Architektur 18. Oktober 2015 - HiBER ATLAS...1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21...

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48 Architektur 18. Oktober 2015 | sonntagszeitung.ch Benjamin Gygax und Marius Leutenegger Dass Solarpanels sinnvoll sind, steht heute ausser Frage – spätes- tens, seit der Strom von Fotovol- taik-Anlagen immer günstiger wird. Doch viele Architekten zeig- ten sich bislang nur mässig begeis- tert davon, Dächer und Fassaden mit den wenig attraktiven, dunkel- blau glänzenden Panels zu über- ziehen. Dominik Müller, Geschäftsfüh- rer der Basler Solarfirma Solvatec, fragte deshalb schon vor vielen Jah- ren einen Architekten und Solar- fachmann, wie sich die Akzeptanz von Solarpanels bei seinen Kolle- gen erhöhen liesse. «Er antworte- te: ‹Bringt Farbe rein.›» Solvatec trieb darauf die Entwicklung einer entsprechenden Technologie vor- an, zusammen mit der Ecole Poly- technique Fédérale de Lausanne (EPFL). Jetzt ist diese Technologie marktreif – und bereits ausgezeich- net worden: Für das erste Gebäu- de, das mit den neuen Panels aus- gestattet wurde, hat Solvatec so- eben den Schweizer Solarpreis 2015 erhalten. Der Ertrag von Fassaden ist geringer, aber regelmässiger Die innovative Anlage befindet sich im Gundeldingerfeld in Ba- sel. Das alte Industrieareal wird von der Eigentümerin Kanten- sprung AG nachhaltig für Gewer- be und Kultur umgenutzt. Der Kohlesilo überragt das Areal; im kleinen Turm wurde früher Koh- le gelagert und Wärme produziert, mittlerweile hat ihn das Baubüro In Situ AG für eine gewerbliche Nutzung umgebaut. Dabei wur- den auch zwei Fotovoltaik-An- lagen von Solvatec installiert. Jene auf dem Dach ist 82 Quadratme- ter gross und liefert pro Jahr 11 400 kWh Strom. Die Fassadenanlage auf der Nordost- und Südwest- Wand, die 77 Quadratmeter ein- nimmt, produziert 5000 kWh. An Fassaden liegt der Wirkungsgrad aufgrund des ungünstigeren Ein- strahlungswinkels zwar 25 bis 30 Prozent unter jenem von Dachan- lagen, doch der Ertrag fällt regel- mässiger an – auch im Winter. Dominik Müller von Solvatec sagt: «Winterstrom wird im Rahmen der Energiestrategie 2050 immer wichtiger.» Auf Solaranlagen an Fassaden lässt sich künftig auch aus gesetz- lichen Gründen immer weniger verzichten. Mit der Einführung der «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» müssen Neu- bauten pro Quadratmeter beheiz- te Fläche mindestens 10 Watt er- neuerbare Energie produzieren. «Das wird oft nur möglich sein, wenn man auch die Fassade für Fotovoltaik nutzt», ist Dominik Müller überzeugt. Bei Weiss beträgt der Verlust 40 Prozent Wie das künftig aussehen könnte, sieht man am preisgekrönten Ob- jekt – oder eben nicht, denn die Anlage ist erst bei genauem Hin- sehen zu erkennen. Sie besteht aus satinierten, farbigen Glasplatten, die auf der Innenseite speziell be- schichtet wurden. Zurzeit sind die Platten in sechs verschiedenen Far- ben erhältlich, aber Müller ist über- zeugt: «In zehn Jahren kann ein Architekt Solarpanels in allen RAL-Farben bestellen.» Die Farbe beeinflusst allerdings den Wirkungsgrad. Am besten ist Schwarz, bei Weiss beträgt der Verlust nach Müllers Schätzung 40 Prozent. Die Solarpanels des Kohlesilos wurden auf Mass gefer- tigt, damit sie ins Raster der Fas- sade und zu den Normfenstern pas- sen. Dann wurden die Module ver- drahtet und wie bei einer üblichen Glasfassade mit Haken eingehängt und an der Unterkante abgestützt. Zurzeit sind die farbigen Panels noch recht teuer. Dominik Müller verweist aber darauf, dass die Ver- schalung mit Glaspanels nicht viel mehr koste als eine andere hoch- wertige Fassade – «dafür produ- ziert sie aber zusätzlich Strom». Zudem könne man damit rechnen, dass die Preise deutlich sinken, wenn die Produktionsmengen stei- gen. Und die Reaktion vieler Ar- chitekten auf die neue Anlage deu- tet darauf hin, dass die Bestellun- gen bald zunehmen. Der Sonnenstrom bekennt Farbe Mit seiner Fotovoltaik-Fassade hat das Basler Kohlesilo den Solarpreis 2015 geholt Dach des Kohlesilos: Die 82 Quadrat- meter liefern 11 400 kWh Strom pro Jahr Bunte Panels an der Fassade: Die Farbe beeinflusst den Wirkungsgrad

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Benjamin Gygax und Marius Leutenegger

Dass Solarpanels sinnvoll sind, steht heute ausser Frage – spätes-tens, seit der Strom von Fotovol-taik-Anlagen immer günstiger wird. Doch viele Architekten zeig-ten sich bislang nur mässig begeis-tert davon, Dächer und Fassaden mit den wenig attraktiven, dunkel-blau glänzenden Panels zu über-ziehen.

