Akzentuierung zur semantischen Differenzierung: nif‘al wayyiqtol in masoretischer Vokalisierung

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Liber Annuus 61 (2011) 77-88 Gregor Geiger Akzentuierung zur semantischen Differenzierung: nif‘al wayyiqtol in masoretischer Vokalisierung Ziel dieser Untersuchung ist es, einige Unregelmäßigkeiten in der Vokali- sierung und der Akzentuierung der wayyiqtol-Formen im nif‘al im Hebräisch der masoretischen (tiberiensischen) Tradition 1 zu beschreiben und möglicher- weise zu erklären. Es geht dabei um die Vokalisierung des zweiten Radikals in den Formen ohne Endungen, d. h. in den Formen im Singular mit Ausnahme der 2. Person feminin, des Kohortativs und der Formen mit Suffix. 2 Wurzeln, deren zweiter oder dritter Konsonant schwach ist, sind hier nicht behandelt. Ich vergleiche die wayyiqtol-Formen mit den entsprechenden yiqtol- und w e - yiqtol-Formen sowie dem Imperativ. Es gibt in der masoretischen Tradition verschiedene Formen(-Gruppen), in welchen die Akzentuierung eine semantische oder funktionale Differenzierung ausdrückt (z.B. !"#$% &'( )*$+ !& "#$% '( )*$+). 3 Hier geht es darum, für die Akzentuierungen %&,( )-". '+ und % /( &)-". '+ eine solche Differenzierung vorzuschlagen. Bei der Beschreibung von Vokalisierung und Akzentuierung sind vier ver- schiedene prosodische Situationen zu unterscheiden: reguläre Kontextformen, Pausalformen, Formen in nesiga 4 und Wörter, die mit dem folgenden Wort durch maqqef verbunden sind. 1. yiqtol und w e yiqtol Die reguläre Vokalisierung des Imperfekts beim starken Verb ist %,( )-"!, d. h. die letzte Silbe ist mit !ere, die Vorletzte mit qama! vokalisiert. Die Akzentu- 1 Textgrundlage ist die BHS. 2 Die Formen mit Suffix auszunehmen ist Theorie. Es gibt in der hebräischen Bibel keine Imperfektformen im nif‘al eines starken Verbs im Singular mit Suffix. Ebenso theoretisch sind die wayyiqtol-Formen der 1. Person Plural; es gibt dafür keine Belege im nif‘al. 3 Ausführlich dazu REVELL, Perfect. 4 Formen, deren Akzent von der letzten auf die vorletzte Silbe zurückgezogen ist; s. dazu REVELL, Nesiga.

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Liber Annuus 61 (2011) 77-88

Gregor Geiger

Akzentuierung zur semantischen Differenzierung:nif‘al wayyiqtol in masoretischer Vokalisierung

Ziel dieser Untersuchung ist es, einige Unregelmäßigkeiten in der Vokali-sierung und der Akzentuierung der wayyiqtol-Formen im nif‘al im Hebräischder masoretischen (tiberiensischen) Tradition1 zu beschreiben und möglicher-weise zu erklären. Es geht dabei um die Vokalisierung des zweiten Radikals inden Formen ohne Endungen, d.h. in den Formen im Singular mit Ausnahmeder 2. Person feminin, des Kohortativs und der Formen mit Suffix.2 Wurzeln,deren zweiter oder dritter Konsonant schwach ist, sind hier nicht behandelt.Ich vergleiche die wayyiqtol-Formen mit den entsprechenden yiqtol- und we-yiqtol-Formen sowie dem Imperativ.

Es gibt in der masoretischen Tradition verschiedene Formen(-Gruppen), inwelchen die Akzentuierung eine semantische oder funktionale Differenzierungausdrückt (z.B. ! "# $% &'( )* $+ – ! &"# $% '( )* $+).3 Hier geht es darum, für die Akzentuierungen% &,( )- ". '+ und % /( & )- ". '+ eine solche Differenzierung vorzuschlagen.

Bei der Beschreibung von Vokalisierung und Akzentuierung sind vier ver-schiedene prosodische Situationen zu unterscheiden: reguläre Kontextformen,Pausalformen, Formen in nesiga4 und Wörter, die mit dem folgenden Wortdurch maqqef verbunden sind.

1. yiqtol und weyiqtol

Die reguläre Vokalisierung des Imperfekts beim starken Verb ist % ,( )- "!, d. h.die letzte Silbe ist mit !ere, die Vorletzte mit qama! vokalisiert. Die Akzentu-

1 Textgrundlage ist die BHS.2 Die Formen mit Suffix auszunehmen ist Theorie. Es gibt in der hebräischen Bibel keine

Imperfektformen im nif‘al eines starken Verbs im Singular mit Suffix. Ebenso theoretisch sinddie wayyiqtol-Formen der 1. Person Plural; es gibt dafür keine Belege im nif‘al.

3 Ausführlich dazu REVELL, Perfect.4 Formen, deren Akzent von der letzten auf die vorletzte Silbe zurückgezogen ist; s. dazu

REVELL, Nesiga.

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ierung ist milra‘, d.h. der Wortakzent ist auf der letzten Silbe. Diese regelmä-ßige Vokalisierung ist in Kontext und in Pausa gleich.5 Das trifft auch auf dieVokalisierung in den wenigen belegten weyiqtol-Formen zu.6 Sie ist unabhän-gig von indikativer oder volitiver Funktion.7 Ist die Form mit maqqef mit demfolgenden Wort verbunden und dadurch ohne eigenen Wortakzent, hat die letz-te Silbe segol.8 Steht die Form in nesiga (d. h., sie ist mil‘el, auf der vorletztenSilbe betont), hat die letzte Silbe meistens segol,9 seltener pata"10 oder !ere.11

Solche unterschiedlichen Vokalisierung in nesiga finden sich auch bei anderenWörtern,12 sie haben also nichts mit der spezifischen Situation des nif‘als zutun. Die Vokalisierung der letzten Silbe kann sich unter dem Einfluß von La-ryngal13 oder von 014 als drittem Radikal ändern. Die Vokalisierung des Impe-rativs ist identisch mit der des Imperfekts, mit Ausnahme der Wurzel 012.15

