Naturraumpotential und Landnutzung in Nordost-Nigeria. Beispiele aus der Tangale-Waja-Region

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Berichte des Soudetforsclumgsbereicils 268. Band 9. Fmnkjim a. M. 1997: 11-34 NATURRAUMPOTENTIAL UND LANDNUTZUNG IN NORDOST-NIGERIA. BEISPIELE AUS DER TANGALE-WAJA-REGION Jörg Adelberger und Karsten Brunk Vorbemerkung Mit diesem Beitrag wollen wir die Bedingungen und Möglichkeiten der An- passung und Entfaltung menschlicher Gesellschaften innerhalb eines be- stimmten Lebensraumes exemplarisch darstellen. Was heißt es, dort zu le- ben, welche Strategien werden verfolgt, um dort zu überleben?1 Es sollen die von der Natur vorgegebenen und die historischen Bedingun- gen aufgezeigt werden, denen das Verhalten der dort lebenden Menschen unterworfen war und ist, und es soll die Art und Weise der Nutzung des na- türlichen Potentials vorgestellt werden. Dabei verstehen wir die Lebenswei- sen dieser Gemeinschaften nicht als einen bloßen Reflex auf vorgegebene Bedingungen des Naturraumes, sondern als das Ergebnis wechselseitiger Be- einflussungen von Umwelt und Gesellschaft (siehe auch ADELBERGER, BRUNK & KLEINEWILLINGHÖFER 1993, FRICKE 1971). Wir wollen dies an den beiden Bereichen Wohnen (Siedlungsweise) und Arbeiten (Wirtschaftsweise) aufzeigen. 1. Naturraum und ethnisch-linguistische Situation 1.1 Naturraumausstattung Für die Entfaltung menschlicher Aktivitäten kommt zunächst den naturräum- lichen Gegebenheiten eine entscheidende Bedeutung zu. Die besiedelten Landschaftsteile müssen gewissen Mindestansprüchen genügen. Dazu gehö- ren vor allem die Verfügbarkeil von Wasser (Niederschlags- und Trinkwas- ser) und von ertragbringenden Böden (für Feldbau, Weidewirtschaft, Baum- kulturen oder Wald). Bis in die jüngere Vergangenheit war auch die Anlage eines vor feindlichen Angriffen geschützten Siedlungsplatzes von existentiel- ler Bedeutung, sei es durch von Menschen geschaffene Befestigungen oder I Überarbeitete schriftliche Fassung des Vortrages "Leben und Überleben in der Savanne"; gehalten am 11.5.1994 im Rahmen der Vortragsreihe "Die Völker Nordnigerias" der Volkshochschule Bad Homburg.

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Berichte des Soudetforsclumgsbereicils 268. Band 9. Fmnkjim a. M. 1997: 11-34

NATURRAUMPOTENTIAL UND LANDNUTZUNG IN NORDOST-NIGERIA.

BEISPIELE AUS DER TANGALE-WAJA-REGION

Jörg Adelberger und Karsten Brunk

Vorbemerkung

Mit diesem Beitrag wollen wir die Bedingungen und Möglichkeiten der An­passung und Entfaltung menschlicher Gesellschaften innerhalb eines be­stimmten Lebensraumes exemplarisch darstellen. Was heißt es, dort zu le­ben, welche Strategien werden verfolgt, um dort zu überleben?1

Es sollen die von der Natur vorgegebenen und die historischen Bedingun­gen aufgezeigt werden, denen das Verhalten der dort lebenden Menschen unterworfen war und ist, und es soll die Art und Weise der Nutzung des na­türlichen Potentials vorgestellt werden. Dabei verstehen wir die Lebenswei­sen dieser Gemeinschaften nicht als einen bloßen Reflex auf vorgegebene Bedingungen des Naturraumes, sondern als das Ergebnis wechselseitiger Be­einflussungen von Umwelt und Gesellschaft (siehe auch ADELBERGER, BRUNK & KLEINEWILLINGHÖFER 1993, FRICKE 1971). Wir wollen dies an den beiden Bereichen Wohnen (Siedlungsweise) und Arbeiten (Wirtschaftsweise) aufzeigen.

1. Naturraum und ethnisch-linguistische Situation

1.1 Naturraumausstattung

Für die Entfaltung menschlicher Aktivitäten kommt zunächst den naturräum­lichen Gegebenheiten eine entscheidende Bedeutung zu. Die besiedelten Landschaftsteile müssen gewissen Mindestansprüchen genügen. Dazu gehö­ren vor allem die Verfügbarkeil von Wasser (Niederschlags- und Trinkwas­ser) und von ertragbringenden Böden (für Feldbau, Weidewirtschaft, Baum­kulturen oder Wald). Bis in die jüngere Vergangenheit war auch die Anlage eines vor feindlichen Angriffen geschützten Siedlungsplatzes von existentiel­ler Bedeutung, sei es durch von Menschen geschaffene Befestigungen oder

I Überarbeitete schriftliche Fassung des Vortrages "Leben und Überleben in der Savanne"; gehalten am 11.5.1994 im Rahmen der Vortragsreihe "Die Völker Nordnigerias" der Volkshochschule Bad Homburg.

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durch die Wahl des Siedlungsplatzes in einem schwer zugänglichen, insbe­sondere gebirgigen Landschaftsteil (siehe ADELBERGER, BRUNK & KLEINEWILLINGHÖFER 1993).

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Abb. 1: Tangale-Waja-Region in Nordost-Nigeria (aus BRUNK 1995).

Großräumig gesehen liegt die Tangale-Waja-Region etwa 10° nördlich des Äquators in der Sudanzone Westafrikas (siehe Abb. 1). Charakteristisch für diese Region sind deren vielfaltige Landschaftsformen: schroffe Gebirgszüge (bis 1000 m Höhe) sowie Plateau- und Hügellandschaften aus Sandsteinen, Basalten und granitischen Gesteinen, markante Vulkanstiele und -kegel, so­wie Beckenlandschaften und Flußniederungen (siehe auch BRUNK 1993).

Diese Gegebenheiten finden auch ihren Niederschlag in einer entsprechend vielf'altigen Ausstattung des Naturraums an Böden und bezüglich des Wasserdargebots. Böden: - auf Verebnungen im Gebirge und am Fuß der Gebirge vorwiegend sandige

Böden, die verhältnismäßig leicht zu bearbeiten sind, - in den Beckenlandschaften neben sandigen und schluffigen Arealen auch

solche mit tonigen, fruchtbaren Böden, die manuell aber nur sehr schwer zu bearbeiten sind,

- in den Talauen fruchtbare, lehmige Böden.

50 "C

1: 49,0' h: 40,0'

40

30

1:-13,1"

20

10

1:16,2" g:9,()'

Dadln Kowa (230m) 1 0"17'N. 11 °30,5'E [N: 197HI8. 1990-93 T: 19!16(87-M, 1990-93 E: 198f>-88, 1990-9'2]

(286rrm1

28,3 "C, 755,8 mm [Pan 'A': 2626 mm EJ

-300 I

200

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K. Brunl<, 1'1'1 4

Abb. 2: Klimadiagrammtor Dadin Kowa (aus BRUNK 1997).

Erläuterun&en zum Klimadiagramm: (g): tiefste gemessene Temperatur

- vertikal schraffierter Bereich: relativ (b): mittleres tägliches Maximum des humide Jahreszeit wärmsten Monats

- punktierter Bereich: relative Dürrezeit

- gerissene Linien: mittlere monatliche Maxima (oben) bzw. mittlere monatli­ebe Minima (unten) der Temperatur

- [mm E]: Pan 'A' Evaporation

(f): mittleres tägliches Minimum des kältesten Monats

(i); höchste gemessene Temperatur

(j): mittlere tägliche Temperatur­schwankung

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Wasserdargebot:

- gue~laustri~e ~n Berghängen und Bäche in felsigen Schluchten mit ganz­Jähng, qualitativ gutem bis sehr gutem Wasser,

- in den Ebenen - meist in den Flußbetten - aus gegrabenen Wasserstellen: Wasser häufig nicht ganzjährig verfügbar, vor allem in den sandigen Flußbetten wegen Verunreinigungen während der Trockenzeit von mäßi­ger bis schlechter Qualität.

