Vappu - Valborg. Eine empirische Studie zum Ersten Mai in Finnland.

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Vappu – Valborg. Eine empirische Studie zum Ersten Mai in Finnland. Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium im Studiengang Europäische Ethnologie/Volkskunde. Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Vorgelegt von: Dorothea Breier Eichendorffplatz 4, 96050 Bamberg Email: [email protected] Geb. am: 14.07.1987 in: Lichtenfels . Betreuer: Prof. Dr. Heidrun Alzheimer (Erstkorrektor) PD Dr. Dr. habil. Gerhard Handschuh (Zweitkorrektor)

Transcript of Vappu - Valborg. Eine empirische Studie zum Ersten Mai in Finnland.

Vappu – Valborg.

Eine empirische Studie zum Ersten Mai in Finnland.

Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades

Magister Artium im Studiengang Europäische Ethnologie/Volkskunde.

Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften an der

Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Vorgelegt von: Dorothea Breier

Eichendorffplatz 4, 96050 Bamberg

Email: [email protected]

Geb. am: 14.07.1987 in: Lichtenfels .

Betreuer: Prof. Dr. Heidrun Alzheimer (Erstkorrektor)

PD Dr. Dr. habil. Gerhard Handschuh (Zweitkorrektor)

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Inhalt

1 Einleitung….………………..………………………………...…...….... 4

1.1 Themenwahl und Fragestellung…………..………………...…………... 5

1.2 Forschungsstand und -entwicklung………………...………..………..… 6

1.3 Methodisches Vorgehen………..………………………..……..……….10

1.4 Aufbau der Arbeit…………………………………………..….……….11

2 Geschichte des Ersten Mai in Deutschland - ein Überblick……………13

2.1 Bräuche zum Ersten Mai vor 1886……………………………………..13

2.2 Die politische Maifeier in Deutschland………………………………...24

2.3 Zwischenbilanz…………………………………………………………35

3 Valborg und Vappu – Der Erste Mai in Finnland…...……………….....36

3.1 Geschichte des Ersten Mai in Finnland……………………...…….……36

3.1.1 Der Erste Mai auf dem Land……………………………………………37

3.1.1.1 Bauernregeln und landwirtschaftliche Bräuche…...………...………….38

3.1.1.2 Von der Schreinacht, dem Begrüßen des Frühlings und anderen

Feierlichkeiten ……………………………………................…………39

3.1.2 Der Erste Mai in der Stadt………………………………………………46

3.1.2.1 Der studentische Erste Mai.……….………..………..…………….…...48

3.1.2.2 Der politische Erste Mai…………………...……………...…….……...53

3.1.2.3 Zur Rolle der Kinder am Ersten Mai…………………...…….…….......55

3.1.3 Zwischenbilanz……………………………………….……….……..…58

3.2 Erlebnis Vappu – Die Sicht von Innen und Außen. Interviews und teil-

nehmende Beobachtung………………………………..……….………59

3.2.1 Assoziationen - Sachen, Ideen, Wörter………………...……….............60

3.2.2 Kindheitserinnerungen 1962 bis 1991…….……………..…..….……...61

3.2.3 Beschreibungen eines Vappus….………………………...….…...……..63

3.2.3.1 Die Gestaltung der Vappu Week……………….………..….…………..63

3.2.3.2 Der Ablauf des Vorabends………………....…………………..……….71

3.2.3.3 Das Geschehen am Ersten Mai…………………………….…..……….78

3.2.3.4 Die Studentenmütze als zentrales Element…………………...………...80

3

3.2.4 Historische, regionale und ethnische Ausprägungen Vappus…..……….82

3.2.5 Untergegangene Brauchelemente?..…….……..……….……...………..88

3.2.6 Zwischenbilanz…………………………………….……….…….…….90

4 Bilanz eines Festes………………………………….………….……….92

5 Anhang……………………………………..………..……….…………94

5.1 Glossar………………………………………………………………….94

5.2 Quellennachweise………………………………………………………96

5.3 Literaturverzeichnis……………………..……..……….………………97

5.4 Eidesstattliche Erklärung………………...……………………....……100

5.5 Interviews/CD-ROM

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1 Einleitung

„Friede, Freude und dann kam die Randale“1

„1. Mai in Berlin: Wieder Gewalt bei Demo“2

„Die Bilanz des Mai-Wochenendes: 73 Festnahmen, 78 Protestler in Gewahrsam, 15 verletzte Polizisten und 46 abgefackelte Autos. Die Polizei konnte sieben ver-

meintliche Brandstifter (15-32 Jahre alt) vorläufig festnehmen.“3

Bilder wie diese sind es, die vielen durch den Kopf schießen, denken sie an den Ersten

Mai in Berlin und anderen Großstädten. Bilder wie diese sind es, die regelmäßig zum

Ersten Mai in den Medien erscheinen und das sowohl bevor die Maiaktivitäten über-

haupt beginnen, sozusagen als Vorausschau auf das, was womöglich passieren wird, als

auch nach dem Ersten Mai, um zu zeigen, wie schlimm er in diesem Jahr ausgefallen ist.

Die gewalttätigen Ausschreitungen, gerade in Berlin-Kreuzberg, nehmen einen großen

Raum in den Zeitungen und im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung ein und nicht

etwa die Demonstrationszüge der Gewerkschaften, die doch auf eine bedeutend längere

Geschichte zurückweisen können als der „Revolutionäre Erste Mai“.

Was hierbei oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass der Erste Mai nicht nur aus politi-

schen Kundgebungen und Reden besteht. Gerade Bewohner vom Land kennen mitunter

noch andere Aspekte dieses Tages, wie beispielsweise das vor allem in Bayern weit

verbreitete Aufstellen eines Maibaumes. Doch kaum einer weiß um die jahrhundertealte

Geschichte der verschiedenen Brauchelemente, die das Festgeschehen dieses Tages

ausmachten und teilweise noch immer ausmachen.

Wie auch der Politische Erste Mai nicht nur ein deutsches Phänomen ist, verfügen

andere Länder ebenso über vielgestaltige Maibräuche, die bisweilen ähnliche histori-

sche Wurzeln und Ausprägungen besitzen wie die deutschen Traditionen zu diesem

Frühlingsfest. In der vorliegenden Arbeit sollen die verschiedenen historischen wie

aktuellen Ausgestaltungen des Ersten Mai in Finnland, der dort Vappu oder auf

Finnlandschwedisch Valborg genannt wird, vorgestellt und durch einen kleinen Exkurs

zum deutschen Maifest ergänzt werden.

1 http://www.bild.de/regional/berlin/tag-der-arbeit/friede-freude-und-ein-bisschen-randale-17675272.bild.html (aufgerufen am 21.01.2011). 2 http://www.bild.de/regional/berlin/berlin-regional/berliner-demo-beendet-17680984.bild.html (aufgeru-fen am 21.01.2011). 3 http://www.bild.de/regional/hamburg/randale/mai-randale-hamburg-bilanz-17686606.bild.html (aufge-rufen am 21.01.2011).

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1.1 Themenwahl und Fragestellung

Noch vor meinem Auslandssemester in Turku im Südwesten Finnlands 2010/2011 hatte

ich darüber nachgedacht, diesen Aufenthalt mit Recherchen für meine zukünftige Ma-

gisterarbeit zu kombinieren. Zunächst stand der finnische Kalevala-Tag, an welchem

dem finnischen Nationalepos gedacht wird, zur Auswahl. Doch es stellte sich bald

heraus, dass an diesem Tag lediglich die nationale Flagge gehisst wird, sodass weitere

Überlegungen nötig wurden. Mit Hilfe von Frau Prof. Dr. Outi Tuomi-Nikula, die eini-

ge Zeit am Institut für Volkskunde in Rostock tätig war, kam zum ersten Mal Vappu,

das finnische Fest zum Ersten Mai, ins Gespräch. Dieser stellt einen wichtigen Aspekt

im Jahreslauf der finnischen Bevölkerung dar.

In Finnland besprach ich diese Möglichkeit mit einem Dozenten der Ethnologie an der

Åbo Akademi, Herrn Niklas Huldén, der mich in meinem Vorhaben bestärkte. Ihm gilt

mein besonderer Dank, da er mit mir die verschiedenen Möglichkeiten und ihre Mach-

barkeit durchging und mir zudem zu nützlichen Kontakten, so zum Beispiel Frau Anne

Bergman vom Svenska litteratursällskapet i Finland r.f., also der „Schwedischen Litera-

turgesellschaft in Finnland e. V.“, sowie zu zwei Interview-Partnern4, verhalf.

Anfangs war geplant, in der vorliegenden Arbeit den Ersten Mai, wie er in Finnland

gefeiert wird, mit dem Maifest in Deutschland zu vergleichen. Doch da letzteres bereits

sehr gut erforscht ist und sich meine eigene Forschung auf Vappu konzentrierte, liegt

der Schwerpunkt meiner Arbeit nun auf Finnland. Der deutsche Erste Mai und seine

Geschichte werden nur durch Sekundärliteratur abgehandelt und dienen der Darstellung

von durchaus vorhandenen Parallelen in historischen Entwicklungen und Ausgestaltun-

gen der Maifeste in Finnland und Deutschland.

Es ging mir bei meinen Nachforschungen vor allem darum, mehr über die Entwicklung

des Maifestes in Finnland herauszufinden. Sowohl seine Geschichte, also wie es in der

Vergangenheit in den verschiedenen Regionen, sozialen Schichten und Altersgruppen

gefeiert wurde, als auch moderne Brauch- und Festformen waren hierbei von Interesse.

Leider ließ die mir zur Verfügung stehende Quellenlage nicht zu, die Anfänge von

Vappu zeitlich einzugrenzen. Möglicherweise hätten sich in den finnischen Archiven

wichtige Informationen finden lassen, aber da ich zu dem Zeitpunkt meiner For-

schungsarbeit über keinerlei Finnisch-Kenntnisse verfügte, blieben mir diese Möglich-

keiten verschlossen. Womöglich aus demselben Grund erwies sich auch die Literaturre-

cherche als ernüchternd und nicht so informativ, wie ich erhofft hatte. Deshalb fiel die

4 Aufgrund der besseren Lesbarkeit verwende ich in der vorliegenden Arbeit durchgehend die männliche Schreibweise. Selbstverständlich sind hiermit stets beiderlei Geschlechter gemeint.

6

Bearbeitung des finnischen Ersten Mai anders aus, als die des deutschen Maifestes. Die

unterschiedlichen Herangehensweisen werden in Kapitel 1.3 genauer erläutert. Zuvor

werden der Forschungsstand und dessen Entwicklung dargelegt.

1.2 Forschungsstand und -entwicklung

Einen Überblick über den Stand des Ersten Mai innerhalb der deutschen Volkskunde zu

geben, fällt bedeutend leichter als es bei der Erforschung Vappus der Fall ist. Gerade

zum hundertjährigen Jubiläum des politischen Ersten Mai erschienen zahlreiche Bände,

die sich mit der Geschichte und Entwicklung des Arbeitermai auseinandersetzen. An-

sonsten ist vor allem über einzelne Volksbräuche, wie beispielsweise das Maibaumauf-

stellen, viel publiziert worden.

Während der Bearbeitung des Themas traten schon bald einige Hauptwerke hervor, auf

die ich mich in meiner Arbeit immer wieder stütze und berufe. Zum einen wäre da ein

Aufsatz von Gottfried Korff, der bereits 1979 einen guten Überblick über die Arbeiter-

kultur als Teil der Volkskunde gibt. Korff erläutert hier die Geschichte dieses For-

schungsbereichs, der lange Zeit von der Wissenschaft unbeachtet blieb oder gar, wie

durch Wilhelm Heinrich Riehl, als „sieche(s), hektische(s), absterbende(s) Volksle-

ben“ bezeichnet und daher als „Verfallsform der Volkskultur“ angesehen wurde 5. Nur

zwei Volkskundler befassten sich mit der Arbeiterkultur der Weimarer Republik: Will-

Erich Peuckert und Max Rumpf, wobei beide sich meist darauf beschränkten, die

schlechten Lebensbedingungen der Arbeiterschaft zu schildern, ohne die verursachen-

den Bedingungen zu berücksichtigen. Nach 1945 bildeten sich, so Korff, mehrere Ar-

beitervolkskunden heraus. Eine davon wurde von Wilhelm Brepohl 1951 geprägt, dem

es um „Denkbilder“ ging, nach denen die Arbeiter der Großstädte lebten. Des Weiteren

betonten der eben genannte W.-E. Peuckert und Wolfgang Steinitz die „emanzipatori-

sche und offensive Funktion der Arbeiterkultur“6. Steinitz vertrat zudem die Auffassung,

dass letztere nicht nur eine „Abschattierung der Bauern- und Bürgerkultur“7, sondern

etwas Eigenständiges, Neues bildete. Laut Korff hätte es bis 1979 über den proletari-

schen Ersten Mai, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Monographie gegeben. Er

nennt hier Gabriel Deville, der 1896 die Anfangsjahre des Arbeitermais beschrieb und

hierbei den Kampfcharakter desselben betonte. Richard Weiß, ein Volkskundler, der

Mitte der 1940er Jahre über den Ersten Mai publizierte, stellte dagegen die Entwicklung

5 Korff, Gottfried: Volkskultur und Arbeiterkultur. Überlegungen am Beispiel der sozialistischen Maifest-tradition. In: Berding, Helmut (Hg.): Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwis-senschaft. 5. Jahrgang, Göttingen 1979, S. 84. 6 Ebd., S. 86. 7 Ebd., S. 86.

7

der Festbräuche als „Wechselwirkung zwischen volkstümlichem Frühlingsbrauch und

Maifeier“8 in den Vordergrund.

Wenn Korff schreibt, dass es bis zu dem Zeitpunkt seines Aufsatzes von 1979 keine

umfassende Mai-Monographie gegeben hätte, so muss auf die weitere Entwicklung

hingewiesen werden. Wie bereits erwähnt, wurde gerade 1989, also zum Jahrestag der

ersten internationalen Maidemonstration, eine große Zahl Werke herausgebracht, wel-

che die historische Entwicklung des Arbeitermais aufzeigen. Hier ist vor allem ein

Tagungsbericht des Vereins zum Studium sozialer Bewegungen zu nennen, der die

verschiedensten Aspekte der historischen politischen Maifeier, von den Anfängen, über

den Blutmai von 1929, bis hin zu den Kundgebungen der Nachkriegszeit abhandelt.

Auch zum Ersten Mai in Österreich finden sich informative Beiträge, wie Heinz Stefan

Pichlers Ausführungen zur Maifeier in Kärnten. Zur Illustration des proletarischen

Ersten Mai eignet sich Udo Achtens Werk über die Mai-Festzeitungen der Sozialdemo-

kratie aus dem Jahre 1980, in dem die verschiedenen Tendenzen der Zeitung anhand

von Auszügen rekonstruiert werden. Ein aktuelles Bild vermittelt ein Buch, das 2003

von Dieter Rucht, einem Professor der Soziologie an der Freien Universität Berlin,

herausgegeben, aber von seinen Studenten verfasst wurde. Diese untersuchten zuvor mit

Hilfe teilnehmender Beobachtungen die unterschiedlichen Mai-Demonstrationen in

Berlin und schildern hier ihre Ergebnisse, ergänzt durch Auswertung der verschiedenen

Medienberichte.

Von Gottfried Korff stammt noch ein weiterer, überaus aufschlussreicher Aufsatz, in

dem er anhand dreier verschiedener Maibräuche aus unterschiedlichen sozialen Berei-

chen die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des Ersten Mai verdeutlicht. Dazu gehö-

ren das Mailehen, das Aufstellen des Maibaumes und der so genannte Moving Day in

Wuppertal. Korff verweist auf die unterschiedlichen historischen Forschungsansätze zu

diesen Themen. Er nennt als erste Beschreibung des rheinischen Mailehens die Schilde-

rungen durch Gottfried Kinkel aus den 1840er, sowie die Untersuchungen Karl Robert

Villehad Wikmans in den 1920er/30er Jahren. Die Maibaumtradition handelt Korff in

Hinblick auf den Bochumer Maiumzug ab, dessen Begehen sich im Laufe seiner Ge-

schichte stark gewandelt hat. Hierfür greift er auf Archivalien und Abhandlungen des 18.

Jahrhunderts zurück und verweist auch auf Hans Mosers Überlegungen zu diesem

Brauch. Laut Korff wurde der zuvor erwähnte Wuppertaler Moving Day von der Volks-

kunde kaum beachtet, womöglich da die proletarische Trägergruppe für sie nicht „sitte-

8 Korff 1979, S. 88.

8

und brauchwürdig“9 genug erschien. Auch im Atlas der deutschen Volkskunde findet er

keine Erwähnung. Stattdessen widmeten sich ihm die liberal-bürgerliche Presse und

gesellschaftskritische Magazine des Vormärzes, um dadurch auf soziale Probleme

hinzuweisen und zu Maßnahmen dagegen aufzufordern.

Bei der volkskundlichen Forschung zum Maibaum ist vor allem Hans Mosers Abhand-

lung von 1985 zu nennen, in der er dessen verschiedene Formen im Laufe der Jahrhun-

derte schildert. Zu diesem Zweck greift er auf Archivalien zurück, die sowohl aus Bild-

darstellungen, historischen Beschreibungen als auch Verboten bestehen. Zudem nennt

er einige Forschungsansätze des 19. Jahrhunderts, so die Arbeiten von Jacob Grimm

und Wilhelm Mannhard. Letzterer trug mit Fragebogenaktionen 1875 zu der Beschrei-

bung differenzierter Brauchformen zum Ersten Mai bei. Darüber hinaus benennt Moser

auch diverse Interpretationsmöglichkeiten des Maibaumes auf, die von dem Bestandteil

eines Fruchtbarkeitskults bis hin zu einer Irminsûl, also dem „Weltenbaum“ der germa-

nischen Mythologie, reichen. Demgegenüber steht die Forschung einiger skandinavi-

scher Forscher aus den 1920er Jahren, die, so Moser, mit „wohltuend nüchterner Sach-

lichkeit“10 an Maibräuche wie den Maibaum herantraten und die Brauchträger bei ihrer

Forschung in den Vordergrund rückten. Einen weiteren Aspekt des Maibaumes behan-

delte Alois Mittwieser, ein bayerischer Archivbeamter, 1939 durch die Bearbeitung von

Archivbeständen des 17. und 18. Jahrhunderts bezüglich des Maibaumsetzens durch

Soldaten. Auf Beschreibungen dieser Art stützt sich Moser und ergänzt die dort zu

findenden Informationen durch Quellen wie Verbote des Maibaumaufstellens, sowie

bildliche Darstellungen von Maibäumen.

Abgesehen von dieser wissenschaftlich-fundierten Literatur finden sich zahlreiche

Werke, die, wie schon zuvor die Volkskunde des Nationalsozialismus, den Ersten Mai

anhand diverser Kontinuitätstheorien mit „uralten“ Ritualen, teils germanischen, teils

antiken, in Verbindung zu setzen versuchen. Gerade bezüglich der Geschichte des

Ersten Mai beziehungsweise der Walpurgisnacht und den an diesen Tagen begangenen

Volksbräuchen finden sich einige Verweise in „altgermanische“ Zeit, selbst noch in

aktueller Literatur! Als positive Gegenbeispiele wären Reinhold Brunners Büchlein

über den Sommergewinn-Umzug in Eisenach, sowie Ottmar Schuberth und seine

Ausführungen zum Maibaumbrauch zu nennen. Es gilt, sorgsam nach klar und

glaubhaft belegten Informationen zu suchen.

9 Korff, Gottfried: „Heraus zum Ersten Mai.“ Maibrauch zwischen Volkskultur, bürgerlicher Folklore und Arbeiterkultur. In: Dülmen, Richard van/Schindler Norbert (Hg.): Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhundert). Frankfurt/Main 1984, S. 267. 10 Moser, Hans: Maibaum und Maienbrauch. Beiträge und Erörterungen zur Brauchforschung. In: Moser, Hans (Hg.): Volksbräuche im geschichtlichen Wandel. Ergebnisse aus 50 Jahren volkskundlicher Quel-lenforschung. München 1985, S. 206.

9

Aufgrund nicht-vorhandener Finnisch-Kenntnisse war es mir nicht möglich, finnische

Literatur zu verwenden. Auch kann ich keine weiteren Aussagen darüber treffen, in-

wieweit Vappu in der Finnischen Volkskunde bereits erforscht wurde. Doch sucht man

im digitalisierten Katalog der Bibliothek der Åbo Akademi11 unter dem Titel „Vappu“,

so werden 23 Treffer aufgelistet. Ganze acht davon haben entweder eine Autorin mit

dem Namen Vappu oder handeln von jemandem diesen Namens. Aus historisch-

ethnologischer Sicht interessante Werke finden sich nur vier. Einen Ausstellungskatalog

namens „Havis Amanda Mon amour 100 Years“ fand bei meiner Bearbeitung des Kapi-

tels zum studentischen Ersten Mai in Helsinki Verwendung. Ein weiteres Werk von

Tarja Hokkanen scheint einem Bekannten zufolge, den ich um Übersetzung der finni-

schen Titel gebeten habe, Schüler-, vielleicht auch Studententraditionen zu behandeln

und könnte deshalb auch für Nachforschungen zu Vappu relevant sein12. Des Weiteren

gibt es ein Buch zu den Feierlichkeiten zwischen Vappu und Kekri, einem alten finni-

schen Feiertag zum Ende der Weidesaison13, sowie eine wirklich interessant klingende

Publikation über die Maifeierlichkeiten in Tampere von den 1860er Jahren bis 194514.

Neben dem oben erwähnten englischsprachigen Ausstellungskatalog stand mir eine

kleine Auswahl an schwedischer, englischer und sogar deutscher Literatur zum finni-

schen Maifest zur Verfügung, wobei es sich meist lediglich um einzelne Aufsätze oder

Lexikonartikel handelte. Einen guten Überblick über die Geschichte Vappus gibt Kustaa

Vilkunas „Brauchtum im Jahreslauf“, sowie ergänzend hierzu Ilmar Talves „Finnish

Folk Culture“ und Leea Virtanens „Finnish Folklore“. In diesen wird die Entwicklung

von einem volkstümlichen Frühlingsfest bis hin zum Studenten- und Arbeitertag aufge-

zeigt. Der „Finnish Folklore Atlas“ bietet zahlreiche Karten zum Verbreitungsgebiet

einzelner Bräuche und Traditionen, so beispielsweise auch zum Abbrennen von Mai-

feuern. Kurze Texte vervollständigen die in den Karten illustrierten Informationen.

Weitere Bräuche, wie beispielsweise das so genannte „Walpern“ behandelt Anne Berg-

man in „Fest och Fritid“ aus historischer Sicht. Lund Fossenius beschreibt den Brauch

der Maistange, bezieht sich dabei allerdings auf Schweden, wobei viele der Aussagen

auch auf Finnland übertragbar sind.

Da ich keine finnische Literatur auswerten konnte und auch sonst kaum Werke zum

finnischen Ersten Mai finden konnte, musste ich bei der Bearbeitung Vappus anders

vorgehen. Dies wird im folgenden Kapitel beschrieben.

11 https://alma.linneanet.fi/webvoy.htm (aufgerufen am 29.01.2012). 12 Hokkanen, Tarja: Travel & Party Finland. 3. osa. Ökökasteesta mittumaariin. Helsinki 2008. 13 Nirkko, Juha (Hg.): Juhannus ajalaan: juhlia vapusta kekriin. Helsinki 2004. 14 Kirkko-Jaakkola, Kaisa: Simaa, kuorolaulua ja punalippuja : tamperelaisten vapunvietto 1860-luvulta vuoteen 1939. Tampere 1987. (”Sima, Chorgesänge und rote Flaggen. Die Feierlichkeiten an Vappu in Tampere von den 1860ern bis 1945“)

10

1.3 Methodisches Vorgehen

Nachdem das Thema feststand, kehrte ich Ende März nach Finnland zurück, um dort

teilweise in Helsinki, teilweise in meiner alten Studienstadt Turku Nachforschungen zu

betreiben.

Da ich, wie bereits erwähnt, zu diesem Zeitpunkt lediglich über Schwedisch- und keine

Finnisch-Kenntnisse verfügte, war die Quellen- und Literaturauswahl von Anfang an

begrenzt. Einiges der oben genannten Literatur konnte ich bereits während meines

Auslandssemesters an der Åbo Akademi einsehen. Ende März 2011 besuchte ich zu-

nächst das schwedische Literaturarchiv in Helsinki, das über eine Abteilung zur Volks-

kultur Finnlands verfügt. Hier wurden mir von Frau Bergman vielfältige Unterlagen

zum Ersten Mai bereitgestellt. Teilweise handelte es sich hierbei um Karteikarten mit

bereits abgetippten Archivalien, die vor allem regionale Bräuche der Landbevölkerung

verschiedener Gegenden 15 darlegen. Dazu stand eine große Menge Zeitungsartikel,

beginnend in den 1980er Jahren, zur Verfügung, sowie Fragbögen, die 1987 von Stu-

denten der Åbo Akademi entwickelt und verschickt wurden. In diesen erzählen Ge-

währsleute über das Maifest, wie sie es in ihrer Kindheit und Studienzeit begangen

haben. Neben aktuellen, bildlichen Dokumentationen des Festgeschehens wurde mir

Einblick in digitalisierte, ältere Fotografien gewährt, von denen ich mir auch vier Stück

zukommen ließ.

Weitere archivalische Forschung betrieb ich außerdem an dem ethnologischen Institut

der Åbo Akademi, genauer gesagt war Herr Huldén so freundlich, mir die dort verfüg-

baren Unterlagen zu Vappu in seinem Büro bereitzustellen. Hierbei handelte es sich um

Fragebögen, die zwischen 1983 und 1985 erhoben wurden und sich sowohl auf studen-

tische Traditionen, als auch auf Sommerbräuche im Allgemeinen bezogen. Ich erhielt

sowohl hier, als auch im Bildarchiv der Åbo Akademi, dem Kulturvetenskapliga arkivet

Cultura, weitere Fotografien, die die Geschichte Vappus illustrieren. Zudem erlaubte

mir die schwedische Tageszeitung von Helsinki, das Hufvudstadblådet, fünf Bilder aus

ihrem Archiv zu verwenden.

Um herauszufinden, was den Menschen heute Vappu bedeutet, womit sie es verknüpfen

und was sie an diesem Tag machen, führte ich in Turku sechs Interviews durch und in

Helsinki noch einmal drei. Kontakt zu den Interviewpartnern fand ich mit Hilfe Herrn

Huldéns, meiner ehemaligen Tutorin Jenni*16 und eines Freundes in Helsinki. Letzteren

interviewte ich via Skype im Januar 2012, um noch einige verbleibende Fragen zu

klären. Während die Gespräche, die in Turku geführt wurden, aufgrund der Hinter-

15 Hierbei handelt es sich vor allem um Österbotten (Pohjanmaa), Åland (Ahvenanmaa), Åboland (Tu-runmaa), Nyland (Uusimaa); vereinzelt um Helsingfors (Helsinki) und Kristinestad (Kristiinankaupunki). 16 Name wurde auf Wunsch geändert.

11

grundsituation der Befragten etwas stärker finnland-schwedisch17 geprägt sind, zeigen

die Interviews in Helsinki hauptsächlich die (finnische) Studentenkultur der Teekkaris,

der technischen Studenten der Aalto-Universität.

Ich wählte für die Durchführung das Prinzip des Leitfadeninterviews, bei dem das

Interview eher einem lockeren Gespräch ähnelt und keine genau festgelegte Abfolge

besitzt. Dies ermöglichte es mir, auf einzelne Punkte genauer einzugehen oder bei ge-

gebenen Stichwörtern auch andere Aspekte, die ursprünglich nicht vorgesehen waren,

zu behandeln. Dies hat zur Folge, dass jedes Interview ein wenig anders ist, obwohl die

Grundfragen natürlich dieselben sind.

Um mir selbst ein Bild von den Geschehnissen zu machen, führte ich ab der Woche vor

dem Ersten Mai bis zu Vappu eine teilnehmende Beobachtung in Helsinki durch. Meine

Eindrücke basieren hauptsächlich auf der Art und Weise, wie die dortigen technologi-

schen Studenten dies begehen, da ich hier persönliche Kontakte hatte und von den

dortigen Studenten zu ihren Veranstaltungen mitgenommen wurde. Dies hatte den

Vorteil, dass ich beispielsweise sogar an einer geheimen Aktivität teilnehmen durfte,

dem Fuksi-killing, bei dem ansonsten nur die Studenten des ersten Jahres und die

Organisatoren zugelassen sind.

Eben weil ich den Ersten Mai bereits in Finnland verbrachte, konnte ich in Deutschland

selbstredend keine teilnehmende Beobachtung durchführen. Da ich beschloss, den

Fokus der Arbeit auf Vappu zu legen, beschränkt sich die Bearbeitung des deutschen

Ersten Mai nun lediglich auf einen anhand von Sekundärliteratur erstellten Überblick

der historischen Entwicklung des Festes und seiner Ausgestaltung.

1.4 Aufbau der Arbeit

Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit ist in einen Bereich, in dem es um den deutschen

Ersten Mai geht und einen, der vom finnischen Maifest handelt, untergliedert. Wie

bereits im vorigen Abschnitt erwähnt wurde, fällt die Beschreibung der Maifeierlichkei-

ten in Deutschland um einiges knapper aus, während Vappu deutlich ausführlicher

ausgearbeitet wurde. Dies geschah aufgrund der Tatsache, dass ich mich in meiner

eigenen Forschung klar auf die Situation in Finnland konzentriert habe und die Ergeb-

nisse dieser Forschung bevorzugt in diese Arbeit einfließen lassen wollte.

17 Diese Bezeichnung wird im Folgenden verwendet und bezieht sich auf den Umstand, dass es in Finn-land aufgrund seiner Geschichte eine Minderheit von etwa 6% gibt, die als Erstsprache Schwedisch spricht und sich in ihrer Kultur stärker an Schweden als an Finnland orientiert.

12

Der folgende Teil beginnt also mit einem Überblick über die Feiern zum Ersten Mai in

Deutschland. Hier wird zwar auf die fiktiven Ursprünge im „Germanentum“ hingewie-

sen, ansonsten aber hierzu Abstand genommen. Stattdessen werden ausgewählte Mai-

bräuche, nämlich den des Maigrafenfests, des Maibaums und des Mailehens, sowie ihre

historische Entwicklung dargestellt. Als einschneidendes Ereignis werden die Gescheh-

nisse in Paris 1889 beschrieben, die fortan die Ausrichtung des Ersten Mai weltweit

nachhaltig beeinflussten, so auch in Finnland.

Der Part, der von Vappu handelt, beginnt mit einem kurzen Blick auf die Geschichte des

Maifestes in Finnland. Hierzu war leider nicht so viel herauszufinden, als dass es mög-

lich wäre, ein wirklich umfassendes Bild der korrekten historischen Zusammenhänge

aufzuzeigen; doch das, was an scheinbar gesicherter Information zur Verfügung stand,

soll wiedergegeben werden. Es folgt die Beschreibung der Bräuche und Vorstellungen

der finnischen Landbevölkerung an speziell diesem Datum. Daraufhin wendet sich der

Blick auf das Geschehen in ausgewählten Städten, wobei in verschiedenen Unterkapi-

teln auf die allgemeinen städtischen Aktivitäten, das Studentenfest, den politischen

Ersten Mai und zuletzt auf spezielle Vappu-Aktivitäten für Kinder eingegangen wird.

Während ich für die Bearbeitung dieses Abschnittes vor allem auf Archivalien, Zei-

tungsartikel und Literatur zurückgriff, stützt sich der nächste Teil, wie bereits beschrie-

ben wurde, sowohl auf Interviews, die teilweise von mir, teilweise in den 1980er Jahren

von anderen abgehalten wurden, als auch auf eine von mir im Jahre 2011 durchgeführte

teilnehmende Beobachtung. Hier soll dargestellt werden, wie Vappu heutzutage began-

gen wird, welche Brauchelemente von besonderer Bedeutung sind und wie das Fest von

den Befragten persönlich wahrgenommen wird.

Nach jedem der beiden Unterkapitel folgt eine knappe Zusammenfassung der dargeleg-

ten Sachverhalte.

13

2 Geschichte des Ersten Mai in Deutschland - ein Überblick

Der Erste Mai, wie er in Deutschland begangen wird und wurde, weist auf eine lange

und vielgestaltige Geschichte zurück. Grob gliedern lässt sich diese in die Zeit vor und

nach 1886, wobei hier auch eine inhaltliche Unterteilung vorgenommen wird. Ende des

19. Jahrhunderts erstarkt die Arbeiterbewegung und der politische Erste Mai nimmt

zunehmend Raum im Festgeschehen ein.

2.1 Bräuche zum Ersten Mai vor 1886

„Mei“ oder „meie“ stellen laut Vincenz Jacob von Zuccalmaglio, der unter dem Pseu-

donym Montanus über „Die deutschen Volksfeste, Volksbräuche und deutsche(n)

Volksglaube(n)“ schrieb, die ältesten Bezeichnungen für den Frühling dar. Mai bedeute-

te allerdings „Laub“ oder „Grün“, sodass die „Maietit“, also die Maiezeit, nicht nur den

Monat Mai, sondern die ganze Jahreszeit bedeuten konnte. Demnach war der „Maie-

tag“ recht variabel, abhängig von der Lage einer Region und damit zusammenhängend

dem Eintreffen des Frühlings.18 Auch Hans Moser bestätigt diese Verknüpfung, wenn er

schreibt, dass ein Frühlingsfest mehr witterungs- als terminabhängig war. Er betont

zudem, dass die Frühlingsankunft wohl eher für Burg- und Stadtbewohner einen Grund

zur freudigen Feierlichkeit bot, da diese im Winter ihren gewöhnlichen Tätigkeiten

nicht recht nachgehen konnten. Die Handwerker in der Stadt benötigten mehr Licht, um

in ihren Werkstätten zu arbeiten und auch der Handel kam in dieser Zeit, da die Flüsse

zugefroren waren, zum Erliegen. Für die bäuerliche Landbevölkerung hingegen bot der

Winter, so Moser, eine „willkommene Atempause“19 von der Landwirtschaft. Zudem

bestanden die meisten Ansiedlungen auf dem Land aus Weilern oder Streusiedlungen,

denen es an einem organisiertem Mittelpunkt und Gemeinschaftsgefühl mangelte. Die-

ser Eigenschaften bedürfe es aber, um ein gemeinsames Festbrauchtum entstehen zu

lassen. Moser sieht hierin den Umstand begründet, dass „frühes öffentliches Festbrauch-

tum ausgiebig nur für jene Sozialbereiche überliefert ist, in denen starke ständische

Organisationen und ein kräftiges Standesbewußtsein [sic!] gegeben“20 waren.21

In engem Zusammenhang mit dem Ersten Mai steht die Walpurgisnacht, die Nacht

vom 30. April auf den Ersten Mai. Ihre Bezeichnung geht auf die Heilige Walpurga

zurück, die Tochter des angelsächsischen König Richard; eine Benediktinerin, die ihren

18 Vgl. Montanus (Vincenz Jakob von Zuccalmaglio): Die deutschen Volksfeste, Volksbräuche und deutscher Volksglaube, 1854. Hildesheim/Zürich/New York 2006, S. 20. 19 Moser 1985, S. 215. 20 Ebd., S. 216. 21 Vgl. ebd., S. 215 f.

14

beiden Brüdern Willibald und Wunibald nach Deutschland folgte, um dort das Christen-

tum weiter zu verbreiten. Sie stiftete das Kloster Hildesheim, wo sie 780 v. Chr. starb.22

Im Jahre 870 wurden ihre Reliquien nach Eichstätt in die Kirche St. Walburg überführt.

