Mathes 1998: Vordergründige und höchste Wahrheit im gźan stoṅ-Madhyamaka

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1 j SONDERDRUCK AUS: •• ANNAHERUNG AN DAS FREMDE XXVI. DEUTSCHER ORIENT ALISTENT AG VOM 25. BIS 29. 9. 1995 IN LEIPZIG 1M AUFfRAG DER DEUTSCHEN MORGENLÀNDISCHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON HOLGER PREISSLER UND HEIDI STEIN (ZDMG-SUPPL. 11) FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART 1998

Transcript of Mathes 1998: Vordergründige und höchste Wahrheit im gźan stoṅ-Madhyamaka

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j

SONDERDRUCK AUS:

•• ANNAHERUNG

AN DAS FREMDE XXVI. DEUTSCHER ORIENT ALISTENT AG

VOM 25. BIS 29. 9. 1995 IN LEIPZIG

1M AUFfRAG DER DEUTSCHEN MORGENLÀNDISCHEN GESELLSCHAFT

HERAUSGEGEBEN VON HOLGER PREISSLER UND HEIDI STEIN

(ZDMG-SUPPL. 11)

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART 1998

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Inhaltsverzeichnis IX

Fachgruppe Afrikanistik

MOHAMED TILMATINE (Berlin) : Zur Verschriftung dcs Berbcrischcn in Nordafrika: ein oder mehrere Schrift systeme ? . . .. . ........ . .. . . ... . ...... . ... .. . ... .. 579

STANISLAW PILASZEWICZ (Warschau) : Politics and Rcligious Disputes in Northem Nigeria : Some Remarks on the IASAR/423 Ajami Manuscript ...

ANNE-SOPHIE ARNOLD (Le ipzig) : Africana im Naturalien- und Kunstkabinett Waldenburg in Sachsen . . . . . . . . . . ..... .. ..... .. .......... .

MONIKA FIRLA (Stutt gart ) : Kir chenbiicher , Kirchenakten und Taufpredigten als Quellen zur Erfor schung der Afrikanischen Diaspora im 17. bis 19. Jh .

Sektion Kunst und Archaologie

DORTE ZBIKOWSKI (Marburg) : Altagypten in der europliischen Kunst:

. 596

. 604

. . .. 61 1

Das Bei spiel Paul Klee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1

RErNGARD NEUMANN (Berlin) : Gcwebedarstellungcn in der qajarischen Malerei - Realitat oder Stilmittel ? ..... . . . ... ... ... . ..... . .. . .... .. ............. . 629

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ertiffnungsansprache des Ersten Vorsitzenden der DMG, HERRMANN JUNGRAITHMAYR (Frankfurt a.M.) .. . .... . . . . ... . . . . . .. . .. .......... . .. . . .... . . . . . . .. . . . .

Festvortrag von ANNEMARIE SCHIMMEL (Prof. em. Harvard University / Bonn): "Im Osten tagt's - von unseres Feuereifers Lichte". Gedanken zwischen Osi und West ... ... . ... . . . .... .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. ... . .. .. . . .

Arbeitskreis I: " Von sich auf andere schlie/Jen -subtil e u11d weniger subtil e Mi/Jverstandni sse bei der

Erforschung au/Jereurop iiischer Kult11re11"

WALTER SLAJE (Halle): Bekanntes "entdecken": Projektionen eigener

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.. 7

Lc1tvorstcllungcn m frcmde Denkmustcr ..... .. ... . .. . ..... . .. . .... , . . ..... 17

CIIRISTIANE SCMNELLENBA H (Gelscnkirchen): Das vergessene Mittelalter? Obcrlegungcn zur Bewertung von slam1scher md1scher llt stonograp h1e . . . . . . . .... 25

JAMAL MALIK (Bonn/Bamberg): Kolomahsten und lslamgelchrte tm 18. und 19. Jh . . ... 34

Arbeitskrets Il : "Geschichte der On e11talis11k ··

CHRISTOPH BOCHINGER (MOnchen): Arab1schstud1en und lslamkunde tm l lallcnscr P,eusmus des 18. Jh.s. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

KATRI LINDROOS (Lappeenranta) : Der Juda1st1k-Lehrstuhl an der Umverstta! von Tartu

47

m den 30er Jahren des 20. Jh.s ........ .. ..... .. ... . . .. . . .. .. .. .......... . . 55

THOMAS SCHEFFLER (Beirut): Orientalisten und Orientkenner als Vliter der deutschen Politikwissenschaft? .. . .. ... . ....... .. .... . .. .. . .. . ... ....... .. . .. .... . . 63

Arbeitsgruppe "Theoretische Wege zur arabischen literatur - neue Perspektiven und Projekte "

Bencht von VERENA KLEMM (Hamburg) ..... , . ... , ... .. .. ... . , .... , .... , , . ... 73

Arbeitsgruppe Heidelberger Sinologen "Paradigmen kulturellen Abstands und

wissenschaftlicher Anniiherung"

MICHAEL SCHIMMELPFENNIG (Heidelberg) : "Die Schamanin in ihrer typisch siidchmesischcn Gestalt". Zur Rezept,on dcr "Neun Gcslinge" aus den " l 1t·tkm von Ch'u" . ....... 79

Inhaltsverzcichnis

Fachgruppe Alter Orient

LUDWIG D. MORENZ (Oxford) : Fremdc als potentielle Feinde. Die prophylaktische Szene der Erschlagung der Fremdcn in Altllgypten ............ .. . . . .. .. . ...... 93

ANDREA M. ULSHOFER (Biclcfcld) : Bibel, Babel und Herodot. Ein Beispiel fìlr das Ùberleben alter Vorurteile gegen Fremdc ...... . ......... . . .. ........... 104

MICHAEL P. STRECK (Miinchen): Das Kasussystem des Amurritischen .. ........... 113

Fachgruppe Christlicher Orient

VERONIKA StX (Hamburg): Die lithiopischen Handschriften des Vtilkerkundemuseums der Universitat Zilrich ............... . ... . .. . .. . . .. . . .... .. ........ .... 121

ARMENUHI DROST-ABGARJAN und HERMANN GOLTZ (Hallc) : lnformation zum Projekt ~araknoc ': Armenisch-Deutsche Edition des Altarmenischen Hymnariums . 127

RAINER VOIGT (Berlin) : Die metrische Strulctur im "Buch der Strahlen" . ... .. ... . .. . 132

HARALD SUERMANN (Aachen) : Juden und Muslime gemll8 christlichen Texten zur Zeit Mu~ammads und in der Frilhzeit des lslams .... . ...... .. ......... . .. . 145

CARSTEN-MICHAEL WALBINER (Beirut): Makarius lbn az-Za'im als Historiker . Anliegen - Arbeitsweise - Ergebnisse ................... . ..... . . . .. .. ... . . 155

Fachgruppe Arabistik

ARNE A. AMBROS (Wien): Arabisch kontra Nabatliisch. Ùberlegungen zur PrUh1storie des Prestige dcr ' Arabiya .. .. . .. .... . ........ . . . ..... . .. . . ... .. ...... .. . 167

OTTO JASTROW (Erlangen) : Zur Position des Uzbekistan-Arabischen ...... .... . , .. . 173

DAGMAR GLASS (Lcipzig): Ocr Missionar Comelius van Dyck (1818-1895) als Lehrbuchautor und Ftirderer dcs arabischen Wisscnschafis1oumalismus ... .... . 185

WOLFHART HEINRICHS (Harvard): Klassisch-arabischc Thcorien dichtcrischcr Rcdc ... 199

PETER BACHMANN (GOttingen): Divcrgenzen - Konvcrgcnzen : Zu cinigcn Vcrscn al-Mutanabbi's und lbn al-'Arabi's . .. . . . . ... .. . .. .... .. ....... . ..... . .... 209

