Hochschulleitung und Forscher: Von wechselseitiger Nichtbeachtung zu wechselseitiger Abhängigkeit

23
131 Hochschulleitung und Forscher: Von wechselseitiger Nichtbeachtung zu wechselseitiger Abhängigkeit 1 Enno Aljets Eric Lettkemann 1 Einleitung Welche Möglichkeiten bieten sich für die Hochschulleitung, auf Forschungsentscheidungen Einfluss zu nehmen? Und wie wandelt sich die Beziehung zwischen Hochschulleitung und Forschern? Diese Fragen stellen sich, weil sich die Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortungsbereiche der Hochschulleitungen in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Traditionell spielte die Leitungsebene in den deutschen Universitäten eine eher untergeordnete Rolle (vgl. Meier 2009). Angesichts der herausgehobenen Stellung der Professorenschaft und der hierzulande äußerst stark ausgeprägten Organisationskultur der ‚Kollegialität‘ zwischen den Lehrstuhlinhabern erfüllten Dekane, Präsidenten, Kanzler usw. zwar wichtige repräsentative Funktionen, doch in Bezug auf die Forschung an ihrer Universität führten sie eher ein Schattendasein (vgl. Clark 1984: 140; Schimank 1995: 222- 258; Schimank/Lange 2009: 56 ff.). In der Hochschulforschung haben aktuelle Maßnahmen zur Stärkung der formalen Rechte der Hochschulleitung deshalb einige Aufmerksamkeit erregt und zahlreiche Untersuchungen angeregt. Bislang werden die Effekte dieser Maß- nahmen für die Dynamik der universitären Wissensproduktion nur unzureichend ver- standen. Dieser Umstand ist einerseits dem ‚Reformeifer‘ der Hochschulpolitiker zu- zuschreiben, die vor allem in den zwei Jahrzehnten nach der deutschen Wiedervereinigung eine Reform nach der anderen implementierten. Ein Stück weit ist es also der Anlage dieses hoch komplexen ‚Realexperiments‘ geschuldet, dass sich seine Auswirkungen vollständig wohl erst aus der Distanz vieler weiterer Jahre überblicken lassen. Andererseits vermuten wir, dass die Schwäche sozialwissenschaftlicher Deutungsangebote auch ein haus- gemachtes Problem darstellt. Denn in der Hochschulforschung dominieren Studien, die den dynamischen und relationalen Charakter des sozialen Gefüges, in die universitäres For- schungshandeln eingebettet ist, nur unzureichend erfassen. Aus pragmatischen Gründen beschränken sich viele empirische Studien aus dem Feld der Hochschulforschung auf reine Formalstrukturanalysen. Beispielweise werden die Auswirkungen der Hochschulpolitik der verschiedenen Bundesländer auf Forschung und Lehre anhand des jeweils geltenden Hochschulrechts analysiert (z.B. Lanzendorf/ Pasternack 2009; Hüther 2010). Wie die Autoren selbst betonen, handelt es sich dabei aber nur um erste und notwendige Schritte. Zukünftig bedarf es ergänzender Analysen des Ein- 1 Wir danken Uwe Schimank, Jochen Gläser und Frank Meier für konstruktive Kommentare zu früheren Fassun- gen dieses Beitrags. Bei Philipp Noll bedanken wir uns für seine Unterstützung bei der Recherche und Aufberei- tung statistischer Daten. Außerdem sind wir dem Statistischen Bundesamt zu Dank verpflichtet, das uns freundli- cherweise seine aktuellen Datensätze zur Hochschulfinanzstatistik zur Verfügung gestellt hat. U. Wilkesmann, C. J. Schmid (Hrsg.), Hochschule als Organisation, DOI 10.1007/978-3-531-18770-9_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

Transcript of Hochschulleitung und Forscher: Von wechselseitiger Nichtbeachtung zu wechselseitiger Abhängigkeit

131

Hochschulleitung und Forscher: Von wechselseitiger Nichtbeachtung zu wechselseitiger Abhängigkeit1 Enno Aljets Eric Lettkemann

1 Einleitung

Welche Möglichkeiten bieten sich für die Hochschulleitung, auf Forschungsentscheidungen Einfluss zu nehmen? Und wie wandelt sich die Beziehung zwischen Hochschulleitung und Forschern? Diese Fragen stellen sich, weil sich die Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortungsbereiche der Hochschulleitungen in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Traditionell spielte die Leitungsebene in den deutschen Universitäten eine eher untergeordnete Rolle (vgl. Meier 2009). Angesichts der herausgehobenen Stellung der Professorenschaft und der hierzulande äußerst stark ausgeprägten Organisationskultur der ‚Kollegialität‘ zwischen den Lehrstuhlinhabern erfüllten Dekane, Präsidenten, Kanzler usw. zwar wichtige repräsentative Funktionen, doch in Bezug auf die Forschung an ihrer Universität führten sie eher ein Schattendasein (vgl. Clark 1984: 140; Schimank 1995: 222-258; Schimank/Lange 2009: 56 ff.). In der Hochschulforschung haben aktuelle Maßnahmen zur Stärkung der formalen Rechte der Hochschulleitung deshalb einige Aufmerksamkeit erregt und zahlreiche Untersuchungen angeregt. Bislang werden die Effekte dieser Maß-nahmen für die Dynamik der universitären Wissensproduktion nur unzureichend ver-standen. Dieser Umstand ist einerseits dem ‚Reformeifer‘ der Hochschulpolitiker zu-zuschreiben, die vor allem in den zwei Jahrzehnten nach der deutschen Wiedervereinigung eine Reform nach der anderen implementierten. Ein Stück weit ist es also der Anlage dieses hoch komplexen ‚Realexperiments‘ geschuldet, dass sich seine Auswirkungen vollständig wohl erst aus der Distanz vieler weiterer Jahre überblicken lassen. Andererseits vermuten wir, dass die Schwäche sozialwissenschaftlicher Deutungsangebote auch ein haus-gemachtes Problem darstellt. Denn in der Hochschulforschung dominieren Studien, die den dynamischen und relationalen Charakter des sozialen Gefüges, in die universitäres For-schungshandeln eingebettet ist, nur unzureichend erfassen.

Aus pragmatischen Gründen beschränken sich viele empirische Studien aus dem Feld der Hochschulforschung auf reine Formalstrukturanalysen. Beispielweise werden die Auswirkungen der Hochschulpolitik der verschiedenen Bundesländer auf Forschung und Lehre anhand des jeweils geltenden Hochschulrechts analysiert (z.B. Lanzendorf/ Pasternack 2009; Hüther 2010). Wie die Autoren selbst betonen, handelt es sich dabei aber nur um erste und notwendige Schritte. Zukünftig bedarf es ergänzender Analysen des Ein- 1 Wir danken Uwe Schimank, Jochen Gläser und Frank Meier für konstruktive Kommentare zu früheren Fassun-gen dieses Beitrags. Bei Philipp Noll bedanken wir uns für seine Unterstützung bei der Recherche und Aufberei-tung statistischer Daten. Außerdem sind wir dem Statistischen Bundesamt zu Dank verpflichtet, das uns freundli-cherweise seine aktuellen Datensätze zur Hochschulfinanzstatistik zur Verfügung gestellt hat.