Da ihre Heiligsprechung am Ersten Mai desselben Jahres vollzogen wurde, ist dieses

Datum seitdem ihr Ehrentag.23 Spätestens seit Goethes Faust jedoch verbinden viele mit

der Walpurgisnacht Versammlungen von Hexen, die um Feuer tanzen und auf Besen

reiten. In der rückwärtsgewandten Literatur des 19. Jahrhunderts, sowie später in der

nationalsozialistischen Volkskunde, wird nach „uralten“ Wurzeln solcher Aktivitäten

oder deren Vorstellung gesucht. Montanus erklärt beispielsweise, dass zur Zeit der

Karolinger „deutsch-heidnische Zusammenkünfte“24 in der Mainacht unter Todesstrafe

gesetzt wurden, was die Anhänger des alten Glaubens, meist Frauen, dazu zwang, heim-

lich im Hain, oder auch „Hag“, den verbotenen Bräuchen nachzugehen. Daraus entstand

die Bezeichnung „Hägesen“ oder auch „Hägschen“, was später zu „Hexen“ wurde.25 Ob

dies tatsächlich so war, bleibt fragwürdig, doch beeinflussten Ansichten wie diese lange

Zeit die Literatur der Heimatforschung. Selbst 1991 finden sich noch Aussagen zu einer

„altgermanische(n) und frühfränkische(n) Vorstellung“, in der Walpurga „das schöne

weiße Weib“ Freya verkörpert und Hexen „germanische Hain-Priesterinnen“ waren, die

es sich nicht nehmen lassen wollten, ihrem Kult nachzugehen26. Die Vorstellung eines

Hexensabbats behandelt auch Richard von Dülmen, wobei er sich auf die Unterlagen

von Hexenprozessen stützt. Demnach wurden diese Versammlungen vor allem an hohen

kirchlichen Feiertagen, ebenso auch an Johannis und Walpurgis abgehalten27. Da diese

Aussagen unter Folter gemacht wurden, ist ihr Wahrheitsgehalt natürlich anzuzweifeln,

allerdings dürften sie den Vorstellungen dieser Zeit entsprechen.

Um sich vor Hexen zu schützen, boten sich vielerlei Möglichkeiten. Es wurden Kreuze

an den Stalltüren befestigt und Kräuterbüschel am Haus aufgehängt. Auch Lärm sollte

helfen, Hexen und andere böse Mächte zu vertreiben. Dies konnte beispielsweise durch

das Läuten der Kirchglocken oder auch Peitschenknallen geschehen.28 Noch in den

Erhebungen Adolf Spamers 1909/10 werden das Peitschenknallen, sowie das Anbringen

22 Vilkuna, Kustaa: Finnisches Brauchtum im Jahreslauf. Helsinki 1969, S. 133 f. 23 Vgl. Welker, Manfred: Glaube – Brauchtum – Heimat. Kirchenpatrozinien und Heiligenfeste zwischen Aurach, Aisch, Reicher Ebrach und Regnitz. In: Schriften zur Heimatpflege im Landkreis Erlangen-Höchstadt, Band 6. Höchstadt/Aisch 2010, S. 76. 24 Montanus 1854, S. 27. 25 Vgl. ebd., S. 27 ff. 26 Vgl. Becher, Angela/Schmidt, Gustav: Von Walpurgis bis Johannis. Oberfränkisches Brauchtum aus älterer und neuerer Zeit. In: Heimatbeilage zum Amtlichen Schulanzeiger des Regierungsbezirks Ober-franken – Finanziert von der Oberfrankenstiftung. Bayreuth 1991, S. 4, 6. 27 Vgl. Dülmen, Richard von: Imaginationen des Teuflischen. Nächtliche Zusammenkünfte, Hexentänze, Teufelssabbate. In: Dülmen, Richard von (Hg.): Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.-20. Jahrhundert. Frankfurt/Main 1987, S. 109. 28 Vgl. Fischer, Anke: Feste und Bräuche in Deutschland. München 2004, S. 40.

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von überkreuzten Stachelbeer- und Dornenstauden an Stallfenstern genannt29. Weitere

Abwehrmaßnahmen waren das Entfachen großer Feuer, das Verbrennen von Besen -

wohl, um Hexen ihrer Fluginstrumente zu berauben - und das Ausräuchern der Häuser

und Ställe mit „hexenbannenden Kräutern“30, wie Johanniskraut, Wacholder und Alrau-

ne31. Das Zusammentreffen des Ehrentages der Heiligen Walpurga mit der Winterver-

abschiedung und dem Vertreiben der Hexen war laut Karlheinz Ossendorf jedoch ein

„rein zeitlich(es)“ und hatte „miteinander nichts zu tun“, allerdings hätte die Bevölke-

rung nicht immer so „trennungsscharf gefeiert“32. So flehten sie die Heilige Walpurga

mitunter um eine gute Ernte an, „die es vor dämonischen Kräften zu schützen galt“33.

Neben diesen Bräuchen, die mit einem Glauben an Hexen und andere Unholde zusam-

menhängen, finden sich noch weitere Festlichkeiten zum Ersten Mai, von denen die des

Maikönigs und des Kampfes zwischen Winter und Sommer, des Maibaums und des

Mailehens nun vorgestellt werden.

Als im Jahre 755 n. Chr. eine Verlegung der fränkischen Reichsversammlung vom

ersten März auf den Ersten Mai stattfand, wurden bald schon zu diesem Anlass feierli-

che Aufzüge und Maienritte organisiert. Vom 13. Jahrhundert an existieren Belege über

diesen Brauch, der demzufolge sowohl in Deutschland, als auch Großbritannien began-

gen wurde. In den Städten der deutschen Hanse, sowie in skandinavischen Küstenstäd-

ten ist seit etwa 1400 der jährlich von der Kaufherrengilde erwählte Maigraf bekannt,

der den Anführer des Mairitts darstellte.34 Dieses Ehrenamt war mit einer großen finan-

ziellen Belastung verbunden, was auch Hans Moser betont, wenn er schreibt, dass der

Maigraf als „amtliche(r) Brauchpfleger“35 den Sommer, manchmal sogar das ganze Jahr

über die Festlichkeiten ausrichten musste. Das Maifest stand oft in Verbindung mit

Schützenfesten, Vogel- oder spezifischer dem Papageienschießen, zudem im 16. Jahr-

hundert auch mit der Waffenmusterung der wehrfähigen Bürger.36 Einen weiteren As-

pekt, der im Zusammenhang mit den Mairitten zu nennen ist, bildet der symbolhafte

Kampf zwischen Winter und Sommer. Diesen beschreibt Montanus recht ausführlich.

Ihm zufolge zogen die Bewohner eines Ortes zu Frühlingsanfang auf die Wiesen, wobei

einige, mit Stroh bekleidet, den Winter darstellten und von ihrem Winterkönig, der

29 Vgl. Moser 1985, S. 248. 30 Becher/Schmidt 1991, S. 11. 31 Vgl. ebd., S. 9, 11. 32 Ossendorf, Karlheinz: Komm lieber Mai… Beim Brauchtum im Wonnemonat hat sich Vieles gewan-delt (= Schriftenreihe der Kreissparkassenstiftung Heft 11). Siegburg 2006, S. 52. 33 Ebd., S. 52. 34 Vgl. Schuberth, Ottmar: Maibäume. Tradition und Brauchtum. Peißenberg 1995, S. 10. 35 Moser 1985, S. 219. 36 Vgl. ebd., S. 219 f.

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darüber hinaus eine Strohkrone, sowie ein hölzernes Schwert bei sich trug, angeführt

wurden. Der Sommerkönig dagegen besaß eine Blumenkrone und war mit Moosen und

Efeu bedeckt. Der eigentliche Kampf bestand aus dem Werfen von Häcksel und Asche,

beziehungsweise Blumen und Blättern. Selbstverständlich war es stets der Sommer, der

siegte, woraufhin der Winter floh und seine Strohkleider verbrannt wurden. Darauf

erfolgte ein im Dorf veranstaltetes Frühlingsfest mit Tanz. In anderen Orten war der

Winter durch eine Strohpuppe symbolisiert, die sinnbildlich in einen Bach geworfen

wurde.37 Montanus fügt noch hinzu, dass ein ebensolcher Kampf auch in Schweden und

Norwegen am Morgen des Ersten Mai ausgetragen wurde38.

In diesem Zusammenhang ist der so genannte Sommergewinn in Eisenach zu nennen,

dessen Tradition wohl schon bedeutend älter ist, aber 1897 unter Rückbesinnung auf

angeblich ursprüngliche Formen wiederbelebt wurde und beinahe durchgehend bis zum

heutigen Tag ähnlich begangen wird. Hierbei handelt es sich um einen Umzug, zu

dessen Bestandteilen unter anderem ein Sommer- und ein Winterwagen gehört. Auf

dem einen Wagen sitzt „Frau Sunna“, also Frau Sonne, die von einer Schar Kinder in

bunten Verkleidungen, darunter beispielsweise Frühlingsblumen, Vögel und Käfer,

beleitet wird. Auf dem anderen thront der Winterkönig, dessen Gefolge sich aus Gno-

men und winterlich gekleideten Kindern zusammensetzt. Grundsätzlicher Bestandteil

des Geschehens ist auch hier die Vertreibung des Winters.39

Schuberth zufolge gab es auch im Ries ein „altes Volksspiel“40, das heute oft noch von

Kindern betrieben wird. Bei diesem wird eine vermummte Gestalt, die den Winter

darstellen soll, mit Birkenruten über den Dorfplatz gejagt, was also einem symbolhaften

Winteraustreiben gleichkommen soll.41 Ähnliche Bräuche dürften weit verbreitet gewe-

sen sein. Aus Hessen sind zudem mehrere Ortschaften bekannt, wo der Frühling in

Form eines mit grünem Laub verkleideten Jungen durch den Ort zieht, so beispielsweise

der so genannte „Schnoock“ in Heidenrod oder der Maimann in Hermershausen42.

Ein Phänomen, das zwar vor allem in Bayern heimisch ist, aber mitunter deutschland-

weit in Erscheinung tritt, ist der Maibaum. Er steht in enger Verbindung mit dem Mai-

gang, bei dem Birkenzweige und kleine Bäumchen aus dem Wald geholt wurden43.

Diese fanden vielerlei Verwendung, mitunter als Ortsmaibaum, Wirtshausmaibaum,

37 Vgl. Montanus 1854, S. 24 f. 38 Vgl. ebd., S. 31. 39 Vgl. Brunner, Reinhold: Hundert Jahre Sommergewinnsumzug 1897-1997. Eisenach 1997, S. 7 ff. 40 Schuberth 1995, S. 84. 41 Vgl. ebd., S. 84. 42 Vgl. Waas-Frey, Marianne: Alte Bräuche, frohe Feste zwischen Flensburg und Oberstdorf, Aachen und Bayreuth. Kemnat 1984, S. 163 f. 43 Vgl. Fischer 2004, S. 42.

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Liebesmaibaum und Ehrenmaibaum. Die ersten drei sind in Andreas Schmellers bayeri-

schen Wörterbuch, dessen Bände zwischen 1816 und 1837 entstanden, als „abgeschälte,

mehr oder weniger hohe Fichte oder Tanne“ beschrieben, die verziert und „durch ge-

meinschaftliches Zutun gewöhnlich am ersten Sonntag im Mai“ aufgestellt wurden 44.

Das genaue Alter dieses Festbrauches ist, so Moser, aber unbekannt. Jakob Grimm

suchte nach historischen Belegen hierfür, ansonsten blieb dieser Teil der Maifeier von

seinen Zeitgenossen dagegen meist unbeachtet. Grimm gab allerdings eher eine Aufstel-

lung des damaligen Gegenwartsbestandes wieder und rekonstruierte keine historische

Entwicklung des Brauches. Selbiges betrifft die Sammelarbeit von Friedrich Lettner und

Eduard Fentsch, die in der Bavaria von 1860 veröffentlicht wurde. Aus heutiger Sicht

stellen diese Publikationen wichtige historische Quellen dar, die durch stadtgeschichtli-

che Veröffentlichungen, behördlichen Verordnungen und Verbote ergänzt werden.45

Das angeblich erste urkundliche Zeugnis eines Maibaumes in Deutschland stellt die

„Libri Miraculorum“ von Caesarius von Heisterbach aus der ersten Hälfte des 13. Jahr-

hunderts dar. In ihr wird ein mit Kränzen behangener, vom Aachener Stadtvogt errichte-

ter Baum erwähnt, den der Stadtpfarrer gegen den Widerstand der Bevölkerung fällen

ließ. „Dem Priester zum Hohn“46 ließ der Stadtvogt einen noch höheren Baum aufstel-

len. Diesen Baum bezeichnete schon Wilhelm Mannhardt in seinem Werk „Wald- und

Feldkulte“ aus dem Jahre 1875 als Maibaum, was seither meist genau so Verbreitung

fand. Zwar datiert Caesarius den Vorfall indirekt durch Nennung eines Stadtbrandes auf

1224, doch geschah dieser im August, sodass Hans Moser den Einwand erhebt, dass es

sich bei dem Baum vielleicht gar nicht um einen Maibaum, sondern vielmehr um eine

Manifestation des Kampfes zwischen Kaiser und Papst gehandelt haben könnte.47

Maibäume finden sich in zahlreichen Bildern und Holzschnitten wieder, anhand derer

Hans Moser eine gestalterische Entwicklung feststellt. Allen gemeinsam ist ein hoher,

entästeter Stamm, dessen Spitze markiert ist. Dies kann durch einen naturbelassenen

Wipfel oder eine künstliche Bekrönung erfolgen48. Gemäß dem gefundenen Bildmateri-

al meint Moser, dass Mitte des 16. Jahrhunderts die Form des Maibaums, in dessen

Gipfel zu erkletternde Naturalien hängen, ältere Formen verdrängte49.

44 Moser 1985, S. 204. 45 Vgl. ebd., S. 204 f. 46 Ebd., S. 211. 47 Vgl. ebd., S. 212. 48 Vgl. ebd., S. 199. 49 Vgl. ebd., S. 229.

18

Der Brauch des Erkletterns des Maibaumes

soll schon 1230 in den Chroniken des

Wiener Hofes bezeugt sein. Demnach

hingen an der Spitze des Baumes Natura-

lien wie Würste, Brezeln und sogar Wein-

flaschen, nach denen junge Burschen klet-

tern durften. Im 18. Jahrhundert nahm diese

Maiaktivität allerdings überhand, sodass

mehrere Verbote diesbezüglich erlassen

wurden, die offenbar aber recht wirkungs-

los blieben.50

In dem hier abgebildeten Ausschnitt eines

Holzschnittes von Hans Sebald Beham aus

der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist

am linken äußeren Bildrand ein Maibaum

zu sehen, der soeben erklommen wird. Auf

seiner Spitze ist eine Plattform installiert,

auf der ein scheinbar echter Hahn sitzt. Unklar ist, was es mit der kämpfenden Menge

darunter auf sich hat. Dass es sich hierbei

gar um den zuvor beschriebenen Kampf

zwischen Winter und Sommer handelt, ist

allerdings eher unwahrscheinlich, da in

keinem der Berichte echte Waffengewalt

erwähnt wurde.

Im 18. Jahrhundert erfolgte ein weiterer

Formenwandel. Während die Maibäume

auf Abbildungen um 1700 noch glatt sind

und nur vereinzelt eine schlichte Zier

aufweisen, finden sich hundert Jahre später

in großen Teilen Bayerns Bäume, die mit

horizontalen Sprossen versehen sind, an

die hölzerne Figuren angebracht wurden.

50 Vgl. Wolf, Helga Maria: Das neue Brauchbuch. Alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebens-hilfe. Wien 2000, S. 180 f.

Hans Sebald Beham, um 1535 (Ausschnitt) In: Schuberth 1995, S. 13.

J. Puschkin, 1875. In: Fischer 2004, S. 42.

19

Diese stellten meist Dorfgebäude, Ackergeräte und Handwerkzeug dar51. In Heinrichs-

hofen im Landkreis Landsberg am Lech war beispielsweise jedes Handwerk des Ortes

durch eine Figur vertreten, bei Bedarf auch mehrfach52. Ein typisches Element ist das

„oberbayerische Tanzpaar“, das von zahlreichen Maibäumen auch heute nicht mehr

wegzudenken ist. Das erste literarische Zeugnis eines Figurenmaibaums liefert im Jahre

1815 der Landesdirektionsrat Felix Joseph Lipowsky, der behauptet, dass der Maibaum

„so alt wie das Dorfgefüge selbst“53 sei und sogar römische Ursprüngen hätte. Die

früheste Illustration allerdings reicht gerade bis in das Jahr 1743 zurück und findet sich

auf einem Votivbild der Kirchentracht Kleinhelfendorf.54 Der auf der vorigen Seite

abgebildete Stich von J. Puschkin ist zwar etwas jüngeren Datums, zeigt aber das müh-

same Aufstellen eines solchen Figurenmaibaumes. Ebenso sind einzelne Holzfiguren zu

erkennen, die im unteren Baumbereich Dorfgebäude und im oberen Ackergeräte und

Tiere zeigen.

Der Figurenmaibaum stellt eine Sonderform des Ortsmaibaumes dar, der vor allem im

oberbayerischen Alpenvorland vorherrschend ist. Wie der Name vermuten lässt, wird

diese Form des Maibaumes von und für den gesamten Ort aufgestellt. Da er aufwändi-

ger gestaltet ist als der zudem auch niedrigere Wirtshausmaibaum, der gegen eine Be-

wirtung vor dem Wirtshaus aufgestellt wurde55, wird der Ortsmaibaum schon einige

Tage vor dem Ersten Mai aus dem Wald geholt und bearbeitet. Er bleibt zudem in der

Regel mehrere Jahre stehen, bis die Figuren erneuert werden müssen. Als Symbol des

Gemeinwesens und „bajuwarischer Lebensfreude“56 wird er heute gerne vom Touris-

mus genutzt, um ein idyllisches Bild eines bayerischen Ortsgefüges entstehen zu las-

sen.57

Neben diesen Arten von Maibäumen als Teil einer Dorfkultur, bestand gerade im Drei-

ßigjährigen Krieg die Tradition der Ehrenmaien, die Soldaten ihren Offizieren, dem

anwesenden Fürsten oder auch dem Vorsitzenden des jeweiligen quartiergebenden

Ortes setzten. Diese sind in den Rechnungsakten der Städte und Dörfer belegt, denn sie

stellten eine Möglichkeit dar, auch ohne Erpressung an eine „bescheidene Festtagsein-

nahme“ oder an „Maibier“ zu gelangen58. Bis ins 17. Jahrhundert sind diese soldati-

schen Ehrenmaibäume stetig nachzuweisen, danach scheinen sie weniger häufig aufge-

treten zu sein. Es gab durchaus auch zivile Ehrenmaibäume, wie es erstmals 1662 von

51 Vgl. Moser 1985, S. 201. 52 Vgl. Schuberth 1995, S. 71. 53 Vgl. Moser 1985, S. 201 54 Vgl. ebd., S. 201 f. 55 Vgl. ebd., S. 262. 56 Ebd., S. 201. 57 Vgl. ebd., S. 199 ff. 58 Ebd., S. 235.

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Grafenau bezeugt ist. Hier stellten einige Bürger gegen ein Entgelt vor dem Rathaus

einen Maibaum auf. Da dieser Brauch aber allzu schnell überhand nahm, wurde 1690

das Schlagen von Maibäumen in den kurfürstlichen Wäldern verboten.59

Bereits im 16. Jahrhundert kam es zu einer Reihe solcher Versuche, das Maibaumauf-

stellen zu untersagen. Gründe hierfür waren zum einen moralische Bedenken gegenüber

dem Liebesmaien, der im folgenden Abschnitt noch erläutert werden soll, sowie die

Sorge um den Waldbestand60. Dass diese Verbote kaum fruchteten, beweisen zahlreiche

und auch einheitliche Zeugnisse des Brauches, der nun offenbar regelmäßig am Ersten

Mai begangen wurde61. Im 18. Jahrhundert wurde eine erneute Reihe von Verboten

bezüglich des Aufstellens von Maibäumen erlassen, was mit dem neuen Status zusam-

menhing, der dem Wald zu Zeiten der Aufklärung beigemessen wurde. In dieser Epoche

fand ein regelrechter Baumkult statt, Straßen wurden zu Alleen umgeformt und auch die

Obstbaumzucht umfangreich gefördert62.

Dagegen gewann die Maistange ab 1808 zumindest in Bayern wieder größere Bedeu-

tung, als nämlich neue Steuerdistrikte entstanden, die für die einzelnen Gemeinden ein

größeres Maß an Selbstverwaltung unter einem eigenen Dorfbürgermeister bedeutete. In

diesem Zusammenhang ist zu verstehen, dass Maibäume nun zu Symbolen „nationalen

und lokalen Selbstbewußtseins [sic!] und Heimatstolzes“63 wurden.

Im Laufe der Zeit konnten sich solche Bräuche jedoch auch drastisch verändern, was

Gottfried Korff anhand des Maiabendfestes in Bochum erläutert. Anfang des 18. Jahr-

hunderts war es dort üblich, dass bürgerliche Junggesellen am Ersten Mai in den Wald

gingen, einen Baum fällten und diesen einem „Vornehmen“ zum Geschenk machten,

um so ein „besseres Gegengeschenk an Gelde zur Verzehrung“ zu bekommen 64. Der

hierfür veranstaltete Umzug wurde 1716 zum ersten Mal in den Urkunden der Stadt

erwähnt. Da das Schlagen von Bäumen 1768 untersagt wurde, bestanden die Junggesel-

len auf einen finanziellen Ausgleich, der ihnen gerichtlich anerkannt wurde. Um diesen

Geldbetrag abzuholen, hielten die Bochumer Junggesellen ebenfalls einen Umzug ab,

den sie sich auch dann nicht nehmen ließen, als Mitte der 1870er Jahre das Geld bei der

Sparkasse angelegt, statt direkt ausbezahlt wurde. Im späten 19. Jahrhundert entwickelte

sich der Umzug mehr zu einem folkloristischen Volksfest, das nun, wohl aufgrund der

59 Vgl. Moser 1985, S. 235 ff. 60 Vgl. ebd., S. 227. 61 Vgl. ebd., S. 234. 62 Vgl. ebd., S. 243 ff. 63 Rosenfeld, Hellmut: Maitanz, Maien, Maienbüschel, Maibaum. Neidhart von Reuental und die Linde in Dichtung und Brauch. In: Schönere Heimat 77, [o.A.] 1988, S. 274. 64 Korff 1984, S. 261.

21

alles verändernden Industrialisierung, der „identitätssichernde(n) Selbstdarstellung des

örtlichen Bürgertums“65 diente.66

Nach dem ersten Weltkrieg gab es im Zuge der Heimatschutzbewegung und dem ver-

stärkten Vereinswesen auf dem Land mehr und mehr Orte, in denen Maibäume aufge-

stellt wurden. Während der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr der Maibaum eine

enorme Aufwertung und Verbreitung, wobei für die Maibäume Deutschlands zumeist

der oberbayerische Figurenmaibaum Vorbild stand67. Auch nach 1945 wurde die Tradi-

tion des Maibaum-Aufstellens weitergeführt. In vielen Gegenden Bayerns und Hessens

belebten gerade sudetendeutsche Flüchtlinge diesen Brauch wieder68. Auch heute noch

wird er in den verschiedenen Regionen Deutschlands gepflegt, wobei es regional unter-

schiedlich ist, wie lange der Maibaum stehen bleibt. Das Fällen und die Bearbeitung des

Stammes, sowie das Aufstellen an sich werden als sportlich-handwerkliche Tätigkeit

angesehen, die in der kollektiven Tätigkeit auch ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt69.

Neben dem Ortsmaibaum ist es auch heute noch üblich, einen Liebesmaien vor dem

Haus eines geliebten Mädchens aufzurichten. Diese Tätigkeit ist für Deutschland erst-

mals 1334 durch Heinrich Seuses „Horologium sapientiae“ bezeugt. Darin beschreibt

Seuse die Gepflogenheiten der schwäbischen Jugend und in diesem Zusammenhang den

Brauch, grünende Bäume vor das Haus der Liebsten zu stellen70. Aus demselben Jahr-

hundert finden sich zudem Belege von Schandmaien, die für Mädchen, „die im üblen

Rufe stehen, oder gar ihr Kränzlein eingebüßt haben“71, aufgestellt wurden. Sie konnten

aus dürrem Reisig, Holunder- oder auch Haselsträuchern bestehen und ihr Erhalt wurde,

so Ossendorf, schlimmer angesehen, als gar keine Maie zu bekommen. Daneben konn-

ten mit Hilfe bestimmter Zweige Aussagen über den Charakter des betroffenen Mäd-

chens gemacht werden, beispielsweise drückte man den Hang zur Klatschsucht mit

einem Kirschzweig aus72.

Konkret datierte und auch lokalisierte Belege für diesen Brauch gibt es seit 1540, die

durchwegs aus Verboten und Beanstandungen bestehen. Darüber hinaus beschreiben sie

beispielsweise für Franken und Schwaben eindeutig die Form eines bis auf den Wipfel

entästeten Baum, der geschmückt und dann in die Erde gesetzt wurde.73

65 Korff 1984, S. 263. 66 Vgl. ebd., S. 261 ff. 67 Vgl. Moser 1985, S. 249. 68 Vgl. Weber-Kellermann, Ingeborg: Volksfeste in Deutschland. Hamburg 1981, S. 57. 69 Vgl. Knoche, Andrea: Traditionelle Bräuche und Feste im Jahreslauf. Erfurt 1996, S. 22. 70 Vgl. Moser 1985, S. 218. 71 Ossendorf 2006, S. 75. 72 Vgl. ebd., S. 75 f. 73 Vgl. Moser 1985, S. 228.

22

In Verbindung mit dem Liebesmaien steht das Mailehen, welches laut Schuberth erst-

mals 1538 in Köln bezeugt ist und danach vor allem im Gebiet des Saarlandes und der

Eifel verbreitet war74 . Hierbei handelt sich um eine traditionelle Versteigerung der

ledigen Mädchen eines Ortes, die Gottfried Korff in dem Aufsatz „Heraus zum Ersten

Mai.“ detailliert beschreibt. Ihm zufolge taucht dieser Brauch vor allem in kleinbäuerli-

chen Gebieten auf, deren Entwicklung im 19. Jahrhundert durch einen raschen Bevölke-

rungsanstieg und ein praktiziertes Erbteilsystem geprägt war, was zur Folge hatte, dass

Nutzfläche zu kleinen, kaum einträglichen Parzellen verkam. Dementsprechend war es

wünschenswert, innerhalb der Dorfgemeinschaft zu heiraten, um so die verfügbare

Bodenfläche möglichst beisammen halten zu können. Dieser Vorgang sollte mitunter

durch die prinzipiell spaßhaft gemeinte Versteigerung der ledigen Mädchen unter den

Junggesellen des Ortes positiv beeinflusst werden.75

Das Wort Mailehen kommt von „leihen“ oder „lehnen“ und benennt das zentrale Ele-

ment des Brauches, der schon in den 1840er Jahren von Gottfried Kinkel beschrieben

wurde76. Ossendorf zufolge wurde in Bonn-Römersdorf in der Mitte des 19. Jahrhun-

derts zunächst der Posten des Maikönigs ersteigert, der sich dann aus der Liste der

ledigen Mädchen eine zur Maikönigin wählen durfte. War diese allerdings nicht mit der

Wahl einverstanden, konnte er sich ein weiteres Mädchen aus der Liste aussuchen.

Danach wurden die anderen Mädchen unter den restlichen Junggesellen versteigert. War

eine Unwillens, für das nächste Jahr die Tanzpartnerin des Ersteigernden zu sein, so

wurde sie, so ist es zumindest von Mondorf bekannt, erneut zur Versteigerung angebo-

ten. Anderswo war es dagegen Sitte, dass das Mädchen, sollte es den entsprechenden

Junggesellen verschmähen, auf den Maitanz zu verzichten hatte und sich auch sonst

kein anderer „öffentlich mit ihr zeigen (sollte), wenn ihm seine Hand lieb war“77. Die

unersteigerten Mädchen wurden als gesammelte Gruppe von „Rötzchen“ (rheinische

Mundart für „Überbleibsel“) an den „Rötzchenvaader“ versteigert, der nun die Aufgabe

hatte, für deren Wohl während des Maifestes zu sorgen. Da es durchaus als degradie-

rend angesehen wurde, dieser Gruppe anzugehören, wurden manche nach der Auktion

an andere Junggesellen, die währenddessen nicht anwesend sein konnten, abgegeben.78

Die Zeit, in der sich die Mädchen mit ihren Junggesellen in der Öffentlichkeit zeigen

mussten, war von regional unterschiedlicher Länge, in keinem Fall aber über ein Jahr

und zumeist nur bis zur Dicke-Bohne-Blüte, Heuernte, Weinlese oder manchmal sogar

74 Vgl. Schuberth 1995, S. 71. 75 Vgl. Korff 1984, S. 254 ff. 76 Vgl Ebd., S. 252. 77 Ossendorf 2006, S. 12. 78 Vgl. ebd., S. 16 ff., S. 31 ff.

23

nur für den Monat Mai79. Es handelte sich also um einen „Kontakt auf Zeit mit streng

ritualisierten Zwängen innerhalb der Dorföffentlichkeit, (was) sexuell motivierte Indivi-

dualhandlungen weitgehend“80 ausschloss.

Der Brauch des Mailehens wurde nicht überall und nicht zu jeder Zeit gleich durchge-

führt. Teilweise war sogar der Zeitpunkt ein anderer, so beispielsweise an Ostern oder

Fasnacht anstelle des Ersten Mai. Im 18. und 19. Jahrhundert gesellte sich die Tradition,

dem ersteigerten Mädchen einen Liebesmaien zu setzen, hinzu. Oft wurde dem kollektiv

nachgegangen, sodass die „ganze Junggesellenschaft (…) jede einzelne Heiratsfähige

des Dorfes in gemeinschaftlicher Aktion“81 mit einem geschmückten Baum oder auch

nur einem Zweig versorgte. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden viele Verbote gegen

diesen Maibrauch erlassen, um „nächtliche(m) Unfug“82 Einhalt zu gebieten.83 Dabei

bestand, wie bereits eingangs erwähnt, das Hauptaugenmerk dieses Brauches aus einer

„langfristige Sicherung von sozial legitimierten Geschlechtsbeziehungen“84, auch wenn

aus einem solchen Mailehen nicht zwangsläufig eine eheliche Verbindung entstehen

musste. Ossendorfs Ausführungen nach scheint der Tradition des Mailehens auch heute

noch vereinzelt nachgegangen zu werden.

Die Nacht vom 30. April auf den Ersten Mai war und ist gemeinhin bekannt als so

genannte Freinacht, in der gerade der unverheirateten Jugend besondere Rechte einge-

räumt wurden. Während dieser Nacht wird allerhand Unfug getrieben. So werden Ver-

bindungslinien aus Sägemehl oder Kalk zwischen den Häusern eines heimlichen Lie-

bespaares gestreut, Kamine abgedeckt oder offen stehende Gerätschaften versteckt oder

an absurde Plätze, wie beispielsweise auf das Dach des jeweiligen Besitzers, gestellt.85

Ein Brauch, der heute noch aktuell und weit verbreitet ist, ist der des Maibaumstehlens.

Was ursprünglich ebenso das Schlagen eines Baumes in einem fremden Waldgebiet

bedeuten konnte, besteht heutzutage einzig aus dem Stehlen eines bearbeiteten und

teilweise bereits aufgestellten Maibaumes86. Um dies zu verhindern, bedurfte es einer

achtsamen Bewachung durch die Dorfjugend. Karlheinz Ossendorf berichtet von einem

Ort namens Eitdorf, wo es hierfür klare Regeln gibt, die beispielsweise besagen, dass

der Baum nur gestohlen werden dürfe, wenn der Wachtrupp weggelockt wurde oder

eingeschlafen sei. Bei einer möglichen Entdeckung müsse die Aktion sofort abgebro-

79 Vgl. Korff 1984, S. 252. 80 Ebd., S. 252. 81 Ebd., S. 258. 82 Ebd., S. 255. 83 Vgl. ebd., S. 255. 84 Ebd., S. 257. 85 Vgl. Becher/Schmidt 1991, S. 10. 86 Vgl. Moser 1985, S. 233.

24

chen werden und es dürfe zu keinen Kampfhandlungen kommen87. Sollte es gelingen,

den Maibaum zu stehlen, war und ist es heute noch üblich, eine Auslöse, beispielsweise

in Form eines Fasses Bieres, zu verlangen und nach erfolgter Auslöse den Baum zu-

rückzubringen88. Hans Moser nimmt an, dass der Brauch des Maibaumstehlens in den

1920er Jahren aufgekommen sein muss, da in Fragebögen von 1909/10 keinerlei Be-

merkung darüber zu finden ist89. Diese Art von Mainachts-Aktivität erfreut sich heute

noch großer Beliebtheit. Auch die bayerische Radiostation Antenne Bayern stiehlt seit

einigen Jahren jeden Ersten Mai irgendwo in Bayern einen Maibaum, so zum Beispiel

2010 in Zeil am Main. Einem Zeitungsartikel nach wurde bei geglückter Auslöse neben

dem Maibaum auch eine „Tanz in den Mai“-Veranstaltung mit den Moderatoren von

Antenne Bayern versprochen90.

2.2 Die politische Maifeier in Deutschland

Ende des 19. Jahrhunderts kam ein weiterer, wichtiger Aspekt des Maifeiertages hinzu:

der politische Erste Mai. Zu dessen Ursprüngen zählt Horst Braun drei Thesen von

unterschiedlichen Fachleuten auf. Eric Foner, ein amerikanischer Historiker, meint, dass

diese Art des Ersten Mai aus den USA herstammt, während Déville und Giovanoli der

Ansicht sind, dass zwar das Datum aus den USA, die Idee an sich aber aus Frankreich

kommt. Schlussendlich vertritt Rossel die Auffassung, dass das „Bedürfnis nach einer

internationalen Manifestation im Herzen aller Revolutionäre verwurzelt“91 gewesenen

sein muss, bevor diese dann beschlossen wurde.92 So ganz scheint allerdings keine

dieser Theorien zu stimmen.

Die Presse, Historiker und die Arbeiterbewegung selbst haben oft versucht, den Ersten

Mai älter zu machen, als er ist. So schrieb die „Neue Zeit“, das theoretische Zentralor-

gan der deutschen Sozialdemokratie, dass „aus uralten, aber niemals völlig erloschenen

Empfindungen und Erinnerungen heraus die Wahl des proletarischen Festtags auf den

ersten Mai“93 gefallen sei. In anderen Berichten der Parteipresse wurde sogar bis in die

Antike zurückgegriffen, um, abgeleitet aus alten Frühlingsbräuchen, die Aktivitäten der

Arbeiterbewegung in eine „welt- und menschheitsgeschichtliche Sicht einzuordnen“94.

87 Vgl. Ossendorf 2006, S. 68. 88 Vgl. Wass-Frey 1984, S. 217 f. 89 Vgl. Moser 1985, S. 265. 90 Vgl. http://www.mainpost.de/regional/hassberge/Radiosender-klaut-den-Zeiler-Maibaum;art1726,5554228 (aufgerufen am 15.01.2012). 91 Verein zum Studium sozialer Bewegungen (Hg.): Hundert Jahre Erster Mai. Beiträge und Projekte zur Geschichte der Maifeiern in Deutschland. Ein Tagungsbericht. Berlin 1989, S. 11. 92 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 11. 93 Korff 1984, S. 246. 94 Ebd., S. 246.

