Post on 05-Apr-2023
1Autobahn A4. Fundplatz der Extraklasse - Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
Autobahn 4. Fundplatz der Extraklasse
Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
Mit Beiträgen von Tanja Altemeier, Bernd Aulmann, Gisela Braunleder, Frank Gerhard Buchhold, Erwin Cziesla, Eileen Eckmeier, Werner Engels, Peter Fischer, Thomas Frank, Timo Frenz-Kupke, Renate Gerlach, Lothar Giels, Antonia Glauben, Alexandra Hilgers, Horst Husmann, Thomas Ibeling, Sabine Jürgens, Jutta Meurers-Balke, Jens Protze, Holger Schmitt, Kai Sommerfeld, Hendrik Stemann und Oliver Ungerath.
BEIER & BERAN. ARCHÄOLOGISCHE FACHLITERATURLANGENWEISSBACH 2014
Herausgegeben vonErwin Cziesla und Thomas Ibeling
2 Autobahn A4. Fundplatz der Extraklasse - Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
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Vertrieb/Verlag
Erwin Cziesla und Thomas Ibeling
2014, Langenweißbach
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek.Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http//dnd.ddb.de abrufbar.
Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier.
978-3-95741-012-2
Erwin Cziesla, Oliver Ungerath
Erwin Cziesla, Ulrich Wölfer
Erwin Cziesla, Ulrich Wölfer
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren eigenverantwortlich.
Alexander Hennig
Luftbild RWE Power
Straßen.NRW (Andreas Roth)
Erwin Cziesla, Ulrich Wölfer
Calibri
Erwin Cziesla, Ulrich Wölfer
Druckservice Albrecht SchirmerAm Eichenwald 1509350 Lichtenstein
Verlag Beier & Beran. Archäologische FachliteraturThomas- Münzer-Str. 10308134 Langenweißbach
3Autobahn A4. Fundplatz der Extraklasse - Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
Inhalt
Grußwort 5Winfried Pudenz (Straßen.NRW, Hauptgeschäftsführer) und Dr. Lars Kulik (RWE Power AG, Spartenleiter Braunkohleplanung und -ausrichtung )
Vorwort 6Erwin Cziesla und Thomas Ibeling
Sechsstreifiger Ausbau und Verlegung der A4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen 7Werner Engels, Bernd Aulmann, Gisela Braunleder, Frank Gerhard Buchhold und Timo Frenz-Kupke
Tagebau Hambach – Leistungsfähiger Braunkohletagebau in der Mitte des Rheinischen Reviers 27Hendrik Stemann
Vorbemerkung und Archivlage 37Lothar Giels, Thomas Ibeling und Oliver Ungerath
Arbeitsabläufe, Dokumentationsmethode und Vermessung 41Thomas Ibeling, Kai Sommerfeld und Oliver Ungerath
Öffentlichkeitsarbeit 53Oliver Ungerath
Die Geschichte der neolithischen Siedlungsböden und des Ellebachtales 59Renate Gerlach, Peter Fischer, Alexandra Hilgers, Jens Protze und Jutta Meurers-Balke
Alt- und mittelsteinzeitliche Funde 68Erwin Cziesla und Lothar Giels
Bandkeramische Häuser, Brunnen und ein Erdwerk 71Horst Husmann und Erwin Cziesla
Die dendrochronologische Untersuchung des hölzernen Brunnenkastens 119Thomas Frank
4 Autobahn A4. Fundplatz der Extraklasse - Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
Das Gräberfeld zur bandkeramischen Siedlung 125Oliver Ungerath
Auswirkungen geochemischer Eigenschaften von Böden auf die Knochenerhaltung in Arnoldsweiler 151Eileen Eckmeier, Tanja Altemeier und Renate Gerlach
Bandkeramisches Fundmaterial 155Erwin Cziesla und Lothar Giels
Nur eine Stunde Fußweg – die benachbarte bandkeramische Siedlung „Merzenich-Valdersweg“ 193Erwin Cziesla , Thomas Ibeling, Holger Schmitt und Oliver Ungerath
Die Bandkeramik – einige abschließende Bemerkungen 201Erwin Cziesla
Funde aus dem Jung- und Endneolithikum 215Sabine Jürgens, Horst Husmann und Lothar Giels
Metallzeitliche Funde und Befunde 225Sabine Jürgens
Die römerzeitlichen Siedlungsreste 273Thomas Ibeling und Antonia Glauben
Nachrömische Befunde 295Oliver Ungerath
Schlussbetrachtung 299Erwin Cziesla, Horst Husmann, Thomas Ibeling und Oliver Ungerath
Anhang: AMS-Datierungen 304Adressen der Autoren 306Liste der Info-Kästen 308
68 Autobahn A4. Fundplatz der Extraklasse - Archäologie unter der neuen Bundesautobahn bei Arnoldsweiler
Alt- und mittelsteinzeitliche FundeErwin Cziesla und Lothar Giels
Zusammenfassung
Wenige Alt- und Mittesteinzeitliche Einzelfunde sind vorhanden, lassen aber keine Re-konstruktion eventueller Siedlungen zu. Diese Streufunde bestätigen aber die Attraktivi-tät des Platzes.
