Theodor Nöldeke an und über Paul de Lagarde.

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ARBEITSMATERIALIEN ZUM ORIENT herausgegeben von Jens Peter Laut, Ulrich Rebstock' ' Tilman Seidensticker Band29 Bernhard Maier Gri.in derzeit der Orientalistik Theodor Noldekes Leben und'S7'erk im Spiegel seiner Briefe ERGON VERI"TG

Transcript of Theodor Nöldeke an und über Paul de Lagarde.

ARBEITSMATERIALIEN ZUMORIENT

herausgegeben von

Jens Peter Laut, Ulrich Rebstock'' Tilman Seidensticker

Band29

Bernhard Maier

Gri.in derzeit der Orientalistik

Theodor Noldekes Leben und'S7'erk

im Spiegel seiner Briefe

ERGON VERI"TG

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ISSN l,l,l(, ti()72

lsllN 978-.1-tle9 I J-e70"e

Inhaltszterzeichnis

Danksagung ....................7

Abkiirzungen ................. ..................... 9

Einleitung ..................... 11

I. Leben und \X/erk im Spiegel der Briefe.... ......15

1. Der historische Rahmen:Deutschland vom Vorma rz bis zur Weimarer Republik................... 1 5

2. Europa und der Orient imZeitaker des Kolonialismus...................Zz

3. Staat, Kirchen, Religionen und Gesellschaft.....................................27

4. V7'issenschafts- und Bildungspolitik im Kaisereich.. ........................32

5. Kindheit,Jugend und Studium .................37

6. Studienabschluss und Wanderjahre............. ..................44

7. Professor in Kiel........ .............52

B. Professor in Straf3burg ...........57

9. Lebensabend in Stra8burg und Karlsruhe........................................78

II. Ausgewdhlte Briefe mit Erliuterungen......... ..................... g3

III. Anhang .................421,

1. Verzeichnis der Schriften Theodor Noldekes.... ..........421,

2. Yerueichnis der handschriftlichen Qrellen .................460

3. Register.. ...........461

hindert von personlichen Riicksichten auszusprechen.(l23 ,Haben Sie dennEwald besucht?", fragte Noldeke acht Monate spiter Georg Hoffrnann nachdessen Ubersiedlung von Berlin nach Gottingen und fi,rgte hinzu, ,,Ich weiBnicht, ob ich es Ihnen empfehlen kann. Man mag einem Mann von E.'s wis-senschaftlichen Verdiensten geme alle Riicksichten erweisen, aber freilich hatalles sein Ende ! Ich bin jetzt auch vollig mit ihm zerfalTen.<tz4 Gleichwohlverteidigte Noldeke auch viele Jahre spiter noch Ewald gegen die seiner Auf-fassung nach ungerechtfertigten Angriffe Lagardes. ,,Lag. urtheilt tiber Ewaldsehr abschdtzig", schrieb er im Juni 1880 an Hoffrnann, ,,aber in manchenPuncten hat er seltsame Aehnlichkeit mit E, nur dass nach meiner festenUeberzeugung E, doch von Haus aus viel bedeutender war u. trotz aller Thor-u. Verschrobenheiten auch viel, viel mehr geleistet hat als Lag. leisten katxn.*r2s

In dhnlicher'!(l'eise erkldrte er neunJahre spiter:125

Dass Ewald au8erordentlich gewirkt hat, bleibt doch bestehn, u. wenn Lag. ersteinmal - bei beschrdnktem Material - zwei so einfache, klare, in allem'Wesentli-chen richtige, u. zugleich ganz Neues bringende Abhandlungen geschrieben hatwie Ewald's Jugendarbeiten, seine Darstellung der syr. Punctation und seine Dar-stellung der arab. Metrik (kiirzer wiederholt in d. arab. Gramm.), dann hat er eherein Recht iiber Ew. abzusprechen, Ew's riesige Mdngel kenne ich gnindlich, aber,wie gesag! er war doch ein gewaltiger Mann.

5. S tu die nab s chl u s s an d rYan derj ah re

Im Sommer 1856 wurde Noldeke aufgrund seiner Preisschrift De origine et

c omp o s i ti o n e S urar u m qoran i c ar wm ip s i w s qu e fu ran i pr omov rert:r27

Ich habe ndml ktine Dr.-Diss. geschrieben, sondern bin auf meiner Studentenpreis-schrift @e Surar. Q>ran. etc.) Dr. geworden. Den Unsinn, dass in Gottingen solcheStudentenarbeiten gedruckt werden mtissen, habe ich nicht zu verantworten!

Im Friihherbst 1856 begab er sich daraufhin nach'S7ien, ,,in der - nie erfirll-ten - Hoffnung, von dort in den Orient zu gelangen." In der \ilZiener HoFbibliothek untersuchte er arabische und tiirkische Handschriften und ,,lern-te bei den Mechitaristen sogar etwas tirrkisch sprechen."l28 ,Der 2}jdhrigeDoctor wurde von den 'W'iener Gelehrten durchweg sehr liebenswiirdig auFgenommen", erinnerte sich Noldeke iiber ein halbes Jahrhundert spdter.

rzt 1959-19-94 an H. Ewald. S. Fick u. von Selle 1932 (wie in Anm. 4), S, 188. DerBrief ist auch vollstdndig abgedruckt in Littmann 1930-1931 (wie in Anm. 3), S. 55.

Da 1979-95-97 anG. Hoffrnann (UBK)1zs 1339-66,-92 anG. Hoffmann (UBK).tze 1339-19-19 an G. Hoffrnann (UBK).t27 1888-04-28 an G. Hoffrnann (UBK).128 Biographische Bldtter S. 7. S. Bobzin 2002 (wie in Anm. 35), S. 94.

44

in Konigsberg und Jena 1877 an die Universitit Tiibingen berufen wurde,

erfolgten auch' wieder wechselseitige Besuche.17z Eine willkommene Gele-

genheit zur engen Zusammenarbeit bot in den folgenden Jahren die Mitar-

beit an der Erytclopaedia Britannica, tn der Noldeke firr den Artikel ,,Persia"

einen uberblick iiber die Reiche der Achimeniden und Sasaniden gab,

wdhrend von Gutschmid die dazwischenliegende Epoche des Hellenismus

und des Reichs der Arsakiden behandelte. Um so hdrter traf Noldeke von

Gutschmids unerwartet friiher Tod am 2. Mdrz 1887. ,Etwas mehr als ein

Jahr ist,s nun, dass ich Gutschmid begrub", schrieb Noldeke im Friihjahr

lgBB an Georg Hoffmann, als dieser ihm von seiner Teilnahme am Begrib-

nis Heinrich Fleischers berichtete, um sogleich hinzuzufirgen, ,,'!(/'ie mir der

auf Schritt u. Tritt fehlt, kann ich gar nicht sagen. Selbst in solchen Fillen,

wo ich dies oder jenes lese und denke: was wi.irde wohl G. dazu sagen?"t73

Auf den ausdriicklichen riTunsch des Verlegers hin erschien Noldekes Name

auf dem Titelblatt der postum veroffentlichten Geschichte lrans wnd seiner

Nachbarkinder aon Alexander dem GroJien bis zwrn Untergang der Arsaciden, dre

aus von Gutschmids Artikel fiir die Encyclopaedia Britannica hervorgegangen

war und zu der Noldeke das Vorwort geschrieben hatte.rTa Mit gro8em Eifer

verfolgte Noldeke auch den Plan einer Ausgabe der weit Yerstreuten und

oftmals schwer zugdnglichen Kleinen Schriften von Gutschmids, der

schlie8lich von Franz Riihl (1845-1915), von Gutschmids Nachfolger auf

dem Lehrstuhl fur Alte Geschichte an der Universitdt Konigsberg, ausge-

firhrt wurde.17s

Aus den letzten Kieler Jahren Noldekes datieren die Anftnge seiner Be-

kanntschaft mit Georg Hoffrnann (1845-1933), der Noldeke im Friihjahr

1869 ein Exemplar seines Erstlingswerkes De ltermenewticis apud Syros Aristo-

teleis zugeschickt hatte. ,Empfangen Sie zunlchst meinen Gliickwunsch zu

der vortrefflichen fubeit!", schrieb Noldeke in seinem Dankesbrief und gab

darin zugleich seiner Ansicht Ausdruck, ,dass selten eine Erstlingsarbeit so

gediegen is1.$175 Uberzeugt rl$n Hoffmanns hoher wissenschaftlicher Beft-

higung, bestirkte Noldeke ihn in seinem Plan, sich in Gottingen zu habili-

tieien, und gab ihm in diesem Zusammenhang den Rat, in Forschung und

Lehre neben der Semitistik auch das AIte Testament zu behandeln: ,,Die

Stellen firr Semitisten, welche nicht zugleich das A. T. erkllren sollen, sind

in Deutschland sehr diinn geslt. Da fast gar kein Nachwuchs von wissen-

ttz 5.1g7g-g2-28 an A. Dillmann und 1882-10-17 anM. J. de Goeje (s. u. S. 180 und1eB).

173 1888-04-03 an G. Hoffmann (UBK)tta 1g97-11-94 an G. Hoffrnann (s. u.5.227).lzs 1339-16-22 und 1888-11-29 an A. Dillmann (s. u. S. 235-237).rt6 1959-94-19 an G. Hoffrnann (JBK),

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schaftlicher Bedeutung fi,rr das A. T. vorhanden, so kann ich Ihnen fiir die-

sen Fall, aber nwr fiir diesen, gute Chancen versprechen.*tTT In der Folge

wandte sich Noldeke mehrfach an Hoffrnann mit der Bitte, ftir seine Rezen-

sionen in den Gdttingisclten Gelehrten Anzeigen die Korrekturen zv lesen, undschrieb ihm schlie8lich imAugust 1871:,,Sorgen Sie dafur, dass ich an eine

gro8ere Universitdt berufen werde: dann will ich alles aufbieten, dass Sie

mein Nachfolger werden.(l78 Nachdem Noldeke im Fri.ihjahr 1872 einenRuf an die Universitit Stra8burg angenommen hatte, wurde Hoffrnanndenn auch tatsdchlich sein Nachfolger in Kiel. Zahlreiche Briefe aus den

folgenden Jahren belegen zum einen den engen Kontakt zwischen beiden

Wissenschaftlern, zum anderen die hohe Anerkennung, die Noldeke HofFmanns philologischem Scharfsinn immer wieder zollte. ,,Sind Sie aber ein

Unmensch; was Sie alles in einen solchen Octavband zusammenpressen!",

schrieb Noldeke im Juni 1880 nach dem Erscheinen der Awsziige aus sltri-

schen Akten persischer Mrirqtrer, um sogleich hinzuzufugen, ,,Darin hdtte ein

Andrer ein langes Leben als gro8er Gelehrter Sefristetl"lTeAuf eine harte Probe gestellt wurde die Freundschaft zwischen Noldeke

und Hoffrnann wenige Monate spdter durch die Angriffe, die Paul de Lagarde

- nach Auffassung vieler vor allem aus gekranktem Ehrgeiz - in seinen Schriiten gegen Noldeke, Albrecht'Weber und die Redaktion der ZDMG richtete,

worauf Hoffrnann in einem Akt der Solidaritdt mit seinem ehemaligen Lehrer

aus der Deutschen Morgenlindischen Gesellschaft austrat. Tief gekrdnkt tiber

diese Parteinahme, schrieb Noldeke ihm darauf im Januar 1881, ,,dass dies-

mal zwischen uns noch alles beim alten bleibt, dass aber auch meine Geduldeine Grinze hat. W'enn Ihnen also etwas daran liegt, mein Freund zu bleiben,so bitte ich Sie dringend, keine weiteren Schritte der Art zu thunlll"l8o Ge-

geniiber Vilhelm Pertsch erkldrte Noldeke zur gleichen Zeit: Slie konnten

Sie denken, ich sei mit Hoffrnann's Ausffitt aus der DMG und gar einer oifentlichen Erkldrung einverstanden? Ich bedaure aufls tiefste, dass dieser vor-treffliche, aber eigensinnige und in mehreren Puncten sonderbare Mensch ge-

gen Lagarde, dessen personl. Schiiler er schon vom Gymnasium her ist, eine

so iibertriebene Pietit u. blinde Verehrung hat. Ndhme er nicht auf michRiicksicht, ich glaube, er wdre zu noch gro8eren Thorheiten fihig. Ich schrei-

be ihm iibrigens alles, wie ich's denke.(181'$7ie der weitere Verlauf der Korrespondenz belegt, trugen der gegenseiti-

ge Respekt und die gemeinsamen wissenschaftlichen Interessen schon bald

ttt 1959-19-24 an G. Hoffrnann (UBK).tza 1371-63-97 anG. Hoffiaann (UBK).t7e 1880-06-20 an G. Hoffrnann (UBK).tso 1331-61-24 an G. Hoffmann (UBK).141 1391-91-24 an'!7. Pertsch (UFBEG).

