Verstegen, Ute: Die symbolische Raumordnung frühchristlicher Basiliken des 4. bis 6. Jahrhunderts....

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DIE SYMBOLISCHE RAUMORDNUNG FRÜHCHRISTLICHER BASILIKEN DES 4. BIS 6. JAHRHUNDERTS. Zur Interdependenz von Architektur, Liturgie und Raumausstattung Seit etwa einer Dekade ist eine Konjunktur von Untersuchungen zu den Wechselbeziehungen von Kirchenbau und Liturgie im Rah- men interdisziplinärer bauhistorischer und liturgiewissenschaftlich- kirchenhistorischer Forschungen zu beobachten. Sie steht im Kon- text des allgemein gewachsenen Interesses am Raum als zentra- le soziale und kulturwissenschaftliche Leitkategorie und der da- mit einhergehenden Theoriebildung – dem sogenannten „spatial“ oder „topographical turn“ 1 . Grundlegend für die meisten Raum- diskurse ist heute die Abkehr von der physikalisch basierten Con- tainer-Vorstellung des Raumes sowie der Konsens darüber, dass Raum als eine komplexe soziale Konstruktion aus raumkonstitu- ierenden Praktiken zu verstehen ist und, wie der französische So- ziologe Henri Lefebvre dies formulierte, „produziert“ wird 2 . Von soziologischer Seite wird in jüngerer Zeit versucht, aus diesen bei- den Vorstellungen ein neues Raummodell zu amalgamieren. In der deutschsprachigen Forschung hat in den letzten Jahren vor allem das relationale Raummodell der Architektur- und Stadtsoziologin RACr 85 (2009), pp. 567-600. 1 D. BACHMANN-MEDICK, Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissen- schaften, Reinbek bei Hamburg 2 2007, S. 284-328; J. DÖRING, T. THIELMANN (ed.), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur – und Sozialwissenschaften, Bie- lefeld 2008. Der Begriff „topographical turn“ wurde von Sigrid Weigel geprägt, cf. S. WEIGEL, ‚topographical turn‘ – Kartographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften, in KulturPoetik 2 (2002), H. 2, S. 151-165. Der Ur- sprung der Bezeichnung „spatial turn“ ist nicht eindeutig fassbar; er taucht an untergeordneter Stelle und in unspezifischer Verwendung 1989 bei dem Geogra- phen Edward G. Soja und 1991 bei dem Literaturwissenschaftler Frederic R. Ja- meson auf, cf. E. SOJA, Postmodern Geographies. The Reassertion of Space in Cri- tical Social Theory, New York 1989, S. 16, 39, 50, 154; F. JAMESON, Postmoder- nism, or, The Cultural Logic of Late Capitalism, Durham 1991, S. 154. 2 H. LEFEBVRE, La production de l’espace, Paris 1974.

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DIE SYMBOLISCHE RAUMORDNUNG FRÜHCHRISTLICHER BASILIKEN DES 4. BIS 6. JAHRHUNDERTS.

Zur Interdependenz von Architektur, Liturgie und Raumausstattung

Seit etwa einer Dekade ist eine Konjunktur von Untersuchungen zu den Wechselbeziehungen von Kirchenbau und Liturgie im Rah-men interdisziplinärer bauhistorischer und liturgiewissenschaftlich-kirchenhistorischer Forschungen zu beobachten. Sie steht im Kon-text des allgemein gewachsenen Interesses am Raum als zentra-le soziale und kulturwissenschaftliche Leitkategorie und der da-mit einhergehenden Theoriebildung – dem sogenannten „spatial“ oder „topographical turn“1. Grundlegend für die meisten Raum-diskurse ist heute die Abkehr von der physikalisch basierten Con-tainer-Vorstellung des Raumes sowie der Konsens darüber, dass Raum als eine komplexe soziale Konstruktion aus raumkonstitu-ierenden Praktiken zu verstehen ist und, wie der französische So-ziologe Henri Lefebvre dies formulierte, „produziert“ wird2. Von soziologischer Seite wird in jüngerer Zeit versucht, aus diesen bei-den Vorstellungen ein neues Raummodell zu amalgamieren. In der deutschsprachigen Forschung hat in den letzten Jahren vor allem das relationale Raummodell der Architektur- und Stadtsoziologin

RACr 85 (2009), pp. 567-600.

1 D. BACHMANN-MEDICK, Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissen-schaften, Reinbek bei Hamburg2 2007, S. 284-328; J. DÖRING, T. THIELMANN (ed.), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur – und Sozialwissenschaften, Bie-lefeld 2008. Der Begriff „topographical turn“ wurde von Sigrid Weigel geprägt, cf. S. WEIGEL, ‚topographical turn‘ – Kartographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften, in KulturPoetik 2 (2002), H. 2, S. 151-165. Der Ur-sprung der Bezeichnung „spatial turn“ ist nicht eindeutig fassbar; er taucht an untergeordneter Stelle und in unspezifischer Verwendung 1989 bei dem Geogra-phen Edward G. Soja und 1991 bei dem Literaturwissenschaftler Frederic R. Ja-meson auf, cf. E. SOJA, Postmodern Geographies. The Reassertion of Space in Cri-tical Social Theory, New York 1989, S. 16, 39, 50, 154; F. JAMESON, Postmoder-nism, or, The Cultural Logic of Late Capitalism, Durham 1991, S. 154.

2 H. LEFEBVRE, La production de l’espace, Paris 1974.

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Martina Löw Aufmerksamkeit gefunden, die Raum als „relationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ defi-niert3. Räume besitzen nach Löws Definition sowohl strukturelle Dimensionen als auch Handlungsdimensionen und werden durch Verknüpfungen zwischen ihren Bestandteilen konstruiert. Für ar-chitekturhistorische Untersuchungen mit einem spezifisch kultur-historischen Ansatz ist dieses Raummodell leicht adaptierbar, da es weder auf Analysekategorien wie Form, Materialität und Aus-gestaltung konkreter Orte, noch auf funktionale Aspekte wie die an konkreten Orten vollzogenen Handlungen verzichtet. Wichtig für die Akzeptanz eines solchen Raummodells ist auch die Vor-aussetzung, dass ein relationales Modell Pluralität und Wandel im-pliziert, also einerseits Umnutzungen und Veränderungen archi-tektonischer Räume beschreibbar macht, andererseits individuelle Raumeindrücke und –erfahrungen durch verschiedene Nutzer oder Nutzergruppen im Blick behält – ein Aspekt, der beispielsweise in der Genderforschung eine wichtige Rolle spielt.

Während die früheren Raumstudien ihre Impulse vor allem aus der politischen Geographie bezogen und Raumkonstruktionen durch die Einflussnahme politischen Handelns schilderten4, zeich-net sich mittlerweile eine Wende hin zu Untersuchungen ab, die eine Beschreibung und Analyse von Sakralitätskonstruktionen zum Ziel haben5. Angesichts einer „Renaissance des Kirchenbaus“ prä-gen diese Fragen seit einigen Jahren auch die Debatte um zeitge-mäße Kirchenräume6.

3 M. LÖW, Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2001, S. 271.4 So auch noch nahezu ausschließlich beim Deutschen Historikertag 2004,

der sich dem Thema „Kommunikation und Raum“ widmete.5 Cf. beispielsweise: A. M. LIDOV (ed.), Ierotopija – Hierotopy. The creation of

sacred spaces in Byzantium and medieval Russia, Moskau 2006; B. HAMM, K. HER-BERS, H. STEIN-KECKS (ed.), Sakralität zwischen Antike und Neuzeit (Beiträge zur Hagiographie 8), Stuttgart 2007; G. J. WIGHTMAN, Sacred Spaces. Religious Architec-ture in the Ancient World (Ancient Near Eastern studies Suppl. 22), Leuven 2007; S. RAU, G. SCHWERHOFF (ed.), Topographien des Sakralen. Religion und Raumord-nung in der Vormoderne, München 2008; J. H. KILDE, Sacred Power, Sacred Space. An Introduction into Christian Architecture and Worship, Oxford 2008. Zur Frage der symbolischen Kommunikation im Bereich sakraler Räume jüngst: C. JÄGGI, Raum als symbolische Kommunikation – symbolische Kommunikation im Raum, in G. ANDENNA (ed.), Religiosità e civiltà. Le comunicazioni simboliche (secoli IX-XIII). Atti del convegno internazionale, Domodossola, Sacro Monte e Castello di Mattarella, 20-23 settembre 2007, Mailand 2009, S. 183-220.

6 J. TIETZ, Geistliche Kraftzentren. Die Renaissance des Kirchenbaus in Deutsch-land, in Neue Zürcher Zeitung, 28.01.2002; A. GERHARDS, T. STERNBERG, W. ZAHNER (ed.), Communio-Räume. Auf der Suche nach der angemessenen Raumgestalt ka-tholischer Liturgie (Bild-Raum-Feier. Studien zu Kirche und Kunst 2), Regens-

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In Anwendung der handlungsorientierten Raummodelle hat sich auch die Forschung zum frühchristlichen Sakralbau unter Einbeziehung liturgiewissenschaftlicher Ergebnisse den Fragen der Interdependenz von Kirchenbau und Liturgie und, allgemei-ner gefasst, der soziokulturellen Konstruktion sakraler Räume zu-gewandt. Motor der Diskussion ist auch hier die Annahme, dass Raum nicht isoliert von den in ihm stattfindenden Handlungen, im Fall christlicher Kultbauten also dem liturgischen Vollzug so-wie außerliturgischen Handlungen wie z. B. der Reliquienvereh-rung, zu verstehen ist. So erschienen 2006 – um nur zwei jünge-re Publikationen zu nennen – zwei Tagungsbände, die sich diesem Themenkomplex widmeten und Standortbestimmungen darstellen: einerseits die von Michael Altripp und Claudia Nauerth herausge-gebenen Akten eines Greifswälder Kolloquiums zum weit gefass-ten Oberthema „Architektur und Liturgie“, andererseits die Bei-träge eines in Dumbarton Oaks veranstalteten Kolloquiums mit dem spezifischeren Fokus auf Schrankenanlagen in Kirchenbau-ten, ediert von Sharon Gerstel7.

Bezogen auf das Thema der frühchristlichen Basilika, der wich-tigsten Architekturform gemeinschaftlichen Raumerlebens der früh-christlichen Gemeindemitglieder, hatte die Beschäftigung mit der Interdependenz von Kirchenbau und Liturgie zur Folge, dass sich die Untersuchungen in letzter Zeit von formanalytischen und bauty-pologischen Fragen, z. B. nach der Genese der Bauform der christ-lichen Basilika, die die ältere Forschung vornehmlich beschäftig-ten, auf Fragen der Nutzung und der liturgischen Raumdispositi-on der Basiliken verlagert haben8.

burg 2003; T. WOYDACK, Der räumliche Gott. Was sind Kirchengebäude theologisch?, Schenefeld 2005; C. JÄGGI, „Heilige Räume“. Architektur und Sakralität – Geschich-te einer Zuschreibung, in A. NOLLERT et al. (ed.), Kirchenbauten der Gegenwart. Ar-chitektur zwischen Sakralität und Identitätskrise, im Druck.

