informationen bezog sie von der Familie Yovani,
dessen Wanderzirkus Zulimán sie gemeinsam mit ihrem Mann als Fotografen begleitete. Sie
wurde regelmäßig zu den jährlichen Dezembertreffen (reuniones de Diciembre) eingeladen,
*Originalzitat: "Las autoridades nos apoyan ahora, nos ponen un policía para mayor seguridad de la gente queasiste a la función [...] claro que nosotros pagamos al policía, pero ya es una ayuda."**Originalzitat: "Aunque tenemos apellidos diferentes, todos somos familia. Todos nos ayudamos y siempreestamos unidos. [...] Nosotros somos como una gran cadena que nunca debe romperse [...] ¡ésa es la familia!"
16
wo sie viel über die Bräuche der Ludar lernte. ([9], S.42ff) In Piel de carpa: los gitanos de
México (ebd., S.20) gibt sie an, dass die mexikanischen Ludar zwischen 1880 und 1914 nach
Mexiko immigrierten. Sie kamen vor allem aus dem Nordosten Bosniens. David Yovani,
selbst Ludar, spricht von 500 Ludar, die aus Rumänien nach Mexiko kamen (ebd. 151f). Der
Großvater des Autors Ricardo Pérez, Yonsha Yovanovichi, kam Ende des 19.Jahrhunderts
zusammen mit anderen nomadischen Gruppen ebenfalls aus Rumänien nach Mexiko, seine
Frau wanderte mit einer anderen Gruppe über die USA ein ([26], S.27).
Alfredo Yovani Mora hat eine vage Vorstellung seiner Herkunft. Er sagt, die Ludar seien
"[... aus] einigen Dörfern nahe bei Rom, Budapest ist eines davon. Es gibt so zehn Völker dort, die die selbe
Sprache sprechen wie wir, sie gehören zur Famlie [...] da ich niemals dort war, kann ich das nicht so genau
erklären." ([9], S.27)*
Zu ihrer Ankunft waren die Ludar auf das Geschäft mit der Bären- und Affendressur
spezialisiert, arbeiteten aber auch als Komödianten (ebd., S.20). Campos Cabello schreibt:
Die Ludar "[...] tragen ihr Haus immer auf dem Rücken"**. Sie leben nomadisch und lassen sich dort
nieder, wo sie ihre Spektakel anbieten. Nur im Dezember legen sie eine Arbeitspause ein.
Dann nehmen sie sich Zeit zu feiern, ihren Arbeitserfolg auszuwerten und ihre Reiserouten für
das kommende Jahr festzulegen (ebd., S.36).
Die Ludar unterscheiden sich von den anderen Roma/Zigeunergruppen in Mexiko vor allem
durch ihren nomadischen Lebensstil. Auf ihrer Reisen lernten sie die mexikanischen Bräuche
und Traditionen kennen, ohne jedoch ihre eigene Lebensform und Werte zu verlieren
([9], S.21).
Campos Cabello (ebd., S.33ff) weißt auf eine bewusste Trennung zwischen Ludar und
Húngaros hin. Beide Gruppen verbinden gemeinsame Eigenschaften in der Art sich zu
kleiden, Traditionen auszuüben sowie eine gemeinsame Geschichte. Bei ihrer Ankunft in
Mexiko gingen sie sogar den selben Tätigkeiten nach. Später entwickelten beide Gruppen
jedoch verschiedene Überlebensstrategien. Die Ludar begeben sich mit Zelten auf die Reise
und sind aus Tradition wandernde Künstler während die Húngaros in den Peripherien der
Städte wohnen und dort vom An- und Verkauf von Fahrzeugen leben.
* Originalzitat: "[... de] unos pueblitos de Roma pegados, budapest es uno, hay unos diez pueblitos por ahí queellos hablan el idioma de nosotros, son familia pues.. como nunca hemos ido por allá no te sabríamos explicar.."** Originalzitat: "[Los Ludar] llevan su casa a cuestas."
17
Sie beschreibt die Ludar als eine Gruppe, in der es ständige Bewegung gibt: "Wenn sich das Zelt
nicht bewegt, bewegen sie sich und wandern von Fest zu Fest, von Haus zu Haus, von Zelt zu Zelt".
(ebd., S.34)* Selbst wenn sich die Ludar niederlassen, hat man in den Häusern nach Campos
Cabello noch immer das Gefühl der Zeltkultur.
Die Ludar grenzen sich auch bewusst von den Húngaros ab. Der Begriff Húngaros bekommt
hier die Bedeutung eines Exonyms. Alfredo Yovani schreibt über diese Trennung:
"Es gibt zwei Familien, die sich als Nomaden mit ihren Zelten in die selbe Richtung bewegen. Das sind die
Húngaros und wir, die Gitanos. Die Gitanos sind die einen, die anderen sind die Húngaros." ([9], S.38)**
Die Mexikaner hingegen bezeichnen auch die Ludar oft als Húngaros. Im Sinne Strecks ist
dies Ausdruck der kulturellen Dissidenz der mexikanischen Bevölkerung, die sich auf diese
Weise vom negativen Bild der Húngaros absetzen.
SELBSTREFLEXION
"Diese neue Entdeckung wurde an die entlegensten Ecken des Landes gebracht, zuerst mit Maultieren und
Karren, später in motorisierten Fahrzeugen. Ohne es wahrzunehmen, wurden sie Teil der Kulturgeschichte des
Landes. Diese Familien zogen von einem Ort zum nächsten - zu Pferd, mit Maultieren, mit Karren und alten
Lastwagen. Mit sich trugen sie das Notwendige um ihre Kinos aufzubauen. Deswegen bezeichnen sich die
Gitanos als Pioniere des Wanderkinos in Mexiko." (Armendáriz, In: [9], S.12)***
Die mexikanischen Ludar haben eine große Bedeutung für die Verbreitung des Kinos gehabt
und sehen sich deshalb als Pioniere auf dem Gebiet. Der Kontakt zur mexikanischen
Mehrheitsbevölkerung entsteht im Zelt. Die Ludar nehmen Eintritt und unterhalten dafür ihr
Publikum. Die Unterhaltung ist ihr Geschäft (ebd., S.67). David Yovani, el Negro, erzählt,
dass die Ludar das Kino nach ganz Mexiko brachten. Als Pioniere präsentierten sie ab 1955
amerikanisches Kino in den entlegensten Dörfern und Städten des Landes, wo sie mit
Begeisterung empfangen wurden (ebd., S.64f). Sie kannten den Filmgeschmack der Leute
genau und zeigten täglich zwei Vorstellungen, in denen sie eine Premiere und einen alten Film
präsentierten.
* Originalzitat:"Si la carpa no se mueve, se mueven ellos y peregrinan de fiesta a fiesta, de casa a casa, de carpa a carpa."** Originalzitat: "Habemos dos familias de las que se mueven en este sentido, así nómadas, con carpas, son losHúngaros y nosotros los gitanos, porque los gitanos son unos y los Húngaros son otros."*** Originalzitat: "Este nuevo descubrimiento fue llevado a los lugares más recónditos del país, primeramente
en mulas y carretas y después en vehículos motorizados. Sin darse cuenta de ello, comenzaron a formar parte de la historia cultural del país. Estas familias se desplazaban de un lugar a otro, a caballo, en burro, en carretas y en viejos camiones, llevando consigo la infraestructura necesaria para montar los cines. Es por ello,que muchos gitanos se consideran como pioneros del cine ambulante en México."
18
"Die Leute waren mit uns zufrieden. Alle wollten, dass wir kamen. Sie kennen uns, schließlich kommen wir
schon das ganze Leben hierher." (David Yovani, In: [9], S.64f)* Über die Beziehung zum mexikanischen
Staat sagt er weiter: "Wir halten Mexiko für unsere Heimat. [... Das Kino] war eine Arbeit, bei der man
bequem alle Menschen, die ganzen mexikanische Republik, alle Dörfer, Ranches und Ansiedlungen kennen
lernen konnte. Dabei waren unsere Reisen bequem. Wir sind hier geboren und sehen keinen Grund zu gehen."
(ebd.)**
Mit dem technischem Fortschritt in den 80er Jahren sank das Interesse am Wanderkino. Die
Ludar begaben sich auf die Suche nach alternativen Beschäftigungen. Zur Zeit der
Forschungen von Campos Cabello präsentieren sie sich in Theaterzelten als Clowns,
Komödianten, Tänzer, Zauberer und Fakire. Ihre Hauptattraktion ist die kollektive Hypnose.
(Armendáriz, In: ebd., S.13).
Alfredo Yovani, der seine eigene Hypnoseshow im Familienzelt Carpa México vorführt, hat
Theorie und Praxis bei einem peruanischem Hypnotiseur erlernt. Er sieht die Hypnose als
wichtig an, da sie nicht nur eine Veranstaltung sei, sondern auch die Möglichkeit beinhalte
vielen Leuten zu helfen (ebd. S.79). "Die Hypnose ist etwas, mit deren Technik man die Ursachen von
psychologischen Problemen beseitigen kann." (Alfredo Yovani, In: ebd., S.80) *** Er verspricht den
Hypnotisierten, die ihm ihre Probleme erzählen, zunehmende Fähigkeit zur Selbstsicherheit,
gute Gedächtnisleistungen, Optimismus und Enthusiasmus. Die Fähigkeiten setzen sich
während der Hypnose im Unterbewusstsein fest und werden im Moment des Aufwachens
aktiv. Er macht deutlich, dass die Hypnose nur mit dem Willen der Betroffenen funktioniert
und sie auch während der Hpnose immer entscheidungsfähig bleiben. Sie kann also nur zum
positivem Zweck benutzt werden. Trotzdem haben die Leute Vorurteile gegenüber dem
Hypnotiseur und meinen, er könne Menschen mit seinem bloßem Blick hypnotisieren. (ebd.,
S.80)
2.3 DIE KOLUMBIANISCHEN ROM IN BOGOTÁ
BEDINGUNGEN IN KOLUMBIEN
Der kolumbianische Staat erkennt die Roma/Zigeuner als Teil der ethnischen Diversität an. Im
siebten Artikel der politischen Verfassung von 1991 erklärt sich Kolumbien als pluralistischer
* Orignalzitat: "La gente estaba contenta con nosotros, toda la gente quiera que vamos nos conoce pues yallevamos toda la vida aquí."** Orignalzitat: "Consideramos a México como nuestra casa. [... El cine] era un trabajo muy a gusto conociendotodo, conociendo toda la república mexicana, todos los pueblos, los ranchos, las colonias [...] y hemos andadomuy a gusto, será que aquí nacimos y no tenemos intención de salir de aquí."*** Originalzitat: "La hipnosis es algo que nos enseña a través de esta técnica a eliminar problemas de origenpsicológico"
19
Staat: "Der Staat erkennt und schützt die ethnische und kulturelle Diversität der kolumbianischen Nation."