25

Auch Ethnologen halfen, „kühne Kontinuitätsbasteleien“95 zur Geschichte des Ersten

Mai zu fabrizieren. Richard Weiß, der die Gedanken von damals in den 1940er Jahren

wieder aufgriff, ließ verlauten, dass „Gefühlsmomente, Gestaltungsformen und Brauch-

elemente der bäuerlichen Maifeier“96 sich im Arbeitermai wiederfinden, wobei er sich

weniger auf eine Kontinuität, sondern vielmehr auf eine „Wechselwirkung zwischen

volkstümlichem Frühlingsbrauch und Maifeier“97 stützte. Demgegenüber stehen Hans

Mosers durchaus nachvollziehbare Ausführungen mit der Kernaussage, dass die

Maibräuche, auf die sich diese Kontinuitätstheorien bezogen, nicht unbedingt dörflich-

agrarischen Hintergrund besaßen, sondern mitunter aus einem städtisch-zünftischen, ja

sogar höfisch-feudalen Umkreis hervorgingen. Nach Moser sind diese bäuerlichen

Maibräuche erst seit dem 15. Jahrhundert belegt, somit noch recht jung, und scheinen

zudem aus dem Bereich ständischer Organisationen importiert worden zu sein. Erst

durch die Romantik des 19. Jahrhunderts seien sie dem Bauerntum angedichtet wor-

den.98

Als gesichert kann gelten, dass der Erste Mai in Teilen Europas und den USA das Da-

tum für den traditionellen Gesindewechsel war, also der Tag, an dem neue Arbeitsver-

träge geschlossen wurden, womit meist ein Wohnungswechsel zusammenhing. Dies war

in den USA besser bekannt als Moving Day.99 Während des Moving Day, der beispiels-

weise in Wuppertal bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg praktiziert wurde, kam das

Elend, in dem Arbeiterfamilien meist leben mussten, zum Vorschein, was die liberal-

bürgerliche Presse regelmäßig dazu verwendete, zu massivem Wohnungsbau und ande-

ren sozialen Maßnahmen aufzurufen.100

Als die amerikanische Arbeiterbewegung für einen Acht-Stunden-Tag demonstrieren

wollte, wählte sie deshalb dafür den Ersten Mai als geeignetes Datum, da hier traditio-

nell Vertragsänderungen vorgenommen wurden101. Anfang Mai 1886 fanden sich etwa

40.000 Menschen in Chicago für einen Generalstreik ein, bei dem es am dritten Mai zu

Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, welche den Tod von sechs Demonstranten

verursachten. Bei einer Protestkundgebung am darauffolgenden Tag wurde am Hay-

market Square eine Bombe gezündet, woraufhin Straßenschlachten ausbrachen. Das

Resultat waren elf Tote und hunderte Verletzte. Zudem wurden die Veranstalter der

Demonstration zum Tode verurteilt, vier dieser Urteile wurden per Strick vollzogen. Die

American Federation of Labor plante für den Ersten Mai 1890 einen neuen Versuch und 95 Korff 1984, S. 246. 96 Ebd., S. 248. 97 Ders.1979, S. 88. 98 Vgl. ders. 1984, S. 249. 99 Vgl. ders. 1979, S. 88. 100 Vgl. ders. 1984, S.274. 101 Vgl. ders. 1979, S. 88.

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wandte sich deshalb an die europäische Arbeiterbewegung. Diese beschloss beim Grün-

dungskongress der Zweiten Internationalen am 14. Juli 1889 in Paris, dass im folgenden

Jahr weltweit für die Rechte der Arbeiter demonstriert werden sollte.102

Es ging hierbei nicht nur um die Durchsetzung eines Acht-Stunden-Tags, sondern auch

darum, dass die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren, sowie die Nachtarbeit, bis

auf die Industriezweige, in denen der Betrieb auch nachts fortgeführt werden musste,

abgeschafft werden sollten. Darüber hinaus beinhalteten die Forderungen, Frauenarbeit

in den Bereichen, die „besonders schädlich (für den) Organismus der Frau“103 waren, zu

untersagen und auch gleiche Löhne für Männer und Frauen einzuführen.104

Der dritte Absatz der Kundgebung vom 14. Juli 1889 wurde auf Anraten Liebknechts

und Bebels hinzugefügt und besagt, dass jedes Land selbst über die Art und Weise, wie

es den proletarischen Ersten Mai begehen will, entscheiden soll. Dies hatte den Hinter-

grund, dass zu dem Zeitpunkt des Kongresses in Deutschland noch immer das Sozialis-

tengesetz existierte, welches die meisten Aktivitäten der Sozialdemokratie bis auf ein

Minimum verbot, und es so nicht möglich war, weltweit einheitliche Formen für den

Arbeitermai festzulegen. Letzterer wurde also einmalig für den Ersten Mai 1890 geplant

und sollte international gleichzeitig stattfinden, wobei das Abhalten eines Generalstreiks

von vornherein ausgeschlossen wurde. In Deutschland wurden am Ersten Mai 1890

Petitionsformulare mit den Pariser Forderungen gedruckt und sowohl an die Presse, als

auch den Reichstag weitergeleitet, sowie Unterschriften für die Petition gesammelt.105

Entgegen den in Paris getroffenen Beschlüssen sprach der Sozialdemokrat, eine illegale

Zeitung der deutschen Sozialdemokratie, bereits am 26.04.1890 vom Ersten Mai als

einem „Festtag der Arbeiter“, der „von Jahr zu Jahr bessere Früchte tragen“ würde106.

Tatsächlich wurde von da an jährlich der Erste Mai auch als Tag der Arbeiterbewegung

durch diese begangen.

Obwohl das Sozialistengesetz zum 01.10.1890 auslief, blieben den Unternehmern zahl-

reiche Druckmittel, um ihre Arbeitskräfte von der Teilnahme an den Maifeiern abzuhal-

ten. Neben der Konsequenz des Aussperrens oder schlichtweg der Entlassung führten

sie mitunter „schwarze Listen“, durch die Betriebsleiter sich gegenseitig mitteilen konn-

ten, wer sich nicht gefügig verhielt. Auch stellte der Eintrag „Entlassen am zweiten

102 Vgl. Pichler, Heinz Stefan (Hg.): 1. Mai – 120 Jahre 1. Mai in Kärnten. Ausstellung zum Kampftag der Arbeiterschaft. Ausstellungskatalog. Klagenfurt 2010, S. 4. 103 Becher/Schmidt 1991, S. 19. 104 Vgl. ebd., S. 19. 105 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 12 ff. 106 Ebd., S. 15.

27

Mai“ im Arbeitsbuch des Angestellten eine Warnung an nächste potentielle Arbeitgeber

dar, was es für den Arbeiter schwierig machte, überhaupt wieder Arbeit zu finden.107

Die bürgerliche Presse schürte noch vor der ersten proletarischen Maiveranstaltung die

Ängste vor gewalttätigen Eskalationen. Heinz Stefan Pichler schreibt, dass der Erste

Mai 1890 in Wien „von einer Atmosphäre geprägt (war), die an bürgerkriegsähnliche

Zustände erinnerte“108. Aufgrund von „Horror-Szenarien“109, die von den Zeitungen

verbreitet wurden, tätigte die restliche Bevölkerung Hamster-Einkäufe und leerte sogar

ihre Bankkonten. Entgegen der schlimmsten Befürchtungen verlief der Erste Mai aber

überaus friedlich und diszipliniert von Seiten der Arbeiterbewegung. 110 Drastische

Aktionen wie eine allgemeine Arbeitsniederlegung waren auch von den meisten Arbei-

tern unerwünscht, vor allem deshalb, weil sie befürchteten, ihre Anstellung aufgrund

der ungünstigen ökonomischen Lage dieser Zeit umso leichter verlieren zu können. So

wurde beim internationalen Brüsseler Kongress im Jahr 1891 beschlossen, dass eine

Arbeitsruhe nur dort abgehalten werden solle, wo sie „ohne Schädigung der Arbeiterin-

teressen“111 möglich war. Vor allem die Gewerkschaften wollten ihre Ziele bevorzugt

über das Parlament erreichen und sahen dieses Vorhaben durch einen Streik gefähr-

det.112

Wilhelm Liebknecht wies 1893 bei einem SPD-Parteitag darauf hin, dass in Paris in

keiner Weise von der Niederlegung der Arbeit die Rede gewesen sei. Dieses Missver-

ständnis rühre von der Tatsache her, dass das deutsche Wort „feiern“ oder „Feier“ eine

doppelte Bedeutung habe, weswegen in Deutschland rasch Rufe nach einem „Feier-

tag“ im Sinne eines freien Tages laut wurden. Besagte Forderung fassten viele Unter-

nehmer und auch der Staat als Provokation, ja sogar als offene Kampfansage auf, die

mitunter als Revolutions- und Umsturzversuch gedeutet wurde und die Gründung von

Arbeitgeberverbänden und die Mobilisierung des Militärs am Ersten Mai zur Folge

hatte.113 Hier darf nicht vergessen werden, dass es nicht einmal solch drastischer Mittel

wie dem Streik bedurfte, um als Arbeitnehmer in Schwierigkeiten zu geraten. „Selbst

die in der bürgerlichen Presse belächelten Waldspaziergänge, Kaffeekränzchen und

Liederfeste“ hatten, so Korff, „klassenkämpferische Kontur“114, für die ein Arbeiter

seine Stelle verlieren konnte. Hierbei ging es um die Erschaffung einer „Alternativkul-

107 Vgl. Achten, Udo (Hg.): Zum Lichte empor. Mai-Festzeitungen der Sozialdemokratie 1891-1914. Berlin/Bonn 1980, S. 20. 108 Pichler 2010, S. 5. 109 Ebd., S. 5. 110 Vgl. ebd., S. 5 f. 111 Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 22. 112 Vgl. ebd., S. 17 ff. 113 Vgl. Achten 1980, S. 11. 114 Korff 1979, S. 89.

28

tur“115, um so kulturellen Bedürfnissen nachzugehen und „wenigstens an einem Tag im

Jahre (…) Herr über (die eigene) Arbeitskraft (zu) sein“116, wie ein Berliner Delegierter

1903 auf dem Dresdener Parteitag verlauten ließ. Zu dem Kampf um den Acht-Stunden-

Tag gehörte also zugleich der Kampf um einen „Möglichkeitsraum für Kultur, Bildung,

Selbstverwirklichung“117, der einen Gegenpol zum grauen Fabrikalltag schaffen sollte.

Dies erklärt auch die, wie Korff sie nennt, naturnahen Rituale, wie die bereits erwähnten

Waldspaziergänge, Ausflugsfahrten und die Treffen in Gartenwirtschaften, die am

Ersten Mai oft unternommen wurden.118 Der Arbeiterbewegung war es hierbei wichtig,

dass ihre Veranstaltungen unter dem Banner der „kulturellen Desintegration“119 standen.

Ziel war, eigene Kulturformen zu entwickeln, anstatt andere zu imitieren, wofür sich der

Erste Mai als jährlich neu erfundener, selbst geschaffener „Gegenfeiertag(s) zum bür-

gerlichen und kirchlichen Festtagsprogramm der Kaiserzeit“120 anbot.

Im Zuge der Revolution von 1918/19 und der Ausrufung der Weimarer Republik war es

möglich, dass Vertreter der Arbeiterbewegung Regierungsfunktionen übernehmen und

den Ersten Mai zum gesetzlichen Feiertag erklären konnten. Allerdings setzte sich

dieser nicht durch und wurde teilweise nur auf Länderebene gesetzlich anerkannt, zu-

dem meist um 1924 wieder abgeschafft. Gründe hierfür waren, dass er nicht für die

gesamte Bevölkerung einen Feiertag darstellte und neben wirtschaftlichen Verlusten,

die sich Deutschland in diesen Jahren kaum leisten konnte, auch eine ungerechte wirt-

schaftliche Konkurrenz zwischen den einzelnen Bundesländern mit sich brachte, da der

Tag ja nicht überall arbeitsfrei war.121 Erschwerend kam hinzu, dass durch den Ersten

Weltkrieg die deutsche Arbeiterbewegung auseinandergerissen war, da sich die SPD für

die Nation und somit gegen weitere Maikundgebungen und Lohnforderungen gestellt

hatte, während die Anhänger des Spartakusbundes, der späteren KPD, gegen den Krieg

eintraten und seit 1916 auch wieder zu Streiks und Maidemonstrationen aufrief. Resul-

tat dieser Spaltung war, dass in den darauffolgenden Jahren die Kommunisten den

Kampfescharakter des Ersten Mai, die Sozialdemokraten dagegen den Festtag beton-

ten.122

Den traurigen Höhepunkt der inneren Auseinandersetzungen bildete der so genannte

Blutmai von 1929. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland dieser Zeit war mehr als

115 Korff 1979, S. 90. 116 Ebd., S. 97: ”wenigstens an einem Tag im Jahre der Arbeiter Herr über seine Arbeitskraft sein soll”. 117 Ders. 1984, S. 89. 118 Vgl. ebd., S. 89 f. 119 Ders. 1979, S. 97. 120 Ebd., S. 97. 121 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 24 ff. 122 Vgl. DGB-Region Bamberg Forchheim: Die Entstehung des Weltfeiertags der Arbeit. Warum ist der Erste Mai ein Feiertag? Bamberg [o.A.], S. 5.

29

schwierig, im Winter 1928/29 waren über drei Millionen Menschen ohne Arbeit. So

kam es im Zuge der Maidemonstration am 03. Mai 1929 in Berlin zu Unruhen und

blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten, die trotz Verbot demonstrieren

wollten, und Sozialdemokraten, die den Staatsapparat bildeten. Bei diesen Kämpfen, die

vor allem in Arbeitervierteln wie Wedding und Neukölln ausgetragen wurden, fanden

insgesamt 32 Menschen den Tod, die meisten Opfer waren Unbeteiligte. Über den

genauen Ablauf der Ereignisse existieren widersprüchliche, verzerrte Berichte in den

Polizeiakten und Zeitungen. Als Folge des Blutmais wurde der Rotfrontkämpferbund,

ein kommunistischer Wehrverband, aufgelöst, während die SA und andere Rechtsver-

bände bestehen blieben. Dass sich die Kluft zwischen Kommunisten und Sozialdemo-

kraten durch diese Vorfälle noch vergrößert hatte, konnte nur den Nationalsozialisten in

die Hände spielen, die bereits einige Tage später die ersten großen Wahlsiege davon

trugen.123

Als Adolf Hitler Ende Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, waren seine

ersten Handlungen unter anderem ein Demonstrationsverbot zu erlassen, sowie die

Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit aufzuheben. Im April 1933 rief der Allge-

meine Deutsche Gewerkschaftsbund dazu auf, an der nationalsozialistischen Maifeier

teilzunehmen.124 Der „Tag der nationalen Arbeit“ stellte „sowohl einen Bruch, als auch

eine Fortführung“125 der Maifeier dar, da zwar einerseits der Arbeiter durch die natio-

nalsozialistische Maifeier in das NS-System integriert werden sollte, aber andererseits

versucht wurde, die Tradition, die diesem Tag anhaftete, zu zerstören. Ersichtlich wird

diese Entwicklung auch an der Wiederverwendung einiger Symbole der Arbeiterbewe-

gung, wie beispielsweise des Hammers und der Sichel, welche für die Industrie-, bezie-

hungsweise Landarbeiter stehen. Diese beiden Symbole wurden auf der offiziellen

Maiplakette von 1934 mit dem Kopf Goethes, der die Geistesarbeiter vertreten sollte,

sowie dem Reichsadler samt Hakenkreuz ergänzt, was einer klaren Umdeutung der

klassischen Symbolik gleichkommt126. Am 28. Februar 1934 erhielt der „Tag der natio-

nalen Arbeit“ eine neue Bezeichnung und mit ihr eine neue Bedeutung. Fortan lautete er

„Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“, was jegliche Verbindung zur Arbeiterbe-

wegung negierte und darüber hinaus den nationalen, nicht internationalen Aspekt des

Feiertages betonte127.

123 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 43. 124 Vgl. Schweizer, Karl: 100 Jahre Erster Mai in Lindau. Lindau 1990, S. 45. 125 Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 96. 126 Rucht, Dieter (Hg.): Berlin, 1. Mai 2002. Politische Demonstrationsrituale. Opladen 2003, S. 105. 127 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 27.

30

Damit hängt auch das Zurückgreifen auf den Maibaum als „Heilszeichen des Vol-

kes“ und „kultischer Mittelpunkt des gesamten Volksbundes“128 zusammen, was sich

darin zeigt, dass Hitler 1934 den bis dahin größten Maibaum der Welt in Berlin ein-

weihte und in den folgenden Jahren eine regelrechte Maibaum-Inflation in ganz

Deutschland auftrat 129 . Die Nationalsozialisten formten den Ersten Mai zu einem

deutsch-nationalen Großereignis um, dessen Herzstück, der Sternenmarsch durch Berlin

zum Tempelhofer Feld, wo Hitler abends eine Rede hielt, bereits 1933 zum ersten Mal

durch den Rundfunk deutschlandweit ausgestrahlt wurde. Hakenkreuzfahnen und uni-

formierte Marschkolonnen beherrschten die Straßen, wobei der Erste Mai auch als Tag

für die ganze Familie deklariert wurde. Wie bereits erwähnt, wurde vielerorts ein Mai-

baum aufgestellt, Trachten der verschiedenen Regionen Deutschlands getragen und

abends ein großes Feuerwerk abgehalten. 1934 kam ein großer, folkloristischer Umzug

zum Repertoire der nationalsozialistischen Maifeier hinzu, der mit Maiengrün und weiß

gekleideten Mädchen mit Blumenkränzen im Haar einen Bezug zur erwachenden Natur

herstellte.130 Der proletarisch-sozialistische Hintergrund war mit der Machtübernahme

der Nationalsozialisten aus dem Festgeschehen folglich verschwunden.

Während des Zweiten Weltkrieges fanden die Maifeiern zunächst in Sälen statt, bevor

sie schließlich 1943 vorerst ganz eingestellt wurden131. Bereits am Ersten Mai 1945

gaben kommunistische Gruppierungen in Berlin eine Zeitung namens „Der rote Os-

ten“ heraus und hielten vereinzelt kleinere Maifeiern ab, bei denen sie zur Einheit der

deutschen Arbeiterklasse und der Zusammenarbeit aller antifaschistischen Kräfte aufrie-

fen. Die meisten Bewohner Berlins aber versanken in ihrer Not und hatten in den letzten

Tagen des Krieges anderes im Sinn, als an einer Maifeier teilzunehmen.132

Die Maidemonstrationen der BRD und der DDR waren, wie Korff passend ausdrückt,

geprägt von einem „Eiertanz zwischen Symbolabstinenz und Symbolhypertrophie“, von

„offizielle(r) Staatsliturgie dort, versickernde(m) proletarische(n) Traditionalismus

hier“133. Während in der DDR ein „aufwändig arrangierter Staatsfeiertag“134 inszeniert

wurde, der allerdings schon bald erstarrt und routiniert wirkte, kam es in Westberlin zu

antikommunistischen Kundgebungen, die bis Mitte der 1960er Jahre mit bis zu einer

halben Millionen Teilnehmer vor dem Reichstag gut besucht waren. Allerdings zeichne-

ten sich schon bald rückläufige Teilnehmerzahlen ab, was die IG Metall 1959 dazu

bewegte, zu hinterfragen, ob die Maifeiern denn noch zeitgemäß seien, zumal die Kern- 128 Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 98. 129 Vgl. Moser 1985, S. 249. 130 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 61ff. 131 Vgl. ebd., S. 58. 132 Vgl. ebd., S. 80 ff. 133 Ebd., S. 99. 134 Ebd., S. 99.

31

forderung nach dem Acht-Stunden-Tag doch bereits erreicht sei. Durch die aufkom-

mende Studentenbewegung der 1960er Jahre wurde der Maitag jedoch zeitweilig wie-

derbelebt.135

Die Ausbildung des proletarischen Ersten Mai hing, wie gezeigt wurde, in gewisser

Weise mit den überlieferten Frühjahrsbräuchen zusammen, hatte sich aber zu einer

völlig selbständigen Art der Feierlichkeit entwickelt. Eine Gemeinsamkeit blieb, näm-

lich dass die Maifeiern nie in „kirchlich-religiöse Bezüge eingebunden“136 waren, abge-

sehen von dem Versuch Papst Pius’ XII. im Jahre 1955, diesen Tag zum Gedenktag

„Josephs, des Arbeiters“ zu erklären. Obwohl dies weitgehend ohne größere Effekte

blieb, hatte es doch zur Folge, dass eine allgemeine Aufwertung des Heiligen Joseph

stattfand, sodass er beispielsweise zum Patron der neu gegründeten katholischen Arbei-

ter- und Gesellenvereine, sowie zum Landespatron von vier österreichischen Bundes-

ländern ernannt wurde137. Eine Beeinflussung des allgemeinen Begehens des Maitages

hatte dies aber nicht zur Folge. Durch das „Fehlen zentraldirigistischer Mechanis-

men“138, die kirchliche Feiertage oft formen, konnte der Erste Mai im Laufe seiner

Geschichte immer wieder umgedeutet und neu ausgestaltet werden. Neben dörflichen

Traditionen und dem Arbeitermai entwickelte auch das Bürgertum im 19. Jahrhundert

eigene Maitagsbräuche, wie zum Beispiel den Pratergang, also einem Maispaziergang,

in Wien.139

Heute sind die Maifeiern in Deutschland, aber auch in Österreich von vergleichsweise

geringen Teilnehmerzahlen geprägt. Von der Schweiz schreibt Paul Hugger, dass auf-

grund des „soziale(n) Friede(ns) und allgemeine(n) Wohlstand(s), den die Schweiz seit

Jahrzehnten kennt“140, ein regelrechtes Desinteresse an der politischen Maifeier herr-

sche, was anhand der dürftigen Teilnehmerzahlen und des Raumes, den diese Aktivitä-

ten in der Presse einnehmen, abzulesen sei. Ähnliches dürfte den Teilnehmerschwund

bei den Maifeiern in Deutschland verursachen, wobei sowohl von dort, als auch von der

Schweiz und Österreich beschrieben wird, dass es vor allem ausländische Gruppierun-

gen sind, die die Kundgebungen und Umzüge am Ersten Mai beleben und ihnen neuen

135 Vgl. Hundert Jahre Erster Mai 1989, S. 99 f. 136 Korff 1984, S. 250. 137 Vgl. Schindler Margot: Der andere 1. Mai. Der sozialdemokratische Tag der Arbeit und die Formie-rung anderer Maifesttraditionen. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Wien 2010, S. 274. 138 Korff 1984, S. 250. 139 Vgl. ebd., S. 250. 140Kaschuba, Wolfgang/Korff, Gottfried/Bernd, Jürgen (Hg.): Arbeiterkultur seit 1945 – Ende oder Veränderung? 5. Tagung der Kommission „Arbeiterkultur“ in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde vom 30. April bis zum 4. Mai 1989 in Tübingen. Tübingen 1991, S. 301.

32

Sinn geben. Für diese stellen die Maifeiern oft das „einzige medien- und publikums-

wirksame Mittel“141 dar, um ihre Forderungen und Anliegen zu artikulieren. So weisen

sie beispielsweise hier auf die Missachtung der Menschenrechte in ihrer Heimat hin und

appellieren an Solidarität142

Während die gewöhnliche Maifeier meist nur wenig Medienecho hervorruft, erntet der

„Revolutionäre Erste Mai“ in Berlin Kreuzberg regelmäßig umso mehr Aufmerksamkeit.

Die Ursprünge dieser speziellen Aktivität zum Ersten Mai liegen im Jahr 1987, als es

zwischen der Polizei und zahlreichen Anwohnern zu „unerwartete(n) Ausschreitungen

in Kreuzberg“143 kam. Als 1987 die Hausbesetzerbewegung in Westberlin zerfiel, über-

lebte die Autonome als eigene, politische Richtung, die allerdings aus vielen kleineren

Gruppierungen ohne Gruppendynamik bestand. Da damals in Kreuzberg unter den

Jugendlichen eine hohe Arbeitslosenquote herrschte, „explodierte dieses Gemisch aus

Frustration, Wut und Armut im Kiez-Aufstand von 1987“144. Hintergrund war eine

Razzia in einem Volkszählungsboykott-Büro am Vortag und eine durch die Polizei

verhinderte, spontane Demonstration gegen diese Razzia. Während der darauf erfolgten

Ausschreitungen kam es zu Straßenschlachten mit der Polizei und großflächigen Sach-

beschädigungen, an denen Anwohner aller Altersgruppen beteiligt waren.145 Im darauf-

folgenden Jahr wurden unter dem Motto „Heraus zum Revolutionären Ersten

Mai“ geschätzte 8000 Menschen für eine Demonstration mobilisiert. Bis auf kleinere

Auseinandersetzungen am Heinrichsplatz verliefen die Kundgebung und auch das Kiez-

Fest am Lausitzer Platz 1988 friedlich. Laut dem Pseudonym Geronimo, dem Verfasser

von „Glut & Asche. Reflexionen zur Politik der autonomen Bewegung“146, unternah-

men die Polizei und Spezialkräfte eine regelrechte „Strafexpedition“147 gegen die Teil-

nehmer, die oft lediglich Besucher des Kiez-Festes waren, und übten durch Gewaltan-

wendung Rache für die Ereignisse des Vorjahres. Dies hatte Krawalle mit einer Beteili-

gung von etwa 300 bis 400 Menschen zur Folge, von denen es sich bei einem Großteil

um Jugendliche und Auswärtige handelte. Von da an nahm der Revolutionäre Erste Mai

jährlich einen ähnlichen Verlauf, der aus einer Demonstration, einem anschließenden

Fest und danach erfolgenden Ausschreitungen besteht.148

141 Kaschuba 1991, S. 301. 142 Vgl. ebd., S. 294 ff. 143 Rucht 2003, S. 25. 144 Ebd., S. 57. 145 Vgl. ebd., S. 57 f. 146 Geronimo: Glut & Asche. Reflexionen zur Politik der autonomen Bewegung. Unrast, Münster 1997. Dieses Buch wurde nicht für die vorliegende Arbeit verwendet. 147 Rucht 2003, S. 59. 148 Vgl. ebd., S. 59 f.

33

In Folge innerer Konflikte zwischen dem undogmatischen, autonomen Spektrum und

marxistisch-leninistischen Linksradikalen wurde 1996 erstmals zwei Demonstrationen

zum Revolutionären Ersten Mai organisiert. Im Jahr 2001 erfolgte ein Gründungsaufruf

eines Personenbündnisses für einen politischen Ersten Mai ohne Polizeianwesenheit,

das stattdessen zahlreiche politische und kulturelle Veranstaltungen im Bezirk Kreuz-

berg abhalten, sowie zu Diskussionen innerhalb der linken Bewegung anregen wollte.

Die meisten linken Gruppierungen sahen das Personenbündnis jedoch als „bürgerliches

und reformistisches Staatsinterventions- (oder) Befriedigungsprojekt“149 an und so war

die Antifaschistische Aktion Berlin, kurz AAB, die einzige, die regelmäßig an den

stattfindenden Treffen teilnahm. Die AAB wurde deshalb von den anderen linken

Gruppierungen als Verräterin angesehen, weswegen letztere unter den Namen „Auto-

nomes und Linksradikales 1. Mai Bündnis“ zu einer dritten Revolutionären Ersten

Maidemonstration aufriefen, die seitdem um 16 Uhr stattfindet. Gemäß den teilnehmen-

den Beobachtungen von 2002 gab es um dreizehn Uhr zudem eine Kundgebung des

Ersten-Mai-Bündnisses, was die Revolutionären Kommunisten, die marxistisch-

leninistischen Linksradikalen, sowie die maoistischen Kleingruppen mit einschloss.

Daneben wurde um 18 Uhr die traditionelle Demonstration zum Revolutionären Ersten

Mai von der AAB und der FelS (Für eine linke Strömung) abgehalten. Jede dieser

Kundgebungen bestand im Jahr 2002 aus etwa 1000 Teilnehmern und verlief soweit

friedlich. Erst nach Ende der letzten Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen

mit der Polizei und Sachbeschädigungen.150

Die gewerkschaftliche Maidemonstration in Berlin hatte ihren Höhepunkt an Teilneh-

merzahlen in den 1960er Jahren, heute sind es in der Regel gut 10.000 Personen, die

jährlich zu einer durchorganisierten Kundgebung zusammen kommen. Hier findet sich

ein „Nebeneinander von gewerkschaftlichen und linksradikalen Demonstranten“ 151 ,

wobei die verschiedenen linken Gruppen einander nicht in die Quere geraten. Offenbar

wird hier „Toleranz bis hin zu einem postmodernen >anything goes<“152 geübt. Wäh-

rend zu Beginn des 20. Jahrhunderts der gesellige Part in der Regel räumlich und zeit-

lich von den politischen Kundgebungen getrennt war, finden sich heute Essensstände,

Biertische und andere kommerzielle Buden in direkter Nähe der Rednertribüne. Dies hat

zur Folge, dass viele Teilnehmer dazu neigen, dem eigentlichen Hauptakt, also den

politischen Reden, weniger Aufmerksamkeit zu schenken als dem fröhlichen Miteinan-

149 Rucht 2003, S. 62. 150 Vgl. ebd., S. 62 ff. 151 Ebd., S. 46. 152 Ebd., S. 47.

34

der. Hier scheint also eine Entwicklung zu ungunsten der Politik, hin zu einem „mit

politischen Elementen durchsetzten Jahrmarkt“153 stattzufinden.

Seit 1996 existiert eine weitere Kundgebung, die, wie auch der Revolutionäre Erste Mai,

regelmäßig die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht, nämlich die der NPD. Da-

mals erfolgte unter Leitung des neu gewählten NPD-Vorsitzenden Udo Voigt eine

„Neuorientierung an drei Fronten“, die sich in die Schlacht um die Köpfe (Stichwort:

Programmatik), die Schlacht um die Wähler (Stichwort: Wahlteilnahme) und die

Schlacht um die Straße (Stichwort: Massenmobilisierung) aufteilte. Als Folge daraus

ging die NPD vermehrt auf die Straße, so auch 1996 in Berlin-Marzahn, vertreten durch

die NPD-Jugendorganisation Junge Nationale. Der Ursprung dieser Mai-Demonstration

liegt, wie zu erwarten ist, nicht im Jahr 1889, sondern 1933, als Hitler den Tag zum

„Feiertag der nationalen Arbeit“ erklärte. 2002 demonstrierte die NPD im Berliner

Stadtteil Hohenschönhausen mit etwa 500 bis 550, später circa 750 Teilnehmern, die

während der gesamten Dauer der Kundgebung zu ihrem eigenen Schutz vor Gegende-

monstranten von 1.900 Polizisten eingekesselt waren.

In einem Telefonat mit dem Stab des Präsidenten der Polizei Berlin wurde mir mitge-

teilt, dass die Aktivitäten am Ersten Mai in Berlin heute noch vielgestaltig sind. Neben

der Kundgebung der Gewerkschaften am Vormittag existiert weiterhin der Revolutionä-

re Erste Mai um 18 Uhr, der zeitweise nicht nur in Kreuzberg, sondern auch im Bezirk

Prenzlauer Berg stattgefunden hat. Teilweise gäbe es daneben auch noch Kundgebun-

gen von Links oder Rechts, die aber nicht jedes Jahr stattfänden. Seit 2003 wird ein

Maifest in Kreuzberg organisiert, das multikulturell ausgerichtet ist und die Probleme

des Kiez thematisiert, also ebenfalls politisch geprägt ist.

Nach Aussagen des Polizeisprechers haben die Teilnehmerzahlen der gewerkschaftli-

chen Kundgebung auch in den letzten Jahren weiterhin abgenommen, wohingegen die

Größe des Maifestes und des Revolutionären Ersten Mai stabil geblieben ist. Was

glücklicherweise weniger wurde, sind die Sach- und Personenschäden am Revolutionä-

ren Ersten Mai. Während der eigentlichen Versammlung fänden demnach kaum Aus-

schreitungen statt und auch danach sei die Zahl der durch Randale verursachten Schä-

den seit 2000 deutlich zurückgegangen154.

Gerade in Anbetracht der steten Teilnehmerzahlen beim Maifest in Kreuzberg lässt sich

vermuten, dass es nicht zwangsläufig an einer Bereitschaft, politisch aktiv zu werden,

153 Rucht 2003, S. 50. 154 Abteilung „PPR Stab 11“, Telefonat durchgeführt am 19.01.2012.

35

mangelt, sondern es zumindest die Bewohner von Kreuzberg vorziehen, lokal etwas zu

bewegen, als bei den großen, althergebrachten Demonstrationen mitzulaufen.

2.3 Zwischenbilanz

Der genaue Zeitpunkt, wann das Maifest in Deutschland zum ersten Mal gefeiert wurde,

lässt sich nicht genau feststellen, auch wenn verschiedentlich auf altgermanische, ja

mitunter sogar antike Frühlingsbräuche verwiesen wurde. Was sich dagegen durch

Urkunden, Rechnungsbücher und bildliche Darstellungen tatsächlich zeitlich bestimmen

lässt, sind die diversen Maibräuche wie der des Maigrafenfestes und des Mailehens,

wobei die Ursprünge des Maibaumaufstellens nur zu erahnen sind.

Diese Bräuche dienten unterschiedlichen Zwecken. Der gewählte Maigraf steht wohl in

Verbindung mit mittelalterlichen Heerschauen und Mairitten, denen sich gewöhnlich

große Festlichkeiten anschlossen. Diese zu finanzieren hatte der Maigraf zur Aufgabe.

Die in dem Zusammenhang abgehaltenen Kämpfe zwischen Winter und Sommer, be-

ziehungsweise auch symbolhaften Frühlingseinzügen, finden mitunter heute noch statt.

Das Maibaumaufstellen konnte unterschiedliche Ursachen haben, wobei vor allem der

Ortsmaibaum und der Liebesmaibaum zu nennen sind. Letztere fanden auch beim rhei-

nischen Mailehen Verwendung, im Zuge dessen die ledigen Mädchen eines Ortes als

Tanzpartner auf Zeit unter den Junggesellen versteigert wurden.

Den Tag des Gesindewechsels, der stets am Ersten Mai vollzogen wurde und bei dem

aufgrund neuer Arbeitsverträge meist auch in andere Wohnungen gezogen werden

mussten, nahm die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts zum Anlass, an diesem

Datum für ihre Rechte zu demonstrieren. Obwohl es ursprünglich nur einmalig geplant

war, entwickelte sich dies zu einer beinahe ununterbrochenen jährlichen Tradition, die

allerdings in den letzten Jahrzehnten immer weniger genutzt wurde.

Daraus erfolgt eine thematische Aufteilung der Aktivitäten am Ersten Mai in „Volks-

bräuche“ und politischen Kundgebungen; eine Aufteilung, die Ende des 19. Jahrhun-

derts ihren Anfang nahm und bis zum heutigen Tage anhält.

36

3 Valborg und Vappu – Der Erste Mai in Finnland

Dieses Kapitel ist das Kernstück der vorliegenden Arbeit. Hier wird der Erste Mai, wie

er in Finnland begangen wird, beschrieben. Nach einem historischen Überblick, bei dem

ländliche und städtische Bräuche vorgestellt werden, folgt die Auswertung der von mir

durchgeführten Interviews. Mit Hilfe derer soll die Bedeutung Vappus herausgestellt

werden; es wird gezeigt, wie die Befragten den Tag in ihrer Kindheit feierten und wie

sie es heute tun, welche Elemente dabei besonders wichtig sind und welche keinerlei

Bedeutung besitzen. Zusammen mit der von mir durchgeführten teilnehmenden Beo-

bachtung im Jahre 2011 wird der genaue Ablauf eines Vappus dargestellt, bevor als

Abschluss vereinzelte Brauchelemente herausgegriffen und genauer erläutert werden.