7 M. ALTRIPP, C. NAUERTH (ed.), Architektur und Liturgie. Akten des Kolloqui-ums vom 25. bis 27. Juli 2003 in Greifswald (Spätantike – frühes Christentum – Byzanz Reihe B: Studien und Perspektiven 21), Wiesbaden 2006; S. E. J. GERS-TEL (ed.), Thresholds of the sacred. Architectural, art historical, liturgical, and the-ological perspectives on religious screens, East and West, Washington D.C. 2006. Dezidiert theoretisch fundierte, raumsoziologische Studien sind in der archäolo-gischen Forschung allerdings bislang eine Ausnahme und meist auf Profanarchi-tektur beschränkt. Einblick in das Potential raumsoziologischer Konzepte für die Analyse historischer Architektur gibt insbesondere: J. MARAN, C. JUWIG, H. SCHWEN-GEL et al. (ed.), Constructing Power. Architecture, Ideology and Social Practice (Ge-schichte, Forschung und Wissenschaft 19), Hamburg 2006.

8 Natürlich ist es nicht so, dass in der älteren Literatur grundsätzlich die Fra-ge vernachlässigt worden wäre, wie frühchristliche Kirchenbauten für die kulti-sche Versammlung der Gläubigen und die liturgische Feier genutzt wurden. Die

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Dieser Beitrag zeigt exemplarisch auf, wie die jüngsten For-schungen auf dem Gebiet des Zusammenwirkens von Architek-tur und Liturgie für das Verstehen der frühchristlichen Versamm-lungsräume basilikaler Form fruchtbar gemacht werden können. Anhand weniger ausgewählter Beispiele wird dargelegt, wie sich durch die Zusammenschau von archäologischen Quellen, Bild-quellen und schriftlicher Überlieferung in spezifischen Fällen ein Schlaglicht auf die ehemalige Raumorganisation und liturgische Nutzung frühchristlicher Basiliken gewinnen lässt9. Als Quellen-gattungen eignen sich hierfür insbesondere Kirchenordnungen, Sy-nodalbeschlüsse und Pilgerberichte sowie liturgische, patristische und hagiographische Texte.

Die Bauform der Basilika ist eine architektonische Erfolgsge-schichte des frühchristlichen Sakralbaus, die sich bereits im 4. Jahrhundert im gesamten Mittelmeerraum ausbreitete und in den ersten Jahrhunderten nach der Anerkennung des christlichen Be-kenntnisses ungeminderter Beliebtheit erfreute. Bei flüchtiger Be-trachtung scheint es sich bei diesen basilikalen Kirchenbauten um stets ähnlich konzipierte Baukörper zu handeln: mehrere, durch Stützenreihen getrennte Schiffe bilden einen Längsbau, der in ei-nem Sanktuarium mit Apsis endet. Untersucht man jedoch die innere Aufteilung der Bauten auf einzelne Funktionsbereiche des christlichen Kultgeschehens hin, so zeigt sich zum einen, dass zwi-schen zunächst ähnlich wirkenden Baukörpern regional und sogar lokal große Unterschiede in der jeweiligen Anordnung und Gestal-tung der liturgischen Zonen innerhalb der Bauten existieren, und zum anderen, dass architektonische Raumeinheiten und liturgische Handlungsräume einander nicht unbedingt entsprechen. So wird beispielsweise das Mittelschiff oftmals nicht als Einheit genutzt, sondern in Einzelbereiche untergliedert, die verschiedene Schwer-punkte im architektonischen Raum setzen.

Einige Beispiele sollen diese These verdeutlichen. Die Auswahl fiel auf Monumente, die aufgrund ihrer archäologischen Befund-situation geeignet sind, spezifische Einblicke in liturgische Raum-nutzungen zu geben, insbesondere weil sich Hinweise auf ortsfeste

neueren Forschungen betrachten das Thema jedoch aus unterschiedlicheren und komplexeren Perspektiven. Vgl. zur Forschungsgeschichte zusammenfassend: S. DE BLAAUW, s.v. Kultgebäude, in RAC 22, Stuttgart 2007, Sp. 286-287.

9 Vgl. auch U. VERSTEGEN, Gemeinschaftserlebnis in Ritual und Raum. Zur Raumdisposition in frühchristlichen Basiliken des 4. und 5. Jahrhunderts, in A. SCHÄFER, U. EGELHAAF-GAISER (ed.), Religiöse Vereine in der römischen Antike. Un-tersuchungen zu Organisation, Ritual und Raumordnung (Studien und Texte zu Antike und Christentum 13), Tübingen 2002, S. 261-297.

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Elemente der Raumausstattung erhalten haben. Als weiteres Kri-terium war ihre zeitliche und räumliche Nähe zu aussagefähigem Quellenmaterial ausschlaggebend. Wie in der Forschung nämlich mittlerweile deutlich geworden ist, sind die spezifischen Gegeben-heiten regional so unterschiedlich, dass es nicht zulässig ist, Quel-len aus einer Region mit Bauten aus einer anderen in Verbindung zu bringen10. Auch ist nach Möglichkeit die ehemalige Funktion des Gebäudes als Bischofs-, Gemeinde-, Pilger- oder Klosterkirche oder auch als Coemeterialbau zu berücksichtigen, falls sich diese eruieren lässt, sowie eine eventuelle konfessionelle Zugehörigkeit, denn oftmals wird vergessen, dass in einer Stadt beispielsweise eine orthodoxe und eine arianische oder auch eine donatistische Gemeinde gleichermaßen existiert haben können.

SBEITLA/SUFETULA

Die älteste Bischofskirche von Sufetula in der nordafrikani-schen Provinz Byzacena (heute Sbeitla in Tunesien) entstand um

10 Es existieren bereits für mehrere Regionen Untersuchungen zu den litur-gischen Installationen in Kirchenräumen und zu deren Nutzung im christlichen Kult. Als Beispiele für Überblickswerke sowie für Regionalstudien seien hier ge-nannt: H. BRANDENBURG, Kirchenbau und Liturgie. Überlegungen zum Verhältnis von architektonischer Gestalt und Zweckbestimmung des frühchristlichen Kultbaues im 4. und 5. Jh., in C. FLUCK (ed.), Divitiae Aegypti. Koptologische und verwandte Stu-dien zu Ehren von Martin Krause, Wiesbaden 1995, S. 36-69; S. DE BLAAUW, Cul-tus et decor. Liturgia e architettura nella Roma tardoantica e medievale (Studi e testi 355/356), Città del Vaticano 1994; S. DONCEEL-VOÛTE, Les pavements des ég-lises byzantines de Syrie et du Liban. Décor, archéologie et liturgie (Publications d’histoire de l’art et d’archéologie de l’Université Catholoque de Louvain 69), Lou-vain-La-Neuve 1988; C. GODOY FERNÁNDEZ, Arqueología y liturgia - iglesias hispáni-cas (siglos IV al VIII) (Publicacions de la Universitat de Barcelona 12), Barcelo-na 1995; G. LICCARDO, Architettura e liturgia nella Chiesa antica, Mailand 2005; Li-turgical installations from late antiquity to the gothic period. 5th international col-loquium, Motovun, 29.-31. 05. 1998, in Hortus Artium Medievalium 5 (1999); S. MAGGIANI (ed.), Gli spazi della celebrazione rituale, (Collana Studi di liturgia N.S. 46), Roma 2005; T. F. MATHEWS, The Early Churches of Constantinople. Architectu-re and Liturgy, London 1971; A. MICHEL, Les églises d’époque byzantine et umayy-ade de Jordanie (provinces d’Arabie et de Palestine), Ve-VIIIe siècle. Typologie ar-chitecturale et aménagements liturgiques (avec catalogue des monuments) (Biblio-thèque de l’antiquité tardive, Turnhout 2001); C. J. A. C. PEETERS, De liturgische dispositie van het vroechristelijk kerkgebouw. Samenhang van cathedra, leesplaats en altaar in de basiliek van de vierde tot de zevende eeuw, Assen 1969; S. RISTOW, Ambonen und Soleae in Gallien, Germanien und Noricum im Frühmittelalter, in RACr 80 (2004), S. 289-311; J.-P. SODINI, Les dispositifs liturgiques des basiliques paléochrétiennes en Grèce et dans les Balkans, in Corsi di Cultura sull’Arte Raven-nate e Bizantina 31 (1984), S. 441-473; VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9).

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die Mitte des 4. Jahrhunderts durch einen Umbau aus einem äl-teren öffentlichen Gebäude (fig. 1)11. Im urbanistischen Gefüge liegt der Bau an zentraler Position, ist in die umgebende Bebau-ung jedoch so stark eingebunden, dass er städtebaulich kaum in Erscheinung tritt. Die halbkreisförmige Apsis war nach Süden zum

11 Diese Datierung von Noël Duval für Phase I des Kirchenbaus basiert auf wenigen Münzfunden, sowie historischen Überlegungen. Stratigraphische Hinwei-se ergeben sich über den darauf folgenden Bauzustand (Phase II), der frühestens um die Mitte des 5. Jahrhunderts (t.p.: vandalische Münze), wahrscheinlich erst gegen Ende des 5. bzw. zu Beginn des 6. Jahrhunderts ausgeführt wurde, vgl. N. DUVAL, Les basiliques de Sbeitla à deux sanctuaires opposés (Basiliques I, II et IV), (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 218), Paris 1971, S. 85-87. Die Identifizierung des Gebäudes mit der Bischofskirche der katholi-schen Gemeinde Sbeitlas – es existierte auch eine donatistische – nimmt Duval aufgrund des hier gelegenen Bischofsgrabs des Iucundus vor, der 411 als einer der katholischen Bischöfe an der Synode von Karthago teilnahm.

Fig. 1 – Sbeitla/Sufetula (Tunesien), Bischofskirche, Grundriss der ersten Bau-phase, ca. Mitte 4. Jh. (U. VERSTEGEN nach DUVAL (op. cit. Anm. 11), S. 86 Abb.

80).

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dahinter anschließenden Decumanus Maximus, einer der beiden städtischen Hauptstraßen, gerichtet, von wo aus ein Zutritt zum Baukomplex der Bischofskirche nachgewiesen ist. Der durch dop-pelte Stützenreihen in drei Schiffe untergliederte Kirchenbau be-saß ein der Apsis gegenüber liegendes Portal zum Mittelschiff hin und zwei symmetrisch angeordnete Zugänge in die Seitenschif-fe im zweiten Joch von der Apsis aus12. Das Portal im westlichen Seitenschiff vermittelte insbesondere zum benachbarten Baptisteri-um. Wie sich aus der zwar teilweise wieder aufgerichteten, 4,60 m hohen südöstlichen Seitenmauer ablesen lässt, waren die Seiten-schiffe nicht durchfenstert (fig. 2). Die durch die Seitenschiffpor-

12 Die Maße des Baues betragen: ca. 16,50 m lichte Breite und knapp 30 m Länge inklusive der Apsis.

Fig. 2 – Sbeitla/Sufetula (Tunesien), Bischofskirche, östliche Seitenschiffmauer von Osten, Aufnahme 2001 (Foto U. Verstegen).

tale gebildete Achse verläuft direkt vor einer durch Schranken ab-getrennten Zone, die die Apsis und das anschließende Langhaus-joch in der Mittelschiffbreite umschließt. Genau in der Mitte des verbleibenden Raumes im Mittelschiff befindet sich ein weiterer abgeschrankter Bereich mit annähernd quadratischen Ausmaßen von 3,70 m x 3,50 m (fig. 3), der eine axiale Zugangsmöglichkeit auf der zum Chor gerichteten Seite aufweist. Wahrscheinlich be-

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standen die hier angebrachten Abtrennungen aus Holz13. Die bei-den Durchgänge zu den abgeschrankten Zonen liegen in der Mit-telachse der Kirche und sind aufeinander bezogen. Wie durch zahl-reiche Vergleichsbeispiele in frühchristlichen Kirchen und schrift-lichen Quellen belegt werden kann, handelt es sich bei den durch die Schranken im Mittelschiff abgetrennten Raumkompartimenten um Areale, die für den Klerus reserviert waren14.

