Über nationale Musik und ihre Bedeutung in der Weltmusik: Aesthetische Studie

24

Transcript of Über nationale Musik und ihre Bedeutung in der Weltmusik: Aesthetische Studie

Dber

nationale Musik nntl ihre

Bedeutung in der Weltmusik.

Aesthetische Studie . ' VOD

Fra n z X a v. K o e h. . . •

:lE.f!I:JE::":. lJruck' von Igna. Mederschitzky.

Il~~~.

(Aus der "Esseker aUgemeinen illustrirten Zeitung.")

Ullseres 'Vissens nach wurde uber die Volksmusik der einen oder anderen N ation bis her noch nichts Ausfiihr­licheres geschrieben. Es mag dies wol darin seille Ursache finden, dass da..r;; Nationalitaten-Prim:ip, welches sich nun auch in der Musil{ geltend zu machen beginnt, erst eine Frage der "Neuzeit" ist, und die grosse Zal der klassi­schen Musikwerke, mit deren Studium sich die Kunst­ler und Aesthetiker der Gegenwart und der jungst.en Vergangenheit ausschliesslich befassten, keine Zeit iibrig Hess, um die musikalischen Erzeugnisse des Volkes einer eingebenderen U ntersl1chung zu wurdigen. Wenn es uns daber im Nacbfolgenden nicht gelingen sollte, etwas der­artig ErscltOpfendes und Vol1stl!.ndiges, wie wir es selbst wunschen wđrden, zu bringen, so mag einerseits der Mangel an Diskussion uber nationale Musik ilber­haupt, anderseits aber der Man gel einer bedeutenden musikalischen Bibliothek, die uns nothwendigerweise zu Gebote stehe-n musste, fUr uns um N achsicht bitten.

Wir gestehen auch, dass wir h.ier dieses Thema nicht zur Sprache gebracht hatten, da wir uns schon vor einiger Zeit in einer Abhandlung " Narodn€t(Jlasba Jugoslavena" *) uber die Bl.'deutung der nationalen Musik n1i.her ausgesprochen haben, und der Verotfent1ichung dieser Scbrift nicht gerne vorgegritfen hli.tten; allein, da

oil) WlIrde bereits im August v. J. im MUU8kripte der .iidalaflscben A.kademie Iur Verf'1igunr gesteIlt.

4-

man seit neuester Zeit in unserem engeren Vaterlande mit lObliobem Eifer bestrebt ist, fih' die Kunst im AI1-gemeinen, und insbesolldere fUr .Musik, duroh Erriohtung von neuen Musikinstitlltell zn wirken, so gcdenken auch wir, durch llRohfolgende Skizze unser Schl1rflein zur l.!'or­derung des G::mzen, mld insbesondcre zur Entwick­lung der sUdslavisohcn na.tionalen Musik beizutragen.

"N ationalmusik ist diejenige Musik, die einer N ation insbesonders eigenthUmIich ist, und in deren Beschaffen­lICit sioh al1e Karaktere und Sitten eben dieser Nation, als eigentbUmliehe, von jeder anderu Musik llnterseheid­bare ZUge allssprechen," wiihrend die :Musik im Allge­meinen genommen, und die ·wir mit lt Weltmusik" bezeich­nen wollen,' Gemeingut der gallzen Mensohheit ist, in der alle Volker sich all den lebendigen Quellen jeder llOhen Poesie triillken, 'imd weloher Gothe profetiseh mit dem N amen ,,'\V eltliteratur" die weihende Taufe gab.

So wie die Geschichte der einzelnen Volker zur Weltgeschichte wird, und die Volkspoesie einen Theil, und zwar die Grundlage der Kunstpoesie bildet, so ist die Musik uer einzelnen Volker, ein Bestandtbeil der all­gemeinen, d. i. der Weltmusik. Und wie die Poesie heut zu Tage in Form und Geist der Sprache eine andere ist, ;tIs sie es vor .lahrhunderten war, so hat auch die Musik in gewissen Epoohen Umwandlungen erlitten, die durch Erfindung von neuen Instrumenten, im Wesen Ilaoh aber, durch den Hinzutritt der einen oder allderen Volksmusik, oder was dasselbe ist, durch das Erscheinen irgend eines Genies, bewirkt wurde.

'Wir sagen, es ist dasselbe, denn der Kilnstler ist unter allen Verhaltnissen immer das Kind seiner Zeit

-5-

uml seine!! Volkes ; el' ist der Herold, der in jener S})l'a­dIe, in der sein Volk denkt und ftihIt, der Welt die 'Vo rte der Kunst verkiindet i er ist der Abgesandte seines Volkes zu dem grossen Musik-Reichsrathe, wo er seine Stimme, zur Feststellung der Kunst.gesetze Hud des KUllst­geschmackes in dieUme wirft.

Durch die Majoritiit dieser KUllst-N otahlen wurde bald diese, bald jene Volkslllusik zum "Helden de~ Tages" gestelllpelt. So war zu einer Zeit die deutsche Volks­lIIusik jene, welche der Weltmusik Gesetze vorschl'ieb, und dann wurde es wieder di'e Italienische, In der Kunst, lJltIuentlich in der Musik, gibt es keinen Abschluss, nur Uibergangsperioden, und jeder friiher erschiellene Kiillst­Jm' war der W egmacherder Spateren. Wird von einem Hi)hepnnkt gesp1'00hen, wclchen die Poesie oder Musik ciues Volkes in einer gewissen Zeit erreicht hat, und· wo glanzende Talente und grosse Geist:!r :mftratell, so verstehen wir unserel'seits da.runter nicht, als wlirell sp ii­terhin bei dem betre/fenden Volke nicht "'ieder solche 'l'aleute geboren worden, sondern, dass zur Zeit, als dieRe gefeierten Miinner der Welt Rewunderullg ablnckten, ela.'3 KUlIstmaterial, sich derart angesammelt, 1111d der SielI nach und nach veriITQ.llde Gesclullack wicdct, derart ge­litutcrt hattc, Ulll das YOrhall~eIle Materiale auszuueutel1 uud (lell dilferirclldenGeschmnck illdividuelI zu kOllzent.ri­ren, mit einem Worte, um aus dem Chaos ein neues Priu­zip aufstellen zu kOlluen.