3.1 Geschichte des Ersten Mai in Finnland

Wann genau die Feiern zum Ersten Mai erstmals stattfanden, lässt sich für Finnland

ebenso wenig sagen wie für Deutschland, obwohl einem Artikel in der Zeitung Öster-

bottningen zufolge das erste Walpurgisfest für Finnland 1344 bezeugt sein soll155. Mit

Sicherheit aber hat es wohl schon lange Feste zum Frühlingsanfang gegeben, jedoch

dürften diese nicht zeitlich festgelegt gewesen sein. Vielmehr scheint es plausibel, dass

sich deren Begehen, wie auch in Deutschland, von Region zu Region unterschied, je

nachdem, wo der Frühling zuerst sichtbar wurde. In den Gegenden, wo die Frühjahrsar-

beit aufgrund klimatischer Bedingungen bereits früh abgeschlossen war, legte die Be-

völkerung den „wichtigsten Fest- und Merktag des Sommerhalbjahres auf den Ersten

Mai“156, wohingegen dort, wo der Frühling länger auf sich warten ließ und die Arbeit

des Felderbestellens demnach später zu Ende ging, hierfür der „nächstliegende(n) kirch-

liche(n) Feiertag, de(r) Tag Johannis des Täufers“157 gewählt wurde. Wie das Begehen

dieses Tages aussehen konnte, wird in Kapitel 3.1.1.2 erläutert.

Die Bezeichnungen Valborg (Schwedisch) oder Vappu (Finnisch) gehen auf die Heilige

Walpurgis zurück, deren Geschichte bereits in Kapitel 2.1 erläutert wurde. Finnland, das

wohl im 11. Jahrhundert mit dem Christentum in Berührung kam, wurde durch Kreuz-

züge ins schwedische Reich eingegliedert und um 1239, sowie 1295 zu einem Uppsala

unterstehenden Suffraganbistum. Aus der Zeit vor der Reformation Finnlands im Jahre

1593 existieren einige Urkunden, in denen der Tag der Heiligen Walpurgis zur Urkun-

dendatierung herangezogen wurde.158

155 Vgl. Österbottningen, 28.04.1992. 156 Fossenius, Mai: Majgren Majträd Majstång. En etnologisk – kulturhistorisk studie. Lund 1951, S. 332. 157 Ebd., S. 332. 158 Holzbauer 1972, S. 68 f.

37

Darüber hinaus fanden im Mittelalter an diesem Tag die Neuwahlen der Gildenvorste-

her, sowie des Verwaltungsrates einer Stadt statt159. Laut Mai Fossenius sollen hier auch

Musterungen und Übungen der „waffenfähigen Mannschaften“160 abgehalten worden

sein, in deren Zusammenhang er auch das Maigrafenfest sieht.161 Zum Anlass dieses

innerhalb Europas weit verbreiteten Festes wurde der Kampf zwischen Winter und

Sommer symbolisch ausgetragen, was, wie in Kapitel 2.1 bereits aufgezeigt, auch Teil

der deutschen Maifesttradition war. Ein erwählter Maigraf trat gegen den „zottigen

Winter“162 in einer Art Turnier an und trug selbstverständlich den Sieg davon. Ein

Beleg hierfür ist eine Urkunde, die besagt, dass in Turku im Jahre 1557 Herzog Juhana

zum Maigraf erwählt wurde; der conflictus veris et hiemis wird wahrscheinlich in der

Nähe der Burg von Turku stattgefunden haben.163 Der Posten des Maigrafen muss auch

in Finnland mit einer großen finanziellen Belastung verbunden gewesen sein, da sich

nach den in niederdeutschen und südskandinavischen Städten stattfindenden Mairitten

zumindest in der Zeit von 1400 bis 1600 in der Regel ein großes Fest anschloss, wel-

ches der Maigraf zu finanzieren hatte. Dietz-Rüdiger Moser unterstreicht diesbezüglich,

dass es sich hierbei um einen weltlich-bürgerlichen Rechtstermin und kein religiöses

Fest handelte.164

Von den arbeitsfreien Festen und Feiertagen Finnlands sind nur der Erste Mai und der

finnische Unabhängigkeitstag nicht-kirchlichen Ursprungs, obwohl sich hinter ersterem

auch der Festtag der Heiligen Walpurga verbirgt165. Hiervon blieb aber nur der Name

als Referenz zum kirchlichen Hintergrund, zumal es laut Fossenius wohl schon vor

christlicher Zeit „ältere Festbräuche“166 zum Frühlingsanfang gegeben hat, an deren

Tradition der Walpurgistag angeknüpft wurde.

Wie sich die Feierlichkeiten zum Ersten Mai auf dem Land bzw. in der Stadt entwickel-

ten und wie genau sie begangen wurden, soll im Folgenden dargestellt werden.

3.1.1 Der Erste Mai auf dem Land

Den kirchlichen Hintergrund Vappus kann man allenfalls daran erkennen, dass es für

diesen Tag Arbeitsverbote gab, wie zum Beispiel: „An Walpurgis darf nicht gefischt

werden, sonst büsst [sic!] man sein Fischglück ein.“, „In eine am Walpurgistag ge-

159 Vgl. Åbo Underrätelser, 01.05.1993. 160 Fossenius 1951, S. 319. 161 Vgl. ebd., S. 317 ff. 162 Vilkuna 1969, S. 136. 163 Vgl. ebd., S. 136. 164 Vgl. Moser, Dietz-Rüdiger: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Gepflogenheiten der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen. Freiburg/Basel/Wien 2002, S. 172. 165 Vgl. Alho, Olli (Hg.): Kulturlexikon Finnland. 2. Aufl. Helsinki 1999, S. 160. 166 Fossenius, 1951, S. 359.

38

knüpfte Reuse geht kein Fisch.“ oder „Am Walpurgistag darf nicht gesät werden, die

Saat gedeiht nicht.“167 Gleichzeitig gab es aber auch Bauernregeln, die Gegenteiliges

besagen. Einige davon möchte ich nachfolgend vorstellen.

3.1.1.1 Bauernregeln und landwirtschaftliche Bräuche

Im Südwesten Finnlands war Walpurgis „für die Viehwirtschaft die Gefährtin des Ge-

org“168, der unter anderem für das Vieh und das gute Wetter zuständig war. Je nach

regionalem Klima kam sie beispielsweise auf der karelischen Landenge, wo es früher

wärmer wurde, „mit einem Birkenquast unterm Arm“ oder eben in der Gegend um

Turku „mit dem Kuckuck unterm Arm, der Schwalbe in der Hand“.169 Die Rückkehr der

Vögel aus ihren Winterquartieren wurde auch in „in den Einöden des äussersten [sic!]

Norden (…) sehnsüchtig erwartet“170 , da hier die Wintervorräte knapp wurden und

Vogeleier eine begehrte Nahrungsergänzung darstellten. Mancherorts reparierten die

Bewohner an Walpurgis die Nistkästen für die Vögel, um so an ihre Eier zu gelangen.

Es finden sich detaillierte Angaben für bestimmte Vogelarten wie die Schellente, die

demnach ihr Nest nicht aufgibt, auch wenn ihre Eier entwendet wurden und so sogar

mehr als doppelt so viele Eier legt als es ungestört der Fall wäre.171

Auch bezüglich der bäuerlichen Nutztiere existieren in den Archivalien des Svenska

litteratursällskapet i Finland r.f. Nachweise für bestimmte Brauchakte, die an Walpur-

gis bzw. dem Ersten Mai begangen wurden. Sie beziehen sich verallgemeinernd gesagt

auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, was man an den Geburtsdaten der Gewährs-

leute ablesen kann172.

So sollte an Walpurgis das Vieh auf die Weide getrieben werden, auch wenn noch

Schnee lag173. Hieran ist der offizielle Charakter des Feiertages erkennbar, da man

unabhängig vom Wetter das bloße Datum als Anlass zu solchen Bräuchen nahm, auch

wenn es nur bedingt Sinn machte174. Als Grund hierfür wurde aus der Gegend um Turku

und von Åland mehrfach genannt, dass die Kühe sonst lahm würden175. Auch mischten

ihnen zumindest in Nyland176 die Bauern Salz in das Trinkwasser oder verabreichten

ihnen gar Trockensalz, um dafür zu sorgen, dass sie während des Sommers früh nach

167 Vgl. Vilkuna 1969, S. 134. 168 Ebd., S. 134. 169 Ebd., S. 135. 170 Ebd., S. 135. 171 Vgl. ebd., S. 136. 172 Die älteste Befragte ist 1849 geboren (Edla Tverin); die meisten Befragten in den 1850-70ern. 173 Vgl. bspw. SLS 581, 694; SLS 425, 664-666; SLS 239, 327. 174 Vgl. Fossenius 1951, S. 329. 175 Vgl. SLS 581, 1043. 176 Finnisch: Uusimaa, eine Region im Süden Finnlands.

39

Hause zurückkehren177. Bei ihrer abendlichen Heimkehr sollten die Hütejungen mit

Wasser bespritzt werden, sodass sie weiterhin Glück mit den Tieren haben178.

Um die Milch süßer zu machen, gab man den Tieren, ebenfalls in Nyland, Birkensaft zu

trinken179. Eine andere Möglichkeit, den Milchertrag zu beeinflussen, erfolgte einigen

Befragten zufolge indirekt über das Wetter. So finden sich mehrere Aussagen darüber,

dass Niederschlag an Walpurgis, sei es Regen oder Schnee, ein gutes Jahr für die Milch

bedeutete180. Auch warmes Wetter und Südwind sollten diesen Effekt haben181.

Zahlreiche Belege im Helsinkier Archiv handeln zudem vom Wetter im Allgemeinen,

scheinen sich allerdings teilweise zu widersprechen. So wird beispielsweise Schnee an

Walpurgis einmal positiv182, einmal negativ183 gewertet. Auch Bauernregeln wie „Wenn

es am Walpurgisabend warm ist, wird der Sommer kalt und andersherum.“184 werden

mehrfach genannt. Wiederholt führen Gewährsleute an, dass das Wetter beziehungswei-

se der Wind, der an Walpurgis weht, bis Mittsommer so bleiben wird185.

3.1.1.2 Von der Schreinacht, dem Begrüßen des Frühlings und anderen

Feierlichkeiten

Da für viele der Erste Mai dem offiziellen Sommeranfang gleichkam186 und, wie oben

bereits aufgezeigt, das Vieh nach einem langen Winter erstmals wieder auf die Weiden

getrieben wurde, bedurfte es nun gewisser Schutzmaßnahmen, um beispielsweise Wölfe

abzuwehren.

Dies konnte durch das Bestreichen von Bäumen mit „am Strand gefundenem Robben-

fett“187 geschehen, das durch seinen üblen Geruch Raubtiere fernhalten sollte, oder aber

durch Lärm. Kustaa Vilkuna zufolge nannte man die Walpurgisnacht auch

„Schreinacht“, in der Feuer angezündet und gerufen wurde: „Wölfe, weg von hier, nach

Ostbottnien hin!“188. Der Brauch, Maifeuer abzubrennen, kam, laut eines Artikels in der

schwedischsprachigen Tageszeitung Österbottningen, von Deutschland über Ostschwe-

den aus nach Finnland189. Anne Bergman bekräftigt diese Theorie, indem sie darauf

177 Vgl. SLS 208, 59 ; SLS 239, 327. 178 Vgl. SLS 425, 664-666. 179 Vgl. ebd. 180 Vgl. SLS 239, 331. 181 Vgl. Vilkuna 1969, S. 135. 182 Vgl. SLS 766, 36. 183 Vgl. SLS 239, 379. 184 FMK 153a, 405. 1953, „Om det är varmt i Valborgsmässan blir sommaren kall och tvärtom.“. 185 Vgl. FMK 155c, s. 57, I Nykvist 1954; SLS 669, 11; SLS 664, 333. 186 Vgl. FMK 34, 186. 187 Vilkuna 1969, S. 134. 188 Vgl. ebd., S. 134. 189 Vgl. Österbottningen, 28.04.1992.

40

verweist, dass in den mittelalterlichen Städten des Nordens eine große Zahl deutscher

Einwanderer wohnte, deren Kultur die dortige beeinflusste190.

Bei einem Blick in den „Atlas der Finnischen Volkskunde“191 fällt zudem sofort auf,

dass sich das Vorkommen dieser Feuer nur auf den westlichen und südlichen Teil Finn-

lands, also eben jene Regionen, wo der Hauptanteil der schwedischsprachigen Finnen

leben, beschränkt. Hierin scheint sich der geschichtliche Zusammenhang, wie er in der

Österbottningen dargelegt ist, zu bestätigen.

Dem „Atlas der finnischen Volkskunde“ nach war der Erste Mai nur selten, nämlich in

nur 5% der insgesamt 350 bearbeiteten Nachweise, Anlass für das Abbrennen von

Feuern, wohingegen vor allem an Pfingsten und Christi Himmelfahrt (jeweils 45 bis

50%) so genannte bonfire angezündet wurden.192 Anne Bergman schreibt dazu, dass

solche Feuer vor allem zu Fastnacht, Ostern, Walpurgis und Mittsommer verbreitet

190 Vgl. Bergman, Anne/Ekrem, Carola: Fest och fritid. Fyra studier i finlandsvenska festtraditioner och ungdomsseder (= Skrifter utgivna av svenska litteratursällskaet i Finland Nr. 577, Meddelanden från folkkultursarkivet Nr. 13). Helsinki 1992, S. 173. 191 Vgl. Sarmela, Matti: Finnish Folklore Atlas. 4. Aufl. Helsinki 2009, S. 239. 192 Vgl. ebd., S. 241.

Sarmela, Matti: Finnish Folklore Atlas. 4. Aufl. Helsinki 2009, S. 239.

41

waren, wobei die beiden letzteren gerade im Süden Finnlands die bevorzugten Termine

hierfür darstellten193.

Demgegenüber stehen zahlreiche Erzählungen im Svenska litteratursällskapet i Finland

r.f., die von eben solchen Maifeuern in vorwiegend schwedischsprachigen Regionen

Finnlands handeln. Größtenteils194 wurden die Feuer demnach auf Bergen und Anhöhen

entfacht, vereinzelt auch am Strand auf einem Floß oder offenbar sogar im Sumpf,

wobei es sich hierbei teilweise um brennende Teerfässer handeln konnte 195 . Anne

Bergman dagegen meint, dass es sehr viel verbreiteter gewesen sei, an Vappu ein Teer-

fass auf dem Wasser anzuzünden als ein gewöhnliches Feuer auf einem Berg anzufa-

chen196. Diese Schlussfolgerung scheint auch deshalb wahrscheinlicher, da es sicherlich

weit weniger aufwändig gewesen sein muss, ein Teerfass am Strand anzuzünden, als

das Brennmaterial, das für ein großes Feuer nötig ist, auf eine Anhöhe zu tragen.

Neben der Funktion, Wölfe zu vertreiben197, wollten die Bewohner des Ortes so auch

den Sommer willkommenheißen198, was zugleich einen Anlass zum Tanz, Musizieren

und Singen bot199. Kinder saßen oft den ganzen Abend um das Feuer herum oder ver-

suchten, über dieses zu springen200. Aus der Region Nyland gibt es zudem einen Hin-

weis auf eine Art Wettstreit, wessen Feuer das höchste sei, jedoch bleibt unklar, ob der

Wettstreit zwischen zwei Ortschaften stattfand oder zwischen verschiedenen Dorfbe-

wohnern201, wobei ersteres wohl plausibler erscheint.

Während Ende des 19. Jahrhunderts in Nyland und Åboland Feuer sowohl an Walpurgis,

als auch an Mittsommer entfacht wurden, verschob sich das zu Walpurgis nach und

nach zugunsten des Mittsommerfeuers. Letzteres stellte eher eine Mittsommertradition

der finnischsprachigen Finnen dar, die aber allmählich von den schwedischsprachigen

Finnen übernommen wurde. Diese Verschiebung ist vielleicht der Grund dafür, dass es

deutlich mehr Berichte über Mittsommerfeuer gibt, obwohl es eine jüngere Tradition ist

als das Feuer an Walpurgis, welches dem 19. Jahrhundert entstammt.202

Volkskundler des 19. Jahrhunderts sahen in den Feuern zu Jahresfesten einen „hedniska

bruk, eller i urgamla fruktbarhetsriter“203, also einen heidnischen Brauch oder Frucht-

barkeitsritus, allerdings habe, laut Anne Bergman, die neuere Forschung bewiesen, dass

193 Vgl. Bergman, Ekrem 1992, S. 148. 194 Insgesamt dreizehn Nennungen, z.B. SLS 1550, 380; SLS 192, 92; SLS 562, 946; FMK 139 b, 1947. 195 Feuer am Strand (SLS 644, 1253; SLS 579, 366), Teerfass auf dem Wasser (SLS 562, 946), Teerfass im Sumpf (SLS 584, 2), Feuer auf einem Floss (SLS 674, 326). 196 Vgl. Bergman/Ekrem 1992, S. 148. 197 Vgl. SLS 192, 92; SLS 581, 932; ebenso Bergman/Ekrem 1992, S. 148. 198 Vgl. SLS 588, 11. 199 Vgl. SLS 639, 633; SLS 1550, 29; SLS 618, 225; FMK 139 b, 1947. 200 Vgl. SLS 639, 633; SLS 1550, 29; FMK 139 b, 1947; SLS 506 S. 47. 201 Vgl. SLS 634, 4: „Det var stor rivalitet i äldre tid mellan de två om wems eld som var högre (…)“. 202 Vgl. Bergman/Ekres 1992, S. 148 f. 203 Ebd., S. 171.

42

die Feiertagsfeuer in christlicher Zeit aus dem restlichen Europa nach Skandinavien

kamen.204

Eine weitere Methode, um Wölfe vom Dorf fernzuhalten und zugleich den Frühling zu

grüßen, war das sogenannte „walpern“205, für das es gerade aus Österbotten auffällig

viele Belege gibt206. Es wird in Archivalien des 15. Jahrhunderts erstmals genannt207.

Bei diesem Brauch hängten sich die Kinder eines Dorfes alle Arten von Glocken und

Schellen, also auch Kuh- und Pferdeglocken, um den Hals und teilweise auf den Rü-

cken208 und sprangen damit umher.

Die hier zu sehende Fotografie, deren Datierung die Jahre zwischen 1906 und 1909

angibt, ist wohl einer der wenigen bildlichen Belege für diese Tradition, die laut verein-

zelter Aussagen von Gewährsleuten „früher“ auch von älteren Personen ausgeführt

worden war, nun aber nur noch von Kinder begangen wurde209. In der Literatur heißt es,

dass Erwachsene im Süden Finnlands mitgewalpert seien, während es in Österbotten

vorwiegend Kinder waren, die dem nachgingen. Jedoch sei dieser Glockengang, dem

Magisch-Rituelles anhaften sollte, im ganzen schwedischsprachigen Raum Finnlands

verbreitet gewesen.210

204 Vgl. Bergman/Ekrem 1992, S. 171. 205 Vilkuna 1969, s. 134. 206 Vgl. SLS 644, 559; SLS 533 s. 558; SLS 593, 5; SLS 1174, 35. 207 Vgl. Bergman/Ekres 1992, S. 225. 208 Vgl. SLS 533 s. 555-556. 209 Vgl. SLS 533 s. 558; SLS 533 s. 557; SLS 546, 108. 210 Vgl. Bergman/Ekrem 1992, S. 227.

Svenska litteratursällskapet i Finland r.f.: sls259_28.

43

Obwohl es auch vorkam, dass Glocken und Lärm dafür verwendet wurden, Wölfe,

Füchse und Bären zusammenzutreiben, um sie dann zu töten, steht das Walpern in

keinem nachweisbaren historischen Zusammenhang damit. 211 Gerade in Österbotten

besaß dieses vor allem großen Unterhaltungswert. So kam es in manchen Orten vor,

dass Jungen versuchten, die umgehängten Glocken der Mädchen zu stehlen, sodass

daraus ein spielerisches Fangen wurde. Andernorts kam ferner Maskerade zum Einsatz.

Mit Pappmasken, Weidenruten und selbstverständlich einer mittig umgebundenen

Glocke jagten die Kinder dann einander. Auch wurde vermehrt morgens gewalpert, um

die Einwohner eines Dorfes zu wecken und dann bevorzugt unter jenen Fenstern geläu-

tet, hinter denen sich als „Schlafmützen“212 bekannte Bewohner oder eben der Dorf-

schullehrer befanden.213

Ein weiterer, etwas eigennützigerer Grund für diese durchaus ermüdende Tätigkeit war

wohl auch, dass die Dorfkinder teilweise von Tür zu Tür gingen, dabei die Glocken

ertönen ließen und so von den Bewohnern etwas Süßes als Belohnung bekamen214. Die

beschriebenen Aktivitäten stammen alle aus Österbotten. Für Nyland und Åland gibt es

zum einen weniger Belege und zum anderen stets sowohl die Aussage, dass die dortigen

Kinder mit Glocken umher gerannt sind, als auch überwiegend das Gegenteil, nämlich,

dass dies nicht vorkam215.

Ob der Brauch, in das „Vallhorn“ zu blasen, über den es nur aus Nyland und dem Tur-

kuer Raum einige Erzählungen gibt216, auch mit der Vertreibung von Wölfen zusam-

menhängt, geht aus den archivalischen Belegen, die mir zur Verfügung standen, nicht

eindeutig hervor. Von Åland jedoch schreibt Frau Bergman, dass die Bewohner im 19.

Jahrhundert in ein Horn bliesen, um wilde Tiere fortzujagen217. Eine einzige Aussage

aus Nyland findet sich, in der es heißt, dass an Walpurgis Steine von Berghängen her-

abgerollt wurden, um Trolle zu erschrecken218.

Allgemein scheinen viele Kinder und Jugendlichen am Ersten Mai oder am Vorabend

desselben auf einen Berg oder auch in den Wald gegangen zu sein, um dort ein Feuer zu

entfachen, um das sie dann saßen und mitgebrachtes Essen verspeisten219. Hier werden

211 Vgl. Bergman/Ekrem 1992, S. 228. 212 Ebd., S. 228: „sömntuta“ 213 Vgl. ebd., S. 227 f. 214 Vgl. SLS 1174, 38; SLS 1174, 35. 215 Vgl. Nyland: SLS 560, 1495; SLS 201 s. 100; SLS 561, 60; SLS 561, 142 Åland : SLS 639; SLS 1550, 380; SLS 560, 206; SLS 560, 576; SLS 560, 639; SLS 560, 1143. 216 Vgl. Nyland: SLS 201 s. 98; SLS 198, 122. Åboland: SLS 584, 261. 217 Vgl. Bergman/Ekrem 1992, S. 148. 218 Vgl. SLS 239, 330. 219 Vgl. FMK 139 b, 1947; SLS 644, 1259; SLS 434 a, 44.

44

meist Limonade, Mjöd220, Kaffee und verschiedenes Gebäck wie Pulla221 oder Struva222

genannt223. Ob dieses in Zusammenhang mit so genannten Gebildbroten steht, konnte

durch die zur Verfügung stehenden Archivalien nicht geklärt werden. Nach Gisela

Goldberg ist die Hauptdefinition solcher Gebildbrote, dass sie in ihrer Form etwas

abbilden, beispielsweise Menschen oder Tiere.224 Inge Carius führt zudem auf, dass die

Gebildbrote ihre Ursprünge in vormaligen Opfer- oder auch Grabbeigaben hatten, was

auch bereits Herodot von Ägypten zu berichten wusste. Dort sei es den armen Bevölke-

rungsteilen gestattet gewesen, an Stelle von Schweinen solche aus Teig zu opfern225. In

Anbetracht dieses Hintergrundes wirkt es eher unwahrscheinlich, dass es sich bei den in

Finnland zu Vappu verzehrten Gebäckstücken um Gebildbrote handelt, da sie nichts

Figürliches abbilden.

Es kam auch vor, dass draußen im Freien226 oder gar „auf dem Boden“ gegessen wurde,

was Stärke für den Sommer bringen sollte227. In diesem Zusammenhang ist auch der

Brauch, sich „Mark in die Beine zu trinken“ anzuführen, der anhand der Archivalien in

Helsinki mehrfach nachweisbar ist. Was genau man hierfür zu sich zu nehmen hatte,

wird unterschiedlich benannt. Am häufigsten aufgezählt wird Bier228, dicht gefolgt von

Eiern229, die laut dreier Gewährsleute zu Stärke für den Sommer verhelfen würden.

Denselben Effekt sollen auch Wein, Punsch, Brandwein und Birkensaft haben230. Um

auch seinen Pferden zu „Mark in den Beinen“ zu verhelfen, sollte man, einem Ge-

währsmann aus Nyland zufolge, anschließend einen Ausritt unternehmen231.

Als Maßnahme gegen Krankheiten diente laut Kustaa Vilkuna beispielsweise ein Bad

„in fliessendem [sic!] Wasser draussen [sic!]“. Auch würde man sich „im Sommer nicht

die Füsse [sic!]“232 verletzen, „wenn man beim Aufstehen als erstes auf ein Stück Eisen

trat“233, zum Beispiel auf eine Axtwange. Ein weiteres, auf den Ersten Mai bezogenes

Hausmittelchen findet sich auch im Svenska litteratursällskapet i Finland r.f., wo es

220 Mjöd (schwedisch) oder auch Sima (finnisch) ist ein schwach alkoholhaltiges Getränk, hergestellt aus Wasser, Zitronen, braunem und weißem Zucker und Hefe. 221 Hefegebäck, meist mit Kardamom. 222 Finnisch: Tippaleipä, frittiertes Gebäck, aus mehreren langen Teigsträngen zusammen gesetzt. 223 Vgl. bspw. SLS 239 326; SLS 618 226. 224 Vgl. Goldberg, Gisela: Heiligenbrote. Ein weit verbreiteter Brauch auch in der Gegenwart. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1994. München 1994, S. 53. 225 Vgl. Carius, Inge: Gebildbrote – Brauchtum im Jahres- und Lebenslauf. Königstein/Taunus 1982, S. 4. 226 Vgl. SLS 593, 39. 227 Vgl. SLS 584, 152: „Första maj skulle man äta sju mål mitt på golvet, så var man stark om sommaren.“ 228 Vgl. SLS 1114, 55 ; SLS 192 s. 94 ; SLS 239 s. 332 ; SLS 239, 517. 229 Vgl. SLS 618, 247 ; SLS 239 s. 332 ; SLS 239, 517. 230 Vgl. SLS 114, 55; SLS 283, 320; FMK 69 a, 41 Uppt. 1932; SLS 239, 517. 231 Vgl. SLS 114, 55. 232 Vilkuna 1969, S. 135. 233 Ebd., S. 135.

45

heißt, dass Regen am Ersten Mai das Haupthaar besser wachsen lasse, weswegen man

in solch einem Fall barhäuptig aus dem Haus solle234.

Für die Gewährsleute scheint in ihrer Kindheit der Spaß, das Spielen und das Herumto-

ben im Vordergrund des Festtages gestanden zu haben. Sie nennen zudem noch einige

dörfliche Aktivitäten, die nun ob ihrer Besonderheit wiedergegeben werden.

Aus Nyland existieren zwei Meldungen, die besagen, dass in vielen Dörfern eine

Schaukel in einen Baum gehängt wurde, bei der man sich traf, schaukelte und sang235.

Fossenius behauptet zudem, dass in

den östlichen Provinzen Schwedens,

also auch in Finnland, Maistangen

eine „ganz gewöhnliche Erschei-

nung“236 gewesen seien, allerdings

finden sich in den Archivalien in

Helsinki lediglich für Nyland Aus-

sagen diesbezüglich. Eine beinhal-

tet, dass diese Maistangen „zumin-

dest in allen Gärten, wo man Kin-

der hatte“ 237 standen. Verziert

wurden diese mit Girlanden aus

Nadelzweigen238, sowie Papierblu-

men239 und hellem Blechdekor240 .

Außerdem werden ein Wimpel an

der Spitze, sowie sechs bis sieben

Querlatten beschrieben, die den Stamm schmückten241. Unter diesen Maibäumen ver-

sammelten sich die Bewohner eines Ortes zum Kaffee und Brandweintrinken, aber auch

um zu spielen und um den Stamm herumzutanzen242. Eine Fotografie aus dem Bilderar-

chiv der Åbo Akademi zeigt das Aufstellen eines Maibaumes in Turku im Jahre 1906.

Auch wenn der Baum nur im Hintergrund zu sehen ist, ist seine Zier aus dunklen (Na-

delzweig-?) Girlanden und herunterhängendem Dekor recht gut erkennbar.

234 Vgl. SLS 618, 234. 235 Vgl. SLS 644, 1358-59 / SLS 644, 1418. 236 Fossenius 1951, S. 352. 237 SLS 502, 122-123. 238 Vgl. SLS 502, 122-123; SLS 502, 38. 239 Vgl. SLS 502, 122-123; SLS 434 a 44-45. 240 Vgl. SLS 502, 122-123. 241 Vgl. SLS 434 a, 44-45. 242 Vgl. SLS 644, 1268; SLS 434 a, 44-45; SLS 502, 38.

Kulturvetenskapliga arkivet Cultura vid Åbo Akademi: 2003/12:139. (Ausschnitt)

46

Einen aktuelleren Hinweis auf diesen Brauch gibt ein Artikel in der Zeitung Östra

Nyland vom 04.05.1995, der davon handelt, dass nach alter Åländischer Tradition in der

örtlichen, schwedischsprachigen Schule nun schon zum zwölften Mal ein Maibaum

aufgestellt wird. Die Idee hierzu brachte die Musiklehrerin Susanne Øksnevad vor

zwölf Jahren von einem Besuch auf Åland mit. Ilmar Talve bestätigt die vorwiegend

örtliche Beschränktheit auf Åland und erklärt zudem, dass Maistangen im übrigen

Finnland, beziehungsweise in dessen südwestlichen Gebieten, meist nicht vor

Mittsommer aufgestellt wurden243.

Aus Österbotten stammen außerdem Berichte über eine Art Umzug am Ersten Mai, bei

dem zwei Pferden weiße und rote Lacken umgehängt bekamen und von zwei Burschen

geritten wurden244. Gefolgt wurden sie von weiß gekleideten Mädchen245, die auch

weiße Tücher auf dem Kopf haben konnten246. In einem Zeugnis, das den Brauch übri-

gens auch zeitlich auf die Jahre zwischen 1910 bis 1914 festlegt, wird erzählt, dass die

übrige Dorfjugend auf einer Ladefläche stand, die von den Pferden gezogen wurde247.

Auch verkleideten sich hier die Mädchen und Jungen jeweils als das andere Geschlecht,

was auch durch ein anderes Archivale belegt ist248.

3.1.2 Der Erste Mai in der Stadt

Der Erste Mai in Finnland wird oft als Karneval charakterisiert249, Anne Bergman vom

Svenska litteratursällskapet i Finland r.f. geht sogar so weit, Vappu als den größten

Karneval des Nordens250 zu bezeichnen. An diesem Tag zog es die meisten Städter ins

Grüne oder zumindest in einen Park, wo die Kinder, die schulfrei hatten, herumtoben

und Ball spielen konnten251. Es war und ist heute noch üblich, dass dort Hornorchester

oder Chöre, auch Studentenchöre, auftreten. Anne Bergman zufolge kam die Tradition

des Maisingens im 19. Jahrhundert von Schweden aus nach Finnland252; ein Artikel im

Åbo Underrätelser weiß die Herkunft sogar noch genauer einzugrenzen und schreibt,

dass nach Lunder Vorbild die Studenten in den Sommer sangen253. Dass die Kinder mit

ihren Familien in den Park gingen, gerade um diesen musikalischen Darbietungen zu-

243 Talve, Ilmar: Finnish Folk Culture. Helsinki 1997, S. 212. 244 Vgl. SLS 1174, 40 ; SLS 533 s. 560 ; SLS 533 s. 559-560 ; SLS 533 s. 555. 245 Vgl. SLS 533 s. 560 ; SLS 533 s. 559-560. 246 Vgl. SLS 533 s. 559-560. 247 Vgl. SLS 1174, 40. 248 Vgl. SLS 533 s. 556. 249 Vgl. Rothe, Matthias: Ritualisierte Tabuverletzung, Lachkultur und das Karnevaleske. Beiträge des Finnisch-Ungarischen kultursemiotischen Symposiums. 9. bis 11. November 2000. Berlin-Frankfurt (Oder). In: Joerden, Jan C. (Hg.): Studien zur Ethik in Ostmitteleuropa, Band 6. Frankfurt/Main 2002, S. 18. 250 Vgl. Hufvudstadblådet, 25.04.2009. 251 Vgl. aus Kristinestad/ Kristiinankaupunki: SLS 665 b, 71; SLS 931, 49-50. 252 Vgl. Lättläst-Bladet Nr. 9, 28.04.2009. 253 Vgl. Åbo Underrätelser, 01.05.1993.

47

zuhören, wird mehrere Male in den Belegen des Archivs in Helsinki aufgeführt254 und

auch in den Fragebögen, die Studenten der Åbo Akademi 1987 gesammelt haben, fin-

den sich drei Nennungen des Sängerchores als Kindheitserinnerung255.

Das Mailunch wird von Anne Bergman als typisch finnlandschwedische Tradition

angeführt. Dies konnte in den Sommerrestaurants, die heute noch nach dem Winter an

diesem Tag neu eröffnen, stattfinden, bei

Freunden oder als Picknick im Park. Das

hier beigefügte Bild aus dem Helsinkier

Archiv zeigt wohl ein solches Mailunch,

wie es um die Jahrhundertwende in

Helsinki stattgefunden hat.

Üblicherweise wird hierbei Punsch

getrunken, eine Art Likör. Daneben

spielen Schnapslieder (schwedisch:

Snapsvisor) eine zentrale Rolle als

Gemeinschaft schaffendes Element,

sowie als „finlandsvensk identitetssym-

bol“256. In einem von mir durchgeführten

Interview erwähnt Ann-Helen diese und

beschreibt sie dahingehend, dass sie zum Trinken und Anstoßen gesungen werden257.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts übermäßiger Alkoholkonsum untersagt war und es

zu Nüchternheitsaufrufen kam, im Zuge derer im Übrigen Mjöd (Sima) als Alternative

angepriesen wurde258, galten diese Snapsvisor auch als eine Art Protest gegen die aufer-

legten Verbote. Sie sind auch heute noch eine lebende Tradition, was daran ersichtlich

wird, das oft zu den verschiedensten Anlässen neue Texte zu altbekannten Melodien

gedichtet und gesungen werden.259

Ein Höhepunkt für die Kinder muss es gewesen sein, als an Vappu häufig ein Zirkus

oder zumindest ein Jahrmarkt in die Stadt kam260. Auch Jenni, eine Studentin aus Turku,

erwähnte in ihrem Interview, dass sie als Kind jedes Jahr zum saariasen Tivoli gegan-

254 Vgl. aus Kristinestad/ Kristiinankaupunki: SLS 931, 30; SLS 931, 60; SLS 931, 49-50; Aus Helsing-fors/Helsinki: SLS 1174, 63 (allerdings nicht auf den Park, sondern die Esplanaden bezogen). 255 Vgl. SLS 1528 S. 04, S. 11, S. 25. 256 Lättläst-Bladet Nr. 9, 28.04.2009. 257 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 6. 258 Vgl. Hufvudstadblådet, 25.04.2009. 259 Vgl. Lättläst-Bladet Nr. 9, 28.04.2009. 260 Vgl. ebd.