U. Wilkesmann, C. J. Schmid (Hrsg.), Hochschule als Organisation, DOI 10.1007/978-3-531-18770-9_8,© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

132

flusspotenzials von Akteuren, die außerhalb der formalen Organisationsstrukturen agieren und von ihren Regeln nicht erfasst werden. Ein bekanntes Beispiel aus der Wissenschafts-soziologie wäre der informelle Einfluss, den die (sub-)disziplinären Fachgemeinschaften auf das Forschungshandeln der Universitätsmitglieder ausüben (vgl. Gläser 2006; Gläser/Lange 2007). Um die Einflusskonstellation zu rekonstruieren, in der über For-schungsvorhaben und -ziele entschieden wird, müssen wir die Fachgemeinschaften, ihre Eliten und die fachkulturellen Besonderheiten der Forschungspraxis im Auge behalten.

Eine zweite analytische Schwachstelle der sozialwissenschaftlichen Hochschulfor-schung stellt die Konzentration auf einzelne Governance-Instrumente dar, die weitgehend isoliert von anderen institutionellen Arrangements inner- und außerhalb der Universitäten untersucht werden. Beispiele für dieses Vorgehen sind Untersuchungen zu den Folgen von Hochschulräten (Mayntz 2002; Nienhüser/Jacob 2008; Gerber et al. 2009), leistungs-orientierter Mittelvergabe (Jaeger 2009; Kamm/Krempkow 2010) sowie der ‚Exzellenz-initiative‘ (Münch 2007; Barlösius 2008). So wertvoll diese Ergebnisse im Einzelnen sind, lassen sie allzu oft eine relationale Perspektive vermissen, die davor schützt, den Einfluss einzelner Hochschulreformen zu über- oder zu unterschätzen. Erfolge wie Scheitern eines Governance-Instruments erklären sich jedoch nicht zuletzt aus dem Zusammenwirken mit flankierenden Maßnahmen, die von anderen Akteuren in Anschlag gebracht werden. Die Hochschulforschung muss die Wechselwirkungen zwischen diesen Maßnahmen unter-suchen und dazu größere Akteurkonstellationen in den Blick nehmen.

Die Einflussnahme einer großen Zahl sehr verschiedener Akteure auf die Wahl von Forschungszielen bilden wir ab, indem wir die Forschungssituation als eine Konstellation inner- und außeruniversitärer Akteure modellieren. Wir fragen also nach den Entschei-dungsspielräumen von Forschern innerhalb spezifischer „Einflusskonstellationen“ (Schimank 2010: Kap. 9; grundlegend vgl. Emerson 1962). Das heißt, wir gehen von der Annahme aus, dass Forscher ihre Forschungsziele nicht vollständig autonom realisieren können. Denn bei der Durchführung ihrer Forschungsvorhaben ist jeder von ihnen mehr oder weniger stark von anderen Akteuren abhängig, die sowohl innerhalb als auch außer-halb der Universität agieren. Wie viel Einfluss diesen Akteuren in einer konkreten Situation zukommt, variiert sowohl historisch als auch zwischen den Fachkulturen. Das Einfluss-potenzial bemisst sich daran, ob und bis zu welchem Grad ein Akteur einen (oder mehrere) der folgenden drei Einflusskanäle auf die Forschungssituation kontrolliert:

Ressourcenallokation: Staatliche Ministerien, Wirtschaftsunternehmen und Förder-organisationen bestimmen in beträchtlichen Ausmaßen über die Allokation von Res-sourcen. Diese umfasst insbesondere Personal- und Sachmittel, die an bestimmte Eigen-schaften der Forschung gebunden werden können.

Reputationsallokation: Die Allokation von Reputation für Forschungsleistungen er-folgt durch Fachkollegen, Anwender oder Organisationen. Die Wahl von Forschungszielen ist insofern von Reputation abhängig, als sie Aufmerksamkeit für wissenschaftliche Ideen schafft und damit die Karriere- und Publikationschancen eines Wissenschaftlers erhöht.

Hochschulinterne Einflussbeziehungen: Schließlich geben die hochschulinternen Einflussbeziehungen, die sich auf hochschulrechtliche Regelungen wie Zielvereinbarungen, Bonuszahlungen usw. stützen, der Hochschulleitung Instrumente in die Hand, um Anreize und Restriktionen für zukünftige Forschungsvorhaben zu setzen.

Zwei dieser Kanäle, Ressourcen- und Reputationsallokation, werden durch Akteure in der Umwelt der Universität kontrolliert: Drittmittelgeber und Fachgemeinschaften. Der

133

dritte Kanal, die hochschulinternen Einflussbeziehungen, ist in zweierlei Hinsicht ein besonderer Fall. Einerseits stützen die Akteure ihren Einfluss auf die interne Organisations-hierarchie. Andererseits erstreckt sich ihr Einfluss sowohl auf Forschungsressourcen als auch auf wissenschaftliche Karrierechancen.

Anhand einer historischen Rekonstruktion der Akteurkonstellation zeigen wir auf, welche neuen Möglichkeiten der Beeinflussung und Kooperation innerhalb des deutschen Universitätssystems entstehen. Dazu betrachten wir nacheinander die Entwicklung der drei Einflusskanäle in Deutschland, bevor wir im letzten Abschnitt die Dynamiken der Gesamtkonstellation diskutieren. In den Mittelpunkt jedes Abschnitts stellen wir die Frage nach dem Einfluss verschiedener Akteurgruppen auf die Wahl von Forschungszielen. Damit werden viele andere Fragen, die etwa den Bereich der universitären Lehre berühren, bewusst ausgeblendet, bzw. auf intervenierende Faktoren reduziert. Diese Konzentration ermöglicht es jedoch, den Kreis der relevanten Akteure deutlich zu erweitern und größere Einflusskonstellationen in den Blick zu nehmen, als dies sonst in der Hochschulforschung üblich ist. Unser besonderes Augenmerk gilt in diesem Beitrag den veränderten Be-ziehungsmustern zwischen Forschern und Hochschulleitungen. In diesem Papier beziehen wir uns auf Ergebnisse aus dem Projekt RHESI2 (vgl. Whitley et al. 2010).

