Urgeschichtliche Keramik aus Höhlen der Sächsischen Schweiz - Torke 2009

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7 Matthias Torke Urgeschichtliche Keramik aus Höhlen der Sächsischen Schweiz (1) In der FRANZOSENHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-44), einer kleinen und unscheinbaren Höhle am Nordhang des Liliensteins, konnte kürzlich eine über den unvorstellbaren Zeitraum von mehr als einem Jahrtausend sich erstreckende Tradition kultisch-rituellen Geschehens nachgewiesen werden 1 . Es gibt in einigen weiteren Höhlen der Sächsischen Schweiz Funde von urgeschichtlicher Keramik, und im Lichte der Entdeckungen in der FRANZOSENHÖHLE stellt sich für diese ebenso die Frage nach ihrer Bedeutung. Dem wollen wir im folgenden nachgehen. Dabei wird sich erweisen, daß auch diese Funde ausnahmslos als Relikte vorchristlicher Kultausübung anzusehen sind. Keramik aus Höhlen und Abris Ostrau I Der älteste Höhlenfund der Sächsischen Schweiz wurde an der nordwestlichen Felswand des Kleinen Winterbergs entdeckt (Abb. 1/1). In denkbar abgeschiedener und schwer zugänglicher Lage befindet sich hier an der Oberen Affensteinpromenade (Mittelwändesteig), wenig südlich des Rübezahlturms, eine kleine Schichtfugenhöhle. Sie erhielt nach dem aus ihr stammenden archäologischen Fund den Namen TONKRUGHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5051/SH-32) 2 . Vom heutigen Wanderweg aus ist sie nicht ohne weiteres erreichbar. Ihr Mundloch, das sich nach Südwesten öffnet, liegt etwa 6 m über dem Weg und oberhalb der ziemlich glatten und steilen Wand eines vorgelagerten Felsens 3 . Wie man in urgeschichtlicher Zeit mit einem 1 K. Simon und M. Torke, Die Franzosenhöhle (5050/KÖ-44), ein urgeschichtlicher Kultplatz am Lilienstein / Sächsische Schweiz, in: Der Höhlenforscher 39, 2007, 68 - 96. 2 Da ein Krug ein gehenkeltes Gefäß ist, entspricht der Name eigentlich nicht der hier gefundenen Keramik (s.u.). – Zu Entdeckungsgeschichte und Namengebung vgl. W. Seifert, Der Krug in der Höhle (5051/SH-32), in: Der Höhlenforscher 22, 1990, 35 - 38. 3 Zu ähnlich gelegenen, teilweise nur über Steigbäume erreichbaren Eingängen von Höhlen mit urgeschichtlichen Funden vgl. M. Geschwinde, Höhlen im Ith. Urgeschichtliche Opferstätten im südniedersächsischen Bergland (Veröff. Urgesch. 8 Abb. 1: Höhlen und Spalten in der Sächsischen Schweiz mit gesicherten oder mutmaßlichen Funden urgeschichtlicher Keramik. Erläuterung der Einzelpunkte im Text. Tongefäß da hinauf gelangte, ist eine spannende Frage; vielleicht muß an einen umgestürzten Baum gedacht werden, der hier am Felsen lehnte und nicht nur als Steigbaum den Aufstieg ermöglichte, sondern selbst auf die versteckte, ansonsten kaum wahrnehmbare Höhle „gezeigt“ hat 4 . 1983 fand Klaus SCHNEIDER (Kurort Gohrisch) gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Höhlenforschergruppe Dresden 5 in dieser Höhle ein urgeschichtliches Gefäß 6 . Es Slg. Landesmus. zu Hannover 33), Hildesheim 1988, 110; B. Stoll-Tucker, Nacheiszeitliche Höhlennutzung am Beispiel des oberen Pegnitztales (Nördliche Frankenalb) (Arb. Archäol. Süddt. 4), Büchenbach 1997, 152. 4 Auch die HÖHLE IN DER NONNE (5050/PW-13) war der Sage nach über einen angelehnten Baum erreichbar; vgl. M. Torke, Zur Interpretation urgeschichtlicher Funde vom Pfaffenstein, in: Mitteilungsheft 6 Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e.V., Pirna 2008, 70, Anm. 708, 717. 5 Beteiligt waren ausweislich des Exkursionsberichts von Klaus SCHNEIDER am 03.07.1983 noch Bärbel BIGUS, Frank HEILMANN, Rainer und Ralf JOCHMANN, Jan MISTEREK, Matthias MÜLLER, Heiko PETTERS, Jens RÖHLECKE, Dirk und Dr.

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Matthias Torke

Urgeschichtliche Keramik aus Höhlen der Sächsischen Schweiz (1)

In der FRANZOSENHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-44), einer kleinen und unscheinbaren Höhle am Nordhang des Liliensteins, konnte kürzlich eine über den unvorstellbaren Zeitraum von mehr als einem Jahrtausend sich erstreckende Tradition kultisch-rituellen Geschehens nachgewiesen werden1. Es gibt in einigen weiteren Höhlen der Sächsischen Schweiz Funde von urgeschichtlicher Keramik, und im Lichte der Entdeckungen in der FRANZOSENHÖHLE stellt sich für diese ebenso die Frage nach ihrer Bedeutung. Dem wollen wir im folgenden nachgehen. Dabei wird sich erweisen, daß auch diese Funde ausnahmslos als Relikte vorchristlicher Kultausübung anzusehen sind.

Keramik aus Höhlen und Abris

Ostrau I Der älteste Höhlenfund der Sächsischen Schweiz wurde an der nordwestlichen Felswand des Kleinen Winterbergs entdeckt (Abb. 1/1). In denkbar abgeschiedener und schwer zugänglicher Lage befindet sich hier an der Oberen Affensteinpromenade (Mittelwändesteig), wenig südlich des Rübezahlturms, eine kleine Schichtfugenhöhle. Sie erhielt nach dem aus ihr stammenden archäologischen Fund den Namen TONKRUGHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5051/SH-32)2. Vom heutigen Wanderweg aus ist sie nicht ohne weiteres erreichbar. Ihr Mundloch, das sich nach Südwesten öffnet, liegt etwa 6 m über dem Weg und oberhalb der ziemlich glatten und steilen Wand eines vorgelagerten Felsens3. Wie man in urgeschichtlicher Zeit mit einem

1 K. Simon und M. Torke, Die Franzosenhöhle (5050/KÖ-44), ein urgeschichtlicher Kultplatz am Lilienstein / Sächsische Schweiz, in: Der Höhlenforscher 39, 2007, 68 - 96. 2 Da ein Krug ein gehenkeltes Gefäß ist, entspricht der Name eigentlich nicht der hier gefundenen Keramik (s.u.). – Zu Entdeckungsgeschichte und Namengebung vgl. W. Seifert, Der Krug in der Höhle (5051/SH-32), in: Der Höhlenforscher 22, 1990, 35 - 38. 3 Zu ähnlich gelegenen, teilweise nur über Steigbäume erreichbaren Eingängen von Höhlen mit urgeschichtlichen Funden vgl. M. Geschwinde, Höhlen im Ith. Urgeschichtliche Opferstätten im südniedersächsischen Bergland (Veröff. Urgesch.

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Abb. 1: Höhlen und Spalten in der Sächsischen Schweiz mit gesicherten oder mutmaßlichen Funden urgeschichtlicher Keramik. Erläuterung der Einzelpunkte im Text.

Tongefäß da hinauf gelangte, ist eine spannende Frage; vielleicht muß an einen umgestürzten Baum gedacht werden, der hier am Felsen lehnte und nicht nur als Steigbaum den Aufstieg ermöglichte, sondern selbst auf die versteckte, ansonsten kaum wahrnehmbare Höhle „gezeigt“ hat4.

1983 fand Klaus SCHNEIDER (Kurort Gohrisch) gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Höhlenforschergruppe Dresden5 in dieser Höhle ein urgeschichtliches Gefäß6. Es

Slg. Landesmus. zu Hannover 33), Hildesheim 1988, 110; B. Stoll-Tucker, Nacheiszeitliche Höhlennutzung am Beispiel des oberen Pegnitztales (Nördliche Frankenalb) (Arb. Archäol. Süddt. 4), Büchenbach 1997, 152.4 Auch die HÖHLE IN DER NONNE (5050/PW-13) war der Sage nach über einen angelehnten Baum erreichbar; vgl. M. Torke, Zur Interpretation urgeschichtlicher Funde vom Pfaffenstein, in: Mitteilungsheft 6 Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e.V., Pirna 2008, 70, Anm. 708, 717.5 Beteiligt waren ausweislich des Exkursionsberichts von Klaus SCHNEIDER am 03.07.1983 noch Bärbel BIGUS, Frank HEILMANN, Rainer und Ralf JOCHMANN, Jan MISTEREK, Matthias MÜLLER, Heiko PETTERS, Jens RÖHLECKE, Dirk und Dr.

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Abb. 2: Kleiner Winterberg (Ostrau I): Blick aus dem Höhleninneren der TONKRUGHÖHLE (Ende der Seitenspalte) in Richtung Höhleneingang. Vorn rechts am Beginn der Seitenspalte die Fundstelle des Gefäßes auf einem Steinsockel, gegen den Höhleneingang durch einen Felsblock abgeschirmt. Punktiert: Sandbedeckung, überwiegend des Höhlenbodens; dunkelgrau: Durchblicke ins Freie. Im oberen linken Viertel ragt das Höhlendach ins Bild, das sich zur Traufe hin absenkt. Umzeichnung nach einer fotografischen Vorlage von Klaus SCHNEIDER (Gohrisch).

stand im hinteren Teil der Höhle aufrecht an der nördlichen Höhlenwand, etwa 5 m vom Eingang entfernt hinter dem Beginn einer kurzen, nach 1,7 m endenden kluftartigen Verengung, die durch mehrere Steinblöcke vom vorderen, abriartigen Höhlenraum abgetrennt wird. Das Bodenniveau dieser Seitenkluft liegt etwa 0,5 m höher als das des vorderen Höhlenbereichs. Hier wurde das Gefäß auf einem sockelartigen, etwa 0,4 bis 0,5 m hohen Felsblock angetroffen, wo es leicht schräg stehend gegen die Höhlenwand gelehnt war (Abb. 2).

Walter SEIFERT. Die Höhle wurde dabei zufällig anläßlich der Erkundung der Umgebung bei einer Frühstücksrast am Rübezahlturm entdeckt (a.a.O.). Herrn Klaus SCHNEIDER (Kurort Gohrisch) danke ich für die Bereitstellung seines Exkursionsberichtes. 6 W. Coblenz, Aunjetitzer Gefäßniederlegung in einer Höhle am Kleinen Winterberg in der Sächsischen Schweiz, in: Ausgrab. u. Funde (künftig: AuF) 30, 1985, 23ff.

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Die Fundstelle befindet sich unmittelbar hinter einem hohen Felsblock, der die Kluft einem Einblick von außen entzieht7. Wenn auch durch diesen Block und das Höhlendach vor direkter Witterungseinwirkung geschützt, hat es doch sage und schreibe vier Jahrtausende hindurch im Freien gestanden – ein verblüffender Befund, bei dem der relativ gute Erhaltungszustand des Stücks Respekt verdient.

Bei dem Fund handelt es sich um ein kleines hohes, glockenförmig geschweiftes Vorratsgefäß mit rauhem Unterteil, hohem geglättetem Hals und vier unterrandständigen Griffleisten, nicht ganz 26 cm hoch (Abb. 3). Werner COBLENZ, als Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte der seinerzeitige sächsische Landesarchäologe, hatte sich bei der Erstvorlage des Fundes für eine

7 Freundliche briefliche Mitteilungen per E-Mail von Herrn Klaus SCHNEIDER (Kurort Gohrisch) vom 19.11.2007, 25.03.2008 und 02.04.2008, für die ich ihm herzlich danke.

Abb. 3: Kleiner Winterberg (Ostrau I): Kleines Vorratsgefäß der späten Glockenbecherkultur. Nach Werner COBLENZ (1985). M 1 : 3.

11frühbronzezeitliche Einstufung entschieden8, die er später auf die jüngere Aunjetitzer Kultur einengte9. Dem ist in der Folge fast durchweg widersprochen worden. Nach zunächst kurzer Akzeptanz der ursprünglichen Zuweisung zur Aunjetitzer Kultur10 wurde im Fachschrifttum bald die weit stärkere Verwandtschaft des Fundes mit Gefäßen der ausgehenden Jungsteinzeit betont11. Ganz ausgezeichnete Parallelen gibt es dabei in der späten Glockenbecherkultur des südlichen Mitteleuropa und zwar im mährischen Holubice, dicht östlich von Brno (Brünn)12. Dort wurden Siedlungsgruben der Glockenbecherkultur mit Scherben entdeckt, bei denen der Mangel an verzierten Stücken für eine Einordnung in die jüngste Phase dieser Kultur sprach13. Zwar leiten diese Formen zur frühen Aunjetitzer Kultur über, die sich damals parallel entwickelte14, jedoch gehören sie eindeutig nicht in die Bronzezeit, sondern in die vorangehende, noch jungsteinzeitliche Glockenbecherkultur15. Einige Keramikfunde

8 Coblenz (Anm. 6), 25f. – Bekräftigt bei ders., Zu bronzezeitlicher Nutzung und Besiedlung der Sächsischen Schweiz und des östlichen Erzgebirgsrandes, in: Arbeits- u. Forsch.Ber. Sächs. Bodendenkmalpfl. (künftig: AFD) 30, 1986 (a), 97ff.; ders., Nochmals zur Rolle der Aunjetitzer Kultur in der Sächsischen Schweiz. Eine Berichtigung, in: AuF 31, 1986 (b), 19; ders., Keramikfunde der Bronze- und frühen Eisenzeit aus Höhlen der Sächsischen Schweiz, in: H.-J. Vogt (Hrsg.), Archäologische Feldforschungen in Sachsen. Fünfzig Jahre Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden (AFD, Beih. 18), Berlin 1988, 112f. 9 Coblenz 1986a (Anm. 8), 98f., ders. 1988 (Anm. 8), 112. 10 R. Spehr, Die urgeschichtliche Besiedlung des Elbsandsteingebirges, in: Sächs. Gebirgsheimat 1985 (Kalender), Ebersbach 1984, Bl. 4. - 10.11.; K. Simon, Gräberfeld und Siedlung der Aunjetitzer Kultur bei Dresden-Gostritz, in: AFD 29, 1985, 79; K. Hauswald, Zur urgeschichtlichen Besiedlung der Sächsischen Schweiz im Bereich der Königsteiner Elbschleife, in: AFD 30, 1986, 123; U. Reuter, Wichtige Neufunde der Jahre 1980 - 1990 aus den Regierungsbezirken Chemnitz, Dresden und Leipzig, in: AFD 36, 1993, 323; Ch. Bockisch-Bräuer und J. P. Zeitler (Hrsg.), Kulthöhlen. Funde - Deutungen - Fakten, Nürnberg 1996, 77, 81. 11 K. Simon, Beiträge zur Urgeschichte des Vogtlandes. I. Archäologische Quellen, in: AFD 33, 1989, Anm. 63; D. Walter, Nacheiszeitliche Höhlenfundplätze im Mittelgebirgsraum, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik. Denkmale und Funde, Bd. 1 (Archäologische Kulturen, geschichtliche Perioden und Volksstämme), Leipzig/Jena/Berlin 1989, 120f., Anm. 4; K. Simon und K. Hauswald, Der Kulmer Steig vor dem Mittelalter. Zu den ältesten sächsisch-böhmischen Verkehrswegen über das Osterzgebirge, in: AFD 37, 1995, 88, Anm. 518, 519; B. Zich, Studien zur regionalen Gliederung der nördlichen Aunjetitzer Kultur (Vorgesch. Forsch. 20), Berlin/New York 1996, 26, 37, 191, 522, Anm. 5 a. S. 26, 682 a. S. 191, Beilage 2/4. 12 I. Rakovský, Sídliště kultury zvoncovitých pohárů v Holubicích (A Bell Beaker culture site at Holubice), in: Archeol. Rozhledy 37, 1985, 377 - 389. – Auf diese Parallelen hat zuerst Diethard WALTER aufmerksam gemacht (Walter [Anm. 11], Anm. 4). 13 Rakovský (Anm. 12), 388. 14 Rakovský (Anm. 12), 389. Vgl. D. W. Müller und A. Siebrecht, Ein Gräberfeld der späten Glockenbecherkultur vom „Hirtenberg" bei Deesdorf, Kr. Halberstadt, in: Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 68, 1985, 230ff. – Dieser Vorgang – wohl in Verbindung mit Einwanderungen aus Böhmen – wird auch nördlich unserer Fundstelle im Dresdner Elbtal, und zwar in Dresden-Leuben, faßbar (G. Billig, Die gefäßreichen Gräber der Aunjetitzer Kultur in Sachsen, in: AFD 22, 1977, 69f., bes. 70). Hinter ihm steht die rasche Ausbreitung von Protoaunjetitz von seinem westmährischen Entstehungsgebiet aus über Böhmen und Sachsen nach Mitteldeutschland und dessen Verschmelzung mit der heimischen Glockenbecherkultur zu Altaunjetitz (F. Bertemes und V. Heyd, Der Übergang Kupferzeit / Frühbronzezeit am Nordwestrand des Karpatenbeckens - Kulturgeschichtliche und paläometallurgische Betrachtungen, in: M. Bartelheim, E. Pernicka und R. Krause [Hrsg.]: Die Anfänge der Metallurgie in der Alten Welt [Forsch. Archäometrie u. Altert.Wiss. 1], Rahden/Westf. 2002, 204). 15 In der späten böhmischen Schnurkeramik (M. Buchvaldek, Grundlegende und Teilveränderungen in der Schnurkeramik, in: ders. und Chr. Strahm [Hrsg.], Die kontinentaleuropäischen Gruppen der Kultur mit Schnurkeramik. Schnurkeramik-Symposium Praha-Štiřín 1990 [Praehistorica 19], Praha 1992, Abb. 3/A) tritt dieser Gefäßtyp ebenfalls auf, hier allerdings modifiziert mit eiförmigem Unterteil und abgesetztem, mehr zylindrischem, vor allem aber kürzerem Hals (M. Buchvaldek und D. Koutecký, Vikletice. Ein schnurkeramisches Gräberfeld [Praehistorica 3], Praha 1970, Abb. 1/3, 29/2, 40/3, 84/1). Vgl. Zich (Anm. 11), 191, der daraus eine Zuweisung unseres Gefäßes zur Schnurkeramik ableitet, die jedoch m.E. angesichts der besseren Übereinstimmung mit Formen der späten Glockenbecherkultur nicht aufrecht erhalten werden