13 DUVAL (op. cit. Anm. 11), S. 36.14 A. M. SCHNEIDER, s.v. Cancelli, in RAC 2, Stuttgart 1954, S. 837-838; T. F.

MATHEWS, An Early Roman Chancel Arrangement and Its Liturgical Function, in RACr 38 (1962), S. 73-95; C. DELVOYE, s.v. Bema, in RBK 1, Stuttgart 1966, Sp. 583-599; IDEM, s.v. Cancelli, in RBK 1, Stuttgart 1966, Sp. 900-931; J. A. IÑIGUEZ HERRERO, El altar cristiano. De los origenes a Carlomagno (s. II - año 800) (Colec-ción historia de la Iglesia 9), Pamplona 1978, S. 73-74, 128-129; J. BRANHAM, Sacred Space under Erasure in Ancient Synagogues and Early Churches, in ArtB 74 (1992), Nr. 3, S. 375-394; A. GUIGLIA GUIDOBALDI, La scultura di arredo liturgi-co nelle chiese romane. Il momento bizantino, in F. GUIDOBALDI, A. GUIGLIA GUIDO-BALDI (ed.), Ecclesiae urbis. Atti del congresso internazionale di studi sulle Chiese di Roma (IV-X secolo), Roma, 4-10 settembre 2000 (Studi di antichità cristiana 59), Città del Vaticano 2002, S. 1479-1524; GERSTEL (op. cit. Anm. 7). – Im Rah-men der Untersuchung der umfangreichen Marmorausstattung der Hagia Sophia in Istanbul mit Vergleichsmaterial: C. BARSANTI, A. GUIGLIA GUIDOBALDI, Santa So-

Fig. 3 – Sbeitla/Sufetula (Tunesien), Bischofskirche, Altarabschrankung der ersten Bauphase im Mittelschiff mit jüngerer Altarstandplatte, Aufnahme 2001 (Foto U.

Verstegen).

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Jürgen Christern und Noël Duval, den maßgeblichen Bearbei-tern der tunesischen Kirchenbauten, gelang der Nachweis, dass sich der Altar nicht innerhalb derjenigen Abschrankung befand, welche die Apsis einschloss, sondern dass er in der zweiten Zone inmitten des Langhauses aufgestellt war15. Das Fußbodenniveau in der Apsis war gegenüber dem übrigen Raum geringfügig um ca. 10-20 cm angehoben. Auch wenn in Sbeitla keine archäologischen Hinweise dafür mehr existieren, kann nach den gängigen Gepflo-genheiten angenommen werden, dass sich hier die Sitzbänke der Presbyter und die im Scheitel positionierte Kathedra des Bischofs befanden16. Im Bereich der Altarzone wurde keine Fußbodenerhö-hung festgestellt. Obwohl der Altar von Schranken umgeben war, weist seine architektonische Fixierung im Kirchenraum durch die Lage inmitten des Mittelschiffs zwischen Kleriker- und Laienver-sammlung, sowie durch seine Position auf demselben Niveau wie der Gläubigenraum auf ein eher offenes Raumgefüge und ein ge-stalterisches Konzept mit stark integrativen Zügen hin.

Diese zunächst unerwartete Position des Altars inmitten des Mittelschiffs ist in nordafrikanischen Kirchenbauten nicht singu-lär17. Sie wird wahrscheinlich sogar auf einem Grabmosaik aus Tabarka/Thabraca (fig. 4) dargestellt, das sich im Bardo-Museum in Tunis befindet und im zweiten Langhausjoch vor der Apsis ei-nen gitterartig abgeschrankten Bereich zeigt, aus dem vermutlich drei brennende Kerzen emporragen18.

fia di Costantinopoli. L’arredo marmoreo della Grande Chiesa giustinianea (Studi di antichità cristiana 60), Cit tà del Vaticano 2004.

15 J. CHRISTERN, Die Grundrißtypen der frühchristlichen Basiliken in Algerien und Tunesien, Diss. Bonn 1960, Bonn 1969, S. 89-93. DUVAL (op. cit. Anm. 11), S. 36. Es existiert kein archäologischer Hinweis darauf, dass der Altar von ei-nem Ziborium überfangen war.

16 Erwähnt bereits in den frühen Kirchenordnungen: Didasc. 12; Const. Ap. 2,57,3 (SC 320, 312). Vgl. E. STOMMEL, Die bischöfliche Kathedra im christlichen Altertum, in Münchener theologische Zeitschrift 3 (1952), S. 17-32; M. ALTRIPP, Be-obachtungen zu Synthronoi und Kathedren in byzantinischen Kirchen Griechen-lands, in BCH 124 (2000), S. 377-412; J. DRESKEN-WEILAND, W. DREWS, s.v. Kathe-dra, in RAC 20, Stuttgart 2004, Sp. 629-632.

17 N. DUVAL, Les installations liturgiques dans les églises paléochrétiennes, in Liturgical installations from late antiquity to the gothic period. 5th international colloquium, Motovun, 29.-31.5.1998, in Hortus Artium Medievalium 5 (1999), S. 18; N. DUVAL, s.v. Numidien, Mauretanien u. Africa proconsularis, in RBK 7, Stutt-gart 2008, Sp. 75. Sie kommt beispielsweise auch in Sabratha (Provinz Tripoli-tanien) und Karthago (Provinz Africa Proconsularis) vor.

18 A. BEN ABED-BEN KHADER (ed.), Image in Stone. Tunisia in Mosaic, Paris 2003, tav. 373 (hervorragende Abbildung, aber mit Seitenknick); W. GESSEL, Mo-numentale Spuren des Christentums im römischen Nordafrika (AW Sondernum-mer 12.1981), Feldmeilen 1981, S. 26-30. Gessel hält die Kerzen für einen Re-

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Hinweise auf die Nutzung dieser Kirchenbauten finden sich vor allem im reichen Schrifttum Augustins, der von 395 bis zu seinem Tod 430 Bischof von Hippo im Nordosten des heutigen Algerien war. So lässt sich aus einer Stelle im „Gottesstaat“ zum einen entnehmen, dass die Laien nach Geschlechtern getrennt die Kirche betraten und dem Gottesdienst beiwohnten, zum anderen, dass Lesungen und Predigt von erhöhter Stelle im Kirchenraum abgehalten wurden19. Mehrere Hinweise belegen, dass die Vorste-her der Gemeinde an erhöhter Position im Raum Platz nahmen20

staurierungsfehler. Dem würde ich aufgrund des Vorhandenseins ähnlicher Ker-zen auf anderen nordafrikanischen Mosaiken nicht zustimmen, konnte aber bis-lang keine Autopsie am Original vornehmen.

19 Aug., civ. 2,28 (BKV2 1: Augustinus 1,126): „…weil die Scharen in keuscher Feierstimmung, nach Geschlechtern ehrbar getrennt, zur Kirche strömen, um dort zu vernehmen, wie sie sich für die kurze Spanne Zeit hienieden eines guten Wan-dels zu befleißen haben, damit sie nach diesem Leben selig und immerdar zu le-ben verdienten; um dort, wo die Heilige Schrift und die Lehre der Gerechtigkeit von erhöhter Stelle aus vor allen Anwesenden ertönt, sie zu hören zum Heile, wenn sie danach handeln, oder zum Gerichte, wenn sie nicht danach handeln.“

20 Aug., serm. 91,5 (PL 38,569): Oportet itaque ut in congregatione Christiano-rum praepositi plebis eminentius sedeant (Es ziemt sich deshalb, dass bei der Zu-sammenkunft der Christen die Vorsteher der Gemeinde an erhöhter Stelle Platz nehmen); Aug., epist. 23,3 (CSEL 34,1,66): In futuro Christi iudicio nec apsides gradatae nec cathedrae velatae … adhibentur ad defensionem (Im zukünftigen Ge-richt Christi wird es weder durch Stufen erhöhte Apsiden noch durch verhüllte Kathedren … eine Möglichkeit zur Verteidigung geben).

Fig. 4 – Grabmosaik der Valentia mit Darstellung einer frühchristlichen Kirche, 4. Jh., Maße: 230 x 115 cm, aus der Friedhofsbasilika von Tabarka/Thabraca (Tu-nesien), Aufbewahrungsort: Tunis, Bardo-Museum (nach: GESSEL (op. cit. Anm.

18), S. 34 Abb. 53a).

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und der Bischof im Sitzen predigte – also wahrscheinlich von der bischöflichen Kathedra in der Apsis aus –, während die Gemein-de die Predigt stehend verfolgte und dabei Zwischenrufe machte21. Für die Schriftlesungen konnte möglicherweise ein portables höl-zernes Lesepult im Raum aufgestellt werden22. Nach der Predigt, die die Laien aus akustischen Gründen wohl möglichst nahe der Apsis stehend verfolgt hatten, bewegten sie sich zur Altarzone im Mittelschiff und stellten sich auf drei Seiten um diese herum23.

Im Zusammenhang einer Predigt über die Buße und das kom-mende Gericht sagt Augustin: „Denn an diesen Altar, der nun in der Kirche auf den Boden gesetzt ist (nunc in ecclesia est in terra positum) und der den irdischen Augen gezeigt wird (terrenis ocu-lis expositum), um die Zeichen der heiligen Mysterien sichtbar zu zelebrieren, können auch viele Frevler herantreten“24. Es ist wahr-scheinlich, dass sich diese Aussage genau auf die Situation des in-mitten des Laienraumes ebenerdig aufgestellten Altars bezieht, die auch im archäologischen Befund und im Mosaik aus Tabarka über-liefert ist. Schließlich ist zu erwähnen, dass die Kommunionaus-teilung gemäß einer Predigt Augustins im Bereich von Schranken stattgefunden haben muss, also an der Grenze von Kleriker- und Laienraum25. Hierbei dürfte es sich um die Schranken der Altar-zone gehandelt haben.

Wie aus der Zusammenschau der archäologischen Befunde und der Textstellen deutlich wird, werden die unterschiedlichen Ele-mente des christlichen Kultgeschehens – Schriftlesung, Predigt, eu-charistisches Opfer – mit Hilfe ortsfester Installationen oder fest

21 Aug., serm. 355,1,2 (PL 39,1569): Ego sedens loquor, vos stando laboratis (Ich spreche sitzend, während ihr stehend ausharrt); Aug., in evang. Ioh. 3,21 (CCL 36,30): Fratres mei, unde clamatis, unde exultatis? (Meine Brüder, woher ruft ihr, woher jauchzt ihr).