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zur Entscherfung des Problems bei. ,Kommen Sie doch dies Jahr mal her",

schrieb Noldeke Anfang Februar 1882 aus Stra8burg nach Kiel und setzte

hinzu,,,Ich mochte Sie gar zu gern mal iiber 100 u. 1000 Sachen sprechen.

Mit Socin182 u. Thorbeckel83 kann ich zwar iiber viele wissensch. Dinge

sprechen, aber doch lange nicht in d. Umfang wie mit Ihnen. Wir beiden

decken uns leidlich in unseren wissenschaftl. Interessen u. wo's nicht ganz

geschieht, schadet es nichts."l8a DaLagarde Noldeke in seinen Schriften je-

doch auch weiterhin (implizit oder explizit) kritisierte, machte sich der

schwelende Konflikt auch in Noldekes Briefen an Hofknann immer wieder

bemerkbar, und selbst nach Lagardes Tod am 22. Dezember 1891 gaben

seine testamentarischen Verfiigungen sowie die Pldne zur Griindung einer

Lagarde-Stiftung noch einmal Anlass zu Misshelligkeiten. 18s

8. Professor in Stratlburg

Yon LB72 bis 1905 (und sporadisch auch splter noch) lehrte Noldeke an der

neugegriindeten Reichsuniversitlt (seit 1 877,,Kaiser-\W'ilhelms-Universitit")Stra8burg. Letzterc zeichnete sich durch eine iiberdurchschnittlich junge

Professorenschaft, aber auch durch einen betont moderne Organisation undnicht zulezt eine besonders gut ausgestattete Forschungsbibliothek aus.185

Hatte Noldeke in Kiel noch Sanskrit und Altes Testament unterrichtet, so

beschrinkte er sich in Stra8burg weitgehend auf den Unterricht in der Se-

mitischen Philologie, wobei er aufgrund seiner eigenen wissenschaftlichen

Reputation, aber auch infolge des hohen Renommees der neugegriindeten

Universitit und ihrer zentralen geographischen Lage verstlrkt bereits weit

fortgeschrittene junge Wissenschaftler, auch aus dem Ausland, zu seinen

Horern zahlte.187 Viele Studenten hatte Noldeke allerdings za keiner Zeit,

182 Albert Socin (1844-1 899), ru jener Zeit Professor flir orientalische Sprachen in Tii-bingen, spdter Nachfolger Heinrich Fleischers in Leipzig.

183 Andreas Heinrich Thorbecke (1837-1890), seit 1873 au8erordentlicher Professor inHeidelberg. S. A. Merx in ADB 38 (1894), S. 115-117).

ta+ 19g2-92-92 an G. Hoffrnann (UBK),ras 692-12-30 und 1893-01-08 an G. Hoffinann G. ,. S. 260-262).tae y4. dazu Stephan Roscher, Die Kaiser-:Wilhelns-Uniaersitat Stra$burg 1872-1902

(Frankfurt am Main: Lang 2006) sowie Rainer Mohler, ,,Litteris et Patriae: zweimaldeutsche Universitdt Stra8burg zwischen l7issenschaft und Germanisierung (1872-1918 und L94L-L944)", in: A, Heinen und D. Hiiser (Hrsg,), Tbur dr France: eine histo-

rische Rundreise. Fuxchrfifar Rainer Hudernanz (Stuttgart: Steiner, 2008), S. L57-169.r87 Zw orientalistischelUnterichtsbetrieb im 19. Jahrhundert vgl. Sabine Mangold,

,,,Ueble Leistung er ist funfmal gehupft.' Zum arabistischen Unterricht an den deut-schen Universitlten des lg.Jahrhunderts", in: Gabriele Lingelbach (Hrsg.), Vorlesung,

Seruinar, Repetitorium: [Jniuersitttre geschichtsuissenschafiliche Leltre im historischen Vergleich

(Miinchen: Meidenbauer, 2006), S. 59-87.

57

Sollten Sie fur die G. g. A. vielleicht einmal einen Beitrag von Dr. Sachau

erhalten, so kann ich Ihnen die Aufnahme desselben wenigstens in so weitempfehlen, als ich ihn als einen sehr tiichtigen Mann von wissenschaftli-

chem Sinn und fiir einen Anfhnger sehr bedeutenden Kenntnissen kenne.

Meinen besten Dank fiir die Ubersendung der Abdri.icke von meinerletzten Recensionl

Einliegendes Briefchen haben Sie

sorSen.

Mit vollkommener Hochachtung

wohl die Giite an Prof. Benfey zu be-

Ihr ergebenster Th Noldeke.

1857-11-17 an Pawl de Lagarde (SUBG)

Hochgeehrter Herr Doctor!Obwohl ich Ihnen so gut wte ganz unbekannt sein muss - denn ich glaube

kaum, dass Sie sich einer fltichtigen Begegnung mit mir auf der Berliner Bi-bliothek vor etwa 8 Jahren noch erinnern werden -, habe ich mir doch die

Freiheit genommen, Ihnen ein Exemplar meiner so eben erschienenen neu-

syr. Grammatik zuzuschicken. Hoffentlich kommt Ihnen dieselbe baLd zuHinden; es geht zunichst an die Teubner'sche Buchhandlung in Leipzig.

Seit mehreren Jahren hat sich mein wissenschaftliches Interesse immermehr auf das Aramdische gewandt. Als ich meine erste Arbeit auf diesem

Gebiet (tiber das Manddische) schrieb, hatte ich noch sehr Wenig gelesen.

Inzwischen habe ich meine Lectiire schon ziemlich ausgedehnt, wenn ichauch noch Viel zu thun habe, bis ich meine Absicht ausgeflihrt haben wer-

de, wenigstens alles gedruckte Syrische zu lesen, dessen ich habhaft werdenkann. Dass sich nur durch eine umfassende Lectiire wirkliche Syrischkennt-nisse erreichen lassen, wird auch Ihre Uberzeugung sein.

Ich kann kaum erwarten, dass Sie meiner Grammatik ein besonderes In-teresse widmen werden. Ich selbst bin mit derselben sehr wenig zufrieden,und die Frage wiederholt sich mir immer noch, ob ich die Arbeit nicht ganz

hdtte unterlassen sollen, da es fur mich unmoglich war, den Hauptfehler,den Mangel wirklicher Bekanntschaft mit der Sprache durch das eigne Ohr, zuheben. Die Arbeit wuchs mir unter den Hlnden au8erordentlich. Als ich sie

zuerst anfing, dachte ich an eine kurze Abhandlung.Vielleicht mache ich mich splter noch einmal an das Mandiische, da

jetzt authentische Ausgaben theils erschienen sind, theils demndchst er-

scheinen werden. Freilich gehoren zu einer geniigenden Bearbeitung des

Mandlischen eigentlich eingehende talmudische Studien, die ihre bekann-ten Schwierigkeiten und Anstofie haben. Ein Ungliick ist es, dass in den ara-

mdischen Literaturen so wenig ist, was ftir mich inhaltliches Interesse hat.Wenn ich entscheiden sollte, ob mir etwa der Inhalt der talmudischen Strei-

131

.dPaul de Lagarde

t32

tigkeiten, oder des ,,Gedicht" Efraim's, oder der h. Schriften der Mandieram langweiligsten sei, so wei8 ich mich schwer zu entscheiden. Das interes-

santeste Buch der ganzen syrischen Literatur, das ich kenne, ist firr michdoch entschieden die Chronik des Barhebrlus, die einer vollstdndigen undgenauen Ausgabe so sehr werth wdre. In Bezug auf die Herausgabe von syr.

Schriften hitte ich i.iberhaupt noch manche Wiinsche, die vorldufig noch

lange auf Erfiillung zu warten haben werden. So mochte ich gern alles

Grammatische haben, namendich von Barhebrius. Hoffendich fuhrt Dr.

Sachau seine Absicht, den B. Bahhil herauszugeben, einmal aus. Freilich istdas eine sehr schwere Arbeit frir einen Anflinger, und ich rieth ihm deshalb

zuerst davon ab; da er aber die Absicht hat, sich griindlich vorzubereiten,und die Ausdauer, diese Absicht auszufrihren, so hoffe ich, dass er die Ar-beit einmal recht ti.ichtig machen wird. Sachau's Erstlingsarbeit, das

Mu'arrab des DschawAliki, werden Sie erhalten haben, und ich denke, Sie

werden auch finden, dass das flir einen jungen Mann von 22Jahren, der vor4 Jahren hier arabisch zu buchstabieren anfing, eine sehr brave Leistung ist.

Die Grammatik von Merx7o wird Ihnen vermuthlich eben so wenig ge-

ntigend erscheinen wie mir, wenn es auch immerhin ein bedeutender Fort-

schritt gegen den schon bei seinem Erscheinen antiquierten Hofmann ist.

Eine den berechtigten Anforderungen geniigende syr. Grammatik ist jetzt

auch noch kaum zu schreiben, so lange noch iiber so manches Einzelne gar

keine Untersuchungen vorliegen. An geniigender Lectiire scheint es Memaach za fehlen. Hofmann hatte nicht einmal das syr. A. Test. firr seine

Grammatik durchgelesen.

Wenn ich auch, wie gesagt, von Ihnen kein besonderes Interesse fiir meinBuch erwarte, so sollte es mich doch sehr freuen, wenn Sie dasselbe wenig-stens theilweise einer Durchsicht wiirdigten. Es liegt mir schon deshalb et-

was an Ihrem Urtheil, weil Sie einer der sehr wenigen Mdnner sind, vondenen man sagen darf, dass sie Syisch aerstehn.

Ihr ergebenster Th Noldeke.

1857-11-30 an MichaelJohan de GoeJe pBL)

Lieber de Goeje!

Ich hatte schon so vor, Dir heute zu schreiben, um einmal nachzufragen, ob

Du noch am Leben bist. Nuri kommt gerade gestern Abend Dein Brief, aus

dem ich ersehe, dass die Frage iiberfliissig ist. Freilich kann ich es wohl begrei-

fen, dass Du in diesen Monaten nicht eben zum Schreiben kommen konn-test. Neu vermdhlt, practisch und wissenschaftlich viel beschdftigt: dabei kann

70 Adalbert Merx (1838-1909), spdter Professor {tir Altes Testament an der UniversitdtHeidelberg, S. K. Breuer in NDB 17 (1994), S. 194-195.