Das Klima der. Sudanzone wird durch den markanten Wechsel von Regen­~d Trockenze1t~n bestimm~. Die Niederschläge - in der Tangale-Waja-Re­gmn etwa 750 b1s 800 mm un Jahr - fallen in der von Ende April bis Mitte Oktober dauernden Regenzeit. Die Jahresmitteltemperaturen liegen bei 27°~. Den Jahr~sgang der Klimaparameter Niederschlag und Temperatur sowie der potentiellen Verdunstung zeigt das Klimadiagramm der Station Dadin Kowa ö~tlich vo~ Gombe (aus_BRUNK 1997, siebe Abb. 2). Die darge­stellten monatheben Niederschlagsmittelwerte geben jedoch weder Auskunft über die starke räumliche und zeitliche Variabilität noch über die Intensität der Niederschläge, und die damit verbundenen Risiken für den Regenfeldbau und die Weidenutzung.

Vor ~llem in der vorwiegend ländlich geprägten Tangale-Waja-Region haben d1e naturräumlichen Verhältnisse die Entwicklung der sozio-ökonomi­schen Raumstrukturen sehr stark bestimmt. Die Agrarproduktion bildet bis heute wegen fehlender Alternativen für den weitaus größten Teil der Bevöl­kerung die Lebensgrundlage. Auch die meisten der in staatlichen Institutio­nen beschäftigten Personen (der industrielle Sektor ist hier zu vernachlässi­gen) s!nd wenigs~ens. teil weis~ auf die Erzeugung eigener Nahrungsmittel a~gew1esen. Damit wrrd deutlich, wie stark die Lebensbedingungen der Be­v_olkerung auch heute noch von den naturräumlichen Gegebenheiten abhängig smd.

1.2 Ethnische und linguistische Situation

Die_ zur Diskus~ion stehende Region ist von einer relativ großen Anzahl ver­schiedener ethnischer Gruppen bewohnt, die in den meisten Fällen auch eine ihnen eigene Sprache besitzen (siehe Abb. 3). Linguistisch lassen sich diese G!"llppen zwei Sprachstämmen zuordnen: den tschadischen Sprachen und den Niger-Kongo-Sprachen. Das Zusammentreffen all dieser unterschiedlichen Sprac~gruppen ist ein Ausdruck der historischen Dynamik dieses Raumes, in dem s1ch Gruppen verschiedenster Herkunft zusammenfanden.

Aus der räumlichen Verteilung der Sprachen lassen sich Rückschlüsse auf deren Verbreitungsgeschichte ziehen. Zusammen mit den mündlichen Über­lief~rungen der einzelnen ethnischen Gruppen und den wenigen, bis jetzt V?rhe~en<~:en archäol~gischen Befunden lassen sich daraus in großen Zügen d1e wichtigsten Bevolkerungsbewegungen und die Besiedlungsgeschichte nachzeichnen. So dürften tschadischsprachige Gruppen aus nordöstlicher

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Richtu~g, aus dem Gebiet um den Tschad-See gekommen sein, während zu den Niger-Kongo-Sprachen zählende Gruppen bereits in der Region lebten (siehe dazu ADELDERGER 1994, BERNS 1986, BRUNK 1994).

Abb. 3: Ethnien in der Tangale-Waja-Region

BURAK =~

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Die verschiedenen ethnischen Gruppen und die sie konstituierenden Unter­einheiten und Verw~tschaftsgruppen haben jeweils eigene, z.T. diver­gierende, mündliche Uberlieferungen zu ihrer Herkunftsgeschichte. Daraus läßt sich schließen, daß wir es hier keineswegs mit homogenen und stati­schen Einheiten zu tun haben, sondern daß es im Gegenteil immer wieder zu Umschichtungen, Aufspaltungen und Neugruppierungen kam.

Seit der Kolonialzeit ist eine starke Zuwanderung der Volksgruppen der Fulani und Hausa aus den benachbarten Regionen und Staaten bis in die Berge hinein zu verzeichnen.

Die schon lange in der Region lebenden Volksgruppen zeichnen sich durch eine geringe politische Hierarchisierung aus. Entsprechend finden sich keine übergreifenden, großräumigen sozialen oder politischen Organisations­formen; die Ethnien waren im wesentlichen selbstversorgend und auf der Ba­sis von Verwandtschaftsgruppen organisiert. Die Kolonialverwaltung erst etablierte zentrale politische Autoritäten wie Dorf- oder Distriktchef und be­diente sich dabei in vielen Fällen bereits vorhandener, religiöser Oberhäup­ter.

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2. Siedlungsweise und Bevölkerungsentwicklung

Die ethnische Vielfalt in den gebirgigen Teilen der Tangale-Waja-Region hat neben historischen auch naturräumlich bedingte Ursachen. Aus den mündli­chen Überlieferungen zur Siedlungsgeschichte geht hervor, daß kriegerische Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen und die Nach­stellungen von Sklavenjägern aus den islamischen Emiraten die "kleinen Eth­nien zur Anlage ihrer Siedlungen in strategischen günstigen Positionen zwangen. Diese Möglichkeiten boten vor allem die gebirgigen Teile der Tangale-Waja-Region. Ein weiterer Grund, der die Besiedlung der gebirgi­gen Areale begünstigt haben mag, ist das höhere Krankheitsrisiko (z.B. Schlafkrankheit, Flußblindheit) in den feuchten Galeriewäldern in den Fluß­niederungen.

Zu Beginn der Kolonialzeit, die hier mit den ersten Unterwerfungen durch britische Truppen 1906 begann, wurden sämtliche Siedlungsplätze der altein­gesessenen Bewohner an teilweise schwer zugänglichen Berghängen oder auf Plateaus und Hügeln angetroffen (ADELBERGER, BRUNK & KLEINE­WILLINGHÖFER 1993, BRUNK 1994). In diesem Terrain konnten herannahende Feinde frühzeitig erspäht werden, und es bot gute Verteidigungs- und Fluchtmöglichkeiten. Zur Abwehr von Feinden wurden örtlich auch wall­artige Befestigungen oder Verteidigungsmauern errichtet.

In der unmittelbaren Umgebung der extrem dicht bewohnten Bergsiedlun­gen wurde auf den Innenfeldern intensiver Feldbau betrieben. Wegen der Steilheit des Reliefs wurden dafür verbreitet Terrassen angelegt. Die Flach­landregionen am Fuß der Bergsiedlungen waren damals siedlungsleer. Hier befanden sich die Außenfelder mit extensivem Feldbau (von Buschbrache unterbrochener Feldbau).

Mit der Kontrolle der Region durch die britische Kolonialmacht begann allmählich auch die Besiedlung der Flachlandgebiete durch freiwillige An­siedlung. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die begionende Ver-_ kehrserschließung seit den 30er Jahren. Aber erst nach 1945 führten Um­siedlungsprogramme durch die Kolonialverwaltung zur Verlagerung und Neugründung zahlreicher Siedlungen, so daß die meisten der alten Bergsiedlungen allmählich verlassen wurden. Als Relikte der Besiedlung sind heute nur noch Gehöftterrassen, Haus- und Speichergrundrisse sowie Mahl­steine und Keramikscherben anzutreffen (siehe Fig. 11 in BRUNK 1994).

Mit den Umsiedlungsprogrammen waren häufig auch eine Verbesserung der Infrastruktur (Verkehrsanschluß, Marktplätze, Trinkwasserversorgung, Schulen und medizinische Versorgung) und Maßnahmen zur Entwicklung der Landwirtschaft (vor allem Einführung von ochsengezogenen Pflügen und neuen Kulturpflanzen) verbunden (BRUNK 1995).

Auch in den neugegründeten Flachlandsiedlungen lebt ein Großteil der Bevölkerung wie in den alten Bergsiedlungen in strohgedeckten Rundhäusern aus Lehm oder Steinen. Vor allem in den städtischen Siedlungen sind von

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den wohlhabenderen Bewohnern wellblechgedeckte Häuser mit rechteckigem Grundriß errichtet worden.

Neben den Siedlungsverlagerungen der alteingesessenen Bevölkerung kam es in den siedlungsleeren Flachlandgebieten auch zu einer starken, bis heute anhaltenden Zuwanderung von neuen Bevölkerungsgruppen (Fulani, Hausa und Kanuri) aus den nördlich angrenzenden Regionen. Die Folge war und ist die Anlage zahlreicher weiterer Siedlungen. In denen der Hausa fcillt die ty­pische Bauweise dieser großen Volksgruppe ins Auge - rechteckige Lehmhäuser mit flachen Dächern. Während die inzwischen seßhaft geworde­nen Fulani keinen speziellen Haustyp haben, wohnen die transhumanten Viehzüchter in kuppel-oder zeltfönnigen Hütten, die aus dem jeweils verfüg­baren pflanzlichen Baumaterial errichtet werden.