22 Aug., serm. 359 B,23 (F. DOLBEAU (ed.), Augustin d’Hippone, Vingt-six ser-mons au peuple d’Afrique, retrouvés à Mayence (Collection des Études Augusti-niennes, Série Antiquité 147), Paris 1996, S. 344): Nos venenum petuimus, quia pulpitum de loco ad locum transferre voluimus?

23 Aug., serm. 49,8,8 (PL 38,324); Aug., enn. 25,2,10 (CCL 38,147).24 Aug., serm. 351,4,7 (PL 39,1543): Ad hoc enim altare quod nunc in eccle-

sia est in terra positum, terrenis oculis expositum, ad mysteriorum divinorum si-gnacula celebranda, multi etiam scelerati possunt accedere.

25 Aug., serm. 392,5,5 (PL 39,1712): A communione se cohibeant, qui sciunt quia novi peccata ipsorum, ne de cancellis proiiciantur. (Von der Kommunion sollen sich diejenigen fernhalten, die wissen, dass ich ihre Sünden kenne, damit sie nicht von den Schranken zurückgewiesen werden.) – Weitere Hinweise zur Aufstellung der Gemeinde um den Altar und v.a. zum wichtigen Thema der Ge-betsrichtung in den Schriften Augustins bei: S. HEID, Gebetshaltung und Ostung in frühchristlicher Zeit, in RACr 82 (2006 [2007]), S. 388-391.

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578 UTE VERSTEGEN

umschriebener liturgischer Zonen im architektonischen Raum ver-ortet. Der Vollzug der liturgischen Handlung spielt sich in erster Linie im Bereich des Mittelschiffs und der es abschließenden Ap-sis ab. Hier befinden sich die Altarstelle, die Sitze von Bischof und Klerus und die Orte von Lesungen und Predigt. Bewegungs-linien zwischen Priestersitzen und Altar unterstreichen die Bedeu-tung dieses Raumabschnitts als Aktionsraum der Zelebranten (fig. 5). Die weitere Entwicklung der Bischofskirche, aber auch ande-rer basilikaler Kirchenbauten in Sufetula im 5. und beginnen-den 6. Jahrhundert zeigt, dass der Bewegung in den Mittelschif-fen durch die Erstellung von Gangsituationen, sog. soleae, ein ar-chitektonischer Rahmen geschaffen wurde. In der Bischofskirche von Sufetula wurden die beiden einzelnen abgeschrankten Kleri-kerbereiche, das Presbyterium und der nun noch vergrößerte Al-tarbereich, durch einen ebenfalls mit Schranken ausgesonderten, schmalen Gang verbunden.

Fig. 5 – Sbeitla/Sufetula (Tunesien), Grundriss der Bischofskirche, 1. Bauphase, ca. Mitte 4. Jh., sowie 2. Phase mit solea, ca. Mitte 5. bis Anfang 6. Jh. (U. VER-

STEGEN nach DUVAL (op. cit. Anm. 11), S. 86 Abb. 80-81).

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ZAHRANI

Der Situation in Nordafrika wird nun eine Gemeindekirche aus den östlichen Reichsgebieten gegenübergestellt, nämlich Zahrani (fig. 6), zwischen Tyros und Sidon im heutigen Libanon gelegen.

Fig. 6 – Zahrani (Libanon), Gemeindekirche, Grundriss, um 389/90 (U. VERSTEGEN nach DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 433 Abb. 433, Taf. 18).

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Die Basilika in Zahrani war gewestet und von Osten über einen Vorraum betretbar. Sie folgte somit der für frühchristliche Kir-chen üblichen, durch die Gebetsrichtung beeinflussten liturgischen Ausrichtung nach Osten, die durch eine Apsisostung oder – wie in Zahrani – durch eine Fassadenostung erzielt wurde26. In der Vor-halle existierte außerdem eine Verbindung in eine südlich der Ba-silika anschließende Raumfolge, deren dritter Raum vermutlich als Baptisterium diente, worauf das Vorhandensein von zwei Piszinen hindeutet. Das Mittelschiff der Kirche zeigt noch Reste von raum-gliedernden Installationen. Vor der Apsis lag ein nahezu quadra-tisches Podium, das um 40 cm über das sonst annähernd gleiche Niveau des übrigen Raumes angehoben war27. Es war mit einem Mosaik versehen, das in der Mitte zwei Staurogramme mit Alpha und Omega aufweist, die wohl die ehemalige Altarstelle markieren und von Osten, also aus dem Langhaus lesbar waren28. Zwischen Podium und Apsiszugang befand sich eine niedrige Schranke. Die stark zerstörte Apsis zeigt zwar keine Anzeichen eines Synthronon mehr, dennoch kann der Sitz des höheren Klerus (also der Pres-byter und Diakone) hier vermutet werden29. Vor dem Altarpodi-um war eine weitere, annähernd gleich große Zone durch Schran-ken abgetrennt, deren Pfostenlöcher sich erhalten haben. Sie füll-te fast die gesamte Mittelschiffbreite aus und besaß in der Mit-telschiffachse noch einen schmalen Fortsatz nach Osten, der eine Zugangssituation gebildet haben dürfte. Dieser Raumabschnitt war der Aufenthaltsort für die Personen des niederen Klerus – Lekto-ren, Subdiakone, Priesterwitwen und Sänger –, denen kein Zutritt in die Apsis gewährt war30. Zwei symmetrisch angeordnete, runde Einlassungen am inneren Ostende dieses Vorchores dürften ehe-mals zur Verankerung von Lesepulten gedient haben31.

26 B. J. DIEBNER, Die Orientierung des Jerusalemer Tempels und die ‚Sacred Di-rection’ der frühchristlichen Kirchen, in ZDPV 87 (1971), S. 153-166; S. DE BLA-AUW, Met het oog op het licht. Een vergeten principe in de oriëntatie van het vro-egchristelijk kerkgebouw, (Nijmeegse kunsthistorische cahiers 2), Nijmegen 2000; U. M. LANG, Conversi ad Dominum. Zu Geschichte und Theologie der christlichen Gebetsrichtung, Neue Kriterien 5, Einsiedeln 2003; M. WALLRAF, Gerichtetes Gebet. Wie und warum richten Juden und Christen in der Spätantike ihre Sakralbauten aus?, in A. GERHARDS (ed.), Dialog oder Monolog? Zur liturgischen Beziehung zwi-schen Judentum und Christentum, (Quaestiones disputatae 208), Freiburg 2004, S. 110-127; umfassend jüngst HEID (op. cit. Anm. 25). – Weitere Hinweise zu die-sem für den frühchristlichen Sakralbau viel diskutierten Thema bei DE BLAAUW (op. cit. Anm. 8), Sp. 278-281.

27 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 438.28 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 437.29 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 438.30 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 438, 510, 519.31 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 438, 524.

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Auffällig ist, dass auch die Gestaltung der Fußbodenmosaiken in Zahrani die einzelnen liturgischen Zonen im Kirchenraum re-flektiert. Einzelne Abschnitte wurden zwar im 6. Jahrhundert er-neuert, sie veränderten aber die Gesamtanordnung nicht32. Diese stammt nach Aussage der Dedikationsinschrift aus den Jahren 389/9033.

VARIANTEN LITURGISCHER RAUMDISPOSITION UND ZONEN ABGESTUFTER SAKRALITÄT

Im Vergleich der beiden untersuchten Bauten erweist sich, dass sich in beiden Fällen keine Reste des Altars erhalten haben, was sich damit begründen lässt, dass die christlichen Altäre zu-nächst meist noch keine Fixierung in dauerhaftem Material erhiel-ten und außerdem portabel sein konnten34. Archäologische Befun-de von eingelassenen Bodenplatten belegen, dass erst ab dem En-de des 4. Jahrhunderts vermehrt fest installierte Altäre existierten. Dennoch lässt sich konstatieren, dass auch vor dieser Zeit die Al-tarstelle in den Gebäuden deutlich markiert wurde.

Vergleicht man generell die Standorte des Altars innerhalb frühchristlicher Kirchen (fig. 7), so können diese erheblich diffe-rieren. Vom Sonderfall Nordafrika mit einer Altarposition inmit-ten des Laienraumes reicht sie über zahlreiche Bauten wie Zahr-ani, in denen der Altar etwa im letzten Mittelschiffjoch vor der Apsissehne aufgestellt war bis zu Bauten im syrischen Raum wie der um die Mitte des 5. Jahrhunderts entstandenen Säulenbasili-ka von Gerade35, in denen der Altar eine vom Laienraum weit ent-

32 Es handelt sich um die Mosaiken der Vorhalle, der südlichen Anräume und am Ostabschluss des Mittelschiffs.

33 DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 429. Die Jahresangabe 500 in der In-schrift entspricht der Zeitrechnung von Sidon. Aus dieser Phase sind die östli-chen Mosaikpartien der Seitenschiffe und das U-förmige geometrische Mosaik mit Rapportmuster im Mittelschiff erhalten. Die Mosaiken im Chor und die westli-chen Abschlüsse der Seitenschiffe wurden erst im 5. Jahrhundert ausgeführt.

34 Cf. zur Praxis in Nordafrika – allerdings in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts – beispielsweise Cypr., ep. 45,2 (CSEL 3,2,600), ep. 73,2 (CSEL 3,2,780). CHRISTERN (op. cit. Anm. 15), S. 89; K. WESSEL, s.v. Altar, in RBK 1, Stuttgart 1966, Sp. 112-113; IÑIGUEZ HERRERO (op. cit. Anm. 14), S. 59-64, 110-118; N. DUVAL, L’autel pa-léochrétien. Le progrès depuis le livre de Braun (1924) et les questions à résoudre, in M. JURKOVIC (ed.), The Altar from the 4th to the 15th Century, in Hortus Artium Medievalium 11 (2005), S. 13. Zum fest installierten Altar jüngst: U. PESCHLOW, Altar und Reliquie. Form und Nutzung des frühbyzantinischen Reliquienaltars in Konstantinopel, in ALTRIPP, NAUERTH (op. cit. Anm. 7), S. 175-202.

35 Ausführliche Analyse der liturgischen Raumdisposition von Gerade mit weiterer Literatur: VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 271-274.

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rückte Positionierung im Apsisscheitel besitzt. Dies wird dadurch möglich, dass die Sitzplätze des Klerus in das Mittelschiff hinein-gezogen werden (ein sog. syrisches Bema)36. Gemeinsam ist allen Bauten eine deutliche Fixierung der Altarposition im Raum, die mit architektonischen Mitteln wie einem Podium oder Schranken, gestalterischen Mitteln wie einer Mosaikkomposition oder symboli-

36 Zu syrischen Bauten und speziell dem syrischen Bema: R. F. TAFT, Some Notes on the Bema in East and West Syrian Tradition, in OrChrPer 34 (1968), S. 326-359; G. TCHALENKO, Églises Syriennes à bêma (Bibliothèque archéologique et historique 105), Paris 1979-1990; E. RENHART, Das syrische Bema. Liturgisch-ar-chäologische Untersuchungen, (Grazer theologische Studien 20), Graz 1995; C. STRUBE, Rez. in JbAC 35 (1992), S. 227; DUVAL (op. cit. Anm. 17), S. 21-22; E. LOOSLEY, The architecture and liturgy of the Bema in fourth – to sixth-century Sy-rian churches (Patrimoine Syriaque 2), Kaslik 2003; S. JANERAS, Le bêma syrien, icône de réalités supérieurs, in C. BRAGA, A. PISTOIA (ed.), Les enjeux spirituels et théologiques de l‘espace liturgique. Conférences Saint-Serge LIe Semaine d‘Études Liturgiques, Paris, 28 juin – 1er juillet 2004 (Bibliotheca Ephemerides liturgicae Subsidia 135), Roma 2005, S. 117-132.