DIETER BELLMANN (Leipzig): "Unscrc Kunst und ihrc Kunst" - der irak:ischc Dichtcr A~ad a~-~alì an-Naj!afi (1897-1977) und das "Frcmdc" . . .. . .... .. . . . . ..... . . 216

REGINA KARACHOULI (Lcipzig): Al-Mafral) al- ' arabi - Theatcrkunst zwischen "Eigcncm" und "Fremdcm" .. .... . . .. . ...... .... .... . . . . .. .... .... . .. .. . 221

LALE BEHZADI (Gottingen): Die qiHa-qafida. Jilngste Entwicklungen in dcr ligyptischen Kurzprosa - dargestellt am Beispicl dcs Schriftstcllcrs Nii~ir al-J:lalawiini . . .. ..... . . . .. ..... . ........ .. ... . . . .. .... . . .. . . .... . 229

BETTINA MONZEL (Stuttgart): Rebellion gegen die spanischen Umayyaden. Erklllrungen m dcr Htstoriographic .. ..... .... . . .. . . ... . . . . ... . . . . . .... .. . 234

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Vordergriindige und hochste Wahrheit img~n stoli-Madhyamaka

Von KLAUS-DIETER MA THES, Kathmandu

Die Einteilung in eine vordergriindige (kun rdzob bden pa) und hochste Wahrheit (don dam bden pa) ist ein grundlegendes Kennzeichen des Madhyamak:a, wenn nicht sogar des ganzen Mahayana-Buddhismus . Obwohl es letztlich nur eine Wahrheit geben kann, wird neben der Wahrheit der wirklichen Beschaffenheit der Welt auch eine Wahrheit der alltiiglichen Erfahrung dieser Welt mit all ihren Konventionen 1 usw. zugestanden. Eine in den tibetischen Madhyamak:a-Traditionen ilbliche Weise ist es, letztere dadurch von der hochsten Wahrheit zu unterscheiden, daB sie einer genauen Untersuchung nicht standhalt.2 Hochste Wahrheit bedeutet im Madhyamak:a gewohnlich, daB alle Gegeben-heiten dieser Welt ihrem Wesen nach leer sind . Direkte positive Bestimmungen dieser Leerheit werden normalerweise nicht vorgenommen .3

Wlihrend die Madhyamak:a-Schulen auf der Ebene der hochsten Wahrheit gewohn-lich nichts mehr gelten lassen, auJ3er daB alle Gegebenheiten ihrem Wesen nach leer sind ,4 beschreiben die Anhlinger des gian stari die hochste Wahrheit geme mit dem Yogiicara-Ausdruck "Vollkommenes" (yoris grub). Dieses ''Vollkommene" ist im gian stari zwar leer von anderem, den abhangig entstehenden Gegebenheiten, aber nicht leer von eigenen, unermeJ3lichen Eigenschaften. Es werden daher zwei "Arten des Leer-Seins" unterschieden: "Leer[heit} von einem Se/bsf' (tib. rariston) und "Leer[heit} van anderem" (tib. gian ston) .

Auf die Frage, was der wichtigste Unterschied zwischen rari stari und gio.n stari wlire, antwortete Khenpo Tshultrim Gyamtsho Rinpoche, ein zeitgenossischer Vertreter des gio.n stari, daB irn Gegensatz zum rari stari die Buddha-Qualitiiten, der dharmakaya usw. nicht neu erworben werden, sondem lediglich in einem manifest werden, nachdem die Hindernisse der spirituellen Befleckungen beseitigt sind. Die Buddha-Qualitaten sind untrennbarer Bestandteil der hochsten Wahrheit. Aus der Erfahrung der eigenen Meditation schopfend, lehrte Khenpo Tshultrim Gyamtsho Rinpoche:

"Da [ clie Natur des Geistes] untrennbare Offenheit und BewuJltheit, Klarheit und Leerheit ,

1 Siehe G. M. NAGAO: Miidhyamika and Yogiiciira. New York 1991, S. 13-22 . 2 Siehe z.B. Sa skya Paµ~ita: Sa paTJ kun dga ' rgyal mtshan gyi gsuri 'bum. Lhasa/Hsi Ning 1992, Voi. 1, S. 327, Z. 3-4 und Z. 12-15 (Gans can rig mdzod . 23-25.) . 3 Siche H. TAUSCHER: Die Lehre von den zwei Wirklichkeiten in Tsorikha pas Madhyamaka-Werk en. Wien 1995, s. 75. 4 Siehe dazu P. WJLL!AMS: Mahiiyiina Buddhism . London 1989, S. 62 .

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ist, konnen aus der Energie dieser [Natur des Geistes] ihre Freunde, die unermeBlichen Buddhakorper (sku) und die Weisheit, [nach Beseitigung der Makel] aufscheinen, so wie im klaren Himmel - wenn die Wolkendecke aufgerissen ist (sprin pa dari bra/ ba '1) - bei strahlendem Licht ein Regenbogen erscheinen [kann]. Daher gibt es in der gmn stori-Tradition [bereits] im 'Grundzustand' (d.i. im BewuBtseinsstrom einer gewohnlichen Person) den dharmakiiya, und dieser dharmakiiya ist bei der Vollendung im Zustand eines Buddha nicht nur leer, nicht nur 'nicht-implizierende-Vemeinung', nicht nur Ruhe von geistig geschaffener Vielfalt und auch nicht, wenn die Skandhas aufgehort haben, nur iiberhaupt nichts, sondern die unermeBlichen, unausdriickbaren Qualitliten der Buddhakor-per und Weisheit, die aufuntrennbare Offenheit und BewuBtheit gestiitzt sind." 5

Solch eine Madhyamaka-Position nehmen u.a. die Ja nari pa ein, fiir die die hochste Wahrheit nicht leer, sondem rnit untrennbaren besonderen Buddha-Qualitaten ausge-stattet ist. Wichtigster Vertreter dieser Richtung des Madhyamaka ist der Ja nari pa-Meister Do! po pa ses rab rgyal mtshan (1292-1361), der das erste Mal diese Auffassung systematisch darlegte und gian stari ("Leer-von-anderem")-Madhyamaka nannte. Nach der tibetischen Tradition gelangte Do! po pa wlihrend einer langen Meditation zu einem neuen Verstiindnis der kanonischen Literatur. Nachdem er begon-nen hatte, in Ja nari einen grol3en Stiipa zu bauen, verlctindete er seine Erkenntnis des g:ian stari.6 Seine Auslegung der buddhistischen Siitras und deren indischer Kom-mentare hat im Westen bislang kaum Beachtung gefunden, so dal3 das gian stari-Madhyamaka meist nur kurz zusarnmengefal3t als die gegnerische, zu widerlegende Lehrmeinung bekannt ist. 7