2 Entwicklungen im deutschen Wissenschaftssystem

Im Folgenden rekonstruieren wir den Wandel der Einflussbeziehungen in Deutschland seit den 1970er-Jahren bis in die Gegenwart. Dabei betrachten wir der Reihe nach die wichtig-sten Veränderungen für jeden der drei Einflusskanäle: Allokation von Ressourcen, Alloka-tion von Reputation und die hochschulinternen Einflussbeziehungen. Als Startpunkt wählen wir die 1970er-Jahre, weil sich in dieser Zeit diejenige Akteurkonstellation herausgebildet hat, die die deutsche Forschungslandschaft bis heute prägt. Zwischen diesen Akteuren kommt es zwar zu Verschiebungen der Einflussverhältnisse, doch es treten keine neuen Akteure mehr hinzu (vgl. Stucke 1993, 2010). 2.1 Die Allokation von Ressourcen

In den letzten 40 Jahren ist eine tendenzielle Verknappung der Grundmittel für Forschung bei gleichzeitigem Anstieg der Kosten für Forschung zu beobachten. Wie in allen industria-lisierten Ländern kommt es auch in Deutschland zu einer ‚Vermassung‘ des Bildungs-systems, die sich insbesondere in einem stetigen Anstieg der Studierendenzahlen ausdrückt (Gibbons 1994: Kap. 3). Dagegen bewegen sich die Etats für Universitäten spätestens seit den 1980er-Jahren weltweit in einem ‚steady state‘ (Ziman 1994; für Deutschland vgl.

2 Das Akronym steht für ‚Re-Structuring Higher Education and Scientific Innovation‘. Projektziel ist es, im euro-päischen Ländervergleich Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie der Wandel der staatlich getragenen For-schungs- und Hochschulsysteme das Entscheidungshandeln von Forschern in wissenschaftlichen Innovationsfel-dern verändert, insbesondere was die Auswahl von Forschungszielen betrifft. Das Projekt wird durch die European Science Foundation (ESF) für die Dauer von drei Jahren finanziert und hat im Frühjahr 2010 begonnen. Projektlei-ter sind Prof. Dr. Uwe Schimank (Universität Bremen) und PD Dr. Jochen Gläser (ZTG Berlin).

134

Winnes 1999: 81-103). Für Deutschland lässt sich beobachten, dass aufgrund finanzieller Restriktionen der Zuwachs des akademischen Personals schon seit 1975 stagniert, während die Studierendenzahlen weiterhin stark ansteigen (Statistisches Bundesamt 2009a, 2009b). Im Bezug auf die Verfügbarkeit von Forschungsressourcen verstärken sich diese Trends wechselseitig und führen dazu, dass sich die Aufteilung der universitären Grundmittel ‚unter der Hand‘ verschiebt. Obwohl die Grundausstattung der universitären Fachgebiete formal jeweils zur Hälfte für Forschung und Lehre vorgesehen sind, ist davon auszugehen, dass sich die tatsächliche Verteilung in den letzten 40 Jahren deutlich zu Ungunsten der Forschung entwickelt hat. Denn bei ungefähr gleichbleibender Personalstärke und finan-zieller Grundausstattung müssen heute deutlich mehr Leistungen für die akademische Lehre erbracht werden als noch in den 1970er-Jahren (vgl. Schimank 1995, 2000).

Zusätzlich zu dieser verdeckten Verknappung der Grundmittel steigt die Ressourcen-intensität vieler Forschungsvorhaben. So berichtet beispielsweise Knorr Cetina (1999: 20), dass sich im Feld der Hochenergiephysik im Laufe der 1990er-Jahre die Größe von Experi-menten, gemessen an den Kosten für Personal und Forschungsgeräten, um den Faktor 15 multipliziert hat. Selbstverständlich ist die Hochenergiephysik ein Extremfall der Großfor-schung. Dennoch verzeichnen neben den physikalisch-technischen Fächern auch viele bio- und sozialwissenschaftliche Disziplinen steigende Ausgabenbedarfe an Ausstattung und Personal (vgl. z.B. Papon 2004).

Eine exakte Quantifizierung sowohl der Verknappung der Grundmittel als auch der steigenden Kosten für Forschung ist nicht ohne Weiteres möglich. Denn es gibt schlichtweg keine vergleichbaren Daten über einen langen Zeitraum. In Anbetracht der hier skizzierten Veränderungen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass universitäre Forschung zunehmend zu einer finanziellen und zeitlichen Herausforderung geworden ist, bei der die regelmäßige Einwerbung von Drittmitteln für Forschungsaufgaben eine herausragende Bedeutung erlangt. So verwundert es nicht, dass der Anteil der Drittmittel an den Uni-versitätseinnahmen von 15% im Jahr 1992 auf 28% im Jahr 2008 gestiegen ist (vgl. Tab. 1). Mit anderen Worten: der Anteil von Drittmitteln hat sich im Verlauf von knapp zwei Jahrzehnten beinahe verdoppelt. Dieser Anstieg spiegelt den Bedeutungsgewinn der über Drittmittel finanzierten Forschung an Universitäten in den Jahren nach der deutschen Einheit wider. Leider sind über das Statistische Bundesamt keine vergleichbaren Daten über die Entwicklung der universitären Drittmitteleinnahmen für den Zeitraum vor 1992 zu erhalten. Dennoch können wir auf der Grundlage der Berichte des Wissenschaftsrats, zumindest für Westdeutschland, davon ausgehen, dass der Anteil der Drittmittel schon in den 1970er- und 1980er-Jahren deutlich stärker als die Grundmittel gewachsen ist (Wissenschaftsrat 1986, 1993; vgl. auch Hornbostel 2001).

135

Jahr Grundmittel Drittmittel Gesamt

tEUR % tEUR % tEUR %

1992 9 362 245 85,12 1 636 035 14,88 10 998 281 100

1996 10 388 254 82,63 2 184 436 17,37 12 572 690 100

2000 10 565 319 79,66 2 698 290 20,34 13 263 609 100

2004 11 307 731 77,52 3 279 728 22,48 14 587 459 100

2008 11 826 979 72,24 4 544 607 27,76 16 371 585 100

Tabelle 1: Verhältnis von Grund- und Drittmitteleinnahmen deutscher Universitäten, 1992-2008, in Tausend Euro und Anteil der Gesamteinnahmen (Quelle: auf Anfrage übermittelte Daten des Statistischen Bundesamts und eigene Berechnungen)

Tatsächlich lässt sich das Verhältnis der Grund- und Drittmittel und die Bedeutung der Entwicklung für die Forschungsfinanzierung aus diesen Zahlen nicht direkt ablesen. Dies liegt daran, dass Drittmittel nahezu ausschließlich für Forschung vorgesehen sind und Grundmittel dagegen auch für Lehre, Infrastruktur, Instandhaltung, etc. verwendet werden. Eine tatsächliche Gegenüberstellung der Drittmittel und derjenigen Grundmittel, die nur für Forschung verwendet werden, lässt sich bestenfalls abschätzen, weil in den Datenbeständen der Hochschulfinanzstatistik die Verwendung der Grundmittel nicht aufgeschlüsselt sind. Geht man von der nach wie vor gültigen offiziellen Annahme aus, dass die Aufteilung der universitären Grundmittel im Verhältnis von 50:50 erfolgt, bewegt man sich im Rahmen einer extrem konservativen Abschätzung. Auf der Grundlage dieser Abschätzung zeigt sich, dass die Drittmittel mittlerweile mehr als 40% des Forschungsetats deutscher Universitäten ausmachen (vgl. Tab. 2).