(In: [27], S.407)*
Der nationale Entwicklungsplan Hacia un Estado comunitario von 2003 fordert die
Anerkennung der Existenz der Rom innerhalb der ethnischen Gruppen des Landes:
"[...] man wird Mechanismen vorschlagen, die ihre Rechte und gewohnheitsmäßigen Praktiken anerkennen [...
und ...] man wird Programme und Projekte fördern, die ihre Lebensbedingungen verbessern." (ebd., S.408)**
Ein darauffolgendes Rundschreiben der Dirección de Etnias del Ministerio del interior y de
Justicia ("Das Amt für ethnische Gruppen des Innen- und des Justizministeriums") fordert die
Bürgermeister und Gouverneure der Verwaltungsgebiete auf Aktionen und Handlungen zum
Schutze der Rom einzuleiten, das heißt sie in die städtischen und räumlichen
Entwicklungspläne zu ihren eigenen Gunsten einzubeziehen.
Die Rom organisieren sich in Kolumbien politisch selbst und haben als eigene Vertretung den
Proceso Organizativo del Pueblo Rom (gitano) de Colombia (PROROM) gegründet.
PROROM wird als repräsentatives Organ der Rom von den staatlichen Institutionen
anerkannt. (ebd., S.408ff)
Über die Roma/Zigeuner in Kolumbien gibt es bisher nur wenig ethnographisches Material,
welches in der Forschung berücksichtigt werden kann. In der Literatur werden sie mit den
Sammelbegriffen Rom oder Gitanos bezeichnet. Informationen basieren oft auf mündlichen
Überlieferungen und Interviews ([15], S.75). In Los Rom de Colombia: itinerario de un
pueblo invisible wird dies teilweise damit begründet, dass die Rom eine ethnische Minderheit
unter anderen im Land seien. Die Unsichtbarkeit (invisibilidad) könne man als Teil der
Strategie ihres ethnischen Widerstandes betrachten (ebd., S.16).
Die Zahl der Roma/Zigeuner in Kolumbien wird verschieden angegeben. Bei Gamboa
Martínez ist von 2000 bis 3000 Menschen die Rede, andere Autoren sprechen von 8000 oder
nicht mehr als 10.000 Roma/Zigeunern (Gamboa Martínez (1998), Nossa Miklos (1997),
Hoyos Trujillo (1995), In: ebd. S.25f). Die Rom sind vermutlich seit den
Unabhängigkeitskriegen auf kolumbianischem Gebiet. Eine gelockerte koloniale Kontrolle
ermöglichte den Zutritt von nomadisch lebenden Gruppen. In den 70er Jahren durchlief
Kolumbien eine Phase der Modernisierung. Man baute ein nationales Straßensystem, stärkte
*Originalzitat: "El estado reconoce y protege la diversidad étnica y cultural de la nación colombiana"
** Originalzitat: "[...] se propondrán mecanismos que reconozcan sus derechos y sus prácticas consuetudinarias[... y ...] se promeverán programas y proyectos orientados a mejorar sus condiciones de vida."
20
die Entwicklung des Baus und modernisierte die Fortbewegungsmittel. Das Städtewachstum
beschleunigte sich durch eine zunehmende Landflucht (ebd., S.75ff). Parallel dazu erlebte
Kolumbien ab 1974 mit der Gründung der ELN (Ejército de liberación Nacional) und der
FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) eine Welle der Gewalt, die 1978 mit
der Entführung von 104 Politikern ihren Höhepunkt hatte ([29], S.230). Dies ist auch die Zeit,
in der sich folkloristische Bewegungen bildeten. Der Vallenato* und die mexikanische Musik
erlebten einen Aufschwung. ([15], S.75ff)
Als Folge der beschriebenen Entwicklungen sank zunehmend die Akzeptanz für eine
nomadische Lebensweise innerhalb der Mehrheitsbevölkerung. Die Rom wurden zur
Sesshaftigkeit gezwungen. Dabei waren die Begründungen der jeweiligen Bürgermeister
verschiedener Natur. Sie bedienten sich vor allem Stereotypen und zogen Beschwerden der
Einwohner und ungenügende Hygiene als Argumente heran. Auf der anderen Seite bewegte
die zunehmende Gewaltspirale in den Städten die Rom selbst eine sicherere Wohnform zu
wählen. Zwischen 1969 und 1973 ließen sie sich in den beliebten Vierteln der
kolumbianischen Städte nieder (ebd.). Die Kumpanias** pflegen bis heute sowohl
untereinander als auch mit Gruppen in Venezuela, Perú und den USA Kontakt (ebd., S.26).
Nach Gamboa Martínez kann man den Nomadismus der Rom in den Wohnungen der Rom, in
denen sie sich niederlassen, weiter spüren. "[Die Rom] beginnen sich zu tarnen und ihren Nomadismus
neu zu erfinden." (In: [15], S.78)*** Er vergleicht die Innenräume mit denen von Zelten und sagt,
dass man den Eindrück bekäme, dass die Familien gerade erst eingezogen seien, bereit gleich
wieder aus- und weiter zu ziehen. (ebd.)
HINTERGRUND DER ROM
Als Untergruppen der Rom in Kolumbien nennen Gómez et al. ([15], S.76) unter anderem die
Bolochoc, Boyhás, Churon, Mijhais, Jhánes und die Bimbay. Diese Gruppen bezeichnen sich
nach Gina Santos (Interview, In: ebd., S.33f) auch selbst als Rom. Nach einer Übersicht von
Clebert (In: ebd. S.36) sind die meisten Rom in Kolumbien Cíngaros Kalderash. Sie sprechen
das Romaní, sind aber wie die meisten Roma/Zigeuner bilingual und beherrschen das
Kastellaño ebenfalls.
* Musik der atlantischen Küste Kolumbiens ([28], S.10)
** Gómez et al. Bezeichnen mit compañas gemeinsame Wohn- oder Reiseeinheiten. ([15], S.26)
*** Originalzitat: "[Los Rom] empiezan a camuflarse y a reinventar su nomadismo"
21
Die einzelnen Gruppen sind über verschiedene Routen und in mehreren Etappen nach
Kolumbien eingewandert. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen gelangten
zwischen 1810 und den 1990er Jahren Rom aus Zentralamerika und den angrenzenden
Ländern nach Kolumbien. Oft schmuggelten sich an den Grenzen vorbei (ebd., S.76). Zur Zeit
der Unabhängigkeitskriege und mit der Bildung der Republik stiegen die Grenzkontrollen.
Für diese Phase ist eine Reiseroute der Roma/Zigeuner von Argentinien über Kolumbien nach
Venezuela dokumentiert (ebd., S.21). Vor dem ersten Weltkrieg kamen weitere Rom
zusammen mit anderen Auswanderern aus Europa. Vermutlich waren sie auf der Suche nach
ihren Familien. Auf der Flucht vor der Verfolgung durch das Nazi-Regime gelangte
schließlich nur wenig später eine weitere Welle Roma/Zigeuner über die Häfen von
Baranquilla, Cartagena sowie über die venzuelanische Grenze in das Land (ebd., S.76 und
S.24). Zur letzteren Gruppe gehören auch die Rusos und die Bolochoc der Kumpania in
Bogotá, welche im Folgenden zu Wort kommen werden.
In einem Interview erzählt Luis Gómez von der Migrationsgeschichte im 19. Jahrhundert, die
ihm nach mündlichen Überlieferungen bekannt ist. Nach eigener Aussage der
kolumbianischen Rom sind diese seit 150 bis 160 Jahren in Kolumbien: "Weil mein Großvater mit
75 Jahren starb und in Kolumbien geboren war, meine Großmutter starb ebenso als gebürtige Kolumbianerin."
(Luis Gómez, In: ebd., S.21)*
Nach den Ausführungen kamen die Rom aus Europa zunächst nach Zentralamerika und
verteilten sich von dort nach Südamerika in Richtung Peru, Brasilien und Kolumbien. In Los
Rom de Colombia ist weiter die Rede von Roma/Zigeunern, die über Panama nach Kolumbien
kamen. Es begegnet uns hier auch eine Gruppe, die an die mexikanischen Ludar erinnert. Der
Ethnologe Hasler spricht von Húngaros, die Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Weg nach
Nordamerika waren (ebd., S.21).
Die Mitglieder der Rom-Kumpania in Bogotá, die für das vom kolumbianischen Staat
herausgegebenem Werk El pueblo Rom – Gitano que habita la ciudad de bogotá ([14])
interviewt wurden, gehören den Bolochoc oder Rusos an. Sie geben durchgehen an vor der
Verfolgung im zweiten Weltkrieg geflüchtet zu sein. Dabei kommen die meisten von ihnen
aus Russland, einige auch aus Frankreich oder Deutschland. Mehrere der interviewten Rom
geben an über die Insel Caiman gekommen zu sein (ebd., S.141, 146, 151, 155). Die 66jährige
Cecilia Cristo Ivanoff von der Linage der Rusos erzählt, dass sie als Kriegsgefangene auf dem
* Originalzitat: "Porque mi abuelo murió de 75 años era nacido en Colombia, mi abuela murió también nacida enColombia."
22
roten Platz von Moskau Gitano-Folklore sangen und tanzten. Sie konnten von dort flüchten
und retteten sich auf das erstbeste Schiff, dessen Ziel ihnen unbekannt war. Angekommen auf
der Insel Caiman lernten sie dort ein wenig Englisch und konnten auf diese Weise das
Handlesen praktizieren. Über den Hafen Baranquilla kamen sie schließlich nach Kolumbien,
wo sie das Land durchstreiften bevor sie in Bogotá sesshaft wurden (ebd., S.141). Um eine
Vorstellung über die Zahl der Einwanderer zu bekommen helfen die folgenden Aussagen: Lilo
Cristo Gomanovich (Ruso) spricht von 300 bis 400 Personen, die zwischen 1926 und 1936
über Cartagena einreisten (ebd., S.148). Manuel Gómez Ivanoff (Bolochoc) nennt eine Zahl
von 200 Personen, die von der Insel Caiman nach Venezuela kamen. Sie teilten sich dort und
gingen nach Argentinien, Brasilien und Kolumbien (ebd., S.146).
Gómez Báos (PROROM) und Paternina Espinosa ziehen für den Beweis einer langen
Existenz der Rom in Kolumbien den Autor García Márquez und sein Werk Cien Años de
Soledad heran. Nach Paternina Espinosa ist er der einzige, der die Rom in die Geschichte
Lateinamerikas einbezieht. Für die Akademiker sind sie unsichtbar oder werden gar als
Ausländer wahrgenommen ([3]). García Márquez beschreibt die Gitanos als Teil der
karibischen Kultur. Seine Hauptfigur ist ein Gitano. In dem Roman spricht er über junge
Gitano-Männer und -Frauen, die mit ihren Tänzen und ihrer Musik die Straßen mit Freude
erfüllten. Sie sprachen nur ihre eigene Sprache. Trotzdem vermochten sie ganze Dörfer in
euphorische Freude zu versetzen. Die Bevölkerung erschien zahlreich zu den Spektakeln und
lies sich von der ungewöhnlichen Atmosphäre mitreißen. ([30], S.21-22).