Wir dellkell, dass Mozart, Beethoven in der Zeit erstal1(len sind, als die deutsche Volkslllusik (lurch die Yontt'beitell der f'ri1heren J(itnstler hCl'eits in jene Phase getretell war, Hm aus ihr -- Beethoven'sche und .Mo-

-o

zart'sche Musil{ schalfell zu konneil. Dl1B8 die HeroeIl der KUllst tien Prozess deI' Liiuterung, der of t noch weit von ganzlicher KUlrnog war, durch ihre Geistesmacht zur Kllirung verha1fen, ist genugsam erwiesen,

8chille1' hatte die deutsche Sprache nicht ganz so gefunden, wie er sic schrieb; allein riie IJanterung war durch die frfiberen Sprachforscher und Dichter doch schon so we it gediehen, riass Sulliller in jenem Dialekte sei ilO

hen-liohen Ver.se dich ten konnte, der" sich bis zur Zeit, als Schiller erschien, so ziemlich schon Bahn gebrocben hatte. .

So sehr auch Gothe, BeethovelI, Mozart ihrer Gr(jsse bewusst waren, so stiegen sie dooh in eigener Per­son zum Volke hinab, um nach7.llsehen" ob dasselbe auch wirklich so denkt, spricht uucI ffthIt, wie es <lie alteren Dichter erz{Llten; denn, das Volk mit seinen konservat.iven Grunc\sl1tzen bleibt in allen Ph ase II und Epochen immer und immer der Probirstein der Kunst.

Gothe, "der sein Ohr an dem leichtell Fluss der V olks1ieder gebi Met hat," empfiehlt angebeudcll Ki1nst-

. leru das Volk· in llttChfnJgenden W orten: "Der junge Kunst-ler geselle skh Son n- nnll }l'eiertngs zu den Tiinzen der !.amlleute, er mm'ke sich die nattirliche Bewegung, und gehe der Bauerndirne das Gewa.nd einer N ymphe. flem Bauernburschcn ein PMr Ohren. wo nicht gar Bocks­fus~e. Wenn er die Natnr recht ergreift, und dell {}e­sta.lten einen edlercn, freie n Anstand :r.u geben weiss, so begreitt kein Mensch, wo er'~ her hat, und Jedermann scbwort, er Mtte es VOil der Antike genom men. " Beet­hoven, Mozart, und jerier del' ftilheren grossen Kunst­ler haben die Wahrheit und Wichtigkeit dieser "r ortE',

l

I I I I

7 -

- ohne sie von Gothe gehOl't zu haben, - von selbst eingesehen.

War die Zeit der Mission dieser von Gott gesen­deten Reformatoren abgelanfen, so trAt lIothwendiger Weise ein dem Frnheren ahn1icher Stillstand wieder ein, der zwar niemals (die KUllstgeschiehte lehrt es uns,) zum plotzlichen Stillst.ande ward, da immerhin noch an der Identitii.t des Kunstgeschmackes so Vieles zu gla.tten, -imrnerhin noch so viel Kunstmaterial vorhanden war, um es, wenn auch nicht gerade in derselben, so doch in einer andem Richtung Illit];~rfolg ausbeuten zu konnen.

MAnner, denendiese ItolIe der Kunst anheimfiel, konnten sich selten zur Hohe des Reformators empor­schwingen, oder besser gesAgt, man liess sie zu dieser Hiihe nicht kommen, obwol man sie sonst geme zu Ober­hQ.uptem der neuen Kunstsekte emallnte, Ritter Men­"go, der beruhmte Maler sagt: "Rafael erreichte das in der Kunst, was nach Michel Angelo no( h zu erreichen war," und das will etwas heissen! - Die anderen Kunst­ler werden als Meister uud IJehrer angesehen, und der N achtrag als Diejenigen, " die es nicht drangt, ein Be­stimmtes, . N othwendiges und Wirklich es auszusprechen, sondern die einer Laune, oder ein ausserlmlb der Kunst Jiegendes Intensse wep;en sprechen wollen, gleichviel 'Was, 80 dass ihnen naUlrlich nur das Wie als' besorgenswel'­thes Moment nbrig bleibt."

Diese von Richard Wn,qner ausgesprochenen Worte verallIassen uns, Einiges Uber sein grossa.rtiges Wirken zu sagen. Dass wir hier keine eingehendere Rezension seiner Werke schreiben wollen, scheint uns aus zweier­lei Grnnden geboten: El'st.ens liegt eine Solche nicht in

---.i 8 -'

del" Allfgnbe di~ses Aufsnt.zeB, und 7.weit.ens kOllnte tulS

dies !tIs eine ungoheure SeJbstilberscltlitzung allgel'echnet werden. 'Vir wollen daher nul' darauf hinweisell, dass 'Wagnersl\l \lsik, so sehr sie auch von Vielen angefeill­det wird, def deutschen Musik ohne allem Zweifel eine tlCUC H.ichtung geLen wh'cl. Die Rezeusenten der Ge­geuwnrt wollen diese 1IZII!cu,n(ts.JJ;lusik" fl'eilich nicht aufkolllmcn Inssen, aher daran winl wenigcr W.'s Musik, als sein uui vel'sellcs Wissen, Schuld sein •

. 1IDie Lust der Deutschell am Unsichem in dell Kfin­ston komllIt aus der Pfuschcrei her; denu wer }lfusnht., darf das Rechte nicht gel ten lassen, sonst wltre er gar nichts!" (Gothe's Slll'iiche ill Prosa.)