12 von dort gleichen unserem Gefäß vom Kleinen Winterberg aufs Haar16. In Holubice gefundene Tierknochen wurden radiometrisch17 auf unkalibriert 3660/70 bp datiert18. Kalibriert entspricht dies exakt dem 21. Jh.v.Chr., was ausgezeichnet mit der Endphase der Glockenbecherkultur übereinstimmt. Das von der Glockenbecherkultur in Nordwestböhmen genutzte Gebiet erstreckte sich entlang der Bilina und erreichte bei Ústí nad Labem (Aussig) die Elbe19. Von dort konnte man auf der Elbe die Gegend um Schmilka und über den Großen und Kleinen Winterberg unsere Fundstelle erreichen20, falls man nicht – wohl weniger wahrscheinlich – über den Zahnsgrund und den Fuß der Affensteine hierher gelangte. Gleichermaßen – dann mit einer „Anreise“ elbaufwärts – gelten diese Möglichkeiten für eine Herkunft der Opfernden aus der kleinen Siedlungsinsel rund um den jetzigen Stadtkern Dresdens21. Bemerkenswert an der Lage der Fundstelle ist noch, daß der Blick aus der Höhle in Richtung Mittelndorf weist. Die Glockenbecherleute gelten als Menschen mit besonderen Fähigkeiten; sie brachten Clans von Kupfererzprospektoren hervor, die durch ganz Europa zogen22. Im Kirnitzschtal bei Mittelndorf nun finden wir ein zwar kann. Unsere Gefäßform gehört nämlich in die Endstufe („D“) der böhmischen Glockenbecherkultur (B. Metzinger-Schmitz, Die Ostgruppe der Glockenbecherkultur in Mähren und Böhmen. Typologische und chronologische Studien [unveröff. Diss., Univ. des Saarlandes], Saarbrücken 2000, 3, 126, 160, Taf. 34), während derer die Schnurkeramik bereits aufgehört hatte zu existieren (a.a.O., 199). Sie entspricht der für Mähren herausgearbeiteten Becher-Grundform 2 (Variante 2), wenngleich mit etwas zu weiter Mündung und leicht zu schlanker Gefäßform (a.a.O., 104, 124ff., Abb. 58). Die Entwicklung in Mähren ist mit der in Böhmen identisch (a.a.O., 3, 180, 237, 295). In dieser Stufe D, während derer es die namengebenden Glockenbecher schon gar nicht mehr gab (a.a.O., 132), existierten auch Gefäßtypen, die den aus der Schnurkeramik als Parallelen herangezogenen entsprechen (Grundform 2, Varianten 1 und 3, Grundform 3; a.a.O., 104, Abb. 58), sich aber typologisch von unserem Gefäß deutlich absetzen lassen. Interessant ist ferner, daß in der Stufe D der Glockenbecherkultur, der Zeit also, aus der unser Fund stammt, nur Mittelböhmen besiedelt war (a.a.O., 295f., Karte 14), nicht aber das nahegelegene Nordwestböhmen. 16 Rakovský (Anm. 12), obr. 2/9, 4/12. – Weitere gute Parallelen aus der jüngeren böhmischen und mährischen Glockenbecherkultur sind bekannt von Brandýs (O. Kytlicová, Eneolitické pohřebiště v Brandýsku, in: Památky Archeol. 51, 1960, 472, obr. 10/7) und Lechovic bei Znojmo (A. Medunová und J. Ondráček, Birituální pohřebiště lidu s kulturou zvoncovitých pohárů u Lechovic, in: Archeol. Rozhledy 21, 1969, 441, Taf. 3/13). 17 Naturwissenschaftliche Altersbestimmung von organischem Material über den Zerfallsgrad des in ihm enthaltenen radioaktiven Kohlenstoffisotops 14C. Die Altersangabe erfolgt hierbei in Jahren vor 1950 (bp = before present). 18 Rakovský (Anm. 12), 389. 19 J. Turek, The Bell Beaker period in north-west Bohemia, in: M. Benz und S. v. Willigen (eds.), Some New Approaches to The Bell Beaker ‘Phenomenon’ (BAR Int. Ser. 690), Oxford 1998, Fig. 1. – Auffällig ist hierbei, daß die Glockenbecherkultur um Teplice (Teplitz) herum entlang der linken Nebenflüsse der Bilina den Erzgebirgsfuß erklimmt und dort mit ihrem nördlichsten Fundpunkt in Proboštov (Probstau) schon früh an eine Verbindung dieser Siedlungskammer mit ihrem sächsischen Pendant im Dresdner Elbtal entlang des Kulmer Paßwegs hat denken lassen (G. Neumann, Die Gliederung der Glockenbecherkultur in Mitteldeutschland, in: Prähistor. Zschr. 20, 1929, 36f.). 20 Für diesen Zugang plädieren auch V. Peša und I. Kraft, Archäologie im Elbsandsteingebirge. Höhlen, Felsen und Berge als Lebensraum des Menschen in der Vorgeschichte, in: Archaeo 4, 2007, Abbildungsunterschrift zu Abb. 14. 21 Die seinerzeitige kulturelle Prägung dort ist von der Böhmens kaum zu unterscheiden (vgl. Neumann [Anm. 19], 21ff., Kt. II). Vgl. Anm. 14. – Eine nördliche oder südliche Herkunft des Fundes ist auch nach Zich (Anm. 11), 338 nicht festzulegen. 22 Diese, sich auch anthropologisch von der angestammten mitteleuropäischen Bevölkerung unterscheidenden Menschen (A. Bach, H. Bach und K. Simon, Anthropologische Aspekte der Bevölkerungsentwicklung im westlichen Mitteldeutschland, in: Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 56, 1972, 27f., 34; A. Bach und H. Bach, Die Glockenbecherleute des Mittel-Elbe-Saale-Gebietes. Beitrag zur Bevölkerungsentwicklung im Neolithikum, in: Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 60, 1976, 419; A. Bach, Neolithische Populationen [Weimarer Monogr. Ur- u. Frühgesch. 1], Weimar 1978, 68, 76 [„Immigrantenpopulation“]; J. Holtfreter, Zur Anthropologie der Aunjetitzer des Mittelelbe-Saale-Gebietes, in: A. Bach

13kleines, aber immerhin in Mitteleuropa nicht häufiges Vorkommen von Kupfererz23. Vielleicht würden sogar die beiden Steinbeile von der Lichtenhainer Mühle (Abb. 1/A)24, deren Aussehen unbekannt ist und die nicht mehr vorhanden sind, in diesen Kontext passen, etwa indem sie die auffällige spitznackige Form ins Endneolithikum gehörender Beile zeigten – wie etwa jenes nur ein Stück weiter nordwestlich gefundene von Stürza25 oder ein ebensolches vom noch näher liegenden Gipfel des Pfaffensteins26? Ebenfalls von Interesse ist ein schwärzliches scheibenförmiges Stück organischer Substanz von 11 x 4 mm Größe und 2 – 3 mm Dicke, das in dem Gefäß enthalten war27. Es zeigte beim Phosphattest eine stark positive Reaktion. Neben einem Rest eines einstigen Nahrungsmittels, mit dem der Topf einmal gefüllt war, kann es sich dabei angesichts des offen in der Höhle stehenden Gefäßes aber auch um einen rezenten Rückstand tierischer Abkunft handeln. Die Fundsituation hat Parallelen in Mitteleuropa, sowohl was die Aufstellung des Gefäßes auf einem Felssockel angeht28, ebenso hinsichtlich dessen Position in einer Engstelle29 bzw. spaltenartigen Fortsetzung der Höhle30 sowie in Bezug auf das Abstellen des Gefäßes an der Höhlenwand31. Höhlenfunde der Glockenbecherkultur sind nicht allzu häufig, aber unser Gefäß ist dennoch kein Einzelfall32. Vorratsgefäße, und H. Bach [Hrsg.], Paläanthropologie im Mittelelbe-Saale-Werra-Gebiet [Weimarer Monogr. Ur- u. Frühgesch. 23], Weimar 1989, 118, 120, 122) waren ab etwa 2700 v.Chr. von ihren Herkunftsgebieten in Südwestfrankreich und Nordspanien aus über ganz Europa ausgeschwärmt (J. Müller, Zur räumlichen Darstellung von Radiokarbondaten. Zwei Beispiele aus dem Endneolithikum, in: J. Eckert, U. Eisenhauer und A. Zimmermann [Hrsg.], Archäologische Perspektiven. Analysen und Interpretationen im Wandel [Festschr. J. Lüning] [Internat. Archäol., Studia Honoraria, 20], Rahden/Westf., 2003, Abb. 3). 23 K. Simon, Zum ältesten Erzbergbau in Ostthüringen und Sachsen. Argumente und Hypothesen, in: H. Steuer und U. Zimmermann (Hrsg.), Montanarchäologie in Europa, Sigmaringen 1993, 98, Anm. 29, Abb. 1/35. Vgl. auch M. Bartelheim und E. Niederschlag, Untersuchungen zur Buntmetallurgie, insbesondere des Kupfers und Zinns, im sächsisch-böhmischen Erzgebirge und dessen Umland, in: AFD 40, 1998, 51. – Hier gab es neuzeitlichen Bergbau auf Chalkopyrit und Pyrit (Kupferkies) in der „Hilfe Gottes Fundgrube“, die etwa 1 km oberhalb der Mitteldorfer Mühle im Kirnitzschtal lag (a.a.O.). 24 Gefunden beim Bau des Mühlgrabens. – Archiv des Landesamtes für Archäologie Dresden (künftig: LfA), Ortsakte Lichtenhain. 25 Vgl. E. Walther, Vorgeschichte der Sächsischen Schweiz (Beitr. zu einem Heimatbuch der Sächs. Schweiz, 1. H.; Geschichtl. R., H. 1), Dresden 21931, Abb. 3 auf S. 23. 26 Vgl. Coblenz 1986a (Anm. 8), Abb. 2/2. 27 Coblenz (Anm. 6), 26. 28 s.u. bei Anm. 314. 29 F. Leja, Zwei vorgeschichtliche Gefäßdeponierungen aus der Saugartenhöhle, Lkr. Amberg-Sulzbach/Opf. (Frankenalb), in: Bayer. Vorg.Bl. 55, 1990, 285, Anm. 46; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 80. 30 s.u. bei Anm. 310. 31 W. Weissmüller, Postmesolithische Funde aus Höhlen und Abris am Beispiel des Südlichen Riesrandgebietes (BAR Int. Ser. 279), Oxford 1986, 171; Leja (Anm. 28), 285f.; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 78; Stoll-Tucker (Anm. 3), 148f. 32 H. Kaufmann, Die vorgeschichtliche Besiedlung des Orlagaues (Text) (Veröff. Landesmus. f. Vorgesch. Dresden 10), Berlin 1963, 34f.; M. Wilhelm, Untersuchungen am Hohlen Felsen und am Petersfelsen für die Stadt Engen im Hegau, in: Mitt. Verband Dt. Höhlen- u. Karstforscher 22, 1976, 179 („von Höhlenforschern Tongefäße der Glockenbecherkultur gefunden, die auf einem Felssims standen"); Geschwinde (Anm. 3), 112. – Weitere Höhlenfunde des Spätneolithikums nennen D. Rothe, Ur- und frühgeschichtliche Funde in südwestfälischen Höhlen, in: Karst u. Höhle 1982/83 (1983) (Beitr. Karst- u. Höhlenforsch. in Westfalen), 101f.; J. Biel, Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern (Forsch. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württ. 24), Stuttgart 1987, 173ff.; Geschwinde (Anm. 3), 125f.; D. Walter, Thüringer Höhlen und ihre holozänen Bodenaltertümer (Weimarer Monogr. Ur- u. Frühgesch. 14), Weimar 1985,

14 zu denen es gehört, sind zu allen Zeiten unter Höhlenfunden vertreten33. Ferner gibt es außerhalb von Höhlen endneolithische Keramikdepots unter Beteiligung der Glockenbecherkultur34. Diese stehen ebenfalls in einem kultischen Kontext.

Rosenthal

1973 entdeckte Frank TEICHGRÄBER (Rosenthal) unter einem Felsüberhang an der Unteren Schmalzgrube im Fuchsbachtal eine Anzahl Scherben (Abb. 1/2)35. Der Abri liegt versteckt inmitten zahlreicher weiterer in einer Felsformation dicht unterhalb der Oberkante des schluchtartigen Taleinschnitts. Er ist etwa 3 m breit, 1 m tief und heute um 1,8 m hoch. Talseitig wird die überdachte Fläche durch einen abgestürzten Felsblock abgeriegelt und dadurch geschützt, was womöglich ein Auslöser ihrer wiederholten Inanspruchnahme durch den Menschen war. Die Funde kamen in einer Tiefe von bis zu 0,75 m, lose im Steinschutt des Abribodens verteilt, zutage36. Neben Resten eines mittelalterlichen, aus dem 14. Jh. stammenden Gefäßes sowie Scherben der frühen Neuzeit mit brauner Innenglasur waren darunter Teile eines urgeschichtlichen Gefäßes37. Die zusammengesetzten Reste ergaben einen großen, hohen, leicht doppelkonischen Becher mit großer Standfläche, straffem Umriß, schwach abgesetztem Steilkegelhals und drei schwachen Griffleisten, fast 22 cm hoch (Abb. 4)38. Dieser Fund wurde erstmals durch Werner COBLENZ vorgelegt39, dem unglücklicherweise erneut bei Datierung und kultureller Zuweisung ein Mißgriff unterlief, den er aber später – angeregt durch den Fund vom Kleinen Winterberg (Ostrau I) – selbst korrigierte40. Bis dahin hatte sich die fehlerhafte Erstbestimmung als früheisenzeitlicher Topf mit Ansätzen von abgebrochenen Ösenhenkeln in der Fachliteratur etabliert41, teilweise mit fatalen Folgen42. Tatsächlich jedoch handelt es sich – nun unstrittig – um

71, 77f.; St. Flindt und Chr. Leiber: Kulthöhlen und Menschenopfer im Harz, Ith und Kyffhäuser (Archäol. Schr. Lkr. Osterode am Harz 2), Holzminden 1998, 110, 112. Ein typologisch dem unseren ähnelndes Gefäß der endneolithischen Schnurkeramik ist als Höhlenfund aus der Umgebung von Bayreuth bekanntgeworden (Ch. Züchner, Vorgeschichtliche Funde aus drei fränkischen Höhlen, in: Archäol. Korr.Bl. 9, 1979, 242, Abb. 2). 33 Vgl. Weissmüller (Anm. 31), Abb. 7. 34 St. Winghart, Spätglockenbecherzeitliche Keramikdeponierungen von Allershausen-Unterkienberg, Lkr. Freising, in: Ber. bayer. Bodendenkmalpfl. 26/27, 1985/86 (1989), 81 - 91, bes. 90f. 35 W. Coblenz, Zu einem Neufund von der Südwestgrenze der Sächsischen Schweiz. Bemerkungen zur Gebirgsarchäologie, in: AuF 19, 1974, 96, Anm. 6. 36 Fundbericht im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Rosenthal. 37 H. Jacob und H. Quietzsch: Wichtige Neufunde der Jahre 1970 bis 1976 aus den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig, in: AFD 23, 1980, 347. 38 Griffleistenbecher des Typs 8B1 nach Zich (Anm. 11), 150f., 643. – Dieser Gefäßtyp ist mit tonnenförmigen Vorratsgefäßen verwandt (a.a.O., 149). 39 Coblenz (Anm. 35), 94 - 100. 40 Coblenz 1986b (Anm. 8), 19 - 21. 41 Spehr (Anm. 10); Coblenz (Anm. 6), 23, Anm. 2. 42 In zusammenfassende Arbeiten zur mitteldeutschen Latènezeit als „Grabfund der frühen Jastorf-Kultur oder mit Frühjastorf-Einfluß“ – wenn auch mit dem Zusatz „Grabcharakter unsicher“ – eingegangen bei K. Peschel, Zur Latènezeit in Sachsen und Thüringen und ihren Beziehungen zum benachbarten Osten und Südosten, in: AFD 22, 1977,

15frühbronzezeitliche Keramik der Aunjetitzer Kultur, und zwar aus deren mittlerer („klassischer“) Phase43. Kalendarisch ausgedrückt bewegen wir uns damit im 19. oder 18. Jh.v.Chr.

Das Fundbild beidseits der sächsisch-böhmischen Mittelgebirgsschwelle unterscheidet sich nicht sehr von dem wenige Jahrhunderte älteren der Glockenbecherkultur. Zwischen Müglitz und Weißeritz war der Talboden der Dresdner Elbtalweitung linkselbisch besiedelt, in Nordwestböhmen wurde entlang der Bilina wiederum die Gegend von Ústí nad Labem (Aussig) erreicht, von der an elbaufwärts das Elbtal durchgängig besiedelt war; auch das Vordringen ins böhmische Erzgebirgsvorland entlang linker Nebenflüsse der Bilina läßt sich erneut konstatieren44.

Abb. 1; ders., Anfänge germanischer Besiedlung im Mittelgebirgsraum. Sueben - Hermunduren - Markomannen (AFD Beih. 12), Berlin 1978, 178, Abb. 1. 43 Zich (Anm. 11), 291, 338. – Dabei stammt das Gefäß eher aus einem entwickelten bis jüngeren Abschnitt dieser Phase (freundlicher mündlicher Hinweis von Herrn Dr. sc. Klaus SIMON [Dresden], für den ich ihm herzlich danke). 44 M. Agthe, Bemerkungen zu Feuersteindolchen im nordwestlichen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur, in: AFD 33, 1989, Beilage 1.

Abb. 4: Rosenthal: Großer Becher der mittleren Aunjetitzer Kultur. Nach Werner COBLENZ (1986). M 1 : 3.

16 Obwohl in einst eher unwegsamem Gelände zurückgezogen gelegen, ist die Fundstelle von Anbeginn in Verbindung mit überregionalen Wegen zwischen dem Pirnaer und dem Děčíner (Tetschener) Raum gesehen worden45. Allerdings liegt sie von deren derzeit erschließbaren Verläufen (Elbtal, Landweg über Königstein) relativ weit entfernt46 – wiederum nicht so weit, daß ein Zusammenhang beider auszuschließen wäre47. Nur etwa 2 km östlich des Fundplatzes nämlich führt im Zuge der Gebackenen Birnstraße48 der mutmaßliche urgeschichtliche Landweg von Pirna nach Děčín (Tetschen) vorüber49, von dem man entweder aus Richtung Taubenteich über die Wasserscheide zwischen Fuchs- und Taubenbach oder in direkter Verbindung, das Taubenbachtal südlich des Lehmhübels querend, unseren Abri erreichen konnte. Wenngleich auf diese Weise mit moderatem Aufwand von einer seinerzeitigen Verkehrsverbindung aus zugänglich, ist doch die offenbar gesuchte einsame und abseitige Lage dieser Stelle nicht zu übersehen. Ob die Opfernden von Norden oder von Süden kamen, bleibt ebenso in der Schwebe wie im Falle des schon besprochenen Glockenbechertopfes von Ostrau I (Winterberg)50. Die nur einige hundert Jahre alten Keramikreste, mit denen die urgeschichtlichen vermengt waren, stehen anscheinend im einem Zusammenhang mit der seinerzeitigen Glasherstellung in diesem Abschnitt des Fuchsbachtals51. Vielleicht ist erst bei dieser Gelegenheit das damals eventuell noch unversehrte bronzezeitliche Gefäß zerstört worden52. Keramik der Frühbronzezeit ist auch aus anderen Höhlenfunden bekannt53.

45 Coblenz (Anm. 35), 96, 100; M. Torke, Zwei neue urgeschichtliche Funde aus dem östlichsten Erzgebirge und ihre verkehrsgeographische Problematik, in: Sächs. Heimatbl. 28, 1982, Anm. 22; Coblenz 1986a (Anm. 8), 99; ders. 1986b (Anm. 8), 20f.; ders. 1988 (Anm. 8), 113; Walter (Anm. 11), 120f.; Simon/Hauswald (Anm. 11), 88f. Allgemeiner Peša/Kraft (Anm. 20), 4. 46 Der von Werner COBLENZ anfangs ins Spiel gebrachte direkte Verkehrsbezug des Fundorts („Nachweis eines kurzfristigen Aufenthaltes an einer Wegegabel“, Coblenz [Anm. 35], 100) wurde in der Folge durch Klaus SIMON und Knut HAUSWALD gewiß zu Recht in Frage gestellt (Simon/Hauswald [Anm. 11], 96, Anm. 627). 47 So wurde eine indirekte Verknüpfung mit dem nicht weit entfernten zeitgenössischen Verbindungsweg von Simon/Hauswald (Anm. 11), 89 für denkbar gehalten, allerdings sehr zurückhaltend bewertet (Lage „allenfalls mit linkselbischen Landverbindungen“ zusammenhängend, a.a.O.). 48 Hierbei handelt es sich um einen erst im 18. Jh. so genannten Abschnitt der Hohen Straße (vgl. H. Torke, Die Sächsische Schweiz im ausgehenden 18. Jahrhundert [Monogr.R. Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e. V. 1], Pirna 2007, 102f.). 49 Simon/Hauswald (Anm. 11), 96, Anm. 618. 50 Mit Verweis auf eine Tasse der Aunjetitzer Kultur aus den Tisovské stěny (Tyssaer Wänden) (s.u.), deren Fundstelle räumlich vermittelt, ist für einen fundgeographischen Zusammenhang des Rosenthaler Gefäßes mit Böhmen plädiert worden (Simon [Anm. 11], Anm. 63). Diese Frage wird hingegen bei Zich (Anm. 11), 338, offengehalten, obwohl angesichts der dünn streuenden Verbreitung des Gefäßtyps zwischen Schlesien und dem Harz (a.a.O., Kt. 57) bei zahlreichen Vergleichsfunden aus Böhmen (a.a.O., 151) eine Herkunft von dort letztlich doch als wahrscheinlicher gelten mag. 51 Vgl. G. Engelmann, Im Süden der Barbarine (Werte dt. Heimat 3), Berlin 1960, 69; Coblenz (Anm. 35), 96, Anm. 7. 52 Dagegen ging Werner COBLENZ bei gleicher Annahme eines ursprünglich vollständigen Gefäßes von dessen Beschädigung „durch vom Felsdach herabstürzende Gesteinsbrocken“ aus (Coblenz 1988 [Anm. 8], 113). – Das Gefäß könnte aber auch von Anfang an in den Boden der Höhle eingegraben gewesen sein (vgl. Weissmüller [Anm. 31], 27f.). 53 A. Stroh, Der Maifelsen bei Essing im Ldkr. Kelheim (Niederbayern), in: Fundber. Schwaben N.F. 17, Stuttgart 1965, 186; M. Moser, Schachthöhlen als Kult- und Opferstätten, in: Die Höhle 19, (Wien) 1968, 14f.; W. Kubach, Bronzezeitliche Deponierungen im Nordhessischen sowie im Weser- und Leinebergland, in: Jahrb. Röm.-German. Zentralmus. Mainz 30, 1983, 140, 142, Abb. 15; Walter (Anm. 32), 54, 56, Tab. 13; Weissmüller (Anm. 31), 164, Taf. 77; Geschwinde (Anm. 3), 115, 117, 125f.; D. Walter, Die Höhlen am Kosackenberg bei Bad Frankenhausen in Thüringen.