Erst in den letzten Jahren ist ein gewisses Interesse an der Erforschung des gian stari entstanden. So stellt z.B. HooKHAM die gian stari-Sichtweise das erste Mal ausfiihrlich auf der Grund]age des Ratnagatravibhaga dar. 8 Nachdem nun MA TIHEW KAPSTEIN die 'Dzam thari-Ausgabe der gesarnmelten Werke von Dol po pa in Delhi veroffentlicht

s Khenpo Tshultrim Gyamtsho Rinpoche (Samye Ling, Schottland, Aprii 1990, Tonbandaufnahme): dbyiris dari rig pa dbyer med pa dari gsal stori yin pa 'i phyir na I de 'i rtsal las sku dari ye ses kyi rogs pa bsam gyis mi khyab pa 'char thub gyi red I dper na sprin dari bral ba 'i nam mkha' dvaris ba la 'od gsal yod na 'ja ' tshon sar gyi red I ... I de yin dus ginn stori kyi lugs la g.ii 'i gnas lugs la chos sku yod red I 'bras bu sans rgyas pa 'i skabs su chos sku de stori rkyari med dgag tsam ma red I spros pa ii tsam yari ma red I phuri po 'gags sori na ci yari med pa yari ma red I de nas dbyins dari rig pa dbyer med pa de la brten te sku dari ye ses kyi yon tan bsam gyis mi khyab pa brjod du med red. 6 Siche C. STEARNS: Dol-po-pa Shes-rab rgyal-mtshan and the Genesis of the Gzhan-stong Position in Tibet. (noch nicht verèiffentlichter Aufsatz). 7 Siehe z.8. G. NEWLAND: The Two Truths . New York 1992, S. 29-31, D. SEYFORT RUEGG: le Traité du Tathagatagarbha de Bu ston rin chen grub. Paris 1973, S. 64, S. 122-128, DERS.: The Jo nari pas : A school of Buddhist ontologists according to the Grub mtha' sei gyi me lori. In: JAOS 83, Nr. 1, S. 73-91. lm letztgenannten Aufsatz bezeichnet SEYFORT RUEGG das ginn stori der Jo mm pas als "apparently un-Buddhist" (S. 74), J. HOPKINS nennt es dem Vediinta ahnlich (Meditation on Emptiness. London 1983, s. 535) . 1 S. K. HOOKHAM: The Buddha Within. New York 1991.

"taten ausge-lSt der Jo nari pa-erste Mal diese

::m~Madhyamaka arend einer langen IJacbdcm er begon-me Erkenntnis des 21 indischer Kom-la8 das gi an stori-• zu wid erlegende

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· RUEGG: Le Traité du •JoNJilpas: A schoo/ 3. . I, S. 73-91. lm 15 als "apparently un-lllllas. London 1983,

Vordergrilndige und hochste Wahrheit im g:ian stori-Madhyamaka 459

bat, 9 ist eine Grundlage geschaffen, sicb ausfiibrlicber mit Dol po pas Sichtweise zu befassen.

Zur Untersucbung der philosophischen Grundlage des ginn stori eignet sich u .a. der erste Abschnitt eines bislang kaum beachteten Werks von Dol po pa: "Die Sonne, die die zwei Wahrheiten erhellt" .10 Dieser 45 Seiten umfassende Text ist allerdings schon in dem 1984 in Delhi nachgedruckten ersten Band der bbutanesischen sPa sgro skyid chu-Ausgabe enthalten . Obwohl TAUSCHER in seiner kiirzlicb erschienenen Studie ilber die zwei Wirklichkeiten in Tson kha pas Madhyamaka-W erken auf verschiedene Stellen dieses Textes zur Darstellung der gegnerischen Jo naripa-Position eingeht, balte ich es fiir sinnvoll, trotz einiger Ùberschneidungen Dol po pas Begriindung seiner kontro-versen Definitionen der beiden W ahrbeiten zusammenbiingend darzustellen .11 Aufgrund der gebotenen Kilrze sind allerdings nur die wichtigsten Zitate berilcksichtigt .

Gleich zu Beginn stellt Dol po pa seine provokativen Definitionen der beiden Wahr-heiten vor:

"Was zum einen Gegenstand [gewohnlichen] BewuJ3tseins und zum anderen in bezug auf seine Beschaffenheit leer von einer wahren eigenen Natur ist, das ist das Wesensmerkmal der vordergriindigen Wahrheit. "12

"Was zum einen Gegenstand der heiligen Weisheit der Ehrenwerten und zum anderen in bezug auf seine Beschaffenheit nicht leer von einer wahren, jeweils eigenen Natur ist, das ist das Wesensmerkmal der hochsten Wahrheit." 13

Das Besondere an Dol po pas Definitionen ist es, da8 die beiden Wahrbeiten dahin-gehend unterschieden werden, da8 das Vordergriindige seinem Wesen nach leer (rari ston) ist, wahrend die hochste Wahrheit leer von anderem (g,tan ston), nicht aber von den unermeBlichen Eigenschaften eines Buddha ist.

Um dies zu verdeutlichen , zitiert Dol po pa den Mahiiyiinasutriila11:kiira:14

"lndem die Realitlit verdeckt ist, erscheint den Toren in jeglicher Hinsicht Nicht-Wirkliches. Die Realitlit aber erscheint vollstlindig den Bodhisattvas, nachdem sie dieses

' Siehe M. KAPSTE!N: The 'Dzam-Thang Edition ofthe Collected Works of Kun-mkhyen Dol-po-pa Shes-rab rGy al-mtshan : Introduction and Catalogue . Delhi 1992. 10 Dol po pa: Chos rje thams cad mkhye n pa dus gsum saris rgyas do/ po 'i bka ' bden gfiis gsal ba 'i fii ma ie s by a ba biug s so. In : Kun mkhyen do/ po 'i gsuri 'bum, Delhi 1984, Voi. I (ka), S. 1-45. 11 So fiihrt TAUSCHER z.B. in seiner Einleitung lediglich Dol po pas Verstlindnis einer LarikavatiirasiUrii und Akutobhay ii-Stelle an, die fiir sich allein genommen nicht sehr iiberzeugend sind (op . cit.[Anm . 3], S. 69-71) . 12 Do! po pa: op. cit. (Anm . I O), S. 4, Z. 1-2: rnam s es kyi yul gari iig I gsis la rari gi rio bo bden pa s stari pani I kun rdzob bden pa 'i mtshan nid ... 13 Jbid., S. 4, z. 2-3: 'phags pa 'i ye ses dam pa 'i yul gari iig I g.iis la rari rari girio bo bden pas mi s toripa ni I don dam bden pa 'i mtshan nid de I. 14 Mahiiyiinasiltriifar,;ciira XIX 53-54: tattva,r, sa,r,chiidya biiliiniim atattva,r, khy iiti sarvata}J I tattva,r, tu bodhisattviiniim sarvata}J khy iity apiisy a tal Il (XIX 53) akhyiinakhy iinatii jneyii asadarthasadar thayo }J I asrayasya paravr:ttir mok.ro 'sau kamaciirata}J (XIX 54). [S. LÉVI (ed.): Mahiiyiinasiltriila .mkara . Paris 1907, Voi.I] .

460 KLAUS-DIETER MA THES

[Nicht-Wirkliche] beseitigt haben. Das Nicht-Erscheinen von Nicht-Existentem und das Erscheinen von Existentem soli als Umwandlung der Grundlage gewuBt werden. Diese ist die Befreiung, da [dann] Handlungen spontan (kiimaciira) sind."

Fiir Dol po pa existiert somit das Vordergriindige in Wirklichkeit nicht und ist des-wegen leer von einem Selbst (rari ston). Es erscheint dem gewohnlichen BewuJ3tsein, der W eisheit hingegen nicht. Das Hochste existiert in Wirklichkeit und ist deswegen nicht leer von einem Selbst, es ist leer von anderem (gian ston). Es erscheint der Weisheit, dagegen aber mit Sicherheit nicht gewohnlichem BewuJ3tsein. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Verweis aufrJe Pho ri ba, der offensichtlich schon vor Dol po pa die vordergriindige Wahrheit als "leer von einem Selbst" (rari ston) und die hochste Wahrheit als "leer von anderem" (gian ston) faBt.15

Wichtig fiir Dol po pa, der sich als Vertreter des Madhyamaka versteht, ist natiirlich, dal3 seine Aussage im Einklang mit Niigiirjuna ist. Er zitiert daher Mula-madhyamakakarika XVIII, 19, wo es heiBt:

"Nicht von anderem abMngig, Ruhe, nicht kilnstlich durch Gedanken geschaffen, vorstellungsfrei, frei von Unterscheidung, dies ist das Wesensmerkrnal der Wirklichkeit." 16