Jahr Grundmittel (%) Drittmittel (%)

1992 76,05 23,95

1996 70,39 29,61

2000 66,19 33,81

2004 63,29 36,71

2008 56,54 43,46

Tabelle 2: Geschätztes Verhältnis von Grund- und Drittmitteleinnahmen deutscher Universitäten (die Hälfte der gesamten Grundmittel), 1992-2008 (Quelle: eigene Berechnungen)

136

Oftmals wird das steigende Verhältnis von Dritt- zu Grundmitteln als eine Einschränkung der Forschenden interpretiert (vgl. bspw. Münch 2006a, 2006b), die ihre Arbeit aufgrund der starken Abhängigkeit von Drittmitteln nicht mehr autonom gestalten können, also Forschungsziele nicht mehr frei wählen können. In diesem Sinne wäre der wachsende Anteil der drittmittelfinanzierten Forschung an Universitäten dann als wachsende Be-schneidung der akademischen Freiheit zu deuten. Bevor wir diesen Diskussionsstrang aufnehmen, möchten wir allerdings auch eine alternative Interpretation der Entwicklung anbieten. Grundmittel stellen eine Finanzierungsform der Forschung dar, die mit neuen Entwicklungen in der Forschung nur schwer Schritt zu halten vermögen, sofern diese Ent-wicklungen einen zusätzlichen Bedarf an Ressourcen voraussetzen. So gesehen bestehen in zusätzlichen Drittmittelangeboten Möglichkeiten der Flexibilisierung von Forschungs-finanzierung. Auch bei der Stabilisierung von Forschungslinien spielen voneinander unabhängige Drittmittelquellen eine entscheidende Rolle, weil es die Forscher von der Abhängigkeit von einer einzigen Finanzierungsquelle entlastet (in Bezug auf Universitäts-finanzierung vgl. Stichweh 2005). Mit anderen Worten, wo die staatliche Grundfinan-zierung nicht mehr ausreicht, können andere öffentliche oder private Drittmittelgeber hinzugezogen werden. Von den neuen Möglichkeiten profitieren insbesondere einige in der Einwerbung von Drittmitteln sehr erfolgreiche Forscher, die ihre Forschungsziele mit Hilfe der staatlichen Grundfinanzierung kaum hätten realisieren können. Andere, weniger erfolg-reiche Bewerber, müssen sich hingegen mit weniger Ressourcen abfinden.

Die Pluralisierung der Finanzierungsquellen drückt sich in Deutschland darin aus, dass Bund, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Industrie drei zentrale Säulen der Forschungsfinanzierung bilden (vgl. Tab. 3). Zusammen kontrollieren Bund, DFG und Industrie mehr als 80% aller verfügbaren Fördergelder. Daneben konnten sich in den letzten Jahren die EU und private Stiftungen, allen voran die Volkswagenstiftung, als wichtige Drittmittelgeber etablieren. Sie stellen zunehmend relevante Alternativen zu den etablierten Förderorganisationen dar.

137

Jahr 1992 1996 2000 2004 2008

tEUR % tEUR % tEUR % tEUR % tEUR %

Bund 519 623 31,76 519 177 23,77 530 135 19,65 676 159 20,62 887 986 19,54

Bundesagentur

für Arbeit 20 902 1,28 13 328 0,61 6 664 0,25 1 772 0,05 1 133 0,02

Länder 58 090 3,55 71 271 3,26 62 992 2,33 86 380 2,63 83 155 1,83

Kommunen 5 025 0,31 9 407 0,43 34 771 1,29 13 069 0,40 10 020 0,22

Anderer

öffentlicher Sektor

33 326 2,04 31 690 1,45 38 866 1,44 78 074 2,38 80 953 1,78

DFG 468 705 28,65 767 769 35,15 949 351 35,18 1 042 039 31,77 1 631 818 35,91

International

e Organisation

en

44 871 2,74 98 958 4,53 183 464 6,80 266 366 8,12 19 427 0,43

EU

401 248 8,83

Andere

Stiftungen 68 376 4,18 105 326 4,82 159 386 5,91 245 715 7,49 315 088 6,93

Universitäts-stiftungen 19 602 0,43

Industrie 417 117 25,50 567 503 25,98 732 650 27,15 870 156 26,53 1 094 177 24,08

Gesamt 1 636 035 100 2 184 436 100 2 698 290 100 3 279 728 100 4 544 607 100

Tabelle 3: Vergabe von Drittmitteln nach Drittmittelgebern, 1992-2008, in Tausend Euro und in Prozent der Gesamtsumme (Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen)

Die Verknappung von Grundmitteln für Forschung, die zunehmende Bedeutung von Drittmitteln und die beginnende Diversifizierung der Förderstrukturen strukturieren den Prozess der Ressourcenallokation als Quasi-Markt, auf denen Wissenschaftler miteinander um Drittmittel konkurrieren (Kosmützky 2010: 15 ff.) und zunehmend unter Wettbewerbs-druck geraten (Schimank 2005: 368). Dass Wettbewerbsdruck im Zuge der zunehmenden Bedeutung von Drittmitteln tatsächlich entsteht, lässt sich an der Selektivität der Förder-instrumente zeigen.

Das Einzelförderungs-Programm der DFG ist nach wie vor das wohl wichtigste Instrument zur Forschungsförderung in Deutschland, egal ob man die Dauer der Existenz,

138

die Abdeckung möglichst vieler Disziplinen oder das Fördervolumen als Maßstäbe heranzieht. Seit den 1970er-Jahren bis heute werden von der DFG ungefähr 40% ihres Förderetats in die Einzelförderung investiert (BLK 1999: 22; DFG 2009: 180). Daher analysieren wir stellvertretend für die Entwicklung der Selektivität von Förderprogrammen die DFG-Einzelförderung (vgl. Tab. 4). Die Selektivität dieses Förderinstruments steigt. Denn die Bewilligungsquote sinkt zwischen 1974 und 2009 von 84,5% auf 52,4%. Da mittlerweile fast jeder zweite Antrag negativ beschieden wird, müssen Wissenschaftler bei der Beantragung von Drittmitteln mit einem vergleichsweise hohen Risiko der Ablehnung rechnen. Dieser Trend spiegelt sich auch in den bewilligten Fördersummen, der im selben Zeitrum von 76,6% auf 36,6% fällt. Für die Wissenschaftler hat die steigende Selektivität der Antragsbewilligung zur Folge, dass sie zunehmend strategisch agieren müssen. Soll eine bestimmte Forschungslinie verfolgt werden, müssen Forscher das Risiko einkalku-lieren, hierfür keine oder keine ausreichende Finanzierung zu erhalten. Zugleich lässt sich sagen, dass sich Wissenschaftler bei der Wahl von kostenintensiven Forschungsprojekten zunehmend nach der Verfügbarkeit von universitätsexternen Förderprogrammen richten müssen. Diese Notwendigkeit besteht für immer mehr Universitätsdisziplinen und bringt zweifelsohne eine neue Dynamik in die Akteurkonstellation.