17 Schöna

Im Februar 1936 war Kurt KUNZE (Schöna) am Elbhang gegenüber von Schmilka, etwa in der Mitte zwischen der Einmündung des Hirschgrunds (Hirschmühle) und dem Bahnhaltepunkt Schmilka-Hirschmühle, mit dem Roden von Wurzeln beschäftigt54. Dort verläuft 40 m hoch über der Elbe ein schmaler Weg parallel zur Eisenbahnlinie. Beim Herausreißen einer Wurzel am Hang 20 m oberhalb dieses Weges legte Kurt KUNZE die Öffnung einer kleinen, etwa 50 cm hohen Höhlung frei, die sich unterhalb einer 4 x 3 m großen und 1 m dicken Felsplatte auftat (Abb. 1/3). In dieser Höhlung erblickte er eine Reihe herumliegender Tonscherben; eine weitere Wandungsscherbe stand im Hintergrund noch aufrecht. Er nahm diese Funde an sich, beließ aber die Stelle ansonsten wie sie war, ohne noch weiter herumzuwühlen. Zu diesem glücklichen Umstand gesellte sich ein zweiter, da die Lehrer HARTIG (Schöna) und KNÜPFER (Reinhardtsdorf) von dem Fund erfuhren, die Scherben an sich nahmen und sofort den Landespfleger für Bodenaltertümer in Dresden verständigten. So konnten Dresdner Archäologen im April 1936 an dieser Stelle durch eine Ausgrabung die genauen Fundumstände klären. Dabei stellte sich heraus, daß die große, schrägliegende Felsplatte ursprünglich das waagerechte Felsdach einer kleinen Trümmerhöhle gewesen war55. Die verstreuten Scherben, von denen weitere geborgen wurden, gehörten alle zu einem einzigen Gefäß, das einst auf einem vorspringenden Stein unter dem Felsdach gestanden hatte. Als die Deckenplatte sich irgendwann zu senken begann, zerdrückte sie das Gefäß, dessen Scherben sich dabei in der nun verschlossenen Höhlung verteilten. Unterhalb des 40 bis 50 cm hohen Blocks, auf dem das Gefäß einmal gestanden hatte, steckte noch eine Randscherbe mit dem Rand nach unten in der Kluft zwischen diesem und dem benachbarten Block. Unter dem Auflagepunkt der abgesenkten Deckenplatte wurde auf der ursprünglichen Sohle Holzkohle im weißen Sand beobachtet56. Die Fundumstände sprechen gegen deren spätere Entstehung ebenso wie gegen ihre Einschwemmung von außen, so daß anzunehmen ist, daß beim Abstellen des Gefäßes im Höhleneingang ein kleines Feuer brannte. Derartige begleitende Opferfeuer waren bei bronzezeitlichen Deponierungen gängige Praxis57. Außerdem spielen sie gerade

Ausgewählte Aspekte ihrer Nutzung im Neolithikum und in der Bronzezeit, in: Pravěk N.R. 5, (Brno) 1995, 150f.; Zich (Anm. 11), 11, 37; Flindt/Leiber (Anm. 32), 104. 54 H. Amberger, Fundbericht vom 25.02.1936 im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Schöna. 55 H. Amberger, Grabungsbericht vom 18.04.1936 im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Schöna. – Wegen ihrer geringen Größe war sie keine Höhle im speläologischen Sinne. 56 A. Pietzsch, Grabungsbericht vom 25.04.1936 im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Schöna. 57 Bei der Niederlegung von Bronzen ebenso (R. M. Weiss, Prähistorische Brandopferplätze in Bayern [Internat. Archäol. 35], Espelkamp 1997, 62, 92f., Anm. 512) wie bei der von Gefäßen (F. Horst, Bronzezeitliche Speiseopfer in Gefässen, in: Geneza kultury łużyckiej na trenenie Nadodrza [Materiały konferencyjne, Polska Akad. Nauk, Oddział we Wrocławiu, Kom. Nauk Humanist., Sekcja Archaeol.], Wrocław 1977, 119).

18 bei kultischem Geschehen in Höhlen eine besondere Rolle58, wohl als rituelle Reinigung der Opferstelle vor Beginn der Niederlegung59. Bemerkenswert an der Fundstelle ist auch deren Umgebung. 130 m nördlich sprudelt ein ergiebiger Bach den Hang hinab der Elbe zu. Die einstige Höhle lag, ein wenig hangaufwärts zurückgezogen, zwischen zwei markanten, maximal haushohen Felsen, die sie – 50 m voneinander entfernt – gewissermaßen einrahmten. Leider hat sich von der eingestürzten kleinen Höhle kaum etwas erhalten. Um den archäologischen Befund möglichst umfassend klären und dokumentieren zu können, mußten die Felsblöcke, aus denen sie bestand, sämtlich gespalten und beiseite geräumt werden60. Das Gefäß, dessen Scherben annähernd vollständig geborgen werden konnten, wurde im Dresdner Landesmuseum für Vorgeschichte wieder zusammengesetzt. Es erwies sich als großer, reichlich 27 cm hoher, eiförmiger Topf mit zwei kleinen gegenüberstehenden Henkeln am Halsansatz (Abb. 5). Auch in diesem Fall führte die Erstbekanntgabe durch Werner COBLENZ zunächst in die Irre. Das Stück wurde von ihm einem frühen Abschnitt der Spätbronzezeit zugeschrieben61. Diese Einordnung pflanzte sich in der Folge in der Literatur fort62. Dabei geriet die Eigenart der Fundstelle aus dem Blick63. Erst Reinhard SPEHR strich 1984 wieder heraus, daß man hier einen Höhlenfund vor sich habe64. Mitte der 80er Jahre wurde die tatsächliche kulturelle und zeitliche Zuweisung des Fundes erkannt65: Der Topf entstammt der mittelbronzezeitlichen Hügelgräberkultur, einer Phase, die in Sachsen kaum durch Funde belegt ist. Gefäße wie dieses kamen bereits am Übergang von der frühen zur mittleren Bronzezeit auf66 und hielten sich bis zum Beginn der frühen Urnenfelderzeit, in der sie, nun vor allem durch größere Henkel von dem älteren

58 W. Torbrügge, Die Hallstattzeit in der Oberpfalz. 1. Auswertung und Gesamtkatalog (Materialh. bayer. Vorgesch., R. A, 39), Kallmünz/Opf. 1979, 64; Weissmüller (Anm. 31), 44, 47; F. Leja, Vorgeschichtliche Funde aus dem Kleebergschacht im Bärnhofer Wald, Lkr. Amberg-Sulzbach (Oberpfalz) (Abh. Naturhist. Gesellsch. Nürnberg 41), Nürnberg 1987, 32; Leja (Anm. 29), 285; K. Sklenář und V. Matoušek, Die Höhlenbesiedlung des böhmischen Karstes vom Neolithikum bis zum Mittelalter (Font. Arch. Pragenses 20), Prag 1994, 24, 29, 34, 47, 86, 92; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 29, 73. 59 Geschwinde (Anm. 3), 115; Flindt/Leiber (Anm. 32), 73. 60 wie Anm. 55 und 56. 61 W. Coblenz, Die Stellung der oberen Elbe bei der Ausbreitung der Lausitzischen Kultur, in: Prähist. Zschr. 34/35, 1949/50 (1950), 66, 74, Anm. 42, Abb. 15; ders., Grabfunde der Mittelbronzezeit Sachsens (Veröff. Landesmus. f. Vorgesch. Dresden 1), Dresden 1952, 46, Anm. 268, 274. 62 H. Lemme und G. Engelmann, Zwischen Sebnitz, Hinterhermsdorf und den Zschirnsteinen (Werte dt. Heimat 2), Berlin 1959, 179f.; Hauswald (Anm. 10), 121. 63 Beispielsweise nahmen weder Knut HAUSWALD (Hauswald [Anm. 10], 123) noch Werner COBLENZ (Coblenz 1988 [Anm. 8], 112ff.) den Fund in ihre Zusammenstellungen urgeschichtlicher Höhlenfunde aus der Sächsischen Schweiz auf. Bei W. Coblenz, Vorläufer und Anfänge der Lausitzer Kultur im Süden der DDR, in: Beiträge zur mitteleuropäischen Bronzezeit, Berlin/Nitra 1989, 103, wird die „Gefäßniederlegung“ von Schöna den „Topfdeponierungen in Höhlen“ der Sächsischen Schweiz gegenübergestellt. 64 Spehr (Anm. 10). 65 Coblenz 1986a (Anm. 8), 100f.; ders., Die Urnenfelder Sachsens und ihre Beziehungen zum Osten und Süden, in: Die Urnenfelderkulturen Mitteleuropas (Sympos. Liblice 1985), Praha 1987, 91; ders. (Anm. 63), 103, 112; ders., Die Anfänge der Lausitzer Kultur nördlich der Mittelgebirge zwischen Neiße und Elster, in: Die Anfänge der Urnenfelderkulturen in Europa (Archaeologia Interregionalis. Warsaw Univ./Jagellonian Univ. Cracow), Warszawa 1991, 120. 66 Vgl. G. Billig, Frühbronzezeitliche Funde der Niederlausitz und ihre Stellung innerhalb der Aunjetitzer Kultur, in: Alt-Thüringen 6, 1962/63 (1963), 264; Simon/Hauswald (Anm. 11), 89.

19Formenbestand abgesetzt, sich als Eitöpfe und geschlickte Vorratsgefäße weiterentwickelten.

Obwohl in der Mittelbronzezeit – während des Übergangs von der schlesisch-großpolnischen Hügelgräberkultur zur Vorlausitzer Kultur67 und während der Entfaltung letzterer – die Dresdner Elbtalweitung nicht unbesiedelt war, sondern mit geringem Fundniederschlag, westlich peripher gelegen, an diesen Entwicklungen teilhatte68, dürfte doch eine Herkunft des Gefäßes aus dem durchgängig besiedelten

67 Vgl. M. Gedl, Die Vorlausitzer Kultur (Prähistor. Bronzefunde, Abt. 21, Bd. 2), Stuttgart 1992, 1f. 68 Mittelbronzezeitliche Gräber z.B. aus der Dresdner Heide und von Dresden-Fiedlerplatz (Coblenz 1987 [Anm. 65], 91f., Abb. 2/1 - 3, 3/1 - 3) sowie teilweise nordwestböhmisch beeinflußte Siedlungsnachweise der frühen Mittelbronzezeit von Dresden-Kohlmarkt (A. Gühne und K. Simon, Frühe Siedlungsspuren am Elbübergang in Dresden-Neustadt, in: AFD 30, 1986, 199, 250, 262 ff., Abb. 9/3, 60/5, Taf. 33/1, 33/3).

Abb. 5: Schöna: Großer eiförmiger Topf der Hügelgräberkultur. Nach Werner COBLENZ (1949/50). M 1 : 3.

20 Nordwestböhmen69 wahrscheinlicher sein. Als absolute Datierung läßt sich für unseren Fund der Zeitraum des 16. bis zur Mitte des 14. Jh.v.Chr. angeben. Als Topf bezeugt der Fund schon von der Gefäßgattung her die Darbringung von zubereiteter Nahrung an dieser Stelle70. Gefäße der Hügelgräberkultur sind auch von anderen Höhlen als Opferfunde bekannt71. Anfangs wurde die Fundstelle als Siedlung gedeutet72 und als Beleg für einen vorbeiführenden Weg angesehen73. Später kam Zurückhaltung bei der Interpretation auf74, die in der Folge unter dem Eindruck neuentdeckter Funde einer Deutung als Kultnachweis wich75.

Pfaffendorf Aus der Zeit der spätbronzezeitlichen Lausitzer Kultur (13. – 9. Jh.v.Chr.) gibt es Höhlenfunde im nächsten Umkreis des Pfaffensteins. Diese werden hier aber lediglich kurz gestreift, da ihre Interpretation nur im Zusammenhang mit einer Analyse der urgeschichtlichen Funde vom gesamten Pfaffenstein zu sinnvollen Ergebnissen führt. Letztere wurde unter Einbeziehung der einschlägigen Höhlenfunde an anderer Stelle vorgelegt76. Die ersten Funde aus der unweit vom Nordwestfuß des Pfaffensteins liegenden STEINERNEN SCHEUNE (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-32) grub Harald SCHURZ (Königstein) gemeinsam mit jugendlichen Helfern 1969 und 1970 aus (Abb. 1/4a)77. Beim Beräumen von Unrat, dem sich nach den ersten Funden gezielte Nachsuche anschloß, wurde neben Scherben und wohl auch Mahlsteinen78 ein bronzener Griffzungendolch entdeckt79. Außer diesem sind alle anderen Funde verschollen.

69 Vgl. z.B. J. Bouzek, Die „Lausitzer Wanderung“ und die Südgrenze der Lausitzer Kultur in Böhmen, in: Die Urnenfelderkulturen Mitteleuropas (Sympos. Liblice 1985), Praha 1987, Abb. 1; Coblenz 1991 (Anm. 65), 120. 70 Vgl. H. Polenz, Opferhöhlen der vorrömischen Eisenzeit im südlichen Westfalen, in: Th. Hülsken, J. Niemeyer und H. Polenz, Höhlen. Wohn- und Kultstätten des frühen Menschen im Sauerland, Münster 1991, 53, 59. 71 Vgl. z.B. O. Kunkel, Die Jungfernhöhle bei Tiefenellern. Eine neolithische Kultstätte auf dem fränkischen Jura bei Bamberg (Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 5), München 1955, 85, Taf. 31/8; Walter (Anm. 32), 54, 56, 78, Tab. 13; Sklenář/Matoušek (Anm. 58), 111. 72 „Reste einer kleinen kurzfristigen Niederlassung“ (W. Coblenz, Die Sächsische Schweiz in der Ur- und Frühgeschichte, in: Im Süden der Barbarine [Werte dt. Heimat 3], Berlin 1960, 155). 73 „Da der Fund aus dem Bereich des oberen Quellhorizontes nahe am Mittelhangweg stammt, schloß man auf eine hier verlaufende Verkehrsverbindung zwischen der frühbesiedelten Dresdner Elbtalweitung und der vorgeschichtlichen Niederlassung Aussig im Süden des Elbsandsteingebirges.“ (Lemme/Engelmann [Anm. 62], 180). So auch noch Coblenz 1986a (Anm. 8), 100 („Beleg für die Übergänge“). 74 „Nicht so klare Funktionsdeutungen erlauben dagegen keramische Einzelfunde wie aus Schöna“ (W. Coblenz, Zur frühesten Besiedlung des Liliensteines in der Sächsischen Schweiz, in: AuF 12, 1967, 83f.). 75 Vor allem wegen der Fundsituation mit einem einzelnen Gefäß, die der von Ostrau I (Winterberg) und Rosenthal entspricht: „Niederlegung des einzelnen Gefäßes von Schöna in ähnlichen Zusammenhängen zu sehen wie die der Aunjetitzer Höhlen- und Abrifunde“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 101). „Unter Umständen kann ... die genannte Keramik von Schöna ... aus kultischen Gründen niedergelegt worden sein“ (ders. (Anm. 63), 112). 76 Torke (Anm. 4), 19-72. 77 Coblenz 1986a (Anm. 8), Anm. 26. 78 Vgl. Coblenz 1988 (Anm. 8), 126. 79 A. Neugebauer, Pfaffenstein und Neurathen. Ausgrabungen an vorgeschichtlicher Höhensiedlung und mittelalterlicher Felsenburg in der Sächsischen Schweiz (Geschichtl. u. heimatkundl. Beitr. aus Pirna u. Umgebung 5, Schriftenr. Stadtmus. Pirna), Pirna 1986, 5; Coblenz 1986a (Anm. 8), Abb. 1/7.

21Dagegen sind Funde, die Günter SCHMIEDE (Pfaffendorf) 1971 gemacht hat, erhalten geblieben. Neben dem größeren Bruchstück einer Tasse ist das eine komplette, tief ausgemahlene Getreidehandmühle aus rötlichem Lausitzer Zweiglimmergranodiorit, bestehend aus der Längshälfte des Bodensteins und dem dazugehörigem Oberstein (Läufer) aus dem gleichen Material80. Alle Funde befanden sich entlang der Höhlenwände im Boden, was eine typische Fundanordnung in Höhlen ist81. Dabei ist ungewiß, ob die STEINERNE SCHEUNE in ihrem ursprünglichen Zustand als Höhle wahrgenommen wurde. Bevor ihre Westseite mit Steinen verschlossen wurde, war sie eine Art Tunnel, ein Dach aus zwei Steinen82. Die sakrale Relevanz von Höhlen in der Stein-, Bronze- und Eisenzeit speiste sich aus der ihnen damals zugeschriebenen Funktion, Eingänge in die Unterwelt mit dort beheimateten übernatürlichen Mächten zu sein. Einem an beiden Seiten offenen Felsdach war diese Funktion nach seinerzeitigem Verständnis möglicherweise nicht abzulesen. Wir müssen also damit rechnen, daß der hiesige Fundniederschlag vielleicht eher einer auffälligen Felsformation gegolten hat (wofür es im urgeschichtlichen Mitteleuropa ebenfalls genügend Parallelen gibt) als einer Höhle. Besonders wegen der erstaunlichen Übereinstimmung des Fundspektrums aus der STEINERNEN SCHEUNE – das für mitteleuropäische Höhlenfundstellen nicht sehr charakteristisch ist – mit dem vom Pfaffenstein-Plateau83 müssen wir diesem Fundplatz zumindest eine Sonderstellung zugestehen und können ihn nur unter Vorbehalt zwischen die anderen, hier vorgestellten Höhlen der Sächsischen Schweiz mit Funden urgeschichtlicher Keramik einreihen. Er ist vielmehr eine Art Filiale des Pfaffensteins als seinerzeitigem „Heiligen Berg“ und eng mit diesem verbunden gewesen84. Ähnlich müssen wir demzufolge weitere erwiesene wie mutmaßliche Höhlenfundstellen am Fuße des Pfaffensteins auffassen. Da wäre zunächst die BELLOHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-26) am unteren Ende der Aufstiegsschlucht zu nennen (Abb. 1/4b). Von hier sind verschollene, anscheinend urgeschichtliche Funde überliefert. Im einzelnen genannt werden „einige untypische, unglasierte und grobgemagerte Keramikscherben ..., ... möglicherweise als bronzezeitlich einzustufen“ sowie „ein Mahlsteinunterteil aus rotem Granit“85 – aus einem Material also, das anscheinend mit dem auf dem Gipfel bei Mahlsteinen geläufigen rötlichen Quarzporphyr übereinstimmt. Diese Funde müssen als verloren

80 Neugebauer (Anm. 79), 4f., 87; Coblenz 1986a (Anm. 8), Abb. 1/6, Taf. 16/2. 81 wie Anm. 31. Vgl. Torke (Anm. 4), 40, Anm. 292, 293. 82 Vgl. A. v. Gutbier, Geognostische Skizzen aus der Sächsischen Schweiz und ihrer Umgebung, Leipzig 1858, Fig. 37 (wiedergegeben bei D. Beeger, Zur Geologie des Pfaffensteins, in: R. Keiler u.a., Der Pfaffenstein [Monogr. zur Sächs.-Böhm. Schweiz 1], Dresden 2004, Abb. S. 62 rechts). 83 Torke (Anm. 4), 40f. 84 A.a.O. – Vgl. auch Simon/Hauswald (Anm. 11), 94. 85 R. H. Winkelhöfer, Durch Höhlen der Sächsischen Schweiz. Höhlenführer und Katasterdokumentation, Dresden 1998, 41 (Zitat); K. Schneider, Höhlen, Grotten, Felsentore, in: R. Keiler u.a., Der Pfaffenstein (Monogr. zur Sächs.-Böhm. Schweiz 1), Dresden 2004, 126.

22 gelten; auch scheint nicht sicher festzustehen, ob sie in oder an der Höhle gefunden wurden86. Es ist sehr bedauerlich, daß diese Funde und Fundumstände offensichtlich kaum noch erhellt und bewertet werden können. An markanter Position zwischen den beiden spätbronzezeitlichen Fundbereichen hinter dem Wall und auf dem Gipfel gelegen, hätte dieser mutmaßliche Höhlenfund- und damit Opferplatz gewiß einiges zur funktionellen Deutung der gesamten urgeschichtlichen Fundstelle Pfaffenstein beitragen können. Hier einen Opferplatz in Betracht zu ziehen, beruht zum einen auf der Form der Höhle, die eher den in der Sächsischen Schweiz seltenen Charakter einer Schachthöhle hat. Schachthöhlen jedoch sind ein in Mitteleuropa verbreiteter Typ von eindeutigen urgeschichtlichen Opferstellen. Zum anderen fällt die Übereinstimmung des mutmaßlichen Fundspektrums der BELLOHÖHLE mit dem vom Pfaffensteinplateau einerseits und dem aus der STEINERNEN SCHEUNE andererseits auf (Mahlstein, Keramik), die alle drei Plätze in einen anscheinend engen funktionellen Zusammenhang stellt. Schließlich ist noch ein kleiner Felsen mit dem Namen „Großmutter“ etwas unterhalb nördlich vom Nadelöhr zu erwähnen (Abb. 1/4c). Dort konnte der bisher widersprüchlich überlieferte Fund eines großen spätbronzezeitlichen Doppelkegels87 lokalisiert werden88, dessen Reste offenbar vom damaligen Bergwirt Richard KEILER um 1930 herum über mehrere Jahre hinweg bei der Streusandentnahme aus einer kleinen, nach speläologischen Kriterien allerdings nicht als Höhle geltenden kleinen Höhlung unter dem genannten Felsen geborgen wurden89. Alle angeführten Höhlenfunde – darauf soll abschließend nochmals hingewiesen werden – sind nicht eigenständig, sondern nur aus der spätbronzezeitlichen Nutzung des Pfaffensteins, mit der sie untrennbar verbunden sind, zu erklären90. In die Interpretation der Höhlenfunde der Sächsischen Schweiz können sie nur unter Vorbehalt einbezogen werden.