2. wayyiqtol

Die meisten wayyiqtol-Formen haben die gleiche Vokalisierung und Ak-zentuierung wie die entsprechenden yiqtol-Formen. Es gibt also in der Regelkeine Betonungsverschiebung, wie sie bei wayyiqtol-Formen anderer Stämmeverbreitet ist (z.B. 0 '134 ! vs. 0 /134 . '+). Diese Verschiebung ist dann phonetischmöglich, wenn die letzte Silbe geschlossen, die vorletzte Silbe offen ist und ei-nen langen Vokal hat.16

Im einzelnen findet sich folgendes: Die meisten Formen sind milra‘ (s. u.,2.1), die letzte Silbe hat normalerweise !ere,17 Vokalisierung und Akzentuie-rung sind also gleich wie bei den normalen yiqtol-Formen. In Pausa ist der Ak-

5 Beispiele: 05 ,6 )7 "!, Gen 11,6 (Kontext); 8 9 ,*: ); "!, Ex 21,20 (Pausa).6 Beispiele: < = ,> ); "! $+, Ex 23,12 (Kontext); ? 9 ,0 )@ "A $+, Gen 38,24 (Pausa).7 Beispiel für Jussiv: A 5 ,0 )B "!C% '3, 2Sam 3,29.8 Drei Belege: Obd 9, Est 7,3, 2Chr 2,13.9 13 Belege: 1Kön 8,26, Jes 28,27, Ez 33,12, Ps 102,19, Ijob 3,3; 21,30; 38,24, Spr 13,13;

19,23; 27,14, Koh 7,26; 10,9, Neh 4,14. 10 Nur D 'E 5 )F ,#, Ijob 18,4.11 Fünf Belege der Wurzel GAH im Buch Ester (2,13; 5,3.6; 7,2; 9,12).12 Siehe dazu REVELL, Nesiga, 46.13 Kontext: in der Regel % &'( )- "!, z.B. F I 'J )K "!, Gen 41,31; Ausnahme: 'L M ,0 )- "!, Jer 16,6 (kaum als

Pausalform zu erklären) – Pausa: % &,( )- "!, z.B. 'F 9 ,D )N "3, Gen 21,24 – nesiga: % '( & )- "!, z.B. L 'A I )O "!, Ez24,27 – maqqef: nur CF 'D )PN "!, 1Kön 1,51.

14 Kontext: meistens % &,( )- "!, z.B. 05 ,6 )7 "!, Gen 11,6; Ausnahmen: 0 = '6 )F ,A $+ (2x) und 0 = 'D )N "#, Ez 32,28– Pausa: % &,( )- "!, z.B. 0 9 ,Q )3 ,#, Ri 16,10; folgende anders vokalisierten Fälle können als Pausalfor-men angesehen werden (sie haben aber nicht silluq oder atna"): 0 R'1 )39 ,! (Gen 10,9, Num 21,14),0 S'1 )3 ,! (Ps 87,5) und 0 R)T )U "# (Ex 34,19) – nesiga: % /( & )- "! (vier Belege) – maqqef: nicht belegt.

15 Siehe Appendix 2.16 Zu Einzelheiten s. REVELL, Imperfect, 420.17 Ausnahmen (pata" in der letzten Silbe): die Wurzeln III.lar., einige Formen III.! sowie

alle elf Belege der Wurzel VF! (II.lar.).

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AkzentuierungzursemantischenDifferenzierung:nif‘al wayyiqtolinmasoretischerVokalisierung 79

ierung ist milra‘, d.h. der Wortakzent ist auf der letzten Silbe. Diese regelmä-ßige Vokalisierung ist in Kontext und in Pausa gleich.5 Das trifft auch auf dieVokalisierung in den wenigen belegten weyiqtol-Formen zu.6 Sie ist unabhän-gig von indikativer oder volitiver Funktion.7 Ist die Form mit maqqef mit demfolgenden Wort verbunden und dadurch ohne eigenen Wortakzent, hat die letz-te Silbe segol.8 Steht die Form in nesiga (d. h., sie ist mil‘el, auf der vorletztenSilbe betont), hat die letzte Silbe meistens segol,9 seltener pata"10 oder !ere.11

Solche unterschiedlichen Vokalisierung in nesiga finden sich auch bei anderenWörtern,12 sie haben also nichts mit der spezifischen Situation des nif‘als zutun. Die Vokalisierung der letzten Silbe kann sich unter dem Einfluß von La-ryngal13 oder von 014 als drittem Radikal ändern. Die Vokalisierung des Impe-rativs ist identisch mit der des Imperfekts, mit Ausnahme der Wurzel 012.15

2. wayyiqtol

Die meisten wayyiqtol-Formen haben die gleiche Vokalisierung und Ak-zentuierung wie die entsprechenden yiqtol-Formen. Es gibt also in der Regelkeine Betonungsverschiebung, wie sie bei wayyiqtol-Formen anderer Stämmeverbreitet ist (z.B. 0 '134 ! vs. 0 /134 . '+). Diese Verschiebung ist dann phonetischmöglich, wenn die letzte Silbe geschlossen, die vorletzte Silbe offen ist und ei-nen langen Vokal hat.16

Im einzelnen findet sich folgendes: Die meisten Formen sind milra‘ (s. u.,2.1), die letzte Silbe hat normalerweise !ere,17 Vokalisierung und Akzentuie-rung sind also gleich wie bei den normalen yiqtol-Formen. In Pausa ist der Ak-

5 Beispiele: 05 ,6 )7 "!, Gen 11,6 (Kontext); 8 9 ,*: ); "!, Ex 21,20 (Pausa).6 Beispiele: < = ,> ); "! $+, Ex 23,12 (Kontext); ? 9 ,0 )@ "A $+, Gen 38,24 (Pausa).7 Beispiel für Jussiv: A 5 ,0 )B "!C% '3, 2Sam 3,29.8 Drei Belege: Obd 9, Est 7,3, 2Chr 2,13.9 13 Belege: 1Kön 8,26, Jes 28,27, Ez 33,12, Ps 102,19, Ijob 3,3; 21,30; 38,24, Spr 13,13;

19,23; 27,14, Koh 7,26; 10,9, Neh 4,14. 10 Nur D 'E 5 )F ,#, Ijob 18,4.11 Fünf Belege der Wurzel GAH im Buch Ester (2,13; 5,3.6; 7,2; 9,12).12 Siehe dazu REVELL, Nesiga, 46.13 Kontext: in der Regel % &'( )- "!, z.B. F I 'J )K "!, Gen 41,31; Ausnahme: 'L M ,0 )- "!, Jer 16,6 (kaum als

Pausalform zu erklären) – Pausa: % &,( )- "!, z.B. 'F 9 ,D )N "3, Gen 21,24 – nesiga: % '( & )- "!, z.B. L 'A I )O "!, Ez24,27 – maqqef: nur CF 'D )PN "!, 1Kön 1,51.