Die Verbesserung der Lebensbedingungen und vor allem die Zuwande­rungen der neuen Siedler waren und sind die Ursachen für ein bis heute an­haltendes rasches Bevölkerungswachstum seit den frühen 50er Jahren. In der Tangale-Waja-Region, die bis Mitte der 90er Jahre aus den Verwaltungsein­heiten Billiri, Kaltungo und Balanga bestand, vervierfachte sich die Bevölke­rungszahl im Laufe der letzten sechs Jahrzehnte von 92.574 (1934) auf 384.118 (1991) Einwohner. Die Bevölkerungsdichte hat im Mittel von 22,7 (1934) über 29,0 (1952) bis 94,1 (1991) Einwohner pro km2 zugenommen (BRUNK 1994). Mit der Bevölkerungszunahme kam es wegen der größtenteils von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung zu einer starken Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Der zunehmende Landbedarf führte in den letzten Jahren dazu, daß nun die für die Brennholzversorgung eingerichteten Waldschutzgebiete (Forest Reserves) gerodet werden und daß auch wieder die mühsame Kultivierung steiler und steiniger Areale im gebir­gigen Relief zunimmt. Inzwischen sind nahezu alle landwirtschaftlich nutzba­ren Flächen unter ackerbaulicher oder weidewirtschaftlicher Kultur (BRUNK 1995). Da Reserveflächen kaum noch vorhanden sind, spielen Auseinander­setzungen um Landrechte und Nutzungskonflikte zwischen Feldbauern und Viehhaltern eine zunehmend größere Rolle; es flackern immer wieder Kon­flikte zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen auf.

3. Wirtschaftliche Aktivitäten im Jahresablauf

Entscheidenden Anteil an der Strukturierung der (land)wirtschaftlichen Akti­vitäten hat die Teilung des Jahres in Trockenzeit und Regenzeit. Während die Regenzeit die Saison für die landwirtschaftlichen Aktivitäten (Regenfeldbau) ist, werden während der Trockenzeit neben handwerklichen Tätigkeiten, der Bau oder die Reparatur von Häusern und Zäunen, örtlich auch Bewässerungsfeldbau betrieben. Da der weitaus größte Teil der Bevöl­kerung in der Landwirtschaft tätig ist, hat diese Unterteilung des Jahresab­laufs auch für die Mehrheit der Bewohner der Region entscheidende Bedeu­tung.

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3.1 Regenzeit- und Bewässerungsfeldbau

3.1.1 Nutzpflanzen

Für die überwiegende Mehrzahl der Bewohner dieser Region stellt der Feld­bau die wichtigste Quelle des Lebensunterhaltes dar. Das Grundnahrungs­mittel ist Hirse, von der verschiedene Sorten sowohl der Rispen-· als auch der Kolbenhirse angebaut werden. Es werden meist etwa vier Sorten Rispenhirse (früh- und spätreife) und zwei Sorten Kolbenhirse (früh- und spätreif) kultiviert. Zum Teil kennt man bis zu zwölf lokal unterschiedene Sorten Hirse, die jeweils eigene Namen tragen. Neben der Hirse spielen Mais ~nd Bohnen als Nahrungsmittel eine wichtige Rolle. Weitere Anbaupflanzen smd Baumwolle Reis, Sesam, Süßkartoffeln, Yams, Cassava und weitere Ge­müsearten (Bambara Nuss, Tigemuß, Tabak, Cocoyam, Chillie, Tomate, Bittertomate, Melone, Kürbis, Okra, Spinat, verschiedene lokale Kräuter) sowie verschiedene tropische Baum- und Staudenfrüchte (Mango, prange, Zitrone, Guave, Papaya, Banane). Von vielen dieser ~ultivare we!~~~ lokal mehrere Sorten unterschieden. So kennt man etwa be1 den BangwmJl m den nordöstlichen Muri Bergen vier Sorten Sesam und vier Sorten Bohnen.

Am Beispiel der Hirse soll kurz die ideale Eignung ~er Kultiv~re an .die naturräumlichen Bedingungen erläutert werden. Kolbenhirse und Rispenhirse sind sehr tolerant gegenüber unregelmäßigem Regenfall und überstehen auch Dürreperioden, wobei Kolbenhirse (Pennisetum) noch weniger . Wasser benötigt als Rispenhirse (Sorghum), dafür akzeptiert Rispenhirse aber selbst Staunässe. Hirse bringt gute Erträge auf unterschiedlichen Böden, auf schweren, tonigen ebenso wie auf leichten, sandigen Böden. Sie. ist die ideale Getreideart für heiße und trockene Gebiete und daher das typische Grund­nahrungsmittel der Savannenregion (vgl. PURSEGLOVE 1985).

Die große Bedeutung, die die Hirse für die Ernährung der Bevölkerung hat, drückt sich darin aus, daß ihr im Glauben der lokalen Bevölkerung eine Art Seele zugestanden wird. Dies hebt die Hirse deutlich unter den anderen Nutzpflanzen hervor, macht sie aber - im spirituellen Sinne - gleichzeitig verwundbar, da sie, wie der Mensch auch, Angriffen durch Hexer und übelwollende Geister ausgesetzt ist, die es auf die Seele abgesehen haben. Daher werden z.B. bei den Bangwinji auf die Stapel geernteter Hirse Zweige bestimmter Bäume gesteckt, die als Schutz vor bösen Einflüssen wirken sollen.

Auch an dem Inventar der Nutzpflanzen lassen sich historische Verände­rungen und Einflüsse ablesen. So sind durch die erhöhte Mobilität und erheb­lich verbesserte Handelsbeziehungen in diesem Jahrhundert insbesondere dem Verkauf dienende Früchte (cash crops) neu hinzugekommen und solche Varietäten, die durch kürzere Reifezeit oder höheren Ertrag einen Vorteil gegenüber den bereits vorhandenen Varietäten bieten. Insgesamt bietet sich auf Grund unserer Befunde das Bild einer DiversifJZierung der Anbaupro­dukte, da die Zahl der neu angenommenen Nutzpflanzen die Zahl der aufge-

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g~benen übersteigt. Bei den Kultivaren, die aufgegeben wurden, handelt es s1ch ';UD solche, ~eren E~g. unter den heutigen Bedingungen nicht mehr den ~be1ts~~fw~d ~er Kultivierung lohnt. Dies ist z.B. der Fall bei Hunger­reis (.~lgltan~ exlllS), der selbst auf ausgelaugten Böden noch wächst, jedoch nur emen genngen Ertrag pro Anbaufläche bringt.

. Nicht oder nur in geringem Maß dem lokalen Bedarf bzw. Verzehr dienen ~1e cash crops. ~ier ist in ~rster Linie Ba~wolle zu nennen, die fast gänz­hch an kommerzielle Aufkäufer verkauft w1rd und ihren Weg nach Indien und :UWerswo findet.. Als weitere cash crops sind Tomaten, Zwiebeln und ~apnka zu nennen, d1e auf lokalen oder städtischen Märkten teilweise auch m der Lebensmittelindustrie ihren Absatz finden. '

3.1.2 Anbaumethoden und -techniken

~radit.ionell, d.h. bis zur Einführung neuer Technologien während der Kolo­ru~~lt, ~rde der Feldbau ausschließlich als Hackbau betrieben. Diese ar­be1~mtens1ve Methode war den z.T. sehr flachgrundigen Böden der Berg­reglO~ angepaßt.' erla~bte aber nicht die Bearbeitung der nährstoffreichen Tonböden (Verusole) m der Ebene. Durch die Einführung von ochsengezo­ge~en Pflügen wu~den sow~hl diese Vertisole erschlossen als auch die Aus­weitung der landw1rtschafthchen Nutzflächen im Flachland ermöglicht (siebe auch DE LEEUW et al. 1972 und BRUNK 1995).