Weißig Am Südfuß des Nonnensteins, eines 18 m hohen, isoliert östlich vom Rauenstein aufragenden Felsturms, entdeckte Knut HAUSWALD 1982 neben mittelalterlichen Scherben ein kleines Randstück einer urgeschichtlichen Schale (Abb. 1/5)91. Der Finder ging von einem Zusammenhang des Fundortes mit einer darüberliegenden, im Mittelalter künstlich erweiterten Höhle aus und ordnete die Scherbe den

86 Freundliche briefliche Mitteilung per E-Mail von Herrn Roland H. WINKELHÖFER (Dresden) vom 05.04.2007, für die ich ihm herzlich danke. 87 A. Neugebauer und P. Rölke, Die bronzezeitliche Höhensiedlung auf dem Pfaffenstein, in: R. Keiler u.a., Der Pfaffenstein (Monogr. zur Sächs.-Böhm. Schweiz 1), Dresden 2004, 71, Abb. S. 71. 88 Torke (Anm. 4), 41f. 89 Freundliche briefliche Mitteilung von Herrn Ralph KEILER (Pfaffendorf) vom 23.03.2005 sowie persönliches Gespräch anläßlich einer gemeinsamen Besichtigung am 24.04.2007, wofür ich ihm herzlich danke. Die Stelle entspricht dem Fundpunkt 8 bei Neugebauer (Anm. 79), Abb. 62. 90 Torke (Anm. 4), 40ff., bes. 43, 46. 91 Hauswald (Anm. 10), 127, Abb. 11.

23Höhlenfunden der Sächsischen Schweiz zu92. Diese Verbindung ist durchaus denkbar, aber nicht zwingend. Ebenso möglich ist es, daß die Keramikniederlegung dem Felsturm als solchem gegolten hat und von seinem mit Steigbäumen schon immer erreichbaren Gipfel oder aber primär von seinem Fuß stammt. Dafür gibt es Vergleichsbeispiele z.B. in anderen mitteleuropäischen Sandsteingebieten93. Auf diese Thematik wird an anderer Stelle näher eingegangen94. Es gibt mehrere Höhlungen am Nonnenstein, einmal – teilweise etliche Meter hoch liegende – Schichtfugen an der Südkante des Felsens, zum anderen eine verstürzte und eine erhaltene sehr kleine Halbhöhle südwestlich im Sockel unterhalb des Felsturms. Sie alle sind im Mittelalter künstlich erweitert worden. Auf die letztgenannte könnte sich die beschriebene Fundsituation beziehen95. Sie liegt in einer düsteren kleinen Schlucht und öffnet sich mundartig direkt unterhalb des Felsturmes. Trotz ihrer geringen Größe hat sie eine etwas unheimliche Ausstrahlung und käme als Deponierungsort einer Opfergabe – in oder vor ihr – in Frage. Wegen des gleichzeitig mit ihr wahrnehmbaren Felsturmes unmittelbar darüber ist aber nicht zu entscheiden, was den Ausschlag gegeben haben mag – am Ende gar genau diese Kombination zweier Topographien von sakraler Relevanz. Die Lage der Fundstelle ist wiederum ausgesprochen elbnah und vom Fluß aus unproblematisch erreichbar. Der zwar markante, aber nicht allzu große Felsturm des Nonnensteins ist jedoch weder vom Elbtal aus zu sehen, noch – bei vorauszusetzender Bewaldung seiner Umgebung – auf der Hochfläche eine auffällige Erscheinung. Außer von den Gipfeln der umliegenden Felsen war er erst wahrnehmbar, wenn man direkt vor ihm stand. In jedem Fall müssen wir also in der Urgeschichte eine intensive Durchdringung unserer Landschaft durch Menschen mit guter Ortskenntnis voraussetzen. Hinsichtlich der Datierung der kleinen Schale, deren Rest hier entdeckt worden war, gab es zunächst keine Klarheit. Knut HAUSWALD nannte in seiner Erstvorlage des Fundes jüngere Bronzezeit, frühe Eisenzeit und ältere Eisenzeit nebeneinander96, neigte allerdings in Anlehnung an den Fund eines Schalenbruchstücks vom Lilienstein (Waltersdorf II, s.u.) zu einer Präferenz der Früheisenzeit97. Alle anderen Autoren indessen, die den Fund seitdem erwähnten, gingen von einer (spät-)bronzezeitlichen Zeitstellung aus98 oder begegneten der Zuweisung in der Erstbekanntgabe zumindest 92 Ebd., 123, 127. 93 Vgl. z.B. F. Leja, Rabenfels und Neutrasfelsen – zwei weitere vorgeschichtliche Felsturm-Opferplätze in der Frankenalb, in: Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 34/35, 1993/94, 46-66; S. Müller, Zum Stand der Auswertung des urnenfelderzeitlichen Opferplatzes zu Füßen der „Schellnäcker Wänd“ bei Altessing, in: M. M. Rind (Hrsg.), Geschichte ans Licht gebracht (Archäol. im Ldkr. Kelheim 3), Büchenbach 2000, 86-94. 94 Torke (Anm. 4), 70, Anm. 707 - 716. – Bei dem Höhlenfund Ostrau I (Winterberg) ist auf mögliche Bezüge zu nahe gelegenen Felstürmen verwiesen worden, insbesondere den nördlich direkt benachbarten Rübezahlturm (/Peša/Kraft [Anm. 20], 7). 95 Dem entsprechen auch die angegebenen Koordinaten; vgl. Hauswald (Anm. 10), 127. 96 Hauswald (Anm. 10), 120, 123, 127, Abbildungsunterschrift zu Abb. 11. 97 Ebd., 120. 98 Spehr (Anm. 10); Reuter (Anm. 10), 332.

24 mit Skepsis99. Daß dies nicht unberechtigt war, erwies eine zwischenzeitliche Autopsie mit einer eindeutigen Zuweisung der Randscherbe in die späte Urnenfelderzeit, also die Endphase der Lausitzer Kultur im 9. Jh.v.Chr.100 Das Schälchen hatte einen etwas größeren Mündungsdurchmesser und eine weniger steile Wandung als ursprünglich angenommen101 und wies eine verwaschene Innenfacettierung auf, wie sie für das Ende der Spätbronzezeit charakteristisch ist (Abb. 6).

Offensichtlich geht dieses Gefäßrelikt auf ein Trankopfer zurück (Libation, Ausgießen von Flüssigkeiten an geweihter Stelle). Solche kleinen Schälchen ersetzten gegen Ende der Spätbronzezeit die bis dahin dafür benutzten Tassen. Unter Höhlenfunden sind sie alles andere als selten102. Im antiken griechischen und römischen Kultvollzug war das Trankopfer aus Flüssigkeiten wie Wasser, Milch, Honig, Wein oder Öl eine der häufigsten Handlungen. Es geschah morgens und abends, zum Gebet, beim Eid, bei Antritt einer Reise oder bei Symposien und Gastmählern. Das Trankopfer gehörte mit solcher Selbstverständlichkeit zur Sphäre des Religiösen, daß selbst Götter bei dieser Kulthandlung dargestellt wurden und die Trankopferschale zum eigentlichen göttlichen Attribut wurde. Das Trankopfer wurde selbständig oder zusammen mit anderen Opfergaben, besonders dem Speiseopfer, dargebracht. In Verbindung mit blutigen Opfern goß man die Flüssigkeit zu Anfang und Ende des Ritus über den Opfertieren aus. „Weit häufiger als feste Nahrung sind flüssige Spenden“ auch im Ahnenkult der Griechen103. Durst entsprach den körperlosen Schatten anscheinend besser als Hunger, zudem haben „die Leichtigkeit und Anspruchslosigkeit der Darbringung, das Versickern in die Grabeserde, das eine Annahme des Opfers vortäuschen mochte, … die Sitte unzweifelhaft begünstigt“104. 99 K. Simon in Simon/Hauswald (Anm. 11), 90, Anm. 549. 100 Die Bestimmung stammt von Herrn Dr. sc. Klaus SIMON (Dresden), dem ich für die Veröffentlichungsgenehmigung zu herzlichem Dank verpflichtet bin. 101 Mündungsdurchmesser 13 cm statt 11,5 cm (Hauswald [Anm. 10], 127); vgl. auch a.a.O., Abb. 11. 102 Vgl. Stoll-Tucker (Anm. 3), 148ff.; G. Wieland, Überlegungen zur Höhlennutzung im oberen Donautal während der Spätbronze- und Eisenzeit, in: Archäologische Forschungen in urgeschichtlichen Siedlungslandschaften (Regensburger Beitr. prähist. Archäol. 5), Regensburg/Bonn 1998, 400, 402. 103 K. Meuli, Griechische Opferbräuche, in: Phyllobolia, Basel 1946, 191f. 104 A.a.O., 192.

Abb. 6: Weißig (Nonnenstein): Randscherbe eines kleinen Schälchens der späten Urnenfelderzeit. M 1 : 2.

25

Waltersdorf / Sächsische Schweiz I Die Zeit der Lausitzer Kultur, die folgende Früheisenzeit und der Beginn der sich anschließenden Latènezeit sind in der FRANZOSENHÖHLE (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-44) nachgewiesen worden, die damit als mit Abstand bedeutendste und im Vergleich ungewöhnliche Höhlenfundstelle der Sächsischen Schweiz in Erscheinung tritt (Abb. 1/6)105. Sie wurde von der zweiten Hälfte des 13. bis zum 3. Jh.v.Chr. als Opferstätte genutzt, worin eine nicht nur nach den Maßstäben unserer engeren Heimat beeindruckende Kontinuität zum Ausdruck kommt. Neben erneuten Funden atypischer urgeschichtlicher Scherben vor der FRANZOSENHÖHLE selbst106 kommen aktuell weitere der Höhle direkt benachbarte Fundplätze ins Spiel. Dabei handelt es sich einmal um eine hangseitig östlich der Höhle im selben Felskomplex und auf gleicher Höhe liegende Spalte, in der zwei urgeschichtliche Scherben geborgen wurden, darunter die Wandscherbe eines Schulterumbugs einer sehr großen urnenfelderzeitlichen Terrine107. Die zweite Fundstelle ist eine sich nach unten etwas erweiternde Spalte in einem Felsband ebenfalls etwas östlich und oberhalb der Höhle. In ihr wurden zwei nicht näher bestimmbare urgeschichtliche Scherben, darunter ein Bodenansatz, entdeckt108. Diese weiteren zeitgleichen Funde vor bzw. in der FRANZOSENHÖHLE benachbarten Spalten unterstreichen deren bereits aus der Analyse ihres Fundguts erkannte einstige Bedeutung als Opferplatz. Sie lassen ferner das Bild einer Art Kultbezirk entstehen, Teil eines „Temenos“, der den Felsen umgab und einen Großteil auch des Lilienstein-Nordhangs eingenommen haben könnte109. Solche benachbarten Niederlegungen – wenngleich hier anscheinend regelhaft an Höhlen oder höhlenartige Bildungen gebunden – erinnern zugleich an das ganz ähnliche Bild am nicht weit entfernten Südwesthang der Fußhalde, wo derartige Gaben außer in Spalten am Felsfuß vielleicht an verschiedenen Stellen auf dem Hang selbst deponiert worden sind110.

Schmilka

105 Wie Anm. 1. 106 2006 drei nicht näher bestimmbare urgeschichtliche Scherben, darunter ein Bodenansatz, gefunden von Dr. Klaus SIMON (Dresden), 2007 drei ebensolche Scherben, gefunden von Sabine HOLTERMANN (Pirna). 107 2007 gefunden von Sabine HOLTERMANN (Pirna), der ich für die Information sehr herzlich danke, ebenso Herrn Dr. Klaus SIMON (Dresden) für die Bestimmung. 108 2005 gefunden von Dr. Klaus SIMON (Dresden), dem ich für die Information sehr herzlich danke. 109 Vgl. Torke (Anm. 4), 69. 110 A.a.O.

26 Im Zuge der Erfassung von Höhlen zwischen Schmilka und dem Großen Winterberg wurde 1985 unweit der Winterbergstraße von Mitgliedern der Höhlenforschergruppe Dresden und Gästen eine kleine, seit 1984 bekannte Schichtfugenhöhle untersucht, die, weil am Westfuß vom südlichen Felsmassiv des Kipphorns liegend, den Namen KIPPHORNFUGE erhalten hatte (Höhlenkataster-Nr. 5051/SH-42; Abb. 1/7)111. Dabei wurde eine Randscherbe eines mittelalterlichen Gefäßes entdeckt112. Daraufhin kam es zu einer eingehenderen Untersuchung der Höhle113. Ein etwa 4 x 4 m großer, zentral unter dem Felsdach liegender Abschnitt wurde bis auf den in etwa 0,5 m Tiefe anstehenden Fels freigelegt. 2 m hinter der Traufe fand man dabei erste weitere Scherben sowie Spuren von Holzkohle. Nochmals 2 m dahinter – also 4 m hinter der Traufe – stieß man am hinteren Ende des Felsüberhangs 0,4 bis 0,5 m tiefer auf eine breitere, quer verlaufende Kluft, die sich also parallel zur Traufe und zum hinteren Höhlenende erstreckt. In dieser kamen an zwei getrennten Stellen weitere Scherben sowie zwei unbearbeitete Feuersteine zum Vorschein. Bei der Grabung fielen zudem im losen Sand etliche kleinere und drei größere Basaltstücke auf. Diese dürften dem Basaltvorkommen des Großen Winterbergs entstammen, dessen hochwertige Böden sich bereits in dem lichten, die Höhle umgebenden Buchenbestand ankündigen. Die Höhle selbst öffnet sich etwas unterhalb des Kipphornmassivs am Fuße einer kleinen, nicht sehr auffälligen Felsgruppe von zwei- bis dreifacher Mannshöhe am mäßig bis mittelsteil abfallenden Hang nach Westen, also zum Elbtal hin.

111 An der Exkursion vom 09.06.1985 waren beteiligt: Klaus BEYER, Simone JOHNE, Lotti KLEIN, Jan MISTEREK, Alfred NEUGEBAUER, Jens RÖHLECKE, Uwe SEIFERT, Walter SEIFERT, Edelgard WICHT, Martin WICHT, Frau THIERBACH. Freundliche briefliche Mitteilung per E-Mail von Herrn Roland H. WINKELHÖFER (Dresden) vom 18.11.2008. 112 A. Neugebauer, Fundmeldung vom 27.06.1985 im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Schmilka. 113 A.a.O.

Abb. 7: Schmilka (KIPPHORNFUGE): Scherben zweier Gefäße der frühen Latènezeit. M 1 : 2.

27In der Literatur wurde die Fundstelle bisher nur am Rande erwähnt114. Dabei wurden als Funde „Scherben der späten Bronze-/frühen Eisenzeit sowie des Mittelalters“ genannt115. Tatsächlich jedoch stammen die beiden urgeschichtlichen Scherben, die unter dem Fundmaterial waren, aus der frühen Latènezeit116. Diese Phase liegt nach dem Ende der frühen Eisenzeit am Beginn der älteren Eisenzeit, im 5. – 4. Jh.v.Chr.

Bei den Scherben handelt es sich um Reste zweier verschiedener Gefäße, glücklicherweise in beiden Fällen Verzierungen aufweisend, so daß eine exakte Bestimmung möglich war. Wir haben hier ein Bruchstück eines großen, schwach S-profilierten, schlauchförmigen Topfes mit eingezogenem Oberteil und Wellenleiste am Halsansatz sowie ein weiteres vom Unterteil eines Gefäßes mit grober senkrechter Ritzung117 vor uns (Abb. 7). Hinter der Wellenleiste verbergen sich nördliche, aus dem frühgermanischen Jastorfbereich stammende Einflüsse118. Eimerförmige Töpfe

114 Knappe Erwähnung bei Hauswald (Anm. 10), 129; mit falscher Befundangabe („vor dem Mundloch der Höhle“) angeführt bei U. Reuter, Wichtige Neufunde der Jahre 1991 - 1993 aus den Regierungsbezirken Dresden, Chemnitz und Leipzig, in: AFD 37, 1995, 257. 115 Reuter (Anm. 114), 257. 116 Die Bestimmung erfolgte durch Herrn Dr. Klaus SIMON (Dresden); vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 92, Anm. 91. 117 Dieses war anscheinend bisher für ein ritzverziertes Doppelkegelunterteil der spätbronzezeitlichen Lausitzer Kultur gehalten worden. 118 Vgl. Peschel 1978 (Anm. 42), 37.

Abb. 8: Schmilka (KIPPHORNFUGE): Oberteil eines hochmittelalterlichen Gefäßes. M 1 : 2.

28 mit Tupfenleiste und grobe, oft weite Schüsseln mit Kammstrichmuster sind typische Keramik aus Höhlen vom Übergang von der Hallstatt- zur Latènezeit119. Eine Reihe von weiteren Scherben – darunter der zuerst gefundene Rand – ließ sich zum Oberteil eines steilwandigen Topfes mit Kragenrand und einem Band aus einer durchgezogenen, freihändig eingeritzten Gurtfurche auf der Schulter zusammensetzen (Abb. 8). Dieses Gefäß ist in die zweite Hälfte des 12. Jh.zu datieren120, gehört also zu den ältesten mittelalterlichen Funden, die wir bisher aus der Sächsischen Schweiz kennen (z.B. vom Königstein, Lilienstein und Hockstein). Solche mittelalterlichen Funde aus Höhlen mit urgeschichtlichen Sachzeugen sind keine Einzelfälle121. Neben ihrer Interpretation als Zeugen kurzer Besuche in der Höhle122 oder gar deren Nutzung als Mülldeponie123 wird immer wieder darauf verwiesen, daß aus abergläubischen Vorstellungen heraus Sachgutdeponierungen bis zur Neuzeit üblich waren124. Intentionelle Versenkungen in Flüssen halten sich bis ins hohe Mittelalter125. Zwar erlischt im Mittelalter die Vorstellung von der Höhle als heiligem Ort126, aber in abergläubischen Praktiken lebten die überwundenen Kulte weiter. Fortlebendes Heidentum finden wir z.B. an der Elbequelle, wo böhmische Bauern schwarze Hähne opferten, bis der Bischof von Hradec Králové (Königgrätz) 1684 ein Machtwort sprach127. Neben einem Nachhall solcher vorchristlicher Praktiken können wir aber eine profane Höhlennutzung nicht ausschließen. Diese könnte neben Waldbewirtschaftung – beispielsweise der Pechgewinnung, wie sie aus dem Ortsnamen Schmilka zu erschließen ist – auch von Jagd oder der Beobachtung des Elbtals ausgegangen sein. (Fortsetzung folgt)

119 Vgl. z.B. W. Bleicher, Eisenzeitliche Funde aus der Honerthöhle, in: Karst u. Höhle 1982/83 (1983) (Beitr. Karst- u. Höhlenforsch. in Westfalen), 114; Polenz (Anm. 70), 53. 120 Die Bestimmung nahm Herr Reinhard SPEHR (Dresden) vor und hielt sie auf der Fundmeldung (Anm. 112) fest. 121 Ch. Züchner, Eisenzeitliche und mittelalterliche Funde aus dem Pulverloch bei Draisendorf, Landkreis Forchheim, in: Jahresber. bayer. Bodendenkmalpfl. 17/18, 1976/77 (1978), 32; ders. (Anm. 32), 241; ders., Die Funde aus der Geudensteinhöhle bei Gösseldorf, Ldkr. Bayreuth, Oberfranken, in: Bayer. Vorgeschbl. 45, 1980, 9, Abb. 4. 122 Züchner 1980 (Anm. 121), 9. 123 Stoll-Tucker (Anm. 3), 153. 124 W. H. Zimmermann, Urgeschichtliche Opferfunde aus Flüssen, Mooren, Quellen und Brunnen Südwestdeutschlands. Ein Beitrag zu den in Opferfunden vorherrschenden Fundkategorien, in: Neue Ausgrab. u. Forsch. Niedersachsen 6, 1970, Anm. 81 („daß ein Teil von ihnen [den mittelalterlichen Funden] in der Tradition der älteren Votivfunde steht, die auch in christlicher Zeit noch als Niederschlag eines Volksbrauches zu erwarten sind“); Walter (Anm. 32), 82. 125 Vgl. M. Schulze, Diskussionsbeitrag zur Interpretation früh- und hochmittelalterlicher Flußfunde, in: Frühmittelalterliche Studien 18, 1984, 222 - 248, bes. 229; S. Hansen, Studien zu den Metalldeponierungen während der Urnenfelderzeit im Rhein-Main-Gebiet (Univ.Forsch. prähist. Archäol. 5), Bonn 1991, 176, Anm. 67, mit Literatur; ders., Studien zu den Metalldeponierungen während der älteren Urnenfelderzeit zwischen Rhônetal und Karpatenbecken, T. 1 (Univ.Forsch. prähist. Archäol. 21), Bonn 1994, 395, Anm. 204, mit Literatur; W. Torbrügge, Spuren in eine andere Welt. Archäologie der vorzeitlichen Wasserkulte (Abschiedsvorlesung vom 21.2.1992 aus Anlaß der Eremitierung), in: Archäologische Forschungen zum Kultgeschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas (Regensburger Beitr. prähist. Archäol. 2), Regensburg/Bonn 1996, 579; S. Hansen, Gewässerfunde im bronzezeitlichen Europa. Ein Panorama, in: Das Altertum 46, 2000, 48; K. Wehrberger, Fundort Kiesgrube. Gewässerfunde von der Oberen Donau und ihren Zuflüssen, in: H.-P. Kuhnen (Hrsg.), abgetaucht, aufgetaucht – Flussfundstücke. Aus der Geschichte. Mit ihrer Geschichte (Schriftenr. Rhein. Landesmus. Trier 21), Trier 2001, 63. 126 Geschwinde (Anm. 3), 120. 127 Torbrügge (Anm. 125), 570.