133

Sprache deutsch war. So finden die sich sehr bequem in die deutsche Universitdt, der sie sehr werthvolle Krifte bieten. Viel weniger ist das mit den

tibrigen alten Facultdten der Fall. Ich bemerke noch, dass die Predigten imganzen Elsass fast ausschlie8lich deutsch geblieben sind. Ich hdtte dem dik-ken Pfaffen, von dem ich im Miinster eine sehr alberne Predigt iiber den

Rosenkranz horte, ein ,,Bravo" zurufen mogen, weil er deutsch predigte,

wdhrend ich gedacht hatte, im Miinster wiirde franzosisch gepredigt.

Mit d. Keilschriften bin ich jetzt so weit ausgesohnt, dass ich zugebe, die

Leute konnen sie im Ganzen u. Gro8en lesen und wenden die richtige Me-

thode an. Aber linguistisch ist nicht viel damit zu machen, da die wahnsin-

nige Schrift eine einigermaa8en sichere Feststellung der Aussprache nicht er-

laubt.Das mildere Klima sagt mir zu. Bis zum 2. Nov. (incl.) hatten wir scho-

nen Nachsommer. Geschwelgt haben wir in Trauben und Zwetschen.

Beste Grii8e von Haus zu HauslDein Th Noldeke.

1873-09-08 an Abraham Kwenen ABL)

Verehrter Herr CollegelBesten Dank firr die Abhandlung, die ich so eben mit dem gro8ten Interes-

se durchgelesen habe! Sie konnen sich denken, dass ich fast in allen Stiickenmit Ihnen tibereinstimme. An sich hitte Lagarde's Hypothese kaum eine so

eingehende W.iderlegung verdient. L, ist ein Sonderling auch in der Wissen-

schaft und hasst die Juden und in Folge dessen die Semiten iiberhauptgrimmig: das sind die Griinde, die ihn veranlassten, eine so eigenthiimlicheAnsicht aufzustellen. Aber grade wegen seines verdienten Ansehens undwegen der terroristischen Art, in der er seine Hypothese aufstellt und jene

Fabel als histor. Qrelle von hohem Rang vertheidigt, ist es doch gut, dass

Sie ihn grr.indlich widerlegt haben. Wo Lag. auf hebriische Sachen kommt,macht er iibrigens fast immer Seltsamkeiten.

In einem Puncte gehe ich weiter als Sie. Die 2666 Jahre ergeben sich doch

erst aus wissenschaftlicher Analyse, als Summe aller einzelner Posten in der

,,Grundschrift". Rechnet man aber den jetzigen Pentateuch als Einheit, so

kommt man mit dieser Zahl in's Gedrdnge. Die ,,400" Jahre der andern Qrel-le haben ja schon den Alten viel Noth gemacht. Ich schlie8e also, dass schon

derRedactor, welcher aus ,,Grundschrift" und einer andern Qrelle den alten

Pentateuch (vor dem Deuteronomium, das hierbei ja aber keine Rolle spielt)

machte, die Widersprtiche iibersehen hat; er hitte sie sonst ausgeglichen. Also

nehme ich keck an, dass die ,,Grundschrift" '1ene 2665 hatte; dass dre Zahl

nicht spdteren Ursprungs ist, folgt eben daraus, dass Niemand sie friher ge'

funden hat, bis man in neuster Zett dre Qlellen schied. Nach Ihrer Darstel-

158

lung sieht es fast aus, als wire Lagarde der Entdecker dieser Zahl1; das ist aber

mein Freund v. Gutschmid, auf dessen Mittheilung hin ich sie in meinen

,LJntersuchungen" publiciert habe. Gutschm. hat zahllose ganz oder halb fa-

belhafte Chronologien durchgerechnet, und es ist zum Erstaunen, wie sich zu

verschiedene n Zeiten bei ganz verschiedenen Volkern ganz ihnliche Principi-

en mythischer Chronologie resp. Abrundung oder kiinstlicher Zuspitzung hi-storischer Chronologien finden. Durch ihn habe ich auch die betriibende

Mittheilung erhalten, dass die Chronologie der Konigsbiicher neben man-

cherlei historischen Zahlen doch sehr viel Kiinsdiches enthilt. Das eine Fac-

tum ist doch schon bedenklich: Der letzte langregierende Konig von Israel,

Jerob. II, regiert grade so lange wie seine simmtlichen Nachfolger, und eben-

so regiert wieder Manasse so lange wie die noch iibrigen 5 Konige von JudalD. h. man hatte histor. Zahlen von je den letzten Konigen von Israel und

von Juda, und berechnete danach die Regierung der vorhergehenden, vondenen man nur wusste, dass sie sehr lange regiert hatten. Et sic porro!

Dass die Seltsamkeit Bertheau's, wonach die Juden nach wirklichen Mond-jahren gerechnet hatten, Beifall gefunden, ist mir kaum erkldrlich. Sicher hat

nie ein Volk der'Welt vor Mohammed mehr als ein paarJahre hinter einander

nachJahren von 355 Tagen gerechnet. Nach hochstens 5 Jahren war ein oder

2 Schaltmonate durchaus nothig. Nur die Laune eines individuellen Gesetz-

gebers von absoluter Autoritat kann eine so unverstdndige Einrichtung treF

fen. Und dieJuden, ein ackerbautreibendes Volk - die Landleute rechnen auch

im Islam iiberall nach dem julian. Calender - sollten so Etwas gehabt undlange Perioden in so wunderlicher Art berechnet habenl

In meiner Chronologie der Richter hatte ich jetzt Manches zu verbessern.

Die Fremdherschaften sind mit einzurechnen, dagegen die ,,kleinen Richter"(Thola, Jair etc) zerstoren das System und gehoren einer anderen Qrelle an.

Hoffentlich komme ich einmal dazu, das Richterbuch, das mir neben der

Genesis immer das interessanteste gewesen ist, griindlich zu untersuchen. Das

lisst sich dann freilich nicht trennen von der Untersuchung der folgenden

Bticher bis tief in die Konige hinein. Auf ki.instlicheZahlen stof3t man iiber-

all. Haben Sie wohl bemerkt, dass von der Reichstrennung (nach Salomo an)

beide Reiche je 20 Konige haben? Dabei muss doch auch erwas gekiinstelt

sein: da es hie und da Gegenkonige gab, so konnte man freilich gewi.inschte

Zahlen ohne zu gro8e Gewaltsamkeit herstellen.

Da ich hier keine alttestamend. Collegien lese, so bin ich iibrigens in Ge-

fahr, dem A.T. ganz entfremd& zu werden. Hoffentlich aber nicht frrr immer!

Beste Grii8e an de Goeje! Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn, die

sich freilich meiner kaum mehr erinnern wird, und empfangen Sie nocheinmal meinen besten Dankl

Ihr Th Noldeke.

159

P.'s Aufzeichnungen, die er in Sfrq ei-iirich selbst gemacht, gerathen sind,

mag der Himmel wissen; er selbst hatte sie offenbar lingst nicht mehr u. hat

eben deshalb nichts Philologisches tiber die mand. Biicher geschrieben. Die

Herausgabe des samar. Targum's ist jetzt gesichert - nach langen Verhandlun-gen -; Dr. Barth besorgt die fubeit. Derselbe ist ein sehr tiichtiger Mensch;

Sie dtirfen ihn nicht nach seiner verfehlten Arbeit iiber Hiob beurtheilen, all

seine anderen fubeiten sind sehr gut. Seltsam ist es, dass all meine Schiiler,

die es etwas weiter bringen, mit Ausnahme von Sachau,Juden sind.

Noch einmal besten DanklIhr ergebenster Th Noldeke.

1878-03-14 an Awgust Dillmann (SBB)

Verehrtester College!Zwei Dinge veranlassen mich, auf Ihren Brief, fur den ich Ihnen bestens

danke, schon jetzt zu antworten. Zundchst mochte ich gegen die Ver-

muthung Einsprache thun, dass ich das Allergeringste mit Deecke's Schrift-herleitungen zu thun habe.t2l Mit Bedauern habe ich eben aus diesen AuFsatzen gesehen, dass der sehr gelehrte u. scharfsinnige Mann, den ich nursehr oberfldchlich kenne, doch in mancher Hinsicht ein Dilettant im stlrk-sten Sinne ist. Noch stdrker sprach sich vorigen Herbst Halevyt22 mir ge-

geni.iber aus. Dass er in seinem neusten Aufsatz die ganz unhaltbaren Auf-stellungen H. D. Mtillers iiber d. Safh-Schrrft zur Basis nimmt, ist gradezu

komisch, wenn man wei(, dass Mriller selbst jene awfgiebt. Wenn Hal6vy'sDeutungen publiciert sein werden, wird im Einzelnen gewiss noch Manches

zu berichtigen sein, aber im Ganzen u. GroBen ist er gewiss auf dem richti-gen W'ege. Hal6vy ist i.iberhaupt ein genialer Mensch, der freilich noch hie

u. da zeigt, dass er keine Schule gehabt hat, aber doch hochst Bedeutendes

leistet. Trumpp123 hat ihn neulich jedenfalls zu scharf mitgenommen. Ich

habe zuflillig auch einmal den Missionar Flad,L2a welchen Trumpp gegen H.auf d. Schild hebt, kennen lernen u. auch seiner Zeit dessen Buch iiber die

Falascha gelesen: die beiden Leute sind aber nicht an einem Tage zu nen-

nen.

121 p., ldassische Philologe Wilhelm Deecke (1831-1897), seit 1871 Conrector des Ly-ceums in Strassburg. Vgl. K. Pauli in ADB 47 (1903), S. 636-637 und H. Kronasser inNDB 3 (1957), S. 554-555.

122 Joseph Ha16vy (1827-19t7).

123 gr,rrl Trumpp (1828-1885). S. F. Hommel io ADB 38 (1894), S. 587-589.124

Johann Martin Flad (1831-1915). Er hatte von 1855 bis 1863 im Auftrag der Pilger-mission St. Chrischona bei den Falascha in Athiopien missioniert, danach vierein-halb Jahre in Gefangenschaft verbracht und veroffentlichte nach seiner Riickehr aus

Athiopien eine Kurze Schilderung der bisherfast unbekannten abessiniscben Juden (Fala-scha) (Korrthal bei Stuttgart: Selbstverlag, 1859).

tB1

Nun das Zweite: die damalige Verhandlung mit mir. Goeppert besuchtemich plotzlich ganz unvorbereitet u. bot mir die Stelle an mit 3000 (oderwaren es 3100) Thalern: ich erwiderte sofort, ich habe hier 2500, wiirdemich also finanziell verschlechtern u. setzte, vielleicht etwas undiploma-tisch, hinzu, unter 4000 Thalern ginge ich nicht nach Berlin. Da bedauerte

er; das werde schwerlich gehen etc. Dasselbe schrieb er mir nachher: leiderhdtten sie nicht so viel Geld, wie ich haben wollte. Genau so viel war aber

nachher frir Schrader da, und da habe ich ihm allerdings einen sehr aufrich-tigen Brief geschrieben, von welchem ich seiner Zeit anch 'Webern eine Ab-schrift geschickt habe. Ich zweifle gar nicht daran, dass man mir nur forma-liter das Angebot machen wollte, ohne die Absicht, mich wirklich zu be-

kommen. Ob ich gegangen wdre, wenn man mir 4000 Thlr. geboten, das

kann ich wahrhaftig nicht bestimmt sagen. Bei relativ gleicher Finanzlage istmir's hier lieber.