Fig. 7 – Grundrissvergleich frühchristlicher Basiliken mit Eintragung von Chor (hellgrau), Priestersitzen, Altarposition und Leseplatz (U. Verstegen).

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DIE SYMBOLISCHE RAUMORDNUNG FRÜHCHRISTLICHER BASILIKEN 583

schen Mitteln wie sakralen Zeichen erfolgt. Die geringe Höhe der Podien und Schranken weist darauf hin, dass diese Maßnahmen in erster Linie der Freistellung des Altars und der Fixierung des sakralen Ortes im Raum dienten. Auch zur Markierung des Kle-rikerbereichs im Versammlungsraum bzw. zur räumlichen Tren-nung des hohen vom niederen Klerus werden entsprechende Mit-tel eingesetzt.

In Zahrani sind die in der Apsis zu rekonstruierende Pries-terbank und der Altar eng aufeinander bezogen, eine liturgische Raumdisposition, die Sible De Blaauw als „konzentrierte Disposi-tion“ bezeichnet und die in frühchristlichen Kirchenräumen sehr häufig ist37. Zwischen Altar und Laienraum ist noch ein Zwischen-raum eingefügt, der in Zahrani vom niederen Klerus und für die Lesungen genutzt wurde. In Sbeitla und Gerade sind Presbyteri-um und Altarraum voneinander getrennt. De Blaauw nennt die-ses Phänomen „gespreizte Disposition“ und subsumiert unter die-sem Begriff beide Typen räumlicher Organisation mit getrennter Anordnung von Priestersitzen und Altar38.

Einlassungen für Lesepulte zeigen, dass auch die Handlungen während des Wortgottesdienstes eine feste räumliche Positionie-rung im Gebäude einnehmen konnten. In Zahrani lagen die Le-sepulte inmitten des Mittelschiffs genau an der Grenze des Pres-byteriums zum Laienraum, was mit dem Wunsch nach einer gu-ten Hörbarkeit des Vorgetragenen im gesamten Raum zusammen-hängen dürfte. Ähnliches ist in Gerade der Fall. Größere, fest in-stallierte Anlagen, sog. Ambone, von denen aus die Schriftlesun-gen vorgetragen und mancherorts gelegentlich wohl auch gepre-digt wurde, sind erst ab dem ausgehenden 5. Jahrhundert archä-ologisch nachweisbar und v. a. im östlichen Mittelmeerraum bzw. in von Konstantinopel beeinflussten Regionen verbreitet39.

37 DE BLAAUW (op. cit. Anm. 8), Sp. 375-377; cf. auch VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 276.

38 DE BLAAUW (op. cit. Anm. 8), Sp. 377-379; cf. auch VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 276.

39 G.P.P. VRINS, De Ambon. Oorsprong en verspreiding tot 600, in E. VAN DER GRINTEN (ed.), Feestbundel F. van der Meer. Opstellen aangeboden aan Prof. Dr. F. G. L. van der Meer ter gelegenheid van zijn zestigste verjaardag op 16 November 1964, Amsterdam 1966, S. 11-55; E. KOURKOUTIDOU-NIKOLAIDOU, Les ambons paléoch-rétiens à Thessalonique et à Philippes, in Corsi di Cultura sull’Arte Ravennate e Bi-zantina 31 (1984), S. 255-275; S. JAKOBS, Die frühchristlichen Ambone Griechen-lands, Bonn 1987; J.-P. SODINI, L’ambon dans l’église primitive, in La Maison-Dieu 193 (1993), S. 39-51; RISTOW (op. cit. Anm. 10); I. PAVIC, Untersuchungen zu Li-turgie und Ritus im spätantiken Salona. Ambone und Fußwaschbecken, in ALTRIPP, NAUERTH (op. cit. Anm. 7), S. 39-51; DE BLAAUW (op. cit. Anm. 8), Sp. 387-388.

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Der Raum der Akteure der Liturgie dehnt sich in den betrach-teten Bauten unterschiedlich weit in das Mittelschiff aus, kann durch ein Podium hervorgehoben sein und ist durch Schranken begrenzt und abgetrennt. Auch wenn in einem frühchristlichen Kir-chenbau im heutigen Baubestand keine Abschrankungen mehr ar-chäologisch nachweisbar sind, ist nicht auszuschließen, dass solche ehemals vorhanden waren und aus vergänglichem Material oder aus Edelmetall bestanden. Eusebius von Caesarea erwähnt in sei-ner berühmten, um 315 verfassten Beschreibung der Kathedrale von Tyros beispielsweise hölzerne Cancelli um den Altar, damit er „für die Menge unzugänglich“ sei, wie er wörtlich sagt40.

Im Gegensatz zum Klerikerbereich findet keine deutliche Fixie-rung des Laienraumes in den Gebäuden statt. Er wird sozusagen ex negativo definiert als derjenige Abschnitt, der außerhalb des ab-gegrenzten Presbyteriums übrig bleibt. Innerhalb des Laienraumes haben sich keine gliedernden Elemente erhalten, so dass sich aus den betrachteten Bauten keine Aussagen darüber ableiten lassen, wo sich die Gemeinde genau aufgehalten hat oder ob bestimm-te Gruppierungen innerhalb der Gemeinde vorgenommen wurden. Mehrere Quellen des 4. und 5. Jahrhunderts, die vorwiegend aus dem syrischen Gebiet, aber auch aus Nordafrika und Konstanti-nopel stammen, geben Hinweise darauf, dass Männer und Frau-en in getrennten Gruppen am Gottesdienst teilnahmen und teil-weise eigene Zugänge zum Kirchenbau besaßen, die von Ostia-riern oder Diakoninnen überwacht wurden41. Teilweise existieren Anzeichen dafür, dass die nach Geschlechtern getrennten Grup-pen im Raum hintereinander, teilweise dafür, dass sie nebenein-ander Platz fanden42. Mehrere Konstantinopler Quellen enthalten

40 Eus., h. e. 10,4,44 (GCS 9,2,875).41 H. SELHORST, Die Platzordnung im Gläubigenraum der altchristlichen Kirche,

Münster 1931; CHRISTERN (op. cit. Anm. 15), S. 151-153; DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 526; VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 278-279; G. SIGNORI, Links oder rechts? Zum ‚Platz der Frau‘ in der mittelalterlichen Kirche, in S. RAU, G. SCHWER-HOFF (ed.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Norm und Struktur 21), Köln 2004, S. 345-346.

42 Didasc. 12 (CCO 408, Scr. Syr. 180,131); Const. Ap. 2,57,4 (SC 320,312). Die Didascalia Apostolorum, eine Kirchenordnung, die wahrscheinlich im 3. Jahrhun-dert in Nordsyrien entstand, sowie die Apostolischen Konstitutionen, eine u.a. auf den Didascalia basierende Kirchenordnung, die wahrscheinlich um 380 in Anti-ochia verfasst wurde, sprechen von einer quergeteilten Aufstellung der Laien im Gemeinderaum: zuvorderst stehen die Männer, dahinter die Frauen. Innerhalb der beiden Gruppen werden mehrere Untergruppierungen erwähnt in Jünglin-ge, Ältere, Kinder, Jungfrauen, verheiratete Frauen, Greisinnen und Witwen, cf. Const. Ap. 2,57,11-12 (SC 320,314-317). Diesen sozialen Zuordnungen entsprach möglicherweise auch eine räumliche Gruppierung im Gemeinderaum, da über

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Indizien für den Aufenthalt von Frauen auf Emporen, wenn sol-che vorhanden waren43.

Die Partizipation der einzelnen Person am liturgischen Ge-schehen vollzieht sich außer über ihren definierten Aufenthalts-bereich auch über die Gewährung bzw. Unterbindung von Sicht- und Hörverbindungen. Die üblicherweise niedrigen Schranken er-lauben zwar keinen räumlichen Zutritt, aber dennoch optischen und akustischen Kontakt. Ein solcher verringert sich erheblich oder wird völlig unmöglich, wenn der Altar hinter Vorhängen ver-borgen wird, wie dies für Bauten wie das oben erwähnte Gerade in Nordsyrien anzunehmen ist (fig. 8)44. Aufgrund von Einlasslö-chern, die vermutlich von Vorhangstangen herrühren, ist hier da-von auszugehen, dass sowohl die Apsis mit dem Altar und die dort vollzogenen Handlungen als auch der gesamte Bereich des Zwi-schenchors zwischen Bema und Apsis den Blicken entzogen wer-den konnten.

Das Schließen bzw. Öffnen eines Vorhangs zwischen Chor und Sanktuarium wird v. a. an mehreren Stellen in syrischen liturgi-schen Quellen seit dem Ende des 4. Jahrhunderts erwähnt45. Sie weisen darauf hin, dass dieser Vorhang die meiste Zeit über ge-schlossen blieb und nur anlässlich des Betretens oder Verlassens des Altarraumes durch den exklusiven Personenkreis des höheren Klerus beiseite gezogen wurde46. Eine Ausnahme war die Konse-

die Einhaltung der Ordnung ein Diakon wachte. Das wohl ebenfalls im syrischen Raum verfasste Testamentum Domini aus dem 5. Jahrhundert schreibt eine Ge-schlechtertrennung in Längsrichtung fest: domus habeat a dextera et a sinistra porticus duas, unam pro viris, alteram pro mulieribus, cf. Test. Dom. 1,19 (nach der lat. Übersetzung durch I.E. RAHMANI, Mainz 1899, S. 24-25).

43 Choric., Laud. Marc. 2,47; Procop., aed. 1,1,55-58; Paul. Sil., Descr. S. So-phiae 389, 562, 578. Cf. MATHEWS (op. cit. Anm. 10), S. 130-134; R.F. TAFT, Women at Church in Byzantium. Where, When – and Why, in DOP 52 (1998), S. 27-87.

44 Aus Tchalenkos Publikation geht allerdings nicht deutlich hervor, ob die Einlassungen bereits in der ersten Bauphase vorhanden oder Gegenstand spä-terer Veränderungen waren. Zur knappen Beschreibung vgl. TCHALENKO (op. cit. Anm. 36), Textband 1990, S. 195-196.

45 G. KRETSCHMAR, Die frühe Geschichte der Jerusalemer Liturgie, in Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 2 (1956) S. 33; G. KHOURI-SARKIS, Notes sur l’anaphore syriaque de Saint Jacques. Prière du voile, in L’Orient Syrien 5 (1960), S. 363-384; 7 (1962), S. 277-296; 8 (1963), S. 3-20; DONCEEL-VOÛTE (op. cit. Anm. 10), S. 520. Ausführlich unter Angabe zahlreicher Quellenbelege zuletzt: R.F. TAFT, The Decli ne of Communion in Byzantium and the Distancing of the Congrega tion from the Liturgical Action. Cause, Effect or Neither, in GERSTEL (op. cit. Anm. 7), S. 40-50.