Trotz der unterschiedlichen Herkünfte und Gründe für die Einwanderung gibt es einschlägige
Gemeinsamkeiten der Gruppen. Die immigrierten Rom arbeiteten alle zunächst in der
Bearbeitung von Kupfer oder dem An- und Verkauf von Tieren, hatten den selben
Musikgeschmack und kleideten sich auf eine ähnliche Art und Weise. Zudem nutzten sie alle
vor der Sesshaftmachung den öffentlichen Raum für ihre nomadische Lebensweise und
wanderten durch das Land ([15], S.76). Im II. Seminario International Rroma erklären sich
die Rom (Gitanos) als ein heterogenes Volk mit vielen Untergruppen, deren Gemeinsamkeiten
sie als Gitanos charakterisieren (Gómez Báos, In: [3]).
SELBSTREFLEXION
Cecilia Cristo Ivanoff (Ruso/ 66 Jahre/ Kumpania in Bogotá, Interview, In: [14], S.141) sieht
Kolumbien als ein freies Land an, das ruhig ist und viele Möglichkeiten zum Überleben
23
bietet. Die Beziehung zur Mehrheitsbevölkerung sieht sie als distanziert und sagt, die Rusos
wären schon immer Diskriminierung ausgesetzt gewesen. Eine Beziehung zu ihr bauen sie
auf, wenn es um den Erwerb ihres Einkommens geht. In ihrer Familie handelt es sich dabei
um Handwerkstätigkeiten und das Handlesen.
Marta Cristo Ivanoff (Ruso/ 58 Jahre/ Kumpania in Bogotá, Interview, In: ebd., S.151-152)
bezeichnet Kolumbien als ihr Geburtsland, indem sie die Möglichkeiten hat frei und in
Frieden zu arbeiten. Sie mag das Leben in dem Land trotz Diskriminierung von Seiten der
Mehrheitsbevölkerung. Auch in Los Rom de Colombia ([15], S.26) wird beschrieben, dass die
Rom in Kolumbien mit Vorurteilen und Intoleranz konfrontiert werden. Sobald jemand
beispielsweise gestohlen hätte, werden die Gitanos beschuldigt. Nach eigener Aussage kämen
auch Vorwürfe von den Geistlichen, da sie nie in die Kirche gingen. Das Verhältnis zur
Mehrheitsbevölkerung wird in dem Buch in einem eigenem Kapitel abgehandelt (ebd.,
S.47ff). Nach Mendiola haben die Rom eine Assimilation und Integration in die
Mehrheitsbevölkerung durch verschiedene Strategien immer vermieden. Sie grenzen sich
bewusst ab. Unter den Rom werden starke Bindungen mit Personen aus der
Mehrheitsbevölkerung von der Kumpania nicht gebilligt. Inflexible Strukturen und ihr System
der Autokorrektion, in der sie mithilfe der Kriss innere Konflikte unanbhängig der staatlichen
Institutionen lösen, sieht Mendiola (1998: S.8-9, In: ebd.) als weitere Strategien der eigenen
Abgrenzung an.
Luis Gómez Santos (Rom-Gitano) beschreibt in einem Interview ein eher negatives Bild der
Gadye: "Wir, die Gitanos, sehen, dass es speziell im Leben der Gadye keinen wirklich Wert des Lebens gibt...
jemanden das Leben zu nehmen ist sehr einfach, man zieht einen Revolver und schießt, man zückt ein Messer
und tötet... Ich sehe Inzivilisation, sehr viel Inzivilisation unter den Gadye. Warum? Weil es hier in diesem Land,
in Kolumbien, [...] keinen Respekt vor dem Leben gibt. " (Interview: Girón am 4.10.1997, In: ebd., S.48)*
Die Rom in Girón, im Osten Kolumbiens, zeichnen von sich selbst im Sinne Strecks ein Bild
der zigeunerischen Kontrastkultur (Vgl. [31]). Gina Gómez Santos beschreibt die Gitanos als
freies Volk, die von den Gadye mit Neid betrachtet werden:
" Der besondere Hass gegen die Gitanos besteht, weil der Gitano so frei wie der Wind ist, weil der Gitano sich
nicht um das Glück schert sondern sein Leben frei lebt. Er ist nichts und niemandem unterworfen. Der
besondere Hass [...] besteht, weil wir an nichts hängen, noch uns in das Leben der Nachbarn einmischen [...]
* Originalzitat: "Nosotros los Gitanos vemos que en la vida particular de los Gadye no hay valor a la vida..quitarle la vida a otro es muy fácil, sacó un revólver le disparó, sacó un cuchillo lo mató.. Yo veo incivilizaciónmucha incivilización en los Gadye. ¿Por que?, porque aquí en este país, en Colombia [...] no hay respeto a lavida."
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das Leben des Nachbarn interessiert uns nicht, uns interessiert unser Leben. Wir mischen uns in die politischen
Probleme von anderen nicht ein. [Es ist] Egoismus und Neid den Gitano, der Sklave von niemanden ist, gesund
und frei zu sehen." (Interview: Girón am 5.10.1997, In: ebd., S.49)*
Mit dem Stereotypen vom freien Gitano ziehen die Rom eine Grenze zu den Gadye. Sie
bezeichnen sich als friedliche Kultur: "Wir, die Gitanos, sind friedlich und tolerant, da wir viele
verschiedene Dörfer bereist haben und es gewohnt sind Unterschiede zu sehen." (Interview: Girón am
4.10.1997, In: ebd., S.48)** Die Mehrheitsbevölkerung kennt meist nur diese Stereotype der Rom.
Dabei haben diese im Gegenteil genaue Kenntnis über die Menschen der
Mehrheitsbevölkerung. Nach Martínez und Espinosa (ebd., S.50) ist dies nottwendig um ihre
Überlebensstrategie an die Bedingungen des Landes anzupassen. Die Autoren beobachteten
bei ihrer Forschung eine zunehmende Anwesenheit in den evangelischen Kirchen. Sie sehen
diese als Chance für eine kulturelle Integration der Rom in die Mehrheitsbevölkerung.
3. ANPASSUNG DER GRUPPEN IM VERGLEICH
3.1 ANPASSUNG VERSCHIEDENER KULTURELEMENTE
3.1.1 TÄTIGKEIT
Das Hauptaugenmerk bei der Auswahl der Gruppen, die in dieser Arbeit herangezogen
werden, lag auf den ausgeführten Tätigkeiten. Alle drei Gruppen hatten oder haben Berufe in
der Unterhaltung, wobei die Rom in Kolumbien die Gruppe ist, die Unterhaltungstätigkeiten
weitgehend aufgegeben haben.
Bei Carrizo ([10], S.20) präsentieren sich die spanischen Kalé in Buenos Aires als spanische
Flamenco Gitanos. Sie arbeiten in der lokalen Flamencoszene als anerkannte Musiker und
Flamencotänzer, sind aber auch als Antiquitäten- und Textilhändler tätig. Vor allem Männer
sind als Musiker von Bedeutung, Frauen spielen eine untergeordnete Rolle. Aus Sicht vieler
Gitanos sowie Gadye gehört der Flamenco zu den wichtigsten kulturellen Charakteristika der
Gitanos. Im Interview mit Carrizo spricht Geromo, ein Kalé und Flamenco-Musiker, von den
besonderen künstlerischen Fähigkeiten der Gitanos: Niemand kann wie ein Gitano singen,
* Originalzitat: "El odio del particular [...] hacia el Gitano es porque el Gitano es tan libre como el viento,porque el Gitano no le importa tener fortuna sino vivir su vida libremente. No estar sometido a nada ni a nadie.El odio del particular [...] es porque ni nos apegamos a nada ni nos metemos en la vida del vecino [...] no nosinteresa la vida del vecino, nos interesa nuestra vida. No nos metemos en problemas políticos de nadie. [Es] elegoísmo, la envidia de ver el Gitano sano, que es libre [...] que no es esclavo de nadie."** Originalzitat: "[...] los Gitanos somos pacíficos y tolerantes porque hemos recorrido una diversidad depueblos y estamos acostumbrados a ver la diferencia."
25
früher Kontakt mit Musik durch Erziehung ist von Vorteil, Kalé besäßen aber eine angeborene
Begabung für das Singen (ebd.). Im Interview mit mundogitano.net spricht der in Madrid
geborene Flamenco-Sänger Diego El cigala (In: [32]) von einer besonderen Begabung der
Gitanos im allgemeinen Sinne. Egal ob sie Anwalt oder Mechaniker seien, man könne sicher
sein, dass sie immer die Besten in dem wären, was sie tun.
Wie bei den vorigen Ausführungen bereits erwähnt, nutzen die spanischen Kalé in Buenos
Aires die Stereotype des spanischen Flamenco-Gitanos um sich in der argentinischen
Gesellschaft zu positionieren. Carrizo spricht von einer wirtschaftlichen Strategie. Die
spanischen Kalé mussten sich nicht an die argentinische Mehrheitsgesellschaft anpassen.
Anschaulich wird dies im Dokumentarfilm Gitanos en Buenos Aires. Er erzählt die
Geschichte von David Amaya, einem Flamenco-Gitarristen aus Spanien. Auf seinem Weg sich
in der Hauptstadt Argentiniens zu etablieren, begegnet er einer Gemeinsschaft von Gitanos
mit andalusischer Herkunft, dessen Vorfahren sich während der Nachkriegszeit in Argentinien
niederließen. Trotz der Tatsache, dass sie bereits 50 Jahre in Buenos Aires leben, haben sie
sich ihre Kultur erhalten, sprechen das Kaló und leben vom Flamenco und als fliegende
Händler ([33]). Die Tatsache, dass Argentinien ein Land mit starker Orientierung an Europa
und Spanien ist, bietet für die spanischen Kalé gute Lebensvoraussetzungen (Vgl. Carrizo, In:
[10] S.34). Sie können das aus Spanien mitimportierte Bild des Flamenco-Gitanos ausleben
und stoßen bei den Argentiniern auf ausreichend Akzeptanz und Ansehen um damit Geld zu
verdienen.