Wab'1lCr, der so lI1anchelll Zopf muthig die Stirne bot, uncI ohue erst um Erluubniss zu fragen, vieies Uu­nutze und Veraltete ill der ll1usikaIischcll i'heorie fiher dell lIanfen raJUlte, um einer neuen, hiel'en Elltwick­lung Dahu iu bl'echen, wird in der KUllstgeschichte eiu­sten s vielleicht so gerichtet werden, wie Napoleon 1. iu der Weltgeschichte, von dem cs heisst, 11 blutroth, das ist wahr, steht del' Name Na}lOleons im grossell DlIche

• der \VeltgcRchichte ver7.eichnet, aber cin ,qrolJser Maml war cr doch,' Ilur hat ihn sein Jahrhundert nicht ver-st.auđen. " ..

Wenn wir jedoeh yon den obern Sprossen der ljci· ter lIIusikalischer Erzeugnisse weiter hillabsteigen, so wer­den wir fill den, dass auch Otfenbach's .Musik - wir wol­lcn es otfeu gestehen -- einen nicht unhedeutenden Ein­fluss auf den gegenwiirtigen Kunstgeschmack ausfibt; trob;­IImll anch Viele davnu Uber7.ellgt zu sein glauben, dass die ",Verke den Meister schwerlich iiberlcben werden.

-- 9

Uibrigells bleibt es eine offeue Frage, ob dicscr Einfluss in der weitercn KUl1stentwicklung eiu bethli.tigender oder beirrclldel' sein wird, und cs ist fast zu fiirchtcn, dass das Leichtfcrtige, Pikante, Witzige, Kokette, aber auch Frivole, Triviale und Seichte der franzosischen Volk~

musik, deren Verktinder Offenbach ist, iu· das deutsche Volk tibergeht, dass es diese Melodien aufninllnt, dllrch~

vel'daut und reproduzirt. Hat aber irgend Etwas im Volkenur halbwegs Wur­

zet gefasst, so ist es ungemcill schwierig, das Angellom~ menc wieder auszurotten. Die Gewohnheit ist eben eine grosse Mncht. - Wir sagten, Deutschland hittte zu fUl'cbten, dass dies so kommen konnte, wurde nicht der Trost ftbrig bleibell, dass Offenbacb's Musik eben llur eine l\1olle-, eine Luxussache ist, die wieder weggelegt uud vergessen wird, sobaId eine andcre Mode aufs 'fa­}lct kommt, da bei l\1odesachen nicht darauf Rucksicht genommell wird, ob das Frtihere zweckmassig, naturlich, gesclllnackvoll oder unnattil'lich, unschon oder gehaltlos war.

Man uesucht die Operette, lUan gesteht sich selust, dass die Musik. derselbcu ein gehalt- ort sinnloscs Zeug sei, aber ----: man besucht sic doch! theils um die Zeit todt zu schlagen, theils um der Mode cin Opfcr zu brillgen, keiucsfaHs aber, um sich an dem Kunstschonell erhebell uud C\'fluicken zu wollen.

Ein sonst heller Kopf sagte uns vor noch nicht lau­ger Zeit: "Was habeJ~h von dieser Meyerbeer'-, Marsch­ner'-, Wngner'schen Musik, von der ich ganz betaubt und ohne mic h amusirt zu haben, nach Hause kOJllme? Ich hore, (eigentlich ich "seke") lieber cine Offeubach-

- 10-

sche Operette, die mich derart um stim mt, dass ich -sclust wenn ich vorgehnht Mtte, J clllandem etwas 130-ses zlI7.ufUgen - aUe trilben Gedanken vergesse. " -Nun, nach dieser AUfl'asSWlg wllre Offenbach's Musik von grosserer moralischer (?) Wirkung, als jene der gros­sen Meister.

Solche Aussprfiche sind indessen nicht nur erkliirlich, sondent im gegenwi\rtigen Momente sogar theilweise ga­rechtfertigt; denn wie von jeher die Kunst der treue.te Spiegel der Zeit war, so ist· sie es auch heute, und der Geschichtsschreiber darf, will er die Zeit richtig beur­theilen, den jeweiligen Kunstzustand eines Volkes nie­mnls aus den Augen verlieren, und so auch umgekehrt.

Gegenwllrtig sind aber die sozialen VerMItnisse derart gestaltet, <lass jeder einzeine Strultshllrger, um seine eigen e Existenz wnrhaft 1.11 kit1ll1'fel\ und ·1.U ril\­gen hat, dass er alle seine geistil!P"l UJul fisisch~u Kl'ilj'te anspannen muss, nm den Allforderung<ln .Ies Staates und uel' Mode nachzuk01llmen, und um die sich t!\glich meh­renden llediirfnisse erschwillgen 7.11 kiinnen. Hei einer so rastlosen GcistesthMigkeit des Einzelnen, Imnn nun fUr .Tennn, .Ier scille Erholun~sstnnden der Musik widmet, gewiss nichts Erw!lllscht.eres SCili, als cine I,,;chfassliche Musik; delln dabei !iiuft der durch die 'l'lIgesgeschilfte crmilllete Verstand nicht Gefahr, neuerdings llllgestrengt zu werclen.

Und nul' von (liesem Gesichtspunkte nns, mochten wir die Musik Offenbach's fur ein BedIirfniss der Zeit, fUr cin nothwendiges Ucbel balten.

Del' Lebemall"n, der die Zeit so recht beim Schopf erfasst zn haben gJaubt, hat in seiner Art recht, wenn

- II .-

el' ~8gt, .t'lSS ![ns . 'rh",,!.cr lwin""wegs eiu lu~tit.ut fUr hOhel'e Moml IllIII Bildung, sondem cin soleI,e" sei, wo man ~ich eutwe(ler uuterhiilt oder - langweilt; <Ienn seine Parole ist. Uutcrhnltllug lIud Zerstrellung;" nicht auer Bil!hmg des KIIII"tsilllles lind Geniessen des Kllnst­seMnen, das abel' iIII Wesen!.Iichen (leI' WlIIlsch des Kunstlers, des Kllustkeuuers uu.t des Kunstfreundes ist UlHI sciu "011.