46 Das Testamentum Domini nennt als Angehörige der Personengruppe, die das Sanktuarium intra velum betreten durften, außer dem Bischof presbyteris, diaconis, viduis, canonicis, hypodiaconis, diaconissis, lectoribus (et) habentibus

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charismata, vgl. Test. Dom. 1,23 (nach der lat. Übersetzung durch I. E. RAHMA-NI, Mainz 1899, S. 34-37). Auf S. 34 Anm. 3 weist Rahmani darauf hin, dass in der koptischen Textversion eine andere Gruppenzusammenstellung genannt wird, was bereits auf eine gewisse Variabilität in den Kompetenzen der einzel-nen Klerikergruppen hindeutet.

Fig. 8 – Gerade (Syrien), isometrische Rekonstruktion, ca. Mitte 5. Jahrhundert (nach: TCHALENKO (op. cit. Anm. 36), Tafelbd., S. 299 Taf. 487).

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kration der eucharistischen Gaben, für die der Vorhang geöffnet wurde. Die Laien und der niedere Klerus hatten demnach wäh-rend eines Großteils der eucharistischen Handlung keinen Sicht-kontakt, sondern konnten lediglich die meist laut gesprochenen Gebete durch den geschlossenen Vorhang vernehmen47. Sie waren jedoch durch Akklamationen und wechselseitige Gebete in den li-turgischen Handlungsverlauf einbezogen und nicht nur als passive Zuhörerschaft anwesend. Beim Höhepunkt der liturgischen Hand-lung war auch ihnen eine visuelle Anteilnahme gegeben.

Binnengliederung, Raumausstattung und Ritus schaffen in sol-chen Fällen Zonen abgestufter Heiligkeit im Raum, die am Altar als „Allerheiligstem“ kulminieren48.

SEITENSCHIFFABSCHRANKUNGEN

In den hierarchischen Abstufungen im Raumgefüge nehmen die Seitenschiffe eine gegenüber dem Mittelschiff deutlich unterge-ordnete Position ein. Im eingangs genannten Sammelband „Thres-holds of the Sacred“ hat Urs Peschlow darauf hingewiesen, dass in zahlreichen Basiliken des 5. bis 7. Jahrhunderts – vornehmlich der östlichen Reichsteile – die Seitenschiffe durch Barrieren na-hezu vollständig vom Mittelschiff abgetrennt waren49. Es handel-te sich meist um hüft- bis schulterhohe, steinerne Schrankenplat-ten, die man in die Interkolumnien der Säulenreihen einspannte (fig. 9). Sie waren zur Verankerung entweder in rechteckige Aus-klinkungen in den Säulenbasen und -plinthen eingepasst oder am unteren Ende der Platte so ausgearbeitet, dass sich die Platten als Negativ an das Profil der Basen anpassten. Oberhalb der Schran-kenplatten finden sich in den Säulenschäften oder im Mauerwerk in manchen Bauten zusätzliche Vertiefungen, wahrscheinlich Ein-lassungen für Vorhangstangen. Wenn diese Vorhänge geschlossen

47 Zur entsprechenden Situation in Rom vgl. DE BLAAUW (op. cit. Anm. 10), Bd. 1, S. 94; HEID (op. cit. Anm. 25), S. 396-397; zu leise gesprochenen Textab-schnitten in der Liturgie vgl. Kretschmar (op. cit. Anm. 45), S. 28-32.

48 Eus., h.e. 10,4,44 (GCS 9,2,875) nennt die Altarzone in seiner berühmten Kirchweihpredigt in der Bischofskirche von Tyrus im Jahr 315 beispielsweise tæ t%n £g…wn §gion. Er lehnte sich mit dieser Wortwahl an den Ausdruck t© §gia t%n £g…wn an, mit dem in der Septuaginta der innerste, mit Gold ausgekleidete und mit zwei Cherubim versehene Hauptraum des salomonischen Jerusalemer Tempels beschrieben wird (2 Chron 3, 10).

49 U. PESCHLOW, Dividing Interior Space in Early Byzantine Churches. The Bar-riers between the Nave and Aisles, in GERSTEL (op. cit. Anm. 7), S. 52-71.

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waren, existierte kein Sichtkontakt mehr ins Mittelschiff. Ähnliche Abtrennungen zeigen mehrere Kirchen in Philippi, in denen an-grenzend an die Säulenreihen im Seitenschiff gesonderte Schran-kenreihen installiert wurden, zwischen denen Säulchen auf Posta-menten einen Architrav trugen, an dem wiederum Vorhänge fest-gemacht werden konnten (fig. 10)50.

Über eine dauerhaftere Separierung der Seitenschiffe verfügte die fünfschiffige Basilika Hag. Demetrios in Thessaloniki, wo das Fußbodenniveau der inneren Seitenschiffe um nahezu 50 cm ge-genüber dem Mittelschiff abgesenkt war und zusätzlich ein 80 cm hoher, gemauerter Stylobat unter den Mittelschiffsäulen durchlief. Das Geschehen im Mittelschiff konnte dort aus den Seitenschiffen

50 PESCHLOW (op. cit. Anm. 49), S. 62-65.

Fig. 10 – Philippi (Griechenland), sog. Museumsbasilika, Rekonstruktion der Schranke an der nördlichen Säulenreihe, Mitte 6. Jahrhundert (nach: E. KOUR-KOUTIDOU-NIKOLAIDOU, E. MARKI, Des innovations liturgiques et architecturales dans la basilique du musée de Philippes, in E. DASSMANN, J. ENGEMANN (ed.), Akten des XII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie, 2, JbAC Erg.bd. 20,

Münster 1995, S. 955 Abb. 5).

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also bestenfalls von unten betrachtet werden. In anderen Bauten mit ähnlichen Arrangements war möglicherweise gar kein Sicht-kontakt vom Seitenschiff ins Mittelschiff gegeben51.

Wer aber hielt sich dort auf? In Ermangelung von Quellen oder archäologischen Indizien kann Peschlow keine sichere Deu-tung dieser räumlichen Separierungen vorlegen. Auszuschließen ist beispielsweise, dass die Seitenschiffe als Aufenthaltsorte der Kate-chumenen, also der noch Ungetauften genutzt wurden, die nach der Wortliturgie von der Teilnahme am liturgischen Geschehen ausgeschlossen wurden und den Kirchenraum verlassen mussten. Im 5. und 6. Jahrhundert dürfte es aber keine hinreichend große Zahl an Taufbewerbern mehr gegeben haben, um ganze Seiten-schiffe mit ihnen zu füllen. Waren es vielleicht die Aufenthaltsorte der Laien, separiert nach Geschlechtern, so dass das gesamte Mit-telschiff als Handlungsraum des Klerus freigehalten wurde? Oder ging es vielleicht um eine optische Angleichung der Seitenschiffe an die in dieser Zeit und Region verbreiteten Emporen über den Seitenschiffen und deren Brüstungen – wie es beispielsweise in der Rekonstruktion der Emporenbasilika von Amphipolis zu sehen ist? Oder sogar schlichtweg darum, wohlhabenden Donatoren eine weitere Möglichkeit zu kostbaren Stiftungen im Kirchenraum zu geben, wie Peschlow am Ende seines Aufsatzes vermutet52?

Interessant ist, dass in allen Fällen Möglichkeiten zum Pas-sieren der Schranken, also Möglichkeiten zu Grenzüberschreitun-gen gegeben waren, worauf z. B. stark belaufene Schwellen hin-weisen53. Welche Gemeindemitglieder diese Übergänge in welchen situativen Kontexten passieren konnten, ist unklar. Es ist aber in Erwägung zu ziehen, ob nicht die Abschrankungen zwischen Mit-telschiff und Seitenschiffen einen weniger exklusiven Charakter be-saßen als Schrankenanlagen, die das Sanktuarium mit Altar und Priestersitzen einschlossen.

Während die möglichen Aufenthaltsorte eines Individuums im physikalischen, gebauten Kirchenraum einerseits Anzeichen für sei-ne Position im sozialen Gefüge der ecclesia sind, spiegeln Möglich-keiten zu Grenzüberschreitungen andererseits die liturgische Kom-petenz der einzelnen Personen wider oder haben einen Sondersta-tus in der Liturgie, wenn z. B. die Neugetauften erstmals nach der Taufe die Kommunion erhielten und vor die Gemeinde in das ab-

51 PESCHLOW (op. cit. Anm. 49), S. 60-61.52 PESCHLOW (op. cit. Anm. 49), S. 71.53 PESCHLOW (op. cit. Anm. 49), S. 55, 58, 60, 70.

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geschrankte Presbyterium traten, wie dies zur Zeit des Augustinus in Nordafrika üblich war54.

Im Zusammenhang mit den Bewegungsmöglichkeiten im Raum ist darauf hinzuweisen, dass auch die Rezeption von Bildern im Kirchenraum je nach Bewegungsfreiheit und möglichen Betracht-erstandpunkten, d.h. je nach Gruppenzugehörigkeit des Einzel-nen sehr unterschiedlich ausfallen konnte55. Fußbodenmosaiken in Chorbereichen waren für Laien prinzipiell nur an den Randzo-nen oder überhaupt nicht wahrnehmbar. Selbst ein riesiges Ap-sismosaik erschließt sich in seiner Gesamtheit oftmals nur, wenn man im Mittelschiff relativ nahe an die Apsis herantreten kann. In vielen Fällen bleibt jedoch unklar, ob dieser Raumeindruck über-haupt allen Versammelten möglich war, oder ob das Betreten des Mittelschiffs nicht nur bestimmten Personengruppen offen stand. Bei einem Aufenthalt in den Seitenschiffen ist ein entsprechender Raumeindruck auch ohne zusätzliche Abschrankungen und Vor-hänge nicht gewährleistet, da der Blick ins Mittelschiff durch die Stützenreihen verstellt ist.

HIERARCHISCHE RAUMORDNUNG UND SOZIALE HIERARCHIE

Wie sich zeigt, repräsentiert die liturgische Raumaufteilung al-so außerdem eine hierarchische Differenzierung innerhalb der ver-sammelten Gemeinde, d.h. zwischen Klerus und Laien bzw. zwi-schen niederem und hohem Klerus56. An ihr lässt sich auch eine sukzessive Differenzierung und Sakralisierung des Klerus ablesen, die sich im Verlauf der Spätantike vollzog57. Der Soziologe Pierre Bourdieu hat darauf hingewiesen, dass solche im Raum physisch erfahrbaren, sozialen Hierarchien als Stabilisatoren bestehender gesellschaftlicher Strukturen wirken58.

54 Aug., epist. 34,2 (PL 33,132): intra cancellos. Cf. auch F. VAN DER MEER, Au-gustinus der Seelsorger: Leben und Wirken eines Kirchenvaters, Köln 1951, S. 42; GODOY FERNÁNDEZ (op. cit. Anm. 10), S. 54.

55 Zum darüber hinausgehenden Problem differierender Rezeptionsebenen und Rezeptionsschwierigkeiten bei Betrachtern vgl. J. ENGEMANN, Deutung und Bedeutung frühchristlicher Bildwerke, Darmstadt 1997, S. 23-34.

56 PEETERS (op. cit. Anm. 10) sah in der hierarchisch organisierten Versammlung der christlichen Gemeinde eine der primären Funktionen christlicher Kultpraxis und im Kirchenbau ein essentielles Element der Umsetzung dieses Prinzips.