14 Kontext: meistens % &,( )- "!, z.B. 05 ,6 )7 "!, Gen 11,6; Ausnahmen: 0 = '6 )F ,A $+ (2x) und 0 = 'D )N "#, Ez 32,28– Pausa: % &,( )- "!, z.B. 0 9 ,Q )3 ,#, Ri 16,10; folgende anders vokalisierten Fälle können als Pausalfor-men angesehen werden (sie haben aber nicht silluq oder atna"): 0 R'1 )39 ,! (Gen 10,9, Num 21,14),0 S'1 )3 ,! (Ps 87,5) und 0 R)T )U "# (Ex 34,19) – nesiga: % /( & )- "! (vier Belege) – maqqef: nicht belegt.

15 Siehe Appendix 2.16 Zu Einzelheiten s. REVELL, Imperfect, 420.17 Ausnahmen (pata" in der letzten Silbe): die Wurzeln III.lar., einige Formen III.! sowie

alle elf Belege der Wurzel VF! (II.lar.).

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zent ebenfalls milra‘, die letzte Silbe hat entweder pata" oder !ere.18 EinigeVerben sind immer mil‘el (2.2), die letzte Silbe ist mit segol vokalisiert. EinigeVerben haben beide Akzentuierungen (2.3). Formen in nesiga (also mil‘el)sind selten,19 es gibt keine Form mit maqqef.

Im folgenden soll gezeigt werden, daß die milra‘-Formen in der Regel eherpassive, die mil‘el-Formen eher aktive Bedeutung haben.

2.1 milra‘

Es gibt 45 Wurzeln, deren wayyiqtol immer endbetont ist.20 Die meistenvon ihnen sind reguläre Passivformen des aktiven qals, z.B. die Wurzel GAH. Inwenigen Wurzeln wird der nif‘al als Passiv anderer Stämme verwendet, z.B.FHT, als aktiv dient der hif‘il. Einige Formen sind eher reflexiv oder stativ alspassiv, z.B. F*D. Der nif‘al von *D3, „ringen mit jemandem“, ist jedoch aktivund indirekt transitiv; freilich kann die Form auch als reziprok gedeutet wer-den. Das einzige relevante Vorkommen ist * = ,D )3 ,. '+W<! "3X RY "F , Gen 32,25. FD<,„schwören“, ist aktiv und indirekt transitiv.21 Das heißt also, die meisten, abernicht alle, endbetonten Formen haben passive Bedeutung.

2.2 mil‘el

Vier Wurzeln sind immer mil‘el: 8L%, ?ZH, 8F> und J16, vielleicht auch %L!.22

8L%23 hat aktive Bedeutung und ist indirekt transitiv, selten auch direkt, z.B.8 /L M )[ ". '+8 "! \ )0 $> /3CA /3 , Ri 12,4. Ein qal dieser Wurzel ist selten und wird nur in Poesie

verwendet. ?ZH ist der passiv des qals, in der Bedeutung „geschlagen werden“.24

Allerdings kann das Geschlagenwerden auch als aktiv angesehen werden; dieLXX übersetzt beispielsweise vier der fünf relevanten Formen mit dem akti-ven Verb ptai/ein, d. h. „anstoßen“ oder „stürzen“. Das angeführte Beispiel ist

18 Siehe Appendix 1.19 Zehn Belege, z.B. D /< 5 )L ,# '+, Ps 106,31.20 *D3, %T3, 013, %JD, %]D, F*D, %1Z, ^>], *FE, *%L II, FJ!, J%!, 0Q!, VF!, 0A!, JLT, FHT, DAT,

VL%, JT%, L*%, (%1, ^%1 II, 2>H, %6H, GAH, 0ZQ, ^1Q, 0FQ, 0AQ, 06F, 0AF, J*>, LQ>, *F6, 0D*,%]*, 2J*, 02*, FD2, 0D2 I, AL2, F12, ^>2 und 2>A.

21 In einigen Fällen auch direkt, z.B. F 'D )N "]] )F _D $< , Num 30,3; es gibt allerdings keine sol-chen direkt transitiven Belege im wayyiqtol. Von den 22 belegten Formen stehen fünf in nesiga,d.h. sie sind mil‘el (Gen 24,9, 1Sam 28,10, 2Sam 19,24, 1Kön 2,8, Ez 16,8). Die Vokalisierungändert sich dabei nicht, sie ist immer F 'D )N ". '+. In Pausalstellung sind keine Formen belegt.

22 Keine dieser Wurzeln ist in der 1. Person belegt (weder Singular noch Plural), so daßnicht feststellbar ist, ob diese Formen anders betont wären als die 2. oder 3. Person (wie entspre-chende Formen in anderen Stämmen, s. REVELL, Imperfect, 420).

23 20 Belege für wayyiqtol.24 Fünf Belege, z.B. ? /Z` = ); ". '+ % M ,3 )0 $a "! !5 ,H $> "% 8! \ "# $< "% $> , 1Sam 4,2.

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dementsprechend als kai« e¶ptaisen aÓnh\r Israhl e˙nw¿pion aÓllofu/lwn über-setzt. Die beiden Belege von 8F> stehen beide im selben Kontext: Jemand er-zählt seinen Traum, während sein Geist umgetrieben wird: 8 /F 5 )O "# '+X RLK0 , Gen41,8, und 8 /F 5 )O "# '+! R"LK0 , Dan 2,3. Die antiken Übersetzungen übersetzen dieseVerben mit passiven Formen, aber man kann die Aktion auch als aktive be-trachten. Martin LUTHER übersetzt beispielsweise Dan 2,3 mit „der hat mich er-schreckt“. J16 ist nur ein einziges Mal belegt, J /1 = )b ". '+% M ,3 )0 $a "!% 'F 5 'D $%0X \F $O , Num 25,3.Dieses Verb kann als reflexiv angesehen werden, so übersetzen die antikenÜbersetzungen oder auch die Einheitsübersetzung („So ließ sich Israel mitBaal-Pegor ein“). Das Verb ist indirekt transitiv; man kann die Aktion auch alsaktiv betrachten, so kann man es ins Englische übersetzten: „Israel joined“. %L!ist nur einmal belegt, % /L5 ). ". '+JX RFA = 'F $D "<8! M "1 )!8! \ "0 ,L c3 , Gen 8,12; die Vokalisierung alsnif‘al ist schwer zu erklären.25 Die Bedeutung des Verbs scheint aktiv, die Ak-zentuierung kann als nesiga erklärt werden.