Alleiu ein noch viel unrichtigeres Ultheil", nl. dRg

. des Zers!.ren(lllgsbedUrftigcn, wiire jenes, \Volite ill/til deu KUnsUer, der nicht den momentanen Zeitverhiilltnissen Hechnnng trii{;t, nls einen Ruc\(scln;tt.smallll ansehen; denn die Kunst ist nicht seit gestern IllllI nicht bios fnr hente; sie rechnet nicht nach d •. r Mode, die hellte das verwirft und verspottet, was vur lOJahren im Gehrau­r.he war, (lie Kunst rcehnet ""ch Jahrhllllderten und Illsst sich durch demr!.igc Iutel'llleZZU's in ihrem Ent­wicklungsgangc nicht vi\lIig aus dem Takte bringen.

Dass die Musik Offenuaoh's und mit ihr in Ver­knul'fung die frall7.osische VolksmIlsik, auf die Weltmusik einen Eintluss Uht, haben wir frilher snhon 7.uges!.l\nden, ja Hic wUrcie ohlle IIwcifcl von ullch nllchhaltigerer Be­deutullg fur die Weltmusil( sein, wUrde · sic derselben mehr Originales, uis jet7.t in der Weltmusik noch nicht Gcbriluchliches bringen.

Ueber die italienische Volksmusik wurđe lange Zeit hi'ldureh ~biirmlich geschimpft, und alle Rezensen­ten des U!Jl;gcll Enropa5 hauen sie mitseltener Ueber­einstimmullg filr itnlielli,che GurgeJei, fill' verweiehl ieh­ten Singsang, filr cine MU8ik, die jedwede EinfaIt des Herzens, jede geistige nnd sittliche Kraft cntbehrt -

., , :1 , i ., ,

I , " l ,I ,I '1 " ., , , · , '1

i , ! ! · ,

· . ,( , · , : : f

.;

.'

" ' . f

j:-· ,.

. ,

; · •

,

- 12 -

ku"z, fill' Null uuu uichts erkliirt. Sie wal'eu iu del' Br­fiu\lung solch' niedl'iger Pr1l<iikate, so el'schrecklich gei8t­reich, ,und h:then dalJei zuwei1en einen so 1iichel'lichel\ J!:goismus durchlJlicken lassen, dass man gellothigt war, sich mit Abscheu von ihnen abznwenden. So sagt zum Beispicl Oeser in seinen !!.sthctischen llriefcl1, gegeni\lJer der itnlienischell und den sonstigen VolksUlnsiken:

.Der Deutsche, nur er fiihlt und s;1I.qt."

.Dass sein Gesang das Herz d<lrchdrillgt!" l~s singt und fnhlt woljede Nation nnch ihrer Art;.

abel' sic fUhlt! un ,I zwar ein elJen so edles und heili­ges Geftlhl, als <ier Deutsche! Das Volk, wenn cs Lie­,leI' erfilHlet und siugt, siugt nicht Uln einem l'ubli'mm dnlllit zu gefallcn i es singt, weil es scine Gefllhle am Bestcn durch Gcsangst.One nusdrucken knnn i cs singt ftlr sich unu von sich, und darum ist sein Oesnng v(llI ",ahrer und treuherzigP';'" J!:llll'fin,luug, voli Kmft, }'cuer und reiner, ungekiinsteJtcr Natt1rJi:hkeit.

Worin liegt aber die Ursache , dass die herzlose ].{usik der It.nJiener, trotz den geschlosscuen l~eihcn der fCilllUichcu Kritikcr, so miichtig auf die 'Veltmusik wirkte? das" f"St lille dĆllt~chen ulld fru.!l?osisehen Komponisten rlie italienische )[eJorJie UlHI dio ituliellischell KUllstfor­mon sich Z!llll Voruilde nnhmoll, class die italicllische Opor nicht IIl1r nJll' Hulmell ]<;III'OrnS, sondern heinnhe uie gnnze Welt ueilel'rschte? .. Wir hauc!l lIllf diese l"rage eillc ge!lii[(''ll<ie Antwort !lud "'''nicu sic 'im J,lIufe dieses Anfsnt.zes folgell lnsscll. VOl'her.d noch lJemcrkt, dH>S nuch lleot.hJ)\'ells Musik I,wge Zeit hinclnrch nicht wrstandell wU1'<le, class seille Pro(lnktt', weil er "ie von allen rlamnls hel'rschc!lden konventionelIen Fes~elu be-

; . .

13 -. .

freite, fUr El'gilsse eines iiberspannten und krnnken Ge-himcs, filr revolutionilre Musik angesehen wurden, die man aber demungenchtet sp1iter zur klassischen Musik erhob. Auch Seb. Bach wurde seiner Zeit filr keinen eigent1ichen Musiker, sondern fUr einen Rechenmeister gehalten, da man der irrigel\ Uiberzeugung lebte, dass er seine Musik nicht der Gefiihlswelt, sondern arithme­tischen Figuren ent1ehnte. Und dennoch hat Bach's Musik spliter grossartige Triumfe gefeiert, da man doch nach und nach einsah, dass sie wirklich aus der tiefsten Seele und nich t einem Rechenexempel entsprungen ist.