Titelbild: Blick in die Rügerspalte am Osterturm umweit des Großen Schrammtors. Hier wurde in der älteren Eisenzeit, vor 2500 Jahren, ein Gefäßopfer niedergelegt. (Foto: H. Torke) Bildnachweis: M. Torke; M. Torke nach Vorlage von K. Simon (Dresden) (Abb. 7).

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Matthias Torke

Urgeschichtliche Keramik aus Höhlen der Sächsischen Schweiz (2)

(Der erste Teil erschien in: Der Höhlenforscher 41, 2009 [Heft 1], 7 - 28)

Königstein Eine weitere, für die älteste Geschichte des ganzen Elbsandsteingebirges äußerst bedeutsame Höhlenfundstelle128 liegt am rechten Hang des Bielatales, südlich vom Quirl und nördlich von der Einmündung des Cunnersdorfer Baches in die Biela (Abb. 1/8). Ich möchte sie ohne Fundvorlage nur kurz erwähnen. Sabine HOLTERMANN (Pirna) hat sich engagiert und mit Erfolg um die Aufklärung der Fundumstände und die Sicherstellung der leider stark dezimierten Funde bemüht129. Im Sommer 1945 wurde von Harald SCHURZ (Königstein) unter Beteiligung dreier weiterer Finder130 unweit der ehemaligen Wettin-Buche in der Abteilung 10 des Revierteiles Gohrisch vom damaligen Forstrevier Nikolsdorf131 eine flache, mit lehmigem Sand verfüllte kleine Schichtfugenhöhle entdeckt132. Hierbei wurde eine erhebliche Menge grober buckliger Tonscherben – meist bauchige Wandungsscherben – von teilweise beachtlicher Größe („größte Exemplare mehr als zwei Handteller groß“)133 und brauner bis braun- oder graugelber Farbe geborgen. Diese sind in der Folge aus Unkenntnis entsorgt worden, ohne daß ein Archäologe Gelegenheit hatte, einen Blick darauf zu werfen. Im Juli 1961 fand Harald SCHURZ nach mehrmaligem vergeblichem Suchen einige weitere Scherben der gleichen Art sowie ein Randstück mit einer einfachen, nach außen ausschwingenden Randlippe, die erhalten geblieben sind. Sie lagen – offenbar ebenso wie die ersten Funde – „wenig unter der Humusdecke inmitten der scheinbar

128 Vgl. hierzu M. Torke, Borbin, Ilgin, Isin: Ein Versuch, in: Mitteilungsheft 4 Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e.V., Pirna 2006, 57, Anm. 39. 129 Ich möchte ihr auch an dieser Stelle herzlich für die Erlaubnis danken, diese Funde hier ansprechen zu können. 130 Es waren dies Kurt RASCHKE, Horst HICKMANN und Gottfried JUNGHANNS. 131 Seit der Auflösung des Staatswaldes Mitte des 20. Jh. Teil der Flur Königstein (vgl. H. Torke, Die Ortschaften der Sächsischen Schweiz, in: Mitteilungsheft 4 Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e.V., Pirna 2006, 79, Abb. 2). 132 Fundbericht von Harald SCHURZ vom 06.09.1961. Frau Sabine HOLTERMANN (Pirna) danke ich vielmals dafür, mir diesen zur Verfügung gestellt zu haben. 133 a.a.O.

41gesteckten und gesetzten Steine vor der Höhlung“134. Werner COBLENZ, dem als damaligem Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden diese Funde vorgelegt wurden, nahm „an, daß sie der späten Eisenzeit oder dem frühen Mittelalter zuzuordnen sind“135. Dem ist im Prinzip zuzustimmen, wobei unverständlich bleibt, warum Werner COBLENZ diese archäologische Sensation, denn um nichts weniger handelte es sich, für sich behalten hat136 und auch die Funde in den Händen von Harald SCHURZ beließ. Denn etwas weniger allgemein ausgedrückt haben wir damit Scherben der Völkerwanderungszeit vor uns, die äußerstenfalls noch in die Zeit der frühen Slawen gehören könnten137. Wir bewegen uns im 5. – 8. Jh. (eher der zweiten Hälfte dieses Zeitraums) und damit in einer Periode, die nicht nur in der Dresdner Elbtalweitung, sondern in ganz Sachsen bisher nur sehr spärlich durch Funde belegt ist138. Die fundgeographischen Implikationen einer solchen Entdeckung, z.B. was die etwaige Rolle des Landwegs zwischen Pirna und D��ín (Tetschen)139 für die elbabwärts verlaufende Einwanderung der ältesten Slawen in unser Gebiet im 6. Jh. anbelangt, sind kaum auszumalen. Es bleibt sehr zu hoffen, daß dieser wichtige Fund irgendwann einmal publiziert wird. Unweit von dieser Fundstelle, im DIEBSKELLER am Quirl (Höhlenkataster-Nr. 5050/KÖ-08), wurden 1923 bei einer Grabung in 0,6 m Tiefe Holzkohle und Tonscherben entdeckt140. Näheres ist nicht bekannt; die Funde sind nicht erhalten geblieben, so daß zum Alter der Keramik nur Spekulationen möglich sind – diese könnte mittelalterlich oder gar frühneuzeitlich sein, vielleicht aber auch spätbronzezeitlich wie in der nahegelegenen STEINERNEN SCHEUNE am Pfaffenstein, eventuell gar älter141.

Keramik aus Felsspalten Den Höhlenfunden eng verwandt sind Funde aus Felsspalten142. Felsspalten führen wie Höhlen – oft beklemmend wirkend – tief ins Innere der Erde hinein. Über den Typus der Schachthöhle, der sich vertikal erstreckt, sind sie unmittelbar mit der Erscheinung

134 a.a.O. 135 H. Schurz und H. Lemme, Arbeitskreis zur Erforschung der Sächsischen Schweiz, Exkursionsbericht vom 11.08.1963, 3. 136 Im Gegenteil, Werner COBLENZ schloß dies noch 1986 ausdrücklich aus: „Für die Einwanderung slawischer Verbände aus dem Südosten gibt es im gesamten Elbdurchbruch und auf den Ebenheiten über beiden Ufern bisher noch nicht den geringsten Hinweis, ...“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 107). 137 Ergebnis einer gemeinsamen Autopsie mit Frau Sabine HOLTERMANN (Pirna) und Herrn Dr. sc. Klaus SIMON (Dresden), denen ich für die Erlaubnis danke, dies hier zu erwähnen. 138 Scherben dieses Alters sind aus Höhlen in Böhmen bekannt (Sklená�/Matoušek [Anm. 58], passim). 139 Vielleicht wird durch unsere Fundstelle der vorgeschlagene Verlauf dieses Weges (Simon/Hauswald [Anm. 11], 94, Abb. 62) um eine zumindest temporäre Biela-Querung im Bereich der heutigen Ortslage von Hütten modifiziert.140 O. Mörtzsch, Zur Höhlenkunde in Sachsen, in: Über Berg u. Tal 46, 1923, 4. 141 Vgl. M. Torke, Zu urgeschichtlichen Funden aus der Hocksteinhöhle (Wolfshöhle / RA-16) bei Hohnstein/Sächsische Schweiz, in: Der Höhlenforscher 35, 2003, 92. 142 Vgl. z.B. Zimmermann (Anm. 124), 61; Torbrügge (Anm. 58), Anm. 193; Hauswald (Anm. 10), 124; Geschwinde (Anm. 3), 103; Wieland (Anm. 102), 396, 402, 404.

42Höhle verbunden. Das Senkrechte beschwört hier besonders Transzendenz herauf143. Spalten prägen manche Horizontalhöhle144 oder es gibt Formen, wo das eine in das andere übergeht. Oft ist, klettert man ein wenig in sie hinein, der Himmel am oberen Ende nicht mehr zu sehen, so daß der Eindruck überhand nimmt, sich in einer Höhle zu befinden. Aus diesen Gründen sowie wegen des übereinstimmenden Fundspektrums, das ebenfalls das gerade Gesagte unterstreicht, sollen Keramikfunde aus Felsspalten an dieser Stelle mit behandelt werden und auch in die abschließenden Auswertungen eingehen.

Waltersdorf / Sächsische Schweiz II Aus dem Bereich des Aufstiegs an der Südwestseite des Liliensteins gibt es mittlerweile zahlreiche Funde urgeschichtlicher Scherben, die sich über einen beachtlich langen Zeitraum verteilen und offenbar mit einer seinerzeitigen Rolle des markanten Felsens als „Heiligem Berg“ zu tun haben (Abb. 1/9)145. Wenigstens für einen Teil dieser Keramik ist sicher zu belegen, daß sie bewußt und vom Felsfuß her in einer der Spalten niedergelegt wurde, die hier den ansonsten so unnahbaren und monolithischen Felsen zerklüften.

Dort, wo der Südaufstieg den Felsfuß erreicht und zunächst zwischen Felswänden noch ein Stück weit den Hang hinaufführt, bevor er über eine kleine Brücke hinweg in der auf dem Plateau mündenden Aufstiegsspalte verschwindet, ragt westlich des Weges – ein wenig zurückgesetzt gegenüber einer mächtigen, sich weiter nach Westen hinziehenden Steilwand – ein freistehender Felsturm in den Himmel. Dessen untere Hälfte wird von einer sich nach Süden öffnenden Spalte zerteilt (Abb. 11). In dieser

143 Vgl. M. Eliade, Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen, Frankfurt/M. - Leipzig 1998, 113. 144 Hier ist besonders auf den Fundort des Gefäßes der Glockenbecherkultur vom Kleinen Winterberg (Ostrau I) hinzuweisen (s.o. bei Anm. 30 und u. bei Anm. 309 - 312). 145 Simon/Torke (Anm. 1), 89ff.

Abb. 9: Walthersdorf (Lilienstein): Teile einer kleinen früheisenzeitlichen Schale. Rechts die von Adelhelm DIETZEL 1963/66, links die von Alfred NEUGEBAUER 1971 gefundene Scherbe. M 1 : 2.

43Spalte, im Bereich ihrer Mündung am Felsfuß, entdeckte der der heimatlichen Urgeschichte verbundene Dresdner Maler und Grafiker Adelhelm DIETZEL 1963 und 1966 im Schwemmsand die Scherben zweier Gefäße146. Es handelt sich dabei um ein großes Bruchstück einer steilwandigen kleinen Schale, die zu einer Omphalosschale ergänzt werden kann (Abb. 9), und um eine Scherbe vom Schulter-Hals-Übergang eines großen steilwandigen Gefäßes mit feinster, sacht verstrichener Schlickerung147. Beide haben gute Entsprechungen im späten Westhallstattmilieu, genauer der Bylaner Kultur Böhmens. Sie gehören in die jüngere Phase dieser Kultur (Stufe HaD3) und sind in die zweite Hälfte des 6. Jh.v.Chr. zu stellen. Die frischen Bruchkanten des dünnwandigen Schalenrestes belegen, daß das zierliche Gefäß einst unversehrt dem Boden anvertraut worden ist. Es ist keine Siedlungsware, sondern verkörpert eine Gefäßform mit sakralem Sinngehalt. Schälchen dieser Art wurden bei kultischen Handlungen an Gräbern und auf Opferplätzen benutzt148, um Libationsopfer darzubringen: Trankspenden wohl von alkoholischen Flüssigkeiten, deren Vergießen über den Boden die Gabe den Göttern oder den Ahnen149 zukommen ließ. Die schwach abgelaugte, stumpfe Oberfläche weist Einwirkungen sekundären Brandes auf, darunter Hitzekraqueluren am Rand. Das Gefäß wurde also vor seiner Deponierung dem Feuer ausgesetzt. An einem so siedlungsfernen Platz wie diesem scheidet ein Brand als Ursache aus, so daß diese vielmehr in einer rituellen Handlung gesucht werden muß.

Nicht lange nach Adelhelm DIETZEL, 1971, entdeckte Alfred NEUGEBAUER150 an der gleichen Fundstelle151 ein nur geringfügig kleineres Bruchstück der gleichen Schale (Abb. 9)152. Es hat natürlich ebenso ringsum neue Brüche, läßt sich aber an die zuerst gefundene Scherbe nicht anpassen. Damit wird die ursprünglich unversehrte Niederlegung des Schälchens zur Gewißheit. Doch damit nicht genug entdeckte Alfred

146 Coblenz (Anm. 74), 83ff., Abb. 1, 2/11, 2/12. 147 Vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 90, Anm. 83. 148 Vor allem in den Felsspalten verwandten Höhlen (wie Anm. 102). Darunter sind Formen mit großer Ähnlichkeit zu dem Schälchen vom Lilienstein (Leja [Anm. 29], Abb. 4/4). Vgl. D.-W. R. Buck, Symbolgut, Opferplätze und Deponierungsfunde der Lausitzer Gruppe, in: Archäologische Forschungen zum Kultgeschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas (Regensburger Beitr. prähist. Archäol. 2), Regensburg 1996, 280; Wieland (Anm. 102), 400, 402. 149 s. dazu o.bei Anm. 103, 104. 150 Dieser Fund ist mit Teilen des Nachlasses von Alfred NEUGEBAUER in das Stadtmuseum Pirna gekommen. Frau Sabine HOLTERMANN (Pirna) bin ich für die Information und die Erlaubnis zur Veröffentlichung zu großem Dank verpflichtet. 151 Fundortskizze von Alfred NEUGEBAUER, die der Scherbe beigefügt war. 152 Alfred NEUGEBAUER hat seinen zeitlebens in Privatbesitz befindlichen Schalenrest sogar publiziert, ohne daß dem Leser klar werden konnte, was es mit dem erwähnten Fund von 1971 auf sich hatte (Neugebauer [Anm. 79], 27).

Abb. 10: Walthersdorf (Lilienstein): Kleine Scherbe eines wohl früheisenzeitlichen Gefäßes. M 1 : 2.

44NEUGEBAUER bei gleicher Gelegenheit eine Wandungsscherbe mit außen sacht vertikal verstrichenem feinsandigem Schlicker (Abb. 10), die vielleicht zu demselben zweiten Gefäß gehört, von dem Adelhelm Dietzel eine gleichartige Scherbe geborgen hatte153.

153 Allerdings weist die Fundortskizze von Alfred NEUGEBAUER (wie Anm. 151) für diesen Fund eine Position etwas hangabwärts und östlich des Aufstiegsweges aus, so daß in diesem Falle eine gewisse Verlagerung vorauszusetzen wäre.

Abb. 11: Walthersdorf (Lilienstein): Fundstelle früheisenzeitlicher Gefäßreste. Die Spalte, aus der die Scherben stammen (A), liegt am Fuß einer isolierten Felsgruppe westlich vom Südwestaufstieg auf den Lilienstein (B). Das Liliensteinplateau selbst liegt rechts außerhalb des Bildausschnitts.

45Obwohl Adelhelm DIETZEL den Fundort exakt dokumentierte154, geriet die – in der Erstveröffentlichung noch angesprochene155 – Übereinstimmung der Fundumstände der Keramik vom Lilienstein mit denen beispielsweise des Topfes vom Schrammtor (Ostrau II, s.u.) lange Zeit aus dem Blick. Statt dessen wurden die urgeschichtlichen Scherben vom Lilienstein eher in Verbindung mit einer Nutzung oder Besiedlung des Liliensteinplateaus gesehen156. Das führte bis zu der Behauptung, sie seien „alle vom Plateau abgespült worden“, um sich „nun sekundär an den Hängen und in den Spalten [zu] finden“157 und wegen des Bodenabtrags und der mittelalterlichen Burg gäbe es „auf dem Plateau ... kaum urgeschichtliche Scherben, diese“ träten statt dessen „in vorwiegend sekundärer Lage mehrfach an den Hängen“ auf158. Wie einzelne, nicht allzu zahlreiche urgeschichtliche Scherben vom Gipfelplateau zeigen, können derartige Funde auch von dort herrühren. Sie säumen den Südrand des Plateaus, östlich der Burgruine beginnend, bis zur Bergstation des Aufzugs. Von hier oben abgeschwemmt können Scherben angesichts der Neigung des Plateaus nach NNO159 nicht sein, sind aber vielleicht teilweise im Zuge mittelalterlicher Bauaktivitäten vom Standort der damaligen kleinen Burg aus in die Tiefe geschaufelt worden. Dies könnten wenige urgeschichtliche Scherben belegen, die Bolislaw RICHTER (Dresden) 1983 „in Spalten in halber Höhe unterhalb des Plateaus um die mittelalterliche Burgruine“ auflas160 – falls nicht hier ebenso, wahrscheinlicher, die Spalten der primäre Fundort sind. Daß eine Verlagerung vom Gipfelplateau für die Funde von 1963/66 und 1971 nicht in Frage kommt, liegt auf der Hand und geht aus den von Adelhelm DIETZEL dokumentierten Fundumständen und der im Gelände unübersehbaren Isolation des über der Fundstelle aufragenden Felsturms gegenüber dem Plateau hervor (Abb. 11). Die sehr dünnwandigen, aber großen Bruchstücke des Omphalosschälchens belegen originale Fundlage in der Spalte. Spätere Verlagerung ist auszuschließen. Das wurde aber erst in jüngerer Zeit wieder erkannt161. Darüber hinaus kann für weitere Funde als wahrscheinlich gelten, daß sie wohl eher Zeugnisse ehemaliger Spaltenopfer aus primärer Fundlage sind. Das Herauswaschen von Scherben aus derartigen Spalten und ihre Verteilung über den Hang war vermutlich eine Begleiterscheinung der

154 A. Dietzel, Fundmeldung vom 05.12.1966 im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Waltersdorf/Sächsische Schweiz. 155 Coblenz (Anm. 74), 84. 156 Vgl. z.B. Coblenz (Anm. 35), 97, Anm. 14; S. Möckel, Die jüngere Bronzezeit im Elbsandsteingebirge als Forschungsproblem, in: Sächs. Gebirgsheimat 1991 (Kalender), Ebersbach 1990, Bl. 18. - 24.11.; Spehr (Anm. 10); Simon/Hauswald (Anm. 11), 90 („die Siedlungsgunst jenes Talabschnitts über die Zeitläufe hinweg erhärten vielleicht Scherbenfunde, u.a. aus einer Felsspalte am Südwestfuß des Liliensteins“). 157 Hauswald (Anm. 10), 122. 158 A. Jockenhövel und K. Simon, Befestigte Höhen- und Niederungssiedlungen der älteren Eisenzeit zwischen Elbe und Weißer Elster/Untersaale, in: A. Jockenhövel (Hrsg.), Ältereisenzeitliches Befestigungswesen zwischen Maas/Mosel und Elbe, Münster 1999, 162. 159 Hauswald (Anm. 10), 123, Anm. 9. 160 Ebd., 127. 161 Vgl. Stoll-Tucker (Anm. 3), Anm. 604 („Gefäßdeponierungen in Felsspalten des Liliensteins in der Sächsischen Schweiz“); Jockenhövel/Simon (Anm. 158), 162 („in bzw. vor kleinen Spaltenhöhlen auch als primäre Höhlenfunde?“); Torke (Anm. 128), 62, Anm. 88; Simon/Torke (Anm. 1), 89, Anm. 74.

46anzunehmenden Entwaldung während des Bestehens der hoch- bis spätmittelalterlichen Burg auf dem Lilienstein. Beispielsweise ist bei einem weiteren Schalenrest aus der mittleren Latènezeit162, den Volker BEER (seinerzeit Pirna) 1983 am Südaufstieg gefunden hat163, der Erhaltungszustand – insbesondere die Größe – ebenfalls ein Argument, für diesen Fund eine Verlagerung über höchstens sehr kurze Distanz anzunehmen und wohl ebenso eine einstige Einbettung im Schutze einer Felsspalte.

Auch urgeschichtliche Scherben, die Sabine HOLTERMANN (Pirna) seit Jahren regelmäßig im Aufstiegsbereich sicherstellt, werden überwiegend dicht am Fels geborgen, so daß für sie eine ursprüngliche Herkunft aus den umliegenden Spalten zumindest in Frage kommt. Unter ihnen fallen besonders Reste kleiner Schalen der späten Urnenfelderzeit bis frühen Latènezeit auf (9. – 4. Jh.v.Chr.), die sich dem Fund von Adelhelm DIETZEL und Alfred NEUGEBAUER zur Seite stellen lassen164. Hinter all diesen dürfte ein spezifisches Kultgeschehen im fraglichen Zeitraum stehen, bei dem Trankspenden (Libationsopfer) offensichtlich eine nicht nur untergeordnete Rolle gespielt haben. Schalen, Schüsseln und Töpfe (Abb. 12), von denen die meisten anderen Scherben stammen, die sich hier fanden, weisen darüber hinaus auf Speiseopfer165.