Es gibt also kein klar passives Verb, welches regelmäßig mil‘el betont ist.

2.3 milra‘ und mil‘el

Drei Wurzeln sind sowohl mil‘el als auch milra‘ betont: ?Q3, 8LH und 032.26

Bei der Wurzel ?Q3 gibt es einen klaren Bedeutungsunterschied zwischenbeiden Akzentuierungen. Als normale reflexive Form in der Bedeutung „sichversammeln“ ist das Wort milra‘ betont. Es gibt dafür zwei Belege: ? = ,Q )3 ,. '+] M /<41]\ /H cL 'Y 9 ']C% /3, Num 11,30, und ? d,Q )39 ,. '+<! I "3C% )BW% ,3 )0 $a "!0! R"F )]C% /3 , Ri 20,11. Fünf Formensind mil‘el betont, stets im Ausdruck ? /Q M )3 ,. '++! 9 )Y 'FC% /3 , in der Bedeutung „ster-ben“.27 Es ist eine anthropologische (oder theologische) Frage, ob man dasSterben als aktiv oder als passiv ansehen will. Aber das am häufigsten in dieserBedeutung verwendete hebräische Verb, A+1, wird im (normalerweise aktiven)qal benutzt.

Das Verb 8LH ist zweimal milra‘: 8 = ,L ); ". '+* M )L $6 "!! = ,0 cL '3X 9Y "3 , Gen 24,67, und 0 54B $E ". '+8 5 /] )%X \A! "0 $78 S,L ); ". e '+D 540 $B+ 9 )J )Q cL , Ps 106,45. Siebenmal ist es mil‘el, z. B. 8 /L5 ); ". '+] R )+] $!

] = )a )FC! 9 "B, Gen 6,6. Es wird in zwei leicht unterschiedlichen Bedeutungen ver-wendet. Es kann „bedauern“/„bereuen“ bedeuten, das Subjekt ist dabei immerGott; oder es kann „sich trösten“ oder „getröstet werden“ meinen. Diese bei-den Bedeutungen sind zu einem Teil parallel zu den beiden Akzentuierungen.In der Bedeutung „bedauern“ ist das Wort in allen sechs Fällen mil‘el.28 In der

25 In Gen 8,10 steht in einer ansonsten identischen Formulierung % /L5 ). '+ JX RF A = 'F $D "< 8! M "1 )! 8! \ "0 ,L c3 .26 Keine dieser Wurzeln ist in der 1. Person belegt.27 Gen 25,8.17; 35,29; 49,33, Dtn 32,50.28 8 /L5 ); ". '+] R )+] $!] = )a )FC! 9 "B , Gen 6,6; 8 /LM ); ". '+]\ )+] $!] R)F )0 5 )]C% 'F , Ex 32,14; 8 /LI ); ". '+W] )+] $!] R)F )0 5 )]C% /3 , 2Sam

24,16; 8 /L5 ); ". '+] R )+] $!] M )F )0 )]C% /3 , Jer 26,19; 8 /L5 ); ". '+8! S"]f g3 )]] h )F )0 )]C% 'F , Jona 3,10; 8 /L5 ); ". '+] R)F )0 ) 9]C% 'F , 1Chr21,15.

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AkzentuierungzursemantischenDifferenzierung:nif‘al wayyiqtolinmasoretischerVokalisierung 81

Bedeutung „sich trösten“ ist es einmal milra‘: 8 = ,L ); ". '+* M )L $6 "!! = ,0 cL '3X 9Y "3 , Gen 24,67;einmal ist es mil‘el: 8 /L5 ); ". '+] S )JK] $! , Gen 38,12: Es ist die Rede von Juda, nach demTod seiner kanaanitischen Frau Bat-Shua. Das naheliegendste Verständnis ist,„getröstet zu werden“, auch die antiken Übersetzungen verstehen so.29 Eventu-ell ist aber in diesem Kontext auch eine Interpretation als „bedauern“ möglich,was freilich eine ethische Wertung des Verhaltens Judas, seiner Mischehe, be-deuten würde. Problematisch bleibt (sofern man nicht Textverderbnis an-nimmt)30 das poetische 8 S,L ); ". e '+D 540 $B+ 9 )J )Q cL , Ps 106,45: Das Subjekt ist Gott, eine In-terpretation als „bedauern“/„bereuen“ liegt nahe.

032: Die Bedeutung „übrig bleiben“, „übrig gelassen werden“ kann als ak-tiv oder als passiv interpretiert werden. Die LXX übersetzt mit einer passiven,die Vulgata mit einer aktiven Verbform. Die Form ist zweimal milra‘ betont(beide Mal im Buch Rut): 0 = ,3 )N "# '+3! M "]!= ,H $<K)]!9 /H )D , Rut 1,3, und W0 ,3 )N "# '+] R)N "3 9 )]!= ,H $N "1

)]! M /J )% $!i 9 )<! "3 ,1K , Rut 1,5; einmal ist sie mil‘el: 0 /3 j )N "! '+'L h4HCk '30 = /< c3 ' 9+X M# "3] 9 )D ,# '7 , Gen 7,23.Es ist kein Unterschied in der Bedeutung zu erkennen.

Zusammenfassend läßt sich feststellen: Es gibt eine Verbindung zwischenaktiver und passiver Bedeutung31 und Akzentuierung: Es gibt keine klar passi-ve Form, die mil‘el betont ist, während die meisten aktiven Formen mil‘el be-tont sind, auch wenn das letztere weniger konsequent ist. Möglicherweise sinddie Ausnahmen, die aktiven Formen mit milra‘-Akzent, analog zu den an-deren, den passiven nif‘al-Formen gebildet, die weitaus häufiger sind.