Svenska litteratursällskapet i Finland r.f.: sls1405_b149.

48

gen wäre, einem Vergnügungspark, der an Vappu stets im Park Kupittaanpuisto aufge-

baut sei261.

3.1.2.1 Der studentische Erste Mai

Das städtische Fest zum Ersten Mai hat sich aus zwei verschiedenen Hintergründen

heraus geformt: Zum einen aus den Gepflogenheiten der Oberklasse des 19. Jahrhun-

derts und dem sich daraus entwickelndem Stundentenfest und zum anderen dem 1889

entstandenen Arbeiterfest, auf dessen Geschichte im vorherigen Kapitel eingegangen

wurde. In der Literatur und Zeitungsartikeln finden sich verschiedene Theorien, welche

Tradition älter ist.

Im Werk von Virtanen/DuBois262 beispielsweise wird behauptet, das Maifest der Arbei-

terbewegung und das allgemeine Volksfest, welches „plentiful feasting and drinking“263

beinhaltete, seien zeitgleich um die Jahrhundertwende aufgekommen. Sehr viel häufiger

jedoch finden sich Nachweise dafür, dass Studenten schon im frühen 19. Jahrhundert

das Maifest feierlich begangen haben264. Ilmar Talve führt hierzu auf, dass bereits die

Studenten der „alten Akademie“ von Turku im ersten und zweiten Jahrzehnt des 19.

Jahrhunderts den Ersten Mai feierten. Auch als die Universität nach dem verheerenden

Stadtbrand von 1828 nach Helsinki verlegt wurde, sei dieser Tradition in einigen Jahren

der 1830er weiter nachgegangen worden. Talve zufolge muss das Fest anscheinend

zeitweise verboten gewesen sein, zumindest schreibt er, dass, als es 1848 wieder legal

wurde, die Feiern auf den 13.5., „Flora’s Day“265, verlegt wurden, auch wenn Studenten

weiterhin ihre weißen Studentenmützen am Ersten Mai aufsetzten.266 In keinem anderen

der für diese Arbeit verwendeten Werke oder Archivalien wurde solch ein Verbot noch

einmal erwähnt. In Anlehnung an die Traditionen in Uppsala verschoben die Universitä-

ten in Turku, also die Åbo Akademi und die (finnische) Universität Turkus, im Jahre

1919, bzw. 1923, das Frühlingsfest wieder auf den letzten Tag im April267.

Dieser Tag und natürlich der Erste Mai bedeuteten für Studenten das Ende der Vorle-

sungen, der Beginn des Sommers und damit die Zeit, in der es erlaubt war, den universi-

tären Sommerhut zu tragen, die weiße Studentenmütze.

Ein Artikel im Huvfudstadbladet vom 30.05.1999 fasst die Geschichte dieser Mütze gut

zusammen. Demnach beginnt deren Entwicklung zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als

261 Vgl. Interview mit Jenni, S. 4. 262 Vgl. Virtanen, Leea/DuBois, Thomas: Finnish Folklore (=Studia Fennica. Folkloristica 9). Helsinki [o.A.], S. 110. 263 Ebd., S. 110. 264 Vgl. auch Alho 1999, S. 84, sowie Österbottningen, 29.04.1992. 265 Talve 1997, S. 210. 266 Vgl. ebd., S. 210 ff. 267 Vgl. ebd., S. 210.

49

Schlägereien zwischen finnischen Studenten und russischen Soldaten an der Tagesord-

nung waren. Um einander besser unterscheiden zu können, sollen finnische Studenten

von der russischen Okkupationsmacht eine Uniform für sich verlangt haben. Diese

wurde auch eingeführt, war aber viel zu teuer, um sich durchzusetzen. Zar Nikolai I. bot

1832 eine einfachere Version an, die aus einem blauen Rock mit verzierten Messing-

knöpfen, langen Hosen und einer blauen Kappe, der Furaschka, bestand. Diese Fu-

raschka war demzufolge die erste nordische Studentenmütze. Da sie der damaligen

finnischen Gymnasiumsuniform ähnelte, wurde ein altes akademisches Symbol, näm-

lich ein Lorbeerkranz, vorne mittig an der Mütze angebracht. Im Jahre 1865 bestellten

vier Studenten aus Helsinki, Julius Orberg, Mortimer Trapp, Paul Edelheim und Ale-

xander Stjerncreutz, aus einem Hutgeschäft in Stockholm Studentenmützen aus weißem

Samt, die fortan, womöglich als nationalistisch-geprägter Akt, Verbreitung fanden. Es

heißt, dass bei einem Studententreffen 1875 in Uppsala jeder einzelne der 85 beiwoh-

nenden Helsinkier Studenten eine weiße Studentenmütze trug.

Als Ende des 19. Jahrhunderts auch Frauen an den Universitäten zugelassen waren,

entwarf eine gewisse Olga Andsten ein spezielles Modell, der weiblichen Frisurenmode

der damaligen Zeit angemessen. Dieses bestand aus einer etwa zehn Zentimeter hohen,

schwarzen Samtkante, an der die goldene Lyra befestigt wurde. Daran schloss sich eine

als „fluffig“ bezeichnete weiße Samtmütze an, deren voluminöser Stoff weit über die

schwarze Kante herabhing. Trotz spöttischer Bemerkungen wie „fröken, mjölken kokar

över!“268, also „Fräulein, die Milch kocht über!“, wurde diese Version bis 1897 getragen,

dann allerdings von der gewöhnlichen Studentenmütze, die auch die männlichen Stu-

denten trugen, abgelöst.

Dem Artikel im Hufvudstadbladet zufolge, waren die Studentenkappen der schwedisch-

sprachigen und finnischsprachigen Studenten zunächst gleich, doch bald wurden die

Universitäten sprachlich getrennt, was auch eine Veränderung der Mützen mit sich

brachte. Demnach ist die schwedische Variante etwas bauschiger als die finnische und

auch das goldene Emblem, das zudem aus einem anderen Symbol besteht, ist größer

und kantiger. Schwedischsprachige Studenten begannen, diese Art der Kappe ab 1924

zu tragen.269

Als in einem anderen Beitrag im Hufvudstadbladet vom 27.05.2001 behauptet wird,

dass die ersten Studentenmützen Ende des 19. Jahrhunderts von den Technologischen

Studenten, den Teekkaris, getragen wurden und die Finnlandschweden dieser Tradition

erst ab 1921 nachkamen, wurde bereits zwei Tage später der Kommentar eines Lesers

268 Hufvudstadbladet, 30.05.1999, S.19. 269 Vgl. ebd.

50

gedruckt, der wohl richtig darauf hinweist, dass es Fotografien bereits aus den 80er und

90er Jahren des 19. Jahrhunderts gäbe, auf denen Studenten mitsamt ihren Studenten-

mützen abgebildet seien. Die Mützen der Teekkaris, die mit einer Kordel und Quaste

ausgestattet sind und sich so klar von den anderen Mützen unterscheiden, seien laut dem

Leserbrief in den 1890er Jahren aufgekommen.270

Nicht nur die Studentenmütze der Teekkaris sieht anders aus als die gewöhnliche Abi-

turmütze, die jeden Abiturient auszeichnet und zeigt, dass er nun an einer Hochschule

zugelassen ist. Im Huvfudstadbladet vom 30.05.1999 werden die verschiedenen Varian-

ten beschrieben. So gibt es die bereits erwähnten Mützen mit „Toff“271, also mit der

besagten Kordel samt Quaste, der Technologischen Studenten, außerdem solche mit

Toff, aber aus violettem statt weißem Stoff für die „Merkonomer“, also Studenten des

Bereiches Handel und Wirtschaft. Außerdem tragen die Studenten der Technischen

Hochschule Kappen mit rotem Rand und Toff, während die der Zahnmediziner über

blaue Toffs verfügen. Hier findet also eine klare Distinktion zwischen den Studenten der

verschiedenen Fakultäten statt, die sicher ein klares Gemeinschaftsgefühl unter den

Studenten eines Faches schafft.

Auch der Preis einer solchen Studentenmütze kann variieren, je nach Qualität und Karat

des Emblems vorne am Band. Einem Artikel aus dem Jahre 2001 zufolge schwankt der

Preis zwischen 160 und 620 Finnmark272, also circa 27 und 105 Euro. Da ist es nicht

allzu verwunderlich, dass zwei der drei Abiturienten, die von Journalisten der Zeitung

1999 in einem traditionsreichen Hutgeschäft in Helsinki befragt wurden, entweder die

billigste Kappe kaufen oder die alte der großen Schwester weiter verwenden wollen.

Nur die dritte Interviewte meinte, dass sie, auch wenn sie diese Mütze wohl nur noch

selten aufsetzen würde, dennoch eine eigene haben wolle.273

Ein Höhepunkt der studentischen Maifeiern in Finnland findet am Vorabend zum Ersten

Mai statt, nämlich, wenn ausgewählte Statuen in verschiedenen Städten eine eigens zu

diesem Zweck angefertigte Studentenkappe bekommen.

In Helsinki war es bis 1978 üblich, die Statue Havis Amanda am Marktplatz um Mitter-

nacht zu „bekrönen“, woraufhin dann alle, die ihr Abitur gemacht haben, ebenfalls ihre

eigene Studentenmütze aufsetzten. Doch in jenem Jahr wurde, nach Unruhen im Vor-

jahr auf Drängen der Polizei hin, das Geschehen auf 18 Uhr verlegt. Lediglich die Teek-

karis, die technologischen Studenten, setzen auch heute noch ihre Studentenmützen um

270 Vgl. Hufvudstadbladet, 29.05.2001. 271 Ebd., 30.05.1999. 272 Vgl. ebd., 27.05.2001. 273 Vgl. ebd., 30.05.1999.

51

Mitternacht auf274. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde zudem nicht nur die Havis

Amanda, oder auch Manta, mit einer Studentenmütze versehen, sondern auch die Statue

der drei Schmiede in der Aleksanterinkatu, sowie die des Zar Alexander I. am Senats-

platz275.

Über den genauen Zeitpunkt, wann diese Tradition erstmals begangen wurde, herrscht

Unklarheit. Nach „mündlicher Überlieferung“276 soll 1909, also ein Jahr nach Aufstel-

lung der Havis Amanda, ein gewisser K.W. Hoppu M.A. nach einem Restaurantbesuch

die Statue mit seiner Studentenmütze versehen haben. Andere Aussagen meinen, dass

der Brauch 1927 von Paave Auer oder aber von Wille Waris im Jahr 1932 eingeleitet

wurde. Dem gegenüber steht ein Artikel in der Universitätszeitung von 1925, in dem

sich ein Pseudonym namens Äksä darüber beschwert, dass es nun verboten sei, die

Statue zu krönen. Dies zeigt, dass zumindest in den 1920er Jahren dieser Aktivität

bereits nachgegangen worden sein musste. Auch ein Brief des Bildhauers Ville Vallgren,

dem Schöpfer der Havis Amanda, beweist diesen Umstand. Er schreibt hier, dass Stu-

denten in diesem Jahr, also 1921, die Statue gewaschen und ihr eine Studentenkappe

aufgesetzt hätten. In einem zeitgleich erschienenen Buch ist ein Gedicht abgedruckt, in

dem Vallgren meint, Havis Amanda sei nun immatrikuliert.277

Die erste offizielle und damit auch von der Polizei gutgeheißene „Bekrönung“ Mantas

fand 1951 statt und wurde von der Student Union, der Studierendenvertretung der Uni-

versität Helsinkis durchgeführt. In den Jahren danach wurde ihr regelmäßig von den

verschiedenen Universitätsorganen eine Mütze aufgesetzt. Zunächst benutzte man

hierfür eine Leiter, wobei 1959 vorerst einmalig ein Kran Verwendung fand. Das

Kunstmuseum von Helsinki verbot jedoch das Erklimmen über eine Leiter im Jahre

1990, da aufgrund des Alters der Statue möglichen Beschädigungen zuvorgekommen

werden sollte. Stattdessen wurde nun ein Kran und kurz darauf eine spezielle Konstruk-

tion gebraucht, die von den technologischen Studenten entworfen worden war und

zunächst eine, später bis zu sechzehn Personen mittels eines Kranes über die Luft zur

Statue brachte.278 Die folgenden zwei Bilder aus dem Archiv des Hufvudstadbladets

zeigen die Kappenzeremonie mittels eines Kranes (links) und mittels der genannten

Konstruktion (rechts).

274 Vgl. Helsinki Art Museum (Hg.): Havis Amanda. Mon Amour 100 Years. Helsinki 2008, S. 63. 275 Vgl. ebd., S. 56. 276 Ebd., S. 58. 277 Vgl. ebd., S. 58 ff. 278 Vgl. ebd., S. 63 ff.

52

Beeindruckend ist auch die Menschenmenge, die sich um den Brunnen versammelt hat.

Das Hufvudstadbladet vom 01.05.2009 spricht von 50.000 Menschen auf dem Markt-

platz. Dieses immens große Publikum erfordert bestimmte Sicherheitsvorkehrungen, um

die sich die jeweilige Student Union, die in dem entsprechenden Jahr die Ehre hat,

Manta eine Studentenmütze aufzusetzen, kümmern muss. Daneben ist es Auflage,

Genehmigungen einzuholen, Versicherungen abzuschließen und Ankündigungen bezüg-

lich des zu verursachenden Lärmes in der Öffentlichkeit zu machen. Seit den 1980er

Jahren wechseln sich die Studierendenvertretungen der vier verschiedenen Universitä-

ten von Helsinki bei der Ausführung dieses Ereignisses ab, nämlich die der Universität

von Helsinki, der Helsinki School of Economics and Business Administration, der Hel-

sinki University of Technology, sowie die der Swedish School of Economics and Busi-

ness Administration. Seit 2003 ist auch die Universität für Kunst Teil des Bundes.279

Neben den nachzukommenden Auflagen, die oben genannt wurden, gilt es beispielswei-

se auch, Sponsoren für die Finanzierung dieses Großereignisses zu finden, außerdem die

gesamte Ausgestaltung, vom Buchen geeigneter Bands, über die Dekoration, hin zu der

Durchführung des Umzugs zum Marktplatz und damit zur Statue, zu organisieren.

Auch in anderen Städten werden Statuen mit Studentenmützen versehen, so z.B. in

Turku, wo nahe des Flusses Aura Lilja bekrönt wird. Hierbei handelt es sich ebenfalls

279 Vgl. Helsinki Art Museum 2008, S. 65.

Hufvudstadbladet. Hufvudstadbladet.

53

um eine Frauenstatue, die laut Anne Bergman die offizielle Blume der Stadt symboli-

siert.280 In Vasa geschieht selbiges der Topelius-Statue und seit 1997, also erst seit

kurzem, wird in Jakobstad die Runeberg-Statue bekrönt281.

Am Morgen des Ersten Mai finden dann in Parks Katerfrühstücke statt. Laut Olli Alho

hissen zudem Studenten „nach einer durchfeierten Nacht“282 die finnische Flagge, in

Parks tritt der Akademische Gesangsverein auf, die breite Bevölkerung vergnügt sich

auf den Straßen, während die Arbeiterparteien sich zu Umzügen sammelt283. Von letzte-

ren soll das nächste Kapitel handeln.

3.1.2.2 Der politische Erste Mai

Die politische Maifeier, die der Kongress der zweiten Internationalen 1889 in Paris

weltweit für den Ersten Mai 1890 ansetzte, wurde kurz darauf auch in Finnland durch-

geführt. In der Literatur werden allerdings verschiedene Jahreszahlen für die erste

Begehung derselben aufgezeigt. So nennt Olli Alho das Jahr 1902 als Zeitpunkt für die

Erste Maifeier in Finnland284, wohingegen bei Ilmar Talve von 1906 die Rede ist. Er

benennt diese allerdings etwas genauer. So schreibt er, dass 1890 Arbeiter in Schweden

und die der Druckereien von Helsinki den Ersten Mai feierten, die Gewerkschaften aber

erst 1906 begannen, regelmäßige Maifeiern durchzuführen.285

Einem Artikel im Åbo Underrätelser nach wurde das politische Maifest zunächst am

ersten Sonntag im Juni begangen. Als es auf den Ersten Mai verlegt werden sollte,

weckte dies Opposition, da an dem Datum traditionell das im vorigen Kapitel beschrie-

bene Studentenfest stattfand. Dem Artikel zufolge wurde 1906 der Erste Mai zum Tag

der politischen Demonstration gemacht, wobei in diesem Jahr noch an beiden Tagen,

also dem Ersten Mai und dem ersten Sonntag im Juni, demonstriert wurde, was sich

dann allmählich zugunsten des Ersten Mai verschoben hat.286 In den ersten Jahren gin-

gen die Sozialisten und Kommunisten in Helsinki noch gemeinsam auf die Straße287,

doch seit 1948 getrennte Wege: die Sozialdemokraten versammelten sich im Paasipark;

der neu gegründete Vänsterförbund, also Linksverbund, auf dem Senatsplatz.288

Seit 1946 ist der Erste Mai in Finnland ein freier Tag, doch zum offiziellen „Tag der

Arbeit“ wurde er erst 1978 erklärt289.

280 Vgl. Hufvudstadbladet, 02.05.2009. 281 Vgl. Jakobstads Tidning, 01.05.2009. 282 Alho 1999, S. 84. 283 Vgl. ebd., S. 84. 284 Vgl. ebd., S. 84. 285 Vgl. Talve 1997, S. 212. 286 Vgl. Åbo Underrätelser, 01.05.1993. 287 Vgl. Lättläst-Bladet Nr. 9, 28.04.2009. 288 Vgl. Hufvudstadbladet, 01.05.1990. 289 Vgl. ebd., 25.04.2009.

54

Im Åbo Underrätelser vom 01.05.2002 findet sich ein Interview mit dem Volksdemo-

kraten Nils Nordberg, der darin die politischen Demonstrationen nach dem Krieg be-

schreibt. Er meint, dass damals alle sehr enthusiastisch dabei gewesen seien. Zahlreiche

Spruchbänder und Parolen hätten sich vor allem gegen Krieg gewendet, wobei die

Linke auch die Verbesserung der Lebensumstände des Proletariats gefordert hätte. Die

Abbildung aus dem Archiv der Helsinkier Zeitung Hufvudstadbladet zeigt eine De-

monstration aus den 1950er Jahren. Auf dem

Plakat steht sinngemäß: „Keine Waffen, aber

Arbeit und Wohnraum für junge Menschen“,

was die Schilderungen über die Maikundge-

bungen nach dem Krieg unterstreicht.

Nils Nordberg führt weiter aus, dass es heute

sehr viel weniger Engagement gäbe; die Ar-

beiterklasse sei niedergedrückt und viele

potentielle Demonstrationsteilnehmer würden

aus Angst um ihren Arbeitsplatz fernblei-

ben. 290 Diese rückläufige Entwicklung lässt

sich an den Zahlen der Kundgebungen ablesen.

Während beispielsweise 1945 zur politischen

Maiveranstaltung im Stadion von Helsinki

50.000 Menschen kamen291, waren es 1994 auf dem Marktplatz vom Helsinkier Bezirk

Hakaniemi nur noch zwischen 4000 und 5000 Teilnehmer292.

Beim Durchlesen der gesammelten Zeitungsartikel, die sich im Svenska litteratur-

sällskapet i Finland r.f. zum politischen Ersten Mai finden, fallen einige scheinbar

zentrale Elemente des Festes auf. Neben politischen Reden wird auch musikalische

Unterhaltung genannt, die von argentinischem Tango bis hin zu sozialistischer Kampf-

musik reicht293 . Interessant ist, dass Teilnehmer der politischen Maiveranstaltungen

häufig mit Erbsensuppe verköstigt werden294 , die Teil der traditionellen finnischen

Küche ist.

290 Vgl. Åbo Underrätelser, 01.05.2002. 291 Vgl. Hufvudstadbladet, 01.05.1990. 292 Vgl. Västra Nyland, 03.05.1994. 293 Vgl. Åland, 02.05.2002. 294 Vgl. ebd., 02.05.2002; ebd., 02.05.2001; Västra Nyland, 03.05.1994.

Hufvudstadbladet.

55

3.1.2.3 Zur Rolle der Kinder am Ersten Mai

Wie sowohl in den von mir geführten Interviews, den im Archiv in Helsinki zu finden-

den Interviews von 1987295, als auch in einem Artikel des Hufvudstadbladet296 dargelegt

wird, sind allgemeine Bestandteile des Ersten Mai, wie Kinder ihn meist feiern, zum

einen das traditionelle Gebäck zu Vappu, also die unter Kapitel 3.1.1.2 bereits erläuter-

ten Struvor (Finnisch: Tippaleipä) und Munkki, und zum anderen die diversen Dekora-

tions- und Karnevalselementen.

Hier sind vor allem Masken, Luftschlangen und

Ballons zu nennen, die seit den 1920er Jahren nicht

mehr von diesem Feiertag wegzudenken sind 297 .

Auch die so genannten Majviska, eine Art Pompom,

also ein Stab, an dessen Spitze bunte Papierstreifen

befestigt sind, waren Anne Bergman zufolge bereits

früh Teil des Maifestes und blieben bis heute

unverändert298.

Die hier gezeigten farbigen Aufnahmen wurden

während meiner teilnehmenden Beobachtung am

30.04.2011 in Helsinki gemacht. Obwohl auf diese

295 Vgl. SLS 1528. 296 Vgl. Hufvudstadbladet, 29.04.1995. 297 Vgl. Talve 1997, S. 212. 298 Vgl. Hufvudstadbladet, 25.04.2009.

Svenska litteratursällskapet i Finland r.f.: sls2133_5.

56

erst in Kapitel 3.2 eingegangen wird, soll hier doch erwähnt werden, dass mir während

dessen Ballons sehr viel präsenter als die genannten Majviska schienen. Das auf der

vorherigen Seite links zu sehende Bild stammt wohl aus den 1950er oder 1960er Jahren

und soll lediglich zur historisch-chronologischen Darstellung der Ballons am Ersten

Mai dienen.

An den Grundschulen ist es üblich, für die Kinder einen Karneval zu organisieren. Im

schwedischen Archiv in Helsinki berichten mehrere Zeitungsartikel von diesen Veran-

staltungen, zu denen die Schulkinder und oft auch die Lehrer verkleidet kommen. Es

wird gespielt, gesungen, gemalt und natürlich Mjöd und Munkar zu sich genommen299.

In der Jakobstad Tidning vom 01. Mai 2001 findet sich ein Artikel, in dem es heißt,

dass die Schüler der finnischen und die der schwedischen Grundschule zum ersten Mal

zusammen den Ersten Mai feiern. Auch hier wurde gemeinsam gesungen, sogar in den

beiden verschiedenen Sprachen. Der Feiertag bietet also demnach Anlass zu einem

vereinenden Moment, der Potential hat, die Kinder einander näher zu bringen.

Eine besonders wertvolle Aktivität, die scheinbar vor

allem von finnlandschwedischen Schulen organisiert

wird, ist der Verkauf von Ansteck-Maiblumen zu

karitativen Zwecken. Dies geht auf die Initiative der

Schwedin Beda Hallberg zurück, die 1907 in Göte-

borg erstmals aus Zelluloid, später aus Plastik 300

angefertigte Blumen zu Gunsten von tuberkulose-

kranken Kindern verkaufte301. Ein Jahr später von

Greta Klärich in Finnland eingeführt, wurden die

Blumen vom Verein Mjölkdroppen, „Milchtropfen“,

verkauft, der nach französischem Vorbild Milchmi-

schungen für Kinder, die nicht gestillt werden konn-

ten, finanzierte. 1976 wurde der Verein aufgelöst und

das Anrecht auf den Verkauf der Maiblumen ging an die Organisation Folkhälsan,

Volkshilfe, über.302 Diese investierte unter anderem in kostenlosen Schwimmunterricht

für Kinder und Erwachsene, was in einem Land wie Finnland, wo es hunderttausende

Seen und eine lange Küstenlinie gibt, Leben retten konnte. Die erste Schwimmschule

der Folkhälsan wurde 1929 eröffnet303.

299 Vgl. bspw. Östra Nyland, 30.04.2009; Borgåbladet, 01.05.2002. 300 Vgl. Bringéus, Nils-Arvid: Årets festseder. Södertälje 1981, S.167. 301 Vgl. Åbo Underrätelser, 01.05.1993. 302 Vgl. Österbottningen, 18.04.2002. 303 Vgl. ebd., 18.04.2002.

Hufvudstadbladet.

57

Der Verkauf der Maiblumen ist so organisiert, dass die Blumen an Schulen, bezie-

hungsweise einem Gewährsmann zufolge auch an Kindergärten304 verteilt werden, die

diese wiederum an die Kinder weitergeben, wobei die allererste Maiblume dem Präsi-

denten, bzw. der Präsidentin gebührt305. Der Verkaufspreis liegt heute bei 2€ pro Blume,

wobei die Kinder bei jeder verkauften Blume ein Fünftel des Verkaufspreises für sich

behalten dürfen, also heutzutage 40 Cent. Oft wird die Provision aber auch vom Lehrer

gesammelt und für Klassenausflüge einbehalten.306

Eine besondere Ehrung wird den Kindern zuteil, die die meisten Maiblumen verkauft

haben. Das Hufvudstadbladet berichtete am 22. März 2001 darüber, dass einige finni-

sche Schüler zusammen mit sechs schwedischen Schülern im Schloss zu Stockholm von

Königin Silvia ein „Diplom“ überreicht bekamen. Von den finnischen Kindern verkauf-

te die elfjährige Christa Krogell ganze 1200 Blumen, gefolgt von Markus Matikainen

mit 1005 und Daniel Kangasmaa mit 850 Stück.307 Selbst während des Winterkrieges

wurden die Maiblumen verkauft, wobei diese seltenen Exemplare nun begehrte Samm-

lerstücke darstellen308.

Zuletzt soll eine Tradition am Ersten Mai vorgestellt werden, bei der ein kleines Mäd-

chen „drei Minuten Berühmtheit“309 erlangen

kann. Wie bereits in Kapitel 3.1.2.1 beschrie-

ben, trifft sich ein großer Teil der Stadtbevöl-

kerung am Ersten Mai in Parks, wo gepick-

nickt, entspannt und auch dem Orchester oder

dem akademischen Männerchor zugehört wird.

Teil des alljährlichen Auftritts des Männer-

chors, wie z. B. des Brahe Djäknars in Turku,

ist ein Lied, das zu Ehren eines kleinen Mäd-

chens, dem ljuva flicka, also dem „süßen

Mädchen“, gesungen wird. Zu diesem Anlass

wird bereits im Vorfeld ein Mädchen ausge-

wählt, – oft ist es die Tochter eines Chormit-

gliedes – das während des gesamten Liedes

vom Dirigenten oder von seinem Vater hoch-

gehoben wird und die ungeteilte Aufmerksam-

304 Vgl. SLS 1528, Bertel Marander (geb. 1926 in Kuivaniemi), S. 25. 305 Vgl. Österbottningen, 18.04.2002. 306 Vgl. Hufvudstadbladet, 10.04.1998. 307 Vgl. ebd., 22.03.2001. 308 Vgl. Österbottningen 18.04.2002. 309 Hufvudstadbladet, 01.05.2001: „tre minuter av berömmelse“.

Åbo Akademi Etnologie: IFbnr1987_26. Aufnahme von 1946.

(Andersson/Kvarnström)

58

keit des Chores und des Publikums erhält. In einem von mir geführten Interview meinte

die Befragte, Heidi H., dass das Lied zu Ehren der Frauen gesungen werden würde und

das kleine Mädchen die gesamte Frauenwelt repräsentieren solle.

Diesem Brauch scheint auch heute noch nachgegangen zu werden, schenkt man den von

mir geführten Interviews, auf die später noch genauer eingegangen wird, Glauben. Auch

in den Zeitungen des Archivs in Helsinki finden sich vereinzelte Zeitungsartikel, in

denen beispielsweise im Jahre 1994 versucht wird, zum 30. Jubiläum der Tradition auf

Åland alle vorherigen 29 Ljuva Flickor wiederzufinden und sie am Ersten Mai zu ver-

sammeln310.

3.1.3 Zwischenbilanz

Wie im vorigen Teil dargelegt, ist die Geschichte des Ersten Mai in Finnland zweige-

teilt, wahrscheinlich noch drastischer als es in Deutschland der Fall ist. Auf der einen

Seite steht ein jahrhundertealtes Frühlingsfest, zu dem landwirtschaftliche Bräuche und

Vorstellungen ebenso gehörten wie das immer noch hochaktuelle Studentenfest; auf der

anderen ein politisches Geschehen, das erst ab 1889/90 möglich war und um die Jahr-

hundertwende auch in Finnland Wurzeln schlug.

Auf dem Land sind beispielsweise das Abbrennen von Maifeuern, das Walpern der

Dorfkinder, um Wölfe zu vertreiben und den Frühling einzuleiten oder auch der Akt,

sich Mark in die Beine zu trinken, zu nennen. Demgegenüber steht der Karnevalscha-

rakter des städtischen Maifestes, bei dem Masken, Luftschlangen und Ballons genauso

feste Bestandteile sind, wie der Besuch im Park und des dort stattfindenden Konzert des

Orchesters und des akademischen Männerchores. Zentrales Element und zugleich Hö-

hepunkt des städtischen Ersten Mai ist die „Krönung“ einer Statue, die von Studenten

eine weiße Studentenmütze aufgesetzt bekommt. Auch für Kinder finden sich spezielle

Aktivitäten, wie beispielsweise der Verkauf von Maiblumen durch Grundschüler oder

bunte Karnevalsveranstaltungen in der Schule. Eine finnische Besonderheit stellt das

Ljuva Flicka, das Mädchen, zu dessen Ehren ein Lied gesungen wird, dar.

Neben diesen vergnüglichen Aktivitäten werden, wie bereits erwähnt, auch politische

Demonstrationen organisiert, deren Hauptbestandteile Kundgebungen, Märsche und

Musik sind. Auch der Verkauf bzw. das Verteilen von Erbsensuppe scheint zum politi-

schen Ersten Mai dazuzugehören. Während diese Veranstaltungen nach dem Krieg

überaus gut besucht waren, sind die Zahlen heutzutage auffallend rückläufig. Und so ist

es nicht verwunderlich, dass, wie im Folgenden noch aufgezeigt werden soll, das Stu-

310 Vgl. Nya Åland, 28.04.1994.

59

dentenfest deutlich mehr Raum und Aufmerksamkeit einnimmt als jede andere Aktivität

am Vorabend und am Ersten Mai.

3.2 Erlebnis Vappu – Die Sicht von Innen und Außen. Interviews und

teilnehmende Beobachtung

Um herauszufinden, was Vappu für die Menschen bedeutet, bedurfte es einer anderen

Herangehensweise als die Auswertung von Literatur und alter Archivalien. Zu diesem

Zweck führte ich im April 2011 in Turku und in der Woche nach dem Ersten Mai in

Helsinki Interviews durch, bei denen ich mich nach den persönlichen Eindrücken der

Befragten vom Ersten Mai erkundigte. Sowohl Assoziationen, als auch Kindheitserinne-

rungen und Erlebnisse an Vappu waren hierbei interessant. Ich versuchte, das zuvor

Gelesene darüber, was an den beiden Tagen vor sich geht, zu verifizieren oder zu falsi-

fizieren, um so ein aktuelles Bild der Geschehnisse an Vappu zu erhalten. Neben diesen

Interviews bildeten im Svenska litteratursällskapet i Finland r.f. archivierte Fragebo-

genaktionen und Interviews aus den 1980er Jahren eine weitere Grundlage für die Bear-

beitung des folgenden Kapitels. Ergänzt wird diese „Sicht von Außen“ durch eine inne-

re, nämlich meine persönliche Sicht auf Vappu, die ich mit Hilfe einer im April und Mai

2011 durchgeführten teilnehmenden Beobachtung gewinnen konnte.

Die Wahl meiner zehn Interviewpartner geschah eher zufällig. Ich fand einen Großteil

davon mit Hilfe meiner ehemaligen Tutorin der Åbo Akademi und durch Niklas Huldén,

sowie eines weiteren Bekannten, der Student an der Aalto-Universität in Helsinki war.

Sechs der Befragten studieren an der Åbo Akademi in Turku, beziehungsweise haben

dort studiert und arbeiten nun in Turku311, während nur drei an der Aalto-Universität in

Helsinki studieren312 und eine weitere an dieser Austauschstudentin war, nun aber zu

Vappu wieder zurück nach Finnland kam313. Sieben der zehn Personen, also 70 Prozent,

waren weiblich. Nur zwei Befragte, also 20 Prozent, waren keine Studenten mehr und

46, beziehungsweise 50 Jahre alt314.

Fünf Befragte kommen ursprünglich vom Land, zwei aus dem Westen Finnlands315,

eine davon aus dem Schärengebiet vor Turku316. Zwei weitere stammen aus östlichen

311 Aino (geb. 1986); Ann-Helen (geb. 1966); Heidi G. (geb. 1962); Heidi H. (geb. 1984); Jenni (geb. 1988); Veronica (geb. 1991). 312 Kristian (geb. 1990); Tero (geb. 1986). 313 Jana (geb. 1987). 314 Ann-Helen; Heidi G. 315 Ann-Helen; Kristian. 316 Ann-Helen.

60

Gebieten317, eine davon aus Pyhtää, nahe der Grenze Russlands318. Die fünfte Befragte

kam aus Sibbo, einem Dorf im Schärengebiet bei Helsinki319. Die anderen wuchsen in

Städten wie Espoo bei Helsinki, Pori, was im nordwestlichen Finnland liegt, Turku und

Berlin auf 320 , wobei die Austauschstudentin wie bereits erwähnt an der Aalto-

Universität in Helsinki studierte.

Die meisten der Befragten, die 1987 von Studenten der Åbo Akademi interviewt wur-

den, stammten von der Westküste, genauer der Nordwestküste Finnlands, was eine der

Gegenden ist, wo besonders viele Finnlandschweden beheimatet sind. Drei, und damit

der Großteil der Interviewten, kamen aus Vasa321 und jeweils zwei aus Pargas322, das im

Schärengebiet vor Turku liegt, und Turku selbst323. Die restlichen stammten aus Gamla

Karleby324, was auf Finnisch Kokkola heißt und an der Nordwestküste liegt, sowie aus

Kuivaniemi 325 , Oravais 326 und Tampere327 . Aus dieser Verteilung heraus lässt sich

schließen, dass die beschriebenen Brauchelemente weitestgehend denen des finnland-

schwedischen Habitus entsprechen. Die geschlechtliche Verteilung ist bei diesen Inter-

views ähnlich wie bei den von mir geführten: sieben Befragte sind weiblich, vier männ-

lich. Dagegen sind die Altersgruppierungen ausgewogener, wobei auffällt, dass zwar

jeweils fünf Personen zwischen 25 und 27, beziehungsweise zwischen 54 und 66 Jahren

alt sind, die 30 bis 40-jährigen aber nur durch eine Befragte vertreten sind.