Schlüsselworte: Alt- und Mittesteinzeit – Attraktivität des Fundplatzes
Abstract
There are a few Palaeolithic and Mesolithic stray finds present but not enough for a reconstruction of an eventual settlement. These scattered finds confirm, however, the attractiveness of the site.
Keywords: Palaeolithic and Mesolithic – attractiveness of the site
Es zeigt sich, wenn größere zusammen-hängende Flächen vollständig untersucht werden, dass dann auch ganz unerwartete Ergebnisse möglich sind. So konnten z.B. in der Kiesgrube von Maastricht-Belvédère mittelpaläolithische Abschläge an einen Kern gepasst werden, die bis zu einem Ki-lometer voneinander entfernt lagen1. Hier eröffnen sich ganz andere Interpretations-ansätze bei der Rekonstruktion der ehema-ligen Nutzung dieser Lagerplätze, was bei kleinen Untersuchungsflächen gar nicht erst möglich ist. Aber auch unerwartete Einzelfunde wie auch Einzelbefunde kön-nen zutage kommen. So konnte z.B. bei der Ortsumfahrung des brandenburgischen Passow, innerhalb einer Untersuchungsflä-che von 6,8 Hektar eine kleine Gefäßdepo-nierung der älteren Trichterbecherkultur auf nur wenigen Quadratzentimetern frei-gelegt werden.2 Ein Befund, der ansonsten kaum die Chance gehabt hätte, entdeckt zu werden. So auch in Arnoldsweiler, wo sich neben den umfangreichen Siedlungen jün-gerer Zeitstellung auch Funde und Befun-de einstellten, die nur temporäre Ereignis-se oder Episoden widerspiegeln, die aber belegen, wie attraktiv diese Kleinregion in den vergangenen Jahrtausenden war. Be-ginnen wir die Betrachtung mit den ältes-ten Siedlungsanzeigern.
1 Vgl. die ausführlichen Darstellungen bei W. Roe-broeks (1989: Fig. 125). Vgl. auch C. J. Kind et al. (2012:13f.).
2 Siehe: E. Cziesla & M. Schneider (2005: Abb. 17).
Paläolithikum
Innerhalb der Grabungsgrenzen fanden sich zwar keine Befunde, die dem Paläoli-thikum zuzuordnen sind. Allerdings ließen sich aus dem Fundgut acht mittelpaläoli-thische3 und fünf allgemein paläolithisch datierende Silexartefakte ausgliedern. Dies gelang mit Hilfe der Patina, der Typologie und der angewandten Bearbeitungstech-nik. Dabei ist die Patina4 zwar generell kein exaktes Alterskriterium, kann aber durchaus lokal bezogen in den rheinischen Lössbörden zur Datierung herangezogen werden. Bei den meisten Artefakten han-delt es sich um sekundär verlagerte Funde, die aus jüngeren Befunden stammen und sicherlich umgelagert worden waren. So stammt das zweifelsohne mittelpaläolithi-sche „Bec“ (ein durch eine Kerbe erzeugter Bohrer) aus einer Pfostengrube eines me-tallzeitlichen Hausgrundrisses.
3 Als Lektüre zum Mittelpaläolithikum, also der Zeit des Neandertalers, sind die umfangreichen Dar-stellungen bei G. Bosinski (2008) als einführende Lektüre zu empfehlen.