3. Erklärungsmöglichkeiten für diese Akzentuierungen

Ich glaube nicht, daß die verschiedenen Vokalisierungen Spuren einer Un-terscheidung sind zwischen einer ursprünglich langen yaqtulu-Form, die zu ei-nem indikativen yiqtol geworden ist, und einer ursprünglich kurzen yaqtul-Form, aus der das wayyiqtol-Tempus entstanden ist, wie beispielsweise dieFormen ] /42 cF '! und 42 'F '. '+ erklärt werden können. Es geht ja in dieser Untersu-chung nur um wayyiqtol-Formen.

29 Siehe dazu DÖHLING, Gott, 28.30 Siehe z.B. den Apparat der BHS, der auf der Grundlage der Peschitta vorschlägt, die Vo-

kalisierung zu ändern (ich bin mir nicht sicher, was mit „l $H '. '+“ gemeint ist; die Rückübersetzungdes syrischen Nona rbdo läßt 8 ,L "; '. '+ vermuten).

31 Auch JENNI, Stammformen, 63, sieht die Funktion des nif‘als nicht ausschließlich als pas-siv: „Das hebräische Nif‘al bezeichnet das Geschehen eines Vorgangs oder einer Handlung amSubjekt selber ohne Rücksicht auf die Art oder den Grad der Mitwirkung dieses Subjekts an die-sem Geschehen.“ Freilich paßt diese Funktionsbestimmung nicht zu den aktiv-transitiven Ver-ben 8L% oder FD2.

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82 GregorGeiger

Die Grammatik von GESENIUS-KAUTZSCH32 erklärt die mil‘el-Formen als Ana-logie zu anderen Formen in nesiga. Das ist möglich, aber es erklärt nicht, wa-rum diese Analogie hauptsächlich bei aktiven Formen greift.

E. J. REVELL weist in verschiedenen Arbeiten auf phonetische Zusammen-hänge zwischen der Wortstruktur und unterschiedlichen Betonungen der way-yiqtol-Formen hin. Zwei Beobachtungen sind dabei auch für die hier behandel-ten Formen relevant:

Stress is penultimate where the penultimate syllable is open, but both antepenul-timate and final syllables are closed. Stress is final where either antepenultimateor final syllable is open as well as the penultimate.33

Er macht diese Beobachtung zunächst für Formen der ersten Person vonschwachen Wurzeln (solche Formen sind hier nicht Thema). Die Erweiterungauf die anderen Personen34 ist freilich nicht allgemein durchführbar: Alle hierbehandelten wayyiqtol-Formen haben offene vorletzte, geschlossene letzte unddrittletzte Silben, müßten also mil‘el sein.

Eine detailliertere Beobachtung über nif‘al-Formen mit mil‘el-Akzent gibter in der Fußnote eines Artikels, der allgemein von Betonungsmustern handelt,wieder:

As far as I have noted, these roots are III p, or II guttural, III m or r, except forwayyi!!'!m"d Nu 25:3.35

Diese Erklärung ist also rein empirisch, er gibt keine Motivation für sie.Ein schwerwiegenderer Einwand ist jedoch, daß diese Beobachtung nicht füralle Fälle zutrifft. Selbst wenn man, mit einigen Schwierigkeiten, einige dermilra‘-Belege als Pausalformen erklären kann, für wenigstens drei Fälle ist dasnicht möglich, da sie verbindende Akzente tragen und nicht am Ende einergrammatischen Einheit stehen: 8 = ,L ); ". '+* M )L $6 "!! = ,0 cL '3X 9Y "3 , Gen 24,67; ? = ,Q )3 ,. '+] M /<41]\ /H cL 'Y 9 ']C% /3, Num 11,30; 0 = ,3 )N "# '+3! M "]!= ,H $<K)]!9 /H )D , Rut 1,3; ähnlich (mit dem schwachtrennenden pa#$a) ist W0 ,F )m ". '+ D5 ,% 8 R )0 c3Ck /% 9 /1 , 2Kön 6,11.

Meiner Meinung nach gibt es keine phonetische Erklärung für die unter-schiedlichen Akzentuierungen. Auch ich habe keine eindeutige Erklärung.Möglicherweise haben aber drei Faktoren das Bild beeinflußt: 1. Einige anderepassive wayyiqtol-Formen, die phonetisch mil‘el sein könnten, sind ebenfallsmilra‘. 2. Es gibt Reste verschiedener Vokalisierungsmuster im hebräischennif‘al. 3. Möglicherweise hat man es hier mit Spuren eines alten Gt-Stammeszu tun.

32 §51n.33 REVELL, Imperfect, 424; vgl. dazu S.420, Anm.4: “Such difference also occurs in some

forms with open penultimate syllable from the nif‘al (…) stem, but this is not regular.”34 REVELL, Imperfect, 424, Anm.12: “The same conditions hold for 3rd person forms, in-

cluding the nif‘al (…) forms which show penultimate stres with waw consecutive”.35 REVELL, Stress, 441, Anm.18.

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AkzentuierungzursemantischenDifferenzierung:nif‘al wayyiqtolinmasoretischerVokalisierung 83

Die Grammatik von GESENIUS-KAUTZSCH32 erklärt die mil‘el-Formen als Ana-logie zu anderen Formen in nesiga. Das ist möglich, aber es erklärt nicht, wa-rum diese Analogie hauptsächlich bei aktiven Formen greift.

E. J. REVELL weist in verschiedenen Arbeiten auf phonetische Zusammen-hänge zwischen der Wortstruktur und unterschiedlichen Betonungen der way-yiqtol-Formen hin. Zwei Beobachtungen sind dabei auch für die hier behandel-ten Formen relevant:

Stress is penultimate where the penultimate syllable is open, but both antepenul-timate and final syllables are closed. Stress is final where either antepenultimateor final syllable is open as well as the penultimate.33

Er macht diese Beobachtung zunächst für Formen der ersten Person vonschwachen Wurzeln (solche Formen sind hier nicht Thema). Die Erweiterungauf die anderen Personen34 ist freilich nicht allgemein durchführbar: Alle hierbehandelten wayyiqtol-Formen haben offene vorletzte, geschlossene letzte unddrittletzte Silben, müßten also mil‘el sein.