Dies Alles geschah nicht darum, • weil man zum Kiinst1er geboren und zur Anerkennung gestorben sein muss," sondern weil sich das Publikum in diese, ihr damals fremd erscheinende Musik nicht sogleich hinein­leben konnte. Das oftmalige Horen solcher Meisterwerke machte jedoch einer neuen Kunstanschauung Platz, und die jungen Musiker lernten in Beethovens Manier denken und suchten seine Ausdrucksweise durch rezente Werke dem Publikum begreiflich zu machen. Nun sehen wir uns aber vernnlasst, nochmals zu wiederholen, dass Beet­hoven nicht bIos Beethoven, sondern das subjektive Nord­deutschland war. Er hat in derselbim Weise gedacht und gesprochen, wie sein Volk, aus dem er hervorge­gangen, - denkt. und spricht, und im Grunde ist dies auch uicbt anders moglich ; denn die Eindrucke der Kindheit sind bl!;ibend und konnen selbst bei noch so verkUnstelter Erzichung niemnls vom Grunde gan;>; aus­gerottet werden. Der Tiroler bleibt ein Tiroler, er lebe in B6hmen oder in Westindien und der Preusse kann sich seines Dialektes nicht entscblagen, wQrde er von

\

l 'I

I

I

I I l

- 14-

,ier r,,,it .Ies Mmmwerđ •. l1s bis znlll Grei,<cnaltel' in Wien verweilen. Die Musik ist in \'ielclI Beziehungen aber eine noeh hOhere Spracbc, als tlie Spracbe selhst.

Riitta mlin z. B. Johalm StrattS8, als er noch in der Wiege lag, nach Berlin gebraeht, und ihn dort un­ter speziell preussischem Einflusse erziehen lassen, es wUr­den seine Walzer niemals den gemUth1ich-fr6hlichell, berz­lichen und sclwl'zenden 't'on erhalten hahen, der scinen Musikstlicken eigen ist. III einer Komposition kommt weniger die IUdividuaJitat des KUnst!ers, als der Karak­ter des Volkes, dem er angehilrt, Zllm Ansf1rucke, wie dies beispielsweise an Beethoven zu sehen ist, der ein sehr mUrrischer Mann... in letzterer Zeit sogar ein Mi­santrop war, dessen Kompositionen jedocb keineswegs ein finsteres Gemtith ausdrUcken.

Dass ilnf(iesterreicbs Musik in hervorragender Weise Bohmen und Miihren, dann Polen, auch U ngarn, und wir kiinnen cs mit Stolz sagen, nuch die Siidslaven milch­tig wirktcn, ist besom\ers in Riicksicht der Ersteren VOD den neuen Aesthetikenl und Kunsthistorikem in gebtih­reDder Weise anerkannt wordeD. Bezliglich des Wer­thes der sUdslavis.cben Volksmusik konnten wir uns auf mehrere Ethnografen, Geschichtsschreiber und sonstige Schriftsteller, die aber keine mllsikalisehe Fachmanner sind, berufen ; allein bei uns gi1t die Autoritat und Dicht die MajoritIit. Es dUrfte indessen nicht mehr lange dauern, und wir werden im Stande sein, uns ' in dieser Be.ziehung auf das Urtheil der ersten ansHlndischeu An­toritliten bernfen zn konnen. - Die nothigen Scbritte sind hierin bereits gethan.

- 15-

FUr jct1.t lassen wir den l3iografen Beethovens spre­chen, rler Uber den Einfluss der Slaven und Ungarn auf die iiswrreichische Musik Folgendes bemerkt:

.J. Seh. Bach, dessen Familie aus Ungarn stammt,*) bewies mehr schaffenrl als kritisch**) den Tropfcn ostli­chen Blutes, den ihm die Natur mitgegeben hat j auch der deutsche Biihrue Gluck, der in Prag erzogen und in Wien ausgebi1det ward, dokumentirt zunfichst in der kri­tischen Zergliederung der Opernzustiinde seine Zeit, und dann in seinen positiven Reformen nach beiden Seiten hin seine Herkunft. Am meisten von der N aturfrische und Fantasie, wie sie jenen (slavisch-magyarischen) Vol­kern eigen ist, zeigt aber der hart an der ungarischen

..

~ Sein Vater· war Bš.eker in PrelJlIburg, in _elcher Stadt bekanntlieh d:ls slavische Element eiem1ich hervortritt; ist doch da. k3um efue Srund. entfernte Dori Kitt,ee von einer durubgt.bcuda kroati­Ichen Bevčlterung bewobnt, wlhrend die anderen umlicgeoden Orhchaften wie Blumenau, N cudoM, St. Georgeu eto. al. rein , l 0-. ,. a k i I e h bezeichnet werden kunnen.

**) Ludwig N D h 1 meint I dMI die Slano im AUgemeiDe~ in der' Kunlt mehr unwr8cheidnnde (1critilSche) ala .l8ugenđe lb.ft beaiteco, er {ubrt darur ala Beleg folgende Nemon an: Mllrtin L u t h o ", der in den dU1'chaua von wendi!lcbon Elementen rellilUirrten llii('blli8~118D Landan geboren wurdej Lesting, dot' aua dem a1ten Sl"Teusib der L.uBitl atammtj den geni.len Kritiker in publi:r.i.tiacben Dingen G e n h, ein Schleaier, K a n t, der &ohn der elaviacb-preusliaobf>n Lnnde, dor die gosBmmten gciatigen Resultate, wolche Deuur.hlBnd oder "rielmebl' die Menschheit bie dahin errungeJ:!. hItte, kritiach fest-. steUte und dR.~ eine Deurtheilung de. Vermogenl der r"lcnachheit 6:berhaupt zogi endlich Leibnit:r;, der ZWAr dt'r Sahneines J~ip­tiger Profeaeon wu, desseo Fa.milie aber leit mehr al. lc)O Jahren in Sacbaen .. nala.ig iat. Der Verfuaer kniiprthic!'&n nocb die Bt'.mer­kUDS') da .. ee sich bier nicht darum hIndle, ob L e i b D i t t'lII EI1eru direkte SlaTen wuen, .ondem dalil du ,IDle ticb.:i.cbe Land du S la ,. i I e b e al. Grundellment bttit.lt.