57 VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 280-282, 287.58 P. BOURDIEU, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in M.

WENTZ (ed.), Stadt-Räume, Frankfurt a.M. 1991, S. 25-34.

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Die abgestufte Ordnung innerhalb der architektonischen Raum-einheiten bzw. liturgischen Zonen wird außer durch Raumvolu-men und Podien auch durch andere gestalterische Mittel unter-strichen und äußert sich in erster Linie in der Betonung von Mit-telschiff und Apsis. Eine für die frühchristlichen Basiliken typi-sche Maßnahme der architektonischen Inszenierung bildet hier-bei die Lichtführung, die das Mittelschiff durch große Fenster im Obergaden erhellt, während die Seitenschiffe entweder mit klei-neren Fenstern versehen oder sogar nur, wie in Sbeitla, indirekt beleuchtet werden. Das Kirchenbaukapitel im Testamentum Do-mini aus dem 5. Jahrhundert, der sicherlich meist zitierten nor-mativen Quelle zum spätantiken Kirchenbau, weist in diesem Zu-sammenhang darauf hin, dass einerseits aus funktionalen Grün-den diejenigen Orte gut beleuchtet werden müssten, an denen Le-sungen stattfänden, andererseits durch die Beleuchtung Raumbe-reiche hervorgehoben werden sollten, denen ein besonderer Sym-bolgehalt zukomme59.

Eine zweite gestalterische Ebene zur Hervorhebung des unter-schiedlichen semantischen Gehalts verschiedener Raumbereiche ist in der Innenraumausstattung der Basiliken zu beobachten. Wie eine Folie legt sich die wandfeste Ausstattung vor die bauliche Grund-gestalt des Raumes und reflektiert mit ihren einzelnen Elementen (Fußbodenmosaiken, Wandmalereien, Bauornamentik etc.) formal sowie inhaltlich die Position des jeweiligen Raumsegments im Be-deutungsgefüge des Gesamtraumes60. Eine Besonderheit der spä-tantiken Architektur bei der Hervorhebung bestimmter Raumbe-reiche ist die akzentuierende Setzung von Werkstücken der Bau-ornamentik, insbesondere von Säulen und Kapitellen. Heteroge-nes Spolienmaterial, aber auch neu gefertigte Stücke wurden je nach Bedeutungsebene des einzelnen Ortes in Abstufung nach der Kostbarkeit der Ausführung, des Materials und dessen Farbigkeit im Raum platziert61. Das vitruvianische, aus der antiken Rhetorik

59 Test. Dom. 1,19 (I.E. RAHMANI, Mainz 1899, S. 24-25); RENHART (op. cit. Anm. 36), S. 130.

60 VERSTEGEN (op. cit. Anm. 9), S. 282-284; zu Bodenmosaiken: C. JÄGGI, Die Kirche als heiliger Raum. Zur Geschichte eines Parodoxons, in HAMM, HERBERS, STEIN-KECKS (op. cit. Anm. 5), S. 81-86.

61 F.W. DEICHMANN, Säule und Ordnung in der frühchristlichen Architektur, in RM 55 (1940), S. 114-130; H. BRANDENBURG, Die Verwendung von Spolien und ori-ginalen Werkstücken in der spätantiken Architektur, in J. POESCHKE (ed.), Antike Spolien in der Architektur des Mittelalters und der Renaissance, München 1996, S. 20; U. PESCHLOW, s.v. Kapitell, in RAC 20, Stuttgart 2004, Sp. 115-118. Hugo Brandenburg stellt heraus, dass sich in der Abwendung von der Reihung gleich-artiger Werkstücke und in der Verwendung heterogener Stücke und deren ak-

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stammende Konzept des Decorum, einer auf den inhaltlichen Kon-text bezogenen formalen Angemessenheit, wurde hierbei auf ein-zelne Raumabschnitte unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Be-deutung im Gesamtgefüge übertragen. So ist zu beobachten, dass in der Nähe des Altars häufig Säulen aus den wertvollsten Materi-alien und mit besonders aufwendig ausgearbeiteten Kapitellen an-gebracht oder dass in der Emporenzone weniger aufwendige Ka-pitelle als im Langhauserdgeschoss versetzt wurden. Die einzel-nen Bauglieder fügten sich somit über eine diffizile semantische Kodierung in das immanente System der nach unterschiedlichen Bedeutungsebenen abgestuften Raumzonen ein.

Ein Bauwerk, das diese Raumauffassung exemplarisch präsen-tiert, ist die ab 383 errichtete, fünfschiffige Basilika S. Paolo fuori le mura in Rom, bei der in den Mittelschiffarkaden ausgearbeitete korinthische und komposite Kapitelle auf kannelierten Säulenschäf-ten, in den Seitenschiffarkaden jedoch Vollblattkapitelle auf glatten Schäften geringerer Dimension versetzt wurden (fig. 11a-b)62.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen zum nordsyrischen Kalk-steinmassiv wies auch Christine Strube auf die bewusste Umset-zung dieses Prinzips bei der Anfertigung und Positionierung der Bauornamentik hin63. So wird beispielsweise der Apsisbogen in der dreischiffigen Säulenarkadenbasilika von Ba‘uda, die im letz-ten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts entstand, durch korinthisieren-de Pilasterkapitelle betont und ausgezeichnet. Sie unterscheiden sich in Kapitelltypus, Bearbeitungsaufwand und Plastizität deut-lich von den Säulenkapitellen der Mittelschiffstützen, bei denen man einfach ornamentierte toskanische Kapitelle und ein ionisie-rendes Stück versetzte. In der kurz darauf zwischen 390 und et-wa 403 von denselben Werkleuten errichteten Basilika von Babisqa tritt dieses System einer subtilen Steigerung des gestalterischen Aufwands in noch elaborierterer Form auf. Wiederum wird der

zentuierender Positionierung ein starker Wandel in der Baugesinnung und ein Ablösen von kaiserzeitlichen Gestaltungsprinzipien vollzieht.

62 H. BRANDENBURG, Beobachtungen zur architektonischen Ausstattung der Basi-lika von S. Paolo fuori le mura in Rom, in W. BLÜMER (ed.), Alvarium, Festschrift für Christian Gnilka, (JbAC Erg.bd. 33), Münster 2002, S. 83-107; IDEM, Die Ba-silica S. Paolo fuori le mura, der Apostelhymnus des Prudentius (peristeph. XII) und die architektonische Ausstattung des Baues, in F. GUIDOBALDI (ed.), Ecclesiae urbis. Atti del congresso internazionale di studi sulle Chiese di Roma (IV-X seco-lo), Roma, 4-10 settembre 2000, (Studi di antichità cristiana 59), Città del Vati-cano 2002, S. 1525-1604.

63 C. STRUBE, Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv 1. Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. (Damaszener Forschungen 5), Mainz 1993, S. 47-57.

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Fig. 11 – Rom, S. Paolo fuori le mura, Säulenkapitelle, um 390: a) korinthisches Kapitell der Mittelschiffarkaden, b) korinthisches Voll-blattkapitell der Seitenschiffarkaden, Aufnahmen 2007 (Fotos: U. Ver-

stegen).

a)

b)

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Apsisbogen von korinthisierenden Pilasterkapitellen getragen. Das erste an die Apsis anschließende Stützenpaar erhielt zwei korin-thisierende Vollblattkapitelle. Im nächsten Joch folgte ein eigen-tümliches Kompositkapitell, das im unteren Bereich mit Akanthus-blättern des korinthischen Typs versehen war, in der oberen Hälf-te jedoch als toskanisches Kapitell ausgearbeitet war. Die Säulen der übrigen westlichen Joche trugen einfache toskanische Kapitel-le. Von Joch zu Joch lassen sich also Abstufungen in der Bedeu-tungsebene ablesen, die nach Osten zur Apsis hin zunehmen. Die-se beschriebenen gestalterischen Differenzierungen sind Ausdruck der dem Raum inhärenten symbolischen Ordnung und waren ins-besondere bei einer Bewegung im Raum wahrnehmbar.

Eine interessante Auswirkung dieser Vorstellung zeigt sich in der Konstantinopler Bauornamentik etwa ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in der Schaffung sog. Doppelkapitelle. Diese be-sitzen zwei unterschiedlich ausgearbeitete Seiten, wobei eine Sei-te reicher gestaltet ist als die andere, z. B. einen aufwendigeren Blattschnitt besitzt64. Hier ist anzunehmen, dass die tiefer relie-fierte und reicher ausgearbeitete Seite zum bedeutenderen Raum-teil, also z. B. zum Mittelschiff wies, die weniger ausgearbeitete zur untergeordneten Raumpartie gewandt versetzt war.

BILDORT UND LITURGIE

Die symbolische Raumordnung der Kirchenbauten wird nicht nur durch den angemessenen Einsatz semantisch kodierter For-men des Decorum kommuniziert, sondern auf einer weiteren Ebene auch durch räumliche Bezüge zwischen Orten liturgischer Hand-lung und Bildaussagen hier eingesetzter Medien wie beispielswei-se Wandmalereien oder Mosaiken. Erst in den letzten Jahren wur-de erkannt, dass hierbei die Verbindung von Bildaussage, Bild-ort und Liturgie eine wichtige Rolle spielt, ein bildwissenschaft-licher Ansatz, der für frühchristliche Bauten von Rainer Warland häufiger in die Diskussion eingebracht wurde65. Er lässt sich auf-

64 R. KRAUTHEIMER, Rezension von Rudolf Kautzsch, Kapitellstudien: Beiträge zu einer Geschichte des spätantiken Kapitells im Osten vom vierten bis ins siebente Jahrhundert. Berlin/Leipzig 1936, in ArtB 21 (1939), H. 1, S. 404, 406 Abb. 3; W. E. BETSCH, The History, Production and Distribution of the Late Antique Capital in Constantinople, PhD Univ. of Pennsylvania, Ann Arbor 1977, S. 227-239.

65 Insbesondere R. WARLAND (ed.), Bildlichkeit und Bildorte von Liturgie. Schau-plätze in Spätantike, Byzanz und Mittelalter, Wiesbaden 2002. Cf. auch S. SINDING-LARSEN, Iconography and Ritual. A Study of Analytical Perspectives, Oslo 1984; W. KEMP, Christliche Kunst. Ihre Anfänge, ihre Strukturen, München 1994, S. 50-52;

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grund der mangelnden Erhaltungsbedingungen der meisten spät-antiken Kirchenausstattungen nur an sehr wenigen Einzelfällen nachvollziehen.

So zeigt sich z. B. für den Altarbereich in Bodenmosaiken oder in der Wandgestaltung, dass hier Szenen dargestellt oder Texte an-gebracht wurden, die sich auf die am Altar vollzogene Handlung bezogen. Eines der prominentesten Beispiele ist die Basilika S. Ma-ria Maggiore in Rom, eine Stiftung des Papstes Sixtus III. (432-440)66. Das an den Apsisstirnbogen angrenzende Feld der Lang-hausobergadenmosaiken auf der Südseite zeigt eine alttestament-liche Szene, die typologisch auf das christliche Opfer vorausweist, das am Altar gefeiert wurde, der sich im realen Bau etwa an die-ser Stelle im Mittelschiff befand67. Die Tatsache, dass der Bild-ort bewusst gewählt wurde, zeigt sich daran, dass das Feld aus der sukzessiven Narration des übrigen Mosaikzyklus herausgelöst wurde, um an diesem Platz angebracht werden zu können. Dar-gestellt ist die Szene der Begegnung Abrahams mit dem Priester-könig Melchisedek, der ihm mit Brot und Wein entgegenkommt und ihn segnet (Gen 14,18-20).