Dass ich Ihre Abneigung gegen die Juden an sich nicht theile, ist mir sehr

lieb; meine besten Schi.iler sind meistens Juden.Goldziher's Mythos zu lesen habe ich mich dispensiert, nachdem ich hie

u. da Proben davon gesehen.

Nachtrdglich zu dem oben Gegebenen noch, dass ich tiber die Beru-

fungsangelegenheit nichts Schriftliches in Hinden habe, als jenen BriefGoeppert's, worin er mir schrieb, dass es nicht gehe. Ich habe daher nichteinmal unserm Curator eine Notiz davon geben konnen.

Zulhren Commentaren wiinsche ich Ihnen frische Kraft! Auf die Opfer-gesetze und Aehnliches habe ich leider nie die nothige Aufmerksamkeitconcentrieren konnen, weil ich zu wenig Sinn fur den Gegenstand selbst

habe. Desto interessanter sind mir immer die erzihlenden Partien nament-lich in Num. gewesen.

Mit bestem GruBIhr Th Noldeke.

1878-07-05 an Paul de Lagarde (SUBG)

Sehr geehrter Herr College!Entschuldigen Sie, dass ich erst heute dazu komme,Ihren Brief vom 26.fu-ni zu beantworten. Zunachst meine besten lTiinsche fi'rr Ihre Herstellung,welche sich hoffendich rascher macht, als Sie meinten! Es muss ein hartes

Loos sein, den rechten Arm Wochen lang nicht gebrauchen zu konnen.

Da ich Ihnen in Folge Ihrer freundlichen Zusendung zu schreiben hatte,

so konnte ich es nicht gut unterlassen, Ihnen mitzutheilen, dass meineBeurtheilung Ihrer Semitica ndchstens erscheinen werden.l2s Sie werden in

I2s s. Noldeke 1878p.

TB2

kurzer Zeit selbst in der Lage sein, sie zu lesen, da sie schon abgedruckt ist.

W'ann das Heft ausgegeben wird, weil3 ich allerdings nicht, aber lange kann

es nicht dauern.

Manches von dem, was Sie mir in Ihrem Briefe mittheilen, ist mir voll-kommen neu. Aber wenn sich auch alles, was Sie schreiben, fur jeden

Beurtheiler, auch den absolut unbetheiligten, genau ebenso verhalten sollte

wie fiir Ihre personliche Auffassung, so finde ich wahrhaftig darin noch kei-

ne Veranlassung, dass Sie Ihre Kriifte und Ihre Zert fur diese Prioritdtsunter-suchungen und -streitigkeiten in Anspruch nehmen. Denn glauben Sie imErnst, dass jemand Sie fur einen Plagiator hilt? Dass, wenn Weber oder

Spiegell25 friiher etwas derartiges gesagt haben sollten, was absolut nur so

zu verstehn wlre - ich kenne die betreffenden Aeu8erungen nicht u. habe

keine Lust, sie kennen zu lernen -, dass davon irgend jemand noch Notiznimmt? Also, Verehrtester, mit der Nothlage der Selbswertheidigung kon-nen Sie sich nicht rechtfertigen! Ja, wenn es sich darum handelt, einzelneganz unredliche Leute, die es zu einem gewissen Ruf gebracht haben, zuentlarven, dann billige ich Ihr Verfahren ganz, aber in den ,,Semitica" han-

delt es sich, soweit ich mich augenblicklich entsinne, nicht um solche. Ihrzuisseruschaftlicher Ruf steht so fest, dass Sie uahilich nicht nothig haben, dartiber

ringstlich zw aaclten, ob Sie genaigend oft citiert aerden. Da ferner manche Ihrer\ilZerke, wohl die Mehrzahl, nur auf sehr wenige Leser berechnet sind, so ist

Ihre Anschauung, als wiirden Sie absichtlich ignoriert, allerdings leicht er-

klirlich, aber nichts desto weniger grundfalsch. Wer soll z. B. Ihre ,,Arme-niaca" besprechen? Ich verstehe leider kein armenisch, und wie viele Leute

in Deutschland u. Europa verstehn das iiberhaupt?

Mich haben Sie durch eine Stelle in den Semitica S. 52 paenult. emp-

findlich beleidigt; ich meine das \Vort,,selbstverstindlich."Nati.irlich wiirde dieser Ausdruck mir aber keine Veranlassung gegeben

haben, ein W.ort zu verlieren, wenn ich nicht auch sonst neben manchem

sehr schonen auch sehr vieles gefunden hltte, dem ich nicht zustimmen

oder wogegen ich mich gradezu erkllren muss. 'Warum Sie die ZDMG fiirihre specielle Feindinn halten, ist mir unklar, aber es ist mir nicht gleichgi.il-

tig, wenn einer unsrer ersten Orientalisten in solcher W'eise iiber das Organunsrer Gesellschaft spricht,.das besser sein konnte aber doch wohl nochimmerhin besser ist als irgend eine mir sonst ndher bekannte ihnliche Zeit-'schrift.

Uebrigens ist selbswerstdndlich meine Besprechung rein sachlich;

wo sie ,,scharf" ist, liegt das in den Sachen selbst. Ich denke, Sie werden mir,wenn Sie sie gelesen haben, zugeben, dass ich nicht blo8 vollkommen loyalverfahre, sondern auch da, wo es sich um einfache, controlierbare Thatsa-

t26 11r, Iranist Friedrich (von) Spiegel (1820-1905), seit 1849 Professor fur orientalischeSprachen an der Universitit Erlangen.

183

chen handelt, iiberall Recht habe; dass unsre Ansichten iiber verschiedne

Dinge auseinander gehen, ist etwas anderes.

Ueber 'Weber sprachen Sie schon vor fast einem Jahre mit mir, wennauch nicht so scharf wie jetzt. Sie werden entschuldigen, wenn ich, ohne

den ganzen Thatbestand zu kennen, einstweilen Ihrer absoluten Verurthei-lung nicht beitrete, da ich eben 'S7. yor, ganz anderer Seite kenne, d. h. als

einen Mann, der sich wohl einmal recht griindlich tibereilen kann, der aber

keiner Schlechtigkeit fehig ist. Uebrigens hat weder'Weber noch die Zuri.ick-

setzungen, iiber die Sie sich mit Recht beklagen (beiliiufig bemerkt, habe ich

Grund, anzunehmen, dass Gosche damals nicbt dwrch Olshausen nach Hal-le gekommen ist) irgend etwas mit Ihren jetzigen wissenschaftlichen Arbei-tefi zu thun, wie Sie das auch selbst zugeben werden. Ebenso wenig, dass

ich, wie Sie hervorheben, bedeutend ji.inger bin als Sie (geb. 1835; promov.

1856), oder dass ich einen Gehaltbeziehe, der mir grade geniigt, um meine

Familie zu erndhren, mir aber z. B. keine gro8ere Reise gestattet. Und dabei

kann ich Ihnen versichern, dass ich weder zu meiner Berufung nach Kielnoch zu der nach Stra8burg irgend einen Schritt meinerseits unternommenhabe. Die Frage: ob ich das und das, was Ihnen geschehn ist oder geschieht,

,,anstindig" [finde], kann ich natiirlich nur mit ,,nein" beantworten; aber so

leid mir das alles thut, ich muss dabei bleiben, dass das nichts mit den wis-

senschaftlichen Untersuchungen zu thun hat. Auch beharre ich dabei, dass

Sie kein Recht haben, unsre ganze ,Zunft" zrl verachten. Dass in jedem

Fach die, welche wirklich etwas leisten, eine Minoritet bilden, ist ja selbst-

verstandlich.Mohl127 hat, wie ich wenigstens einmal vor langen Jahren horte, einge-

standenermaa8en nur die Biicher erwihnt, die ihm zugeschickt wurden, ge-

wiss nicht aus Eigennutz, sondern aus Bequemlichkeit, die freilich kaumweniger tadelnswerth wire.

Ich bitte Sie, verehrtester College, diese rasch hingeschriebnen \(/orte so

aufzunehmen, wie sie gemeint sind. ich habe die einzelnen Ausdriicke nichterst lange iiberlegt; sollte ich ein \7ort gebraucht haben, das Sie verletzenkonnte, so bitte ich es als nicht geschrieben anzusehn. Selbstverstdndlichhabe ich dagegen das, was ich offentlich iiber die Semitica sage, sehr sorg-

filtig bis in's Kleine erwogen.

HochachtungsvollIhr ergebner Th Noldeke.

127;ulius Moht (1800-1876), der von 1841 bis 1865 einen jdhrlichen Literaturbericht fiirdie Soci6t6 asiatique in Paris verfasste. S. C. Siegfried in ADB 22 (1885)' S. 57-59.

LB4

Hoffentlich halten die Engliinder sich in d. afghan. Sache so lange, bis sie

ernstliche Verstdrkung haben. Sie scheinen die wilden u. tapferen Afgh. zusehr firr Inder gehalten zu haben. Dass sie das Land incl. Herit, aber excl.

des Oxusthals in dieser oder jener Form zur engl. Provinz machen miissen,ist seit langer Zeit meine Ueberzeugung. Schwer wird's werden und vielGeld wird's kosten; einbringen wird's nichts als vermuthlich tiichtige Solda-ten firr den indischen Dienst: aber nothwendig ist's. Dann konnen dieRussen ruhig Merw und Balch nehmen. Die Nachbarschaft der beiden Rei-

che ist auf d. Dauer doch nicht zu vermeiden. In Holland wird man geneigt

sein, einige Schadenfreude iiber d. jetzige Lage in Afgh. zu empfinden mitRiicksicht auf die verwerfliche engl. Politik in Siidafrica; auch in Deutsch-land hort man viel thnliche Urtheile; aber das hohere Interesse ist dochunbedingt das, dass d. Engllnder vollig siegen. Im inneren Asien habe ichsogar ftir die Russen Sympathie gegeniiber den ganz echten Barbaren.

Seit 4 W'ochen haben wir kein Thauwetter und dabei bis -23 oder 24" C(nach genawen Beobachtungen) gehabt. So etwas ist hier seit 1829130 nichtvorgekommmen. Meine 4 dlteren Kinder sind mit Schlittschuhen versehen

u. die beiden Aeltesten laufen schon recht gut. Ich wiinsche recht baldiges

Thauwetter!Herzliche Grii8e Yon Haus zu Hausl

Dein Th Noldeke.

1880-05-14 an GeorgHofmann (UBK)

Lieber Hoffrnan!Ich muss mich gewaltig zusammen nehmen, um nicht sehr bitter zu werden.