~ine sehr augenflillige Adaptionsleistung sind die Hangterrassen. In vielen Gebieten. wur~en, um nachhaltig auf Hangfeldern anbauen zu können, Ter­rassen m1t Rrunstufen aus Trockensteinmauem errichtet. Dies wird teilweise a~ch heute noch praktiziert, so z.B. bei den Tula. Die wichtigste Funktion d1e~er '!errassen .besteht in der Verhinderung von Bodenerosion. Weitver­breitet _ISt auch d1e Nu!Zung v~>n Terrassen als Gehöftplattform, um so trotz d~r ~e1gung an. Berghängen siedeln zu können. Feldterrassen sind Bestand­teil emes agr~n5':hen Inte!~Sivierungskomplexes, bei dem, etwa durch ver­stärkten Arbe1tsemsatz, em höherer Ertrag pro Landeinheit erzielt wird (~ELBERG~~ 1995). Ein Beispiel landwirtschaftlicher Intensivwirtschaft ~ttels traditioneller Methoden sind die Tula, die besonders auf den ge­h~ftnahen. Terrassenfeldern die Techniken des Mulchens und der Düngung ffilt orgaruschen Abtallen anwenden (siehe auch PRICKE et al. 1996).

Während in d~r Vergangenheit auf den gehöftnahen Feldern und auf den Terrassenfeldern m der Regel Daueranbau betrieben wurde wurden die ge­h'?ftfernen Felder im extensiven Feldbau oder Schwendba~ bewirtschaftet. Em Feld wurde solange genutzt, bis die Ernteerträge zurückgingen· dann wurde ein neues Feld vorbereitet und das alte der Buschbrache Überiassen Solange noch ausreichende Flächen von Brachland bzw. ungenutzte~ Busc~and zur Verfügung standen, war dies eine angemessene Methode da der W1~erbe~chs mit Wil<fkr:äutem und Buschwerk die Bodenfruchtba;keit regenenerte. D1ese Methode 1St heute auf Gebiete mit schlechten Böden beschränkt. Durch die seit der Kolonialzeit, besonders aber seit den 50er Jahren stark angewachsene Bevölkerungszahl hat sich ein enormer Druck auf

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das Land ergeben. Dies führt zu immer längeren Nutzungszeiten der einzelnen Felder, deren Fruchtbarkeit dann durch die Anwendung von Kunstdünger zu erhalten versucht wird.

Cash crops werden meist in Monokultur angebaut, während die für den Eigenkonsum bestinunten Feldfrüchte meist in Mischkultur angebaut wer­den. Ein weit verbreitetes Muster für Mischkultur ist der Anbau von Hirse zusanunen mit Bohnen, Mais und Erdnüssen. Mischkultur bietet viele Vor­teile, u.a. wird der Boden vor Erosion und Austrocknung geschützt, das Wachstum von Unkräutern wird gehemmt und die Stoffwechsel der ver­schiedenen Pflanzen wirken sich positiv aufeinander aus (vgl. WRIGLEY 1982: 150 ff.). Monokulturen sind anfälliger für Schädlinge und Parasiten und die Notwendigkeit eines Einsatzes von Pestiziden ist hier eher gegeben als bei Mischkultur.

Die Diversiftzierung der Anbauprodukte ist eine Strategie der Risikomin­derung, denn selbst wenn die eine oder andere Feldfrucht auf Grund ungün­stiger Bedingungen nicht den erwarteten oder gar keinen Ertrag bringt, ver­bleiben die Erträge der anderen Nutzpflanzen. Monokultur birgt ein höheres Risiko, da Ernteschaden einen wesentlich höheren Verlust bedeutet. Dafür kann aber auch der Gewinn bei Erfolg größer sein.

In Abschnitten von Talauen, die langandauernd feucht bis sumpfig sind (sog. fadama), wird vor allem Reis angebaut. Ausgesprochener Bewässe­rungsanbau mit künstlicher, d.h. von Menschenhand geschaffener Bewässe­rung, fmdet sich traditionell wenig, da es nur wenige ganzjährig fließende Wasserläufe gibt, die diese Möglichkeit der Ausdehnung der Anbauperiode in die Trockenzeit hinein bieten. Gewöhnlich wird dann ein kleines Areal abgezäunt, um die Pflanzen vor streunenden Tieren zu schützen, und die Beete werden von Hand mit Hilfe eines Behälters bewässert. Hier werden Gemüse für den Verkauf angebaut. In Einzelfällen kann aber auch die Be­wässerung durch Kanäle beobachtet werden. Durch den Bau von Staudäm­men bei Balanga und bei Cham sind in neuerer Zeit die Voraussetzungen für irrigierte Landwirtschaft in größerem Stil geschaffen worden.

3.1.3 Anbaukalender

Das landwirtschaftliche Jahr beginnt im allgemeinen im April-Mai mit der Säuberung der Felder und dem Verbrennen der Ernterückstände. Nach den ersten Regenfällen im Mai wird mit der Aussaat begonnen, wobei die ver­schiedenen Nutzpflanzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgesät werden. Die Aussaat wird meist individuell oder mit der Hilfe von Familienmitglie­dern durchgeführt. Je nachdem, wie lange eine Pflanzensorte auf dem Feld steht, muß bis zu dreimal gejätet werden. Diese arbeitsintensive Tätigkeit wird meist von Arbeitsgruppen bewältigt, die sich auf der Basis von Ver­wandtschaft, Nachbarschaft, Alter oder Freundschaft zusanunenfmden, oder bei denen es sich einfach um entlohnte Hilfskräfte handelt. Bei frühreifen Hirsesorten kann dann bereits im August mit der Ernte begonnen werden, doch sind die Monate September bis November die Haupterntezeit Auch das

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Ernten wird meist mit ~er Hilfe kommunaler Arbeitsgruppen bewältigt. Der Anbaukalen?er mach~ d1e starke Beanspruchung der Arbeitskraft im Bereich der Landwirtschaft m den Monaten Mai bis Dezember deutlich (siehe T.a~lle 1). Die Ernte wird in traditionellen, runden Speichern aufbewahrt, die m der Regel ~us sonnengetrocknetem Lehm gebaut sind und auf einer Plattform aus Sternen stehen, um den hilialt vor Termiten und anderen Insekten z~ schützen. Bemerkenswert ist, daß die Form dieser Speicher je nach etlmischer Gruppe unterschiedlich ist, und so ein gut sichtbares Merkmal kultureller Eigentümlichkeit darstellt.

3.1.4 Mit dem Feldbau verbundene Rituale

Die verschiedenen Schritte im jahreszeitlichen Ablauf des Feldbaus werden im traditionellen Lebenszusammenhang spirituell abgesichert bzw. von Ri­~alen begleitet. oder eingele.itet. So wird der Zeitpunkt der Aussaat bei den emze~n Ethnien vo~ bestunmten Ritualexperten festgelegt, die auch als e~ste d1e Au.s~t vollziehen, be~or die anderen Bauern ihrem Beispiel folgen konnen. Be1 VIelen Gruppen w1rd auch das erste Jäten der Hirse von be­stimmten Ritualen begleitet, so bei den Bangwinji. Hier heißt das Ritual fW!1kwa: der zuständige Priester bereitet Bier aus eigens dafür aufbewahrter Hrrse zu und opfert es, und er ist der erste, der die entsprechenden Arbeits­schritte auf dem Feld durchführt.

Die Ernte und der erste Genuß der neuen Feldfrüchte werden ebenfalls von Ritualen eingeleitet. Diese Rituale beziehen sich nicht unterschiedslos a~f alle Kul~fl~n, ~ondern explizit nur auf die schon seit langem kulti­VIerten und für d1e Subsistenz am bedeutsamsten wie z.B. Hirse oder Boh­n~n .. Relativ n~u ~inge~e Pflanzen unterliegen nicht dieser spirituellen E~bm?ung. D1e Rjtuale beinhalten gewöhnlich das Opfern von Hühnern und H1~seb1er. Das Z_Iel all dieser rituellen Aktivitäten ist, das erfolgreiche Keunen und Gedeihen der Pflanzen zu gewährleisten und Schaden und Miß­ernten abzu~enden .. Innerhalb des traditionellen Glaubenssystems bilden die Lebenden, die ~re1ts versto!benen _Y orfahren und die noch ungeborenen Nachkm~en eme Gesamtheit und smd auf vielfältige Weise mit den Gei­stern des s1e umgebenden Raumes verbunden. Diesen spirituellen Beziehun­gen un? Abhängigk~iten wird durch die Rituale Rechnung getragen. Mittels symbolischer und ntueller Handlungen wird im traditionellen Glaubenssy­s~m versucht, auf Unwägbarkeiten Einfluß zu nehmen und negative Ent­Wicklungen abzuwenden. Trotz der relativ hohen, durchschnittlichen Nieder­schlagsme~ge w~e~ und sind. Dürren und dalnit einhergehende Hungerkata­strophen eme ständige potentielle Bedrohung für die Bewohner dieser Re­gion. Mitt~ des 18., in der ersten Hälfte des 19. und zu Beginn dieses Jahr­hunderts smd ausgesprochene Dürreperioden zu verzeichnen (BRUNK 1992: 156). So wird bei den verschiedenen Ethnien auf unterschiedliche Weise ver­sucht, den Regenfall zu manipulieren, wenn dieser ausbleibt und so der Er­folg der Anbausaison in Frage gestellt wird.