3.2.1 Assoziationen - Sachen, Ideen, Wörter

Auf die Einstiegsfrage, was sie mit Vappu assoziieren, also was ihnen als erstes einfällt,

wenn sie den Begriff „Vappu“ hören, antworteten die Befragten Verschiedenes, wobei

Mehrfachnennungen möglich waren. Herausragend oft wurden Ballons angeführt, näm-

lich vier Mal328. Dicht gefolgt war diese Antwort von dem speziellen Gebäck, das es zu

Vappu gibt329, der Feierlichkeit im Allgemeinen330, sowie der Studentenparty und dem

damit verbundenen Trinken331 mit jeweils drei Nennungen. Zwei Nennungen teilen sich

317 Aino; Veronica. 318 Veronica. 319 Heidi G. 320 Tero; Matti; Heidi H.; Jenni; Jana. 321 Vgl. SLS 1528: Carita Ecklund (geb. 1929); Olav Ecklund (geb. 1960); Peter Söderman (1960). 322 Vgl. ebd.: Karl Sjöström (geb. 1933); Eva Ramstedt-Sjöström (geb. 1956). 323 Vgl. ebd.: Marika Ramström (geb. 1962); Maria Wegelius (geb. 1960). 324 Vgl. ebd.: Sigrid Corin (geb. 1921). 325 Vgl. ebd.: Bertel Marander (geb. 1926). 326 Vgl. ebd.: Inger Jakobsson-Wärn (geb. 1960). 327 Vgl. ebd.: Iris Tuominen (geb. 1923). 328 Vgl. Interview mit Aino; Veronica; Heidi G.; Heidi H., jeweils S. 1. 329 Vgl. Interview mit Aino, S. 1; Jenni, S. 1; Veronica, S. 2. 330 Vgl. Interview mit Ann-Helen; Heidi G.; Jenni, jeweils S. 1. 331 Vgl. Interview mit Aino; Heidi G.; Heidi H; jeweils S. 1.

61

Mjöd/Sima332, (Karnevals-) Dekoration333, die Studentenmütze334 und das Spaß-haben

im weiteren Sinne335.

Darüber hinaus wurden der Frühling336, die Familie337, Studentenoveralls338, Karne-

val339, Luftschlangen als genauer definiertes Dekorationselement340, Politik341, Cham-

pagner342 und Leute im Park343 jeweils einfach genannt.

Als das Huvfudstadbladet Ende April 1995 Jugendliche unter anderem dazu befragte,

was Vappu für sie bedeute, gab es nur wenige Übereinstimmungen in den Antworten.

Lediglich Luftschlangen und Mjöd erhielten zwei Nennungen, während alles andere nur

einfach angegeben wurde. Darunter waren der Frühling, Sonnenschein, das Gebäck

Struvor, Champagner, Glasscherben, Ballons, das Treffen von Bekannten, die Statue

Havis Amanda und die technologischen Studenten zu finden.344

3.2.2 Kindheitserinnerungen: 1962 bis 1991

In der Kindheit der Interviewpartner war Vappu eher ein Familienfest, bei dem das

Haus farbenfroh dekoriert wurde345 und welches eng verbunden war mit einem Festes-

sen am Vorabend und den Spezialitäten zu Vappu wie Sima/Mjöd und Munkki, bezie-

hungsweise Tippaleipä/Struvor. Während vor allem die Mütter der Befragten Sima noch

oftmals zu Hause ansetzten346, wurde Tippaleipä in keiner der Familien selbst gemacht

und nur zwei Interviewte berichteten davon, die Doughnut-artigen Munkki selbst herge-

stellt zu haben347. Tippaleipä scheint im Allgemeinen nicht so beliebt zu sein wie es

beispielsweise Munkki und vor allem Sima sind. Zwar bezeichnen es drei Befragte als

traditionelles Gebäck348, aber ebenso viele mögen es nicht oder haben es nie wirklich zu

sich genommen349. Nur eine einzige gibt an, Tippaleipä zu kaufen oder bei Freunden

mitzuessen 350 . Den Interviews von 1987 zufolge waren dieses Gebäck, sowie Si-

ma/Mjöd und Limonade die wichtigsten Bestandteile der Maifeier, was daran erkennbar

332 Vgl. Interview mit Aino; Jenni, jeweils S. 1. 333 Vgl. Interview mit Aino; Heidi H, jeweils S. 1. 334 Vgl. Interview mit Aino; Jenni, jeweils S. 1. 335 Vgl. Interview mit Kristian; Tero, jeweils S. 1. 336 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 1. 337 Vgl. ebd., S. 1. 338 Vgl. Interview mit Aino, S. 1. 339 Vgl. Interview mit Kristian, S. 1. 340 Vgl. Interview mit Veronica, S. 2. 341 Vgl. Interview mit Heidi G, S. 1. 342 Vgl. Interview mit Jenni, S. 1. 343 Vgl. Interview mit Tero, S. 1. 344 Vgl. Hufvudstadbladet, 29.04.1995. 345 Vgl. Interview mit Aino, S. 3; Heidi H., S. 3; Kristian, S. 1. 346 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Ann-Helen, S. 2; Heidi G., S. 2; Kristian, S. 2; Tero, S. 1. 347 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Heidi H., S. 3. 348 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2; Heidi H., S. 3; Kristian, S. 1. 349 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Heidi G., S. 2; Veronica, S. 2. 350 Vgl. Interview mit Jenni, S. 1.

62

wird, dass sechs von zehn Gewährsleuten sie erwähnen351. Neben diesen traditionellen

Speisen wurden auch jeweils einmal Pulla352, ein Hefeteiggebäck, sowie Krabben353

und eine Frühlingssuppe354 als Teil des Festessens zu Vappu genannt.

Für viele der von mir befragten Personen war es zudem wichtig, auf den Marktplatz zu

gehen und dort an dem festlichen Treiben teilzunehmen355. Dort waren es vor allem die

Stände mit dem bunten Allerlei, die Ballons, Luftschlangen und Vappuhuiska, jene

Pompoms, die bereits in Kapitel 3.1.2.3 erwähnt wurden, die es ihnen als Kinder ange-

tan haben356. Die Interviews von 1987 bestätigen dies; hier finden sich drei Aussagen

darüber, dass Luftschlangen, Ballons und Vappuhuiska zum Fest dazu gehörten357.

Etwas, das in den Befragungen aus dem Archiv in Helsinki oft aufgezählt wurde, aber

in den von mir geführten Interviews keine Erwähnung findet, sind das Anhören des

Sängerchores im Park358, sowie traditionelle Restaurantbesuche359, wobei sich eine der

Aussagen auf den Besuch im Svenska Klubben bezieht, wo ebenfalls ein Mahl einge-

nommen wurde360. Dagegen werden die politischen Paraden sowohl in den älteren361,

als auch in einem meiner Interviews genannt362, allerdings wies eine weitere Befragte

darauf hin, dass diese vor allem in den Städten und weniger auf dem Land organisiert

werden würden363. Vom politischen Ersten Mai in Finnland wird ferner in Kapitel 3.2.4

berichtet.

Den Interviews nach zu urteilen machen die weißen Studentenmützen, die nach wie vor

um 18 Uhr aufgesetzt werden, bereits Eindruck auf Kinder, die es dann, einer Inteview-

partnerin zufolge, kaum erwarten können, selbst eine solche Mütze zu haben364. Des

Weiteren wird ein Picknick am Ersten Mai genannt365 und auch eine Befragte aus dem

Jahr 1987 berichtet, dass sie als Kind am Ersten Mai, ob bei Schnee oder Regen, einen

Frühlingsausflug ins Grüne machte, bei dem Sima und Gebäck nicht fehlen durften366.

Jenni, eine meiner Gewährsleute, erzählte außerdem von einem Vergnügungspark,

saariasen Tivoli, der jedes Jahr zu Vappu nach Turku kommt. Sie meinte, sie wäre

351 Vgl. SLS 1528: Carita Ecklund S. 4; Olav Eklund, S. 7; Iris Tuominen, S. 21; Bertel Marander, S. 25; Eva Ramstedt- Sjöström, S. 34; Inger Jakobsson-Wärn, S. 38. 352 Vgl. ebd.: Iris Tuominen, S. 21. 353 Vgl. ebd.: Sigrid Corin, S. 16. 354 Vgl. ebd.: Carita Ecklund, S. 4. 355 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2; Heidi H., S. 3; Jenni, S. 4; Kristian, S. 2. 356 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2; Jenni, S. 4. 357 Vgl. SLS 1528: Carita Ecklund, S. 4; Bertel Marander, S. 25; Maria Wegelius, S. 44. 358 Vgl. ebd.: Carita Ecklund, S. 4; Peter Söderman, S. 11; Bertel Marander, S. 25. 359 Vgl. ebd.: Carita Ecklund, S. 4; Olav Eklund, S. 7. 360 Vgl. ebd.: Maria Wegelius, S. 44. 361 Vgl. ebd.: Bertel Marander, S. 25. 362 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 1 f. 363 Vgl. Interview mit Aino, S. 4. 364 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 3. 365 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2. 366 Vgl. SLS 1528: Eva Ramstedt-Sjöström, S. 34.

63

alljährlich mit ihrem Bruder zu diesem gegangen und würde das auch heute noch ma-

chen – allerdings nur aus der Tradition heraus und ohne die Attraktionen zu besuchen

oder etwas zu kaufen. Es werden noch weitere Kindheitserinnerungen bezüglich Vappu

aufgezählt, die aber nicht zu verallgemeinern sind. So erwähnt Ann-Helen, dass sie in

den 1970ern für gewöhnlich an diesem Tag neue Kleider bekommen hätte und auch in

einem Interview aus dem Jahre 1987 wird selbiges angeführt367.

Jenni berichtete ferner, dass ihre Familie wohl eher einzigartig sei, da sie Vappu nie

groß gefeiert hätten. Ihre Mutter sei von Stadt zu Stadt gereist und habe dort politische

Reden gehalten, wobei ihr Vater die Mutter meist begleitet habe. So hätte sie in der

Regel nichts unternommen und nun, da sie studiert, ginge sie mit Freunden feiern. Auch

wenn sie in der Familie gefeiert hätten, hätte dies meist nur aus einem Festessen am

Vorabend des Ersten Mai bestanden, entweder zu Hause oder bei Freunden. Die Studen-

tenmützen hätten ihre Eltern nie um 18 Uhr zusammen mit den anderen aufgesetzt.368

Leider konnten sich manche Befragte auch nicht an besondere Erlebnisse an Vappu

erinnern, so Tero und Heidi G. Letztere meinte, sie könne sich nicht entsinnen, dass auf

dem Land, wo sie aufwuchs, viel los gewesen sei und dass das Feiern an Vappu erst

aktiver wurde, als sie zum Studieren nach Turku kam369.

3.2.3 Beschreibungen eines Vappus

Wie schon bei der Erläuterung der Herangehensweise der Interviews dargelegt, wurden

nur Studenten, beziehungsweise auch zwei ehemalige Studenten, der Åbo Akademi in

Turku und der Aalto-Universität in Helsinki befragt. Meine teilnehmende Beobachtung

erfolgte in Helsinki und unter Begleitung der technologischen Studenten der Aalto-

Universität. Dementsprechend ist das zur Verfügung stehende Informationsmaterial

vorgeprägt. Ebenso verhält es sich, wie bereits erläutert, mit den Interviews von 1987,

die von Studenten der Åbo Akademi durchgeführt wurden.

3.2.3.1 Die Gestaltung der Vappu week

Gerade zur Vappu week, also der Woche, die dem Ersten Mai vorausgeht, beziehen sich

die Ergebnisse der Befragungen beinahe ausschließlich auf die Veranstaltungen in

Helsinki; genauer gesagt auf die, die von der Gilde „Prodeko“, einer Gruppierung der

Industrial Engineering and Management-Studenten, organisiert werden. Von Turku hat

mir lediglich Jenni berichtet, dass in der Zeit vor Vappu ein Wettbewerb zwischen den

verschiedenen Verbänden der Ingenieursstudenten stattfände. Es ginge hierbei darum,

367 Vgl. SLS 1528: Bertel Marander, S. 25. 368 Vgl. Interview mit Jenni, S. 2. 369 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 2.

64

wer sich den besten öffentlichen Streich leiste. Zu dieser Zeit fanden in Finnland gerade

Wahlen statt und das Beispiel, das Jenni brachte und welches zugleich ihr Favorit war,

bestand aus einem gefälschten Wahlplakat einer eigens dafür ausgedachten Partei, die

allerlei verrückte Wahlversprechen machte. Allzu lange blieb es wohl nicht hängen,

Jenni selbst hatte nur auf der Internetplattform Facebook Bilder von der Aktion gesehen.

Das gleiche Prinzip des Wettbewerbs fand sich auch in Helsinki, allerdings wurde es in

den von mir geführten Interviews nicht weiter erwähnt.

In Helsinki ist zumindest bei den Teekkari-Studenten das Programm recht straff organi-

siert. Die Studierendenvertretungen und Gilden organisieren diverse Events.

Den Auftakt machte am 18. April das so genanntes „Vappu-Training“ auf dem Campus

in Otaniemi, welches von der Internationalen Abteilung von Prodeko für Austauschstu-

denten organisiert wurde. Circa zehn Austauschstudenten fanden sich gegen 20 Uhr in

einem mit Ballons geschmückten Gemeinschaftraum ein, in dem etwa ebenso viele

Finnen Essen und Getränke bereitgestellt hatten. Mittels einer Power Point-Präsentation

wurden die anstehenden Veranstaltungen während der Vappu week und Vappu selbst

aufgezählt. Anschließend saßen alle noch eine Weile gemütlich beisammen, zumal

einige der am Raum anschließenden Sauna einen Besuch abstatteten.

Tags darauf folgte um 17 Uhr eine ähnliche Info-Veranstaltung in angemieteten Räu-

men eines Nachtclubs in der Innenstadt von Helsinki, bei dem nun alle Austauschstu-

denten der örtlichen Universitäten teilnehmen konnten. Zu Sekt und Häppchen, sowie

einer weiteren Power Point-Präsentation versammelten sich etwa 25 Austauschstuden-

ten, bevor sie zu einem größeren Event, dem „Mp3-Experiment“ weiter zogen. Treff-

punkt hierfür war der so genannte Glaspalast, einem Gebäude nahe dem zentralen Bus-

bahnhof Kamppi. Zuvor hatte es über Facebook die Anweisung gegeben, sich eine

Audiodatei aus dem Internet herunterzuladen und diese, ohne sie anzuhören, auf einem

Mp3-Player abzuspeichern, der zu dem besagten Event mitzubringen war. Um Punkt 18

Uhr sollte jeder der geschätzten 200 versammelten Studenten die Datei abspielen und

den Anweisungen folgen. Letztere schickten die Menge quer durch die Innenstadt, wo

sie beispielsweise Passanten zu einem Handschlag auffordern, im zentralen Postgebäu-

de das Summen und Pfeifen anfangen oder etwa in der Bewegung „gefrieren“ sollten,

was sogar eine Straßenbahn zum Anhalten zwang und den Verursacher wohl in Nervo-

sität ausbrechen ließ. Bei der letzten Etappe trafen die Studenten auf einen als „Aalto

Spirit“ verkleideten Studenten, dem sie Alkohol anbieten und ihn dann alle auf einmal

umarmen sollten. Den Abschluss bildete ein Grillfest, zu dem die Teilnehmer in einen

anderen Park ziehen mussten, was damit zusammenhing, dass die Stadt den Studenten

65

nicht erlaubte, am eigentlichen Ziel des Mp3-Experiments zu bleiben. Um diese Masse

an Studenten dort hin zu bringen, wurde eine „Demonstration“ veranstaltet, bei der

weiße Papierbögen und Stifte verteilt wurden, sodass jeder etwas Beliebiges darauf

schreiben konnte, gegen das er oder sie gerne demonstrieren würde. Neben dem dort

stattfindenden Picknicks mit Würstchenverkauf, fand sich eine mobile Sauna, sowie

Tanz-Animation durch einen professionellen Tanzlehrer. Wer wollte, konnte danach

zurück in den Club, in dem anfangs die Informationsveranstaltung abgehalten wurde,

um dort zu selbst mitgebrachten Getränken zu tanzen und zu feiern.

Tero, einer der beiden Studenten aus Helsinki beginnt die Beschreibung der Vappu week

mit dem „Vappu Sitsits“. Bei einem Sitsit handelt es sich um ein traditionelles akade-

misches Festessen, bei dem eine ausgewogene Anzahl Männer und Frauen in abwech-

selnder Reihenfolge um einen Tisch sitzen. Es wird ein Drei-Gänge-Menü serviert und

nach Anleitung eines Lukkaris, eines Toastmasters, gesungen, gegessen, getrunken und

gemeinsam angestoßen. Was auch sonst schon eine beliebte Veranstaltung unter den

Studenten ist, wird in der Vappu week noch amüsanter, denn, so Tero, jeder sei in dieser

Woche noch entspannter als sonst, da man sich zu dieser Zeit des Jahres um nichts mehr

kümmern müsse. Das Semester sei zu Ende, Vappu und damit der Frühling nahe und es

stehe eine Woche voller Spaß bevor370.

Ich selbst hatte im Zuge meiner teilnehmenden Beobachtung am 25. April 2011 eben-

falls das Vappu-Sitsit, welches das Motto einer Fernsehsendung namens „Jersey Sho-

re“ trug, besucht. Es fand am 25. April 2011 auf dem Campus in Otaniemi in einem

Gebäude namens Smökki-Sauna statt. In dessen Innerem, das mit rotem Backstein aus-

gekleidet war, befand sich eine abgetrennte Sauna, sowie ein größerer Raum, in dem

Tische, Bänke und Sofas aufgestellt waren. In einer Ecke schloss sich zudem ein weite-

res, durch eine Theke getrenntes Zimmer an, von dem aus Bier und andere Getränke in

Dosen verkauft wurden. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bisher an nur zwei weiteren Sitsits

teilgenommen, die beide von Studenten der Åbo Akademi organisiert worden waren

und deshalb größtenteils ähnlich, aber zugleich auch anders begangen wurden. Der

größte Unterschied war, dass es bei den Sitsits der Teekkaris keine Bestrafungen gibt,

während die finnlandschwedischen Studenten darauf Wert legen, dass die Teilnehmer

nur zwischen den Gängen aufstehen und auch um Erlaubnis bitten, wenn sie während

des Essens beispielsweise auf Toilette müssen. Die Bestrafungen bei Nichtbeachtung

der Regeln konnten zum Beispiel daraus bestehen, dass man sich vor versammelter

Runde auf einen Stuhl stellen und ein Lied vortragen musste. Bei diesem Vappu-Sitsit

370 Vgl. Interview mit Tero, S. 2.

66

aber ging es darum, gemeinsam zu feiern, zu essen, zu trinken und zu singen. Laut

Aussage einiger Besucher verlief dieses Sitsit „wilder“ als sonst. Schon früh gelang es

dem Lukkari nicht mehr, die circa dreißig Teilnehmer zu kontrollieren, es wurde mit

Essen um sich geworfen und auch zu laut, um noch den Lukkari zu Wort kommen zu

lassen, sodass bereits nach zwei Stunden das Sitsit offiziell mit einem Gong für beendet

erklärt wurde und in eine allgemeine Party mit Musik, Tanz und Saunabesuch überging.

Elemente, die speziell an das herannahende Vappu denken ließen, fielen mir keine auf.

Eine weitere große und wichtige Veranstaltung ist die Veröffentlichung des humoristi-

schen Vappu-Magazins, das den Namen „ÄPY“ trägt. Die Besonderheit hierbei ist,

dass es von Studenten kreiert und in Zusammenarbeit mit Firmen professionell entwi-

ckelt wird. Anschließend kann jeder Studenten, der möchte, eine beliebige Anzahl

Magazine auf möglichst kreative Art und Weise auf den Straßen Helsinkis verkaufen.

Nach Teros Angaben wurde die Zeitschrift 1948 zum ersten Mal herausgegeben, damals

noch zur Finanzierung des Campus von Otaniemi, wo die Teekkaris untergebracht sind.

Ab den 1960ern wurde es dann alle zwei Jahre publiziert, wobei im jeweils anderen Jahr

die Zeitschrift „Joulku“ herausgebracht wurde. 371 Im Interview mit Kristian merkte

dieser hierzu an, dass die Mitarbeiter beider Zeitschriften in diese Position gewählt

würden und man sich nicht einfach dafür bewerben könne; es handle sich also hier um

einen exklusiven Kreis372. Tero dagegen meinte, dass der Kern der Mitarbeiter festge-

legt sei, wer aber Ideen oder Vorschläge für die Verwirklichung des Magazins hätte,

könne diese an die Mitarbeiter weitergeben373.

Dieses Vappu-Magazin wurde am 26. April, also am Tag nach dem Vappu-Sitsit, im

Hauptgebäude des Campus offiziell herausgegeben und so der Verkauf durch die Stu-

denten eingeleitet. Der hörsaalartige Raum war überfüllt mit Studenten, die teilweise

sogar auf den Treppen Platz nahmen. Die gesamte Veranstaltung war eindrucksvoll

aufgezogen; den Anfang machte ein professionelles Tanzpaar, das von einer Band

begleitet wurde. Später gesellte das studentische Blasorchester in seinen traditionellen

Feuerwehrkostümen hinzu. Dieses spielt auf allen offiziellen Universitätsveranstaltun-

gen, allerdings nur manchmal nach Noten, mal auch in voller Absicht komplett falsch.

Die Moderation der Veranstaltung übernahm zu Beginn noch der Herausgeber der alten

Zeitung von vor zwei Jahren, der jedoch schon bald symbolisch auf der Bühne umge-

bracht wurde. Darauf folgte eine längere Filmsequenz, in der auf eine humoristische Art

und Weise gezeigt wurde, wie der neue Herausgeber gefunden wurde, der dann unter

371 Vgl. Interview mit Tero, S. 9. 372 Vgl. Interview mit Kristian, S. 3. 373 Vgl. Interview mit Tero, S. 10.

67

Beifall die Bühne betrat. Anschließend wurde das Verkaufsprinzip erklärt. Bei nur zehn

verkauften Ausgaben würde demnach der Verkäufer ein gratis T-Shirt erhalten. Je mehr

er verkauft, desto mehr würde er auch verdienen; ab einer gewissen Anzahl handle es

sich durchaus um bares Geld. Die neue Ausgabe des ÄPY bestand aus einer Spielebox,

die von dem Süßigkeitenhersteller Fazer gesponsert wurde. Der Clou hierbei war, dass

die roten Punkte auf dem Brettspiel, das Helsinki und Umgebung darstellte, auch wirk-

lich in der Stadt zu finden waren. Zu Beginn der Veranstaltung erhielt jeder Besucher

eine 3-D-Brille, auf der seitlich eine Nummer aufgedruckt war. Zum Ende hin wurde

eine der Nummern gezogen und auf der Leinwand präsentiert. Der, dessen Brille diese

Nummer trug, erhielt von Fazer ein Jahr kostenlos Salmiakki, eine finnische Lakritz-

Süßigkeit.

Für die Studenten, die gerade ihr erstes Jahr an der Universität beendet haben, die so

genannten Fuksis, wird von ihren Tutoren und Fuksi-Captains ein „Fuksi-

killing“ organisiert, bei dem bildlich der Fuksi in ihnen getötet wird und sie nun zu

richtigen Teekkaris werden können. Laut Tero sei dies eine geschlossene Veranstaltung,

an der wirklich nur die Fuksis und die Veranstalter teilnehmen und über die auch sonst

kein öffentliches Wort verloren werden dürfe.374 Da ich durch gewisse Umstände aller-

dings daran teilnehmen konnte und da die vorliegende Arbeit nicht veröffentlicht wird,

soll dieser geheime Akt nun dennoch beschrieben werden.

Am 27. April 2011 fanden sich um 23 Uhr die Fuksis der verschiedenen Fachbereichen,

sowie eine Gruppe von sieben Austauschstudenten, für die erstmals die Regeln ein

wenig gelockert wurden, sodass sie auch am Fuksi-killing teilnehmen durften, in einem

Raum auf dem Campus in Otaniemi ein. Die Größe der einzelnen Fuksi-Gruppen betrug

zwischen vier und sieben Studenten. Nach und nach verließ eine Gruppe nach der ande-

ren, geführt von ihrem Fuksi-Captain, den Raum. Als unsere Gruppe an der Reihe war,

ging es zunächst in einen Hörsaal, wo wir in einer hochwissenschaftlichen Vorlesung

darin unterwiesen wurden, eine Krawatte richtig zu binden. Worin der Sinn dahinter

bestand, blieb mir unklar. Anschließend wurden uns die Augen verbunden und wir

wurden so von Aufgabe zu Aufgabe geführt, nie genau wissend, wo wir uns befanden.

Diese Aufgaben konnten beispielsweise daraus bestehen, die gemessene Herzfrequenz

eines von uns zuvor erwählten Mitglieds unserer Gruppe möglichst hoch zu treiben.

Zuallererst sollten wir einen Freiwilligen aus unserer Gruppe aus dem Zimmer schicken.

Danach wurde uns das Spielprinzip erklärt. Die zuvor bestimmte Person kam dann mit

verbundenen Augen zurück, ohne zu wissen, was ihr bevorstand, jedoch wusste sie ein

374 Vgl. Interview mit Tero, S. 3.

68

Codewort, mit dem sie das Geschehen jederzeit abbrechen konnte. Um das erwähnte

Ziel zu erreichen, kamen unter anderem eine Bohrmaschine ohne Bohreinsatz, ein

Kugelschreiber, dessen Spitze kleine Elektroschocks verteilte oder auch ein Fön zum

Einsatz. Weitere Aufgaben waren das Kriechen durch ein pechschwarzes Labyrinth, das

Beantworten eines Quiz mit fachlich auf das Ingenieur-Studium bezogenen Fragen oder

auch das erfolgreiche Kämpfen durch eine Art Hindernisparcour, der sehr an Abenteuer-

filme wie Indiana Jones und ähnliche erinnerte. Die Aufgaben hatten alle einen hohen

Spaß-Faktor, bei dem, entgegen der bedrohlich wirkenden Bezeichnung des Fuksi-

killings, niemand ernsthaft gefährdet oder erniedrigt wurde. Die Stationen waren mit

sehr viel Aufwand ausgestaltet worden, es kamen einfallsreiche Dekorationen, Verklei-

dungen und auch Rollenspiele zum Einsatz.

Nachdem alle Aufgaben erfolgreich von den Fuksis und Austauschstudenten gemeistert

worden waren, wurde eine Art „Eid“ geleistet, bei dem die Studenten versicherten, den

Gilden, dem Verhaltenskodex der Teekkaris und auch älteren Studenten Respekt und

Ehre zu erweisen, sowie jüngeren Studenten stets hilfreich zur Seite zu stehen. Dieser

Eid wurde mit einem äußerst merkwürdig schmeckenden alkoholischen Getränk besie-

gelt, welches offenbar jedes Jahr aus anderen fragwürdigen Zutaten zusammengemischt

wird, wobei keiner der Teilnehmer weiß, was er da zu sich nimmt.

Eine weitere Veranstaltung der Vappu-week ist eine Art Karneval, der von der Studen-

tenvertretung auf dem Senatsplatz veranstaltet wird, bei dem sogar eine Band auftritt. In

diesem Jahr war es ein Staffellauf der verschiedenen studentischen Gruppierungen,

daran schloss sich laut Tero ein Vichy-Wetttrinken gegen PoRa, den Polytechnical

Sobriety Club, an. Zumindest im letzten Jahr wurde hiernach ein Tauziehen gegen die

Mitglieder der Student Union organisiert, wobei sich Tero nicht sicher war, ob es dieses

Jahr auch stattfand, weil er selbst nicht hingegangen sei.375

Zu nennen ist auch die Sitsit-Competition, bei der jeder, der mitmachen wollte, am 28.

April auf dem Alvari-Platz auf dem Campus in Otaniemi ein privates Sitsit veranstalten

konnte, wobei die besten Ideen, Kostüme, Mottos und Durchführungen von einer Jury

bewertet wurden. Als ich an diesem Tag über den Platz schlenderte, fanden sich sowohl

einfache Picknickdecken als auch aufwändig gestaltete und völlig unterschiedliche

Sitsit-Konzepte.

375 Vgl. Interview mit Tero, S. 3 f.

69

Neben einem schwarz-düsteren Gothic-

Tisch (linkes Bild) und einem Zombie-Sitsit

samt „Leiche“, waren auch Tische, an denen

die Teilnehmer als alte Damen, Computer-

spieler oder mit Tiermasken verkleidet

saßen, aufgebaut. Besonders eindrucksvoll

war eine überdimensional große Raupe (rechtes Bild), bestehend aus von Architektur-

studenten im Inneren getragenen Metallreifen, über die ein halbtransparenter Stoffkör-

per gespannt war. So bewegte sich die mobile Raupe von Stelle zu Stelle, ließ sich hin

und wieder nieder, sodass die Träger zu ihrem Sitsit-Festmahl kamen, was immer noch

im Inneren der Raupe eingenommen wurde.

Außerdem fand ein Speksi der Fuksis statt, was einem Improvisationstheater ähnelt376.

Hier können die Zuschauer während der Stücke hineinrufen, wie sie das Geschehen

verändert haben wollen. Bei diesem speziellen Speksi am 29. April 2011 traten die

Fuksis, also die Studenten des ersten Jahres, der verschiedenen Fachbereiche gegenein-

ander an. Der Saal auf dem Campus in Otaniemi, in dem die Stücke aufgeführt wurden,

war gut gefüllt, wobei die Besucher, bis auf die aus den Fuksi-Captains bestehende Jury,

auf dem Boden Platz nahmen. Da die Theaterstücke natürlich auf Finnisch aufgeführt

wurden, war es für mich schwierig zu folgen. Dennoch fielen einige davon durch eine

originelle Handlung auf, die, auch ohne jedes Wort zu verstehen, amüsierte.

Darauf folgten zwischen den Fuksis der verschiedenen Fächer nachts Wettkämpfe mit

„strange looking games“377, die darüber entschieden, wer am Morgen des 30. April

seine weiße Studentenmütze als erstes überreicht bekommen und wer eben diese an die

Gewinner verteilen und seine eigene als letztes erhalten würde. An dieser Stelle muss

erklärt werden, dass die Studienanfänger der Teekkaris zwar mit dem Abitur die ge-

wöhnliche Abiturmütze erhalten, sich das Recht, die besondere Teekkari-Mütze mit den

376 Vgl. Interview mit Tero, S. 4 f. 377 Ebd., S. 5.

70

schwarzen Toff zu tragen, aber erst im Laufe des ersten Jahres an der Universität zu

verdienen haben. Hierfür müssen sie an diversen Aktivitäten teilnehmen, beispielsweise

einer Sitsit-Veranstaltung beiwohnen, selbst eine Feier organisieren, ein Unternehmen

besuchen und dergleichen, um so Punkte zu sammeln. Es ginge, laut meinem Interview-

partner Matti, darum, die Studienanfänger in die Gemeinschaft zu integrieren, dass sie

Kontakt zu den anderen Studenten knüpfen, sowie darüber hinaus die Kultur der Teek-

karis kennenlernen.378 Tero nennt aber auch die Möglichkeit, dem nicht nachzugehen.

In diesem Fall bekomme man zwar trotzdem seine Studentenmütze, aber erst nachdem

Vappu vorbei sei379. Die eben genannten Spiele sollen laut Teros Aussage „group dy-

namics [und] team building“380 stärken. Tero erläuterte nicht weiter, was genau in dieser

Nacht geschieht und Matti erklärte lediglich, dass nur acht Fuksis vom Fuksi-Captain

auserwählt werden, um die Gilde bei den Spielen zu repräsentieren. Er hatte seinerzeit

nicht zu diesen Acht gehört, weswegen er auch nicht zu sagen vermochte, was genau

dabei abläuft, zumal es für die Teilnehmer verboten sei, darüber zu reden381.

An dieser Stelle soll auf Aufnahmerituale an anderen Universitäten weltweit hingewie-

sen werden. Diese sind mitunter als so genanntes Hazing bekannt, welches von Mi-

chelle A. Finkel wie folgt definiert wird: Es handelt sich hierbei um „acts against an

individual or forcing an individual to commit an act in order for the individual to be

initiated into or affiliated with an organization”382. Hier wird also auf ein Initiationsri-

tual hingewiesen, durch das Individuen in eine Organisation aufgenommen werden. Die

Geschichte des Hazings reicht weit zurück, so war es laut Finkel beispielsweise um

1600 Bedingung für einen Universitätsabschluss, was allerdings aufgrund zahlreicher

dadurch verursachter Todesfälle um 1700 abgeschafft wurde. Dass dies nicht erfolg-

reich war, zeigen weitere Vorkommnisse dieser Art bis in die heutige Zeit. Zu Beginn

des 20. Jahrhunderts war Hazing sogar offiziell von Studenten und Schulleitungen als

eine Möglichkeit akzeptiert, Studienanfängern Respekt vor der Schulorganisation zu

lehren383. Und auch obwohl einige Universitäten und Schulen ab den 1930er Jahren

versuchten, gegen diese Tradition vorzugehen, kam es weiterhin zu Todesfällen und

schweren Verletzungen. Finkel zählt einige Methoden des Hazings auf. Neben Schlägen,

Brandverletzungen, Ertränken und dem Springen von Brücken, Dächern und Klippen,

378 Vgl. Interview mit Matti, S. 2. 379 Vgl. Interview mit Tero, S. 5. 380 Ebd., S. 5. 381 Vgl. Interview mit Matti, S. 3. 382 Finkel, Michelle A.: Traumatic Injuries Caused by Hazing. In: Nuwer, Hank (Hg.): The Hazing Reader. Bloomington 2004, S. 171. 383 Vgl. Finkel 2004, S. 172.

71

zählen auch der Konsum nicht-essbarer oder Ekel erregender Dinge, sowie psychischer

und sogar sexueller Missbrauch zu den angewandten Praktiken.384

Obwohl Matti nicht selbst an den Spielen der Nacht vom 29. April teilgenommen hat,

versichert er während des Interviews, dass sie in keiner Weise erniedrigend oder gefähr-

lich für die Teilnehmer seien, da dies der Kultur und dem Geist der Teekkaris ganz und

gar widerspräche385.

3.2.3.2 Der Ablauf des Vorabends

Das studentische Fest in Turku beginnt laut Aussage einer Interviewpartnerin mit

einem Picknick, das vom Kåren, der Studierendenvertretung der Åbo Akademi, am

Sibeliusmuseum organisiert wird. Auch ein Mittagessen und später das Dinner wird

vom Kåren im Haus der Studierendenvertretung ausgerichtet.386 Eine weitere befragte

Studentin meint, die Student Associations würde mittags kostenlosen Punsch oder ande-

re Getränke anbieten, wonach es dann gesammelt zum Vårdberg (finn.: Vartiovuori)

gehe387. Ob hierbei auch das zuvor erwähnte Picknick gemeint ist, bleibt zu vermuten.

Während des Mittagessens im Kåren wird das erste Exemplar der Vappu-Zeitung „Er-

rores“ an das Gremium der Studierendenvertretung überreicht. Dieses Magazin ist, wie

auch das ÄPY an der Aalto-Universität, ein rein humoristisch zu verstehendes Werk,

worauf in diesem Fall auch der Name hinweist, der vom englischen Wort „error“, also

„Fehler“ herrührt.388

Wie bereits erwähnt, folgt darauf-

hin der Marsch zum Vårdberg, auf

dem sich die meisten Finnland-

schweden Turkus versammeln. Bei

dieser Parade werden die Flaggen

des Kåren, sowie der verschiedenen

Studentenclubs getragen 389 . Das

Bild hier links wurde circa 1965

aufgenommen und zeigt diesen Teil

des Festgeschehens.

384 Vgl. Finkel 2004, S. 173 ff. 385 Vgl. Interview mit Matti, S. 3. 386 Vgl. Interview mit Jenni, S. 3. 387 Vgl. Interview mit Aino, S. 2. 388 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 3. 389 Vgl. ebd., S. 3.

Kulturvetenskapliga arkivet Cultura vid Åbo Akademi: ”Tavastgatan” (Peter Slotte).