Lag. wirft mir absichd. Unterschlagung seines Namens (,im Citieren ist Me-thode"), ,,bosen'S7illen u. d. Lust zu schaden" zu, und das ist nicht ehrenriih-rig? Er behandelt mrchaon oben herab, und das kann ich hinnehmen? Ich sollangefangen haben? W'er hat die ldcherl. Beschuldigung, dass seine Notizchen

,,selbstverstdndl." iibersehen (oder so iihnl.) seien, ausgesprochen. Etc etc. Ichhabe ihm nur vorgehalten, dass er auch Fehler mache, dass er auch Sachen

iibersehe und zu verstehen gegeben, dass mir seine Priorititsgeschichten du-

f3erst zuwider sind. - Uebrigens kommt es gar nicht auf d. Einzelheiten an:

wenn der ganze Tbn einer Schmihschrift auch gegen mich nicht so aerletzend

ist, dass eine Anndherung meinerceits absolut ausgeschlossen, dann habe ichi.iberhaupt kein Urtheil. Meine Erkldrung ist iibrigens gedruckt u. wird wohlim ndchsten Heft erscheinen.l3s 5 meiner Collegen haben d. Schrift gelesen,

und niemand hat anders geurtheilt, als dass es ein unerhorter Angriffsei. Alsoich bin mit Lag. vollig fertig. Antwortet er mir auf meine Erkl?irung mit weite-

138 s. Noldeke 1B8oc,

1,92

ren Pasquillen, dann zwingt er mich d. scharfsten Waffen anzuwenden, zu de'

ren Anwendung ich schon jetzt vollkommen berechtigt wire, die ich aber aus

Abneigung vor solchem Gezlnk nicht anwende, indem ich mich auf eine

scharfe Wrth eidigurcg beschrinke. -Nun aber Hi.ibschmann.l3e fl21 Lag. denn nicht das wichtigste ausgelas-

sen, dass ndml. die Schrift (Armen. Studien), in Bezug auf welche H. jenes

Versprechen gegeben hatte, statt, wie H. bei dem Versprechen voraussetzen

durfte, eine objective wissenschaftl. Darstellung, eine wieder durch u. durch

persdnlich gehaltene war, welche ihn, Hiibschmann, in einer ganz maa$losen

Weise herabsetzte.lch gestehe lhnen, mich hat damals diese verlchtl. Behand-

lung H.'s durch Lag. emP(irt, noch ehe ich ein Wort dariiber mit H' Sespro-

chen hatte. Damit war die Voraussetzung H.'s vollkommen hinfillig. Wie

Sie leugnen konnen, dass Lag. in d. Arm. Studien - wie ia in seinen meisten

Sachen, die nicht blofi Texteditionen - durch u. durch ich sage nicht subiec-

tiv, sondern persrinlich ist, das begreife ich nicht. H. im Einzelnen zu rechtfer'

tigen, ist nicht meine Sache, sondern seine eigne, aber was Lag.'s Benehmen

gegen mich betrifft, das zu bewerthen ist wirklich meine Sache! Auch die zar-

testen Bande der Piet1t sollten Sie nicht veranlassen, schwarz firr weifi oder

doch wenigstens hell zu erklirenlIch hitte wieder viel in Bezug auf Ihr Buch zu sagen, bin dazu aber ietzt

nicht im Stande.

Besten GrufjIn Treue Ihr Th Noldeke.

Ich kann Sie ja nicht incubieren, aber mir wiirde es weitaus am meisten ge-

fallen, wenn Sie Lag. iiber sein Buch gar nicltts schrieben. Erheben Sie gegen

Einzelheiten Einspruch, so billigen Sie damit das Uebrige'

1BS0-08-25 an August Dillmann (SBB)

Verehrter Herr College I

Besten Dank fi-rr Ihren Commentar! Es thut mir leid, dass ich denselben

nicht schon vor 2 Monaten zur Hand nehmen konnte, um einmal wieder

Fi.ihlung mit dem Hebriischen zu bekommen, das ganze NI cursorisch

durchlas. Der fromme Vorsatz, daran weitere alttestamentliche Studien zu

kniipfen, wird freilich wieder zu schanden werden, da mich zundchst persi

sche Sachen in Anspruch nehmen: ich lese nichsten $Tinter wieder pers. Ge-

schichte. Ich wollte eigentlich Stade's hebr. Grammatik anzeigen, habe aber

jetzt, nachdem mir eine genaue Lectiire des Buches einen viel weniger gtinsti-

gen Eindruck gemacht hat als der erste Einblick, keine rechte Lust mehr dazu.

139 Der Sprachwissenschaftler und Spezialist firr das Armenische Heinrich Hiibschmann(1848-1908). S. W. Wiist in NDB 9 (1972),5.724.

t93

Stade's neues Programm gefillt mir gar nicht. Dass die p' ir, fuabien, die nurauf einer augenscheinlich verderbten Stelle des Ezechiel beruhen, nichts facti-

sches sind, haben schon Andre gedacht; im Uebrigen bin ich kaum mit ir-gend einem Hauptsatz des Programms einverstanden und finde die Manier,

dieselben Schreibfehler bei denselben Eigennamen an verschiedenen Stellen

anzunehmen, alles eher als philologisch. Dass Joel, an den doch Amos an-

kniipft, aus der perc.Zeit sei, ist doch auch eine seltsame Annahme, die frei-

lich jetzt beliebt wird. Soweit ich jetzt - immer noch aor der Lectiire von

Wellhausen's Buch - urtheile, ist auch die Abfassung des ganzen Pentateuch

vor dem Exil (kleinere Interpretationen allenfalls zugegeben!) noch uner-

schiittert. W'dre das Ganze erst zu Esra's Zeit zu Stande gebracht, so hittendoch auch wohl kaum die Sammitaner den Pent. mehr angenommen. Ferner

scheint es mir auch so gut wie sicher, dass Ezechiel durchweg die rituellen

und Ihnlichen Theile des Pent. nachahmt, nicht umgekehrt.

Ueber Gen. X bringt Stade ziemlich unverstindiges vor, so gern tch zu-

gebe, dass dies Cap. uns mehr Riithsel aufgiebt als beantwortet. '1.t! haben

die Phonicier sicher schon vor 1000 v. Chr. gekannt; denn die @oivxeq,

welche Homer kennt, mi.issen doch auch dessen Volk gekannt haben! Unddie Uebertragung des Namen der 'I&poveg auf die i.ibrigen Griechen ist et-

was, das tausend Analogien hat; die Wesensgleichheit zwischen den Be-

wohnern des Mutterlandes un der asiat. Kiiste musste doch so scharfen Au-gen wie denen der phonic. Seefahrer u. Kaufleute auffallen! Von den Phon'

haben ja aber nach allgemeinem Zugestlndniss die Hebrder ihre Kunde des\ffestens.

Sie haben vielleicht Notiz von der Arbeit genommen, welche K. Vollers,

mein ehemaliger Schiiler, geschrieben hat: Das Dodekapropheton der Alex-

andriner? Es ist eine sehr flei8ige, methodische Arbeit, welche nur den ei-

nen Grundfehler hat, dass sie von d. Annahme ausgeht, die griech. Ueber-

setzer hdtten feste grammatische Anschauungen gehabt und wenn sie z. B.

einen Plur. setzen, habe man auch einen solchen in ihrer Vorlage anzuneh-

men. Aus dieser falschen Annahme flie8en viele weitere, und dadurch ver-

liert die Schrift iiber die Halfte ihres Werthes - soweit ich sie wenigstens ge-

priift habe. Ich schdtze den Verf. sehr als den flei8igsten Menschen, der mir

7e vorgekommen ist, Inhaber einer ungewohnlichen Gelehrsamkeit und da-

bei von iu8erst zuverlissigem Charakter. Sollte er Ihnen personlich entge-

gentreten, so will ich ihn hiemit aufs ST'drmste empfohlen haben. Ein selt-

samer Einfall hatte ihn nach Constantinopel verschlagen, wo er, der un-

practische Stubengelehrte, sehr wenig am Platze war.

Wenn es Ihnen passt, sende ich Ihnen in dieser Zeit einen kleinen Auf-

satz i.iber )x fiir die Monatsberichte der Acad.lao Es ist nichts wesentlich

140 s. Noldeke ia8ob.

194

neues: ich suche nur nachzuweisen, dass die Aussprache il mit i alt, auch

arabisch und aramdisch ist. Rein sprachlich. Hauptsachlich benutze ich das

Material der semit. Eigennamen aus griech. Inschriften. Das Ganze ist eine

indirecte Polemik gegen Lagarde's neuste Orakelspriiche, aber ich nenne ihnnur am Schlusse und in einer solchen 'Weise, dass niemand den geringsten

Ansto8 nehmen kann. Da wohl vor November doch keine Sitzungen sind,so isCs, denli ich, einerlei, ob ich's noch behalte. Dariiber erbitte ich mirauf einer Karte Bescheid. Natiirlich das alles in der hoffendich zutreffendenVoraussetzung, dass Sie das Ding der Aufnahme werth halten.

Meine syr. Grammatik ist bis auf Vorrede, Einleitung etc gedruckt.141 Das

Ganze wird, mit diesem Zubehor, 20 Bogen geben. Euting macht eine

Schrifttafel dazu.

Mit bestem Grufi Ihr Th Noldeke.

1880-10-08 an GeorgHoffmann (UBK)

Lieber HoffrnannlSocin schreibt mir heute etwas, was mich au8erordend. betriibt u. aufge-

bracht hat, dass Sie nIml. aus der DMG ausgetreten seien. So lange Sie theo-

retisch Lag. vertheidigten, konnte ich alles ruhig hinnehmen, aber wenn Sie

so offen durch Handlung Partei ergreifen, so ist das doch etwas anderes. AIso

Sie verlangen, wir alle, die wir in d. schwersten W'eise angegriffen sind, denen

durch unaahre und rffiniert bosh@e Darstellung d. Ehre abgeschnitten wurde,sollten das still iiber uns ergehen lassen! Ich stehe zunichst nur fi.ir michselbst ein, wie sehr ich auch iiber die unwiirdige Art emport bin, womit Lag.

gegen Hiibschmann verfahren ist, und wie sehr ich vor allem die ganz unqua-lificierbare Art verdammen muss, in der L. sich uber die DMG. und Lothla2

auslisst. Wenn nun aber d. Betroffenen in der Ztschr dieser Gesellschaft sich

wehren, wenn'Weber d. urkundliche Widerlegung Lagarde'scher Behauptun-gen giebt, dann misbilligen Sie das so stark, dass Sie aus d. Gesellschaft aus-

treten und stellen sich also offen auf d. Seite des Mannes, der in d. Verblen-

dung seines getiuschten Ehrgeizes Ehre u. Namen Anderer mit Fii8en trittlNun, bester Hoffrn., das hitte ich v. Ihnen nicht erwartet. Ich begreife unterdiesen Umstdnden gar nicht, dass Sie mit mir iiberhaupt noch verkehren

mochten, denn entweder hat Lag. in d. Hauptsachen mir, Hiibschmann, Lothu. Weber gegeniiber Recht oder nicht. In einem Falle - doch ich will das Dilemma nicht ausfirhren. Neutral konnten Sie bleiben; ich habe nie etwas an-

dres auch nur im Geringsten aiinsclten konnen: aber offen fur Lag., d.h. gegen

wns aufnttreten, das ist stark: das hat mich wirklich tief geschmerzt. Sie stehn

141 S, Noldeke 1B8oa.142 g11o Loth (1844-1881), Schriftleiter der ZDMG,

195

au8er dem Gefecht, aber Sie konnten sich doch wohl ein wenig in d. Lage der

so schmdhlich Angegriffenen setz en.

Ich glaube, ein Punct ist's bei lhnen. D. personl. Pietit, die Sie Lag.

schulden, hat bewirkt, dass Sie ihn weit i.iberschitzen. Ich erkenne in Lag.

eine Menge herlicher Gaben an, aber iiberall fehlt etwas nothwendigesund, after all, bin ich wahrhaftig nicht geneigt, ihn als einen Mann aflzrer-kennen, der mir, alles in allem, iiberlegen wdre. Auf alle Fille verblendenSie sich absichtlich, wenn Sie ihm ein Privilegium der literar. Mishandlungandrer mehr oder weniger zuerkennen.

Das konnte ich nicht zuriickhalten. Sollte aber am Ende d. Sache noch

nicht so weit, sollte sie am Ende in aller Stille noch riickgingig zu machen

sein? Ist das nicht, so werde ich mich zwar nach wie vor als Ihren guten

Freund ansehn, aber doch als einen solchen, der von s/m Freunde offent-lich prostituiert ist.

Trotz alledemMit bestem GruBIhr alter Freund Th Noldeke.