Eine detailliertere Beobachtung über nif‘al-Formen mit mil‘el-Akzent gibter in der Fußnote eines Artikels, der allgemein von Betonungsmustern handelt,wieder:

As far as I have noted, these roots are III p, or II guttural, III m or r, except forwayyi!!'!m"d Nu 25:3.35

Diese Erklärung ist also rein empirisch, er gibt keine Motivation für sie.Ein schwerwiegenderer Einwand ist jedoch, daß diese Beobachtung nicht füralle Fälle zutrifft. Selbst wenn man, mit einigen Schwierigkeiten, einige dermilra‘-Belege als Pausalformen erklären kann, für wenigstens drei Fälle ist dasnicht möglich, da sie verbindende Akzente tragen und nicht am Ende einergrammatischen Einheit stehen: 8 = ,L ); ". '+* M )L $6 "!! = ,0 cL '3X 9Y "3 , Gen 24,67; ? = ,Q )3 ,. '+] M /<41]\ /H cL 'Y 9 ']C% /3, Num 11,30; 0 = ,3 )N "# '+3! M "]!= ,H $<K)]!9 /H )D , Rut 1,3; ähnlich (mit dem schwachtrennenden pa#$a) ist W0 ,F )m ". '+ D5 ,% 8 R )0 c3Ck /% 9 /1 , 2Kön 6,11.

Meiner Meinung nach gibt es keine phonetische Erklärung für die unter-schiedlichen Akzentuierungen. Auch ich habe keine eindeutige Erklärung.Möglicherweise haben aber drei Faktoren das Bild beeinflußt: 1. Einige anderepassive wayyiqtol-Formen, die phonetisch mil‘el sein könnten, sind ebenfallsmilra‘. 2. Es gibt Reste verschiedener Vokalisierungsmuster im hebräischennif‘al. 3. Möglicherweise hat man es hier mit Spuren eines alten Gt-Stammeszu tun.

32 §51n.33 REVELL, Imperfect, 424; vgl. dazu S.420, Anm.4: “Such difference also occurs in some

forms with open penultimate syllable from the nif‘al (…) stem, but this is not regular.”34 REVELL, Imperfect, 424, Anm.12: “The same conditions hold for 3rd person forms, in-

cluding the nif‘al (…) forms which show penultimate stres with waw consecutive”.35 REVELL, Stress, 441, Anm.18.

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3.1 Andere passive wayyiqtol-Formen

Die Verbindung zwischen aktiver und passiver Bedeutung einerseits undverschiedenen Betonungen andererseits sind nicht auf den nif‘al beschränkt.Im in der Regel aktiven qal sind die entsprechenden wayyiqtol-Formen mil‘elbetont, wenn dies phonetisch möglich ist und wenn das Wort nicht in Pausasteht. Mil‘el-Betonung ist phonetisch nur bei einigen schwachen Wurzelnmöglich, z.B. 0 '134 ! vs. 0 /134 . '+. Im pi‘el ist mil‘el-Betonung phonetisch möglich,wenn der zweite Radikal 3, F oder 0 ist. Die meisten, aber nicht alle Formensind mil‘el betont. Dagegen sind die einzigen beiden belegten hof‘al-Formen,in welchen mil‘el-Betonung phonetisch möglich wäre, endbetont: A M '1K# '+8 9 )< ,2Kön 11,16, und 0 M '> _# '+8X 5. '73K \] '] , Sach 11,11. Im pu‘al sind keine relevantenFormen belegt, im hitpael gibt es nur einen Fall, 8 /F 5 )O $A "# '+X RLK0 , Dan 2,1.36 Fürdiese Form mag das gleiche gelten wie für die beiden nif‘al-Formen der Wur-zel 8F>,37 daß sie nämlich sowohl als passiv als auch als aktiv angesehen wer-den können. Das heißt also, die wayyiqtol-Formen aller Stämme zeigen diegleiche Tendenz wie die nif‘al-Formen: Wenn sowohl mil‘el- als auch milra‘-Betonung phonetisch möglich sind, gibt es keine eindeutig passive Form, diemil‘el betont ist, wohingegen die meisten aktiven Formen so betont sind.

3.2 Reste verschiedener Vokalisierungsmuster

Es gibt Reste verschiedener Vokalisierungsmuster im nif‘al. Im BiblischenHebräisch finden sich solche verschiedenen Vokalisierungen bei den Wurzelnmediae geminatae (FnF). Es gibt Imperfekt-Formen mit a-Vokal (von 15 ver-schiedenen Wurzeln)38 und mit o-Vokal (von fünf Wurzeln).39 Keine Wurzelhat eindeutige Formen in beiden Bildungen. Die Formen mit o-Vokal könnenalle als passiv angesehen werden. Die meisten Formen mit a-Vokal zwar auch,aber weniger konsequent. Daneben haben zwei homonyme (?) starke Wurzelnmöglicherweise eine doppelte Bildung: Die Wurzel 0TE in der Bedeutung „ge-nannt werden“, „heißen“ bildet das yiqtol regelmäßig 0 ,T )U "! (z.B. X M1 $<K0 = ,T )U "!C3 94 %JX 9F ,Jer 11,19; auch in Pausa: JX =F0 \ ,T )U "!C3 94 % , Ijob 24,20; <! "D )Z $+3 54 %0 \ ,T )U "! , Ijob 28,18). Dieunsichere Form Wo $H $* "1C% 9 )T $+0 R)T )U "#0 /( M /O0X =<] 9 /a )+ (Ex 34,19, möglicherweise in Pausa)kann als von der Wurzel 0TE II, „männlich sein“, abgeleitet erklärt werden; dieLXX, sofern sie eine dem Masoretischen Text entsprechende Vorlage über-setzt, versteht das Wort so.

36 8 9 )L /H $A /3 9 )+, Ps 119, 52, ist in Pausa. 37 Ähnlich BADEN, Hithpael, 36f. 38 00D, %%Z, LLJ, 81J, %%L I, 00L, AAL, ?>T, JJ1, QQ1, **1, DDQ, %%*, LL2 und QQ2; bei

%%L I findet sich auch eine Bildung mit i-Vokal (Lev 21,9).39 EED, **D, 810, FF0 und V60.