Bei den Ludar zeichnet sich ein komplett gegensätzliches Bild. In den 130 Jahren, die sie in
Mexiko leben, zeigen sie sich insbesondere was ihre Tätigkeiten angeht als Meister der
Anpassung an neue Bedingungen. Alfredo Yovani Mora beschreibt im Interview mit Campos
Cabello, wie sein Großvater zur Ankunft in Mexiko zunächst ihre Tradition der Tanzbären
ausübte. Später dressierte dieser auch Affen. "[...] unsere Großeltern kamen aus Europa und waren auf
dem Weg in die Vereinigten Staaten von Amerika. Man setzte sie aber in Mexiko ab, hier in Veracruz, wo sie
sich in die Berge flüchteten, zu den kleinen Gemeinden ... Ich habe keine Ahnung, wo sie diesen Bären
herbekamen, zu dieser Zeit gab es noch Bären in den Bergen. Sie fingen einen kleinen und zähmten ihn. Mein
Großvater lies ihn auf den Hinterfüßen stehend durch die Straßen tanzen... das lag ihnen im Blut, sie ließen
einen Affen tanzen und versorgten sie. Sie kamen damals ohne Geld, mit nichts." ([9], S.25-27)*
* Originalzitat:"[...] nuestros abuelos venían de Europa y ellos iban a Estados Unidos Americanos pero losbajaron en Estados Unidos Mexicanos. Aquí los bajaron en Veracruz, se refugiaron en los montes, ahí en lascomunidades chicas... pues no se yo donde consiguieron ese oso, porque en esa época todavía había osos por ahíen los montes, agarraron uno chiquito, lo amansaron, mi abuelo, y ya lo bailaba él parado de manos en las calles.... luego eso ya lo traían en la sangre, bailaban un chango y de ahí se mantuvienron ellos, porque ellos llegaronaquí sin dinero, sin nada."
26
Seit Aufkommen des Kinos in Mexiko zogen die Ludar sowie die Rom über mehrere
Generationen hinweg mit Wanderkinos durch den Staat. (Armendáriz, In: [9], S.13)
Als Pioniere des Kinos brachten sie die neuesten Filme sowie Klassiker in die entlegendsten
Dörfer Mexikos. Dabei machten sie den gesamten Wandel der Filmindustrie mit. Sie
präsentierten zunächst kurze Stummfilme, die sie mit verschiedenen Darbietungen der Familie
ergänzten. Ricardo Pérez erzählt, dass sie über Glas liefen oder 80kg schwere Steine auf der
Brust trugen. Es gab aber auch Gesang, Affendressur und Fakire in den Vorführungen. Bis
zum vertonten Farbfilm machten sie alle technischen Fortschritte mit, zeigten später auch
längere Filme und Serien, damit die Leute mehrmals zu den Vorstellungen kamen ([26],
S.37ff). Die Ludar zeigten sich bei dieser Arbeit immer einfallsreich, füllten die
Unterbrechungen mit Musik zum Tanzen oder Konzerten und fuhren das Filmmaterial schon
mal per Fahrrad von einem zum anderem Vorstellungsort, wenn sie an einem Abend zwei
Vorführungen hatten (ebd, S.47f). Campos Cabello ([9], S.59ff) beschreibt wie sie mit
Begeisterung in den Dörfern empfangen wurden, Kinder ihnen hinterher rannten und ihnen
neugierig zuschauten wie sie ihre Projektoren aufbauten.
" Insbesondere in den Dörfern und den abgelegenen Siedlungen Mexikos erinnern sich die Leute an das Kino
als eine einzigartige, magische Erfahrung. Was natürlich in der Erinnerung vielen fehlt, ist, dass es die Gitanos
waren, die für diese Erlebnisse verantwortlich waren. Sie waren die Pioniere in der Verbreitung des
Wanderkinos." (ebd.)*
Die Ludar sehen der Zeit des Wanderkinos mit positiven Erinnerungen nach.
"Es waren gute Zeiten, alle mochten das Kino. Es gab eine Zeit, in der viele Leute zu uns unter die Decke
kamen. Sie kamen uns nah, klar, um die Vorstellungen zu sehen. Schließlich gefiel ihnen das Kino! Und was
macht man, wenn man kein Geld bringen kann? Jetzt im Gegenteil, mit Aufkommen des Fernsehens [...] sucht
keiner mehr unsere Gunst!" (ebd., S.45)**
Als problematisch beschreiben die Ludar vor allem zu große Zuschauermengen, die nicht alle
Platz in den provisorischen Kinos fanden. Da die Vorstellungen auch an abgelegenen Orten
und fern von Elektrizität stattfanden, konnte es auch schon mal vorkommen, dass sich die
Menschen vor dem Film erschrekten. In der späten Entwicklung des Kinos kam es auch zu
Bränden. Das leicht entflammbare Filmmaterial konnte sich mit dem Feuer, womit die
Leinwände beleuchtet waren, entzünden und in Brand setzen. (ebd.)
* Originalzitat:"En México la gente, sobre todo la de los pueblos y rancherías alejadas, recuerda el cine comouna experiencia única, mágica, sin embargo, lo que no quedó en la memoria de muchos es que eran los gitanoslos responsables de esa experiencia, los verdaderos pioneros en la divulgación del cine ambulante."** Originalzitat: "Eran tiempos buenos , todos querían ver el cine. Hubo una época en que se nos barría muchola gente por abajo e la manta. Se nos metía, pues, para ver la función ¡Es que el cine les gustaba! ¿Y qué haces sino traes dinero? En cambio ahorita como todos tienen televisión [...] ¡ninguno se nos arrima!"
27
Mit dem technischen Fortschritt und dem Aufkommen von Videokassetten, Videoclubs und
Satelitenantennen veringerte sich das Interesse am Wanderkino. (Armendáriz, In: ebd., S.13).
Zudem wurden Radionovelas (Radio-Soaps) populär. Die Ludar versuchten mit Tricks die
Leute weiterhin in die Kinos zu locken, zum Beispiel indem sie einen gleichnamigen Film
versprachen (Vgl. Interview mit Pedro Costich, In: [26], S.59f). Die mexikanischen
Roma/Zigeuner begaben sich in Folge auf die Suche nach ökonomischen Alternativen
(Armendáriz, In: [9], S.13). Die Rom nahmen wieder ihre vorigen Arbeiten auf, reparierten
schwere Maschinen oder handelten mit Fahrzeugen im An- und Verkauf. Die Ludar zogen
weiter mit ihren Wanderkino-Zelten umher und begannen moderne Unterhaltung darin zu
präsentien. Sie zeigten Fakire-, Zauberer-, Clowns- und Pantomime-Shows. Zur Zeit der
Forschung von Campos Cabello (ebd.) waren die Hauptattraktionen in den Theaterzelten
kollektiven Hypnoseshows. Die Autorin beschreibt in den Shows eine ähnliche Struktur:
Clowns, Magier, Eskapisten, Komiker und im Zentrum die kollektive Hypnose. Jede Familie
hat dabei ihren eigenen Stil (ebd., S.72ff).
Alfredo Yovani, Pancho, hatte bereits im Alter von 13 Jahren Interesse an der Hypnose und
lernte bei Alberto López Mendoza, einem peruanischem Hypnothiseur, der bei seinem Vater
angestellt war. Im Familien-Theaterzelt Carpa México hat er zur Zeit der Forschung von
Campos Cabello bereits selbst eine eigene Hypnose-Show. Er erzählt, dass die Ludar bei
einem ihrer Treffen von ihrem Lieblingsfilm El mago dazu inspiriert wurden. Darin bekommt
der Hauptdarsteller als letztes ein Theaterzelt geschenkt. Er beschäftigt sieben oder acht
Frauen, die für ihn darin tanzten während er die Eintrittskarten verkaufte. Daraufhin
beschäftigten die Yovanis einen Hypnotiseur, von dem sie lernten und zogen bald mit ihrer
eigenen Hypnoseshow durch Mexiko. Andere Ludarfamilien tun es ihnen gleich. (ebd.,
S.75ff)
Campos Cabello beschrieb die Ludar als aus Tradition wandernde Künstler. Ganz dem Motto
"leben um zu wandern, wandern um zu leben" (Armendáriz, In: ebd., S.13) * sind sie trotz modernen
Fortschrittes dieser Lebensphilosophie treu geblieben. Als Wandlungskünstler machen sie sich
keine Sorgen um die zukünftige Entwicklung. Alfredo Yovani fasst dies mit den Worten: "Ein
Lied sagt, dass es nichts Unendliches in dieser Welt gibt, all dies wird ein Ende haben, so wie das Kino zu Ende
gegangen ist wird auch das Theater zu Ende gehen. Ich weiß nicht wann, aber es wird ein Ende haben. Und
dann.. mal sehen, was wir dann machen." (ebd., S.75)**
* Originalzitat: "existir para andar, andar para existir"
** Originalzitat: "Dice una canción que no hay nada eterno en este mundo, se va a acabar también esto, así comose acabó el cine se va a acabar también el teatro, no sé cuando, pero se va a acabar. Y luego... a ver a que leentramos."
28
Die kolumbianischen Rom sollen im Vergleich als eine Gruppe herangezogen werden, die
Unterhaltungstätigkeiten nicht mehr nachgehen. Geht man in Kolumbien auf die Suche nach
den von García Márquez ([30]) beschriebenen Gitanos, die ganze Dörfer mit ihren Tanz- und
Gesangsdarbietungen in Freude versetzen, wird man in der aktuellen Literatur nicht fündig. In
Los Rom de Colombia ([15], S.44) gibt es eine Erklärung. Die Autoren erwähnen, dass die
traditionellen Beschäftigungen der Rom verschwinden. Neben Berufen in der
Metallverarbeitung gehören hierzu auch Zirkuskünste wie Musizieren, Akrobatik oder
Tierdressur. Den traditionellen Handel mit Pferden gibt es zwar noch, Rom, die dieser
Beschäftigung nachgehen orientieren sich allerdings zunehmend in Richtung Automechanik
oder Handel von Gebrauchtwagen und -teilen. Unter den Rom in Kolumbien gewinnen
Tätigkeiten im Handel an Bedeutung. Sie kaufen Artikel wie zum Beispiel Schuhe in großen
Mengen bei den Fabriken und verkaufen sie dann auf den Märkten verschiedener Dörfer und
Städte des Landes.
In El pueblo Rom – Gitano Que habita ([14], S.72ff) wurde vom kolumbianischen Staat
statistische Daten über die Rom in Bogotá erhoben. Die Zahlen sind für die Arbeit allerdings
nur bedingt aussagekräftig, da sie freizeitmäßige und künstlerische Tätigkeiten in einem
zusammenfassen. Nach den Angaben der Befragten werden durchaus von einigen Rom Tanz
(14%), Gesang (10%) und das Goldschmiedehandwerk (8%) regelmäßig durchgeführt. Als
weitere künstlerische Tätigkeiten werden das Kartenlesen, Handlesen, Schmuckstücke
herstellen und das Bemalen von Stoffen angegeben. Interessant ist die Anmerkung, dass
Arbeit generell als eine Art Belustigung bei den Rom wahrgenommen wird. (ebd.) In den
Interviews mit Rom aus der Kumpania in Bogotá (ebd., S.141ff) geht es auch um deren
ökonomische Tätigkeiten. Die Lineage ist dafür entscheidend, welchem Beruf die Familie
nachgeht. Bolochoc seien vor allem Händler. Traditionell gilt ihre Beschäftigung dem
Pferdehandel, alternativ handeln sie aber immer mehr auch mit Lederartikeln und Autos. Die
Rusos hingegen seien Handwerker, die Metall verarbeiten. Sie arbeiten als ungeprüfte
Ingenieure mit Hydraulik (ingenieros hidráulicos) und bearbeiten Kupfer, Stahl und
Aluminium. Bolochoc sowie Rusos heben hervor, dass sie vor allem freien Tätigkeiten
nachgingen. Sie geben desweiteren an, dass ihre Frauen zusätzlich zum Familiengeschäft mit
dem Hand- und Kartenlesen Geld verdienen. Cecilia Cristo Ivanoff (66 Jahre/ Ruso,
Interview, In: ebd., S.141f) spricht davon, dass die Rusos in Russland bereits Metall
verarbeiteten und die Frauen die Hand lasen. Es schien ergänzend auch
Unterhaltungstätigkeiten gegeben zu haben. Cristo Ivanoff erwähnt in ihren Ausführungen,
dass sie Gitano-Folklore in Moskau tanzten und sangen.