Ostrau II Unmittelbar nördlich vom Großen Schrammtor erhebt sich der Osterturm (Ostertürme) inmitten einer überwältigenden landschaftlichen Szenerie (Abb. 1/10). Eine breite, von NO nach SW verlaufende Kluft trennt den nördlichen Hauptgipfel vom Südgipfel. Diese Kluft wird von Westen her von einem Kletterweg benutzt, dem sogenannten

162 Vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 90, Anm. 88. 163 Hauswald (Anm. 10), 127, Abb. 10/a. 164 Vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 90, Anm. 79, 81, 82, 87 (Halbkugelschalenrand der späten Urnenfelderzeit, schwach innenkannelierter Schalenrand der endenden Urnenfelderzeit, innen kantig abgestrichener Schalenrand der entwickelten Hallstattzeit, Scherbe eines steilwandigen Schälchens der Frühlatènezeit). Daneben fanden sich auch Reste von größeren Schalen, die hier nicht angeführt wurden. 165 Vgl. Polenz (Anm. 70), 59.

Abb. 12: Walthersdorf (Lilienstein), Aufstieg an der Südwestseite: Zusammengehörende Scherben eines frühlatènezeitlichen Gefäßes, das mit halbrunden Griffknubben frühgermanischen nördlichen Einfluß zeigt. M 1 : 2.

47Rügerweg. 1959 entdeckten Bergsportler einer Leipziger Klettergruppe um R. HOFFMANN auf einem Sockel in der Felsspalte inmitten von humosem Sand ein nahezu vollständig erhaltenes Gefäß166. Bei diesem handelt es sich um einen situlenförmigen Schultertopf mit glattem, deutlich abgeknicktem, eingezogenem Oberteil (Abb. 13)167. Er gehört in die frühe Latènezeit, also das 5. – 4. Jh.v.Chr. und weist sowohl nördliche wie südliche Einflüsse auf168, wie sie für die damalige Frühlatènekultur beidseits der Mittelgebirgsschwelle zwischen der Zeit der Billendorfer und der Bodenbacher Kultur prägend waren.

Situlen – deren Gefäßform hier aufgegriffen wurde – repräsentieren eine feierliche Kultur rund um zeremonielles Essen und Trinken169. Sie waren ursprünglich

166 W. Coblenz, Zur Besiedlung der Sächsischen Schweiz in der ältesten Eisenzeit, in: AuF 6, 1961, 75f.; H. Kaufmann, H. Quietzsch, E. Spehr und R. Spehr, Wichtige Neufunde der Jahre 1953 bis 1962 aus den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig, in: AFD 16/17, 1967, 606. 167 Vgl. Simon/Hauswald (Anm. 11), 89, Anm. 527; Simon/Torke (Anm. 1), 92, Anm. 92. 168 Einschätzungen von Herrn Reinhard SPEHR und Herrn Dr. sc. Klaus SIMON (beide Dresden) von 1998, für die ich den Genannten zu Dank verpflichtet bin. 169 St. Winghart, Zu spätbronzezeitlichen Traditionsmustern in Grabausstattungen der süddeutschen Hallstattzeit, in: Archäologische Forschungen in urgeschichtlichen Siedlungslandschaften (Regensburger Beitr. prähist. Archäol. 5), Regensburg/Bonn 1998, 364.

Abb. 13: Schrammtor (Ostrau II): Situlenförmiger Schultertopf der frühen Latènezeit. M 1 : 3.

48reichverzierte bronzene Eimer, die unverdünnten Wein enthielten und im damals reichen Ostalpenraum vorkamen170. Sie sind typisch für die ganze, unserem Fund unmittelbar vorangegangene früheisenzeitliche Hallstattzeit171. Ihre Form wurde mit Tongefäßen nachgeahmt172. Bronzesitulen opferte man durch Versenken173. Funde von Gebrauchskeramik in Felsspalten werden als Behälter von Speise- und Trankopfern erklärt174. Von der Gefäßgattung her belegt dieser Fund ein – eher flüssiges als festes – Nahrungsopfer an dieser Stelle175. Der Gefäßtyp tritt auch in anderenHöhlenfundstellen der Späthallstattzeit/Frühlatènezeit auf176. Erneut fällt das Abstellen eines Gefäßopfers auf einem Felssockel auf, wie wir es bereits von den Höhlen her kennen177. Ein in ähnlicher Weise deponiertes spätbronzezeitliches Vorratsgefäß auf einer felsigen Anhebung in der höhlenartigen Kluft der PLŠÍ JESKYN� (Siebenschläferhöhle) von Tetín in Böhmen wurde kultisch gedeutet178. Gefäßniederlegungen in Felsspalten gibt es immer wieder179. Wenngleich in einer Felsspalte gelegen, macht doch die Fundstelle einen ausgesprochen höhlenartigen Eindruck (s. Titelfoto). Obwohl die Deponierungsstelle selbst eher versteckt liegt, ist doch die Westflanke der Schrammsteine und insbesondere das Große Schrammtor eine topographisch herausragende Position. Zudem ist dieser Platz schon immer über die Einmündung des Zahnsgrundes von der nahen Elbe aus relativ einfach zu erreichen gewesen. Die Elbnähe dieser Stelle – auf der Landkarte allerdings prägnanter als in der Realität – hat hier wie im Falle von Schöna dazu geführt, daß man immer wieder eine Verkehrsrelevanz der Fundstelle betonte, ohne daß konkret beschrieben wurde, worin diese bestand180. Werner COBLENZ sah in ihr ein Verkehrsindiz für einen „direkte[n] Weg an den Elbhochufern“181, der Böhmen und Sachsen verbunden haben soll. Die

170 L. D. Nebelsick, Die Kalenderberggruppe der Hallstattzeit am Nordostalpenrand, in: L. D. Nebelsick, A. Eibner und E. Lauermann, Hallstattkultur im Osten Österreichs (Wiss. Schr.R. Niederösterr. 106/109), St. Pölten 1997, 43, 71. 171 Ebd., Abb. 27. 172 Ebd., 67. 173 Ebd., 127. 174 Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 71; Wieland (Anm. 102), 402, 404. 175 Wie Anm. 70. 176 Vgl. Züchner (Anm. 32), 242, Abb. 2. 177 Darauf wurde konkret im Falle dieser Fundstelle von Ostrau II bereits hingewiesen von Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 82. 178 Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 71. 179 z.B. am Gemeindeberg unweit des Neutrasfelsens in der Frankenalb: Gefäßniederlegung in einer Felsspalte in einem 300 m langen Felsenkamm. In der Kluft steht eine senkrechte Felsplatte mit einem Absatz in 3 m Höhe, dahinter eine 1 m tiefe, leicht nach hinten abfallende Klufterweiterung, wo Reste eines großen wulstverzierten Vorratsgefäßes der Bronzezeit frei in der Kluft lagen. Der Rest des Gefäßes ist wahrscheinlich witterungsbedingt zerstört. Absichtliche Deponierung ist sicher (Leja [Anm. 93], 59f.). 180 Zuletzt Peša/Kraft (Anm. 20), 4. 181 W. Coblenz, Böhmisch-sächsische Kontakte während der Lausitzer Kultur, in: Památky Archeol. 52, 1961, 364.

49Keramik wurde zunächst als Siedlungsnachweis aufgefaßt182, bevor sich ihre Interpretation als urgeschichtliches Opfer durchsetzte183. In diesem Gefäß einen „Grabfund der frühen Jastorf-Kultur oder mit Frühjastorf-Einfluß“ zu sehen184, ist trotz der Einschränkung „Grabcharakter unsicher“ gewiß ebenso eine Konsequenz fehlender Ortskenntnis wie mangelnder Reflexion der Fundkategorie, der dieses Gefäß angehört185.

Ostrau III 1923 kam im Elbtal südöstlich der Schrammsteine am Ostende der Postelwitzer Steinbrüche ein nicht alltäglicher urgeschichtlicher Fund zum Vorschein (Abb. 1/11). Der Wasserbauarbeiter Otto LEUPERT aus Postelwitz entdeckte eine kleine, nur 4 cm hohe römische Bronzestatuette des Herkules186. Außer daß die Fundstelle am Elbtalwächter lag, nach der amtlichen Kartierung nicht weit südöstlich von diesem, fehlen uns nähere Informationen zur Lokalisierung. Am wahrscheinlichsten ist der Fuß der Felswand oberhalb des Elbtalsteilhangs als Fundplatz. Über die Fundumstände weiß man nicht viel. Von besonderer Bedeutung ist, daß mit der Bronze zusammen Tonscherben zutage kamen, die aber vom Finder weggeworfen wurden. Sie könnten die kultisch motivierte Deponierung einer exotischen Weihegabe durch Germanen des 2. Jh. belegen.Da nähere Informationen zur Fundstelle nicht mehr zu erlangen sind, bewegen wir uns jetzt natürlich im Bereich des Spekulativen, können aber keineswegs unbegründet in Erwägung ziehen, daß die Bronzeplastik in einem Tongefäß nicht an beliebiger Stelle am Fuß der Felswand vergraben worden ist, sondern daß dazu vielleicht eine kleine Höhle oder Felsspalte eingeladen hat. Aus der Römischen Kaiserzeit sind Deponierungen von Tongefäßen in Spalten oder Höhlen bekannt187. Aus diesem Grund ist dieser bislang merkwürdigerweise immer nur am Rand erwähnte188

182 Unklar, „ob es sich ... wirklich nur um einen relativ seltenen Siedlungsniederschlag im Elbsandsteingebirge handelt, oder ob noch andere ... Funde ... zutage treten“ (Coblenz [Anm. 166], 76). 183 „... in primärer Lage geborgen ... Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Opferfund ..., der dann eher den Höhlenfunden zur Seite zu stellen wäre“ (Hauswald [Anm. 10], 124). 184 Peschel 1977 (Anm. 42), Abb. 1; ders. 1978 (Anm. 42), 176, Abb. 1. 185 Bereits moniert bei Simon/Hauswald (Anm. 11), 89, Anm. 529. 186 O. Pusch, Römischer Fund im Elbgebirge, in: Der Freiheitskampf 13, Nr. 167, 19.06.1943 (Dresden), 4; Lemme/Engelmann (Anm. 62), 85; Fundbericht im Archiv des LfA Dresden, Ortsakte Ostrau. 187 Vgl. Zimmermann (Anm. 124), Anm. 17; Weissmüller (Anm. 31), 77; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 101. 188 E. Meyer, Studien zur mittleren und späten Kaiserzeit in Sachsen (Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt, dazu die südlichen Kreise des Bezirkes Cottbus) (ungedr. Diss.), Leipzig 1961, 294, Kt. 21/25; H. Grünert, Studien zur Produktion bei den Stämmen des Mittelelb-Saale-Gebietes in den Jahrhunderten um die Wende unserer Zeitrechnung (ungedr. Habil.-Schr.), Berlin 1967, (Teil II) 24 (im Textteil wegen quellenkritischer Bedenken nicht berücksichtigt); Coblenz 1986a (Anm. 8), 107 (mit verwirrender Aussage zum Fundort: „Herkulesfigur aus dem unmittelbaren Flußbereich“, abwertend: „nur schwacher Nachweis für das Flußtal als Durchgangsweg“); R. Spehr, Ur- und frühgeschichtliche Besiedlung am Mittellauf der Elbe (Sachsen und Sachsen-Anhalt), in: Die Elbe. Ein Lebenslauf (Hrsg. Dt. Hist. Mus. Berlin), Berlin 1992, 53 (hier unter Flußfunden aus der Elbe erwähnt); Simon/Hauswald (Anm. 11), 92, Anm. 574. – Im „Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum“ fehlt der Fund unverständlicherweise völlig (R. Laser, R. und E. Schultze unter Mitw. von L. Herklotz, K. Kroitzsch und E. Meyer, Freistaat Sachsen [Corpus röm.

50kulturgeschichtlich hochinteressante Fund189 in die Reihe tatsächlicher und möglicher Höhlen- und Spaltenfunde der Sächsischen Schweiz aufgenommen worden. Der Weg vom Ufer der Elbe hier hinauf ist denkbar kurz, wenn auch sehr steil und – möglicherweise mit einem Tongefäß im Gepäck – nicht einfach zu begehen. Der Fundort liegt etwa gleich weit von zeitgenössischen Siedlungsgebieten um Dresden wie um Ústí nad Labem (Aussig) und Teplice (Teplitz) entfernt.

Zur Fundverteilung im Raum Wie die Kartierung der urgeschichtlichen Höhlenfunde aus der Sächsischen Schweiz zeigt (Abb. 1), sind es drei Prinzipien, die die räumliche Verteilung dieser Fundstellen bestimmen. Da Höhlen ziemlich gleichmäßig überall in der Landschaft verteilt sind190, muß sich dahinter eine bewußte Auswahl durch die Menschen der damaligen Zeiten verbergen. Die Mehrzahl der Höhlen oder Felsspalten mit urgeschichtlichen Funden liegt in unmittelbarer Nähe des Elbtals und ist auf kurzem Wege von der Elbe aus erreichbar (Weißig, Waltersdorf I und II, Ostrau II und III, Schöna, Schmilka; Abb. 1/3,5-7,9-11). Die Rolle des Flusses, der die Möglichkeit bot, auf dem Wasserweg relativ bequem191 von Sachsen oder Nordwestböhmen aus das Gebiet der Sächsischen Schweiz zu durchqueren, erweist sich zumindest in Bezug auf unsere Fundstellen als bedeutsam. Zum zweiten bilden die Höhlen an Pfaffenstein und Quirl eine eigene Gruppe (Abb. 1/4,8), vom Elbtal nicht allzu weit entfernt, jedoch wohl schon eher auf einen vorbeiführenden urgeschichtlichen Fernweg regionalen Charakters bezogen, der die damaligen Siedlungsgebiete um Pirna und D��ín (Tetschen) verband192. Gänzlich durch diesen Weg zu erklären ist wahrscheinlich die Fundstelle von Rosenthal (Abb. 1/2)193. Einer dritten Kategorie schließlich gehört die Höhle am Kleinen Winterberg (Ostrau I) an, bei der trotz ihrer Erreichbarkeit vom Elbtal aus die offenbar gewollte Abgeschiedenheit nicht zu übersehen ist (Abb. 1/1). Lange Zeit ist die offenkundige Tatsache, daß die Elbe vor Jahrtausenden ein ganz wichtiger Wasserverkehrsweg war, nur in Nebensätzen angeklungen194 oder sogar ganz bestritten worden195. Statt dessen hegte man Vorstellungen von einem Landverkehr auf

Funde im europ. Barbaricum. Deutschland, Bd. 2], Bonn 1995), ebenso bei Spehr (Anm. 10) („Unsere ... Berge blieben jedoch vom 3. Jh. v.u.Z. bis ins 11. Jh. unbewohnt; selbst Einzelfunde fehlen.“). 189 Dieser Fund soll in näherer Zukunft eine Würdigung erfahren: M. Torke, Ein Halbgott aus Postelwitz. Spuren der klassischen Antike in der Sächsischen Schweiz, in: Mitteilungsheft Arbeitskrs. Sächs. Schweiz im Landesver. Sächs. Heimatschutz e.V., Pirna (im Druck). 190 Vgl. S. Börtitz und W. Eibisch, Die Höhlen der Sächsischen Schweiz (Speläomorphologische Inventarisation), in: Jahrb. Mus. Mineral. Geol. Dresden 1962, 177 - 264, bes. Kartenskizzen I - XII. 191 Skeptisch hierzu Simon/Hauswald (Anm. 11), 93. 192 Vgl. ebd., 93ff., Abb. 62. 193 s. o. bei Anm. 45 - 49. 194 Vgl. z.B. Coblenz (Anm. 35), 98. 195 Simon/Hauswald (Anm. 11), 91ff.

51den Hochflächen beidseits des Taleinschnitts196, für den die Fundstellen von Ostrau I (Winterberg) und Rosenthal197, ebenso der Spaltenfund am Großen Schrammtor (Ostrau II)198 als Nachweise angeführt wurden. Diese Ideen sind mit guten Argumenten zurückgewiesen worden199. Inzwischen wird statt dessen, erstmals, muß man sagen, die Rolle des Stromes als Verbindung Böhmens mit Sachsen deutlicher gesehen200. Allerdings ist eine direkte Verbindung zwischen der seinerzeitigen Schiffahrt auf der Elbe und unseren Höhlen- und Spaltenfundstellen eher unwahrscheinlich201; vielmehr bot die Elbe erleichterten Zugang zu einer Landschaft, deren Höhlen- und Spaltenreichtum neben anderen, „magisch“ zu nennenden Qualitäten ihre Nutzung zu einstiger Kultausübung vorgezeichnet hat202. Die Kartierung urgeschichtlicher Höhlenfunde für das Gebiet der Böhmischen Schweiz rundet dieses Bild ab. Auffällig ist eine – möglicherweise forschungsbedingte – starke Konzentration solcher Fundstellen östlich vom R�žovský vrch (Rosenberg), die aus einem Band von Höhlen mit urgeschichtlichen Funden herausragt, das sich östlich der Elbe am Südrand des Sandsteingebietes hinzieht203. Aus diesen Höhlen stammen vornehmlich Keramikfunde der späten Bronzezeit bis frühen Eisenzeit, vereinzelt solche des Spätneolithikums204. Neue und noch nicht publizierte Höhlenfundstellen ergaben sich aus gezielten Prospektionen der sächsischen Landesarchäologie in Höhlen und Felsüberhängen des Kirnitzschtals und seiner Umgebung205. Dabei wurde auch urgeschichtliche Keramik entdeckt206.

Zur zeitlichen Abfolge der Funde Um unseren Auswertungen das Elbsandsteingebirge als geographische Einheit und zusammenhängende Fundlandschaft zugrunde legen zu können, werden einige

196 Coblenz (Anm. 74), 83; ders. (Anm. 35), 98; ders., Bemerkungen zum Neolithikum im Paßland Sachsen, in: Fundber. Hessen 19/20, 1979/80 (1980), 46. 197 Coblenz 1991 (Anm. 65), 120; Spehr (Anm. 188), 54 („Entlang der Elbe, wo Gefäßopfer in Höhlen des Sandsteingebirges die Wege aus Böhmen markieren, gelangten Elemente der Aunjetitzer Kultur ... bis in die Saalegegend“). 198 Wie Anm. 181. 199 Simon/Hauswald (Anm. 11), Anm. 492. 200 Vgl. z.B. V. Sala�, Die Bedeutung der Elbe für die böhmisch-sächsischen Kontakte in der Latènezeit, in: Germania 76-2, 1998, 573 - 617. 201 Diesen Aspekt glaubt V. Peša, Využívání jeskyní v mladší dob� bronzové až halštatské ve vybraných oblastech st�ední Evropy. Höhlennutzung in der jüngeren Bronzezeit und Hallstattzeit in ausgewählten Gebieten Mitteleuropas, in: Památky Archeol. 97, 2006, 116 erkennen zu können: „Auffällig ist die Konzentration im Elbcanyon zwischen D��ín und Pirna, die eventuell mit urzeitlichen Verkehrswegen zusammenhängt ... bzw. mit einem erhöhten Bedarf, in diesem für die Schifffahrt anspruchsvollen Abschnitt Opfergaben zu hinterlegen“. 202 Vgl. Torke (Anm. 4), 71f. 203 Peša (Anm. 201), obr. 14; Peša/Kraft (Anm. 20), Abb. 7. 204 Peša (Anm. 201), 108f.; Peša/Kraft (Anm. 20), 10, Abbildungsunterschrift zu Abb. 13. 205 Peša/Kraft (Anm. 20), 6, 8f., Abb. 7, 12. 206 Ebd., Abbildungsunterschrift zu Abb. 12.

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Funde einbezogen, die in der Böhmischen Schweiz entdeckt wurden und publiziert sind. Der älteste, noch ans Ende der Jungsteinzeit gehörende Fund ist das Vorratsgefäß von Ostrau I (Winterberg) aus dem 21. Jh.v.Chr. An Entdeckungen auf tschechischer Seite ist eine Tasse der älteren Aunjetitzer Kultur einzufügen, die somit ins 21. – 20. Jh.v.Chr. zu stellen ist207. Sie wurde 1980 in einem Abri in den Tisovské st�ny (Tyssaer Wänden) gefunden. Der Becher der entwickelten Aunjetitzer Kultur von Rosenthal aus dem 19. – 18. Jh.v.Chr. schließt sich an, gefolgt von dem eiförmigen Topf von Schöna, der dem 16. – 14. Jh.v.Chr. entstammt.„Dagegen sind während der Lausitzer Kultur ... bisher keine sicheren Topfdepots aufgetreten.“208 „Obgleich aus der Zeit der Lausitzer Kultur in der Sächsischen Schweiz eine größere Zahl von Siedlungsnachweisen vorliegt ..., fehlen für diese relativ lange Periode bisher noch eindeutige Spuren für Höhlennutzungen zu Gefäßniederlegungen“209. Diese Feststellungen vom Ende der 80er Jahre waren zu damaliger Zeit berechtigt, umso mehr angesichts des nicht eindeutig bestimmbaren Charakters der STEINERNEN SCHEUNE als Höhlenfundstelle.

207 Simon (Anm. 11), Anm. 63; Simon/Hauswald (Anm. 11), 88f., 96, Anm. 521, 625. – Die Datierung stammt von Herrn Dr. sc. Klaus SIMON (Dresden), dem ich für die Information herzlich danke. 208 Coblenz 1988 (Anm. 8), 112. 209 Ebd., 114.

Abb. 14 (diese und folgende Seite): Zeitliche Verteilung urgeschichtlicher Höhlen- (durchgezogener Umriß) und Spaltenfunde (punktierter Umriß) des Elbsandsteingebirges in Sachsen (gefüllte Signatur) und Böhmen (vertikale Schraffur). Unsichere Fundstellen heller gedimmt.