72

Auf dem Vårdberg findet das Chorkonzert des akademischen Männerchors Brahe

Djäknar statt, der stets dieselben Lieder zum Besten gibt, wobei es in den meisten um

den Frühling geht390. Eines handelt zudem von dem ljuva flicka, dem kleinen Mädchen,

von dem bereits in Kapitel 3.1.2.3 die Rede war391. Außerdem hält der Präsident der

Student Union eine Rede392, in der er den Frühling begrüßt und die Anwesenden um

punkt 18 Uhr dazu auffordert, ihre weißen Mützen aufzusetzen, woraufhin, und darauf

verweisen mehrere Interviewte, plötzlich alles

weiß wird und die Champagnerflaschen geöffnet

werden393. Die finnischen Studenten tun dasselbe

auf dem Hügel des Kunstmuseums, das sich nahe

dem Marktplatz befindet, auf dem ebenfalls eine

Menschenmenge versammelt ist394. In den Inter-

views von 1987 ist es, neben dem Studentenchor

auf dem Vårdberg, das Aufsetzen der Studen-

tenmütze, das am meisten genannt wird395.

Den von mir geführten Interviews zufolge gehen

viele danach zur Statue Lilja, die um 19 Uhr von

den Zahnmedizin-Studenten mit einer überdi-

mensionierten Zahnbürste gewaschen und an-

schließend mit einer weißen Studentenmütze

versehen wird 396 . Es geht aus den Interviews

nicht eindeutig hervor, wer dieser Aufgabe nachkommt. Gemäß Jennis und auch Heidi

H.s Aussage ist es der Kåren, der sie bemützt; Ann-Helen wiederum meint, es könne

sein, dass sich schwedische und finnische Studenten darin abwechseln oder auch, dass

sie es gemeinsam machen397 . Anschließend ist es offenbar Tradition, dass zumeist

betrunkene Studenten in einem Wettstreit der Statue die Kappe wieder herunterreißen

und sie zerstören398. Heidi G. zufolge sei das Bekrönen der Lilja allerdings nur ein

zweitrangiges Geschehen, das hauptsächlich für und von Studenten durchgeführt werde.

390 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 6; Jenni, S. 3. 391 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 5. 392 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 3; Heidi H., S. 5; Jenni, S. 3. 393 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 3; Heidi H., S. 2. 394 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 4; Jenni, S. 2. 395 Vgl. SLS 1528: Olav Eklund, S. 7; Peter Söderman, S. 11; Iris Tuominen, S. 21; Bertel Marander, S. 25; Eva Ramstedt- Sjöström, S. 34; Inger Jakobsson-Wärn, S. 38. 396 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 5. 397 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 4. 398 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 5.

Kulturvetenskapliga arkivet Cultura vid Åbo Akademi: ”Vaardberget” (Peter Slotte)

73

Die meisten Menschen würden sich auf dem Vårdberg oder am Kunstmuseum bzw.

dem Marktplatz treffen399.

Der Kåren soll laut Jenni auch mit TYS, den Betreibern des Studentendorfes, in dem

sich viele Wohnheime befinden, darüber diskutiert haben, ob die sich in der Nähe be-

findliche Statue der Schweineente, Posankka, auch mit einer Studentenmütze versehen

werden soll, wie dies wohl schon

mehrere Male geschehen war. Jenni

war sich aber nicht sicher, ob die

Mütze rechtzeitig fertig werden

würde.400 Ein Blick auf die offizielle

Homepage von TYS zeigt, dass dies

bewerkstelligt wurde und Posankka

auch 2011 eine Studentenmütze

bekommen hatte. Hier wird ersicht-

lich, dass das Bemützens von Statuen

kein festgefahrener Akt ist, sondern

eine lebendige Tradition, zu der

immer wieder neue Elemente oder auch nur Variationen hinzukommen können.

Etwas, das nur in einem einzigen Interview genannt wurde, ist ein Ruderwettkampf

zwischen der finnischen Universität, der Åbo Akademi und der School of Economics,

welches am 30. April auf dem Fluss Aura stattfindet. Da es in keiner Weise in den

anderen Interviews Erwähnung findet, ist anzunehmen, dass dieser Brauch nicht allzu

präsent ist, auch wenn er bereits zu Studienzeiten der Gewährsperson durchgeführt

wurde.401

Das Fest auf dem Vårdberg wird von Aino als „celebration for the whole Swedish spea-

king Finland“402 bezeichnet, was sogar im Fernsehen ausgestrahlt werde403. Berühmt-

heiten sprechen dort öffentlich, es werden elegante Kleider getragen, sowie Sekt und

Champagner getrunken404. Als Jenni jünger war, blieb sie die ganze Nacht dort, heute

dagegen nur so lange, wie es sein müsse, da die Bekleidung in der Regel wenig wetter-

gerecht sei. Danach findet im Kåren eine Dinnerparty, ähnlich einem Sitsit, statt405,

wobei einige der Befragten es vorziehen, bei Freunden zu feiern oder einem Restau-

399 Vgl. Interview mit Heidi G., 4. 400 Vgl. Interview mit Jenni, S. 5. 401 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 3 f. 402 Interview mit Aino, S. 2. 403 Siehe auch: Interview mit Veronica, S. 5. 404 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Heidi H., S. 1. 405 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Heidi H., S. 1; Jenni, S. 3.

Bild: TYS Homepage; Posankka http://www.tys.fi/en/current_topics/news/posankka_got_a_student_cap_on_ikituuris_open_doors_day.html

(aufgerufen am 10.12.2011).

74

rant406 oder auch Nachtklub einen Besuch abzustatten407. Letztere allerdings seien in

dieser Nacht meist überfüllt und verlangten zudem die höchstmöglichen Preise, sodass

viele Studenten es bevorzugen würden, woanders zu feiern408. Auch vier der Interview-

ten von 1987 berichten, dass sie Vappu meist mit oder bei Freunden verbringen409,

während nur einer noch hinzufügt, dass er alternativ auch in den Kåren ginge410. Maria

Wegelius meint im gemeinsamen Interview mit Marika Ramström diesbezüglich, dass

es mitunter schwierig sei, an Karten für die Dinnerparty im Kåren zu kommen. Sie wird

von Marika darin bestärkt, die erzählt, dass sie den Abend vor einem Jahr im Kåren

verbracht hätten, was aber nicht sonderlich unterhaltsam gewesen sei, woraufhin Maria

hinzufügt, deshalb bevorzugt zu Hause zu feiern.411

Einige der eben beschriebenen Bräuche am 30. April scheinen ihre Parallelen in

Helsinki zu haben. Doch da die vier Interviewpartner, die mir zur Verfügung standen,

alle an der Aalto-Universität studieren bzw. studierten und da auch meine teilnehmende

Beobachtung durch das Begleiten technologischer Studenten der Aalto-Universität

erfolgte, kann hier lediglich ein ähnlich einseitiges Bild vermittelt werden, wie es auch

für Turku der Fall ist, nur diesmal mit Blick auf die finnischsprachige Studentenkultur.

Im vorherigen Abschnitt 3.2.3.1 wurde bereits darauf verwiesen, dass Fuksis, also die

Studenten des ersten Jahres, in der letzten Nacht der Vappu-Woche in spielerischen

Wettkämpfen gegeneinander antreten müssen. Als letzte Prüfung müssen die Fuksis zu

ihrem Fuksi-Captain gelangen, der auf der anderen Seite des auf dem Campus befindli-

chen Sees auf sie wartet. Matti zufolge wagen es die Mutigsten oder die Dümmsten,

durch den See zu schwimmen, während der Rest einfach außen herum läuft. Der Fuksi-

Captain überreicht ihnen, sofern sie im Laufe des vergangenen Jahres alle erforderli-

chen Fukis-points erlangt haben, ein Zertifikat, das bezeugt, dass dem Erhalt der Stu-

dentenmütze nichts mehr im Wege stehe. Nach einem Frühstück versammeln sich die

Fuksis der verschiedenen Gilden beim „Amphitheater“ des Campus und die Verlierer

der vorausgegangenen Spiele müssen die Kappen an alle anderen verteilen, angefangen

bei dem Gewinner der Vornacht. Diese überreichen zum Schluss die Studentenmützen

an die Verlierer.412 Anschließend ist es zumindest bei den Teekkaris üblich, den Fuksi-

406 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2. 407 Vgl. Interview mit Aino, S. 2. 408 Vgl. ebd., S. 3. 409 Vgl. SLS 1528: Olav Eklund, S. 7; Sigrid Corin, S. 16; Eva Ramstedt-Sjöström, S.34; Marika Ram-ström, S. 44. 410 Vgl. ebd.: Olav Eklund, S. 7. 411 Vgl. ebd.: Marika Ramström/Maria Wegelius, S. 44. 412 Vgl. Interview mit Matti, S. 2 f.

75

Captain, der sie während des ersten Jahres zusammen mit den Tutoren unterstützend

begleitet hat, in den genannten See zu werfen413, wohl als symbolischer Akt, dass sie

nun alleine zurechtkommen.

Um 13 Uhr findet eine offizielle Erklärung von Vappu, immer noch auf dem Campus in

Otaniemi, statt. Hierbei ruft der Polizeipräsident

bzw. zumindest ein Repräsentant der Polizeibe-

hörde von Espoo, wo sich der Campus befindet,

den „Frieden von Vappu“414 aus. Dies bedeutet,

dass sich die Polizei von da an bis morgens um

sechs Uhr sehr tolerant gegenüber Betrunkenen

und von ihnen verschuldetem Unfug zeigen wird.

Darüber hinaus werden die Gewinner der Sitsit-

Competition der vergangenen Woche bekannt

gegeben. Der Senat des technischen Dorfes erklärt

etwas, wobei sich Tero nicht daran erinnert, um

was es genau geht. Anschließend gilt es, sich zu

amüsieren; man trinkt Sekt und es gibt die Möglichkeit, ein Bad unter freiem Himmel in

den Whirlpools zu nehmen.

Zwischen 14 und 16 Uhr machen sich die meisten Studenten von Otaniemi auf in die

Innenstadt Helsinkis, wofür 2011 Busse und sogar Boote bereit standen415. Dort ange-

kommen, startete um 16 Uhr eine Parade der Studenten der verschiedenen Universitäten

zur Havis Amanda, die gewaschen und von der Studierendenvertretung einer der Uni-

versitäten von Helsinki mit einer dafür angefertigten Studentenmütze versehen wird.416

Ich selbst fuhr mit dem Bus von

Otaniemi nach Helsinki. Anfangs-

punkt der Parade lag nahe einer

Markthalle am Hafen, wo auf die-

jenigen, die mit dem Boot nach

Helsinki gelangten, gewartet wurde.

Als sämtliche Busse und Boote

angekommen waren, begann um 16

Uhr die Parade.

413 Vgl. Interview mit Tero, S. 6. 414 Ebd., S. 6. 415 Vgl. Interview mit Jana, S. 3. 416 Vgl. Interview mit Tero, S. 6.

76

Unter lauter Musik, Pfeifen und dem Knallen von Lamettakanonen zogen die Studenten

zur Havis Amanda. Die Parade war von bunten Ballons, Luftschlangen und der kunter-

bunten Menge der Studenten, meist in ihren farbenfrohen Studentenoveralls gekleidet,

geprägt. An einer Straßenkreuzung stieß der Zug der School of Economics dazu, sodass

die Straßen von einer unüberschaubaren großen Masse an jungen Leuten beherrscht

wurden. Ich hatte das Glück, einen Platz direkt vor dem Absperrband, also in erster

Reihe vor der Statue, zu ergattern. So war meine freie Sicht die meiste Zeit nur von

Sicherheitskräften, Fotografen und Fernsehteams, darunter auch des deutschen Senders

Pro-7, verstellt. Das akademische Blasorchester, das auch schon bei der Beschreibung

der Veröffentlichung des ÄPY- Magazins erwähnt wurde, trat auf, zudem spielte auf

einer nahegelegenen Bühne eine Band.

Zunächst wurden fünfzehn in Overalls gekleidete Studenten mit Hilfe einer speziellen

Kran-Konstruktion über die Luft zur Havis Amanda gebracht, um sie mit Besen und

Wischmops zu säubern. Unterstützend nass gespritzt wurden sie dabei von der „Feuer-

wehr“, also dem Blasorchester, dessen

Mitglieder wie erwähnt Feuerwehrkos-

tüme tragen und auch stets in einem

alten Feuerwehrauto zu ihren Auftritten

anreisen. Als die Säuberungsaktion

beendet war, bekam Manta eine bunte

Schärpe umgelegt, bevor die Studenten

vorerst zurück auf den Boden gebracht

wurden. Eine zweite Gruppe von Stu-

denten, teils in Overalls, teils in Tier-

kostümen gekleidet, wurde zur Statue

emporgehoben, diesmal, um ihr ihre

Studentenmütze aufzusetzen. Sobald

das geschehen war, brach allgemeiner

Jubel aus, die Menschen in der Menge

und in der Luft setzten ihre eigenen Studentenmützen auf und einige Studenten spran-

gen in das vor Waschmittel schäumende Brunnenbecken unterhalb der Havis Amanda.

Einzig die Teekkaris, die technologischen Studenten, sowie „some others“417, dürfen

ihre Kappen erst um Mitternacht aufsetzen. Nach den Hintergründen hierfür gefragt,

weiß Tero allerdings keine Erklärung, sieht aber auch keinen Grund, diesem Brauch zu

ändern. Auch Peter Söderman, einer der Interviewten von 1987, welcher nach eigener

417 Interview mit Tero, S. 7.

77

Aussage ein Teekkari in Helsinki war, weist auf diesen Unterschied zum allgemeinen

Festbegehen hin. Er betont, dass es "ursprünglich"418 üblich gewesen sei, die Kappen

erst um Mitternacht aufzusetzen. Ein Umstand, der bereits in Kapitel 3.1.2.1 aufgezeigt

wurde. Nicht nur Peter Söderman hat den Interviews zufolge seine Studentenmütze erst

um Mitternacht aufgesetzt, auch Bertel Marander und Iris Tuominen wissen selbiges zu

bestätigen419, wobei unklar ist, was die beiden studiert haben.

Nach dem Akt des allgemeinen Aufsetzens der Studentenmützen beginnt laut Teros

Aussage das „Chaos“, alles fängt an, sich zu zerstreuen, essen zu gehen oder einfach

umherzuschlendern.420 Jana, die ehemalige Austauschstudentin aus Berlin, ergänzt die

Informationen zur weiteren Abendgestaltung mit dem Hinweis auf klassische Tanzver-

anstaltungen, die von einer Organisation namens „We love Helsinki“ angeboten werden.

Hierzu sei es angebracht, in eleganter Kleidung zu erscheinen und es würden traditio-

nelle finnische Tänze wie beispielsweise Humppaa getanzt. Ansonsten würden viele oft

nicht wissen, was sie machen sollen421.

Ich selbst ging nach den Geschehnissen an der Havis Amanda im näheren Umfeld um-

her, machte Fotos von den Essens- und Krimskrams-Ständen, Ballonverkäufern, Fami-

lien und Menschen mit ihren weißen Studentenmützen. Hierbei fiel mir auf, dass noch

weitere Statuen mit weißen Kappen versehen worden waren, so beispielsweise zwei

Frauen- und eine Männerstatue in der Nähe des schwedischen Theaters. In den Straßen

sah ich zudem einige Studenten, die versuchten, die ÄPY-Zeitungen zu verkaufen, bevor

sie, nach Aussage eines Bekannten, nach Vappu an Wert verlieren würden. Am Senats-

platz saßen und standen viele Studenten auf den Stufen des Doms, unterhielten sich und

tranken Sekt und Champagner.

Mein Interviewpartner Kristian berichtete, dass die Studenten nach dem Bemützen der

Manta für die nächsten sechs Stunden irgendwie ihre Zeit vertreiben würden, bevor

dann eine große Party stattfinde, was er allerdings nicht weiter ausführte422. Gemeint

war damit eine Feier namens „Dipolin Wappu“, welche in der so genannten Dipoli-

Halle auf dem Campus in Otaniemi für die technologischen Studenten abgehalten wurde.

Es schien zunächst eine normale Tanzveranstaltung mit einem DJ, Karaoke und Geträn-

keverkauf zu sein, doch um kurz vor Mitternacht stoppte die Musik und alle anwesen-

den Studenten stimmten in die Hymne der Teekkaris ein. Das Feuerwehr-Orchester

betrat den Saal und unterstützte sie instrumental. Danach brach allgemeiner Jubel aus

418 Vgl. SLS 1528: Peter Söderman, S. 11. "(…) så har teknologerna den där gamla traditionen som egentligen är ursprunglig, att man sätter på den (mössan) klockan 12 på natten, vid mittnatt." 419 Vgl. ebd.: Iris Tuominen, S. 21; Bertel Marander, S. 25. 420 Vgl. Interview mit Tero, S. 7. 421 Vgl. Interview mit Jana, S. 3. 422 Vgl. Interview mit Kristian, S. 3.

78

und es durften nun auch die Technologen ihre Studentenmütze aufsetzen. Nach und

nach leerte sich der Saal und um halb zwei Uhr morgens wurde das Dipolin Wappu als

beendet erklärt und der Saal geschlossen. Die meisten anderen gingen wohl auf private

Feiern, ich in mein wohlverdientes Bett.

3.2.3.3 Das Geschehen am Ersten Mai

Zentrales Element des Ersten Mai in Turku scheint den Interviews nach das Picknick

auf dem Vårdberg zu sein, zumindest wird es von jedem einzelnen Befragten der Åbo

Akademi genannt. Es beginnt um zwölf Uhr mittags und dauert so lange, wie die Besu-

cher, die sich sowohl aus Finnlandschweden, als auch Finnen zusammensetzen423, dies

wünschen424 . Das Picknick wird gemeinhin auch sillfrukost425 , also Katerfrühstück,

genannt. Die Allgemeinheit kuriert die Nachwirkungen des Vorabends aus, entspannt

sich auf Picknickdecken und verspeist das mitgebrachte, oft selbst gemachte Essen426.

Darüber hinaus findet ein regelrechter Wettkampf um das eindrucksvollste Picknickar-

rangement statt427. Auch die Studierendenvertretung organisiert für gewöhnlich etwas.

Zum einen findet auch im Kåren ein Brunch statt428; zum anderen werden beim Pick-

nick im Park Reden gehalten, es spielen Bands und der bereits erwähnte akademische

Chor tritt auf429.

Das Bild wird vor allem natürlich von den weißen Studentenmützen geprägt, die selbst

von ehemaligen Studenten, älteren Damen und Herren getragen werden, wobei deren

Studentenmützen meist weniger weiß als vielmehr gelb verfärbt sind430 . Außerdem

tragen die meisten Studenten ihre bunten Overalls, die einen wichtigen Bestandteil der

finnischen Studentenkultur darstellen. Aino geht sogar so weit, zu behaupten, dass die

studentischen Feierlichkeiten zu Vappu sich erst mit dem Tragen der Overalls entwi-

ckelt hätten431. Natürlich ist das so nicht ganz richtig, es zeigt aber, welche Bedeutung

den Overalls mitunter beigemessen wird.

Von den Interviewten wird der Eindruck vermittelt, als ob wirklich jeder für dieses

Picknick in den Park käme; es wird gesagt, man würde hier auf all jene Freunde treffen,

für die man sonst das restliche Jahr über keine Zeit hätte. Das gemeinsame Beisammen-

sein ist von großer Wichtigkeit, auch generell auf Vappu bezogen. Heidi H. betont

423 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 424 Vgl. Interview mit Jenni, S. 3. 425 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 3; . SLS 1528: Bertel Marander, S. 25. 426 Vgl. Interview mit Aino, S. 3; Jenni, S. 3. 427 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 428 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 4. 429 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 430 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 5; Veronica, S. 5. 431 Vgl. Interview mit Aino, S. 5.

79

diesbezüglich, dass das einer der Gründe sei, warum sie den Feiertag so gerne möge,

nämlich, weil er Menschen zusammenbringe, sie zusammen singen und feiern wür-

den432.

Ebenso verhält es sich in Helsinki, nur dass die Finnlandschweden und die finnisch-

sprachige Bevölkerung mitunter in verschiedene Parks gehen, um ihr Picknick abzuhal-

ten. Erstere versammeln sich im Kaisaniemipark433, Letztere im Park Kaivopuisto.

Ich selbst begleitete finnische Bekannte zum Park Kaivopuisto, der voll war mit Essens-

ständen, Pavillons und vor allem Picknickdecken. Es waren Besucher jeder Altersgrup-

pierung vertreten; von Studenten über Alumni bis hin zu Familien mit kleinen Kindern.

Der Großteil davon hatte eine weiße Abitur- oder Studentenmütze auf dem Haupt.

Während die Studenten fast durchwegs in ihren bunten Studentenoveralls gekleidet

waren, trugen die Erwachsenen teils elegante, teils legere Kleidung.

Die meisten Picknicks an sich waren vorwiegend einfach gehalten und auf einer Decke

ausgebreitet, doch vor allem ältere Besucher schienen durchaus Wert auf Bequemlich-

keit zu legen und saßen vor Wind und Wetter geschützt an gedeckten Tischen in den

mitgebrachten Pavillons. Ein paar davon waren sehr aufwändig ausgestattet und verfüg-

ten über weiße Tischdecken, Silberbesteck, Geschirr und Kerzenleuchter, während der

durchschnittliche Student sein Essen

auf dem Boden sitzend von Papptel-

lern zu sich nahm.

Allerdings hatten auch einige Studen-

tenorganisationen Pavillons organi-

siert, die den zugehörigen Studenten

einen trockenen Platz gewährleisteten,

ja sogar eine mobile Sauna aus Ota-

432 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 6. 433 Vgl. Interview mit Jana, S. 3; Tero, S. 8.

80

niemi war im Park aufgestellt, um für eine gelegentliche Aufwärmung zu sorgen. Ver-

einzelt waren in der Menschenmenge noch Studenten zu sehen, die versuchten, ihre

letzten Vappu-Magazine zu verkaufen.

Um circa 14:30 Uhr verließ ich den Park und ging zurück in Richtung Innenstadt, um

nach politischen Veranstaltungen Ausschau zu halten. Als ich um 16 Uhr zurückkehrte,

war der Park immer noch gut gefüllt. Nach weiteren eineinhalb Stunden beschloss ich,

zurück ins Warme zu gehen, denn es waren vereinzelte Schneeflocken zu sehen, die auf

uns herabfielen. Laut Tero reservierte Prodeko, also die Gilde der Teekkaris, auf dem

Campus in Otaniemi einen Platz mit Sauna und Verköstigung, zu dem die Studenten

gehen konnten, wenn sie verfroren aus dem Park zurückkehrten. Er fügt aber hinzu,

dass viele dann auch lediglich schlafen gingen.434

3.2.3.4 Die Studentenmütze als zentrales Element

Während in Kapitel 3.1.2.1 bereits die Geschichte der Studentenmütze in Finnland

aufgezeigt wurde, wird hier ihre persönliche Bedeutung anhand einzelner Episoden der

Befragten verdeutlicht. Auch die Rolle während Vappu und im studentischen Leben

allgemein soll etwas detaillierter erläutert werden.

Mit Vappu begann und beginnt die Zeit, in der die Studentenmütze ohne weitere Er-

laubnis getragen werden durfte. In früherer Zeit fand sie als Sommerhut den ganzen

Sommer über Verwendung, wohl auch, um einen gewissen elitären Status auszudrü-

cken435.

Am 30. September wird dann Lilla Vappen, also das kleine Vappu, gefeiert. Um Mitter-

nacht nehmen die versammelten Studenten ihre Mütze vom Kopf und stülpen das Innere

nach außen, sodass die Nationsfarben im Inneren sichtbar werden436. Von da an müssen

diejenigen, die die Mütze zu einem bestimmten Anlass tragen wollen, die Erlaubnis des

Kåren einholen437. Diese Anlässe können zum Beispiel größere universitäre Veranstal-

tungen sein, bei denen die finnische Flagge getragen wird. Bei einer wöchentlichen

Sitzung im Kåren wird dann über diese Anträge entschieden, wobei sie laut Heidi H.

normalerweise bewilligt werden würden.

Obwohl das ständige Tragen der Studentenmütze den Sommer über auch heute noch

möglich wäre, wird es von kaum einem Studenten praktiziert438. Normalerweise würden

sie nur an der Abschlussfeier des Gymnasiums und stets an Vappu getragen, so Jenni.

434 Vgl. Interview mit Tero, S. 8. 435 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 3; Heidi H., S. 2. 436 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 7; Jenni, S. 3. 437 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 2; Jenni, S. 3 f. 438 Vgl. Interview mit Heidi H: „Yes and you still can, but nobody does. Nobody, because it is completely strange.”, S. 2.

81

Tero weiß zudem, dass Studenten im schwedischen Göteborg eine weitere Kappe für

das Winterhalbjahr besäßen und auch in Finnland fände sich zumindest in Oulu eine

Ausnahme von der oben geschilderten Regelung. Die dortigen Studenten dürften dem-

nach ihre Kappe das ganze Jahr über aufsetzen.

Da die Mützen in den meisten Fällen so selten getragen werden, wird ihr Verlust als

umso tragischer empfunden. Gleich drei der Befragten in Turku haben dies erlebt. Aino

beispielsweise wurde ihre Kappe von Austauschstudenten im Scherz entwendet, worauf

sie kaum reagierte, wohl in der Annahme, diese bald wiederzubekommen. Die Aus-

tauschstudenten versteckten indes die Mütze und gaben sie nie zurück, auch nicht, als

Aino versuchte, ihnen die Bedeutung der Studentenmütze zu erklären. Sie versprachen,

ihr das Geld für eine neue Kappe zu geben, was allerdings bei den Worten blieb.

Heidi G. dagegen verlor ihre Studentenmütze ohne das Zutun anderer. Sie erinnert sich

nicht mehr genau, ob es an Vappu oder an Lilla Vappen Ende September passierte. Sie

war gerade dabei, das Gebäude der Studierendenvertretung, also das Kåren, zu verlas-

sen und trug dabei ihre Kappe in der Hand, da sie sie nicht mehr auf dem Kopf haben

wollte. Es herrschte reges Gedränge und plötzlich bemerkte sie, dass auch jemand ande-

res die Mütze festhielt. Sie wies denjenigen darauf hin, dass das ihre Kappe sei, worauf-

hin der andere selbiges erwiderte. Nachdem sie die Studentenmütze genauer inspiziert

hatten, war klar, dass es in der Tat die des anderen war und Heidi ihre eigene Mütze

wohl verloren haben musste. Glücklicherweise wurde sie später im Kåren abgegeben,

sodass Heidi sie wieder bekam439.

Für Jenni verlief es dagegen weniger glücklich. Beim Jahresfest der Åbo Akademi, das

aufgrund der Zweiteilung der Universität in dem betreffenden Jahr in Vaasa stattfand,

hatte Jenni ihre Studentenmütze nur so lange auf, wie sie die Flaggen trug. Für die

restliche Zeit legten sie und ihre Kommilitonen ihre Kappen woanders ab. Als sie später

dorthin zurückgingen, waren die Kappen verschwunden und wurden auch nie wieder

gefunden. Umso ärgerlicher war es, als dass Jenni erst kurze Zeit vorher im Zuge ihrer

Anstellung beim Kåren eine neue Lyra, also eine neue goldene Marke, die sich vorne in

der Mitte des dunklen Samtrandes befindet, bekommen hatte440.

Obwohl Jenni darauf hinweist, dass viele Studenten ihre Mütze verlieren, so auch ihre

Mutter und ihr Bruder, stellt dieser Verlust für die Betroffenen offenbar etwas sehr

Schlimmes dar, da die Kappe einen hohen emotionalen Wert besitzt. Man bekommt sie

zur Abiturvergabe und diese persönliche Bedeutung könne, so Jenni und auch Aino,

439 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 7. 440 Vgl. Interview mit Jenni, S. 4.

82

nicht einfach ersetzt werden. Dies sei vergleichbar mit einem Ehering, der nicht einfach

austauschbar sei441.

3.2.4 Historische, regionale und ethnische Ausprägungen Vappus

Unter dieser doch recht weit formulierten Überschrift sollen weitere Aspekte der Feier-

lichkeiten zum Ersten Mai dargestellt werden, also all das, was manchmal gar nichts

und manchmal nur bedingt mit dem studentischen Ersten Mai zu tun hat. Zunächst

werden die unterschiedlichen Arten des feierlichen Begehens von Vappu bei Finnland-

schweden und Finnen beschrieben, bevor auf den politischen Aspekt des finnischen

Ersten Mai eingegangen wird. Anschließend soll die religiöse Tradition an diesem Tag

vorgestellt werden, bevor es um die regionalen Unterschiede, sowie, damit zusammen-

hängend, die Feierlichkeiten zu „Großvaters Zeiten“ geht.

Im vorherigen Kapitel wurde die unterschiedliche Art und Weise, wie Finnlandschwe-

den und Finnen Vappu begehen, nur nebenbei erwähnt. Der augenscheinlich auffälligs-

te Unterschied sowohl in Turku, als auch in Helsinki, ist, dass sich diese beiden Grup-

pierungen an verschiedenen Orten versammeln, um den Frühling willkommen zu heißen.

Für den Vorabend, also den 30. April, scheint es allerdings so, dass zumindest in Hel-

sinki alle gemeinsam die Bekrönung der Havis Amanda bestaunen, wohingegen sich

viele der Finnlandschweden in Turku am Vårdberg treffen, während die Finnen meist

am Marktplatz bzw. dem sich daran anschließenden Hügel, auf dem sich das Kunstmu-

seums befindet, zugegen sind442. Ansonsten sei der weitere Ablauf in etwa der gleiche,

meint Heidi H.443 Für das Picknick am Ersten Mai gehen allerdings alle, ob Finnen oder

Finnlandschweden, zum Vårdberg444. In Helsinki indessen finden in zwei verschiedenen

Parks Picknicks statt. Die Finnlandschweden entspannen sich im Park Kaisaniemi,

wohingegen die Finnen selbigem im Park Kaivopuisto nachgehen. Tero vermutet dies-

bezüglich, dass viele zuerst in den einen, dann in den anderen Park gehen würden; die

beiden Veranstaltungen also nicht so strikt voneinander getrennt seien, wie vielleicht

anzunehmen445.

Während einige der Befragten sich keines auffälligen Unterschiedes zwischen den

beiden verschiedenen Arten zu Feiern bewusst sind446, weiß Heidi H. mehr zu berichten.

Ihr zufolge sei die schwedische Art, Vappu zu begehen, mehr auf Eleganz ausgelegt; so

441 Vgl. Interview mit Aino, S. 4. 442 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Ann-Helen, S. 4; Heidi G., S. 4; Heidi H., S. 4; Jenni, S. 2. 443 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 5. 444 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 445 Vgl. Interview mit Tero, S. 8. 446 Vgl. Interview mit Kristian, S. 3; Veronica, S. 6 f.

83

würden viele die Gelegenheit nutzen, feine Kleider zu tragen447. Die finnischen Studen-

ten dagegen würden meist ihre bunten Studentenoveralls tragen, was eindeutig eine

andere Art des Feierns symbolisiert, nämlich „(…) definitely not (for) acting fancy or

anything, they are more for the party, drink, be crazy, these kind of things.“448

Ann-Helen nennt als weiteren Unterschied die Schnapslieder, die gesungen werden,

wenn hochprozentiger Alkohol eingenommen wird und oft auch zu dessen Konsum

aufrufen. Sie meint, dies sei eine ursprünglich finnlandschwedische Tradition, die aller-

dings mittlerweile von finnischen Studenten übernommen und weitergeführt wurde.

Für die Aalto-Universität in Helsinki fügt Tero hinzu, dass es dort eine eigene schwedi-

sche Gilde gäbe, die vielleicht ein anderes Programm an Vappu hätte, wobei er zugibt,

nichts Genaues darüber zu wissen449.

In den von mir geführten Interviews etwas über die politischen Aktivitäten am Ersten

Mai herauszufinden, erwies sich als schwieriger als gedacht, spiegelt aber die allgemei-

ne Wahrnehmung zu diesem Teil des Festgeschehens wieder.

Von sich aus erwähnen nur zwei, nämlich die etwas älteren Interviewpartner den politi-

schen Aspekt des Ersten Mai450, doch auch auf ein direktes Nachfragen hin wurde deut-

lich, dass die Interviewpartner üblicherweise davon, wenn überhaupt, nur wenig mitbe-

kommen. Sechs der Befragten hatten zumindest gehört, dass Reden und Paraden statt-

finden, auch wenn sie selbst nie daran teilgenommen hatten451. Tero meinte, da wäre

wohl etwas am 30.04., „some kind of march (…) some declarations“452, aber er sei sich

nicht sicher, wie politisch diese seien.

Veronica beispielsweise nimmt an, der Feiertag hätte als Tag der Arbeiter begonnen und

sich nach und nach zu einem Studentenfest entwickelt. Auch Aino ist dieser Meinung.

Sie sagt, das Studentenfest sei erst in den letzten zwanzig oder dreißig Jahren aufge-

kommen, was, wie in Kapitel 3.1 versucht wurde darzulegen, nicht stimmt.

Einige Befragte ließen verlauten, politische Reden und Märsche würden vorwiegend in

größeren Städten abgehalten werden453, wobei auch dieser Tradition nur wenige Jahr-

zehnte zuvor stärker, heute aber deutlich weniger nachgegangen werden würde454. Aino

ergänzt diese Information, indem sie erklärt, dass es auf den ökonomischen Hintergrund

einer Region auf dem Lande ankomme, ob eine politische Maifeier stattfände oder nicht.

447 Vgl. Interview mit Aino, S. 2; Heidi H., S. 4 448 Interview mit Heidi H., S. 4. 449 Vgl. Interview mit Tero, S. 8. 450 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 1; Heidi G., S. 1. 451 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 1; Heidi H., S. 4; Jenni, S. 5; Kristian, S. 5; Tero, S. 8; Veronica, S. 5. 452 Interview mit Tero, S. 8. 453 Vgl. Interview mit Aino, S. 4; Heidi G., S. 1. 454 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 2; Heidi G., S. 1; Jenni, S. 5.

84

So sei das Dorf im Osten Finnlands, aus dem sie stamme, eher agrarisch geprägt und

dementsprechend wären die Bewohner nicht darauf aus gewesen, dem eher links ausge-

richteten Fest der Arbeiterklasse nachzugehen.455

Dagegen stehen Aussagen von Jenni und Heidi H., die von ihren Müttern wissen, dass

auch auf dem Land politische Veranstaltungen organisiert werden würden. Jenni berich-

tete, dass ihre Mutter politisch aktiv sei und am Ersten Mai von Ort zu Ort reise, um

Reden zu halten456. In dem Ort, wo die Mutter von Heidi H. ursprünglich herstamme,

nämlich in der Nähe von Pori im Westen Finnlands, würde für die politische Feier am

Ersten Mai eine Brücke gesperrt, auf der dann unter anderem auch eine Band spiele und

traditionelle Tänze getanzt würden457. In der Stadt, so Aino, würden die größeren Ge-

werkschaften ihre Zelte oft am Marktplatz aufstellen und versuchen, ihre Mitteilungen

und Informationen an die Passanten weiterzugeben. Heutzutage seien die meisten aller-

dings weniger daran, als am Feiern und Spaß haben interessiert, ebenso auch meine

Interviewpartner.