29
Wie in Mexiko gab es anscheinend auch in Kolumbien Roma/Zigeuner, die vom Wanderkino
lebten. Jairo Demetrio Cristo (59 Jahre/ Ruso, Interwiew, In: ebd., S.155) gibt an, dass sie
nach Ankunft in Baranquilla die umliegenden Orte bereisten und dort mit ihrem Projektor
Kinofilme zeigten. Er ging nach seiner Heirat jedoch nach Bogotá, wo er innerhalb der Linage
der Rusos einer Handwerkstätigkeit nachgeht.
Nach Alfonso Gómez (60 Jahre/ Bolochoc, Interwiew, In: ebd., S.145) haben die Rom eine
besondere Fähigkeit zu arbeiten wie sie sich auch die Kalé zuschreiben. Nach seiner Meinung
können die Rom alles tun ohne eine Ausbildung dafür gemacht zu haben. Diese
Selbstzuschreibung scheint ein Schlüssel für ihre ökonomische Anpassungsfähigkeit zu sein.
3.1.2 MOBILITÄT
Wie bereits im erstem Kapitel erwähnt gehört eine lange nomadische Tradition sowie seine
Umwandlung in neue Formen zu einem der wichtigsten Charakteristika der Roma/Zigeuner.
Es ist deshalb interessant zu schauen, inwiefern sie von den drei behandelten Gruppen gelebt
wird.
Die einzige im klassischem Sinne umherziehende Gruppe sind die mexikanischen Ludar.
Trotz Versuchen der Sesshaftmachung leben sie weiterhin nomadisch. Diese Lebensweise
unterscheidet sie in Mexiko von anderen Roma-/Zigeunergruppen. Nach Campos Cabello
([9], S.21) lernten sie auf ihren Reisen die mexikanischen Bräuche und Traditionen kennen,
ohne jedoch ihre eigene Lebensform zu negieren. Zunächst reisten sie mit ihren Wanderkinos
zu Fuß, dann per Esel oder zu Pferd, später auch motorisiert in kleinen LKWs und Anhängern
(ebd, S.59f). Dabei ist ihre Welt das ländliche Mexiko mit seinen Dörfern und Ranches. Die
Ludar haben hier komplette Freiheit und können selbst entscheiden, wann und wo sie ihre
Zelte aufschlagen und ihre Spektakel präsentieren wollen (ebd., S.78). Die Familien ziehen
das Jahr über durch das Land. Am Ende des Jahres versammeln sie sich zu ihren jährlichen
Dezembertreffen. Señor Yovani beschreibt die Tradition ihrer Treffen und die Bedeutung
innerhalb der Ludargemeinschaft wie folgt:
"Wir treffen uns jedes Jahr, weil wir das Jahr über arbeiten - der eine in einem Staat, die anderen in einem
anderen. Deshalb treffen wir uns, wir einigen uns darüber, wo wir Weihnachten verbringen. Für gewöhnlich
arbeiten wir im Dezember nicht, wir mögen es zusammen zu sein, damit diejenigen Hochzeit feiern können,
die heiraten wollen. Es gibt auch Taufen und Feier zum 15. Geburtstag. [...] Alle Yovanis sind eine große
Familie. Es gibt aber auch andere Familien. Untereinander sind wir alle Freunde: Die Costisch, die Yancovich,
30
die Teodorovich... und wir, die wir Gianovich mit Nachnamen heißen, wir belassen es sonst in Mexiko bei
Yovani." (ebd., S.91)*
Die Feierlichkeiten beginnen am 12. Dezember zum Festtag der Jungfrau Guadalupe und
gehen bis zum 6. Januar, an welchem die Ludar ihren Toten gedenken (ebd., S.89ff).
Während der Zeit des Wanderkinos gab es auch Tendenzen sesshafter Lebensweisen bei den
Ludar. Raúl Costich (Interview von Pérez, In: [26], S.55ff), lies sich mit seinem Wanderkino
Pepsi Cola in Malpaso nieder. Dort wurde zu der Zeit ein Staudamm gebaut, was der Familie
eine festes Kundschaft verschaffte. Von 1960 bis 1967 machten sie ihre Vorführungen in
Zelten, auf Druck des Publikums installierten sie schließlich ein festes. Die Familie hatte viel
Arbeit, die Vorführungen waren zahlreich und liefen Sonntags durchgängig von 10h bis 24h
bis sie die Leute aus dem Vorführungssaal herausjagen mussten. Sie betrieben sogar ein
eigenes Kino für die Ingenieure der Baufirma. Aus Angst, dass sich seine Kinder mit
Mexikanern verheirateten verkaufte der Vater schließlich das Kino und zog weiter seines
Weges Richtung Norden.
Auch Carlos Yovani (Interview von Pérez, In: ebd., S.65) und Ricardo Pérez Romero (ebd.,
S.37ff) erzählen von sesshaften Lebensphasen, in denen sie sogar Landwirtschaft betrieben.
Als Grund für das Ende nennen sie Neid und erzählen die selbe Geschichte, in denen andere
Mitstreiter ihren Lastwagen in Brand setzten, der dann von einem Familienmitglied in einen
Wassergraben gefahren und so gerettet wurde. Dazu Carlos Yovani: "Jetzt sind wir wieder
Wandernde, wir haben eine große Familie, die wir ernähren müssen. Wir wollten uns niederlassen, aber es
ging nicht [...] der Neid ist zu nichts nützlich." (In: ebd., S.66)**
Auch bei den kolumbianischen Rom drückt sich in der nomadistischen Lebensweise ihr
Bedürfnis nach Freiheit aus. Für sie ist die Reise weiterhin Synonym für Glück und ein gutes
Leben. sesshaft zu sein wird demzufolge genau als das Gegenteil betrachtet. Aufgrund von
Druck von Seiten der städtischen Verwaltungen ließen die Rom jedoch von der nomadischen
Lebensweise ab. Zwischen 1969 und 1970 zogen sie in die populären Viertel der Städte. Der
traditionelle Nomadismus (nomadismo tradicional) ist in Kolumbien scheinbar komplett
verschwunden. Ausnahmen gibt es höchstens noch bei kleinen Rom-Gruppen in den Regionen
* Originalzitat: "Cada año nos reunimos porque todo el año nos vamos a trabajar, uno para un estado, otros paraotro. Entonces ya nos reunimos, nos ponemos de acuerdo dónde vamos a pasar las fiestas navideñas, tododiciembre por lo regular no trabajamos, porque nos gusta estar unidos para que hagan sus bodas los que sequieren casar, también hay bautizos, quinceañeras. [...] Todos los Yovani es una familia muy grande, pero hayfamilias distintas que todos somos amigos: Costisch, Yancovich, Teodorovich... y nosostros, que es Gianovichnuestro apellido, no más que acá en México nos le dejamos como Yovani."** Originalzitat: "Ahora nosotros seguimos de ambulantes pues tenemos mucha familia y hay que mantenerla.Queríamos establecernos pero no se pudo [...] La envidia es canija."
31
Santander und Boyacá ([15], S.37f). Gómez et al. (ebd., S.39f) beschreiben allerdings einen
neuen, angepassten Nomadismus (nomadismo adaptado). Sie decken auf, dass die Rom in den
Vorzeige-Gitanovierteln, wie zum Beispiel dem barrio Santa María in Itagüi, zwar sesshaft
sind, hier aber ein kontinuierliches Kommen und Gehen herrscht. Nach mehrjährigem
Aufenthalt verkaufen die Gitanos ihre Häuser und ziehen von einem Tag auf den Nächsten
um. Soto Montaño und Jaramillo Berrío (1988) sprechen von einem Neonomadismus
(neonomadismo): "Einem zyklischen Rythmus ihrer Bewegungen [in dem sie] weiterhin regelmäßig
innerhalb der verschiedenen Städte des Landes umziehen." ([34], S.25)* Auch Gamboa Martínez (In:
[15]) spricht von Spuren des Nomadismus, die weiterhin zu finden sind. In den Häusern sei er
immer präsent. Die Innenräume ähnelten denen von Zelten und man hätte den Eindruck die
Rom wären gerade erst eingezogen. Über das Viertel El Poblado in Girón (Santander) schreibt
er: "[...] an den Türen der meisten Häuser der Rom steht 'zu verkaufen'. Wenn man sie fragt, warum, erwiedern
sie strickt 'Wir haben Lust zu gehen' ". (ebd., S.31)** Da sich auch die Beschäftigungen verändern,
entstehen neue Zyklen. Für den Handel mit Schuhen sind die Rom zum Beispiel zwei Monate
im Jahr unterwegs um ihre Artikel auf den Märkten der Dörfer und Städte zu verkaufen ([15],
S.78). Auch der in Bogotá lebende Lilio Cristo Gomanovich (Ruso) beschreibt einen solchen
Rhytmus, in dem seine Familie von Bogotá aus in die Dörfer reisten, dort zwei bis drei
Monate blieben und schließlich weiterzogen. Sie boten dort ihr Metallhandwerk an und
verkauften Keramik (Interview, In: [14], S.149).