4 Die Patina ist eine Schicht, die aus den Verwitte-rungsprodukten von der Oberfläche, der Sedimen-tation von Schwebeteilchen aus der Luft sowie den chemischen Reaktionsprodukten der Umgebungs-stoffe entsteht. Dabei belegen zerbrochene und wieder aneinandergepasste Steinartefakte eines Fundplatzes, dass sich die Patina an Steinwerkzeu-gen auf nur wenigen Metern Distanz erheblich un-terschiedlich ausbilden kann. Daher ist die Patina kein sicheres Datierungsmittel, aber eine Hilfe bei der Altersansprache.
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Alt- und mittelsteinzeitliche Funde
Ein aus einem Kieselschiefergeröll ge-fertigter Levallois-Vollkern ist beachtens-wert (Abb. 1, oben rechts). Das Geröll wurde vermutlich den Schottern der lokal anstehenden Rhein-Maas-Hauptterrasse entnommen, allerdings ist die Wahl des Kieselschiefers, der von geringerer Qua-lität als der ebenfalls dort vorkommende Maasschotter-Feuerstein ist, für den Nie-derrhein eher ungewöhnlich. Aus verla-gerten Schichtresten stammt ein gekerbtes Stück aus Vetschauer-Feuerstein wie auch der unter ästhetischen Gesichtspunkten ansprechende Spitzschaber (Abb. 1, links). Dies gilt auch für ein Denticulé (ein gezähn-tes Stück) und einen Levallois-Abschlag.
Mesolithische Zeitstellung
Ein weiteres Feuersteinartefakt, hier als fraglicher Querstichel geführt (Abb. 1, un-ten Mitte), wurde nur „vorgeschichtlich“ datiert. Es stammt aus der im bandkera-mischen Haus 36 gelegenen, ebenfalls bandkeramisch datierten Grube 2724. Das Gerät – ein distales Klingenfragment mit zwei quer verlaufenden, langschmalen Re-tuschenegativen auf der Ventralfläche – ist für Silexartefakte der Bandkeramik unge-wöhnlich und könnte mesolithischer Her-kunft – oder älter – sein. Eventuell handelt es sich bei den beiden Retuschenegativen aber nur um eine ungewöhnliche Form einer ventralen Verdünnung zur besseren Schäftung des Werkzeuges.
Eine kreisrunde Verfärbung wurde im Zusammenhang mit neolithisch bis metall-zeitlichen Befunden im mittleren Hangab-schnitt angetroffene und vorbehaltlich als Brunnen gedeutet. Der im ersten Planum annähernd kreisrunde Befund besitzt ei-nen Durchmesser von ca. 2,50 m und ein gegenüber dem anstehenden Umgebungs-material helleres Sediment (Abb. 2).
Beide dokumentierten Kreuzschnittpro-file zeigen einen trichter- bis kastenförmi-gen Schacht mit mehrschichtiger Verfül-lung. Dabei ist der Befund – insbesondere im Ostsüdost-Profil – sehr regelmäßig an-gelegt (Abb. 3). Mit Rücksichtnahme auf die geplante Baueingriffstiefe konnte der Befund zwar bis in eine Tiefe von ca. 1,80 m unter dem ersten Planum untersucht wer-den, die Befundsohle wurde jedoch nicht
erreicht. Deshalb ist eine zweifelsfreie Be-fundansprache auch nicht möglich. Der Restbefund verbleibt unterhalb der künfti-gen Autobahntrasse im Boden.
Innerhalb des Befundes waren – soweit aufgedeckt – keinerlei Hinweise auf stei-nerne oder hölzerne Ein-bauten erkennbar. Abgesehen von zwei unverzierten Kera-mikscherben fand sich eine mikrolithische Trapezspitze aus Rullen-Feuerstein, für die eine mesolithische5 oder neolithische Da-tierung in Frage kommt. Ein direkter Be-fundzusammenhang zu angrenzenden Be-funden konnte nicht erkannt werden – im Gegenteil erwies sich das umliegende Areal im Umkreis von 11 m als komplett befund-frei. Gegen eine Brunnendeutung spricht nach derzeitigem Kenntnisstand die Lage am Hang, die ein Erreichen des (ehemali-gen) Grundwasserspiegels nur mit großem Grabungsaufwand möglich erscheinen lässt. Außerdem wurden im aufgeschlosse-nen Teil keine Hinweise auf grundwasser-bedingte Hydromorphie erfasst.