Es scheint, daB fiir Dol po pa das Hochste hier mit den Attributen "Rube" und "nicht von anderem abhangig" durchaus positiv gefaBt und lediglich leer von anderem, Gedanken, Vorstellungen, Unterscheidungen, kurz leer von den weltkonstitutiven Faktoren, ist. Anhanger des gian stori weisen darauf hin, daB Niigiirjuna ja auch in Werken wie dem Dharmadhatustava das Hochste positiv beschreibt. 17

Bedeutend fiir das gian stori-Madhyamaka sind vor allem aber die Yogiiciira-Werke. Zur Erlauterung der beiden Wahrheiten macht Dol po pa namlich ausfilhrlich von dem Yogiiciira-Konzept der drei Beschaffenheiten Gebrauch. Jede Gegebenheit hat in dieser Schulrichtung eine vorgestellte Bescha.ffenheit (parikalpitasvabhava), d.h. das, was wir indie Dinge hineinprojizieren, eine abhiingige Bescha.ffenheit (paratantrasvabhava), d.i. der in Abhangigkeit entstehende Strom von Geistesfaktoren und eine vollkommene Bescha.ffenheit (parini~pannasvabhiiva), 18 die mitunter mit dem wahren Wesen der Gegebenheiten, der strahlenden Lichtnatur des Geistes und anderen positiven Attributen gleichgesetzt wird. Zur Erlauterung seiner Auffassung von der hochsten W ahrheit zitiert Dol po pa Vasubandhus Sutriilar,:zkarabhii~ya zum ersten Vers des Kapitels ilber die Realitat, wo es heillt, daB die hochste Wahrheit nicht als Vorgestelltes und Abhangiges, wohl aber als Vollkommenes existiert. Sie ist weder dasselbe noch wirklich verschieden

" Siehe Do! po pa : op. cii. (Anm. I O), S. 5, Z. 5-6. •• Mulamadhyamakakiirikii xvm, 9: aparapratyaya'!' santa'!' prapaiicair aprapaiicita'!' I nirvikalpam aniiniirtham etat tattvasya la~a7Jam Il [ J. W. DE JONG (ed.) : (Mula)madhyamakakiirikii/J. Adyar (Madras) 1977]. Das von Dol po pa gegebene tibetische Zitat weicht an einigen Stellen ab. 17 Siehe Koil sprul blo gros mtha' yas: Ses bya kun khyab mdzod. Beijing 1982, Voi.I, S. 460, Z. 2-4 . 18 Siehe E. FRAUWALLNER: Die Philosophie des Buddhismus. Berlin 1956. S. 280 f.

bt-Existentem und das w8t werden. Diese ist

it nicht und ist des-ilichen BewuBtsein, :it tmd ist deswegen •). Es erscheint der tsein. Interessant ist >ffensichtlich schon :lbst" (rari ston) und

ersteht, ist natilrlich, ben daher Mula-

icdanken geschaffen, al der Wirklichkeit." 16

""Rube" und "nicht

I nirvikalpam .. Adyar (Madras)

Vordergriindige und hochste Wahrheit im gZan stori-Madhyamaka 461

vom Vorgestellten und Abhlingigen, und die hochste Wahrheit ist keiner Verlinderung unterworfen:

"Nicht-Zweiheit ist die h&hste Wahrheit. ... Sie ist 'weder [Sein]', [ d.h.] nicht als Wesens-merkmal des Vorgestellten und Abhlingigen. 'Noch [Nichtsein]', [d.h.] als Wesens-merkmal des Vollkommenen. 'Weder dasselbe', da das Vollkommene nicht eins mit dem Vorgestellten und Abhangigen ist. 'Noch verschieden ' , da es von diesen beiden nicht ver-schieden ist. 'Weder entsteht [die h&hste Wahrheit] noch vergeht [sie]' , da der dharmadhiitu ilberhaupt nicht bedingt ist. ' Sie nimmt weder ab noch zu ' , da sie beim AufMren der [spirituellen] Befleckungen und beim Einsetzen der Uiuterung [stets] im [ unveranderlichen dharmadhiitu] verweilt. 'Sie wird weder gereinigt', da sie von Natur aus nicht befleckt ist, 'noch nicht gereinigt', da die hinzutretenden Makel verschwinden ." [Grundtext in' ... '] .19

In seinem Ri chos ries don bezieht Dol po pa die vorgestellte und abhlingige Be-schaffenheit auf die vordergriindige W ahrheit. Wahrend die vorgestellte Beschaffenheit nicht als eigenes Wesensmerkrnal existiert, ist das Abhlingige leer von einem Selbst (rari stori). Das Vollkornmene, in dem es die ersten beiden Beschaffenheiten in Wirklichkeit nicht gibt, ist die hochste Wahrh~t. Sie ist ihrem Wesen nach nicht leer und wird u.a. als strahlende Lichtnatur und natilrliche, gleichzeitig entstandene Weisheit gefaBt.20 Die hochste Wahrheit existiert also als wahres Wesen der Gegebenheiten, Natur des Geistes und dergleichen. Sie bleibt in Wirklichkeit unberilhrt von den weltkonstitutiven Faktoren, die zwar als etwas existieren, das in Abhlingigkeit von anderem entsteht, ihrem wahren Wesen nach aber leer sind. Zusarnmen mit dem Vorge-stellten bildet das Abhlingige die vordergriindige Wahrheit. Beide Wahrheiten sind wegen ihres unterschiedlichen ontologischen Status nicht dasselbe. In Wirklichkeit sind sie aber auch nicht voneinander getrennt, da das Vollkornmene nicht etwa etwas ist, das fernab von der Welt existiert, sondern als wahres Wesen des Abhlingigen omniprasent ist. 1m folgenden werden wir sehen, daB Dol po pa mit seinem ausfiihrlichen Zitat des Sutrala~rabha~ya nicht nur seine gian stori-Position erlliutert, sondern auch bemilht ist, mit den hier vertretenen Yoglicara-Positionen philosophische Einwlinde aus-zurliurnen.

l. Der erste Einwand, den Dol po pa wohl einem Gro8teil seiner Zeitgenossen und spliteren Gegner unmittelbar vorwegnahm und -nirnmt, lautet, daB doch auch die

19 Sutriila,rikiirabhafya zu Mahiiyiinasutriila'!lkiira VI, 1: advayiirtho hi paramiirtha~ I ... I na sat pari-kalpitaparatantralak.ra1Jlibhyiirrz na elisa/ parinif pannalak.rarJena I na tathii parikalpitaparatantriibhyiim parinif pannasyaikatviibhiiviit I na ciinyatha tiibhyiim eviinyatviibhaviit I na jiiyat e na ca vyety anabhisamslatatviid dhannadhato~ I na hiyate na ca vardhate salJK]e.mvyavadiinapa/c.rayor nirodhotpiid e tadavasthii(Text a)tviit I na visudhyati prakl:tyasa,rilclif(atviit (!) na ca na visudhyati iigantuko -palclesevigamiit / ... [LÉVI (ed.) : op. cit . (Anm . 14), S. 22). 20 Dol po pa : Ri chos ries don rgya mtsho ies bya ba mthar thug thun mori ma yin pa 'i man riag. In: Kun mkhyen do/ po pa 'i gsuri 'bum . Kathmandu 1988, Voi. va,ri, fol. 190b5-19lal.