Jahr Bewilligte Anträge (in %) Bewilligte Fördersumme

1974 84,5 76,7

1975 76,8 65,8

1980 81,9 61,9

1985 77,6 57,4

1989 70,2 48,9

1992 63,6 40,2

1995 68,9 46,0

1996 64,3 41,7

1997 58,7 35,4

1998 56,5 36,3

2006 51,9 37,5

2007 53,5 38,9

2008 52,9 36,3

2009 52,4 36,6

Tabelle 4: Prozentualer Anteil bewilligter Anträge und bewilligter Fördersummen aller Anträge der Einzelförderung der DFG, 1974-2009 (Quelle: BLK 1999: 67; DFG 2009: 180 und eigene Berechnungen)

139

In anderer Hinsicht ist die Einzelförderung ein eher untypisches Förderinstrument, weil es mit sehr viel weniger Konditionen im Verfahren der Antragstellung auskommt als die sogenannten ‚koordinierten Programme‘ der DFG oder internationale Förderinstrumente wie etwa das ‚ERC-Grant‘ des European Research Council. Für die DFG-Einzelförderung kann prinzipiell jeder Forscher mit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Ausbildung (Promotion) Anträge auf eine zeitlich begrenzte Finanzierung seiner Forschungsvorhaben einreichen, unabhängig von Thematik oder anderen Eigenschaften seiner Arbeit. Betrachtet man hingegen die Entwicklung der koordinierten Programme, die seit Ende der 1960er-Jahre von der DFG und unter anderen Bezeichnungen von anderen Förderorganisationen aufgelegt werden, tritt ein neuer Trend hin zu mehr Konditionalität deutlich zutage.

Diese Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass Förderorganisationen zunehmend beginnen, strategisch innerhalb der Akteurkonstellation zu agieren. Staatliche und private Drittmittelgeber ziehen nicht mehr allein die wissenschaftliche Qualität eines Antrags als Kriterium heran, um ihre Bewilligungsentscheidungen zu treffen. Denn seit den 1960er-Jahren wächst die Überzeugung, dass Forschung mehr politische Orientierung braucht, um gesellschaftlich und wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu produzieren. Eine zu-nehmende Skepsis gegenüber einer Wissenschaft, die im sprichwörtlichen ‚Elfenbeinturm‘ betrieben wird, verleitet die Drittmittelgeber dazu, selbst strategische Anreize für – in ihren Augen – relevante Forschungsvorhaben zu setzen. Die wachsende Angewiesenheit der Wissenschaftler auf diese Drittmittel versetzt die Förderorganisationen zudem in die Lage, aus immer mehr Projektanträgen diejenigen auszuwählen, die ihren Zielvorstellungen am ehesten entsprechen. Mit anderen Worten, die steigende Selektivität wird mit einer stärkeren Konditionalität der Förderinstrumente verbunden, in der sich der politische und strategische Gestaltungswille der Förderorganisationen manifestiert.

Es entspricht insofern ganz diesem Zeitgeist, dass die DFG, nachdem sie im Auftrag der Bundesregierung von einer internationalen Expertenkommission evaluiert wurde, von eben dieser Expertengruppe aufgefordert wurde, ihre Forschungsförderung in Zukunft stärker an ‚gesellschaftlicher Relevanz‘ zu orientieren und selbst ‚proaktiv‘ Forschungs-agenden zu gestalten (BLK 1999). Zugleich wird an dieser Kritik deutlich, dass die wichtigste Förderorganisation in Deutschland dem internationalen Trend in dieser Hinsicht nicht folgt. Die DFG-Einzelförderung, über die im Bottom-up-Verfahren durch Fach-gutachter entschieden wird, kommt mit vergleichsweise schwachen Konditionalitäten aus.

Nichtsdestoweniger offenbaren die Konditionen der koordinierten DFG-Programme und erst recht die Förderinstrumente der Bundesministerien auch hierzulande ein wachsen-des Interesse an politischer Steuerung der Forschung. Analytisch lassen sich drei Dimensionen von Konditionalität unterscheiden, die seit Ende der 1960er-Jahre in verschiedenen Förderprogrammen zur Anwendung kommen. Drittmittel können erstens mit der Forderung nach spezifischen Charakteristika (Interdisziplinarität, Anwendungsbezug, Innovativität, etc.) der Forschung verbunden werden. Sie können zweitens auf bestimmte Forschungsziele beschränkt werden. Sie kann drittens damit verbunden sein, dass be-stimmte Partner an den Projekten beteiligt sein müssen (in der Regel Industriepartner oder Anwender). So vollzog sich beispielsweise die Institutionalisierung der ‚Sonder-forschungsbereiche‘ durch die DFG vor dem Hintergrund, dass man mehr interdisziplinäre Forschung motivieren wollte und hierfür gesonderte Ressourcen zur Verfügung stellte (vgl. Laudel 1999). Ein anderes Beispiel bezieht sich auf die Erwartung, dass Forschungs-projekte zu anwendungsbezogenen Ergebnissen führen sollen. Zu diesem Zweck etablierte

140

das Wissenschaftsministerium in den 1980er-Jahren ein hoch dotiertes Förderprogramm für die sogenannte ‚Verbundforschung‘ (vgl. Lütz 1993). Eine Kombination aller drei Dimen-sionen findet sich in dem erst kürzlich gestarteten ‚Spitzencluster-Wettbewerb‘, bei dem von den Antragstellern nicht nur Interdisziplinarität und Industriekooperationen erwartet werden, sondern auch dass sie ihre Forschungsziele auf bestimmte Felder beschränken (z.B. Gesundheit, Klima, Nachhaltigkeit von Ressourcen, Mobilität, Sicherheit, etc.) (vgl. BMBF 2010: 5).

Für die Allokation von Ressourcen lassen sich veränderte Einflussbeziehungen inner-halb des deutschen Wissenschaftssystems feststellen. Die Verknappung von Grundmitteln, die für Forschung zur Verfügung stehen und die dadurch zunehmende Attraktivität von Drittmitteln für die Realisierung von Forschungsprojekten, erzeugt nicht nur auf Seiten der Wissenschaftler die Notwendigkeit, die Verfügbarkeit von Ressourcen bei der Wahl ihrer Forschungsziele strategisch zu berücksichtigen, sondern versetzt auch die Förder-institutionen in die Lage, die gestiegene Selektivität ihrer Förderinstrumente mit neuen und stärkeren Konditionen zu versehen und auf diese Weise selbst als strategische Akteure im Wissenschaftssystem aufzutreten.

2.2 Die Allokation von Reputation

Die Allokation von Reputation im deutschen Wissenschaftssystem verläuft seit den 1970er-Jahren dezentral und eher diffus durch die Fachgemeinschaften. Hinzu tritt eine stärkere Formalisierung des Allokationsprozesses, resultierend aus einem steigenden Bedarf an Begutachtung bzw. Peer-Review. Im Laufe der Zeit wurden in immer mehr Disziplinen nicht mehr nur Publikationen begutachtet. Dazu kommt eine steigende Zahl von Gutachten über Projektanträge und Forschungsergebnisse, die mit der „Projektförmigkeit der Wissenschaft“ (Besio 2009) zunimmt. Darüber hinaus werden regelmäßige Evaluationen allgemeiner Forschungsleistungen notwendig, beispielsweise im Rahmen von Berufungs-verfahren oder der leistungsbezogenen Mittelvergabe. Mit der stärkeren Formalisierung des Allokationsprozesses wachsen die Einflussmöglichkeiten nationaler und internationaler Facheliten in der Forschung.