.. l , ,

,

, '.

- lG -

Orcnl.C gevorene Jour J[IIyrl1l. *J - Allch Frllnz Liszt, . eler sownl als K1avierspielel' wie als Koruponist in

der .Musil(welt von besomlerer lJeueutung ist, starumt aus eler Heimat der sog. JVasse,·kroaten.**)

Ob nun speziell (lie Silclslnven zur Entwicklnng der W oltmusik in fl'ilberer Zeit etwas beigetragen habeu, wollen wir nicht weiW\ufiger untersuchen , sondem nur einige Namen der 8ildslavischen scbaffenden KlIlIstler nnc.bfolgend anfUbren;

BO.lJoti6 Nihalj, Komponist, geh. Anno 1450 in Dalmatien. - Slatkonja J'~raj, Komponist und Kapell­meisOOrinWien, g. 1456 zu Laibacb. -Patricius Franjo, Theoretiker; schrieb Abhandlungen Uber griechiscbe Musik und war der Erste, welcber ihr N oOOnsysOOm entzifi'ertc, geb. 1529 auf der Insel Cres in Dalmatien. - ' Skalić Pavao, musikal. SchriftsOOller, geb. 1534 zu Agram. -Petelinte1c Jalwb, lat. Gallus, deutscb "Hlindel" genannt, Komponist und kaiser!' KapelImeister zu Wien, einer der bedeuOOndsoon Kontrapunktisten seiner Zeit, geb. in Krain 1550. - Jelić Vinko, Kontrapunktist, geb. 1560

• zu Fiull'~. - BrIllIjolić, Komponist, geb. um das Jahr 1560 zu Ragusa. - Gavrila Tampanea, Komponist unq Hofkapcllmeister an der Hofknpelle zu Wien, gestorb. 1562. - Guteti6 Franjo, Komponist, geb. 1598 zu Ragusa. - Karli Ivan, Komponist, geb. 1726 in Istrien. - Jnrnović (GiamovichiJ Ivan, Komponist wld Violin-Virtuose, dessen ElOOm Sildslaven waren, geb. 1745 7.U Palermo. - Baiam()ntić Julio, Komponist geb. 1760 zu Spalato in Dalmatien; ferner Babić Benko

.) Goboren zu Rohran, uuweit des StAdtebeD8 Brock &. d. Leitha.

.. } Er wurde lm DorCe Raiding bei Oed.nburg Anno ISU geboren.

, - 17

1556. - Radoičić Nikola 1564. - Kalin Dominik 1650. - araMVar Simun 1709. - Holjar Bonaven­tura 1705. - Primorio, Laurenčić 1752. Jurja Muliha 1757. - Jakob Zupan 1780. - u. 8. W.

U. s. w. Dass die soeben aufgeziUten Kunst!er sich nicht

mit sUdslavischer Volksruusik befassten, versteht sich von selbst; denn die Volksmusik fing man erst neuerer Zeit an, zu beach ten und zu wilrdigen. Von Jenen, die es sich zur Aufgabe mach ten, unsera- N ational- Musik zu pflegen, sind besonders zu erwiJ.hnen:

Livadić, Lisinski, Slrlt/ković, Slesinger, Padovac, Kalaue, Pokorny, Ćaćković. KatineUi, Rusan, Strmić, Jenko, Kviatovski, Just, Zlićar, Svarc, Milller, Hatta­ko, n. a. m. - Hierher zu rechnen waren auch noch die Sildslaven: v. Suppe (Ćorbić) Zagtz, Ritter v. Avramović , dann die ausubenden Kiinstlcr und KUnstlerinnen Mur_ ska, Mallinger , Trputec, Stazić, (Steger) Asalković, (FUredi) Epstein. u. s. w.

Wenn bis heute noch nichts Grosseres in der sOd­slavisehen Musik geleistet wurde, ist nicht, wie man sich gerne weiss machen will, der kleine Spielraum Schuld, (die MagyareI\ verfiIgen Uber ein noch kleineres Terri­torium,) auch nicht der ~1angel an musikalischen Talen­ten und Kr1iften, sondern weil wir eben noch beim An­fange sind, die l'iidslavische Idee in der Musik zu ver­wirklichen, nnd weil noch zu wenig Materiale vorhan­den ist, um die siidslavische Melodie in allen ibren Nu­an~en mid ,Abweichnngen studiren zu konnen.

Lisinski hat allerdings sehr hiibsche Kompositionen geliefert, aber sie waren speizell kroatisch, man mochte .

2

. ,. ", .-,:. ,'I .. •

" - .

- 18-

fnst sagen - ngramel'isch; Stanković hat seinerseits wie­der nur rein serbische Lie<jer in seine Sammlung auf­genommen und die 'vVerke Lisinsld's gar nicht gekannt. Dieser SeJlaratismus darf bei nns nicht weiter best.ehen, wollen wir etwas ErBJlriessliches leisten; unser Wahl­spruch darf nicht .serbische" oder .kroatische," sondem .slIdslnvische :Musik" heissClI, gleich Deutschlaud, das trot.. seiner Vielstanterei die .deutsehe :Musik" auf seine }'alme schrieb.

Bii.rger war einer der Ersten, der das tief verach­t.ete unn vergessene deutsche Volkslied wieder in die Kunstpocsie einfllhl'te lmd die Sch6nheit des Volksge­snngcs zum Verst1Lndniss brachte. Dicsem Beispiele folg­tell auch hald nie deutscllen Musikcr; denn sie sahen eiu, da.~s <lie Volkslllusik nur regenerirend auf die Welt­musik wil'ken kann. Von den Samrnlern deutscher Volks­melodien silHI zu nennen: Nikolai, BlIsching, Dilfruth,' Klein, Erk, Haxthnusen, Hoffmann·' v. ' Fallersleben, Ernst :Mayer, Prohle, Silcher und G. W. Fink. Ausser den deut.schen Salllmlungen wilren zu erw1Llmen, die itruieni­Bchen, frnnziisischen, spanischcn, dann die russischen von Knrpenko 'und Bernhard, die Lieder der sllchsischen Ser- . hen · von }'r. SIlIoljar; die bohmischen uud ml1hrischen von Sušil, ,lie ullgarischen von G. Matray , die serbischen . von Stanković und Kalauz u. a. m.