462 KLAUS-DIETER MA THES

hochste Wahrheit im Madhyamaka wie alle Gegebenheiten ihrem Wesen nach leer ist. Geschickterweise verweist Dol po pa u.a. auch bzw. gerade auch auf Nligarjunas Dharmadhatustava, wo es heiBt, daB alles, was der Buddha in den Sutras, die die Leerheit lehren, gesagt hat, gegen die spirituellen Befleckungen gerichtet ist und dern [Buddha-]Elernent (khams) keinen Schaden zufùgt. Dabei habe Nligarjuna daran gedacht, daB die spirituellen Befleckungen das Vordergriindige und leer von einern Selbst (raristori) sind und daB das [Buddha-]Elernent die hochste [Wahrheit] ist, die leer von anderem ist (gian stori).21

Auch in den Yogaciira-Werken sei rnit der natilrlichen Leerheit (praJa:tisunyata) die Leerheit von anderern (gian stori) trefflich zurn Ausdruck gebracht. 1m Madhyanta-vibhaga heiBt es:

"Die Leerheit wird als [die der] Nicht-Existenz, [des] Nicht-so-Existieren[s] und als natiirliche [Leerheit] gefaBt."22

Und irn Mahayanasutrala",lkara:

"Erst wenn man die Leerheit des Nicht-Existierens erkannt hat und die Leerheit des Nicht-so-Existierens und erst wenn man die natilrliche Leerheit erkannt hat, dann gilt man als ein Kenner der Leerheit. "23 <

Vasubandhu bezieht in beiden Fallen die Leerheit des Nicht-Existierens auf das Vorgestellte (parikalpita), die Leerheit des Nicht-so-Existierens auf das Abhii.ngige (paratantra) und die natilrliche Leerheit auf das Vollkornrnene (parini~panna). Bei den ersten beiden Beschaffenheiten, so Dol po pa, habe Maitreya an die vordergriindige Wahrheit, an Leerheit von einern eigenen Selbst, gedacht. Bei der natilrlichen Leerheit, dern Vollkornrnenen, an die hochste Wahrheit, an die Leerheit von anderern. Dies gehe auch aus Madhyantavibhaga 1,20 hervor:

"Nicht-Existenz einer Person und der Gegebenheiten ist diesbezilglich (d.i. in bezug auf die 14 Leerheiten) die Leerheit. Das in deren Nicht-Existenz bestehende wirklich

21 Do! po pa: Chos rje thams cad mkhyen pa dus gsum saris rgyas do/ po 'i bka' bden giiis gsa/ ba 'i fii ma ies bya ba biugs so . [op. cii . (Anm. 10), S. 8, Z. 1 - 3]. 22 Madhyantavibhaga Ill .6cd : abhavas capy atadbhava~ pra/a:ti~ sunyata mata [G.M. NAGAO (ed.): Madhyantavibhagabha~ya . Tokyo 1964). Vasubandhu bezieht diese drei Arten der Leerheit auf die drei Beschaffenheiten. Leerheit der Nicht-Existenz bedeutet demnach, da6 das Merkmal des Vorgestellten in keinster Weise existiert. Leerheit des Nicht-so-Existierens bedeutet, da6 das Merlcmal des Abhiingigen zwar nicht so existiert, wie man es sich vorstellt, aber andererseits auch nicht vollkommen nicht existent ist. Nattirliche Leerheit ist das Merkmal des Vollkommenen, das Wesen der Leerheit (vgl. Madhyantavibhagabha~ya zu ill.6cd). Siehe auch Madhyantavibhagafikii zu Madhyantavibhaga III, 6cd, wo von der prak,:tisunyata, dem Wesen der Leerheit (sunyatasvabhava), gesagt wird, da6 sie ihrem Wesen nach die Nichtexistenz von Zweiheit ist [S. Y AMAGUCHI ( ed.): Madhyantavibhagafikii . Nagoya 1934]. 23 Mahayanasutralarr,kiira XIV, 34: abhavasunyata,rijfiatva tathabhavasya sunyata,rilprak,:tya sunyata,ri jfiatva sunyajfia iti kathyate Il . [LÉVI (ed .): op. cit. (Anm . 14)).

W esen nach leer ist. eh auf Nagarjunas

Exlstieren[ s] und als

h (d.i. in bezug auf bcstehende wirklich

prak,:tya sunyata,ri

Vordergriindige und hochste Wahrheit im gZan stori-Madhyamaka 463

Existierende ist eine davon verschiedene Leerheit. "24

Im weiteren verweist Dol po pa auf Ratnagotravibhaga I, 155:

"Das [Buddha-]Element ist leer von Akzidentellem, dessen Merkmal es ist, abgetrennt werden zu konnen. Es ist nicht leer von den hochsten Qualitliten, die sich dadurch auszeichnen, daB sie untrennbar [mit dem Element] verbunden sind."25

Kaum eine andere Stelle belegt besser, da13 die hochste Wahrheit nicht wie alle Gegebenheiten ihrem Wesen nach leer, sondem rnit untrennbaren besonderen Qualitaten ausgestattet ist.

2. Als nachstes beschaftigt sich Dol po pa rnit dem Einwand, da13 die hochste Wahrheit unter keinen Umstanden Erkenntnisgegenstand sein kann. Ein moglicher Opponent konnte sich namlich auf den Bodhiciiryiivatiira berufen, wo es heillt, da13 die [hochste] Wahrheit nicht Gegenstand von Erkenntnis ist.26 Da die hochste Wahrheit also nicht Gegenstand irgendeiner Form der Erkenntnis ist, konne sie auch nicht Erkenntnisgegen-stand der Weisheit sein.27 Dies, so Dol po pa, stimmt nicht, da bei solchen Zitaten irnmer nur der Verstand auf der Ebene vordergrilndiger Wahrheit gemeint ist. Im weiteren verteidigt sich Dol po pa mit einem Zitat aus dem R'àtnagotravibhiiga , wo es he iBt:

24 Madhyantavibhaga I, 20: gari zag dari ni chos mams kyi I drios po med 'dir stori pa iiid I I de drios med pa 'i drios yod pa I I de ni de las stori iiid gi an I [Dol po pa: op. cii . (Anm . IO), S. 9, Z. 2-3] , skr . pudgala syatha dharma'!am abha va~ s uny atatra hi I tadabhavasy a sadbhavas tasmat (Text: tasmin) sa s uny atapara li [NAGAO (ed.): op. cii. (Anm . 22) , S. 26] . Diese beiden Leerheiten sind die Leerheit der Nicht-Existenz (abhavasun y ata) und die Leerheit des Wesens der Nicht-Existenz (abhavasvabhavasunyata) (vgl. MadhyantavibhagabhCl.f)la zu Madhyantavibhaga 1,16). Sie sind die letzten beiden von insgesamt 16 Leerheiten, die im Madhyantavibhaga allerdings etwas anders als im Madhyamaka erkliirt werden. Sthiramati erliiutert in seiner Madhyantavibhaga{ikii die beiden Leerheiten wie folgt : "Die Nicht -Existenz einer Person und Gegebenheiten ist die Leerheit der Nicht-Existenz. Das Existierende dieser Nicht-Existenz ist die Leerheit des Wesens der Nicht-Existenz .... Die Leerheit der Nicht-Existenz ist dargelegt, um das falschliche Zuschreiben einer Person und Gegebenheiten zu beseitigen , die Leerheit des Wesens der Nicht-Existenz , um das falschliche Vemeinen der Leerheit von diesen zu beseitigen ( ... gari zag dari chos drios po med pa ni drios po med pastori pa iiid do Il drios po med pa de 'i drios po yod pa ni drios po med pa 'i rio bo iiid stori pa iiid do (skr. nicht vorhanden) ... pudgala-dharmasami'lropasya pariharartham abhavas unyata,ri vyavasthapayati I tacchunyatapavadapari- ( ab hier rekonstruiert )-harartha,ri cabhavas vabhavasun yatam I) [Y AMAGUCH! (ed .): op. cii. (Anm . 22), S. 57]. 25 Ratnagotravibhaga I, 155: s unya agantukair dhatu~ savinirbhagala/qa7Jai~ I asunyo 'nuttarair dharmair avinirbhagala/qarJll* I [E. H. JOHNSTON (ed.): The Ratnagolravibhaga Mahayanollaralantrasi'lstra . Patna 1950]. Siehe S. K. HOOKHAM: op. cii . (Anm . 8), S. 229 ff. und H. TAUSCHER: op. cii. (Anm . 3), S. 381. 26 Siehe Bodhici'lryavatara IX,2b: / buddher agocaras lattva,ri buddhi~ sarrwrtir ucyale Il. Die Wirklichkeit istnicht Gegenstand von Erkenntnis . Die Erkenntnis wird als vordergriindige [Wahrheit] bezeichnet [P. L. V AIDYA (ed.): Bodhicaryavatara of Santideva with the commentary Paiijikii of Prajiiakaramati. Darbhanga 1960 (Buddhist Sanskrit Text. 12.)]. 27 Eine solche Position vertritt z.B. gem . Go ram pas Nes don rab gsal ein gewisser "bZad pa " (nach T AUSCHER wahrscheinlich bZadlbZari pa Dar ma 'od oder bZad/bZari pa Don grub, die in der ersten Hiilfte des 13. Jh.s 3. und 4. Abt von gSari phu sMad waren) : Die blo8en Erkenntnisobjekte umfa8ten lediglich die vordergriindige Wahrheit, hochste Wahrheit sei nicht Erkenntnisobjekt (siehe TAUSCHER: op. cii. (Anm. 3), S. 184-5) .