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Inzwischen hat sich das Bild aber etwas gewandelt. Neben den mittlerweile bekanntgewordenen mutmaßlich spätbronzezeitlichen Funden aus der BELLOHÖHLE am Pfaffenstein (Pfaffendorf) und dem endbronzezeitlichen Schälchenrest vom Nonnenstein (Weißig), für den ein Zusammenhang mit einer dortigen Höhle zumindest eine Interpretationsmöglichkeit darstellt, sind da vor allem die inzwischen publizierten reichen Scherbenfunde vom Vorplatz der FRANZOSENHÖHLE am Lilienstein (Waltersdorf I) zu nennen210, unter denen die gesamte Lausitzer Kultur – allerdings eher nordwestböhmisch koloriert – mit nur geringen Lücken kontinuierlich vom 13. – 9. Jh.v.Chr. überliefert ist.Hinzu tritt ein Neufund auf tschechischer Seite. 1990 entdeckte der damalige Student Ji�í ZACH im Elbtaleinschnitt dicht südlich von Dolní Žleb (Niedergrund) in der Felswand hoch über dem linken Elbufer einen Abri, in dem er eine gut erhaltene Amphore sowie eine Scherbe eines flaschenförmigen weiteren Gefäßes fand211. Archäologische Untersuchungen im Folgejahr blieben ohne Ergebnis; es wurden keine weiteren Funde entdeckt212. Die Funde gehören kulturell in die nordwestböhmische Lausitzer Kultur, zeitlich in die mittlere Urnenfelderzeit (Stufe HaB1)213 und damit ins 11. Jh.v.Chr. Sie wurden in der Erstvorlage kultisch interpretiert, und zwar alsÜberreste spätbronzezeitlicher „Lebensmittelopfer”214.

210 Simon/Torke (Anm. 1). 211 T. Velimský, Nový nález lužické keramiky z D��inských st�n a problematika kantakt� prav�kého osídlení na území Saska a severozápadních �ech, in: D��inské vlastiv�dné zprávy 1, 1991, 26, 37f., obr. 1, 2/3. – Vgl. Simon/Hauswald (Anm. 11), 89, Anm. 526. A.a.O., 96, irrtümlich bezeichnet als Fund aus „einem Abri bei Mittelgrund ... nur 1 km nördlich“ vom Verlauf des urgeschichtlichen Weges von Pirna nach D��in (Tetschen) „über demselben Ufer zutage“ gekommen. Damit war vermutlich der 1884 entdeckte Fund eines Bronzemesserbruchstücks vom Fuß des Lachenbergs gemeint, südlich von Prost�ední Žleb (Mittelgrund) über dem Elbtaleinschnitt gelegen (vgl. Walther [Anm. 25], 89; Velimský a.a.O., 28f., obr. 2/2). 212 Velimský (Anm. 211), 26, 38. 213 Ebd., 27, 38. 214 Ebd., 38.

54Die bereits genannten Funde von der FRANZOSENHÖHLE (Waltersdorf I) reichen über die Spätbronzezeit hinaus weiter in die Eisenzeit und decken die Zeit bis zum 3. Jh.v.Chr. ab. Der gleiche Zeitraum – ebenfalls im 13. Jh.v.Chr. beginnend – ist von den benachbarten Felsspalten an der Südwestseite des Lilienstein durch Scherbenfunde belegt (Waltersdorf II)215. Aus der älteren Eisenzeit gibt es weitere Höhlen- und Spaltenfunde im Elbsandsteingebirge. Es handelt sich um das frühlatènezeitliche Gefäß und die gleichaltrigen Scherben von Ostrau II (Schrammtor) und Schmilka (KIPPHORNFUGE) aus dem 5. – 4. Jh.v.Chr. Wenig jenseits der sächsischen Landesgrenze fand 1932 Rudolf UNGER (Dresden) bei Ostrov (Eiland) am Fuß der östlichen Felswand im obersten Bielatal zwischen Felsblöcken die Reste eines kleinen kugelbauchigen Topfes mit abgeknicktem Kragenrand, dessen Boden fehlte216. Dieses Gefäß – heute im Dresdner Landesamt für Archäologie aufbewahrt – stammt aus der augusteischen bis frühen römischen Kaiserzeit, also aus den letzten Jahrzehnten v.Chr. bis einschließlich 1. Jh.n.Chr.217 Wir wissen nicht, ob der Fund in einem Abri oder einer Felsspalte oder keinem von beiden verborgen wurde. Das gleiche gilt für den kleinen bronzenen Herkules von Ostrau III (Elbtalwächter), der – wegen der anscheinend mit ihm entdeckten Scherben ein klarer Opferfund – unterVorbehalt hier einzureihen sein könnte und eher als Spalten- denn als Höhlenfund das 2. Jh. belegen würde.Von höchster Bedeutung – allein schon von seinem kulturhistorischen Wert her – ist versilberter Bronzeschmuck, ein Armring und eine Fibel, die der frühen Völkerwanderungszeit entstammen und Ende des letzten Jahrhunderts unweit der Elbe in einer kleinen Höhle bei H�ensko (Herrnskretschen) geborgen wurden218. Diese Opferfunde gehören ins 5. Jh. und stellen sich denen aus der Nähe des Quirls (Königstein, Höhle beim Quirl) zur Seite, die vermutlich etwas jünger sind und wahrscheinlich in das 5. – 8. Jh. gehören. Die durch urgeschichtliche Höhlenfunde aus dem Elbsandsteingebirge belegten Zeithorizonte (Abb. 14) ergeben in der Summe ein Kontinuum mit nur unwesentlichen Lücken, das sich vom Ende des 3. Jt.v.Chr. bis zum Ende des 1. Jt.n.Chr. erstreckt – also nichts weniger abdeckt als den unvorstellbaren Zeitraum von fast drei Jahrtausenden. Wie wir gleich sehen werden, wurden über diese gesamte Zeit hinweg vor einem gleichartigen, stabilen kulturellen Hintergrund Höhlen im Sandsteingebirge aufgesucht und Gegenstände – fast immer Tongefäße oder Reste solcher – in ihnen niedergelegt. Beispielhaft seien an dieser Stelle die beiden Gefäße vom Kleinen Winterberg und vom Großen Schrammtor genannt (Ostrau I und II), die – keine vier

215 Simon/Torke (Anm. 1), 90f. 216 Velimský (Anm. 211), 29, obr. 2/4; Simon/Hauswald (Anm. 11), 69, 96, Anm. 373, 626. 217 Simon/Hauswald (Anm. 11), 69, 96. 218 Peša (Anm. 201), 70, 116; Peša/Kraft (Anm. 20), 8, Abb. 11.

55km Luftlinie voneinander entfernt gefunden (Abb.1/1,10) – exakt die gleiche Fund- und Befundsituation repräsentieren, obwohl zwischen ihren Deponierungen 16 Jahrhunderte liegen. Da, wie die Scherben des 12. Jh. aus der KIPPHORNFUGE (Schmilka) zeigen, mittelalterliche und neuzeitliche Höhlenfunde unmittelbar an diesen Zeitraum anschließen, kann von einer bis zur Gegenwart reichenden Überlieferung von Keramik aus Höhlen der Sächsischen Schweiz gesprochen werden, die vor mehr als 4000 Jahren eingesetzt hat. Wenngleich anderswo die keramische Überlieferung noch eher beginnt und die frühe, mittlere und jüngere Jungsteinzeit einschließt, so kann doch eine derart bruchlose und gleichmäßige Fundverteilung über alle Perioden, wie sie hier vorliegt, eher als mitteleuropäische Ausnahme gelten219. Es ist verblüffend, daß – mit nur geringen Dopplungen und Überschneidungen – nahezu jede Kultur und Periode des überstrichenen Zeitraums durch je einen (dazu noch fast immer gleichartigen) Beleg vertreten ist. Diese perlenkettenartige Aneinanderreihung wirkt geradezu lehrbuchhaft. Wie es dazu kommt, ist unerklärlich und wahrscheinlich eher dem Zufall geschuldet, der immer wieder künstlich Wirkendes hervorzubringen vermag. Ordnen wir nun unsere Funde in einen weiter gesteckten überregionalen Rahmen ein, so zeigt sich, daß zeitliche Schwerpunkte der mitteleuropäischen Höhlennutzung220 auch in der Sächsischen Schweiz als solche erkennbar sind. Das gilt insbesondere für die dominierenden Phasen Urnenfelderzeit und Späthallstatt-/Frühlatènezeit221. Diese sind hier wie anderweitig Perioden verstärkter kultischer Aktivitäten gewesen222. Andererseits zeichnen sich aber ansonsten schwach belegte Perioden bei uns nicht als Tiefstände ab, sondern sind mit Funden vertreten. Das betrifft das Endneolithikum223, die Mittelbronzezeit224 und die Völkerwanderungszeit einschließlich Frühmittelalter225. Auch die früheisenzeitliche Stufe HaC226, die am Lilienstein und in der FRANZOSENHÖHLE (Waltersdorf I und II) vertreten ist, kann genannt werden, ebenso die Römische Kaiserzeit227. Dabei sind aber regionale Muster zu berücksichtigen228. Phasen intensiver Höhlennutzung in einer Landschaft können in benachbarten Gegenden Ausfallzeiten sein. So ist in Südwestfalen der Übergang vom Spätneolithikum zur Frühbronzezeit in

219 Vgl. Walter (Anm. 32), Tab. 14, 16, 17, Abb. 13; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 80 - 82; Stoll-Tucker (Anm. 3), Graphik 11, 12. 220 Die Schwerpunkte postglazialer Höhlenbegehung decken sich mit Trockenphasen des Klimas (Walter [Anm. 32], 84f.). Dahinter könnten gleichzeitige gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungsphasen stehen (Flindt/Leiber [Anm. 32], 19, 124), während derer sich nicht zuletzt das religiöse Leben intensivierte. 221 Walter (Anm. 32), 81; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 81, 82; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 74; Stoll-Tucker (Anm. 3), Graphik 11; Flindt/Leiber (Anm. 32), 18. 222 Vgl. z.B. Walter (Anm. 32), 80; Weiss (Anm. 57), 106f. 223 Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 80. 224 Walter (Anm. 32), 78; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 82/1. 225 Walter (Anm. 32), 82; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 128, Abb. 80 - 82. 226 Walter (Anm. 32), 80; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 128, Abb. 81/3, 82/4b. 227 Walter (Anm. 32), 81; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), 128, Abb. 80, 81/4, 82/4a. 228 Vgl. z.B. Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 81, 82; Stoll-Tucker (Anm. 3), 157.

56Höhlenfunden gut vertreten229. Es gibt weitere Regionen in Mitteleuropa, wo das ebenso ist, darunter die Sächsische Schweiz; in anderen dagegen fällt diese Phase völlig aus230 – darunter bemerkenswerterweise im benachbarten Böhmen231. Wenn man dies zusammenfassen will, so kann man als Besonderheit der Höhlennutzung im Elbsandsteingebirge die ungebrochene Kontinuität herausstreichen, die in mitteleuropäischem Rahmen Seltenheitswert hat. Als Ursache hierfür sind die Rolle der Elbe, einer damaligen Hauptverkehrsachse Europas, und die relative Nähe dauerhaft dicht besiedelter Gebiete beidseits des Gebirgsdurchbruchs der Elbe zu nennen, des weiteren Höhlenreichtum und ungewöhnliche Qualität des Elbsandsteingebirges im Sinne einer „Sakrallandschaft“232. Ob das – vom Glockenbecherfund Ostrau I (Winterberg) abgesehen – zu konstatierende Fehlen jungsteinzeitlicher Höhlenfunde eine momentane Forschungslücke ist, die sich vielleicht irgendwann einmal schließt, wird man sehen.

Bisherige Interpretationen Die ersten Höhlen- und Spaltenfunde aus der Sächsischen Schweiz, jene von Schöna233 und Ostrau II (Schrammtor)234, wurden – im Einklang mit dem zeitbedingten damaligen Kenntnisstand – zunächst als Siedlungen interpretiert. Diese Anfang der 60er Jahre geläufige Auffassung begegnete aber noch Ende der 80er Jahre, etwa, wenn von der STEINERNEN SCHEUNE als „langfristige[r] oder nur sporadisch aufgesuchte[r] »Unterkunft«“, „Unterschlupf“, einer von „kleine[n] Niederlassungen“ gesprochen wurde235. Modifiziert wurde diese Sicht, indem man die vermeintlichen Siedlungsaktivitäten mit kampierenden Hirten in Verbindung brachte236 und die angesprochenen Fundstätten darüber hinaus als denkbare Refugien, Verstecke oder Beobachtungspunkte sah237. Während bei diesen Modellvorstellungen anfangs noch der Siedlungscharakter von Höhlen- und Spaltenfundstellen betont wurde238, war

229 Rothe (Anm. 32), 101. 230 Walter (Anm. 32), 71, 77f.; ders. (Anm. 53), 150f. 231 Walter (Anm. 32), 77; Sklená�/Matoušek (Anm. 58), Abb. 80. 232 Torke (Anm. 4), 71f. 233 s. Anm. 72. 234 s. Anm. 182. 235 Coblenz 1986a (Anm. 8), 105. 236 Mit Blick auf STEINERNE SCHEUNE (Pfaffendorf) und Schöna: „kampierten die Hirten gern in Höhlen“ (Spehr [Anm. 10]), Erklärung der Höhlenfunde von Ostrau I (Winterberg), Rosenthal und STEINERNER SCHEUNE (Pfaffendorf): „Zweifellos nutzten die streifenden Hirten diese gebirgsspezifischen natürlichen Gegebenheiten als Refugien.“ (Hauswald [Anm. 10], 123). 237 Coblenz (Anm. 74), 85; ders. (Anm. 6), 27 (Ostrau I [Winterberg] als „Fluchtstätte … oder … Beobachtungspunkt“); ders. 1986a (Anm. 8), 98 und ders. 1988 (Anm. 8), 115 (Ostrau I [Winterberg] und Rosenthal als „Fluchtstätten, Jagdaufenthalte, Beobachtungspunkte“). 238 Für Schöna, Ostrau II (Schrammtor), Waltersdorf II (SW-Hang des Liliensteins) „mag die Deutung als kurzfristige Niederlassung oder als Rückzugspunkt erlaubt sein, wobei der Versteckcharakter dieser kurzen Unterkünfte an oder in den Felsspalten wohl deutlich genug zum Ausdruck kommt“ (Coblenz [Anm. 74], 85).

57spätestens in den 80er Jahren klar, daß von einem solchen keine Rede sein konnte239. Dennoch sind derartige Sichtweisen nie ganz verschwunden240. Ebenfalls von Anfang an im Spiel war die Auffassung, die Keramikfunde aus Höhlen und Spalten im Elbsandsteingebirge seien Zeugnisse einstiger, an ihnen vorüberführender Verkehrsverbindungen241. Wie bereits gezeigt wurde, läßt sich dies für die Elbe als Wasserverkehrsweg durchaus konstatieren242, ebenso, wie es für benachbarte Landwege in den Fällen von Rosenthal243 und Königstein (Höhle beim Quirl)244 zutrifft. Das entspricht der Tatsache, daß eine trotz aller Abgeschiedenheit nicht selten zu beobachtende günstige Verkehrslage von Opferplätzen auch für Kulthöhlen gilt245. Die meisten anderen Fundstellen sind aber nur schwerlich an seinerzeitige Landverkehrsverbindungen anzuschließen. Für Schöna und alle drei Fundstellen von Ostrau trifft dies in besonderem Maße zu. Dennoch ist gerade dies bis in die Gegenwart immer wieder behauptet worden246. Unter dem allmählichen Einfluß neu aufkommender Denkmodelle wurde ab Mitte der 80er Jahre zunehmend und schlußendlich ausschließlich die urgeschichtliche Keramik aus Höhlen und Spalten als Kultrelikt angesehen. Den letzten Anstoß hierzu gab das unversehrte Gefäß von Ostrau I (Winterberg), das 1983 in einer abgelegenen und schwer zugänglichen Höhle entdeckt worden war: „Den Grund für die Deponierung eines einzelnen Gefäßes ... in so versteckter Lage muß man ... im kultischen Bereich suchen“247. Diese Merkmale trafen auf Ostrau II (Schrammtor) gleichermaßen zu, weshalb die genannte Interpretation auf diese Fundstelle ausgedehnt wurde248. Bald

239 Coblenz 1986a (Anm. 8), 98 (Ostrau I [Winterberg] und Rosenthal „keine eindeutigen Nachweise von Siedlungsplätzen“); ders. 1988 (Anm. 8), 115 (Bei den Gefäßniederlegungen „handelt es sich“ in keinem Falle „um sichere Nachweise für eine Nutzung der Fundstellen als länger bewohnte Siedlungsplätze“). 240 So meinten noch 1995 Simon/Hauswald (Anm. 11), 90: „… die Siedlungsgunst jenes Talabschnitts über die Zeitläufe hinweg erhärten vielleicht Scherbenfunde, u.a. aus einer Felsspalte am Südwestfuß des Liliensteins“. 241 s.o. bei Anm. 196 - 198. – Ferner wurden alle Funde als Belege für Verbindungen zwischen den Siedlungsgebieten beidseits des Gebirges gedeutet (Coblenz [Anm. 35], 97), als „Hinweise auf die Begehung ... zu beiden Seiten der Elbe“ gesehen (Coblenz 1986a [Anm. 8], 97), Wege „entlang der Elbe, wo Gefäßopfer in Höhlen des Sandsteingebirges die Wege aus Böhmen markieren“ (Spehr [Anm. 188], 54), „All diese Funde stehen mit alten Wegen in Verbindung und weisen auf die Kontakte zwischen der urgeschichtlichen Bevölkerung der Dresdner Elbtalweitung und des nordböhmischen Raumes hin“ (Peša/Kraft [Anm. 20], 4). 242 s.o. bei Anm. 191, 194 - 200. 243 s.o. bei Anm. 45 - 49, 193. 244 s.o. bei Anm. 139, 192. 245 Walter (Anm. 32), 70 (Höhlenfundstellen in der Nachbarschaft von Fernwegen über den Thüringer Wald). Vgl. Weiss (Anm. 57), 24, 26f., 31, 90, 94; Torke (Anm. 4), Anm. 348. 246 Ostrau I (Winterberg) und Rosenthal zeigen „Durchgangslinie“ über das Gebirge (Coblenz 1986a [Anm. 8], 99), „Den »Bereich des Elbtales als Paßweg« bezeugen“ Schöna und Ostrau II (Schrammtor) (Simon/Hauswald [Anm. 11], 89). Für Schöna „hier verlaufende Verkehrsverbindung“ (Lemme/Engelmann [Anm. 62], 180), „Beleg für die Übergänge“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 100). Ostrau II (Schrammtor) als Indiz für einen „direkte[n] Weg an den Elbhochufern“ (Coblenz [Anm. 181], 364). Ostrau III als „nur schwacher Nachweis für das Flußtal als Durchgangsweg“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 107). Vgl. auch das Zitat von Peša/Kraft (Anm. 20) o. unter Anm. 237. 247 Coblenz (Anm. 6), 27. 248 Ebd. – Vgl. auch Hauswald (Anm. 10), 124: „... in primärer Lage geborgen ... Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Opferfund ..., der dann eher den Höhlenfunden zur Seite zu stellen wäre“.

58erkannte man, daß die Fundplätze von Schöna249 und Rosenthal250 hier ebenfalls einbezogen werden mußten. Es wurde angeregt, neben der Deutung als Refugien „ihre Funktion als Kultorte zu diskutieren“251. Die Keramikfunde bezeichnete man jetzt als „Gefäßopfer“252, „Gefäßniederlegungen ... zu kultischen Zwecken“253, „Gefäßdeponierungen im Zusammenhang mit kultischen Handlungen“254, „»Kultfunde«“255 mit einem „sakralen Hintergrund“256. In den Fundstellen dieser Keramik wurden dann folglich „Versammlungshöhlen zu Kult- und Opferhandlungen“257 gesehen, „...Versammlungsstätten zu Kulthandlungen ... Die Gefäße hätten dann zu kultischen Mahlzeiten ihren Zweck erfüllt und wären anschließend am Ort verblieben“258. Der Hinweis, es hätten sich keine Knochen von eventuellen Tier- und Menschenopfern erhalten259, macht deutlich, daß man jetzt mit solchen rechnete. Wichtig ist auch die Feststellung, daß an jedem Fundplatz immer nur einmalige und nie wiederholte Opferungen beobachtet wurden260.