Uiber das SammeIn von Volksliedern Bagt Dr. A. Kul­lak in seinem Werke .Das musikalisch Sch6ne" ; . • Unzwei­felhaft wird die Ansammlnng neuen Materials befruchtend . auf den eigent1ichen Boden der Kunst, dem die Zeit fUr den Augenb1ick durch ihre Richtung entwachsen ist, :urIlckwirken. Neue Formen, neue Reize, neue Effekte '

. " ~ , ,

- 19

\ wucl,ern o.llelltho.luclI cmpor. Die Sinlllichkeit mUSR von ihrelD Hauscbe erst frei werdell ; cili besonncnes Genie wird Alles aufkliiren, sif;hten Ulul vergeistigen. " - In ilhlllicher Weise spricht Dr. ].<'ortiage, l'rnfessOl' rler Filo­sofie zu ,Jena, in seine", Werke "D,ts musikalische Sy­stem der Griechen :' • Was elie Anwel1llung altf die Tbco­ric und Praxis unse,'cr IDoderncn Musik bet1'ifft, so ware zu dicsem Behnfe wiinsche!ISWel'th, dass cine moglichst vollstiindige Samtnlltng aller Artcn yon National-Melo­dien veranstaltet wiirrle. Mnn konnte dann aus del' N a.­tur selbst stuIiirelI, und wUrden wir uns iu Folge die­ses Studiums wieder ein no.turgetreues Ohr ange\\'ohnt haben, so ist nicht einzusehen, warum sich nicht ebenso gut , daraus wiedel' cin bOhercr Aufschwung melodisch­rezitirendell Gesanges im Sinne der Alten entwickeln sollte. Mozart und Beethoven wenlen uichts von ihrcm GIILnze einuilssen, wellll sich lIeIlen ihren harmonischcn unci fein-8chattirten 'l'ongemiilden ein kUhnerel' ulld fl'ei crcr Gesang "on einer ganz andercn Natur und ganz audercn 'Vir­ku ngen erhebt; ein Gesang, welcher mehr eler ll'lelodie, .. Is ,leI' Harmonie, mchr der Stimlllc, als dem Instrument, melu' elem Sologesang, als <iem ]!;nsemule, ",chI' dcm 'l'akte der Empfinilung, als dem Vier- und Dl'eivicl'tel-Takte vertraut. Ohuc allcn lIweifel Iiegt zwischen de," gegen­wilrtigcn konzcrtmiissigcn Dudcin IIlId prnsaischcn Seh nat­teru cin natllrgcmiisseres Ulul seelenvolleres Genre des llIelo<liosen Gcsanges in der Mitte, welcbcs wir noch nicht ucsitzcn, sichcr auel' in :t.nklluf'. besitzcn werdcn."

Wenn schon die vorhin erwiUmtcn Mcloclien-Samm­Illngen bercit.s Vicles in der Musik bewirkt hauen, wei­che Holle stcht erst in Zukunft der sU(lslRvischcn Volks-

, " . ':" . :f~

'.

"

- 20-

weise bevor, die 80wol der Zal als dem Gehalte nach uniibertroffen genIlIIIlt werden kann 7 Und welln wir sa­gen, dass man bei den Siluslaven 20 uis 30 Tausend Meludien sammein konnte, so ist dies, - so enotln auch diese Summc scheint, - noch immer nicht uie hijchste Za!. Freilich darf der ' musikalische Reichthull1 der SUdslaven nicht nach dell umliegenden Ortschaften Es­seks ucurtheilt wcruen, aLer sclLst in Slavonien wiirdcn sich, wollte man von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus wanueru, mehrere 'I'ausend Melodieu sarnmeln las­sen. Wo sind auer uann noch die Kroaten, Serben, Slo­venen, DalmatincI", danJI die Slaven, welche in Ungam, llosnien, in der Herzegovina, in Montenegro, in l~tricn, A Iballien und Maced()ulliclI wohnen? U nrl endlich noch die Dulgarell, die allein einen solchen Schntz'voII Volks­melodien aufzuweisen haben, der Europa in Staunen ver­setzen dUrfte, und zwnr nicht lIur hinsichtlich der Qllan­titilt uer Melodien, sondem nuch ihres beson<leren musi­knlischell Werthes, ihrer unvergleichlichen Originalitilt wllgeu. - Bin unversiegu nrer Dom, nus delll J ahr!tuII­derte schopfeu kijnnen IIl1d schiipfen werdell.

Goethe, der Hellsehcr, sagt, dass in der Kunst der Osten den Westen wird verjUngen mUsseu, dass Orient uml Occident nicht mehr Zli trennen Silld, und dnss .Teder dies einschen muss, der sich selust ulld .Andere kennt!"

Der Endzweck, die natiolIalen Musiken zu I,fiegen, ist im GrWlde kein andeJ'Cl', als dem von 'rag zu Tag al temden Musikstaat Neues zuzufUhren, sowol neues Matmial, als neue originale Krilfte. Wllnle sich eine oder die andere N a.tionalmllsik die Aufgabe stellen, den Musikstaat zu terrorisirell oder gllr u01zlIstilrzen,

21

wir wllrden sie in Vorhinein verdammen, und weder von einer italienischen, noch von einer deutsehen oder slavisehen Volksmusik etwas wissen wollen j denn das Hochste und Heiligste in der Musik ist und bleibt -die Musik.