1 S S 0- 1 1- 1 1 an Ferdinand Frensdorff (SUB G)

Lieber Freund!Es gereicht mir zur groBten Freude, zu vernehmen, dass das Masorawerk Sal.

Frensdorffls druckfertig ist, und somit rnuss es gedruck werden. Ich habe Ih-nen da ein paar'Worte aufgesetzt, d. freilich recht mislungen sind. Grade 8

Mal habe ich angefangen, und immer wieder mislang es; da hab ich's zuletztlaufen lassen, wie es ist.143 Es ist eigentlich thoricht von Olshausen, dass er

143 Noldel. schrieb: ,,Als vor einigen Jahren der erste Band des ldngst sehnsiichtig er-

warteten Masorawerkes des sel. Salomon Frensdorff erschien, durfte man hoffen,dass demselben bald die andern folgen wiirden. Diese Hoffnung wurde leider ge-

tduscht. Der Druck stockte, und der Tod des unermiidlichen Gelehrten unterbrachdas ganze Untemehmen. Um so erfreulicher ist die Kunde, dass Frensdorff, wie erwiederholt versichert hat, das ganze Werk vollstindig druckfertig ausgearbeitet hat.Es bedarf daher nur der nothigen Geldmittel und eines sachverstdndigen Manneszur scharfen Ueberwachung des Druckes, um das monumentale W'erk ganz heraus-zugeben. Dass diese Herausgabe du8erst erwiinscht, ja gradezu nothwendig ist, be-darf kaum eines Beweises. Frensdorffhat sein langes arbeitsames Leben darauf ver-wandt, das Material flir die genaue Feststellung der Textiiberlieferung des hebrii-schen A.T. bis in's Kleinste und Feinste zu sammeln und zu sichten. Erst wenn wirsein \ferk volistdndig vor uns haben, konnen wir die Masora in ihrer wahren Gestalterkennen und flir jede einzelne Stelle des A.T nachweisen, wie sie nach der jiidi-schen Ueberlieferung aussieht, somit erst eine ganz sichere Grundlage fi'lr Kritik undAuslegung gewinnen. Die Riesenarbeit Frensdorffs wird nicht so leicht von einemZweiten wiederholt. Es ist also kaum denkbar, dass dieser fertig da liegende Schatz

ungehoben bleiben sollte. Das Geld zu beschaffen, ist eine Ehrenpflicht des Staates

oder der von ihm dotierten wissenschaftlichen Korperschaften'"

t96

Ich dachte, Kleynlro wdre eher zu orthodox, um begiinstigt zu werdenlNa, gut, dass er noch rechtzeitig angestellt ist. 'Welches Unheil bringt die

demokratische Stromung iiber unsre L1nder mit andersartiger Vergangen-

heit! Solchen Blodsinn wie d. Boulangismus hat d. 'Welt noch kaum gesehn

- doch freilich, die Herrschaft Robespierre's, der vielleicht eben so hohlwar, wie es B. zu sein scheint! Auf alle Fdlle ist Louis Nap. gegen dieseLeute

ein Heros. Man versteht i.ibrigens in diesem Lichte manche Vorgdnge des

letzten Jahrh.'s der rom. Republik, resp. den anmuthigen Wechsel von wil-der Demokratie u. Tyrannis in der Geschichte von Syrakus (auch bei einemiiberaus geistvollen Volke).

Sehr interessant war mir, dass Sie mit Nachdruck darauf hinweisen, dass

es schon von Anfang an den Aliden mehr um das Geld als um d. Herrschaft

selbst zu thun war. Das diirfte im'Wesentlichen richtig sein. Dass sich Ha-

san gleich abkaufen lie8, ist ein schoner Pracedenzfall. Vielleicht hdtten d.

Omaiyaden manches Unheil abwenden konnen, wenn sie den gierigen

Menschen Fadak ausgeliefert hdtten.Besten GruB!

Ihr Th Noldeke.

Den Passus iiber Koch streichen Sie, bittel Er macht heinen guten Eindruck.

Dass K. ein zweifelhafter Mensch ist, wei8 ich iibrigens schon hngst vonehemaligen Freunden desselben.

Noch Eins: ich wusste nicht, dass auch Musikinstrumente als unrein gel-

ten. Unter diesen Umstinden gewinnt d. Anecdote von -,,;elsjl 6.1- noch eine

besondere Spitze : derselbe soll das Koranexemplar, das er von seinem bra-

ven Vater geerbt hatte, verkauft u. fiir den Erlos eine Laute angeschafft ha-

ben: da war er ,.,"E. S. das beiliegende Blatt aus d. Ctrbl.

1888-06-05 an Georg Hoffmann (UBK)

Lieber Hofknann!Schonen Dank fi.ir Ihre freundl. Gluckwiinschellel Die Sache kam mir volligiiberraschend. Ich war, wie ich das zuweilen thue, Freitag Mittag nach Ab-solvierung m/s Wochencursus (10 Stunden von Montag bis Freit.) auf den

,,Plittig" gegangen (20 Minuten vom ,,Sand", wo wir damals mit Euting u.

m/m Aeltesten d. erste Nacht zubrachten), kehrte am Sonnabend vor dem

Essen von dem Spaziergang nach der Hornisgrinde zuri.ick (jetzt sind i.iber-

all gute Wege, wodurch man auch an Zeit sehr gewinnt) und fand da eine

Karte m/s Arnold vor, der mir die Sache anzeigte. Als ich am Sonntag nach

Str. heimkehrte, lagen da schon Berge von Gli.ickwiischen. Ich habe 3 Tage

1e0 p.r holldndische Theologe und Orientalist Hendrik Gerit Kleyn (1859-1896).191 Noldeke hatte soeben den Orden Pour le Mirite erhalten.

232

lang Antworten geschrieben, natiirl. meist nur Karten mit ,,herzl' Dank fur

d. liebenswiirdigen Gliickwtinsche" oder drgl. Bei der Verfassung dieses Or-

dens habe ich ein Recht, mich dariiber zu freuen; es ist mir (dies ganz im

Wrtrawen) u. A. auch deshalb lieb, weil ich wahrscheinlich in l-2 Jahren(wenn ich mich nicht ginzlich mit Landberg entzweien sollte) einen hohe-

ren schwed. Orden laiege, den ich ohne Unhoflichkeit nicht ablehnen kann

und den zu haben mir doch recht unbequem ist. Nun mag der p. I' m. et-

waiges Spltere mit tragen wie die Rettungsmedaille m/e 4te Klasse des ro-

then Vogleinslez tragen musste fi.ir die (sehr wenigen) Falle, wo ich letztere

Decoration anlegen rlusste. -Die Artikel der Zeitungen iiber mich miissen z. Ther| sehr schon sein; ich

habe nur den der Straflburger ,,Post" gelesen, der so abgeschmackt war, wie

es bei solchen Sachen der Fall zu sein pflegt. Mein ,,grofies Handbuch" der

semit. Sprachen ist hiibsch! Es geht wohl auf die Seelengri)fe des verehrten

Verfassers.l93

Nun noch eine Sache, an die ich ungern gehe' Weber schreibt mir, dass

Sie eine Zusendung von ihm uneroffnet zuriickgeschickt hitten. Das hatte

ich selbst nach allen sonstigen Erfahrungen von Ihnen nicht erwartet! Also

weil Lagarde Beschuldigungen gegen'!7'. aussto8t, die, wenn er mit kiihler

Ueberlegung in personlichen Dingen urtheilen kc)nnte, einfach als bewusste

Wrlciumdwngeru zu bezeichnen wiren, deshalb miissen Sie eine unerwartete

Freundlichkeit W's mit einer Grobheit beantworten! Mir steht dabei der

Verstand stille. Ich habe Ihnen wohl friiher schon einmal angedeutet, wie

unwillig sich olshausen wenige \Tochen vor s/m Tode mir gegeniiber iiber

Ihren damaligen demonstrativen Austritt aus der DMG gelu8ert hat. Glau-

ben Sie wirklich, Sie miissen den damaligen ungli.icklichen Schritt, in dem

ich nach wie vor auch eine Beleidigung gegen mich erblicke, consequent

durchfirhren? Und Alles wegen der, gelinde Sesagt, Thorheiten eines An-

dernl Dixi.Die bose Nachricht i.iber Bockendahl betriibt mich sehr. Ich habe ihn in

Kiel viel gesehn u. er hat mich auch einmal in Str. besucht. \7enn Sie ihn

sehn sollten, so grii8en Sie ihn bestens. Item gii8en Sie Moebium.

Noch einmal vielmals dankend u. grii8endIhr Th Noldeke

t92 D. h. die IV Klasse des Roten Adlerordens.193 Hier folgen einige Zolen mit kurzen Antworten

Bemerkungen zum \Wetter.auf Fragen Hoffmanns und mit

233

lBBB-08-05 aft August Dillmann (SBB)

Verehrtester College!Herzlichen Dank firr Ihren liebenswiirdigen Gliickwunschl Ich habe nichtsdavon geahnt, dass mir diese Ehre bevorstehe; sie hat mich vollig iiber-rascht. Nach dem, was Sie mir iiber die Vorgeschichte andeuten - es ist das

Erste, was ich davon vernehme - ist es mir sehr lieb, dass ich nichts vorherwusste. Dass ich es grade zweckme8ig gefunden hltte, Lagarden in dieser Be-

ziehung an Fleischer's Stelle zu setzefl, kann ich allerdings nicht sagen.

Wenn, was mir allerdings wenig wahrscheinlich ist, Wright Lag. empfohlenhaben sollte, so hat er nicht geniigend auf die personlichen Verhdltnisse ge-

achtet, die bei dem Manne nun einmal durchaus mit beriicksichtigt werdenmiissen. Im Uebrigen kann man ja auch die rein wissenschaftlichen Ver-

dienste Lag.'s sehr verschieden beurtheilen! Aber auf alle Fdlle hat W'rightoptimafide gehandelt und mein Verhdltniss zu ihm wi.irde nicht im Gering-sten darunter leiden, wenn sich bestltigt, was Sie gehort haben; ich rechne

auch dann noch W'right zu meinen nichsten Freunden.

Dass ich wirklich in Leipzig (allein) vorgeschlagen bin, weiB ich auch erst

seit Kurzem. W'as der Minister thun wird, wei8 Niemand; wahrscheinlich war-tet er noch lange. Dass ich wirklich nach L. gehen werde, ist sehr unwahr-scheinlich, obgleich ich nicht mehr so fest an Str. klebe wie vor 10 Jahren: To-desftlle und sonstige Personalverlnderungen haben hier Manches verindert!

Der aram. Inschrift sehe ich mit hochster Erwartung entgegen. Hoffent-lich ist sie gut erhalten. Da wir immerhin ein gut Stiick besser Aramlischverstehn als Phonizisch, so hat man in dem Falle wenigstens Aussicht aufeiniges Verstindniss. 'S?ie

schwach es mit unserem Phon. steht, zeigt jede

neue Inschrift, die nicht gradezu die gewohnlichen Phrasen enthalt.Im letzten Hermes (oder war's im ,Rhein. Museum"?) war ein Artikel

von Blass in Kiel iiber die griech. Codd. im Serail von Constantinopel. Dar-in werden auch rithiopische Handschriften erwdhnt. Es scheint mir in hohemGrade wi.inschenswerth, dass diese untersucht werden. Denn liegt es nichtsehr nahe anzunehmen, dass diese in der einzigen Zeit nach Cstpl gekom-

men sind, wo die Ti.irken mit den Abessiniern recht handgemein wurden,im 15. Jahrhundert? Konnten nicht gar Trophden von Muhammed Grafr als

Geschenke an den Chalifen in Stambul dabei sein? Da finden sich dannvielleicht rihereHdschr., als wir sonst kennen. Dass die Seltenheit aher dthi-op. Codd. mit Grafl's Verwiistungen, namentlich der Verheerung vonAksrim, zusammenhingt, hat man ja schon friiher angenommen. Lie8e sich

nicht von Berlin aus einmal in der Hinsicht sondieren?