Bei den Kalé in Argentinien treffen wir einen ganz anderen Fall an. Die Gitanos leben schon
seit dem 18. Jahrhundert in Spanien sesshaft ([22], S.13). Diese Lebensweise war für sie mit
Ankunft in Buenos Aires schon Realität. Die zwanghafte Sesshaftmachung der
Roma/Zigeuner durch den argentinischen Staat in den 40er Jahren betraf sie demnach nicht
(Vgl. ebd., S.104). Carrizo ([10], S.73) beschäftigte sich in ihrer Arbeit mit der Konstruktion
des bewohnten Raumes der Stadt. Die Distanz der Gitano-Gruppen zueinander drückt sich
nach ihren Untersuchungen in der Wahl des Wohnraumes innerhalb der Stadt aus. Die
spanischen Kalé haben sich in der für die spanisch-argentinischen Beziehungen
repräsentativen Avenida de Mayo im elitären barrio norte niedergelassen. Diese Tatsache
spiegelt ihre Verwurzelung mit Spanien wider. Mit der Krise in Argentinien orientierten sich
die spanischen Kalé neu. Teile von ihnen wanderten aus, vor allem in die USA, Spanien und
Frankreich, wo Teile ihrer Familie leben. (ebd., S.111f)
* Originalzitat: "Un ritmo cíclico en sus movilizaciones [en los que] siguen desplazándose periódicamente adiferentes ciudades del país."** Originalzitat: "[...] en las puertas de las casas de la mayoría de Rom dice 'se vende'. Al preguntarles delporqué ese fenómeno señalan tajantemente 'tenemos ganas de irnos.' "
32
3.1.3 SPRACHE
Die eigene Sprache, das Romaní (Romanes/ Romanó/ Romai Shib), ist ein weiteres wichtiges
Charakteristikum, was für die Herleitung einer gemeinsamen ethnischen Identität der
Roma/Zigeuner herangezogen wird ([27], S.409). Im Seminario Internacional Rroma nennt es
die Koordinatorin des kolumbianischen Vereins PROROM, Ana Dalila Gómes Bóas ([3]), als
ein Merkmal lateinamerikanischer Roma/Zigeuner. Bei den Untersuchungen in dieser Arbeit
stellt sich jedoch heraus, dass gerade auf diesem Feld der Grad der Anpassung an die
Mehrheitsbevölkerung sehr deutlich wird.
Die Rom in Kolumbien haben sich das Romaní erhalten. Es ist beeinflusst von den Sprachen
der Länder, in denen sie sich aufhielten. Die Rom verfügen über eine starke Fähigkeit neue
Sprachen zu integrieren. Untereinander wird das Romaní weitergegeben ([15], S.70). Nach
Villa Mejía ([35], S.20, In: ebd.) benutzen die Rom beide Sprachen je nach Zweck, das
gadyekanés (eigene Bezeichnung für Spanisch) im Kontakt mit den Nicht-Rom und unter sich
das Romanés.
Die mexikanischen Ludar hingegen schildern, dass sie zugunsten ihrer Anpassung von ihrer
Sprache Abstand nehmen. Dieser Wandel geht zeitlich mit dem Verlust ihrer Kultur einher.
Um zu vermeiden, dass sie von der mexikanischen Bevölkerung als Húngaros angesehen
werden passen sich die Ludar an, tragen die Kleidung der Mexikaner, sprechen deren Sprache
und heiraten mexikanische Frauen in ihre Familien ein ([9], S.39). Versuche die
mexikanischen Roma/Zigeuner in den 30er und 40er Jahren zu deportieren, motivierten sie
ebenfalls sich anzupassen. Pérez spricht von einer Collage an Zigeunern, die dadurch
entstand, dass die Familien ihre Nachnahmen änderten und begannen die Landessprache zu
sprechen ([26], S.23ff) Über den Verlust ihrer Sprache und Kultur sagt David Yovani Mitre,
El Negro: "Wir sind traurig über den Verlust unserer Sprache, unserer Traditionen und unserer Art uns zu
kleiden [...] aber es ist leider notwendig um weiterzumachen. Es ist nicht so, dass wir es lassen, weil es uns
gefällt, aus Egoismus, sondern es ist notwendig davon loszulassen um Wege zu öffnen, um weiter zu gehen."
(Interview, In: [9], S.39)* Es gibt allerdings sehr wohl noch viele Traditionen, die sich die Ludar
erhalten haben. Ihre jährlichen Dezembertreffen geben Raum für Hochzeiten, Jahresfeiern,
den Crechún oder die Pomana (ebd., S.87ff)**.
* Originalzitat: "Nos da tristeza perder nuestro idioma, nuestras tradiciones, el vestuario [...] perodesgraciadamente es necesario para poder salir adelante, no es que lo deje uno por gusto, por egoísmo, sinopoque se necesita dejarlo para abrirse camino, para seguir adelante."** Am Crechún gedenken die Ludar ihren Toten, während mit Pomana die Feierlichkeit anlässlich einesSterbefalles bezeichnet wird.
33
In Buenos Aires pflegen die spanischen Kalé ganz bewusst ihren acento madrileño (Akzent
aus Madrid), um ihre Verbundenheit mit Spanien zum Ausdruck zu bringen. Carrizo findet
hierin eine Strategie ihrer Anpassung. Sie sieht den Akzent als ethnische Grenze, die im Alltag
zu den Payos (Nicht-Kalé) aufgebaut wird ([10], S.21). Die spanische Tradition wirkte seit
Präsidenten Domingo als eine geeignete Basis für die nationale Identität. Diese sollte als einer
Art Brücke zwischen den alten und neuen Einwanderern dienen. Die Benutzung der
Muttersprache oder die Mischung dieser mit dem Spanischen aus dem Rio de la Plata, die von
Lehrern cocoliche genannt wurde – eine Mischung aus Italienisch und Spanisch, die noch
heute die Umgangsprache Buenos Aires’ prägt – war verpönt (Neufeld, M.R. & Thisted, J.
(1999), In: ebd., S.34).
Nach eigener Aussage von Kalé und Kalderasha hätten die Kalé früher eine eigene Sprache
gehabt, das Kaló (ebd. S.21). Die Para-Romani-Sprache gehört nach Ligeoise (2002: S.6, In:
ebd.) zur zweiten Schicht der von Roma/Zigeunern gesprochenen Sprachen an und ist somit
mit dem Romani verwandt. Durch die Verbote der spanischen und portugiesischen Regierung
haben die Kalé das Kaló allerdings verloren. Nach Vossen (1983, S.138, In: ebd.) beherrschen
die spanischen Kalé und die Zincali den stark spanisch geprägten Romani-Dialekt, das Kaló,
nur noch teilweise und in rudimentärer Form. Das Romaní sei nach eigener Aussage der Kalé
bereits in Spanien verloren gegangen. Sie können sich deshalb nur teilweise bzw. fast gar
nicht mehr mit anderen Roma/Zigeunern verständigen. Auch Papapavlou ([22], S.101f) sagt,
dass das Kaló bei den andalusichen Kalé verloren gegangen sei. Was bei den spanischen Kalé
in Buenos Aires als Abgrenzung gesehen wird, ist interessanter Weise eher Teil der Integration
der Kalé in Andalusien, welche den regionalen Dialekt sprechen. Von der andalusichen
Bevölkerung unterscheiden sie sich nicht mehr durch ihr Sprache, sondern nur noch durch
ihre besondere Art zu sprechen und anhand einzelner Wörter.
Es hat sich ein interessanter Wandel vollzogen. Merkmale der Anpassung an die
Mehrheitsbevölkerung im Süden Spaniens wurden bei den spanischen Kalé so zu
Abgrenzungsmerkmalen gegenüber der argentinischen Bevölkerung sowie anderen
Roma/Zigeunergruppen. Im Gegenteil zu den Ludar, die sich im Sinne der andalusischen Kalé
durch eine Übernahme der Sprache an die Mehrheitsbevölkerung anpassen, kann man bei den
in Argentinien lebenden spanischen Kalé eher von einer Anpassung durch Abgenzung
sprechen.
34
3.1.4 UNSICHTBARKEIT
Paternina Espinosa et al. bezeichnen die Unsichtbarkeit (invisibilidad) der Roma/Zigeuner als
eine weitere Strategie des ethnischen Widerstandes ([15], S.16). Sie beschreiben sie als ein
Charakteristikum, welches das Zusammenleben mit der Mehrheitsbevölkerung kennzeichnet
(ebd., S.66). Im Vergleich dieser Arbeit wird sie deswegen als ein weiteres Element der
Anpassung erfasst.
In Los Rom de Colombia: itinerario de un pueblo invisible sehen die Autoren in der isolierten
und unsichtbaren Lebensweise der kolumbianischen Rom eine Antwort auf ihre
Marginalisierung durch die Mehrheitsbevölkerung (ebd, S.74f). Die Rom wurden von den
Akademikern lange nicht als Teil der kolumbianischen Kultur wahrgenommen und waren
quasi nicht existent. Im Gegenteil, sie wurden sogar als Ausländer angesehen. Die Gitanos
leben seit 300 Jahren unsichtbar im Land. Dieser Lebensstil ist durchaus als ein freiwilliger
anzusehen, da er ihnen ermöglichte über diesen langen Zeitraum trotz hoher
Gewaltbereitschaft im Land ihre Kultur und Sprache zu erhalten (Paternina, In: [3]). Die
Nicht-Wahrnehmung durch die kolumbianische Bevölkerung steht im offenen Widerspruch
zur emischen Sichtweise der Rom. Sie sind in Kolumbien geboren und sehen das Land als
ihre Heimat an. Vereinigungen wie der kolumbianische PROROM sehen in der
Sichtbarmachung einen Weg, den lateinamerikanischen Roma/Zigeunern ihre Rechte und
Respekt für ihr Volk zuzugestehen (Vgl. Gómez, In: ebd.).
Carrizo ([10], S.36) beschreibt in ihren Ausführungen zu den argentinischen Roma/Zigeunern
ebenfalls ein Phänomen der Unsichtbarkeit. Sie seien räumlich und zeitlich fast immer
unsichtbar gewesen. In der Geschichtsschreibung des Landes werden sie mit keiner Silbe
erwähnt. Von der argentinischen Bevölkerung werden sie als unsichtbare und unbekannte
Fremde wahrgenommen (ebd., S.74). Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung stützt diese
Aussage. Während der Zeit meiner Recherchen kam ich mit einem Freund, selbst gebürtiger
Porteño (Bewohner von Buenos Aires), ins Gespräch. Als ich ihm von meinem Thema
erzählte, reagierte er überrascht auf die Tatsache, dass es in seiner Heimatstadt
Roma/Zigeuner geben sollte. Er kannte diese nur in Verbindung mit Europa.
Bei den spanischen Kalé im Besonderen scheint die Anpassung durch eine Unsichbarmachung
weniger notwenig gewesen zu sein. Die Dokumentation Gitanos en Buenos Aires beschreibt
eine Gruppe spansicher Kalé, die in der zweiten und dritten Generation in der Hauptstadt
wohnen. Es wird in dem Film deutlich, dass die Kalé anscheinend einen besonderen
35
Stellenwert unter den Roma/Zigeunern haben. Sie sind erst seit wenigen Generationen im
Land. Aufgrund ihrer Verbindung zu Spanien und dem Flamenco genießen sie ein besseres
Ansehen als andere Gruppen in Argentinien ([33]). Man kann bei den Kalé den Begriff der
Unsichtbarkeit nicht wirklich anwenden, die Autorin würde eher von einer Sichtbarkeit als
Flamenco-Gitanos in der Bevölkerung sprechen.