Die kompositionelle Betonung von Kantharos und Brotkorb als Symbole für Wein und Brot und das Ins-Bild-Setzen einer christo-morphen Gottesgestalt am oberen Bildrand verdeutlichen den ty-pologischen Bezug dieses Bildes auf fast schon plakative Weise68. Melchisedek wurde in Rom möglicherweise auch im liturgischen Formular mit der Opferhandlung am Altar in Verbindung gebracht. So ist für Mailand in Ambrosius’ Abhandlung über die Sakramen-te folgende Passage des eucharistischen Hochgebets zu lesen: „Und der Bischof spricht: «Daher begehen wir denn das Gedächtnis sei-

S. SINDING-LARSEN, Categorization of Images in Ritual and Liturgical Contexts, in J. BASCHET, J.-C. SCHMITT, L’image. Fonctions et usages des images dans l’Occident médiéval, Cahiers du Léopard d’Or 5, Paris 1996, S. 109-130; É. PALAZZO, Icono-graphie et liturgie dans les études médiévales aujourd’hui. Un éclairage méthodo-logique, in Cahiers de civilisation médiévale 41 (1998), S. 65-69; J. DECKERS, Die frühchristliche und byzantinische Kunst, München 2007, S. 63-69; B. SCHELLEWALD, Vom Unsichtbaren zum Sichtbaren. Liturgisches Zeremoniell und Bild in Byzanz im 11. und 12. Jahrhundert, in E. BIERENDE, S. BRETFELD, K. OSCHEMA (ed.), Riten, Gesten, Zeremonien. Gesellschaftliche Symbolik in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin 2008, S. 141-166.

66 H. BRANDENBURG, Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahr-hundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst, Regensburg 2004, S. 176-189 mit weiterer Literatur.

67 DE BLAAUW (op. cit. Anm. 10), Bd. 1, S. 382.68 S. SCHRENK, Typos und Antitypos in der frühchristlichen Kunst (JbAC Erg.bd.

21), Münster 1995, S. 51-58, hier auch zur umstrittenen typologischen Deutung des anschließenden Mosaikfelds; ENGEMANN (op. cit. Anm. 55), S. 40.

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nes glorreichen Leidens, seiner Auferstehung von den Toten und seiner Himmelfahrt und bringen dir diese makellose Opfergabe, diese geistige Opfergabe, diese unblutige Opfergabe, dieses heilige Brot und den Kelch des ewigen Lebens dar. Wir bitten und flehen: Nimm das Opfer durch die Hände deiner Engel auf deinen himm-lischen Altar empor, wie du die Gaben deines gerechten Dieners Abel, das Opfer unseres Patriarchen Abraham und das Opfer, das dein Hohepriester Melchisedek dir dargebracht hat, gnädig ange-nommen hast.»69“ Ob ein ähnliches Formular auch in der altrömi-schen Liturgie gesprochen wurde, ist meines Wissens nicht sicher, da deren Ausformung im 4. und 5. Jahrhundert nicht gut bekannt ist. Ambrosius erklärte aber ausdrücklich, dass er dem römischen Kanon möglichst wörtlich folgen und diesen bewahren wolle, da-her ist es durchaus denkbar, dass auch im römischen Ritus eine entsprechende Passage im Hochgebet vorkam70. Die Kombination von Bildaussage und Bildort des Melchisedek-Mosaiks wies in S. Maria Maggiore somit wahrscheinlich auch außerhalb des litur-gischen Geschehens auf die Bedeutung dieses Raumteils im Kir-chengefüge hin. Ähnliche Bezüge zwischen Ritus, Bildinhalt und Bildort konnte Ursula Nilgen für Darstellungen auf Triumphbogen- und Apsisstirnwänden stadtrömischer Basiliken nachweisen71.

Hinsichtlich außerliturgischer Handlungen wie beispielsweise der Reliquienverehrung oder der Integration von Orten des Heils-geschehens in Kirchenbauten – wie bei den Herrenorten im Hei-ligen Land – ist außerdem die Auszeichnung von Schwellensitua-tionen durch Inschriften, Bilder und Symbole zu bemerken. Sie markieren Grenzen zwischen verschiedenen Sakralitätsbereichen im Raum und weisen die Betrachter darauf hin, dass sie sich an einem Übergang von einer Zone zur nächsten befinden72.

69 Ambr., sacr. 4,27 (FC 3,152-153, hier auch die Übersetzung).70 J. BEUMER, Die ältesten Zeugnisse für die römische Eucharistiefeier bei Am-

brosius von Mailand, in Zeitschrift für katholische Theologie 95 (1973), S. 311-324, hier S. 311-314, 317, 318 (zur beiläufigen namentlichen Nennung des Mel-chisedek während der Opferhandlung in Rom in den „Quaestiones Veteri et Novi Testamenti“ des Ambrosiaster).

71 U. NILGEN, Die Bilder über dem Altar. Triumph- und Apsisbogenprogramme in Rom und Mittelitalien und ihr Bezug zur Liturgie, in N. BOCK, S. DE BLAAUW, C. L. FROMMEL et al. (ed.), Kunst und Liturgie im Mittelalter. Akten des internati-onalen Kongresses der Bibliotheca Hertziana und des Nederlands Instituut te Ro-me, Rom, 28.-30. September 1997 (Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertzia-na 33.1999/2000, Beih.), München 2000, S. 75-89.

72 H. BRANDENBURG, Christussymbole in frühchristlichen Bodenmosaiken, in RömQschr 64 (1969), S. 74-138; E. KITZINGER, The Threshold of the Holy Shrine. Observations on Floor Mosaics at Antioch and Bethlehem, in S. GRANFIELD, J. A. JUNGMANN (ed.), Kyriakon, Festschrift Johannes Quasten, Münster 1970, S. 639-647;

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ZUSAMMENFASSUNG

Ambrosius forderte am Ende des 4. Jahrhunderts in einer Psal-menauslegung metaphorisch dazu auf, der Christ möge wie ein Gotteshaus sein, das im Inneren nicht in mehrere Räume unter-gliedert sei und dessen Fenster nach Osten offen stünden, damit Gott ungehindert hineinblicken könne73. Entgegen dem damals wie heute ersten architektonischen Anschein waren die frühchristlichen Kultbauten im Inneren aber keine unsegmentierten ‚Einheitsräu-me’, sondern nach abgestuften Ordnungen untergliederte Agglo-merationen von Raumzonen, die eine sakrale Topographie inner-halb des Baukörpers entstehen ließen und unterschiedliche Hand-lungsräume für die beteiligten Personen eröffneten. Innerhalb des architektonischen Rahmens existierten fixierte Orte, die entweder mit bestimmten Ritualhandlungen des christlichen Kults (Altar, Le-seplatz) oder mit der Selbstverortung von Untergruppen der Ge-meinschaft korrespondierten (Chor bzw. Presbyterium). Die soziale Ordnung, die innerhalb der Gemeinschaft Gültigkeit hatte – Kle-rus und Laien sowie Abstufungen innerhalb dieser beiden Grup-pen –, fand hierbei ihr Äquivalent in der wahrnehmbaren Struk-turierung des Raumes.

Raum und Handlung besaßen einen symbolisch-eschatologi-schen Referenzcharakter – die Feier der irdischen Liturgie durch eine wohlgeordnete Gemeinde sollte auf die Himmlische Liturgie verweisen, die gebaute Kirche auf das Himmlische Jerusalem. Die Architektur bildete aus diesem Grund nicht nur den Rahmen und bestimmte den Platz des liturgischen Geschehens, sondern auch die Topographie der bildlichen und ornamentalen Ausschmückung des Raumes, welche ebenfalls Träger von Bedeutung innerhalb der symbolischen Raumordnung war. Diese komplexe Verschränkung von architektonischen, bildlichen, symbolischen, liturgischen und sozialen Aspekten wird durch Anwendung des eingangs beschrie-benen, aus der Architektursoziologie stammenden, relationalen

J. ENGEMANN, Zur Verbreitung magischer Übelabwehr in der nichtchristlichen und christlichen Spätantike, in JbAC 18 (1975), S. 22-48; J.-M. SPIESER, Portes, limites et organisation de l‘espace dans les églises paléochrétiennes, in Klio 77 (1995), S. 433-445; JÄGGI (op. cit. Anm. 60), S. 84-86.

73 Ambr., in psalm. 118 6,19 (CSEL 622, 118): Et tu si habeas fundatum pa-rietem, non illum medium qui domus unius separet membra, sed aedificatum su-pra fundamentum apostolorum et prophetarum, ut compaginata eius structura cre-scat in templum nec disterminet eius interna sed muniat, si habeas ergo in te aedifi-cationem dei et ad orientem pateant semper fenestrae tuae, venit verbum, stat post tuum parietem – oculi enim domini super iustos –, prospicit per fenestras tuas.

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Raummodells für die Forschung erstmals deutlicher fassbar und beschreibbar.

Die Architekturschöpfung der frühchristlichen Basilika konn-te sich wahrscheinlich auch deswegen so nachhaltig behaupten, weil sie nicht nur im Frühchristentum allgemein gültige forma-le, funktionale und symbolische Ansprüche ausfüllte, sondern au-ßerdem an spezifische, lokal geprägte Varianten semantischer Ko-dierungen, Seherwartungen und liturgischer Traditionen hervorra-gend angepasst werden konnte.

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Abstract

This article exemplifies the benefit of the most recent research re-garding the interdependence between sacred architecture and liturgy for the understanding of Early Christian places of congregation. On the ba-sis of examples from Rome, North Africa, Greece, and the Levant it is shown how the coherence of archaeological resources, images, and textu-al heritage sheds a new light on the original organisation of built space and its liturgical usage in the special case of Early Christian basilicas. Thus variants of the liturgical usage of space and the hierarchical order of sacred areas are discussed. The focal point is the correlation of the symbolic order of space and the social order within the religious com-munity. From a methodological point of view the article contributes to the ongoing debate about the construction of sacrality in the context of the so-called ‚spatial turn‘. Not least it shows the potential of Early Christian archaeology to make a contribution to recent discussions in the field of cultural history.

Résumé

Cet article entend faire trésor des recherches les plus récentes autour de l’interdépendance entre architecture et liturgie pour la compréhension des premiers espaces liturgiques chrétiens. Sur la base d’exemples de Ro-me, de l’Afrique du Nord, de Grèce et de l’Orient on peut illustrer com-ment la cohérence des témoignages archéologiques, des images et des textes jettent une lumière nouvelle sur la première organisation des es-paces construits et de l’usage liturgique, ainsi que de l’ordre hiérarchi-que des zones sacrées. Le point central est constitué par l’ordre symbo-lique de l’espace et par la hiérarchie religieuse au sein de la communau-té. D’un point de vue méthodologique, cet article entend contribuer au débat sur la construction de la sacralité dans le contexte de la gestion l’espace. Enfin, le potentiel de l’archéologie chrétienne est de taille dans le cadre des débats récents de l’histoire culturelle.

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