Am Beispiel der Begutachtung von Drittmittelanträgen wird deutlich, dass die Förderorganisationen über eine zunehmende Zahl von Anträgen entscheiden müssen. Auch wenn es keine vergleichbaren Daten über einen längeren Zeitraum gibt, so lässt sich auf Grundlage einzelner Quellen davon ausgehen, dass nicht nur die reine Zahl der zu bearbeitenden Anträge in den letzten vierzig Jahren gestiegen ist, sondern auch eine hohe Antragsaktivität der einzelnen Forscher auf die steigende Zahl von Forschungsanträgen verweist (vgl. Hornbostel 2001; Böhmer et al. 2011). Zwar können Drittmittelgeber eigene Agenden setzen, indem sie die Konditionalität der Förderprogramme definieren. Allerdings können sie nicht selbst über die Inhalte der Projektanträge entscheiden und selbst prüfen, ob die wissenschaftlichen Gütekriterien erfüllt werden. Für die konkrete Entscheidung sind sie auf die Expertise der Wissenschaft angewiesen (Braun 1998). Wir nehmen an, dass Gut-achter bei ihrer Entscheidung über den entsprechenden Antrag wissenschaftliche Kriterien wie Neuigkeit, Originalität, Relevanz und Durchführbarkeit heranziehen. Neben den von den Förderinstitutionen gesetzten Konditionalitäten spielt aber auch die übergreifende Reputation der Antragssteller bei der Entscheidung eine Rolle und wird zu einem un-

141

abhängigen Faktor im Entscheidungsprozess über Forschungsförderung (vgl. Laudel 2006b). Wenngleich bei der Entscheidung über Forschungsförderung über Ressourcen entschieden wird, zeigt sich doch, dass die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln zu-nehmend als Reputationsindikator innerhalb des Wissenschaftssystems fungiert. So entsteht nicht nur eine doppelte Begünstigung derjenigen, die zusätzliche Mittel einwerben können und daher bessere Forschungsmöglichkeiten und bessere Reputationschancen besitzen, wie es im klassischen Matthäus-Effekt angenommen wird (Merton 1968; Münch 2010). Tatsächlich kommt es zu einer zusätzlichen direkten Verquickung der Allokationsprozesse von Ressourcen und Reputation, die im deutschen Sprachraum mit der Wortschöpfung des ‚Drittmittelkönigs‘ bereits einen Ausdruck gefunden hat.

Angesichts der steigenden Zahl zu begutachtender Anträge hat sich mittlerweile eine zusätzliche wissenschaftliche Haupttätigkeit herausgebildet, die darin besteht, Forschungs-anträge zu begutachten. Die gestiegene Bedeutung von Gutachtertätigkeiten in der wissen-schaftlichen Wahrnehmung lässt sich beispielsweise an ihren Auflistungen in Wissen-schaftlerlebensläufen beobachten. Im Zuge der Etablierung und Ausweitung von Evaluationen im Wissenschaftssystem wird die Rolle der wissenschaftlichen Eliten weiter gestärkt, weil noch mehr Bedarf an Begutachtung, Expertise und Beratung erzeugt wird (vgl. Gläser et al. 2008, 2010). Die Gutachtertätigkeit wird damit selbst zu einem Re-putationsfaktor. Dabei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden. Erstens bezieht sich die durch Begutachtung gewonnene Reputation auf die wissenschaftliche Leistung, die für die Gutachtertätigkeit qualifiziert. Dieser Reputationszuweisung liegt die Annahme zu Grunde, dass nur diejenigen für Gutachtertätigkeiten in Frage kommen, die in ihrem Wissenschafts-gebiet besondere Leistungen vorweisen können. Die Gutachtertätigkeit bestätigt damit den wissenschaftlichen Status, weshalb dieser Aspekt der Allokation von Reputation als inner-wissenschaftlicher Prozess bezeichnet werden kann. Der zweite Aspekt des Reputations-erwerbs durch Gutachtertätigkeiten kann als außerwissenschaftliche Reputation betrachtet werden. Diese Reputation wird den Gutachtern von Akteuren aus wissenschaftsexternen Bereichen oder von Akteuren aus fachfremden Disziplinen zugeschrieben. Auf diese Weise werden im Wissenschaftssystem die Rollen des wissenschaftlichen Gutachters, Beraters oder Experten aufgewertet. Diese Rolle und der damit verbundene Reputationserwerb beziehen sich dann nur noch teilweise auf die Expertise in einem spezifischen Feld, sondern vor allem auf die Gutachtertätigkeit an sich. Diese zusätzliche wissenschaftsextern zu-geschriebene Expertenrolle wird dann allerdings genutzt, um Statushierarchien innerhalb eines wissenschaftlichen Feldes zu etablieren und zu sichern (Münch 2008). Um diese Rollen herum bilden sich stärker zentralisierte und koordinierte wissenschaftliche Eliten, deren Entscheidungen für die wissenschaftliche Karriere der Forscher zunehmend deutliche Konsequenzen haben. Parallel zur Einflusssteigerung der Facheliten findet eine tendenzielle Einflusserosion der lokalen Organisationseliten statt. Die traditionell starke Professoren-schaft teilt ihren Einfluss zunehmend mit internationalen Eliten. Das heißt, die Einfluss-beziehungen verlaufen nicht mehr nur entlang von Instituts- oder Fachbereichsstrukturen, sondern liegen nun auch jenseits der einzelnen Hochschulen in den Händen der nationalen, teils internationalen, Eliten aus den wissenschaftlichen Gemeinschaften.

142

2.3 Inneruniversitäre Einflussbeziehungen

Im Zuge verschiedener Reformen, die unter dem Schlagwort des ‚New Public Management‘ (NPM) firmieren, haben sich seit den späten 1990er-Jahren die formalen Entscheidungsstrukturen, die teils formalen, teils informellen Einfluss- und Anreizmöglich-keiten, sowie die informelle Organisationskultur, kurz: die Einflussbeziehungen, innerhalb der Universität verändert. Diese Reformen zielten einerseits auf eine Stärkung der universitären Leitungsebene und andererseits auf eine Reduzierung staatlicher Regulierung, die ihren Höhepunkt in der vorläufigen Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes fand. Im Bezug auf die Wahl von Forschungszielen lassen sich die stark miteinander verwobenen Wirkungen einzelner, teils sehr unterschiedlich implementierter Reformmaßnahmen kaum mehr separat abschätzen. Daher strukturieren wir unsere Analyse nicht anhand einzelner Reforminstrumente, sondern entlang von vier analytisch trennbaren Linien von Akteur-beziehungen. Wir beschreiben die Veränderungen der Einflussbeziehungen, die sich erstens zwischen staatlicher Politik und Universität und die sich zweitens zwischen staatlicher Politik und einzelnen Forschern vollzogen haben. Drittens werden die Autoritäts-beziehungen zwischen der Hochschulleitung und den einzelnen Forschern durch diese beiden Veränderungslinien beeinflusst und viertens durch weitere Reformmaßnahmen flankiert und verstärkt.