Bei meiner eigenen teilnehmenden Beobachtung fielen mir keinerlei politische Aktivitä-

ten auf, weder am 30. April, noch am Ersten Mai. Während des Picknicks im Park sah

ich neben Picknickdecken, privaten Pavillons und Essensständen lediglich einen Pavil-

lon der Zeitung Helsingin Sanomat. Entgegen der Aussage eines Bekannten, der meinte,

dass im Jahr zuvor auch Stände von politischen Parteien aufgestellt gewesen seien,

waren 2011 keinerlei auffindbar. Etwa gegen 14:30 Uhr ging ich vom Park zurück in

die Innenstadt, genauer gesagt zum Senatsplatz und Umgebung, sowie dem Bahnhof,

um dort nach politischen Aktivitäten Ausschau zu halten. Bevor ich aufbrach, fragte ich

beim Stand der oben genannten Zeitung, sowie bei drei patroullierenden Polizisten im

Park nach möglichen Kundgebungen oder Paraden. Mir wurde jedoch in beiden Fällen

gesagt, dass derartige Veranstaltungen wenn dann schon vorüber wären, wobei sich

keiner sicher festlegen wollte. Dass selbst die Polizisten nicht genau über Paraden und

dergleichen Bescheid wussten, erschien mir auffällig, da hierfür in der Regel Straßen

abzusperren und weitere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind. Hierin mag sich die

relative Bedeutungslosigkeit, die den politischen Veranstaltungen an Vappu beigemes-

sen wird, wiederspiegeln. Dies hängt wohl, wie Paul Hugger vermutet, mit einer allge-

mein zu beobachtenden Politik-Müdigkeit zusammen, was Hugger in einem jahrzehnte-

langen gesellschaftlichen Wohlstand begründet sieht458. Er bezieht diese Aussagen zwar

auf die Schweiz, doch sicherlich lassen sich hier Parallelen zu Finnland ziehen.

455 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 456 Vgl. Interview mit Jenni, S. 4 f. 457 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 4. 458 Vgl. Kaschuba 1991, S. 301.

85

Obwohl der Name „Vappu“ auf die Heilige Walpurga zurückzuführen ist und versucht

wurde, diesen Teil der Geschichte des Festes in Kapitels 3.1 so weit es geht zu schildern,

ist der teilweise religiöse Hintergrund des Festtages weitestgehend unbekannt. Von

sich aus kommt keiner der Befragten darauf zu sprechen und leider habe ich nur bei den

beiden ersten Interviews nach einem kirchlichen Hintergrund gefragt. Diese beiden

sahen aber Vappu in keinem religiösen Zusammenhang. Während Ann-Helen noch

einräumte, nie über diese Möglichkeit nachgedacht zu haben, es aber für unwahrschein-

lich halte459, meinte Aino, dass Vappu wohl das am wenigsten religiöse Fest Finnlands

sei. Später allerdings bemerkt sie, dass die Bezeichnung „Vappu“ wohl mit einer katho-

lischen Heiligen zusammen hängen müsse, aber diese Bedeutung heute komplett ver-

schwunden sei.460

Fakt jedoch ist, dass es auch heute eine religiöse Tradition am Ersten Mai gibt, nämlich

in der Form des Jesus-Marsches. Dem Vasabladet nach fand diese Aktion 1987 in Lon-

don zum ersten Mal461 und seit 1994 dann auch in Helsinki statt462. Während der Jesus-

Marsch in der übrigen Welt am 25. Juni organisiert wird, wurde in Finnland der Erste

Mai als besser geeignet befunden463. Ich selbst habe am Ersten Mai 2011 in Helsinki

zwar keinen Jesus-Marsch zu sehen bekommen, doch als ich auf der Suche nach Zeug-

nissen politischer Aktivitäten war, fiel mir stattdessen eine offenbar religiöse Veranstal-

tung auf dem Senatsplatz auf.

Auf einer aufgestellten Bühne

sang ein von Instrumenten

begleiteter Chor; einem aufge-

hängtem Banner nach zu urtei-

len, war dies von „Radio

Die“ organisiert worden, einem

christlichen Radiosender.

Geschätzte 150 Personen be-

fanden sich vor der Bühne und

lauschten dem Konzert. Die meisten davon schienen zwischen 35 und 60 Jahre alt zu

sein. Ein kleiner Teil trug weiße Studentenmützen, die anderen waren alltäglich geklei-

det. Auf den Stufen vor dem sich am Senatsplatz befindlichen Dom saßen zwar noch

weitere, vor allem junge Menschen, doch schienen diese mit den Geschehnissen am

Platz wenig zu tun zu haben. Darauf angesprochen, dass am Ersten Mai am Senatsplatz

459 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 6 f. 460 Vgl. Interview mit Aino, S. 4 f. 461 Vgl. Vasabladet, 28.04.1995. 462 Vgl. Hufvudstadbladet, 01.05.2001. 463 Vgl. Vasabladet, 28.04.1995: „tyckte vi att 1 maj passade bättre“.

86

in Helsinki offenbar religiöse Chorauftritte stattgefunden hatten, meinte Kristian jedoch,

dass das nichts Religiöses an sich gewesen sei, sondern damit zusammenhänge, dass die

besten Chöre aus historischen Gründen zur Kirche gehörten und auch ein akademischer

Chor dorthin geschickt worden sei464.

Wie bereits anhand von Turku und Helsinki gezeigt, wird Vappu in den verschiedenen

Städten zwar ähnlich, aber doch nicht ganz genau so begangen. Tero weiß hier zu

berichten, dass die Vappu week der Studenten in Lappeenranta genau genommen zwei

Wochen lange andauere, aber dafür weniger intensiv als in Helsinki sei. In Tampere

würden zudem die Teekkaris, also die technologischen Studenten, am Morgen des

Ersten Mai mit Hilfe eines Kranes, an dem ein Fass befestigt ist, in den dortigen Fluss

Tammerkoski geworfen465. Heidi H. erläutert, dass selbiges in jeder Universitätsstadt

geschehe, die über einen Fluss oder See verfüge. Obwohl sie keine Erklärung dafür hat,

kann vermutet werden, dass es sich hier um eine ähnliche Tradition handelt, wie in

Helsinki, wo die Fuksis nach ihrem ersten Studienjahr an Vappu zu „richtigen“ Techno-

logie-Studenten werden und hierfür teilweise auch durch einen See auf dem Campus

schwimmen.

Heidi G. weiß zudem Interessantes aus Stockholm zu berichten, wo sie zwei Jahre lang

an einem Fernkurs der Södertörn-Universität teilgenommen hatte. Der Kurs fand einmal

im Monat an einem Wochenende statt und der letzte Termin sollte am Wochenende von

Vappu sein. Als die Termine bekannt gegeben wurden, fiel ihr dieser Umstand sofort

auf, aber da all die anderen Teilnehmer aus Schweden waren und niemand sonst etwas

sagte, entschloss sie sich, nicht nachzufragen, da sie sich nicht sicher war, wie wichtig

der Feiertag in Schweden sei. Als der Termin näher rückte, wiesen andere Teilnehmer

den Veranstalter darauf hin, dass an dem Wochenende der letzten Sitzung Valborg sei,

doch dieser war nicht willens, den Termin noch einmal zu ändern, weil es schwierig sei,

Termine zu finden, an denen es jedem passe. An Vappu fielen Heidi in den Straßen

Stockholms keine auffälligen Festaktivitäten auf, lediglich die Restaurants waren voller

als sonst.466 Auch Heidi H. betont, dass Vappu etwas Besonderes für Finnland sei, dass

sie von nirgendwo sonst von solch einer Feier gehört habe, auch wenn andere Länder

den Tag ebenfalls in gewisser Hinsicht würdigen würden467.

464 Vgl. Interview mit Kristian, S. 5. 465 Vgl. Interview mit Veronica, S. 3. 466 Vgl. Interview mit Heidi G., 7 f. 467 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 2.

87

Über das Vappu, wie es auf dem Land begangen wird, können viele der Befragten nur

vage Vermutungen äußern. Scheinbar herrscht das Bild vor, dass der Erste Mai auf dem

Land eher ein Familien- als ein Studentenfest ist, zu dem sich alle schick kleiden und

ein Festessen abhalten, um so die Ankunft des Frühlings zu feiern468. Darüber hinaus

habe jedes Dorf eine eigene Tradition und je nachdem, ob es sich um ein agrarisch oder

industriell geprägtes Dorf handelt, wird der Erste Mai politisch begangen oder nicht469.

Kristian meint hierzu, dass es weniger auf den Unterschied zwischen Stadt und Land

ankäme, als vielmehr darauf, ob es sich um Menschen mit Abitur handle. Aus diesem

Grund wäre die Kultur auf dem Land eine andere als in den Städten470.

Auf die Frage, ob ihnen ihre Eltern oder Großeltern etwas darüber gesagt hätten, wie

sie Vappu in ihrer Jugend gefeiert haben, wusste keiner der Befragten Genaues zu be-

richten. In zwei Fällen wären die Großeltern Bauern gewesen, was für ihre Enkel bedeu-

tet, dass sie den Ersten Mai vermutlich nicht groß begangen hätten, wenn hierfür auch

unterschiedliche Gründe genannt werden. Heidi H. sieht die Ursache darin, dass ihre

Großeltern nach dem Krieg arm waren und hart arbeiten mussten, so also weder Zeit

noch Ambition für ausschweifende Maifeste hatten471. Aino dagegen betont die Kluft

zwischen Rechts und Links, die in den 1960ern und 70ern in Finnland herrschte. Da

ihre Großeltern, sowie Eltern eher rechts-konservativ eingestellt waren, bot das linksge-

richtete Maifest für sie keinen Anreiz, begangen zu werden472. Ann-Helen indessen

vermutet, dass ihre Großmutter, die im Schärengebiet aufwuchs, Vappu eher mit Freun-

den und Familie bei einem Festessen gefeiert hatte473.

Einen anderen Aspekt beleuchtet Kristian, dessen Eltern derselben universitären Nation,

beziehungsweise Gilde, angehörten, wie er. Er geht davon aus, dass sie ähnlichen Tradi-

tionen nachgingen, wobei es durchaus Unterschiede gegeben hätte. Ihm zufolge galt die

Studentenkultur allgemein und vor allem die der Teekkaris in den 1970er Jahren als

politisch rechts, was gemeinhin als nicht „cool“474 angesehen wurde. Dies hatte zur

Folge, dass viele Studentenbräuche, wie beispielsweise das Konzept des Sitsits, unter-

drückt, gemieden und in manchen Fällen auch ganz abgeschafft wurden. Erst heute

würden sich, laut Kristian, die Studenten diesen alten Studententraditionen wieder

annähern.475

468 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 6; Heidi G., S. 2; Veronica, S. 6. 469 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 470 Vgl. Interview mit Kristian, S. 4. 471 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 3 f. 472 Vgl. Interview mit Aino, S. 3. 473 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 7. 474 Interview mit Kristian, S. 4. 475 Vgl. ebd., S. 4.

88

3.2.5 Untergegangene Brauchelemente?

Nicht alle Bräuche, die in der Literatur oder auch in den Archivalien genannt wurden,

sind heute noch aktuell. Dies zeigen die von mir geführten Interviews recht deutlich,

denn selbst auf direktes Nachfragen zu einem bestimmten Brauchelement hin wussten

viele Befragte nichts über dieses zu berichten. Das bedeutet natürlich nicht zwangsläu-

fig, dass ausgeschlossen werden kann, dass diesen Aktivitäten nicht doch noch in einem

anderen Teil Finnlands nachgegangen wird.

So meinten einige der befragten Studenten, dass es keine Feuer zum Ersten Mai gäbe,

während aber sie dagegen zu Mittsommer üblich wären476. Zwei Mal wurde eingeräumt,

dass diese Feuer wenigstens in Österbotten und Åland beziehungsweise auf dem Land

abgebrannt werden würden477, weil es, und das wird mehrfach genannt, zu gefährlich sei,

solch ein Feuer in der Stadt abzuhalten478. Unklar bleibt, ob sie demzufolge meinen,

dass Maifeuer einen festen Bestandteil der Maifeier auf dem Land darstellen.

Aino betonte zudem, dass es einen Unterschied zwischen West- und Ostfinnland gäbe,

dass im Osten des Landes nur an Mittsommer Feuer angezündet würden, während die

Bewohner der westlichen Gebiete „alles Mögliche“ zum Anlass hierfür nehmen wür-

den479. Heidi G. fügt hinzu, dass sie zudem von Estland wisse, dass es dort solche Mai-

feuer gäbe480. Auch Tero meint, dass er „nicht überrascht“ wäre, wenn es die Tradition

des Maifeuers auch in Finnland gäbe, denn zumindest von Schweden wisse er, dass sie

existieren481. In einem Interview von 1987 wird jedenfalls noch erwähnt, dass vor Vap-

pu eine Woche lang Reisig und Papier gesammelt wurde, um dann ein „ordentliches

Feuer“ am Vorabend des Ersten Mai zu entfachen zu können482. Jedoch war die Befrag-

te 1921 geboren, was demnach keinen Hinweis darauf geben kann, dass der Brauch des

Maifeuers 1987 noch aktuell gewesen sei.

Diesen Interviews gegenüber stehen zahlreiche Zeitungsartikel, die im Svenska littera-

tursällskapet i Finland r.f. aufbewahrt werden und beweisen, dass in manchen Regionen

Finnlands tatsächlich Maifeuer aufgestellt werden. So finden sich in der Ålandstidnin-

gen im Jahr 2009 unter anderem eine Liste von Ortschaften, in denen Maifeuer stattfin-

den und auch ein Interview mit einem Feuerwehrmann, der Hinweise auf das richtige

Abbrennen eines Feuers gibt483.

476 Vgl. Interview mit Aino, S. 4; Jenni, S. 5; Veronica, S. 5. 477 Vgl. Interview mit Ann-Helen, S. 3; Heidi G., S. 5 f. 478 Vgl. Interview mit Jenni, S. 5; Veronica, S. 5. 479 Vgl. Interview mit Aino, S. 4. 480 Vgl. Interview mit Heidi G., S. 6. 481 Vgl. Interview mit Tero, S. 9. 482 Vgl. SLS 1528, Sigrid Corin, S. 16. 483 Vgl. Ålandstidningen, 30.04.2009.

89

Die in Kapitel 3.1.2.3 vorgestellten Maiblumen, die von Grundschulkindern zu Gunsten

der wohltätigen Organisation Folkhälsan verkauft werden, scheint, wie der dort ange-

führte Zeitungsartikel über die mit einem „Diplom“ von der schwedischen Königin

ausgezeichneten Kinder belegt, nicht ganz verschwunden zu sein.

Neben den beiden älteren Interviewpartnern, Heidi G., die als Schulkind selbst solche

Blumen verkauft hatte und Ann-Helen, deren Eltern stets selbige erstanden hätten,

wussten auch Jenni und Heidi H. von dieser Tradition. Jenni meinte, sie hätte im Kin-

dergarten Maiblumen verkauft und fügt hinzu, dass auch manchmal ihre Mutter diese

Aufgabe an ihrer statt übernommen hätte. Vor kurzem hätte sie auch eine dieser Blumen

einer Kollegin abgekauft484. Heidi H. dagegen gab an, von dieser Tradition gehört zu

haben, selbst aber dem nie nachgegangen zu sein485. Von Jenni wurde sie als finnland-

schwedische Tradition beschrieben, weswegen es nicht verwunderlich zu sein scheint,

dass keiner der Befragten, die keinen finnlandschwedischen Hintergrund besitzen, von

dieser Aktivität wussten486. Tero fragte sogar noch einmal nach, wobei sein „Sell flo-

wers?“ etwas ungläubig klang, was den Eindruck, er hätte noch nie zuvor davon gehört,

weiter verstärkte487. Auch ich habe in den Wochen, die ich vor Vappu in Turku und

Helsinki verbrachte, auf den Straßen dieser Städte keinerlei Nachweis für den Verkauf

von Maiblumen gefunden.

Zwei weitere Brauchelemente, die vereinzelt in den älteren Interviews und auch Archi-

valien genannt wurden, sind das Aufstellen einer Maistange488, sowie ein Gang in das

schwedische Theater von Turku anlässlich des Ersten Mai489. Nach der Maistange hatte

ich nur bei einem der Interviews gefragt, wobei Ann-Helen meinte, dass diese nur zu

Mittsommer aufgestellt werden würden. Auch auf den Theaterbesuch sprach ich ledig-

lich Heidi G. und Ann-Helen an und obwohl diese etwa zur gleichen Zeit studiert haben

müssen wie die Befragten von 1987, die auf eben diese „Tradition“ hinwiesen, wussten

sie nichts darüber zu berichten. Womöglich handelt es sich hierbei um einen persönli-

chen Brauch der Interviewpartner von 1987, dem nicht allgemein nachgegangen zu sein

scheint.

484 Vgl. Interview mit Jenni, S. 2. 485 Vgl. Interview mit Heidi H., S. 3. 486 Vgl. Interview mit Tero, S. 2; Veronica, S. 6. 487 Vgl. Interview mit Tero, S. 2. 488 Vgl. Von Nyland: SLS 644, 1102; SLS 502, 122-123 (geb. 1925); SLS 502, 38 (geb. 1925); SLS 434 a, 44-45 (geb. 1849); SLS 644, 1268 (geb. 1891). 489 Vgl. Interviews von 1987: 1987/1:110; 1987/1:58.

90

3.2.6 Zwischenbilanz

Beim Gespräch mit den Interviewpartnern, konnte der Eindruck gewonnen werden, bei

Vappu handle es sich um den Höhepunkt des studentischen Kalenders, den sie vor allem

mit Dingen wie Ballons und anderen Dekorationselementen, verschiedenen Spezialitä-

ten an Vappu, sowie den essentiellen Bestandteilen des studentischen Ersten Mai assozi-

ierten. Auch die Erinnerung an die Festlichkeiten zum Ersten Mai ihrer Kindheit war

den meisten Befragten präsent und so waren sie in der Lage, von Familienfesten, Ver-

gnügungsparks und Marktständen zu berichten, sowie die zuvor genannten Assoziatio-

nen noch weiter auszuführen. Gerade die Darstellung des studentischen Teils der Feier

zu Vappu nimmt bei den Interviews einen beträchtlichen Teil ein.

Während die Studenten der Åbo Akademi die Vappu vorausgehende Woche nicht wei-

ter erwähnen490 , weswegen anzunehmen ist, dass zumindest in der Studentenkultur

dieser Universität währenddessen keine weiteren Aktionen vorgesehen sind, weiß vor

allem Tero, ein Teekkari der Aalto-Universität von Helsinki viel von der Vappu week zu

erzählen. Demnach finden während dieser Woche zahlreiche Events statt, die größten-

teils auf Bestandteile der finnischen Studentenkultur aufbauen, wie zum Beispiel das

spezielle Vappu-Sitsit und die Sitsit-Competition auf dem Campus, an der jeder, der

möchte, teilnehmen kann. Darüber hinaus wird das Vappu-Magazin ÄPY veröffentlicht,

welches in den darauf folgenden Tagen von vielen freiwilligen Studenten in den Straßen

Helsinkis verkauft wird. Auch in Turku findet sich eine solche Zeitung, die allerdings

erst am 30. April im Kåren herausgegeben wird. Des Weiteren werden an der Aalto-

Universität eigens für die Fuksis, die technologischen Studenten des ersten Jahres,

Veranstaltungen organisiert. Vappu stellt für diese einen wichtigen Moment in ihrer

Studentenlaufbahn dar, bekommen sie doch hier ihre spezifische Teekkari-

Studentenmütze überreicht, für dessen Erwerb sie während ihres ersten Jahres an der

Universität durch aktive Teilnahme am Studentenleben Punkte sammeln mussten.

Durch Aktionen in der Vappu week wie beispielsweise dem geheimen Fuksi-killing

werden sie auch hochsymbolhaft zu „echten Teekkaris“ gemacht. Während an anderen

Universitäten weltweit vom Prinzip her ähnliche Initiationsriten unter dem Begriff

Hazing traurige Bekanntheit erlangen, wird bei den erwähnten Aufnahmeritualen in

Finnland kein Student ernsthaft gedemütigt oder körperlich und seelisch verletzt.

Der 30. April ist genau genommen der wichtigere Part der Feierlichkeiten zum Ersten

Mai. Am späten Nachmittag bis frühen Abend versammeln sich vor allem Studenten

und Alumni in vielen Städten Finnlands an den Statuen ihrer Stadt. Oft wird ein offiziel-

490 Die Ausnahme bildet Jenni, die von dem Wettkampf der technologischen Studenten der Turku Univer-sity um den besten Streich berichtet.

91

ler Marsch dorthin auf die Beine gestellt, bei dem unter anderem universitäre Flaggen

mitgeführt werden. In Helsinki werden um Punkt 18 Uhr, nachdem die Statue mit einer

eigens dafür angefertigten Studentenmütze gekrönt wurde, die eigene Abitur- oder eben

Studentenmütze aufgesetzt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass beispielsweise die tech-

nologischen Studenten von Helsinki ihre Kappen erst um Mitternacht aufsetzen. In

Turku allerdings findet bei den Geschehnissen des 30. April eine räumliche Trennung

zwischen den Finnlandschweden und den Finnen, zwischen Vårdberg und Marktplatz,

beziehungsweise dem Berg des Kunstmuseums, statt. Am Vårdberg befindet sich keine

Statue, die bekrönt werden könnte. Stattdessen tritt der akademische Sängerchor auf,

der auch ein kleines Mädchen, Ljuva flicka, mit einem Lied ehrt und den Frühling be-

singt. Letzterer wird in einer Rede des Präsidenten der Student Union willkommen

geheißen, woraufhin die weißen Studentenmützen aufgesetzt werden. Die Statue Lilja,

die ebenfalls mit einer Studentenmütze versehen wird, spielt den Interviews zufolge nur

eine untergeordnete Rolle, während die Krönung der Havis Amanda der Höhepunkt der

Maifeierlichkeiten in Helsinki zu sein scheint. In beiden Städten wird nach diesem Akt

gemeinhin gefeiert, getrunken und gegessen.

Am nächsten Morgen finden Picknicks in verschiedenen Parks statt, wobei zumindest in

Helsinki das der Finnlandschweden in einem anderen Park angesiedelt ist, als das der

übrigen Finnen, wohingegen in Turku sich alle gemeinsam in ein- und demselben Park

vom Vorabend erholten. Von politischen Paraden und auch sonstigen Aktionen am

Ersten Mai war wenig zu bemerken. Die befragten Studenten wussten auch nur, dass

etwas stattfand, hatten aber nie daran teilgenommen oder dabei zugesehen. Auch bei der

von mir durchgeführten teilnehmenden Beobachtung fielen keinerlei politische Aktivi-

täten auf. Es verdichtet sich also die Annahme, der Erste Mai in Finnland sei mehr ein

Fest der Studenten als der Politik. Als „zentrales Element“ kann die Studentenmütze

gesehen werden, die an diesen beiden Tagen allgegenwärtig ist und, wie anhand persön-

licher Berichte über den Verlust derselben verdeutlicht wurde, einen hohen emotionalen

Wert für den Träger besitzt.

Auch wird Vappu an sich von vielen Finnen große Bedeutung beigemessen. Eine inter-

viewte Studentin beschreibt es als etwas, das alle zusammenbringt, also als etwas, das

Gemeinschaft schafft. Zudem hätte sie nie von solch einem Konzept in anderen Ländern

gehört, auch wenn der Erste Mai weltweit auf eine gewisse Art und Weise begangen

werde. Sie würde sogar ausländische Freunde haben, die extra für Vappu nach Finnland

zurückkämen. Ferner würde durch den klaren, immer gleichen Ablauf Vappu als umso

festlicher empfunden, vergleichbar mit Weihnachten, das man jedes Jahr ähnlich erlebe

und dann immer so begehen wolle.

92

4 Bilanz eines Festes

Der finnische Erste Mai, Vappu oder auf finnlandschwedisch auch Valborg genannt, ist

in seinen Ursprüngen ähnlich wie das Maifest in Deutschland nicht genau datierbar. Die

Zeitlichkeit des Festes zum Frühlingsbeginn hing in beiden Ländern von der klimati-

schen Lage der einzelnen Regionen ab und wurde keineswegs immer überall am selben

Datum gefeiert. Doch auch darüber hinaus finden sich in der historischen Entwicklung

des Feiertages, darin, wie er einst begangen wurde, einige Gemeinsamkeiten.

Im Zusammenhang mit dem Ersten Mai muss auch der Vorabend genannt werden, der

als Walpurgisnacht, spätestens seit Goethes Faust, bei vielen Bilder von Hexenver-

sammlungen heraufbeschwört. In den Vorstellungen der Landbevölkerung, sowohl in

Finnland, als auch Deutschland, war die Walpurgisnacht eine Zeit, in der es galt, Hexen

und andere böse Mächte von Haus und Hof zu vertreiben. Hiervon zeugen unter ande-

rem Archivalien, in denen vorwiegend bäuerliche Vorkehrmaßnahmen gegen Hexen

festgehalten wurden. Hierzu gehörte neben Lärm, der beispielsweise durch

Peitschenknallen und Glockenläuten erzeugt wurde, auch das Abbrennen von Maifeuern,

welches auch heute teilweise noch betrieben wird. Mittelalterliche Heerschauen,

verbunden mit einem Maigrafenfest zählen ebenso zu den Brauchelementen, die sowohl

in Finnland, als auch Deutschland am Ersten Mai praktiziert wurden. In diesem Zusam-

menhang ist zudem der symbolhaft ausgetragene Kampf zwischen Winter und Sommer

und das Austreiben des Winters, beziehungsweise der Einzug des Frühlings - alles

durch verkleidete Menschen dargestellt - zu nennen. Zu den gemeinsamen Maitags-

Aktivitäten zählt darüber hinaus der politische Erste Mai, der 1886 beziehungsweise

1889 seinen Anfang nahm und an dem seitdem weltweit Arbeitnehmer für ihre Rechte

demonstrieren.

Von diesen Gemeinsamkeiten abgesehen, sind die Maifeiern in den beiden Ländern

allerdings gänzlich anders ausgerichtet. Der in Deutschland so beliebte Maibaum, sowie

das Maifeuer ist in Finnland nur in den vorwiegend schwedischsprachigen Gebieten zu

finden. Städtische Traditionen wie der Verkauf von Maiblumen zu wohltätigen Zwe-

cken dagegen sind in Deutschland nicht (mehr) verbreitet, während in Finnland zumin-

dest die schwedischsprachige Bevölkerung diese Tradition weiterhin pflegt.

Am augenfälligsten ist wohl der Umstand, dass in Finnland der Aspekt des Frühlings-

festes in einem viel stärkeren Maße betont ist, als es in Deutschland der Fall ist. Zwar

existieren auch hier neben den politischen Aktivitäten gerade auf dem Land noch einige

Bräuche wie der des Maibaum-Aufstellens, -Bewachens und –Stehlens, der sich gerade

in Bayern noch immer großer Beliebtheit erfreut, doch ist der deutsche Erste Mai den-

noch eher politisch konnotiert - trotz seit längerem rückläufiger Teilnehmerzahlen.

93

In Finnland dagegen nimmt vor allem das Studentenfest einen großen, wenn nicht sogar

den größten Raum des Maifestes ein. Hier ist besonders der Vorabend von Bedeutung,

an dem in den verschiedenen finnischen Städten Statuen mit eigens dafür angefertigten

Studentenmützen versehen werden. Teilweise davor, meist danach dürfen alle, die

jemals ihr Abitur gemacht haben, ihre eigene Abitur- beziehungsweise Studentenmütze

aufsetzen. Dies stellt einen bedeutungsvollen, feierlichen Akt dar, nach dem großer

Jubel ausbricht und die meisten feiern gehen. Auch viele, die keine Studenten sind,

nehmen an den Feierlichkeiten teil. An einigen finnischen Universitäten begehen die

Studenten bereits eine, in Einzelfällen sogar schon zwei Wochen zuvor den Auftakt der

Vappu-Vorbereitungen. Hierfür werden in den darauffolgenden Tagen zahlreiche Ver-

anstaltungen und Events organisiert, die teilweise zur allgemeinen Erheiterung der

Studenten und zur Einstimmung auf Vappu beitragen sollen, teilweise aber auch von

großer Bedeutung sind, wenn es zum Beispiel darum geht, aus den Teekkari-Fuksis, den

Technologiestudenten im ersten Studienjahr, „echte“ Teekkaris zu machen. Für diese

stellt der Erste Mai ein einschneidendes Erlebnis dar, da sie am Morgen des 30. April

endlich ihre Studentenmütze erhalten, die sie dann einige Stunden später zum ersten

Mal aufsetzen dürfen.

Das Hauptelement des eigentlichen Ersten Mai sind die Picknicks im Park, eine Traditi-

on, der in allen Universitätsstädten Finnlands nachgegangen wird. Hier steht die Ent-

spannung nach einer meist langen Nacht im Vordergrund, während andere Aktivitäten,

wie die politischen Kundgebungen und Paraden, in den Hintergrund rücken. Diese

Bedeutungslosigkeit, die dem politischen Ersten Mai in Finnland beigemessen wird,

zeigt sich auch in den von mir geführten Interviews.

Der Erste Mai in Finnland und Deutschland hat, wie dargelegt wurde, sowohl entwick-

lungsgeschichtliche, als auch aktuelle Gemeinsamkeiten, die sich in der Vorstellungs-

welt der Bevölkerung, sowie in ihren Bräuchen und Traditionen äußern. Doch schwerer

wiegen die verschiedenartigen Ausgestaltungen des Festes, die Gewichtung der unter-

schiedlichen Festelemente.

Über Vappu gäbe es sicherlich noch sehr viel mehr zu schreiben, als es im Rahmen

dieser Magisterarbeit möglich war. Gerade mit Hilfe einer größeren Anzahl Interviews

ließe sich mehr über aktuelle Brauchformen herausfinden, zumal wenn die Interview-

partner aus den verschiedenen Regionen Finnlands und zudem aus breiter gestreuten

Altersgruppen ausgewählt werden würden. Mit den nötigen Sprachkenntnissen könnten

in den finnischen Archiven Urkunden und andere Archivalien bezüglich der Geschichte

Vappus und wie es zu den verschiedenen Zeitpunkten seines Bestehens begangen wurde,

untersucht werden.

94

5 Anhang

5.1 Glossar

Aalto-Universität Entstand aus der Helsinki School of Economics, der Helsinki University of Technology und der School of Applied Arts.

Åbo Akademi Die schwedischsprachige Universität von Turku. Åland Insel zwischen Finnland und Schweden; offiziell zu Finnland

gehörig, stehen aber der schwedischen Kultur näher. Bonfire Jahresfeuer. Brahe Djäknar Akademischer Männerchor der Åbo Akademi. Folkhälsan Volkshilfeorganisation, organisiert Verkauf von Maiblumen. Fuksi Studenten, die ihr erstes Jahr an der Universität noch nicht

abgeschlossen haben, sog. Freshmen. Fuksi-Captain Tutor einer Gruppe von Fuksis während deren ersten Jahres. Furaschka Teil der von Zar Nikolai I. eingeführten Studentenuniform:

„erste nordische Studentenmütze“. Havis Amanda Frauenstatue in Helsinki, 1905 von Ville Vallgren. Kåren Studierendenvertretung der Åbo Akademi, auch Bezeichnung

für das Gebäude derselben. Lilja Frauenstatue in Turku, symbolisiert die offizielle Blume der

Stadt. Ljuva flicka Kleines Mädchen, für das vom Chor ein Lied gesungen wird. Lukkari Toast-Master, der ein traditionelles Sitsit anleitet. Majviska Schwedisch: Stab mit bunten Papierstreifen, ähnlich einem

Pompom. Manta s. Havis Amanda. Mjöd Schwedisch: schwach alkoholhaltiges Getränk, hergestellt

aus Wasser, Zitronen, braunem und weißem Zucker und Hefe.

Munkar Schwedisch: frittiertes Gebäck, ähnlich einem Doughnut oder Krapfen.

Munkki Finnisch: frittiertes Gebäck, ähnlich einem Doughnut oder Krapfen.

Nyland Finnisch: Uusimaa, eine Region im Süden Finnlands. Ostbottnien Österbotten, Gebiet an der Westküste Finnlands, verstärkt

schwedischsprachiger Raum. Otaniemi Campus der Aalto-Universität, liegt in Espoo. Overalls Studentenoveralls. Jeder Fachbereich einer Universität be-

sitzt eigene Farbe; Studenten tragen sie zum feiern und ver-sehen sie mit Aufnähern, die auf offiziellen Feiern gekauft werden.

Prodeko Gilde, Studentenorganisation der Teekkaris der Aalto-Universität.

Pulla Hefeteiggebäck, meist mit Kardamom. Sitsit Traditionelle akademische Art des Feierns, Festessen. Sima Finnisch: schwach alkoholhaltiges Getränk, hergestellt aus

Wasser, Zitronen, braunem und weißem Zucker und Hefe. Snapsvisa, Snapsvisor Schnapslieder, zum Einnehmen von Schnaps gesungen,

ermuntern oft zum Trinken. Speksi Improvisationstheater.

95

Struva, Struvor Schwedisch: frittiertes Gebäck, aus mehreren langen Teig-strängen zusammengefügt ist.

Student Union Studierendenvertretung. Teekkari Technologiestudent der Aalto-Universität in Helsinki. Tippaleipä Finnisch: frittiertes Gebäck, aus mehreren langen Teigsträn-

gen zusammengefügt ist. Vappu, Valborg „Walpurgis“, gemeint ist der Vorabend des Ersten Mai und

der Erste Mai an sich. Erstere Bezeichnung ist finnisch, zweitere schwedisch.

Vappuhuiska Finnisch: Stab mit bunten Papierstreifen, ähnlich einem Pompom.

Vappu week Die Woche vor Vappu.

96

5.2 Quellennachweis

SLS 114, 55

SLS 192, 92

SLS 192 s. 94

SLS 198, 122

SLS 201 s. 98

SLS 201 s. 100

SLS 208, 59

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SLS 239, 330

SLS 239, 331

SLS 239 s. 332

SLS 239, 379

SLS 239, 517

SLS 283, 320

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SLS 533 s. 555-556

SLS 533 s. 557

SLS 533 s. 558

SLS 533 s. 559-560

SLS 546, 108

SLS 560, 206

SLS 560, 576

SLS 560, 639

SLS 560, 1143

SLS 560, 1495

SLS 561, 60

SLS 561, 142

SLS 562, 946

SLS 579, 366

SLS 581, 694

SLS 581, 932

SLS 581, 1043

SLS 584, 2

SLS 584, 152

SLS 584, 261

SLS 588, 11

SLS 593, 5

SLS 593, 39

SLS 618, 225

SLS 618, 234

SLS 618, 247

SLS 634, 4

SLS 639

SLS 639, 633

SLS 644, 559

SLS 664, 333

SLS 644, 1102

SLS 644, 1253

SLS 644, 1259

SLS 644, 1268

SLS 644, 1358-59

SLS 644, 1418

SLS 665 b, 71

SLS 669, 11

SLS 674, 326

SLS 766, 36

SLS 931, 30

SLS 931, 49-50

SLS 931, 60

SLS 1174, 40

SLS 1114, 55

SLS 1528

SLS 1550, 29

SLS 1550, 380

SLS 1174, 35

SLS 1174, 38

SLS 1174, 40

SLS 1174, 63

SLS 1528 S. 04

FMK 34, 186

FMK 69 a, 41 Uppt. 1932

FMK 139 b, 1947

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1954

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1987/1:110

97

5.3 Literaturverzeichnis

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100

5.5 Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit gemäß § 17 Abs. 2 MagPO, dass ich die vorstehende Magister-

arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und

Hilfsmittel benutzt habe. Entlehnungen sind unter Angabe der Quelle kenntlich

gemacht.

Bamberg, 01. Februar 2012