Noch einmal meinen allerbesten Dank fiir Ihren Gliickwunsch!Ihr ergebenster

Th NOldeke.

234

erkenne. Sein Aufsatz i.iber einige Stellen der altpers. Inschriften gehort zudem Allerbesten, was dariiber geschrieben ist, aber doch, alles in allem, ...

Natiirlich dies ganz unter uns!

Mein Aeltester (Arnold) ist jetzt in Schiltigheim (commissarisch auf 1

Jahr) als Staatsanwalt angestellt; Sch. liegt nur 10 Minuten von Str. entfernt,

und er kommt zum Essen zu uns. Ob er in der eigentlichen Justizcarridrebleibt, steht aber noch dahin. Er mochte am liebsten in den Dienst einer

Stadtgemeinde und versucht es vielleicht mit Berlin.

In Zabern steht alles vortrefflich. Vor 14 Tagen ist endlich auch meineFrau einmal dazu gekommen, sich das junge Ehepaar in seiner Hiuslichkeitanzusehn und hat sogar 2 Ndchte da geschlafen; seit dem Typhus hatte sie

es nie gewagt, sich von Bernh. zu trennen.

Zum Schluss noch einmal die allerschonsten GliickwunschelStets Dein Th Noldeke.

1 S 9 2 - 0 1 - 1 9 an Ulri clt a o n Wilam oa i tz-M o ell e n dorfll ( S U B G)

Hochgeehrter Herr College!So eben erhalte ich Ihre Grabrede; ich setze voraus, dass Sie sie mir selbst

geschickt haben und danke Ihnen bestens dafur. Aber selbst wenn diese

Voraussetzung irig sein sollte, kann ich nicht umhin,Ihnen fur den Genuss

zu danken, den mir das Lesen der Rede bereitet hat. Nicht, als ob ich grade

mit jedem einzelnen Zuge lhrer Characteristik iibereinstimmte ; dariiber lie-

Be sich ja ein Langes und Breites in utramque partem reden, aber Sie haben

das Gro8e in dem 'Wesen und Streben Lagarde's so schon hervorgehoben,dass dariiber keine $7'orte zu verlieren sind. Ich erkenne das ganz und vollan, so absolut verschieden meine Natur von seiner ist und so schwer ich

durch ihn ohne jeden Grund gekrankt worden bin.In einem Puncte mochte ich i.ibrigens wenigstens meinen Dissens aus-

sprechen. Ich glaube, es war weder ftir Lagarde noch fur die \Tissenschaft

ein Gliick, dass er sich das Ziel gesetzt, den Urtext der LICK herzustellen. Er

hat damit eine Sklavenarbeit auf sich genommen, deren er nie froh gewor-

den ist und nie froh werden konnte. Und hitte er das vielleicht ereichbare

Ziel erreicht, den Text der L)O( so festzustellen, wie er - nati.irlich mit man-

cherlei Schwankungen - etwa um 200 n. Chr. existiert haben mag, dann

wiirde sich, des bin ich sicher, gezeigt haben, dass wir damit fiir die Er-

kenntniss des hebrdischen Urtextes doch nicht viel weiter gekommen wiren,als wir es heutzutage mit dem zuglnglichen Apparat erreichen konnen. La-

garde tiberschatzte m. E. (und ich stehe mit dieser Ansicht nicht allein) den

Werth der LXX fur die Herstellung des urspr. Tixtes ganz bedeutend. ImGanzen und Gro8en ist der hebr. Text unsrer Ausgaben viel besser als der,

welchen die griech. Uebersetzung reflectiert, und im Ganzen und Gro8en

253

werden uns Handschriften und Citate keinen viel bessern Text des griech.

A.T. verschaffen, als wir ihn haben. Dass die Arbeit trotz alledem einmal

gemacht werden muss, leugne ich nicht, aber fiir die Riesenmiihe der Ver-

[l.i.hor-rg zahlreicher Handschriften sind zunichst untergeordnete Krdfte

gut genug!- Errts.huldigen Sie, dass ich diesen Punct so weitliufig erortre. Der Nach-

druck, den Sie darauf legen, diirfte das einigermaa8en begriindet erscheinen

lassen.

Noch einmal aufrichtigen DanklIhr ergebenster Th Noldeke'

1592-03-15 an GeorgHofmann (UBK)

Lieber Hoffrnann!'W'ie es mit der Gottinger Stelle steht, werden Sie wissen. Ich wurde durch den

Ruf sehr iiberrascht, denn ich hatte nicht entfernt daran gedacht, dass daraus

etwas werden konne. Andre Leute hier wussten aber schon vorher darum,

darunter unser Curator, der s/e Vorkehrungen traf, so dass er mir, als es so

weit war, so viel bieten konnte, dass es nahezu so viel war, wie das Gott. An-

gebot. In Beriicksichtigung dessen, dass d. directen Steuern hier licherlich

,ri.drig sind, dass es andrerseits aber in G. wohl etwas billiger ist, wlre G.

wohl ein bischen vortheilhafter Sewesen. Natirrl. wire ich gern in m,/e alte

Heimath gegangen, wo m/e Geschwister etc wohnen; in G. habe ich noch

manchen "lLn

B.kannten (auch der Curator Ernst Meier [jetzt leider Ernst

aon M.l ist m/n College als Privatdoc. gewesen): aber schlieslich iiberwogen

doch lGafte, w. mich hier hielten, vor allem d. uis inertias. '!(/'dre ich 10 Jahr

jiinger, wire ich wohl gegangen, trotzd. m/e Tochter tn Zabern verheirathet

ist. \atirrl. spielte dieser Umstand aber auch eine Rolle in der Sache. Item:

,J,y suis et j;y reste."218 Und ich bedaure das nicht. Althoff ist sehr liebens-

*tirdig gegen mich gewesen, auch nacb d. Ablehnung. - Dass W'ellhausen

"u.n IU!.i.hnt, wissen Sie. Das war l;on s/m Standpunct aus vielleicht be-

quem; aler doch nicht richtig. Hdtte ich hier keine Bibliothek, die es mit der

Gottinger aufnehmen kann, so wdre ich am Ende doch gegangen'

Nun werden Sie ohne allenZweifel an 1. Stelle vorgeschlagen u. berufen'

Und ich rathe Ihnen dringend dazu, anzunehmen. Fiir Sie ist die Biblio-

thek doch erst recht etwas Gro8es; Sie gebrauchen bei lhren Arbeiten im-

mer sehr viel Litteratur. Dass Sie da Berlin ein paar Stunden ndher sind, will

ich nicht hoch anrechnen, wohl aber die centrale Lage von G. (es liegt tr|Stra8burg noch ein Minimum nlher als t(l Kiel), die auch fi.ir mich viel Ver-

21s ,,Hier bin ich, und hier bleibe ich" (angeblicher Ausspruc!. des franzosischen General

MacMahon wdhrend der Belagerung von Sebastopol 1855)'

254

se Jahreszeit gern seinen Abscheu gegen den Winter, und ich theile den,

aber was soll man machen? Bis jetzt war es hier sehr gelinde, aber die Tage

sind triibe, und wenn es einmal heiter werden sollte, dann hat man Frost zu

erwarten. Man denkt oft, es sei von unsrer Mutter Eva doch leichtsinniggewesen, in die verbotne Frucht zu bei8en; das Klima da war gewiss sehr

viel angenehmer als unsres. Ein wenig langweilig wire es im 1.lv ir allerdings

auf die Dauer wohl geworden - oder aber hltte uns der angenehme Um-stand, dass wir dann Gutes u. Boses nicht hltten unterscheiden lernen, iiberdie Einformigkeit hinweggetauscht?

GruB an Bevan! Sollten Sie Mrs. \X/right sehn, so bitte ich mich ihr zu

empfehlen. Schade, dass Sie keine Gelegenheit gegeben haben, auch an

Mrs. Smith meine respectvollen Grii8e zu senden.

e)-JlrIhr Th Noldeke.

1592-12-30 an GeorgHoffmann (UBK)

Lieber Hoffrnann!Zundchst beste Gliickwi.insche zum NeuenJahr Ihnen und den Ihrigenl Ichhabe schon seit einiger Zeit daran gedacht, Ihnen zu schreiben. Sie ahnen

wohl, in welcher Sache. Es ist mir hochst peinlich, von verschiedenen Sei-

ten iiber etwas befragt zu werden, wovon man mit Recht denken kann, dass

ich darum wisse, wlhrend ich doch gar nichts wei8. Als Sie den Plan zu

dem Aufruf firr d. Lagarde-Stiftung fassten, hdtten Sie mir wirklich wohldavon schreiben konnen, ntmal wir grade damals viel gebriefwechselt ha-

ben (in Angelegenheiten der syrischen Chronik). Wenn Sie auch den un-

gliicklichen Gedanken festhielten, sich nur an Lagarde's Frewnde zu wenden

statt an d. Freunde der '$Tissenschaft, und dadurch nicht blo8 mich, son-

dern eine Menge der besten Leute ausschlossen, so konnten Sie mir doch

wohl von der Sache Mittheilung machenl Soll denn die wahnwitzige Be-

feindung mit Lagarde's Tode noch nicht zur Ruhe kommen? Ich habe, wie

gesagt, Ihren Aufruf nicht, wei8 nur, dass er sich an d. Freunde Lag''s wen-

det, worin schon eine Scheidung der Gerechten u. Ungerechten liegt, undhabe den ernsten Verdacht, dass das Ganze gegen die DMG gemi.inzt ist. Indern Falle wiirde ich allerdings sehr ernpfindlich berihrt. Dass fiir orientalist.

Stiftungen die DMG in Deutschland die einzig passende Stelle ist, versteht

sich von selbst. Die Gottinger Societdt, der ich )etzt32 Jahre angehore, inallen Ehren, aber fiir Orientalia ist sie doch nicht recht comPetent' jetzt wa-

re d. Entscheidung allein in Hdnden W'ellhausen's, und ev. wiirde man micb

befragen: beides so recht im Sinne Lagarde's!!!

Ist aber bei der Sache von einer solchen Gegnerschaft gegen unsre Gesell-

schaft wirklich nichts in Ihrem Sinn, dann durften Sie doch keineswegs

260

I

blof3 an d. Freunde Lagarde's appellieren. Selbst wenn da ,,Freunde u. Ver-

ehrer" stehn sollte, ginge es nicht. Ich habe vor manchen Seiten Lag.'s gro-

Ben Respect, aber ein ,,Verehrer" kann ich nicht sein, dazu war doch zu viel

Schiefes sowohl in seinem Character wie in s/m Denken.

Auf alle Fille, das wiederhole ich, beklage ich mich, dass Sie mir nicht

vorher von d. Sache Mittheilung gemacht haben. Ich denke doch, so stehn

wir nicht zusammen, dass Sie mich in einer Sache, die fur mich gro8es In-teresse hat, einfach ignorieren di.irften. Und so zart sind wir beide auch

nicht besaitet, dass wir nicht einander stark differierende Ansichten vertra-

gen konnten, selbst wo das Gemiith betheiligt ist. - Dass wir aber nach

Lag.'s Tod noch in rebus Lagardianis uneinig werden sollten, hdtte ich nichtgedachtl -

\W'ie wenig practisch grade unsre Gottinger Freunde sind, konnen Sie

daran sehn, dass Sie die Gebote auf Lag,'s Bibliothek bis zum 1'.Jan. haben

wollen und damit die besten Bieter, die Americaner, ausschlie8en!