1. Einflussbeziehungen zwischen staatlicher Politik und Universität: Trotz der Viel-

zahl von NPM-Reformen behalten staatliche Akteure nach wie vor Einfluss auf die Universität. Die Einflussmöglichkeiten haben sich durch die Einführung eines neuen Steuerungs-Regimes verändert. Die staatlichen Akteure verlagern ihre Einflussmög-lichkeiten stärker auf eine ‚Output-Kontrolle‘ der Universität. Dazu zählt vor allem das Instrument der ‚Zielvereinbarungen‘. In einigen Fällen kommt es sogar zu gestärk-ten Regulierungsmöglichkeiten, wenn sich beispielsweise einige Länderministerien im Falle von gescheiterten Verhandlungen über Zielvereinbarungen das Recht gesichert haben, einseitig zu entscheiden (Hüther 2010: 172-177). Ein anderes Beispiel für stär-kere Regulierungsmöglichkeiten ist bei Entscheidungsbefugnissen bezüglich der Gründung, Schließung und Umgestaltung von Instituten und Fachbereichen zu sehen (Hüther 2010: 190-198). So werden die eigentlich vorgesehenen Freiheiten des Steue-rungsinstruments ‚Zielvereinbarungen‘ häufig nicht voll realisiert, wodurch in einigen Fällen eine engere Bindung der Universität an Zielvorgaben des Ministeriums erzeugt wird (Schimank 2005: 367-368). Waren die Einflussbeziehungen zwischen Staat und Universität lange Zeit dadurch gekennzeichnet, dass der Staat relativ ‚blind‘ den Rah-men für die Entscheidungen der Universität gesetzt hat, wird er zunehmend zu einem handlungsfähigen und handlungswilligen Akteur in der Konstellation, der zwar nicht direkt auf die Entscheidung über Forschungsvorhaben einwirkt, aber strategisch die Bedingungen für diese Entscheidungen gestaltet.

2. Einflussbeziehungen zwischen staatlicher Politik und einzelnen Forschern: Einige Reformmaßnahmen wirken sich auf die Autoritätsbeziehungen zwischen den einzel-nen Forschern und dem Staat aus. Dabei wird die traditionell eher direkt gestaltete Be-ziehung zwischen diesen beiden Akteuren aufgebrochen und durch eine komplexere Akteurkonstellation ersetzt. Durch das Instrument des universitären ‚Entwicklungs-plans‘ wird zusätzlich zu dem Ministerium auch die Hochschulleitung als Akteur in

143

die Konstellation integriert (Hüther 2010: 184 f.) und gewinnt daher Einfluss auf die Gestaltung der Forschungsbedingungen. Bei der Allokation von Ressourcen verlieren die Ministerien einen großen Teil ihres Einflusses, der nun von der Hochschulleitung ausgeübt werden kann (Hüther 2010: 189 f.; Schimank/Lange 2009: 64 f.). Die Ein-flussmöglichkeiten der Hochschulleitung werden durch die Einführung von Universi-täts- und Instituts-, bzw. Fachbereichsevaluationen zusätzlich gestärkt (vgl. Gläser et al. 2010: 160-163, 170-172). Meier und Schimank (2010: 232) gehen davon aus, dass Evaluationen sogar dazu führen, dass „the traditional dual power structure, dominated by the ministry, on one side, and the academic community at large as well as each in-dividual professor, on the other, was transformed into a new dual power structure of university leadership and national scientific elites“. Wir stimmen der Einschätzung zu, dass mit den wissenschaftlichen Eliten und der Hochschulleitung zwei weitere Akteure in der Konstellation Bedeutung erlangen. Für die von Meier und Schimank untersuch-ten Evaluationen der wissenschaftlichen Kommission Niedersachsens mag dieser Be-fund zutreffend sein. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass diese Analyse grundsätz-lich verallgemeinerbar ist und die inneruniversitäre Akteurkonstellation nun grund-sätzlich von der Beziehung zwischen Hochschulleitung und Eliten dominiert wird. Stattdessen nehmen wir an, dass sich die Beziehungskonstellation erst noch einspielen wird, und eine Dominanz eines Akteurs oder einer Koalition von mehreren Akteuren noch nicht absehbar ist. Festzuhalten ist, dass die Forschungsbedingungen jedenfalls nicht mehr zwischen einzelnen Forschern und dem Staat, sondern in einer komplexe-ren Akteurkonstellation ausgehandelt werden, in der die Hochschulleitung als quasi neuer Akteur und die wissenschaftliche Eliten ebenfalls Einfluss ausüben können.

3. Einflussbeziehung zwischen einzelnen Forschern und Hochschulleitung: Hier kommt es ebenfalls zu einer Verschiebung der formalen Entscheidungsbefugnisse zu Gunsten der Hochschulleitung. So können beispielsweise mehr Entscheidungen durch die Hochschulleitung getroffen werden, ohne dass hierfür eine Konsultation oder gar Mehrheit in der Fakultät oder dem Senat gegeben sein muss (Schimank 2005: 368 f.). Allerdings versuchen Hochschulleitungen häufig, die Unterstützung der entsprechen-den Gremien einzuholen und machen kaum von diesen Rechten Gebrauch (vgl. Bie-letzki in diesem Band). Viele Universitäten etablieren eine „leistungsorientierte Mit-telvergabe“ (Schimank/Lange 2009: 61; Schimank 2009: 130) und beginnen in diesem Zusammenhang regelmäßige Evaluationen einzuführen (entweder indikatorengestützt oder im Review-Verfahren), weil sie deren Informationen benötigen, um strategisch entscheiden zu können. Auch wenn die Implementation von regelmäßigen Evaluatio-nen in Deutschland noch vergleichsweise wenig fortgeschritten ist (Lange 2007), wer-den die einzelnen Forscher durch (mögliche) Evaluationen dem Druck ausgesetzt, nicht nur möglichst viel zu forschen, sondern ihre Forschung zusätzlich durch Publika-tionen sichtbar zu machen und ein aktives Management der Indikatoren der For-schungsleistung zu betreiben, um ihre Forschungsressourcen zu erhalten oder zu er-weitern (Gläser et al. 2008: 159-162, 2010: 160-163, 170-172).