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Tab. 1: Anbaukalender der Bangwinji am nördlichen Rand der Eastem Muri Mountains

KulturPflanze lJan. Feb. r.tärz Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept./ Okt. Nov. Dez.

Kömerfriichtt R:----,------ r-- r--r-- --(~

--- 1--+-- -1---l--- --- f--- --- ------f-:_.t-. 2;...

Rispenhirse (spiltreif) -r·:::J.. -~- .A ••

Kolbenhirse - _ -- .2.-. (lrü~---t---1--t- -------- ----f--- ---Kolbenhirse -':-•• _1: .?:. 2· .• <:.c•pil'-"--lret-'----'f)-----1-- -+---f--- -+---+--r--- - 2 - ---- --- -- --- ___:·_. ., .... __ Mais (fnlhreif) • .\,. - ·•··

Mais (spilln!if)

--,:- 2. - - + - -+---!---- -- --f--- __:::_::_!·..:_~ - -=:. --

Reis -------J---1- - I--- - t---~:.:::·_··_,· --+----::::chte ---t---1--1-------- --· ..:::;_;;~~±=- -------(wake, B.) Bo-,-hn- en-'----1----lf-- -- ---- --- -+- -1-----

_(kadanade~~- --1----]t---t- --+---+ ----1---t---+-- ___ = __ Bambara-Nuß •• 1. • .• ~;... .••...••.•••••••• ------- t-- - ----+--+-+-·-+--+ Tiger-Nuß -------- ·--- ----t-------- ---1-Wurul-und Kn~ll_m~~;_htt_ -- -- - --- ---+--~---+---- -- -- --

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y~~------ ~- ___ ::;;_\2 ahresp ~- ___ _ 1-- ______ _

•• •• •••• I Jahr päM)

Cocoyams ___ '-/_ •. 1 ••

Ölfriichtt l -----jf----j---d-+---t--1---+-+--

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Sesam 1 --••••

:::::~ -- --,= -~rt-~t~--=--+::;: =-:. ; ·-;- ....... . ....... , I I I "'-·- ~ · -·-·- ··-··

Erläuterungen: säen, pflanzen: jäten: ernten: (wake,H.):

erstes, zweites, drittes Jäten: •• 1.. ..};.. . .:J: ••

Name des Kultivars in Hausa

Tab. 1: Forts.

Kultumflanze Gmriise1md ..S.nn~t;.,,.

Kürbis

Melone

Bittertomate

Chillie

Okra (frühreif)

Okra (spätreif)

Soinat (a'layyaho, H.)

~ta:r\Tra (yaalr.uwa, B.)

Eleusine coracana (tambaa, H.).

Tabak

BIUUitfriichtt 1111d0bst

Mango

Zitrone

Guave

Papaya

Banane

ßorassus-Palme

Ediatmm11en: säen, pflanzen: jäten:

I Jan.IFeb. !März/Apr./ Mai I Juni I Juli /Aug./Sept.l Okt. /Nov./ Dez.

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ersteS, zweites, drittes Jäten: -1.. ..J:.. .A: •• ernten: (wake,H.): Name des Kultivars in Hausa

23

24

Bei den Kulung im Südwesten der Muri Berge gehen in sol~h eiJ;le~tl die Älteren eines Dorfes auf einen bestimmten Berg, d~rt wrrd ;m f . e~ gebrach~ und ei~ s~ziel~~r. nur fürhdiebesen Z~~!nbe~~~ d:: R:~~n vom Pnester mit semer Offnung nac 0 n ge · . d · h anziehen der dann den Topf füllen wird. ~in anderes Regenn~al fin et SiC

· d 'B · ·· Hier wird eine besummte, aus Naturstemen ges~tzte, bei en angwmJi. . ähr. nd ·d Rituals kreisförmige Mauer vom zuständigen Pnester w e . ~s umgestoßen. Das Zerstören der Mauer S?ll den Regen herbeib~~ge~. ~nd ebenfalls bei dieser Ethnie fmdet sich. der V. ersuch, emra~ge Niederschia sschwankungen auszugleichen, mdem eme K:alebassenschU:Ssel auf das Fe1d gestellt wird, die den Niederschlag anziehen soll d (sie~e ADELBERG ER, im Druck). Auch wenn C~istentu.~ und Islam, beson ers in~ der jüngeren und mittleren Generation, viele ~ger gefunden ~~~~di diese überkommenen Vorstellungen und Prakt~en durchaus noc g und werden auch von den Konvertierten respektiert.

3.2 Nutzung von Bäumen · h · · h Anzahl verschiedener Baumarten, deren

In der Region findet SiC eme reic e . . und d. · · lfcilf-Vorkommen durch Eingriffe ~es Menschen ~influßt i~onde::r~~~ m~t ger Weise genutzt werden (siehe Tabelle 2) · In ganz l s· d Siedlungen verknüpft ist der Baobab-Baum, dessen Vorkomm~ a ~ J\­lungszeiger gewertet werden kann. Seine Blätter un~ sa:en ;er e:ed:u~~ kate Bestandteile von Soßen geschätzt. Ebenfalls eme .so . er~ hat der locust bean tree, dessen Z~e1ige belnsi viele~ =:~i~ :~~~~~~~= sammenhängen eine große Rolle spie en. gesam B t eben Bäume einen hohen Nutzungswert, .~ndi es, did~ tdasdaßHo~~~ht:e~:e~-. od H stellung von Gegenstä en en , • • ~~de ~e~ur~~ln als Nahrungsmittel oder Heilmittel _verwendet werden oder daß dem Baum eine hohe Symbolkraft zugemessen wrrd.

3.3 Tierhaltung In Er änzung zum Feldbau hält die seßhafte J:levölkerun~ in ~einer. Zahl

~edene Nutztiere. Die am meisten verbreiteten Nutztiere ~md Rinderb i~~s~n und Schafe. Von nicht-islamischen Haushalten ~onnen . auc Sch~eine gehalten werden. Esel sind in der besprochenen Regi~m~r m ~e­ringer Zahl verbreitet und werden meistens vo~ den ~ausa als R tt~~ren~~=

etzt Pferde werden gewöhnlich nur von Wurdentragern zu eprase . ges w~ken gehalten. Als Geflügel finden sich Hühner und Enten und teil­~~!e Tauben. zu vielen Gehöften gehören auch Hunde und Katzen.

2 0. Tabelle beruht fast ausschließlich auf Erhebungen der Autoren; die Bäume wurden ~and ihrer Namen im Hausa identifiziert. Ergänzende Angaben wurden GLEDHD.L

0991) und MAYDELL {1986) entnommen.

25

Rinder, Schafe und Ziegen werden in der Regel beim Weiden von Kin­dem gehütet und des Nachts in einen Pferch oder unter ein Schutzdach ein­gestellt. Während der Regenzeit ist zwar genügend Gras zum Weiden vor-

. banden, es bedarf aber besonderer Aufmerksamkeit der Hütekinder, um Schäden an den bepflanzten Feldern zu venneiden. Während der Trockenzeit können die Tiere auf den abgeemteten Feldern weiden und Ernterückstände fressen. Wegen Futtennangels zum Ende der Trockenzeit werden von den Hirten vielfach belaubte Zweige von den Bäumen abgeschlagen und die Rinder mit den Blättern gefUttert.

Die ortsgebundene Rinderhaltung wirft Probleme auf, wenn die Herden­größe eine bestimmte Anzahl übersteigt, die von den jeweiligen lokalen Ressourcen abhängig ist, da zur Fütterung entsprechende Weideflächen be­nötigt werden und besonders in der Trockenzeit kaum noch Gras vorhanden ist. In vielen Fällen hat sich deshalb ein kooperatives Verhältnis zwischen nomadisierenden Fulani und der seßhaften Bevölkerung entwickelt, bei dem den Fulani Rinder zur Pflege anvertraut werden und sie dafür die Milch und ein Kalb behalten können.