Kulturgeschichtliche Bedeutung Als Schwelle zwischen Erde und Unterwelt ist jede Höhle ein heiliger Ort261. Sie isoliert einen potentiell sakralen Raum gegen die profane Umgebung262. Eine Höhle ist ein außergewöhnlicher natürlicher Platz263, der vom Menschen nicht hergestellt werden konnte, sondern von ihm zu entdecken war264. Die Unzugänglichkeit, die jeder Höhle eigen ist265, kann durch deren Lage noch bis zur topographischen Isolation gesteigert werden266, wie z.B. am Kleinen Winterberg (Ostrau I) oder am Osterturm (Ostrau II) – was sie noch stärker der profanen Welt entzieht. Eine derart versteckte

249 „Niederlegung des einzelnen Gefäßes von Schöna in ähnlichen Zusammenhängen zu sehen wie die der Aunjetitzer Höhlen- und Abrifunde“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 101). Gefäßniederlegungen wie die von Schöna sind „wahrscheinlich ebenso wie die Topfdeponierungen in Höhlen und unter Abriß aus der jüngeren Stufe der Aunjetitzer Kultur ... zu kultischen Zwecken erfolgt“ (Coblenz [Anm. 63], 103). Vgl. o. bei Anm. 75. 250 Rosenthal und Ostrau I (Winterberg) „keine eindeutigen Nachweise von Siedlungsplätzen, sondern ... oder Gefäßdeponierungen, die mit kultischen Handlungen in Zusammenhang stehen“ (Coblenz 1986a [Anm. 8], 98). 251 Hauswald (Anm. 10), 123. 252 Coblenz (Anm. 63), 112. 253 Ebd., 103. 254 Coblenz 1988 (Anm. 8), 115f. 255 Zich (Anm. 11), 338. 256 Ebd., 37. 257 Coblenz 1986a (Anm. 8), 98. 258 Coblenz 1988 (Anm. 8), 115f. 259 Coblenz 1986a (Anm. 8), 98. 260 a.a.O. 261 Eliade (Anm. 143), 36ff. 262 Vgl. C. Colpe, Theoretische Möglichkeiten zur Identifizierung von Heiligtümern und Interpretation von Opfern in ur- und parahistorischen Epochen, in: H. Jankuhn (Hrsg.), Vorgeschichtliche Heiligtümer und Opferplätze in Mittel- und Nordeuropa (Abh. Akad. Wiss. Gött., Phil.-Hist. Kl., Folge 3, Nr. 74), Göttingen 1970, 31. 263 Vgl. ebd., 30, 34. 264 Vgl. ebd., 32. 265 H. Polenz, Überlegungen zur Nutzung westfälischer Höhlen während der vorrömischen Eisenzeit, in: Karst u. Höhle 1982/83 (1983) (Beitr. Karst- u. Höhlenforsch. in Westfalen), 118. 266 Vgl. Colpe (Anm. 262), 33 („etwas normalerweise Unzugängliches“).

59Lage bei schwierigem Zugang wird als weiterer Indikator kultischer Nutzung angesehen267. Solche Lage können auch urgeschichtliche Gefäßdepots haben268, denen ebenfalls ein kultischer Hintergrund eigen ist. Topographien von Opferplätzen allgemein zeigen oft erschwerten Zuweg und Eingang, Verhinderung von unberechtigtem Eindringen, Weltabgeschiedenheit269. Höhlen mit nachmesolithischen urgeschichtlichen Funden270 sind Kultplätze271. Dafür sprechen ihre unzureichende wohnklimatische Eignung verglichen mit Hütten oder Häusern aus Holz oder Lehm272, ein spezifisches und sich wiederholendes Fundspektrum273 sowie zuweilen auffällige Befunde in ihnen274. Die Funde zeichnen insgesamt feste zeitliche und räumliche Muster nach, belegen regelhafte Erscheinungen und damit tradierte Motive – was sie als Kultzeugnisse und Opfergaben275 erweist und die genannte Interpretation untermauert276. Aus der Antike ist eine gleichartige Sicht auf Höhlen überliefert, die sie als Zugang zur Unterwelt, zum Totenreich, in den Schoß der Mutter Erde auffaßte, als Orte, wo Kulthandlungen stattfanden, die sich auf Wiedergeburtsvorstellungen bezogen277. Dennoch ist der Zusammenhang von nacheiszeitlich-nachmesolithischer Höhlennutzung und seinerzeitiger Religionsausübung in der Fachwelt immer noch ein eher heißes Eisen, weil dessen Bewertung vom Menschenbild des jeweiligen Wissenschaftlers bestimmt wird und dem Gewicht, das er der Religiosität des urgeschichtlichen Menschen zugestehen will278. Die Deponierung von einzelnen, ursprünglich unversehrten Gefäßen in Höhlen, in Spalten und unter Abris hat im Elbsandsteingebirge eine eigene Fundgruppe hervorgebracht. Sie spiegelt eine sehr enge Sachauswahl wider, gemessen an dem, was

267 Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 82. 268 Vgl. Horst (Anm. 57), 119 (Gefäßdepot der frühen Urnenfelderzeit in unbesiedeltem Odenwaldtal bei Darsberg unweit Neckarsteinach). 269 Flindt/Leiber (Anm. 32), 20. 270 Zum Forschungsstand mit umfangreichen Literaturangaben: Weiss (Anm. 57), 14, Anm. 9. 271 Zusammenfassend Torke (Anm. 141), 104ff., mit weiterer Literatur. 272 Weissmüller (Anm. 31), 135f.; Geschwinde (Anm. 3), 101; Leja (Anm. 29), 283; Polenz (Anm. 70), 56f.; L. Pauli: Quellen zur keltischen Religionsgeschichte. Ein Überblick zum Vergleich, in: H. Beck u.a. (Hrsg.), Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme (ErgänzBd. z. Reallex. German. AltKde. 5), Berlin/New York 1992, 141. 273 R. A. Maier, Schachthöhlen und Felstürme als urgeschichtliche Opferplätze, in: S. Rieckhoff-Pauli und W. Torbrügge (Bearb.): Regensburg - Kelheim - Straubing, Teil I: Zur Siedlungsgeschichte der südlichen Frankenalb, des Vorderen Bayerischen Waldes und der Donauebene (Führer zu archäol. Denkmälern in Dt. 5), Stuttgart 1984, 205; Geschwinde (Anm. 3), 103; Polenz (Anm. 70), 57, 59. 274 Geschwinde (Anm. 3), 102f.; Leja (Anm. 29), 285; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 74; B. Berthold, Bronze-, urnenfelder- und früheisenzeitliche Keramikdeponierungen in Süddeutschland, in: B. Berthold u.a. (Hrsg.), Zeitenblicke. Ehrengabe für Walter Janssen, Rahden/Westf. 1998, 42f. 275 Zu Opfern in urgeschichtlicher Zeit und ihren Verknüpfungen mit seinerzeitiger Religion s. Torke (Anm. 4), 52f., 56ff. 276 Torbrügge (Anm. 58), 61ff.; Walter (Anm. 32), 87; Geschwinde (Anm. 3), 109ff.; Pauli (Anm. 272), 141; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 7. 277 Polenz (Anm. 70), 60. 278 Vgl. Pauli (Anm. 272), 123: „Wie suspekt das Thema selbst für die Autoren aus dem Kreis der Fachwissenschaftler ist, zeigt die Tatsache, daß sie ihre Informationen oft in abgelegenen Zeitschriften verstecken.“ Als Beispiele genannt werden hier die Mitt. Verb. Dt. Höhlen- u. Karstforsch. sowie Karst u. Höhle.

60in Höhlen alles geopfert werden konnte und anderswo auch wurde, wie z.B. Bronzeschmuck. In Höhlen begegnen einzeln deponierte Gefäße durchweg279, aber nicht nur dort zu allen Zeiten280. Dabei wird die besonders auffällige Konzentration solcher Funde in Höhlen und Spalten der Sächsischen Schweiz hervorgehoben281. Einzelne Gefäße deuten auf Speiseopfer282, deren „Verpackung“ sie waren, wobei sich ihr Inhalt inzwischen mehr oder weniger vollständig in Luft aufgelöst hat283. Die dadurch erklärliche Abdeckung dieser Gefäße, die wiederholt beobachtet wurde284, tritt in der Sächsischen Schweiz bislang nicht auf. Deren Aufstellung in Nischen, erhöht auf Steinblöcken285 und zwischen schützenden Steinplatten deutet ebenso auf Opferhandlungen286. Gefäße von Gebrauchskeramik, die in Felsspalten zutage kommen, sind überhaupt nur als Behälter von Speise- und Trankopfern erklärbar287. Wichtiger als das auf uns überkommene Gefäß war also sein Inhalt, der wahrscheinlich aus Nahrung oder dem Blut bzw. wichtigen Innereien geopferter Tiere bestand. Hintergrund dessen ist eine magisch-rituelle Sicherung ausreichenden Nahrungsaufkommens, ein Fruchtbarkeitskult. Hierzu paßt die auffällige, wenngleich nicht ausschließliche Bindung dieser Fundgruppe an Höhlen, die allgemein mit der fruchtbarkeitsstiftenden „unterirdischen“ Muttergottheit verbunden sind. Daneben spiegeln die hier angeführten Funde sicher nur einen Bruchteil dieses Brauchtums, da Nahrungsopfer auch lose oder in Behältnissen aus organischem Material dargebracht werden konnten. Diese Rituale sind in der Sächsischen Schweiz vom Ende der Jungstein- bis zur älteren Eisenzeit belegt. Für die folgende Zeit bis ins Mittelalter hinein ist nach Lage der Dinge mit ihrem Weiterleben zu rechnen. Damit wird ein großer Ausschnitt der Zeit erfaßt, für die allgemein solche Spuren religiös motivierten Brauchtums nachgewiesen sind. Die Gefäßtypen, die in Höhlen der Sächsischen Schweiz niedergelegt wurden, entsprechen dem Spektrum, das in Mitteleuropa üblich ist288. Dabei sieht man in Schüsseln und Töpfen Hinweise auf die Opferung zubereiteter Speisen289. Zwischen Opfergefäße – für die einzelne Tongefäße und deren Reste stehen – und rituell beseitigtem Kultgeschirr ist zu unterscheiden290; dies gilt auch für

279 Vgl. Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 77ff.; Züchner (Anm. 32), 242; Leja (Anm. 29), 284ff. 280 Berthold (Anm. 274), 43. 281 Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 77. 282 Vgl. hierzu Torke (Anm. 4), 50f., mit weiterer Literatur. 283 Eine Ausnahme könnte der Gefäßinhalt von Ostrau I (Winterberg) darstellen (s.o. bei Anm. 26). Zu Resten von Speisen an Keramik aus Höhlen vgl. Moser (Anm. 53), 8; Rothe (Anm. 32), 104; Weissmüller (Anm. 31), 68, Anm. 2; Leja (Anm. 58), 32. 284 Leja (Anm. 29), 274ff., 284; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 79. 285 s.u. bei Anm. 314. 286 Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 78. 287 Wieland (Anm. 102), 402, 404. 288 Weissmüller (Anm. 31), Abb. 7. 289 wie Anm. 70. 290 Berthold (Anm. 274), 43.

61Höhlenfunde291. In unzusammenhängenden Gefäßscherben aus Höhlen – wie von anderen Opferplätzen – werden allgemein zerstörte Reste der Zubereitung und des Verzehrs von Kultmahlzeiten gesehen292, die dort stattfanden293. Scherben, soweit sie sich nicht zu einem einzigen Gefäß zusammensetzen lassen wie in Rosenthal oder Schöna, deuten darauf hin, daß wir es mit Keramik zu tun haben, die in einer Kulthandlung benutzt und anschließend zerstört und rituell „begraben“ wurde. Damit wurden diese tabuisierten Kultrelikte der profanen Welt dauerhaft entzogen. Der Entprofanierung im Kult benutzter Gefäße durch deren Zerschlagen294 steht vielleicht der gleichartige Umgang mit Grabkeramik im Rahmen des Bestattungszeremoniells295 zur Seite. Beschädigungen durch spätere Bodeneingriffe in einer Höhle sind in Betracht zu ziehen296, sollten aber, anders als in unseren Fällen, dennoch größere Anteile der ursprünglichen Gefäße zurückgelassen haben297. Es wurden bei der Deponierung nämlich nur einzelne Scherben ausgewählt298; der Rest hat sich inzwischen – vielleicht im Freien liegengeblieben – in Luft aufgelöst. Ungeschützt auf dem Boden herumliegende urgeschichtliche Scherben sind unter der Einwirkung von Frost, Sonne, Regen, Wind und Temperaturschwankungen nach wenigen Jahren nur noch ein Häufchen Sand, wie diesbezügliche Beobachtungen gezeigt haben. Fraglich ist, ob sich hinter den beiden urgeschichtlichen Scherben von Schmilka (KIPPHORNFUGE) die Deponierung eines Gefäßpaars verbirgt, wie sie in Höhlen gelegentlich vorkommt299, oder die Niederlegung von Scherben oder Scherbenamuletten als repräsentativ ausgewähltem „Pars-pro-toto“ eines vollzogenen Opfers, an dem die Spendergefäße beteiligt waren300. Letzteres scheint wahrscheinlicher, da ansonsten mehr Scherben zu erwarten gewesen wären301. Die repräsentative Auswahl und die ursprünglich regelmäßig-rechteckige Form der Scherben sprechen ebenso für deren bewußte Auswahl als amulettartige Kultrelikte. Die Deponierung nicht einzelner Gefäße wie sonst, sondern eines Konvoluts von Scherben läßt zunächst offen, ob bestimmte Niederlegungsmuster oder ungünstige

291 Vgl. P. Schauer, Urnenfelderzeitliche Opferplätze in Höhlen und Felsspalten, in: H. Lorenz (Hrsg.), Studien zur Bronzezeit (Festschr. für W. A. v. Brunn), Mainz 1981, 406ff. 292 W. Krämer, Prähistorische Brandopferplätze, in: R. Degen, W. Drack und R. Wyss (Hrsg.), Helvetia Antiqua, Zürich 1966, 118; G. Behm-Blancke, Zur Funktion bronze- und früheisenzeitlicher Kulthöhlen im Mittelgebirgsraum, in: AuF 21, 1976, 82f., 87; Torbrügge (Anm. 58), 63; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 29f., 72ff.; Stoll-Tucker (Anm. 3), 148. 293 G. Kossack, Religiöses Denken in dinglicher und bildlicher Überlieferung Alteuropas aus der Spätbronze- und frühen Eisenzeit (9. - 6. Jahrhundert v. Chr. Geb.) (Bayer. Akad. Wiss., Phil.-Hist. Kl., N.F. 116), München 1999, 133. 294 J. Bemmann und G. Hahne, Ältereisenzeitliche Heiligtümer im nördlichen Europa nach den archäologischen Quellen, in: H. Beck u.a. (Hrsg.), Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme (Ergänz.Bd. Reallex. German. Altert.Kde. 5), Berlin/New York 1992, 47. 295 Weiss (Anm. 57), Anm. 446; Winghart (Anm. 169), 358f. 296 Weissmüller (Anm. 31), 199. 297 Vgl. ebd., 27f. 298 Vgl. Züchner 1976/77 (Anm. 121), 14; Leja (Anm. 58), 32; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 73. 299 Vgl. R. A. Maier, Urgeschichtliche Opferreste aus einer Felsspalte und einer Schachthöhle der Fränkischen Alb, in: Germania 55, 1977, 21, 24, Taf. 3/1, 2, 5-8; Geschwinde (Anm. 3), 113f. 300 Vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 73ff. 301 s.o. bei Anm. 297.

62Erhaltungsbedingungen mit Materialverlust dies verursacht haben302. Ersteres ist aber bei der KIPPHORNFUGE (Schmilka) wahrscheinlicher, für die FRANZOSENHÖHLE (Waltersdorf I) dürfte es feststehen303. Die anscheinend ursprünglich größere Keramikmenge am Quirl (Königstein) scheint in die gleiche Richtung zu weisen. Die Opfermahlzeiten, deren Überreste wir hier vor uns zu haben scheinen, mögen mitunter fern der Deponierungsorte stattgefunden haben304, z.B. im Falle der FRANZOSENHÖHLE (Waltersdorf I) und der KIPPHORNFUGE (Schmilka). Für das Neurathen-Plateau (Abb. 15), auf dem auch ein spätbronzezeitlicher Mahlstein gefunden wurde, mag das weniger gelten, dafür umso mehr hinsichtlich der Reste von Vorratsgefäßen, die aus Spalten an seinem Fuß stammen305. Felsspaltenfunde gelten als oft eindeutig ritueller Befund306. Diese Opfer richteten sich wie bei Höhlen an chthonische, d.h. unterirdische Gottheiten307 und können als Indiz für eine ebenfalls kultische Nutzung der mit den Felsspalten verwandten Höhlen gewertet werden. Parallelen für Gefäße, die in Felsspalten deponiert wurden, gibt es vor allem aus der Bronzezeit308.

Die Gefäßniederlegung von Ostrau I (Winterberg) vor einer spaltenartigen Seitenkammer der Höhle ist aufschlußreich, weil Deponierungen vor Seitenkammern die seinerzeitige Auffassung der Höhlen als Eingänge zur Unterwelt verdeutlichen309.

302 Vgl. Weissmüller (Anm. 31), 28. 303 Vgl. Simon/Torke (Anm. 1), 73ff. 304 Vgl. O. Harck, Gefäßopfer der Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa, in: Frühmittelalterl. Stud. 18, 1984, 118. 305 Torke (Anm. 4), 66. 306 Berthold (Anm. 274), 43. Vgl. Coblenz (Anm. 6), 27. 307 Buck (Anm. 148), 280; P. Schauer, Naturheilige Plätze, Opferstätten, Deponierungsfunde und Symbolgut der jüngeren Bronzezeit Süddeutschlands, in: Archäologische Forschungen zum Kultgeschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas (Regensburger Beitr. prähist. Archäol. 2), Regensburg/Bonn 1996, 392; Stoll-Tucker (Anm. 3), 153; Berthold (Anm. 274), 43; Kossack (Anm. 293), 131. 308 Stroh (Anm. 53), 186; Maier (Anm. 299), 21, 24, Taf. 3/1, 2; Leja (Anm. 93), 59f. 309 Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 74.

Abb. 15: Lohmen (Neurathen), Gipfelplateau: 1985 entdeckte Scherben zweier Gefäße der mittleren Urnenfelderzeit. M 1 : 2.

63Hierfür gibt es etliche Beispiele310. Gaben vor kleinen Seitenkammern als Zugängen zu hier „wohnenden“ Gottheiten „adressieren“ die Opfergaben311, so wie es am Kleinen Winterberg der Fall ist. Funde in Seitenspalten von Höhlen machen den gleitenden Übergang von Höhlen- und Spaltenopfern sichtbar312. So befand sich im Falle von Ostrau II (Schrammtor) das auf einem Sockel in der Spalte abgestellte Gefäß in einer vergleichbaren, nischenartigen Situation. Wiederholt konstatieren wir die Aufstellung des Gefäßes auf einem Felssockel. In den Höhlen Ostrau I (Winterberg) und Schöna war dies jeweils ein auf dem Höhlenboden liegender 40 bis 50 cm hoher Felsblock. Das Spaltenopfer von Ostrau II (Schrammtor) wurde in der Kluft ebenfalls auf einem Felssockel deponiert313. Besonders im Falle der beiden Höhlenfundstellen kann man in der Art der leicht erhöhten Deponierung eine Situation mit Anklängen an einen Altar sehen. Solche Fundumstände haben zahlreiche Parallelen in Mitteleuropa314. Kleine Spalten wurden meist nur einmalig benutzt315. Das gilt wohl auch für Höhlen, jedenfalls in der Sächsischen Schweiz. „Oft bleibt es bei einer einmaligen Opferzeremonie.“316 Unversehrte Gefäße in Felsspalten sind klare Einzelopfer und nicht Überreste von gemeinschaftlichen religiösen Praktiken317. Es bestehen Verbindungen im Sinne sich ergänzender, aber prinzipiell gleichartiger Funktionen zwischen urgeschichtlichen Opferplätzen in Höhlen und ehemaligen Felsopferplätzen, welche in der Sächsischen Schweiz z.B. auf dem Pfaffenstein, dem Lilienstein und im Basteigebiet existierten318. Im Volksglauben behielten Höhlen ihre Wunderkraft teilweise bis ins ausgehende 19. Jh.319 Dazu gehörte unter anderem die Opferung von Nahrungsmitteln in ihnen320. Diese Phänomene sind weltweit zu beobachten321.

310 Leja (Anm. 58), 31; Züchner (Anm. 32), 241; B.-U. Abels, Ausgrabungen und Funde in Oberfranken 4, 1983-1984, Bamberg 1985, 19, 22; Leja (Anm. 29), 278; Polenz (Anm. 70), 51; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 80. 311 Vgl. Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 27. 312 Vgl. Geschwinde (Anm. 3), 106. 313 s.o. bei Anm. 177. 314 Geschwinde (Anm. 3), 106, 115; Leja (Anm. 29), 285; Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 78. – Auf das Auftreten erhöht aufgestellter Tongefäße in der Sächsischen Schweiz wurde anläßlich der Fundstellen Ostrau I (Winterberg) und Ostrau II (Schrammtor) bereits hingewiesen (Bockisch-Bräuer/Zeitler [Anm. 10], 81f.). 315 Bockisch-Bräuer/Zeitler (Anm. 10), 74. 316 Moser (Anm. 53), 16. 317 Kossack (Anm. 293), 133, 137. Anders dagegen B. Sternquist: Präliminarien zu einer Untersuchung von Opferfunden. Begriffsbestimmung und Theoriebildung, in: Meddelanden från Lunds universitets historiska museum 1962-1963, Lund 1963, 31. 318 Torke (Anm. 4), 54, Anm. 500, 501, 504. 319 Flindt/Leiber (Anm. 32), 111. 320 Moser (Anm. 53), 16; Flindt/Leiber (Anm. 32), 111. 321 M. Geyer, M. Moser und E. Walter, Prähistorische Forschungen in Schachthöhlen Oberfrankens, in: Die Höhle 21, (Wien) 1970, 100.