Die nationale Musik kann aber nur dann ihre edie Aufgabe , dem Musikstaat nlltzlich zu sein, erfilllen, wcnn die betreffende N ation bemilht ist, ihre Volksmu­sik in ihrer eigenen Eigenthilmlichkeit zu entwickeln und zu hoherer Ausbildung zu bringen. Geschieht dies nicht, liisst man sie unter fremdem Einllusse gross wer­den, will man sie nur mit den Mittein der Weltmusik, das ist; nacb deren Theorie bilden, 80 knnn sie dem Musik8taate keinen wesentlichen Nutzen abwerfen, denn sie geht in ibr auf, bevor sie noch der Weltruusik etwas Neues bringt. Und dies ist die Antwort, warum die ita­Iieniscbe Musik so lIIilchtig, fasst beherrschend auf die Weltmusik wirkte. Die Italiener haben sich niimlich in ihrer Musikentwicldungsepoche gar nicbt Ulll die Musik des Auslandes gekUmmert; sie g;nd ihren graden nntio­nnlell Weg fortgegnngen, ohlle RUck8icht, ob dieser Gang den Engllln<ient, Deutschen und Fmnzosen gefalle oder nicht. Sie haben ihre Kompositionen auf. den Grund der italienischen VolksllIusik gestelIt, haben den Ausdruck clos IJieblichen, SUssen, Schwilrmenden, J,eidenschaftli­chen, Hinreissenden, dos in ihrer Volksmelodie vorw al­tet, zu erhiihen und zu veredein gesucht.

Die Deutschen sind nun aller<iings bei i1lrer schwer­f:illigcn Melodie Rncb nicht stehclI gebJiebcu, lind haben den Ausdnicl! des Entsten, W iirdigen , l'uthetischen ulld Heiligen auf cine respeektablc Hohe gebracht, 8[111.-

..

, •

\ ! ,

• - 22-

ter aber dell Itnliene11l freundlich die Hand gereicht nnd fUr die sUsse Melodie die emste Weise als Pfand gegeben. Dieser gcgenseitige Ideenaustausch, der Deiden zu gute kanI, wlire jedoch niemals zu Staude gekolU­men, wOrden die beidcn Volker ihre lUusikalischcn Ge­setze aus ciner Hand erhalten, wnrden sie nicht gestrebt hahen, vorerst ihrer eigcne Originalitat Rechnnng zu tragen und iltrcn Karaktcr nach ihrer eigcnthnmlichen Art lIIusika1isch zu schildem.

Es ist daher vom allgcmeinen, sow 01 kulturhigtu­rischen als a\lch iLsthetischcn Stulldl'unkte alis lIothwen­dig, dass jede N atioll, die uuer eine, in Wahrheit eigcne Yolkslllusik vel'fOgt, besorgt sein soll, die bercits vor­handene nationalen Tonstilcke so of t dies uur angeht, offcntlich auffohren zu lasscn j dcnn dadurch werdcn nicht nul' die heimischen Konstler Rngcspomt, Neues zu schaffen, sondem die alllkcilllenden 1'ulente werden schon in frUher Jugend damn gew01mt, in dicsem Sinne mU8ika1isch zu dCllkcn, lind ihr Ohr nach den nntiona­len 'V ciscn zu bildcn. Brwneht dnnn in ihnen der Drang, dcrarl.igc Ilntionalc MnsikstUe!;c Zli kOllll'onircll, so wird ihr 'Vollcn um sn Icichtcr Illiiglich sein, weil sic von Hans · aliS, von dcr zarten JugelIu anf, lIIusikalisch-llatio­nalc Gcf!ihlc lIIil.lJringcn.

Wird iIII cnl.gcgcngosct.7.t.clI ]i';llIc dcr ;Jugell(l kcine Gclc.genheit gcbotcll, ftir nationnle "Jnsik in~anllni't 7.U "'erdon. ~O wird ('s dalln ,1"," )Inllllc, \\'ill er nils J,i('ue rn !'t'int'm "atf'rllUld~ nuli nlr KII"". n~fi<\".II· :\/u,ik ~. !!lIr ."Il'f' ~~ ~"'t'l'!'i.~II~ .:ld milll­f3111f'D SttHlium d"" Y"lkslit~ll"l' /."\'Iin!!,'n, iu "it'l~1l .F~lh",

- 23-

aber trotz des Talentes lind des guten Willens auch nicht gelingcn.

IIII Int~rc .. ,e des Vater\andes, sow ic lin Interesse der Erzichung ller cigem", Kinder liegt cs, die nationale Kunst gewissellhaft 1.U pRegen, und sollten selhst die eingewandc\tcn Viltcr (mit Rileksioht auf den Oesterrei­chischell Staat, wo die meisten StMten vOn gemischter Be­volkerung bewohnt werden,) den nationalen :Melodien keinen Geschmack abgcwinnen konnen; denn durch die Pfle­ge der nationalen Musik winl nicht nur das gcistige Em­porblilhen der N ation gefOrdert, sondern auch der Mu­Sik im Grossen genommen ein wescntlicher Dienst ge­leistet. Wird die Nationalmusik des betreffenden Landes aber ignorirt und das jugendliche GemUth bIos fUr die Weltmusik empfanglich gemacht, BO werden sie in ihren Kindern wol schOpferische aber nicht originelle Kr!l.fte der Musik ins Feld stellen j ja durch die Verachtung der nationalen Musik winl sich von den Landeskindern keinel mehr angespornt fuhlen, sioh (liesem nemfe zu widmen, einem Bemfe, der zwar mit vielen Kampfen und Mllhen verkni1pft, und selten Anerkennung, viel weniger mate­riellc. W 01 YerbUrgt, dem Lande aber keineswegs zur Unehre gereicht. ,

Essek, am 15. :Mni 1869. \ Franz Xav. Koch.

, "', , -

!

t

f . I~