Im Gegensatz zu der begrenzten Nutztierhaltung der seßhaften Bevölke­rungsgruppen haben die nomadischen oder halbnomadischen Fulani wesent­lich größere Rinderherden mit oft über einhundert Stück Vieh. Zu Ende der Trockenzeit, wenn die Bauern mit der Vorbereitung ihrer Feldflächen für die neue Saison anfangen, beginnen die Fulani nach Süden zu ziehen und überqueren dabei teilweise sogar den sehr breiten Auß Benue. In den für den Feldbau ungeeigneten und teilweise sumpfigen Benue-Auen oder in anderen landwirtschaftlich nicht genutzten Gebieten verbringen sie den Großteil der Regenzeit, bis sie zu Beginn der Trockenzeit wieder gen Norden ziehen. Hin und wieder kommt es zu Flurschäden durch die Herden der Fulani, was ent­sprechende Schadensersatzforderungen durch die Feldbesitzer zur Folge hat.

Im Laufe der Zeit hat sich das Bild der Nutztierhaltung geändert. Nach mündlichen Infonnationen wurden in vorkolonialer Zeit von den Ethnien in den Bergregionen eine besondere Rasse sogenannter Zwergrinder (muturu) und Zwergziegen gehalten. Diese sind resistent gegen die von der Tsetse­Aiege übertragene Schlafkrankheit. Da die Schlafkrankheit aber in der Tan­gale-Waja-Region kaum noch auftritt, haben die Zwergrinder gegenüber den fleischigeren und wesentlich mehr Milch gebenden Rinderrassen wie Zebu (Buckelrind) oder ndama (höckerlos), keine Vorteile mehr zu bieten. Erst seit der Etablierung der kolonialen Verwaltung zu Beginn dieses Jahrhun­derts immigrierten Fulani in nennenswerter Zahl in die besprochene Region und brachten für das Gebiet neue Nutztierrassen mit sich, nämlich größere Ziegen- und Schafrassen und das langhornige Zebu-Rind. Eine weitere Quelle für die Einführung neuer Tierrassen waren Kolonialbeamte und Missionare. Speziell gezüchtete, besonders fleischige Hühner, aber auch Enten und Schweine wurden von den Europäern eingeführt. Zwergrinder findet man in dieser Gegend heute so gut wie keine mehr (einige in Jessu bei

Tab. 2: Bäume und ihre Nutzung bei den Ethnien der Tangale-Waja-Region und der Eastem Murt Mountains

ome (bot.); HatUa Holz . Kinde Wunel Ac:acia albidll; X"""" Bmlllmalerial Heilmittel gegen Durchfall.

Gift Adansonia digilala; bka Werbtoff lllr Seile Wertstoff f. Seile

~eissus leiOC8l)lUS; Bmlllmalerial Heilmillel gegen Husten u.

'"",u Magenprobleme

~,!lei!Cgalensis Brmnmalerial Heilmiuel geg. Schlangenbiß. rdaji Durehfall, BIU5t- u. RUcken-

schmerzen Geschlechlslcrankh. l:lalaniles aegyptiaca; adv..a Brmnmalerial, Werk.slo(flllr Heilmiuel Heilmittel

Stiele Bornbox buoncpozense; Jjrennmalcrial, Malerial f. P'1lYCI Da&:bkonstrukt.ion ~box costatum; *""... Wertstofflllr Hocker u.

Musikinstrumente Brennmat. fBorassus flabellifer, giginya ~lerial f. Da&:bkonstrukt.ioo, Schoßlinge als Nahrungsmitlei

Prosten. Betl&esteU Butyrospermum paradoXWD Brennmalerial, Werbtoff f. sp. Parkii; kada>r}v rommein u. MOrscr

anavalia ensiformis Brennmalerial baranl{luJ.Jhi

eibo oenlandra· rimi(IJ Werbtoff Brennmalerial petarium senegalense Brennmalerial Heilmitlei gegen Durchfall "..". u. Gonorrl!Oe Diailaria iburus: mDkori Brennmalerial PCeilaift ~ mespiliformis; Brenrunalerial, Werbtoff /umva Eriodmdron orienlalis Brennmaterial, Werk.sloff

m1

icus gnapbalocarpa; Brennmalerial tF. svcomorus; baure

icus ingens. Ficus Brennmalerial WerkSlaff lllr Seile, platypbjila; ganyi Klebsloff

icus polila; durvmi Brennmalerial

icus lbooningü; ctdiya Brenrunalerial; Baum gill als z.eilw. Sitz der.Ailnen!iCister

Heilmittel gegen Gelbfieber

~el'ia bicolor, da~ schleimiger Saft gewonnen, als Soßenzulal Wld zur Ta-bakherSieliiiDI!; verwendet

~ya !1e11Cßalensis; modaci Brennmaterial, Malerial f. Heilmitlei gegen Tiertrank-Dachkonstruktion u. PCosten heilen fHilhncr Rinder)

~oringa oleifera; Brennmaterial, Malerial f. ZAune ~-rv_,. mDirJrJJ ~wbouldia laevis Brennmalerial, Malerial f. Heilmitlei Heilmittel ~.ruh Prosteo u. Dachkoostrukt.

arkia spp.; dorvwa Brennmaterial

fboenix dllclilifera; dabino Malerial f. Dach-konstruktion, Bettgestell

~s oblODßa, P. Brennmalerial. Holzkohle, ~caßa; kiriya Werbtoff !Pterocarpus erinaceus; ~; ... ~~lerial, Wertstoffu.a. f.

usilinstrumente Farbemittel ~terculia setigera; hhh Werbtoff lllr Musiltinstrumenle Heilmitlei

u. Seile rr amarindus indica; LJamiya Bremunalerial, Werkstoff Heilmiuel gegen Husten u.

Maaenleiden rr erminalia glaucescens; Brennmolerial lba••h• Vitex cieslkowskii Jjrennmaterial, Werbtoff f. op. doniana); din... frrommeln iziphus jujubo; Brennmalerial, Material f. ZAune Gift f. Fischen

""""'" ... wild ~umtn:e (eng(.); Brennmalerial ·;ninkafin Voecanga thouarsii (?); [Brennmaterial, Werkstoff Heilmittel gegen GonorrhOe u. olrt..,rbiri S""'ilis

Tab. 2: Forts. 27

BI IIter Tierfutter Fr11c~re s- Blüt•n Tierfutler, HeilmiHel

Sollenzulal Soßenzulat, GrWI<Istoff ( Nah- Sollenzulal

Tierfutter nuwmittel Schalen fllr Pottascbe

Tierfutter Nahrungsmitlei

Asche lllr Pollasche, Soßenzutat, GemUse Nabruugsmiuel 01 gewonnen SollenzuLlt

Sollcozulat Soßenzutat

Ki•senflll.hmg Soßenzutat

Asche lllr Pottascbe, Werks1ofT f. Nahrungsmitt•l Scbutzdacber Korbe in rituellem Koolext verwo:ndet llad. Bl!llerschun der Frauen ' [Ol gewonnen, Nabruugsmiuel '01 g"""""'""

als Musikinstrum<iit (IWsc:l) benutzt

Kissenflll.l~~~~~t Z1DD Feuennac:ben Nabruugsmiuel

Preilgjft NohrunRsmittel Nabruugsmittel

Tiafutter, Soßenzulal Kissenflll.lung GrWI<Istotr f. Sollcozulal Tierfuller

Nahrungsmiuel NahrungsoliHel 01

al• V~ verwendet Tierfutter (Ziegen)

Tiafuuer. in ritueUen~

·~ Nahrungsmittel

Tierfutter, in ritueUen Zusammenhiiigen vawendd Nahrungsmiuel

Nahrungsmiuel

Tierfutter fOlg....."....

1~1 gewonnen als Sollenzulat, Heilmiuel bei Augenleiden Heilm. bei Wunden

Heilmittel

in ritueUea Zusammenbloaea ·~ Gnmcbtotr fllr Getraok. Naltrunpminel Grundstoff lllr Werbtoff ( KOrbe, Mallen, Decher Nahrungsmittel

Gewtlrz

Tierfutter WOrzmittel, Schale als Tierfutter u ( GrWI<Istoff lllr Pollasc:he · ·

Gewtlrz

T!elfutter NaluurJgsmiiie(

Hei!miuelu.a. bei Brocben u. Verstauebungen Soßenzulat Tierfutter

Nahrungs- u. Ge\\1trzmittel GrWidsloff f. Gewurz

So8eazutat, Ganose (lrad. Salat) Nahrungsmitlei

Tierfutter Nahrungsmitlei

Heiliniuel gegen Durchfall, Soßenzulat, lrad BIJttencbun d Frauen · Nahrunpiiittel

Sollenzulat Nahrungsminel, Sehale als Bebliter

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Charo, BLENCH et al. 1992: 2), gelegentlich sieht man noch einige

Zwergziegen.