Eine rechtsschiefe Trapezspitze (Abb. 1, unten rechts) wurde aus der Verfüllung dieses möglichen Brunnens 4797 gebor-gen. Der Mikrolith als solcher würde bei einer Oberflächenaufsammlung als spät-mesolithisches Artefakt klassifiziert wer-den. Nun zeigt aber das LBK-Körpergrab
5 Tatsächlich gibt es ins Mesolithikum zu datieren-de Wasserlöcher (vgl. B. Gramsch 1998), jedoch bis-her keine zweifelsfreie Brunnen.
Abb. 1 Mittelpaläolithische Geräte: Spitzschaber (links), Levallois-Kern aus Kieselschiefer (oben rechts). Vermutlich mesolithische Geräte: Querstichel (unten links) und Trapez-Mikrolith (unten rechts).
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Erwin Cziesla und Lothar Giels
708 der Grabung – in dem der Bestattete unter anderem einen Pfeil mit Trapezspitze als Beigabe hatte – dass solche eigentlich mesolithischen Werkzeuge auch noch in bandkeramischer Zeit verwendet wurden. Diese Artefakte, die möglicherweise einen Kontakt6 von spätmesolithischen Jägern und frühen Bauern der Bandkeramik auf-zeigen, sind selten, aber es gibt sie. Daher wurde der Trapez-Mikrolith mesolithisch7 bis neolithisch datiert. Ob dies auch für diesen Befund gilt, muss offen bleiben.8 Zu diesem möglichen Brunnen gesellen sich noch ein halbes Dutzend Feuerstellen und einzelne Pfostenstellungen, deren Al-ter unklar bleibt. Klare neolithische Befun-de zeigen aber die folgenden Kapitel zur Bandkeramik.
6 Dabei kann der „Kontakt“ sogar so weit gegan-gen sein, dass sich mesolithische Jäger in den neoli-thischen Siedlungen aufgehalten haben. Dazu in den Kapiteln zur Bandkeramik mehr.
7 Vgl. E. Cziesla (1992).
8 Dass dieser mögliche Brunnen-Befund bandke-ramisch ist, ist recht wahrscheinlich. Jedoch wird dieser Befund im folgenden Kapitel nicht nochmals aufgegriffen und deshalb vorab bereits an dieser Stelle vorgestellt.
Abb. 2 Der potenzielle Brunnen 4797 im ersten
Planum.
Abb. 3 Der potenzielle Brunnen 4797 im Profil.
Bosinski, G. 2008.Urgeschichte am Rhein. Tübinger Monographien zur Urgeschichte. Tübingen 2008.
Cziesla, E. 1992.Spät-Paläolithikum und Mesolithi-kum der Euregio. Le Paléolihique supérieur et le Mésolithique dans l´Eurégio. Laat-Paleolithicum en Mesolithicum in de Euregio. In: Spurensicherung - Archäologische Denkmalpflege in der Euregio Maas-Rhein. Mainz 1992, 44-57.
Cziesla, E. & M. Schneider 2005.Links und rechts der Welse. Unter-suchungen auf der Ortsumfahrung bei Passow, Lkr. Uckermark. Ar-chäologie in Berlin und Branden-burg 2004, 2005, 27-32.
Gramsch, B. 1998.Mesolithische Wasserlöcher in Brandenburg. In: H.Koschik (Hrsg.) Brunnen der Jungsteinzeit. Interna-tionales Symposium in Erkelenz 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rhein-land Heft 11. Köln – Bonn 1998, 17-23.
Kind, C. J., Th. Beutelspacher, E. David & E. Stephan 2012.
Das Mesolithikum in der Talaue des Neckars 2. Die Fundstreuungen von Siebenlinden 3, 4 und 5. Forschun-gen und Berichte zur Vor- und Früh-geschichte in Baden-Württemberg 125. Stuttgart 2012.
Roebroeks, W. 1989.From find scatters to early hominid behaviour: a study of Middle Pa-laeolithic riverside settlements at Maastricht-Belvédère (The Nether-lands). Analecta Praehistorica Leidensia 21 – 1988. University of Leiden, 1989.
Literatur