Dominik Müller, Geschäftsfüh-rer der Basler Solarfirma Solvatec, fragte deshalb schon vor vielen Jah-ren einen Architekten und Solar-fachmann, wie sich die Akzeptanz von Solarpanels bei seinen Kolle-gen erhöhen liesse. «Er antworte-te: ‹Bringt Farbe rein.›» Solvatec trieb darauf die Entwicklung einer entsprechenden Technologie vor-an, zusammen mit der Ecole Poly-

technique Fédérale de Lausanne (EPFL). Jetzt ist diese Technologie marktreif – und bereits ausgezeich-net worden: Für das erste Gebäu-de, das mit den neuen Panels aus-gestattet wurde, hat Solvatec so-eben den Schweizer Solarpreis 2015 erhalten.

Der Ertrag von Fassaden ist geringer, aber regelmässiger

Die innovative Anlage befindet sich im Gundeldingerfeld in Ba-sel. Das alte Industrieareal wird von der Eigentümerin Kanten-sprung AG nachhaltig für Gewer-be und Kultur umgenutzt. Der Kohlesilo überragt das Areal; im kleinen Turm wurde früher Koh-le gelagert und Wärme produziert, mittlerweile hat ihn das Baubüro In Situ AG für eine gewerbliche Nutzung umgebaut. Dabei wur-den auch zwei Fotovoltaik-An-

lagen von Solvatec installiert. Jene auf dem Dach ist 82 Quadratme-ter gross und liefert pro Jahr 11 400 kWh Strom. Die Fassadenanlage auf der Nordost- und Südwest-Wand, die 77 Quadratmeter ein-nimmt, produziert 5000 kWh. An Fassaden liegt der Wirkungsgrad aufgrund des ungünstigeren Ein-strahlungswinkels zwar 25 bis 30 Prozent unter jenem von Dachan-lagen, doch der Ertrag fällt regel-mässiger an – auch im Winter. Dominik Müller von Solvatec sagt: «Winterstrom wird im Rahmen der Energiestrategie 2050 immer wichtiger.»

Auf Solaranlagen an Fassaden lässt sich künftig auch aus gesetz-lichen Gründen immer weniger verzichten. Mit der Einführung der «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» müssen Neu-bauten pro Quadratmeter beheiz-

te Fläche mindestens 10 Watt er-neuerbare Energie produzieren. «Das wird oft nur möglich sein, wenn man auch die Fassade für Fotovoltaik nutzt», ist Dominik Müller überzeugt.

Bei Weiss beträgt der Verlust 40 Prozent

Wie das künftig aussehen könnte, sieht man am preisgekrönten Ob-jekt – oder eben nicht, denn die Anlage ist erst bei genauem Hin-sehen zu erkennen. Sie besteht aus satinierten, farbigen Glasplatten, die auf der Innenseite speziell be-schichtet wurden. Zurzeit sind die Platten in sechs verschiedenen Far-ben erhältlich, aber Müller ist über-zeugt: «In zehn Jahren kann ein Architekt Solarpanels in allen RAL-Farben bestellen.»

Die Farbe beeinflusst allerdings den Wirkungsgrad. Am besten ist

Schwarz, bei Weiss beträgt der Verlust nach Müllers Schätzung 40 Prozent. Die Solarpanels des Kohlesilos wurden auf Mass gefer-tigt, damit sie ins Raster der Fas-sade und zu den Normfenstern pas-sen. Dann wurden die Mo dule ver-drahtet und wie bei einer üb lichen Glasfassade mit Haken eingehängt und an der Unterkante abgestützt.

Zurzeit sind die farbigen Panels noch recht teuer. Dominik Müller verweist aber darauf, dass die Ver-schalung mit Glaspanels nicht viel mehr koste als eine andere hoch-wertige Fassade – «dafür produ-ziert sie aber zusätzlich Strom». Zudem könne man damit rechnen, dass die Preise deutlich sinken, wenn die Produktionsmengen stei-gen. Und die Reaktion vieler Ar-chitekten auf die neue Anlage deu-tet darauf hin, dass die Bestellun-gen bald zunehmen.

Der Sonnenstrom bekennt FarbeMit seiner Fotovoltaik-Fassade hat das Basler Kohlesilo den Solarpreis 2015 geholt

Dach des Kohlesilos: Die 82 Quadrat-meter liefern 11 400 kWh Strom pro Jahr

Bunte Panels an der Fassade:

Die Farbe beeinflusst den

Wirkungsgrad