3.4 Trockenzeitaktivitäten Die etwas fortgeschrittene Trockenzeit, wenn die Arbeitskraft _der Baue~ nicht mehr von der Ernte der Feldfrüchte und ihrer Verwahrung m den Spet­chern beansprucht wird, ist die Zeit, sich d~ Bau o?er ~er Reparatur von in der Regenzeit beschädigten Häusern zu wtdm~n. J?te mtt Stroh gedeckten Dächer halten zwar das Hausinnere kühler als dte mtt Wellblech gedeckte~, dafür erfordern sie aber einen wesentlich höheren Wartun~saufw~d. J?.te vielfach zum Hausbau genutzten, sonnengetrockneten Le~egelsteme kon­nen lediglich für den Eigen~darf, aber. auc.? für den Wette~erkauf herge­stellt werden. Dazu wird toruger Boden m holzerne, rechteckige Formen ge­preßt und mehrere Tage in der Sonnenhitze trocknen gelassen.

3.4.1 Handwerk Für das Schmieden wird heutzutage nur noch Metallschrott v?n Kraftfah~­zeugen u.ä. genommen. Die Gewinnung von Eisen aus erzhalugeiD: Gestern wurde während der Kolonialzeit aufgegeben. Hergestellt und repanert .'!fer­den in der Hauptsache landwirtschaftliche Kl~in~eräte wi~ Hacken und ~te, und Waffen wie Messer, Speer- und Pfellspttzen. Wtrd ~as Schmieden hauptberuflich betrieben, so wird dieses Handwerk auch während der Re-

genzeit ausgeübt. . . . .. Schmiede sind auch in der Holzbearbeitung täUg und ferttgen dte holzer-

neo Griffe und Stiele für die von ihnen produ;zierten Ge~~t~ und Waffen selbst an. Es gibt aber auch nur mit Holz~arbe~tun~ beschäfttgte H~dwe~­ker, die Mörser, Hocker u.ä. herstellen. Dtese smd m. der Regel nur m gro­ßeren Siedlungen bzw. Marktflecken zu fmde~, wo stc~ entspr~h~_nde Ab­satzmöglichkeiten für ihre Produkte fmden. Dte ~erugung r~hgtoser Ob­jekte aus Holz obliegt bestimmten Experten und 1st strengen ntuellen Vor-

schriften unterworfen. Die Töpferei wird in der Regel von Fraue~ betrieben, __ wiew~?I bei e~­

gen Ethnien im Südosten der behandelten Reg10n auc~ ~~er topfem, lOS­

besondere wenn es sich um Gegenstände handelt, dte m ntuellen Zusam­menhänge~ verwendet werden. Hergestellt werd_en To_ntöpfe zum ~ochen, wasserholen und -aufbewahren. Industriell geferttgt~ Topfe lllk:! Be~alte~ aus Plastik oder Metall verdrängen die leicht zerbrechhchen Tontopfe_ m vtelen Bereichen. Zur Wasseraufbewahrung sind Tontöpfe jedoch. nach ~1e vor un­übertroffen, da wegen der leichteren Verdunstung durch dte Gefäßporen der

Inhalt gekühlt wird. Leichte und zugleich sehr haltbare Schüsseln und Gefäße werden aus Ka­

lebassen hergestellt. Diese Gefäße sind vielfaltig einsetzb~, -~ z.~. als Was­serflasche oder Behälter für Samen für die Aussaat. Dte Asthetik und der Formenreichtum der von vielen Ethnien Nordnigerias angebrachten Ober-

29

flächenverzierungen ist bemerkenswert und wurde bereits ausführlich von anderen Autoren behandelt (siehe BERNS & HUDSON 1986, CHAPPEL 1977, IBRISZIMOW & GIMBA 1994).

Die Anfertigung von Matten und Körben aus Gras oder Palmfasern ist eine weitere Aktivität während der Trockenzeit. Besonders zu erwähnen sind hier die mit sehr ansprechenden Mustern verzierten Speisedeckel der Fulani.

Auf den meisten Märkten finden sich Spezialisten, die Messerscheiden und andere Geg~ns~e aus Leder he~llen. Während das Spinnen von Baumwollfäden eme m der gesamten Regton verbreitete und meist von Män­nern ausgeübte Tätigkeit ist, findet sich das Weben von Baumwollstoff mit Hil~e eines hölzernen Webstuhls nur im Osten und Norden bei Gruppen wie WaJa, Tera oder Bolewa, bei denen auch schon vor der Kolonialzeit Klei­dung aus Baumwolle in Gebrauch war. Dieser selbst hergestellte Stoff wird nur noch von sehr alten Leuten oder zu zeremoniellen Anlässen getragen.

Abschließend sind als Trockenzeitaktivitäten noch zu erwähnen die Her­stellung von Sal~ und die Verarbeitung von Tabak. Das in kleinen Kegeln verkaufte Salz wtrd aus der Erde entlang den Ufern bestimmter Wasserläufe mittels Verdunstung gewonnen. Es dient in erster Linie der Würzung von Soßen. Der insbesondere in den nordöstlichen Muri Bergen erfolgreich an­gebaute Tabak wird nach dem Trocknen zermahlen und zu etwa 20 cm ho­hen Kegeln verarbeitet. Der Tabak wird meist geschnupft und gekaut. Beide ~odukte. werde~ nur auf ~en lokalen Märkten gehandelt und wurden wegen thres Pretsvortells noch rucht vollständig durch industriell verarbeiteten Ta­bak bzw. Meersalz verdrängt.

3.4.2 Jagd

Die Trockenzeit ist auch die Jahreszeit für die Jagd. Wenn gegen Fe­bruar/März alle Felder abgeerntet sind und die Bodenvegetation vertrocknet ist, beginnt die Jagdsaison. Vielfach wird sie durch eine kollektive und for­mal organisierte Jagd, an der sich jeweils die Männer eines Dorfes oder Weilers beteiligen, eröffnet. Das weitverbreitete Abbrennen des trockenen Grases _und Busch~erks, das ganze Landstriche versengt zurückläßt, steht a~ch mtt der Jagd m Zusammenhang, da man dadurch die sich verbergenden Ttere aufzuscheuchen trachtet und sie ihrer Deckung berauben will. Staatli­cherseits ist dieses bush burning verboten und wird mit Geldstrafen geahn­det, trotzdem wird es weiter praktiziert. Nachdem die Jagdsaison eröffnet worden ist, wird individuell oder in kleinen Gruppen auf die Jagd gegangen. Als Waffen werden Speere, Pfeil und Bogen und einfache Flinten aus lokaler Produktion ve~endet. Die Jagdbeute sind heutzutage meist Kleinsäuger wie Buschratte~, Wlldkatzen oder Affen. In abgelegenen Gebieten mag es auch noch den emen oder anderen Leopard oder eine Hyäne geben. Wie aus Ar­chivunterlagen hervorgeht (siehe ADELBERGER, BRUNK & KLEINE­WILLINGHÖFER 1993), war zu Beginn dieses Jahrhunderts der Bestand an Wildtieren wesentlich größer; es wird von Raubkatzen, Elefanten, Giraffen

30

und Büffeln berichtet. Durch die enonne Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Fläche verloren diese Tiere ihren Lebensraum.

4. Veränderungen der Landschaft durch den Menschen (Landschaftsschäden)

Spätestens mit der dauerhaften Besiedlung und Nutzung eines Gebiet~s bc?­ginnen auch die verändernden Eingriffe des wirtschafte~den Mensc~en m d1e Naturlandschaft. Diese vielfältigen Eingriffe können bei unsachgemäßer ~er übennäßiger Nutzung auch zu nachhaltigen Landschaftsschäden führen. H1er sind vor allem die Veränderungen der natürlichen Pflanzendecke und Ero­sionsschäden gemeint. Heute ist die natürliche Pflanzendec~e der. Savanne~­zone fast überall sehr stark von menschlicher Nutzung gepragt. D1e wesentli­chen menschlichen Aktivitäten die zur Entstehung der heutigen Kulturland­schaft geführt haben sind Beweidung, Feuerholzeinschlag und Rodung, Le­gen von Buschfeuern zum Jagen und Abbrennen.