Dass Praetorius nach Halle geht, werden Sie wissen. Er hat schon alles inBerlin fest gemacht. Eigentlich ist's doch schade, dass Sie nicht hingegangen

sind. Sie wdren doch aus der Isolierung herausgekommen!

Hat die Cur zur Verbesserung Ihres Gehors auf die Dauer geniitzt?

Noch einmal beste'Wiinsche zum NeuenJahrlIhr Th Noldeke.

1893-01-08 an GeorgHoffmann (UBK)

Lieber HoffrnannlAlso jetzt schicke ich der Karte einen Brief nach. Ueber d. Lag.-Sache liefie

sich viel hin- und herreden. Dass ich es nach wie vor nicht fiir richtig halte,

blo8 d. Freunde Lagarde's aufzurufen, konnen Sie denken. Unter den Fach-

gelehrten zdhkLag. durch s/e eigne Schuld wenig Freunde, und die sind zum

Theil danach (Hommel, dessen legte opil.iu iiber d. Ursprung d. dgypt. Cul-

tur aus d. babylon. Sie vielleicht gelesen haben, und Neidel); unter den Laien

Manche, die aber von s/n wissenschaftl. fubeiten keine Ahnung haben.'Wenn sich z. B. rn Oestereith die unklaren jungen Leute deutschpatrioti-

scher Gesinnung an Lag.'s phantastischem Idealismus und besonders an s/m

Antisemitismus erbauen, so ist das doch nicht die richtige Gemeinde zur For-

derung ernster wissenschaftl. Bestrebungen! An einer,,Lagarde-Stiftung"konnte ich mich betheiligen, an einer ,,Stiftung der Freunde Lag's" nie, so

wenig es mir je eingefallen ist, in eine polit. Versammlung zu gehen, zu der

nur Mitglieder einer Partei eingeladen waren, der ich nicht angehofie>t)228 -

228 Fu8note Noldekes: '") Ein ,,Freund La{s" kann ich nicht sein; ich kann auch i.iber s/e

,,deutschen Schriften" im Allg. nicht gi.instig denken. Utopische W'eltverbesserungs-

261

Den gehdssigen Ausdruck ,,Monopol" hdtten Sie doch besser vermieden.

Dass wir in Deutschland nicht so gestellt sind, dass wir die Forderung orienta-

lischer Textausgaben zersplittern diirften, wissen Sie auch. Veder wissen-

schaftlich empfiehlt sich das, noch financiell. -Lagarde's testamentar. Bestimmungen miissen hochst eigenthiimlich

sein. Willamowitz u. A. scheinen mit gro8er Miihe diesen und jenen Skan-

dal vermieden zu haben; dass er das nach Kriften thun wolle, schrieb mirdamals \7. gleich. flVir haben damals je 1 Brief gewechselt; ich hatte ihm furd. Zusendung der Grabrede gedankt). Ich horte ki.irzlich ein kleines charac-

teristisches Stiick: in Lag.'s testamentarischen Verfirgungen kommt etwas

vor von einem jungen Manne, der das u' das thun solle; es miisse aber ein

solcher sein, der nicht blo8 zu gro8en Erwartungen berechtige und dann

nachher nichts thue ,,wie mein College Diltey". Ein solcher Fu8tritt aus d.

Grabe heraus ist gewiss edell Item: ich fragte mal wegen der Abschrift des

Antonius Rhetor nach, von der ich vermuthete, dass sie Lag. gemacht und

der Gott. Bibliothek zugewiesen habe. Das ist richtig, aber er hat bestimmg

dass s/e Abschriften nur in Gr)ttingen benutzt werden dtirfen. rfi/as sein Motivzu dieser Beschrinkung war, wei8 der Himmel; ich vermuthe dari.iber aller-

dings einiges. Dass er das nicht im Interesse der Wiss. gethan hat, wusste er

selbst auch! Ich sihe mir gern dies Buch mal an.lVas ich von Proben daraus

habe, scheint mir nicht so schwierig, wie man denkt. Aber allerdings glaube

ich kaum, dass es au8er Ihnen u. mir noch drei Leute giebt, die davon eine

gute Ausgabe machen konnten. Natiirlich kann ich mich aber nicht aufProbe darum mal Wochen lang in Gott. aufhalten. Mit dem Antonius habe

ich Ungliick. Sachau wollte ihn nach'Wright's Abschrift herausgeben, fand

aber irgend ein Haar darin (ich erinnere mich der Einzelheiten nicht genau

mehr); bald darauf war das Ei zwischen uns zerbrochen, und ich konnte zu'W'right's Copie nicht mehr gelangen.zze

Ein Ausdruck in Ihrem Brief hat mich wirklich geirgert: ,Dazu bin ich

auch viel zu unbedeutend". Ironie kann's nach dem Zusammenhang nicht

wohl sein, aber dass es Ihr Ernst sei, kann ich auch nicht annehmen' Nur &Lumpe sind eben bescheiden, und zu solcher Lumpenbescheidedenheit ha-

ben Sie aJJl3 keine Veranlassung! Ich will Ihnen, wenn Sie's wiinschen, eine

iibersichtliche Darstellung Ihres wissenschaftlichen Konnen's und Thun'sgeben, der Vorziige, die Sie vor mir haben (namentlich gro8eren Scharfsinn

u. mehr Sorgfalt im Einzelnen), und derer, die ich vor Ihnen zu haben

glaube. Aber vielleicht ist das nicht nothig.

pline konnen in letztger Zeit ruhig denkenden Leuten nicht mehr imponieren. Idelist bin ich auch durch u. durchl

229 Hiil folgen knapp zwei Seiten, in denen sich Noldeke mit Hoffrnanns Einwdndeag.g.r, s.in. Deutungen einiger semitischer Personennamen auseinandersetzt.

262

Ich mochte meinen Artikel ,,Pers. Nationalepos", den ich Ende des Jahresabzuliefern habe, gern in d. 1. Hllfte desJahres fertig machen u. bin ietztdabei, zum 2. Mal in kurzer Zeit das ganze e^trol..l durchzulesen. Recht

schon, aber zeitraubendl Jammerschade, dass es um d. Textiiberlieferung so

traurig steht. Ich komme jetzt mehr u. mehr dazu, viele iiberschie8ende

Verse bei Macan, die Mohl ausgeschlossen hat, fiir echt zu halten. Fird. hat

eben sehr weitliufig geredet u. sich wiederholt. Die grof3e Zahl v. Versen,

die er selbst nennt, kommt bei Verki.irzungen gar nicht heraus. Aber natiir-lich giebt's auch viel Interpolationen! - Nicht einmal d. prosaische Einlei-tung aus d. dltesten Hdschr. (deren Text iibrigens nach einer Collation von800 Versen, die mir Horn gemacht hat, auch viel zu wiinschen tibrig liisst)

kann ich bekommen, denn sie photographieren zu lassen oder etwa 200 M'firr d. Abschrift d. 5 oder 8 Seiten zu zahlen, kann ich Triibnern nicht zu-

muthen. Ich werde mich nun mit der Leydener Hdschr. begniigen u. ev.

den Text der Vorrede daraus anderwo collationieren lassen. Nun, vederemol

Die Aufgabe selbst ist schon!

Entsetzlich kalt! Seit iiber 14 Tagen niemals auf 0 gewesen, immer darun-

terl - Ich trage mich immer mehr mit Auswanderungsgedanken, am liebsten

nach dem untern Hochland von Abessinien, so 5-7000 FuB hoch, wo es nie

kalt und nie zu hei8 wird.Au8erordentlich freut mich's, dass es mit Ihren Ohren so gut steht. Un-

ter diesen Umstdnden thut mir's doppelt leid, dass Sie nicht nach Gott.

oder Halle gekommen sind. Kiel ist fi.rr Sie auf d. Dauer doch ein zu kleines

Macedonien.Im Uebrigen wie immer

Ihr Th Noldeke.

1893-01-29 an ErnstWindisch (UAL)

Lieber W'indisch!

Als ich gestern Ihren Brief erhielt, erschrak ich. Gelehrtenbiographien u'drgl. ist das Letzte, was ich treiben mag. Nur 2 Artikel iiber verstorbne

Freunde habe ich in m/m Leben geschrieben: 68 Zetlen tiber Goldschmidtunmittelbar nach s/m Tode auf speciellen Wunsch der Redaction hiesiger

officioser Zeitung und 3 Seiten iiber \Vright fiir d. ,,Rundschau", worin ich

nicht d. Gelehrten, sondern den Menscherc schilderte.230 Nun traf mich IhrBrief gestern noch in einem Erkiltungszustande: Sie wissen vielleicht, dass

ein bischen Angina oder Schnupfen mir wenigstens 2 Tage den allerunbe-haglichsten Zastand verursacht. Dachte also schon, direct abzulehnen mit

230 S, Noldeke 1889a.

253

e. ,,[Rez.] F. Babinger, Hans Dernschzaam's Thgebwch einer Reise nach Konstan-tinopel und Kleinasien (1553/55) nach der Urschrft im Fuger-Archia berausge-

geben und erLiwtert (Minchen u. Leipzig 1923)", Der Islam 14, 155-158.

2. Verzeichnis der handschriftlichen Qtellen

Die in dem vorliegenden Band teils auszugsweise, teils vollstdndig abgedruck-

ten Briefe Theodor Noldekes sind als Bestandteil der hier im einzelnen ange-

flihrten Sammlungen in den folgenden Bibliotheken zu finden:

1) Staatsbibliothek zw Berlin - PrewJSisclter Kuhwrbesitz (SBB)

17 Briefe aus denJahren 1862 bis 1892 an August Dillmann (Handschriften-

abteilung, Nachlass August Dillmann); 1 Brief an Oskar Mann (Slg. Darm-staedter 2b 1862)

2) Cambridge Uniaersiry Librarl QUL)

17 Briefe an William Robertson Smith aus den Jahren 1881 bis 1892 (Add.Mss. 7449); 1 Brief an \Tilliam \X/right vom 12. Februar 1867 (Add. Mss.

744e).

3) UniaersitArs- wnd Forscbwngsbibliothek Erfwrt / Gotha (JFBEG)

5 Briefe an Wilhelm Pertsch aus den Jahren 1874 bis 1891 (Chart. B 2005

l2sl)

4) N i e der s rich s i s ch e S t a at sb ib / i o th ek G d u ingen ( S U B G)

2Brrefe an Ferdinand Frensdorffvom 11. November 1880 und 9.Jal\ 1,914

(F. FrensdorffI Briefe 330 und 331);5 Briefe an Paul de Lagarde aus denJah-ren 1857-1882 (Cod. Ms. Lagarde 150:868); 1 Brief an Wilhelm Meyer vom22. September 1893 [V. Meyer IV:5); 5 Briefe an Richard Reitzenstein aus

denJahren 1911 bis 1914 (Philos.208:5-13);3 Briefe an Hermann Sauppe aus

denJahren 1855 bis 1870 (Cod. Ms. Sauppe 110); 1 Brief an Ulrich von'S7i1a-

mowitz-Moellendorff vom 19 . J anuar lB9 2 (U . \Tilamowitz B B 3 ).

5) Unia ers itrit sb ibli o th ek K; el (U B K)

99 Briefe an Georg Hoffrnann aus denJahren 1869 bis 1924 (Nachlass Georg

Hoffrnann)

460