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84 GregorGeiger

Weitere Hinweise mag man in anderen semitischen Sprachen finden, die ei-ne Form haben, die dem hebräischen nif‘al entspricht, besonders Arabisch,Ugaritisch und Akkadisch. Der arabische VII. Stamm ist yanfa‘ilu vokalisiert.Es gibt keine unterschiedlichen Vokalisierungsmuster, aber es gibt das (selte-ne) Passiv yunfa‘alu. Im Ugaritischen ist bei den meisten Formen nicht be-kannt, wie sie zu vokalisieren sind. Es gibt Hinweise auf eine Vokalisierungyiqqatil.40 Der Akkadische N-Stamm hat zwei verschiedene Vokalisierungs-muster, in der Regel im Zusammenhang mit der Vokalisierung des G-Stamms.Allerdings unterscheiden sich die Vokalisierungen zwar im Präsens (ipparrasund ipparris), welches mit dem hebräischen yiqtol verbunden werden kann,nicht jedoch im Präteritum (ipparis), welches zum hebräischen wayyiqtol ana-log ist. Die Wurzeln, die im Masoretischen Text regelmäßig milra‘ sind unddie im akkadischen N-Stamm belegt sind, kommen dort mit beiden Vokalisie-rungen vor.41 Interessanterweise ist keine Wurzel, die im hebräischen wayyiq-tol mil‘el ist oder die beide Akzentuierungen hat, im akkadischen N-Stammsicher belegt. Aus diesem Grunde mag man versuchen, solche nif‘al-Formenals nicht ursprüngliche Bildungen zu erklären, also als nicht ursprüngliche N-Stämme.

3.3 Spuren eines alten Gt-Stammes

Eine Alternative wäre, in solchen Formen Spuren eines alten Gt-Stammeszu sehen. Es ist möglich, daß in einem früheren Stadium der Sprachentwick-lung das t des Gt-Stammes an den ersten Wurzelkonsonanten assimiliert wur-de, ebenso wie das n des N-Stammes. So hätte sich also ein ursprünglichesyaqtatil(u) zu yaqqatil (d. h. % ,( )- "!) entwickelt, ein ursprüngliches yanqatil(u)ebenso. Phonetisch ist eine solche Assimilierung möglich. J.S. BADEN disku-tiert diese Möglichkeit;42 er kommt zu einem leicht unterschiedlichen Schluß:Eine Reihe von Formen, die als nif‘al vokalisiert sind, seien ursprünglicher hit-pa‘el. Er findet dabei eine Verbindung mit dem ersten Wurzelkonsonanten: Ister dental, frikativ oder sibilant, werde dadurch die Assimilation des t erleich-tert. Für die Formen, die für die vorliegende Untersuchung relevant sind, findetsich keine solche Verbindung, aber das kann daran liegen, daß die Zahl der be-legten Formen beschränkt ist: von den sieben (acht?) Wurzeln, die hier zurDiskussion stehen, ist nur J16 frikativ und 032 sibilant. H. GZELLA diskutiert ineinem Artikel, der allgemein das Genus des hebräischen Verbs behandelt,ebenfalls die Möglichkeit einer Verbindung mit dem Gt-Stamm in anderen se-

40 TROPPER, Grammatik, 535f.41 Beispiel für eine a-Vokalisierung des Präsens: J%!/wal!dum; Beispiel für i-Vokalisierung:

GAH/nad!num (die akkadischen Beispiele folgen V. SODENS Handwörterbuch).42 BADEN, Hithpael.

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AkzentuierungzursemantischenDifferenzierung:nif‘al wayyiqtolinmasoretischerVokalisierung 85

mitischen Sprachen (und erwähnt als mögliche Beispiele dafür 032 und, mitEinschränkungen, 8L%).43

Die Vokalisierung des Gt-Stammes in den relevanten Sprachen ist folgen-dermaßen: Der arabische VIII. Stamm ist yafta‘ilu gebildet, im (seltenen) pas-siv yufta‘alu. Das heißt, die Vokalisierung ist mit dem VII. Stamm, dem nif‘al,identisch. Im Ugaritischen gibt es keine sicheren Hinweise, wie der zweiteWurzelkonsonant vokalisiert war.44 Im Akkadischen hat der Gt-Stamm dreiVokalisierungsmuster: iptaras, iptaris und iptarus, in der Regel in Überein-stimmung zum jeweiligen G-Stamm. Von den stets mil‘el vokalisierten Wur-zeln und von denen mit wechselnder Vokalisierung gibt es allerdings fast kei-ne Belege im akkadischen Gt-Stamm; einzig ?ZH hat die entfernte Parallele na-k!pum (mit i-Vokal, ittakip). In der Mescha-Inschrift finden sich vier Gt-For-men. Wir wissen nicht, wie sie zu vokalisieren sind, aber interessanterweisesind alle Formen vom Verb 8L%.

4. Zusammenfassung

Es ist nicht möglich, die Entwicklung der verschiedenen Vokalisierungender nif‘al-Formen im vormasoretischen Hebräisch mit Sicherheit zu rekonstru-ieren. Drei Faktoren mögen zur Differenzierung beigetragen haben: Die Ana-logie zu anderen aktiven oder passiven Formen, alte unterschiedliche Vokali-sierungsmuster des nif‘als sowie Reste einer Gt-Bildung. Die Analogie zu denanderen Formen scheint mir evident. Dagegen sind die beiden anderen Fakto-ren eher Denkanstöße; es gelingt nicht, klare Linien aufzuzeigen.

Appendix 1: wayyiqtol-Pausalformen

Yiqtol-Formen ändern sich im nif‘al nicht in Pausa, sie haben die Form% &,( )- "!. Es gibt nur vier Ausnahmen: 0 R)T )U "#, Ex 34,19, und dreimal die Form 0 '1 )P3 ,!.45

Alle vier Formen sind von Wurzeln, deren dritter Konsonant 0 ist. Es gibt frei-lich auch Wurzeln III.!, die regelmäßig sind, also keine Pausalform haben,z.B. 0 9 ,Q )3 ,#, Ri 16,10. Es sei bemerkt, daß keines dieser vier Wörter in sichererPausalposition, d. h. mit silluq oder atna", steht.

43 GZELLA, Voice, bes. 309f.44 TROPPER, Grammatik, 519.45 Siehe Anm.14.

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86 GregorGeiger

Im wayyiqtol-Tempus gibt es dagegen zwei verschiedene Pausalformen:% &'( )- ". '+ und % &,( )- ". '+. Sechs Formen sind mit pata"46 belegt, sieben mit !ere.47 Es istnicht möglich, zu zeigen, daß die beiden Vokalisierungen lexikalisch bedingtsind, denn die 13 Formen kommen von 12 verschiedenen Wurzeln (die beidenidentischen Formen stehen im selben Kapitel des ersten Buches Samuel). Esist keine Verbindung zum Stil, zur Gattung oder zur Abfassungszeit des Texteszu entdecken.