Die Eingriffe des Menschen in den Landschaftshaushalt begannen bereits vor der starken Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Flächen ~er letzten Jahrzehnte (siehe BRUNK 1992, 1994, 1995). Zu besonders gravie­renden Landschaftsschäden führte der auf die unmittelbar~ Umgebung d~r alten extrem dicht besiedelten Hügelsiedlungen konzentnerte Feldbau m erosi~nsanfälligen Hanglagen. Aber auch in de~ entfer~lt liege~den u~d. da­mals nur extensiv genutzten Flachlandarealen 1st zummdest d1~ natorl1~~e Pflanzendecke durch das Legen von Feuern und durch feldbauhebe AktlVl­täten aufgelichtet oder örtlich auch beseitigt worde~. Die Folge war, daß verbreitet die für die wechselfeuchten Tropen typischen anthropogen ge­prägten Savannenfonnatio~en entstanden s~d. Je nach Intensität der ~u~ng entwickelten sich verschiedene Degradat1onsstufen von den naturheben Trockenwäldern bis zu Grassavannen. Teilweise können diese Sava~en­typen jedoch auch durch besondere natürliche Standortverhältnisse bedmgt

sein. Wie bereits erwähnt, ist es mit der starken Bevölkerungszunahm~ in der

Tangale-Waja-Region im Laufe. der letzten 4 _bis 5 Jahrzehnte zu emer ~r­heblichen Ausweitung der besiedelten, bewe1deten und feld-/acker~auhc~ genutzten Flachlandareale gekommen. Gleichzeiti~ begannen a~ch mtensi­vere Fonneo der Landnutzung (z.B. durch den Emsatz von Pflogen). Des­weiteren hat die Anzahl der Viehherden örtlich so stark zugen?~en, daß ~s vor allem durch Viehtritt zu Weideschäden kam. Die Folge 1st die großfla­chige Ausdünnung und Beseitigung der erosionsschützenden ~flanzendeck~. Auf den entblößten Bodenoberflächen kann bei. starken Gewitterregen~ w1e sie in den Tropen häufig auftreten, Bodenerosion und Hangzerschne1dung einsetzen. Auf vielen Flächen geht dadurch der fruchtbare, humose Ober­boden verloren und es bilden sich Erosionsrinnen, die sich bis in das Unter­grundgestein eintiefen. Zu teilweise dramatischen Veränderungen kommt es

31

entlang de~ meist~n Bäche und Flußläufe, deren Betten sich stark eintiefen und verbreitem (siehe BRUNK 1995). Die Wassermassen in den Bächen und Flüssen führen auch vielerorts zu Schäden an Verkehrswegen und Gebäuden.

Besond~rs grav!erend. ist jedoch für die Bauern die Zerschneidung und dadurch d1e Zerstorung ihrer Ackerflächen. Mit diesen irreversiblen Land­scha~ssc!täde~ geht ~en ein wichtiger Teil ihrer Lebensgrundlage verloren, auf d1e d1e meisten Klembauem in hohem Maße angewiesen sind.

Zur ~icherung ~er Ernährungsbasis ist deshalb die Eindänunung der Bo­denerosi~n und ~1e Ve~ssc:~g bodenschützender Maßnahmen dringend erfo~d~rlich .. Gebietsweise ~X1st1ert vor allem in gebirgigen Teilen noch die arbelts~tens~ve Terrassenwtrtschaft, die in Verbindung mit der Abdeckung und Einarbeitung von Gras und Ernterückständen (mulchen) die optimale Anpassung ~ .Erhaltung der Böden ist. Im Flachland, wo der Anbau teil­weise mechanlSI.~rt. erfolgt, ist der oberflächliche Abfluß von Niederschlags­wasser d~r~h .moghchst l~ge und ~ollständige Bedeckung der Bodenoberflä­ch~ zu mmtiDleren (z.B. mter~roppmg, mixed cropping, aUey cropping). Die weitere ~usdehnung der .Eros10nsrisse auf Hängen und in Talungen kann nur durch d1~ Anlage von dichten Gebüschstreifen, die nicht von Herdentieren durchstre.Ift werden dürfen, verlangsamt oder verhindert werden.

5. Ausblick

Im yorliegenden Beitrag wurde eine kulturell und geographisch vielfältige Region vorgestellt,_ deren Bewo~r im Laufe der Jahrhunderte Systeme der ~utzu~ entwickelt habe~, die entsprechend der jeweiligen historischen Moghchke1ten mehr oder weruger gut an die naturräumlichen Gegebenheiten angepaßt waren. Als besondere Fonn der Anpassung ist die Anlage von ~eldterrassen hervorzuheben, mit denen - teilweise bis heute - eine nachhal­tige N~tzung voll: Hän~~n in gebirgigen Arealen ennöglicht wurde. Die wirt­schaftliche und d1e poht1sche Entwicklung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts haben zwar viel Positives ge~racht, zugleich aber auch neue Probleme ge­schaff~n. So '_Vllfde durch die starke Ausdehnung und Intensivierung der landwirtschaftheb genutzten Flächen das agrare Potential bereits an vielen Stellen nachhaltig geschädigt oder zerstört.

Damit die ansässige Bevölkerung hier auch in Zukunft ihr Auskommen fil_lden kann, müssen S_?rgfältig geplante landwirtschaftliche Programme ent­Wickelt werden, d1e den Menschen über die Selbstversorgung (Subsistenz~~~~) hinaus Möglichkeiten der Überschußproduktion bie­te~, ohne die nato~hche~ Grundlagen weiter zu schädigen. Diese Programme f!lUSsen u.a. auf eme E1ndänunung der weit verbreiteten Bodenerosion und Ube~utzun~ der Savannenvegetation abzielen. Eine weitere Maßnahme, die zu emer Steigerung des agraren Potentials der Region führen kann ist die be~ser~ ~wirts~~aftung der knappen Ressource Wasser. Dafür gib~ es be­reits e1ruge positive Ansätze in Fonn von kleindimensionierten, von Klein-

32

bauern betriebenen Bewässerungsprojekten auf lokaler Ebene. Neben dem Eigenbedarf können hier Kulturen angebaut werden, die ~ute Vermarlc­tungsmöglichlceiten bieten und durch den Verkaufserlös das Einkommen der Kleinbauern steigern. Durch die Errichtung einer Obst und Gemüse verar­beitenden Fabrik: in der Region wurde auch ein erster Schritt zu einer Wei­terverarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte vor Ort getan.

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Summary

The largely hilly and mountainous Tangale-W aja region is situated at the northem margin of the Nigerian middle-belt. The combination of multifarious environmental factors with historical and socio-cultural developments has brought about heterogeneous modes of production and settlement. While in pre-colonial times the various ethnic groups· preferred to settle on hills and mountain-slopes, since the 1940s a generat down-hill migration and the establishment of new settlements in the plains took place. Simultaneously the influx of ethnic groups from other regions (especially / Hausa and Fulani) grew significantly and continues to do so up to today. The heavy increase of the population resulted in an escalating pressure on the available natural resources. The economic activities of the population such as land clearing, cutting of frrewood and grazing bad a devastating effect on the natural vegetation cover in many areas and it led to partly irreversible soil erosion and the expulsion or even extinction of wild animals. The implementation of adjusted programmes for rural development is required in order to foster more sustainable modes of land use.

The major form of agrarian land use in the region is rainfed agriculture with special relevance assigned to valley bottoms (fadamas) and terraced slopes. Irrigated agriculture is successfully practised only at a few locations where water is available for a Ionger period along streams and rivers. The soil is worked either by hoe or, less frequently, by ox-driven ploughs. Be­sides useful plants typical for West African savannah regions like maize, sorghum, millet, beans and groundnuts, which serve mainly for subsistence purposes, nowadays also cash crops like cotton, tomatoes and pepper are cultivated. Cattle, goats and sheep are grazed on areas not used for cultivation. Only the cattle-rearing of the Fulani may be considered as having an increasing marketing potential. Other forms of land use that can be found in the region are the utilisation of trees (fruits, leaves, wood) and the hunting of wild animals. Apart from agriculture, the practice of crafts like pottery and blacksmithing should be mentioned as a source of income.

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