464 KLAUS-DIETER MATHES

" ... Soheit , ... die makellosen Buddha-Qualitaten und die Aktivitat der Siegreichen sind [Erkenntnis-]Gegenstand derjenigen , die die hochste Wahrheit sehen ... "28

Nach HOOKHAM impliziert der Begriff"[Erkenntnis-]Gegenstand" (yul) hier nicht eine dualistische Wah.rnehmung dergestalt, daB ein erfassendes Subjekt einen zu erfassenden Gegenstand wahrnirnmt. Vielmehr realisieren Buddhas und Bodhisattvas die Soheit, die Buddha-Qualitaten usw. direkt , d.h., daB die Soheit, die makellosen Buddha-Qualitaten und die Aktivitat der Siegreichen letztlich nichts anderes als Buddha-Weisheit sind. 29

Auch zu diesem Punkt fuhrt Do! po pa noch eine Reihe von Zitaten aus Y ogacara- und Madhyamaka-Lehrwerken an.

3. Der nachste Einwand ist nun, daB das Vordergrilndige selbstverstandlich Erkenntnis-gegenstand der Weisheit sei, heifit es doch in Mahiiyiinasutriila,r,kiira IX,33: 30

"So wie die Welt durch die ersten Sonnenstrahlen erhellt wird, derart erhellt die Weisheit des Buddhas auf einmal alle Wissensobjekte."

Somit erscheinen doch der Weisheit alle Wissensobjekte, also auch das Vordergrilndige. Do! po pa entgegnet:

"So wie [es] in diesem Zitat [heiBt, daB] durch die Sonnenstrahlen die Welt erhellt wird , so werden durch die Weisheit des Buddha alle Wissensobjekte gewuBt (mkhyen pa). Damit ist gelehrt, daB [die Weisheit] zu [den Wissensobjekten] hin erhellt, und nicht, daB [diese] zur [Weisheit] hin erscheinen ."3 1

AuBerdem heillt es in demselben Lehrwerk, daB das Wirkliche in Erscheinung tritt, nachdem der Bodhisattva dies (d.i . die Makel) beseitigt hat. In Vasubandhus Kom-mentar dazu wird erklart, daB dem Bodhisattva nur noch das Wirkliche erscheint und nicht mehr das Unwirkliche. Was nun das Verhaltnis der Buddha-Weisheit zum V ordergrilndigen angeht, so erscheint die gewohnliche Welt nicht dem Buddha, der Buddha kennt (mkhyen pa) vielmehr die ganze Welt. 1m weiteren wird mit Hilfe von Siitras, Madhyamaka- und Yogacara-Lehrwerken gezeigt, daB die Annahme, das Vordergrilndige erscheine der Buddha-Weisheit, zu Widersprilchen fuhrt .

" Ratnagotravibhaga 1,23: ... tathatlitha ... vimala buddhagu,Jiijinakriyli I vi~aya!J paramlirthadar s inlim ... [JOHNSTON (ed.): op . cit. (Anm . 25)] . 29 HOOKHAM: op. cit. (Anm . 8), S. l 93. 30 yathli suryaikamuktiibhai rasmibhir bhiisyate jagat I sa/cri Jneya_m tathli sarva1JI buddhajnlinai!J prabh lisyate Il. [LÉ VI (ed .): op. cii . (Anm . 14)]. 31 Dol po pa: op. ci i. (Anm . 1 O), S. 13, Z. 1-2: /uri des ni ma 'i 'od zer gyis 'gro ba snari bar byed pa ltar I saris rgyas ye ses kyis ses bya thams cad mkhye n pas phar (Text bar) snari byed ces par ston gyi I tshur snari ma y in te. Entscheidend ist hierbei fur Dol po pa, daB ein Buddha keine gewèihnlichen , durch Priigungen (bag chags) hervorgerufene Erscheinungen der Welt mehr hat (tshur snari). Er kennt zwar die Erscheinungen anderer BewuBtseinsstrèime (im Yogiiciira ist die Welt lediglich durch diese konstituiert) , indem seine Weisheit zu diesen hin erhellt (phar snari), das bedeutet aber nicht, daB diese wie durch eigene Pragungen bedingt in Erscheinung treten .

E a n

E

tat der Siegreichen sind ehen ... "28

." (yul) hier nicht eine einen zu erfassenden

isattvas die Soheit, die en Buddha-Qualitaten ddha-Weisheit sind. 29

en aus Y ogiiciira- und

rstandlich Erkenntnis-1iciira IX,33: 30

ran erhellt die Weisheit

das Vordergriindige.

dic Welt erhellt wird, (mlchyen pa). Damit

rucht, daB [ diese]

Erscheinung tritt,

wird mit Hilfe von die Annahme, das

fiibrt.

paramiirthadarsiniim ...

sarvam buddhajiiiinai}J

,i bar byed pa ltar I ces par ston gyi I tshur

gewohnlichen, durch ri). Er kennt zwar die h d1ese konstituiert),

diesc wie durch eigene

Vordergriindige und hochste Wahrheit im gZan stori-Madhyamaka 465

4. Der vierte Einwand ergibt sich nun unrnittelbar aus dem vorher Gesagten: Falls dem Buddha das Vordergriindige dann eben nicht erscheint, dann ist er auch nicht allwissend. Dies folge, so Do! po pa, nicht. Obwohl die Gegebenheiten aller Zeiten nicht in Erscheinung treten, so kennt sie ein Buddha doch, so wie man sich, nachdem man wach geworden ist, zwar an das Getraumte erinnert, es aber nicht mehr direkt sieht. Ebenso erscheinen einem Buddha zwar nicht mehr die Gegebenheiten dieser Welt, er kennt die Gegebenheiten aber, indem er ihr wahres Wesen direkt sieht. Do! po pa fiihrt dies u.a. mit dem Ratnagotravibhaga I,16 weiter aus. Dort heillt es:

"[Weisheit in bezug aut] das 'Wieweit-Vorhandensein' ergibt sich daraus, daB der [ erleuchtete] Geist, der die Wissensobjekte vollig durchdringt, sieht, daB das wahre Wesen (dharmata) des Allwissenden in allen Lebewesen vorhanden ist." 32

5. Der letzte Einwand lautèt, daB die zwei Wahrheiten dann ihrem Wesen nach ja verschieden waren: 33 Da die beiden Wahrheiten jeweils Gegenstand zweier unter-schiedlicher Arten von Erkenntnis sind und auch die Arten des Leer-Seins verschieden sind, sind die beiden Wahrheiten ihrem Wesen nach verschieden. Do! po pa entgegnet, daB

"die beiden Wahrheiten dem Wesen nach weder als dasselbe noch als etwas verschiedenes (wtl. anderes) zu bezeichnen sind. [Zwischen ihnen besteht lediglich] der Unterschied der Negation von Identitat (gcig pa bkag pa 'i tha dad pa)." 34