Im Falle der Ludar kann man im Vergleich eher von einer Unsichtbarmachung als ihre Form
der Anpassung sprechen. Die Tatsache, dass sie sogar ihre Sprache aufgeben um nicht als
Húngaros erkannt zu werden, macht deutlich, dass sie bemüht sind, nicht vordergründig als
Roma/Zigeuner angesehen zu werden. Dass diese Strategie erfolgreich zu sein scheint spiegelt
die folgende Beschwerde der Yovanis. Sie klagen, dass sie, die Ludar, gar nicht mit dem
Erfolg des Wanderkinos assoziiert werden ([9], S.59ff). Sie werden eher im negativem
Kontext als Roma/Zigeuner wahrgenommen. Trotz Versuche der eigener Abgrenzung zu
anderen Húngaros werden sie von der mexikanischen Bevölkerung oft als genau diese
wahrgenommen. Man muss das Erscheinen der Ludar also im Vergleich von den
kolumbianischen Rom differenzieren. Sie sind zu Zeiten des Wanderkinos sehr wohl präsent
im Bewusstsein der mexikanischen Mehrheitsbevölkerung, wenn auch nur bedingt als
Roma/Zigeuner. Man könnte die Anpassung der Ludar also als eine versuchte
Unsichtbarmachung im Sinne von Integration in die Mehrheitsbevölkerung deuten.
3.2 FAZIT VERGLEICH
Die ökonomische Tätigkeit wird in dieser Arbeit als eines der wichtigsten Kriterien der
Anpassungsfähigkeit gesehen. Es ist der Bereich, in dem die Roma/Zigeuner den engsten
Kontakt zu den Gadye aufbauen. Für Baumann ([[36], In: [37], S.114) ist "die ständige(r)
kommunikative(r) Aushandlung mit den Gadje als Zuhörer bzw. Rezipienten [eine] Besonderheit und
Charakteristik des Phänomens Zigeunermusik". Dieses Phänomen lässt sich anhand der Ergebnisse
dieser Arbeit auch auf die Flamenco- und Hypnose-Spektakel übertragen. Die Frage nach
"Was kommt beim Pubklikum an?" ist bei jeder kreativen Tätigkeit von Bedeutung. Durch
Anpassung an die Bedürfnisse der Zusc hauer schaffen die Roma/Zigeuner Neues und
besetzen neue Nischen.
Wie wir sehen ist der Bereich der ökonomischen Tätigkeiten auch derjenige, in dem sich die
stärkste Anpassung vollzieht. Nehmen wir die Ludar als Wandlungsmeister. Während ihrer
Zeit in Mexiko sind sie zwar durchgängig wandernde Künstler, ihre tatsächlichen Tätigkeiten
unterliegen jedoch großen Anpassungen, sei es an die Bedürfnisse der Bevölkerung (eine
36
größere Nachfrage, das Bedürfniss nach einem festem Kino etc.) oder an technische
Veränderungen und Neuerungen. Auch die Rom und die Kalé haben sich an die veränderten
Bedingungen mit ihren ökonomischen Tätigkeiten angepasst. Beide Gruppen sind auf der
Suche nach Alternativen zu ihren traditionellen Berufen jetzt auch vermehrt als fliegende
Händler tätig. Die Kalé haben jedoch durch ihr Ansehen als Flamenco-Gitanos zusätzlich den
Vorteil, dass sie auch in Argentinien mit ihren Vorstellungen Geld verdienen können. Um aus
dem Bild als Flamencos profitieren zu können, holen sie ihre Kunst teilweise auch erst wieder
aus dem Familienkreis hervor ([33]).
Bei aller Veränderung in diesem Bereich bleibt die ausgeführte Tätigkeit zuerst immer eine
familiäre Angelegenheit ([27], S.409). Die Großfamilie entscheidet, welche Tätigkeiten als
rentabel zu betrachten sind. Mit dem Einheiraten in eine andere Roma/Zigeunerfamilie wird
dann auch deren Tätigkeit übernommen. Das wird zum Beispiel beim Interview mit dem
kolumbianischen Rom Jairo Demetrio Cristo (Ruso, In: ebd., S.155) deutlich. Er spricht
davon, dass er nach seiner Heirat nach Bogotá ging. Dort ließ er von seiner Wanderkino-
Tätigkeit ab und ging einer für die Gruppe der Rusos typischen Handwerkstätigkeit nach.
Die lateinamerikanischen Roma/Zigeuner kennen die Stärke ihrer Anpassungsfähigkeit genau.
Als Punkt elf wurde sie bereits am Anfang der Arbeit als ethnische Charakteristika benannt.
Deutlich wurde im Vergleich desweiteren, dass die verschiedenen Roma/Zigeuner sich eine
besondere Fähigkeit für die Arbeit zusprechen. Sei es der Flamenco-Sänger Cigala, die
unzertifizierten Hydraulik-Mechaniker aus Bogotá oder die selbstsicheren Ludar. Alle
drücken aus, dass sie die Tätigkeiten, die sie ausführen, besonders gut können. Weil sie alles
mit Hingebung machen, so "als gäbe es kein Morgen" ([33]). Die eigene Zeitwahrnehmung, in der
die Roma/Zigeuner vor allem in der Gegenwart leben, stützt diese Sichtweise.
Der Nomadismus ist bei den Roma/Zigeunern wie beschrieben der Inbegriff ihres
Bedürfnisses nach Freiheit. Die einzigen der behandelten Gruppen, die ihn allerdings in seiner
traditionellen Form wirklich leben, sind die mexikanischen Ludar. Die kolumbianischen Rom
verließen ihre Zelte mit der zwanghaften Sesshaftmachung Ende der 70er Jahre. Auch die
zunehmende Gewaltbereitschaft im Land bewog sie in feste Häuser umzusiedeln. Man kann
bei ihnen jedoch weiterhin Spuren ihrer wandernden Lebensweise finden. Die Anthropologen
Montaño und Berrío beschreiben einen Neonomadismus (neonomadismo, In: [34]). In
zyklischen Bewegungen ziehen sie innerhalb der kolumbianischen Städte um. Sie sind
"Nomaden auf Zeit", in der sie in mehrmonatigen Phasen des Jahres ihre Waren in den
Dörfern und Städten anbieten. Die Kalé sahen sich schon in Spanien zu einer sesshaften
37
Lebensweise gezwungen, die sie auch in der argentinischen Hauptstadt beibehielten. Dabei
wohnen sie in Stadteilen mit strategischer Bedeutung und einer symbolischen Verbindung zu
ihrer Herkunft.
Im Bereich der Sprache kann man zwei gegensätzliche Arten der Anpassungen erkennen. Wir
haben auf der einen Seite die Ludar kennengelernt, die den Verlust des Romaní in Kauf
nehmen um bei der mexikanischen Bevölkerung nicht mit dem negativen Bild der Húngaros
assoziiert zu werden. Diese Anpassung zielt in Richtung Integration in die
Mehrheitsbevölkerung. Auf der anderen Seite haben wir die argentinischen Kalé, die sich
gerade durch die Pflege ihres acento madrileño bewusst von der Mehrheitsbevölkerung
abgrenzen. Ihren Romaní-Dialekt, das Kaló, haben sie bereits in Spanien aufgegeben. Unsere
letzte Gruppe, die kolumbianischen Rom, hat sich als einzige das Romaní bewahrt, welches
zu Beginn der Arbeit als ein weiteres ethnisches Charakteristikum angeführt wurde. Nach
Paternina ([3]) ist dies vor allem auch ihrer unsichtbaren Lebensweise (invisibilidad) zu
verdanken, die es den Rom ermöglichte über mehrere Jahrhunderte ihre Kultur und eben auch
ihre Sprache zu erhalten.
Aufgrund der Anregung von Paternina haben wir als letztes betrachtet, wie sicht- bzw.
unsichtbar die Gruppen in den verschiedenen Ländern sind. Dabei ließ sich die
Schlussfolgerung ableiten, dass die Rom Kolumbiens und die mexikanischen Ludar freiwillig
eine Unsichtbarkeit gegenüber der Mehrheitsbevölkerung pflegen. Das bedeutet, dass die
Gruppen es bewusst vermeiden als Roma/Zigeuner erkannt zu werden. Insbesondere die Rom
konnten so über Jahrhunderte den Erhalt ihrer Kultur und Sprache gewährleisten. Es muss an
dieser Stelle allerdings zwischen einer versuchten Unsichtbarmachung wie bei den Ludar und
einer tatsächlichen Nichtwahrnehmung durch die Mehrheitsbevölkerung wie bei den Rom
unterschieden werden. Bei den Rom gibt es seit einiger Zeit politische Bestrebungen ihr Volk
"sichtbar zu machen" und so die Rechte einzufordern, welche auch anderen Minderheiten wie
der afroamerikanischen und der indigenen Bevölkerung zustehen. Auch Carrizo sieht in der
Forderung nach einem Minderheitenstatus in Argentinien ebenfalls Vorteile für die
lateinamerikanischen Roma/Zigeuner, zum Beispiel durch die Assoziation mit indigenen
Minderheiten ([10], S.75). Wir haben auch festgestellt, dass die Kalé ein Sonderfall sind und
man bei ihnen nicht wirklich von einer Anpassung durch Unsichtbarsein sprechen kann. Ihr
vergleichsweise besseres Ansehen aufgrund ihrer Verbindung zu Spanien und dem Flamenco
lässt sie als Flamenco-Gitanos auf den Bühnen der argentinischen Hauptstadt erscheinen.
38
4. SCHLUSSBETRACHTUNGEN
In der Arbeit haben wir drei lateinamerikanische Roma-/Zigeunergruppen kennen gelernt: Die
spanischen Kalé in Argentinien, die mexikanischen Ludar und die kolumbianischen Rom. Im
Zuge der europäischen Immigration kamen sie auf die amerikanischen Kontinente. Bei der
Betrachtung ihrer Anpassung an die vorgefundenen Bedingungen in den einzelnen Ländern
traten verschiedene Strategien zu Tage.