J. BEN-DAVID stellt in seiner Dissertation über Pausalformen fest, daß es ei-ne Tendenz zu pata" in Pausalform gebe, wenn der letzte Konsonant Sibi-lant oder % ist.48 Diese phonetische Erklärung greift für drei der sechs Formen,aber nach dieser Erklärung müßten auch % 9 ,] )7 "# '+, Ijob 4,5, und Q 9 ,3 )Y ". '+, Ijob 7,5,mit pata" vokalisiert sein. Selbst wenn man dies als Besonderheit des BuchesIjob oder der poetisch akzentuierten Bücher erklären möchte, denke ich nicht,daß dieses phonetische Phänomen die beiden verschiedenen Vokalisierungenerklärt.

Es gibt keine Verbindung zu den verschiedenen wayyiqtol-Kontextformen,von denen Abschnitt 2 handelt. Von fünf der zwölf Wurzeln finden sich auchKontextformen, sie sind immer milra‘. Es handelt sich um die pata"-Formen% \ '1 )p ". '+ und < 9 '> ); ". '+ und um die !ere-Formen % 9 ,] )7 "# '+, (\ ,% )Y ". '+ und 'L M ,Q )O ". '+. Aufgrund des-sen, was über die unterschiedlichen Kontextformen festgestellt wurde, habeich geprüft, ob es eine Verbindung zwischen diesen beiden verschiedenen Vo-kalisierungen und einer aktiven oder passiven Bedeutung gibt. Mir scheint, esgibt keine. Es gibt passive Formen mit pata" (z.B. % \ '1 )p ". '+, Gen 21,8) und aktive(z.B. 8 9 'J )0 ,. '+, Jona 1,5), es gibt passive Formen mit !ere (z.B. Q 9 ,3 )Y ". '+, Ijob 7,5)und aktive (z.B. % 9 ,] )7 "# '+, Ijob 4,5). Auch ein Vergleich mit dem akkadischen N-Stamm führt zu keinem klaren Ergebnis. Für die !ere-Formen finden sich Par-allelen mit beiden akkadischen Vokalisierungsmustern,49 für die pata"-Formengibt es keine aussagekräftige Parallelen im akkadischen N-Stamm.

Ich habe keine Erklärung für die beiden verschiedenen Pausalformen.

46 % \ '1 )p ". '+, Gen 21,8; < 9 '> ); ". '+, Ex 31,17; F 9 '0 )- ". '+, 1Sam 15,27; <9 'H )3 ,. '+, 2Sam 12,15; *\ 'H )L ,. '+, 2Sam17,23; 8 9 'J )0 ,. '+, Jona 1,5.

47 ( 9 ,% )Y ". '+, 1Sam 19,12; (\ ,% )Y ". '+, 1Sam 19,17; 0 \ ,D )N "# '+, Jer 51,8; % 9 ,] )7 "# '+, Ijob 4,5; Q 9 ,3 )Y ". '+, Ijob 7,5;A \ ,> )[ ". '+, Rut 3,8 sowie 'L M ,Q )O ". '+, 2Sam 4,4 (nicht sicher Pausalform).

48 BEN-DAVID, *Q>], 180.49 Beispiele: A>%/lap!tum (a/i); 0D2/!eb"rum (i).

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AkzentuierungzursemantischenDifferenzierung:nif‘al wayyiqtolinmasoretischerVokalisierung 87

Appendix 2: Imperativ der Wurzel 012

Der endungslose Imperativ zeigt zwei Bildungen: % &,( )- "], milra‘, und % /( & )- "],mil‘el. Die milra‘-Bildung ist die gewöhnliche, in Kontext50 wie in Pausa, mitAusnahme der Wurzel 012. Von dieser Wurzel sind 18 endungslose Imperati-ve im nif‘al belegt, 17 davon mil‘el.51 Da zwölf dieser Formen in der Formel

0 /1 )N "]o $% 52 stehen, erklärt die Grammatik von JOÜON und MURAOKA53 die anderenFälle von 0 /1 )N "]54 als Analogiebildung zu dieser Formel. Ich stimme dieser Er-klärung zu, möchte aber noch einen Faktor ergänzen, der die Vokalisierungebenfalls beeinflußt haben könnte. Der nif‘al der Wurzel 012 ist nicht passiv.Er kann als reflexiv betrachtet werden, allerdings ist die Reflexivität oft nochexplizit durch die Präposition % mit einem Suffix ausgedrückt. So könnte dermil‘el-Akzent durch andere, nicht passive mil‘el-Vokalisierungen von wayyiq-tol-Formen beeinflußt sein. Allerdings ist einschränkend hinzuzufügen: Auchdie Imperative der Wurzeln 8L% und 8LH (in der Bedeutung „bedauern“) müß-ten dann mil‘el sein, so wie ihre wayyiqtol-Bildungen. Sie sind es aber nicht,sie sind milra‘, so wie die anderen Imperative.

Gregor Geiger, ofmStudium Biblicum Franciscanum, Jerusalem

50 In % ,6 ); q "], Spr 6,5, gibt der präpositive Akzent de"i den Wortakzent nicht zu erkennen; das!ere läßt milra‘-Betonung vermuten.

51 milra‘: 0 r,1 )N "], Jes 7,4; in 0 /1 )N q "], Ijob 36,21, gibt der präpositive Akzent de"i den Wortak-zent nicht zu erkennen; das segol läßt mil‘el-Betonung vermuten.

52 Alle zwölf in der Tora.53 §51b; REVELL, Stress, 441, Anm.19, erwähnt ebenfalls die zwölf Fälle von 0 /1 )N "]o $% . Die

anderen mil‘el betonten Formen bringt er mit nesiga in Verbindung, welches „appear to occurunder circumstances different from those typical for nesiga.“

54 JOÜON-MURAOKA, ebd., übergehen 0 r,1 )N "], Jes 7,4 (“0 /1 )N "] always occurs with the mil'elstress”).

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88 GregorGeiger

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