32 Ratnagotravibhiiga I, 16: yiivadbhiivikatii jiieyaparyantagatayii dhiyii I sarvasattve~u sarvajiiadharma-tiistitvadarsaniit [JOHNSTON (ed .): op. cii. (Anm. 25)]. 33 Yor allem Gelehrte, die sich der dGe lugs pa-Oberlieferung verpflichtet fiihlen, hegen diesen Einwand gegen die Jo nari pas. So erkliirt z.B. NEWLAND, ohne sich allerdings direkt auf die Texte der Jo nari pas zu beziehen, dail fiir Do! po pa die zwei Wahrheiten "different entities (rio bo tha dad pa)" seien [op. cit. (Anm . 7), S. 30]. Er beruft sich dabei auf SEYFORT RUEGG, HOPKINS und THURMAN (ibid ., S. 260). 34 Dol po pa: op. cii. (Anm. I O): bden giiis ni rio bo de iiid dari gian du brjod du med pa gcig pa bkag pa 'i tha dad pa yin te (S. 23, Z. 2-3) . Siehe dazu auch Do! po pa: bKa bsdu bii pa 'i don gtan tshigs chen po . In: Kun mkhyen dol po 'i gsuri 'bum. Delhi 1984, S. 366, Voi. I (ka), Z. 6- S. 367, Z. 2: bden giiis rio bo gcig pa mi srid la I rio bo tha dad pa yari ma yin tiri I tha dad gtan nas med pa 'ari ma y in te I rio bo gcig pa bkag pa 'i tha dad do I 'di iiid la ni rio bo de iiid dari I gian du brjod du med ces gsuris pa sie I chos dari chos iiid layari tshul 'di iiid I. TAUSCHERs Wiedergabe des letzten Satzes mit "Etwas hat nicht das (eine) Wesen und [gleichzeitig] das auf andere Weise bezeichnete, so heiilt es .... " [op. cii. (Anm. 3), S. 192] halte ich fiir problematisch . Mit de iiid dari gian, skr . tattviinyatva, ist auch hier wie im Madhyiinta-vibhiigabhii~ya [siehe NAGAO (ed.)., op. cii. (Anm . 22), S.23, und Karmapii Tanjur. Rumtek/Delhi, o.J. , sems tsam, Bi, 4bl] Identitiit und Yerschiedenheit ausgedriickt. Auch nimmt das 'di iiid den unmittelbar vorangegangenen terminus technicus "Unterschied der Negation von Identitiit" auf. Dieser wird dann im folgenden niiher bestimmt: Zwischen den beiden Wahrheiten ... besteht der Unterschied der Negati on von ldentitiit. Genau dieser soli weder als "dem Wesen nach gegebene Identitiit" noch als "[dem Wesen nach gegebene] Yerschiedenheit" bezeichnet werden . In Anlehnung an den Dharmadharmatiivibhiiga , in dem das als Beispiel genannte Yerhiiltnis von chos und chos iiid genau beschrieben ist, hat man wohl zu verstehen, dall sich ein Unterschied lediglich durch die Vemeinung einer dem Wesen nach gegebenen ldentitiit ergibt. Dabei impliziert diese Negation nicht ihr Gegenteil, eine dem Wesen nach gegebene Verschiedenheit.

466 KLAUS-DIETER MA THES

Obwohl somit die Identitat der beiden Wahrheiten negiert wird, ist damit nicht impliziert, da13 sie vollig verschieden sind.35 Dabei beruft sich Dol po pa auf das dritte Kapitel des Sa~dhinirmocanasutra, 36 wo es heiBt, da13 sowohl die Annahme von Identitat als auch von Verschieden-Sein vier Fehler hat. Dies wird dann wie folgt zusarnmengefa13t:

"Das Merkmal des Bereichs der bedingten [Gegebenheiten] (von Do! po pa mit vordergriindiger Wahrheit gleichgesetzt) und des Hlichsten ist das Merkmal des Weder-gleich-noch-verschieden-Seins. Wer sich Gleich-Sein bzw. Verschieden-Sein vorstellt, der hat [dies] nicht in angemessener Weise erkannt."37

Im folgenden zitiert Dol po pa ausfiihrlich den Dharmadharmatiivibhiiga, wo es heiBt, da13 Gegebenheiten und ihr wahres Wesen weder dasselbe noch wirklich vonein-ander getrennt sind. Gegebenheiten und ihr wahres Wesen stehen im Dharma-dharmatiivibhiiga, so Dol po pa, filr vordergriindige und hochste Wahrheit. Sie sind wegen ihres unterschiedlichen ontologischen Status zwar nicht dasselbe, in Wirklichkeit unterscheiden sie sich aber insofem nicht, als das wahre Wesen der Gegebenheiten (dharmatii) lediglich durch die Abwesenheit eben dieser Gegebenheiten (dharma) gekennzeichnet ist.38 Mit anderen Worten, die hochste Wahrheit ist als die Tatsache, da13 die als Subjekt und Objekt in Erscheinung tretenden Gegebenheiten nicht wirklich so existieren, im Vordergriindigen stets gegenwartig und somit nicht wirklich davon ver-schieden. 39

Nachdem er sich mit diesen fiinfmoglichen Einwanden beschaftigt hat, fa13t Do! po pa seine Position im nachsten Gliederungspunkt noch einmal zusarnmen:

"Das Vordergrtlndige ist wahr, insofem es [gewlihnlichem] BewuBtsein bzw. dem

35 Siehe dazu TAUSCHER: op. cit . (Anm. 3), S. 189. 36 Darin erkliirt der Buddha, von dem Bodhisattva Suvisuddhamati gefragt, das Verhiilmis zwischen Bedingtem und Hochstem. 37 Do) po pa: op. cit. (Anm. I O}, S. 24, Z. 1-2: 'du byed khams dari don dam mtshan nid ni I I gcig dari tha dad bral ba 'i mtshan nid de I I gcig dari tha dad nid du gari rtog (Text rtogs) pa I I de dag tshul biin ma yin iugs pa yin / . 38 Dharmadharmatlivibhligakiirikii Z. 38-41, siehe K.-D. MAIBES: Unterscheidung der Gegebenheiten von ihrem wahren Wesen. Odendorf 1996 (Indica et Tibetica. 26.), S. I 05, siehe auch Ùbersetzung der Dharma-dharmatlivibhligavrtti (ibid ., S. 122). 39 Vor diesem Hintergrund scheint es fraglich, ob Do) po pas Position wirklich so eindeutig die Theorie des satyadvayayuganaddha ausschlie8t (siehe M. BROIDO: "The Jo-nang Pas on Madhyamaka : A Sketch". In : Tibet Joumal 14/ 1 (1989), S. 88). Mit Hilfe des Yogiicara versucht doch Do! po pa zu zeigen, da8 man aus seinen Definitionen der beiden Wahrheiten nicht deren wirkliche Verschiedenheit folgem kann. Auch Mi pham fiihrt in seinem Kommentar zum Mahliylinasutrlila'!'kiira VI, I, der mit denselben Argumenten wie der Dharmadharmatlivibhliga die Nicht-V erschiedenheit der beiden W ahrheiten nachzuweisen bemiiht ist, seine satyadvayay uganaddha-Theorie aus (Theg pa chen po mdo sde 'i rgyan gyi dgoris don theg mchog bdud rtsi 'i dga 'ston ces bya ba biugs so. In: sDe dge dgon chen spar ma I 'Jam mgon Mi pham rgya mtsho. sDe dge dgon chen prints of the writings of 'Jam mgon 'Ju Mi pham rgya mtsho (Nachdruck durch Jamyang Khyentse , Kathmandu, Pothi-Format ). Kathmandu 1987, Voi. A, S. 96).