Als Angelpunkt der Arbeit wurden Gruppen ausgewählt, die zu einem Zeitpunkt innerhalb
ihrer Wandlungsgeschichte einer Unterhaltungstätigkeit nachgingen. Wir treffen auf Ludar in
Mexiko und spanische Kalé in Buenos Aires, die nach Aussage der aktuellen Literatur
kreativen Berufen nachgehen. Bei den Kalé ist es sogar so, dass sie sich teilweise erst in
Argentinien wieder auf ihre Wurzeln als Flamenco-Gitanos berufen. Mit den kolumbianischen
Rom haben wir eine Gruppe, die von traditionellen Berufen in der Unterhaltung Abstand
genommen hat und jetzt Handwerks- und Händlertätigkeiten nachgeht. Man erkennnt im
Vergleich deutlich, dass insbesondere im Bereich der ökonomischen Tätigkeit eine große
Anpassungsbereitschaft besteht. Stellt man die Fälle der Ludar und Kalé nebeneinander, so
scheint es, als würden die Ludar in Mexiko eine ähnlich starke Integration durchmachen wie
die Kalé in Spanien zu Zeiten der Zigeunergesetze. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage,
inwiefern diese Anpassung für die Roma/Zigeuner in den sich zunehmend modernisierenden
Gesellschaften insbesondere in unterhaltenden Berufen notwendig wird, um von der
Bevölkerung als Darsteller akzeptiert zu werden. Der intensive Kontakt, in dem die
beschriebenen Gruppen mit der Mehrheitsbevölkerung stehen, wird in dieser Arbeit als Vorteil
für ihre Anpassung in diesem Bereich verstanden. Dass ein näherer Kontakt bei
unterhaltenden Tätigkeiten, etwa den Flamenco- oder Hypnoseshows, zur
Mehrheitsbevölkerung entsteht, bleibt zu vermuten. Interessant ist an dieser Stelle die
Tatsache, dass Ludar wie auch Kalé über den Verlust ihrer eigenen Sprache klagen, was auf
eine große Interaktion mit der Mehrheitsbevölkerung schließen lässt. Die Ludar hatten zur
Zeit des Wanderkinos entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung des Mediums im
ländlichen Mexiko. Sie schreiben sich weiterhin eine helfende Funktion zu, die sie für das
Publikum in den Hypnoseschows erfüllen. Wechselwirkungen bleiben hier nicht aus. Auch bei
den Kalé wird eine Interaktion insbesondere mit argentinischen Frauen zu den
Flamencospektakeln beschrieben. Welchen Einfluss dieser Kontakt auf die ethnische Gruppe
konkret hat, bleibt offen für zukünftige Forschungen.
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Laut den ethnischen Charakteristika, die Organisationen den lateinamerikanischen
Roma/Zigeuner zuschreiben, ist die Wahl des ausgeübten Berufes nicht ethnisch zu
begründen, sondern zunächst eines - Familiensache. In der Arbeit wird dies bestätigt. Nach
und nach wechseln die Ludarfamilien gemäß den sich veränderten Bedinungen ihr Berufsbild.
Auch die Rom beschreiben Anpassungen einzelner Mitglieder, die bei der Heirat in eine
andere Familie neue Tätigkeiten übernehmen. Die Großfamilien haben innerhalb der
wirtschaftlichen Situation des Landes einen Spielraum, in dem sie sich einbringen können. Da
sie ethnisch nicht auf bestimmte Berufe festgelegt sind, erlaubt diese Tatsache den
Roma-/Zigeuner die Ausübung verschiedenster Tätigkeiten, wovon die unterhaltenden
Beschäftigungen eine Gruppe sind. Dabei zeigen sie durchgängig eine große
Wandlungsbereitschaft. Wir haben Rom kennen gelernt, die von unterhaltenden Tätigkeiten,
z.B. dem Wanderkino, zu handwerklichen übergingen. Ludar, die als Bärendresseure nach
Lateinamerika kamen und später die ländliche Bevölkerung mit Hypnoseshows in ihren Bann
ziehen. Auch die Kalé waren nicht immer und nur Flamencos, man trifft sie auch als fliegende
Händler in der Hauptstadt Argentiniens. Als ein Schlüssel ihrer Anpassungsfähigkeit wird die
Selbstzuschreibung einer besonderen Befähigung zum Arbeiten verstanden. In der
vorliegenden Arbeit beschreiben die Roma/Zigeuner, dass sie praktisch jeder Tätigkeit
nachgehen könnten, auch ohne universitäre Ausbildung und Prüfung. Was sie brauchen,
lernen sie in der Familie. Egal was sie anpacken, es wirkt als würden sie immer hundert
Prozent geben.
Bei ihrer Ankunft auf dem lateinamerikanischen Kontinent trafen die aus Europa kommenden
Roma/Zigeuner auf ähnliche Bedingungen. Sie genossen zunächst eine relative Freiheit und
wanderten quer über den Kontinent. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Rede von
Roma-/Zigeunergruppen, die für ihre künstlerischen Darbietungen auf dem ganzen
südamerikanischen Kontinent bekannt waren. In allen Ländern gab es jedoch spätestens mit
der Staatengründung Versuche zwanghafter Sesshaftmachung, Diskriminierung und
Deportationen wie zum Beispiel in Mexiko und Argentinien. Namensänderungen bei den
Ludar und die Annahme einer angepassten sesshaften Lebensweise (Neonomadismus) bei den
kolumbianischen Rom waren die Folge. Die spanischen Kalé stellen einen Sonderfall dar. Sie
leben teilweise erst in der zweiten Generation in Argentinien. Durch die Nähe und
Orientierung der Nation an Europa und Spanien konnten sie das Lebensmodell des spanischen
Flamenco-Gitanos erfolgreich nach Buenos Aires importieren. Eine erzwungene
Sesshaftmachung sowie die Übernahme der spanische Sprache erfolgte bereits in Spanien.
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Die einzige der untersuchten Gruppen, die weiterhin nomadisch lebt, sind die Ludar. Als
wandernde Künstler haben sie in Mexiko die Freiheit gefunden ihre Theaterzelte dort
aufzuschlagen, wo sie ihre Spektakel anbieten möchten.
Formeln für Anpassungsstrategien lassen sich in dieser Arbeit schwer verallgemeinern. Dafür
bedarf es weiteren Vergleichen. Die Art und Weise auf die Bedingungen des jeweiligen
Integrationslandes zu reagieren ist verschieden. Betrachtet man die Fälle nebeneinander,
kristallisieren sich jedoch gewisse Tendenzen heraus. An dieser Stelle wollen wir uns in einer
Momentaufnahme die inneren Prioritäten, die sich eine jede Gruppe zu bewahren versucht,
anschauen. Sie sollen als Ansatz dienen, von wo dem eine Strategie der Anpassung entwickelt
werden kann.
Dafür ziehen wir als erstes die seit wenigen Generationen in Argentinien lebenden spanischen
Kalé heran, die als Flamenco-Gitanos auf den Bühnen der Hauptstadt erscheinen. Sie legen
Wert auf eine Assoziation mit ihrem Herkunftsland, leben in den spanischen Vierteln der
Stadt, sind angesehene Flamencokünstler und pflegen ihren acento madrileño. Unter den
verglichenen Gruppen erscheinen sie als ein Sonderfall. Möchte man von einem Grad der
Anpassung sprechen, sahen sie sich seit ihrer Ankunft am wenigsten genötigt sich an die
Bedinungen des Landes anzupassen. Sie sind diejenige Gruppe, die ihre ethnischen
Charakterisitka am erfolgreichsten "exportierten". Eine Anpassung erfolgt relativ. Man kann
sie eher als ethnische Abgrenzung zur argentinischen Mehrheitsbevölkerung interpretieren.
Bei den Ludar finden wir einen ganz anderen Fall vor. Als Wanderkünstler erfüllt ihre
nomadische Lebensweise ihr Bedürfniss nach Freiheit. Statt auf den Verfall des Wanderkinos
mit einer sesshaften Lebensweise zu reagieren (so wie es die mexikanische Rom taten) suchen
sie nach Alternativen ihre Theaterzelte weiter nutzen zu können. Dabei zeigen sie sich äußerst
kreativ und innovativ. Ob Wanderkino oder Hypnoseshows, sie scheinen immer einen Weg zu
finden sich auf kreative Weise an Veränderungen anzupassen. Auf der anderen Seite nehmen
sie dafür den Verlust ihrer Sprache und Teile ihrer materiellen Kultur, wie zum Beispiel ihrer
Kleidung, in Kauf. Wir haben an dieser Stelle weiterhin über den Versuch einer
Unsichtbarmachung bei den Ludar gesprochen, welche wie bei den Rom den Schutz der
inneren Strukturen und Traditionen wie Heiratszeremonien, ihres Werte- und Rechtssystems
zum Ziel hat. Dafür vermeiden sie es als Húngaros wahrgenommen werden.
Beziehen wir hier als letztes die Rom aus der Hauptstadt Kolumbiens in den Vergleich mit
ein. Mit einer unsichtbaren Lebensweise haben sie sich über Jahrhunderte das Romaní sowie
innere Strukturen bewahren können. Im Bewusstsein der kolumbianischen Bevölkerung sind
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sie quasi nicht existent. Der einzige Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung kommt bei ihren
Tätigkeiten als handwerkliche Dienstleister und Händler zustande. Aufgrund der
zunehmenden Gewaltbereitschaft im Land wie auch ihnen gegenüber zogen sie in feste
Unterkünfte, bleiben ihrer wandernden Lebensweise mit neuen Formen des Nomadismus
jedoch weiterhin treu. Mit dem kolumbianischen Verein PROROM beginnen sie in jüngster
Zeit von einer Sichtbarmachung auf politischer Ebene zu profitieren. Dafür vertreten sie die
Rechte aller lateiamerikanischen Roma/Zigeuner als ein Volk.
Es ist also die Frage zu stellen: Was will die Gruppe erhalten und welche Anpassungen im
Sinne von Integration in die Mehrheitsbevölkerung muss sie dafür in Kauf nehmen? Die
Anerkennung von Alter und Geschlecht als statusgebende Elemente, die Funktion von
traditionellen Autoriäten und rechtsprechenden Instanzen, die soziale Organisation, das eigene
Wertesystem sowie die ausführlich beschriebene Anpassungsfähigkeit werden an dieser Stelle
als relativ stabile Charakteristika angenommen. Anpassung vollzieht sich in jedem der Fälle
als erstes in der ökonomischen Tätigkeit, wie wir in dieser Arbeit sehen, weiterhin nach
inneren Prioriäten und Notwendigkeit im Bereich der Mobilität und Sprache. Desweiteren
haben wir Strategien einer unsichtbaren Lebensweise erläutert, die auf eine
Nichtwahrnehmung als Roma/Zigeuner abzielt. Unterschieden haben wir zwischen einer
tatsächlichen Unsichtbarkeit (Rom) und einem Versuch sich unsichtbar zu machen im Sinne
einer Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft (Ludar). Elemente wie Sprache und Mobilität,
die direkte Schnittstellen zur Mehrheitsbevölkerung darstellen, werden nach diesen
Erkenntnissen als erstes an die äußeren Bedingungen angepasst. Auf der Suche nach immer
neuen Lebenskonzepten zeigen sich die vorgestellten Gruppen dabei mit großem
Einfallsreichtum als wahre Meister der Anpassung.
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb.1 Zahlen für die in Lateinamerika lebenden Roma/ZigeunerQuellen: Maronese (2005: S.99) und PROROM (2009)............................................S. 4
Abb.2 Überblick über die Herkunft der in Lateinamerika lebenden GruppenQuellen: Maronese (2005), Secretaria de gobierno et al. (2008), Campos Cabello (2007) und Armendáriz et al. (2001)..........................................................................S. 7
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