wird, ist damit nicht ol po pa auf das dritte hl die Annahrne von wird dann wie folgt

(von Dol po pa mit as Merkrnal des Weder-licdcn-Sein vorstellt, der

nnat iivibhiiga, wo es lOCh wirldich vonein-stehen im Dharma-te Wahrheit. Sie sind

lbe, in Wirklichkeit :n der Gegebenheiten ebenheiten (dharma)

als die Tatsache, da8

dem

g die Theorie des P,a111aka· A Sketch". In:

VordergrOndige und hèichste Wahrheit im g.?an stori-Madhyamaka 467

getliuschten [Geist] erscheint, und nicht wahr, insofern es Weisheit bzw. dem nicht getliuschten [Geist) nicht erscheint. Es ist Ieer von einem Selbst (rari ston), derart, daB es in bezug auf seine Beschaffenheit seinem Wesen nach Ieer ist. Das Hèichste ist dem entgegengesetzt . "40

Als Beleg fiihrt Do! po pa den locus classicus fiir die beiden Wahrheiten in Niigiirjunas Akutobha y ii an:

" ... Was clie sogenannte weltliche, vordergrilnclige Wahrheit angeht, ... so ist sie das Sehen, daB Gegebenheiten entsteh(?n. Da dies fUr eben jene [gewèihnlichen Leute) 41 auf der vordergriindigen [Ebene] ausschlieBiich wahr ist, ist es die vordergrilndige Wahrheit. Die hèichste Wahrheit ist - indem die Ehrenwerten [clie hèichste Wahrheit] in korrekter Weise verinnerlichen - das Sehen, daB alle Gegebenheiten nicht entstehen. Da dies fiir eben jene [Ehrenwerten] auf der hèichsten [Ebene] ausschlieBlich wahr ist, ist es die hèichste Wahrheit ... "42

Dies erlautert er folgenderma8en:

"[Damit] hat Niigarjuna gesagt: Das Vordergriinclige existiert als vordergJilndige Wahrheit , jedoch nicht auf der Ebene hèichster [Wahrheit] . Das Hèichste existiert auf der Ebene hèichster [Wahrheit] , jedoch nicht auf der Ebene vordergJilndiger [Wahrheit]. 1st etwas auf der Ebene vordergJilndiger [Wahrheit] nicht wahr, so widerspricht es der vordergriindigen Wahrheit. 1st etwas auf der Ebene hèichster [Wahrheit] nicht wahr, so widerspricht es der hèichsten Wahrheit." 43

Damit ist fiir Do! po pa eine Einteilung in rari stori und gian stori gegeben. Leerheit von einem Selbst ergibt sich namlich daraus, da8 das Vordergrilndige auf der Ebene hochster W ahrheit nicht existiert; Leerheit von anderem, da8 das Hochste auf der Ebene

•0 Do) po pa : op. cit. (Anm . I O): kun rdzob ni mam ses sam 'khrul rior snari tiri bden la I ye s es sam ma 'khrul pa 'i rior mi snari tiri mi bden pa 'i g.sis la rari girio bos stari pa 'i rari stari dari I don dam ni de las bz/og pa yi n te I (S. 25, Z. 4-5). 41 TAUSCHER [op. cit.(Anm . 3), S. 70] verbessert de dag iiid la zu de dag iiid las bzw . wlihlt im folgenden Satz die Lesart las statt la und iibersetzt "von diesen beiden (Wahrheiten)" . Mir scheint dies aber gewagt . Zusammen mit dem einschrlinkenden iiid (skr. wahrscheinlich eva) diirfte dag wohl eher in seiner Funktion als Kollektivpartik el gebraucht sein (siehe M. HAHN: On the Function and Origin ofth e Partic/e dag . In: Tibetan Studies . Presented at the Seminar of Young Tibeto/ogists, Zurich , June 26 - July I , I 977. Ziirich 1978, S. 137- 147, vgl. auch Bodhicaryiivatiira 1,24) . ' 2 Akutobhayii zu Mulamadhyamakakiirikii XXIV, 8 (K Karmapa-Ausgabe, P Peking-Ausgabe des Tanjur) : 'jig rten pa 'i kun rdzob kyi bden pa tes bya ba ni ... chos thams cad (P mams) skye bar mthori ba gari y in pa sie I de ni de dag iiid la kun rdzob tu (P du) bdenpa iiidyinpas (P /) kun rdzob kyi bdenpa 'o I don dam pa 'i bden pa ni 'phags pa mams kyis phy in ci ma log par thugs su chud pas I chos thams cad skye ba med par gzigs pa gari y in paste I de ni de dag iiid la (K las) don dam par bden pa (P om) iiid yi n pas (P /) don dam pa 'i bden pa 'o I Karmapa-Tanjur. Rumtek/Delhi, o.J ., dbu ma, Tsa, 89a 1-3, Peking-Tanjur . Tokyo 1962, Text No. 5229, 102b 3-6 . 43 Do! po pa: op. cit. (Anm . I O), S. 26, Z. 5-6: kun rdzob ni kun rdzob kyi bden par yod kyi I don dam par med pa dari I don dam ni don dam par yod kyi I kun rdzob du med pa dari I kun rdzob du mi bden na kun rdzob bden par 'gal tiri I don dam par mi bden na don dam par bden par 'gal bar gsuris so I.

468 KLAUS-DIETER MA THES

hochster Wahrheit existiert. 44

Zusammenfassung

Wenngleich Dol po pa bemilht ist, sein gian stori-Madhyamaka mit Hilfe der eigentlichen Madhyamaka-Werke Niigarjunas und seiner indischen Kommentatoren zu begrilnden, ist doch nicht zu ilbersehen, daB die bedeutendsten Argumente aus der Tathiigatagarbha- und Yogiiciira-Literatur stammen. Bei einer solchen Vorgehensweise ist es erforderlich, im Yogiiciira usw. eine Fortsetzung des Madhyamaka zu sehen,45 und diese Lehrwerke als wortlich zu nehrnende Unterweisungen mit definitiver Bedeutung (ries don) aufzufassen. Wenngleich Dol po pas Auslegung der kanonischen Literatur im Vergleich zu den ilbrigen tibetisch@ Ùberlieferungen rnitunter auBergewohnlich ist, muJ3 man doch zugestehen, daB sie in vielen Fiillen eine mogliche Interpretation der indischen Lehrwerke ist und eine ernstzunehrnende Exegese im Rahrnen der tibetischen Geistesgeschichte darstellt. Dabei werden natilrlich, wie in anderen Schulen auch, die kanonischen Werke so zitiert und gedeutet, daB sie ins eigene Lehrgebiiude passen .46

Auch in bezug auf die angefiihrten Yogiiciira-Werke bleibt festzuhalten, daB sie im Grunde das Vollkommene lediglich insoweit positiv bestimmen, als sie eine Existenz der Soheit, des wahren Wesens der Gegebenheiten usw. als Nicht-Existenz der Objekt-Subjekt-Zweiheit annehmen. Allenfalls werden diese verschiedentlich rnit dem dharmadhii.tu oder der strahlenden Lichtnatur des Geistes gleichgesetzt.

44 Siehe ibid., S. 4, Z. 4-5 . " So bezeichnet Do! po pa z.B. das Yogàcara-Werk Mahiiyiinasutriila,rikiira als dbu ma mdo sde rgyan. •• So geht z.B. bei einem Samdhinirmocanasutra-Zitat nicht klar hervor, daB es sich lediglich um eine Zusammenfassung handelt. Do! po pa gibt zwar den Gedankengang des dritten Kapitels korrekt wieder, bei der dritten Begriindung dafìir, daB die beiden Wahrheiten nicht verschieden sind, fìigt er aber die positive Bestimmung "Grundlage (gii)" fìir das Merkmal des H6chsten hinzu (siehe ibid., S. 23, Z. 3 - S. 24, z. 2).

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