4. Einflussbeziehungen durch weitere Reforminstrumente: Flankiert und verstärkt wer-den die Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung in der Beziehung zu den einzel-nen Forschern noch durch weitere Reforminstrumente. So ist die ‚Exzellenzinitiative‘ von Bund und Ländern ein Förderinstrument, bei dem die Hochschulleitung der Ant-ragssteller ist und somit zumindest formal eine herausgehobene Position im Antrags-

144

verfahren einnimmt. Aber nicht nur im Rahmen der ‚Exzellenzinitiative‘ wird es für Forscher in einer zunehmenden Zahl von Disziplinen notwendig in relativ enger Koo-peration und Abstimmung mit der Hochschulleitung zu agieren. Die häufig in Zielver-einbarungen zwischen Hochschulleitung und Ministerien verabredeten Forschungs-kooperationen sind mit dem Überschreiten einer ‚kritischen Masse‘ verbunden, sodass die Erwartung an die einzelnen Forscher steigt, sich an entsprechenden Kooperation zu beteiligen. Die Etablierung von Forschungszentren in immer mehr Disziplinen und die generelle Erwartung, dass Forscher sich an diesen Programmen beteiligen, erhöht die Notwendigkeit für die Forscher, nicht nur miteinander zu kooperieren, sondern sich auch mit der Hochschulleitung abzustimmen.

Kurz zusammengefasst, die Entscheidungsspielräume, innerhalb derer Wissenschaftler über ihre Vorhaben entscheiden, haben sich im Zuge der Universitätsreformen in den beiden letzten Dekaden stark verändert. Die traditionelle Verhandlungsbeziehung zwischen Forscher und Ministerium ist aufgebrochen worden und durch eine komplexere Akteur-konstellation ersetzt worden. In dieser Konstellation werden die Entscheidungsspielräume nach wie vor durch den Staat gestaltet, der zwar aktiver als bisher einen grundlegenden Rahmen steckt, allerdings einige seiner Kompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten an die Hochschulleitung abgegeben hat. Über die Hochschulleitung und ihren Bedarf an Gut-achtern und fachlicher Expertise betreten zusätzlich die wissenschaftlichen Eliten als einflussreiche Akteure die Konstellation.

3 Diskussion

Die von uns skizzierten Entwicklungen der inneruniversitären Akteurkonstellation haben gezeigt, dass die Hochschulleitung im Zuge verschiedener teils unabhängiger Reform-maßnahmen neue Einflussmöglichkeiten erhält. Nun gilt es am Beispiel von Forschungs-entscheidungen zu diskutieren, wie sich die anderen Entwicklungen im deutschen For-schungssystem – die veränderte Allokation von Ressourcen und Reputation – mit diesem Ergebnis in Beziehung setzen lassen. Zu diesem Zweck lassen sich zwei konfligierende Thesen formulieren. Die erste These lautet, dass die veränderten Strukturen und Be-ziehungen der Akteurkonstellation des deutschen Forschungssystems die neuen Einfluss-möglichkeiten der Hochschulleitungen vielfach modifizieren und begrenzen. Die zweite These lautet, dass die veränderten Strukturen und Beziehungen unter bestimmten Umständen die Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung auch begünstigen und ver-stärken können. Wir diskutieren diese beiden Thesen nicht, um eine Entscheidung zu Gunsten von einer der beiden Thesen zu treffen. Vielmehr wollen wir im Zuge der Diskus-sion der beiden Thesen Potentiale und Dynamiken des Wandels skizzieren, die sich in den Beziehungsmustern zwischen Hochschulleitung und Forschern entwickeln können. Wir sehen den Vorteil einer solchen Diskussion, die eine umfassendere Akteurkonstellation und ihre Beziehungen mit einbezieht, darin, dass es möglich wird, alternative Perspektiven auf vermeintlich bekannte Konstellationen zu werfen und dabei Möglichkeiten für sich wan-delnde Beziehungsmuster im deutschen Forschungssystem zu entdecken.

Wir führen die Diskussion am Beispiel der Entscheidungen über Forschungsziele und -vorhaben und die damit verbundene Frage, welche Akteure auf diese Situation direkten

145

oder indirekten Einfluss ausüben können, indem sie einen der drei Einflusskanäle nutzen. Der fokale Akteur ist demnach der Forscher, der unter bestimmten Bedingungen über Forschungsziele und -vorhaben entscheidet. Daher betrachten wir zuerst, wie sich diese Entscheidungssituation für die Wissenschaftler verändert hat. Die zentrale Veränderung, die sich erkennen lässt, besteht in einer zunehmenden Notwendigkeit für strategisches Handeln. Zwar haben Wissenschaftler immer schon ihre Entscheidungen strategisch am Erhalt und Ausbau von Ressourcen und Forschungs- sowie Publikationsmöglichkeiten orientiert. Latours historische Studie über Louis Pasteurs Kooperationen mit der französischen Agrarpolitik gibt hier ein instruktives Beispiel (Latour 1987, 1988). Wir können für die heutige Entscheidungssituation allerdings von einer zunehmenden Notwendigkeit des strategischen Handelns ausgehen, weil Wissenschaftler in immer mehr Disziplinen nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihnen ohne eigenes Zutun ausreichende Forschungs-möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Diese Notwendigkeit resultiert einerseits aus dem steigenden Ressourcenbedarf in den allermeisten Disziplinen bei gleichzeitig mehr oder weniger stagnierenden Grundmitteln und andererseits aus dem steigenden Wettbe-werbsdruck um Forschungsdrittmittel. Weil im Zuge der an vielen Universitäten einge-fühten leistungsorientierten Mittelvergabe auch Teile der universitären Grundmittel aus Perspektive des Forschers zur Disposition gestellt werden können, wird die Notwendigkeit für strategisches Handeln auch von dieser Seite, namentlich der Hochschulleitung, ver-größert. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Strategien des Forschers denkbar, wie beispielsweise die Anpassung der Forschungsinhalte (Anpassungsstrategien diskutiert Laudel 2006a) oder das gezielte Erzeugen von Nachfrage der ‚Produkte‘ durch Anwender (Kurek et al. 2007). Die Verfügbarkeit von unterschiedlichen Strategieoptionen hängt allerdings nicht nur von den epistemischen Strukturen des jeweiligen Wissenschaftsfelds ab, sondern auch maßgeblich von den Beziehungsmustern der Akteurkonstellation, die die Entscheidungssituation der Forscher prägen. Da nun auch die Relevanz der Hochschul-leitung für die Prägung der Beziehungsmuster in der Akteurkonstellation zugenommen hat, stellen sich die Fragen, wie sich die Muster durch die gestiegenen Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung verändern und wie die Forscher ihre Strategien darauf einstellen.

So wie unsere Beschreibungen wird auch die Diskussion von Überlegungen zu Akteurkonstellationen und dem Ansatz der Power-Dependence Relations angeleitet (Emerson 1962; vgl. Schimank 2010: Kap. 9). Das heißt, uns interessiert, welche Hand-lungsalternativen entstehen, wenn zwei oder mehr strategisch handelnde Akteure in eine Beziehung eintreten (für die Bedeutung von Alternativen solcher Konstellationen vgl. Thompson 2003: 39-61; Cook 1977; Pfeffer/Salancik 1978: 117-131). Wir fokussieren uns dabei vor allem auf die Frage, wie die Beziehung zwischen Forschern und Hochschul-leitung durch die Verfügbarkeit und die Qualität von Alternativen im Bezug auf die Wahl von Forschungszielen verändert wird. Es geht uns dabei nicht um eine quasi-quantifizier-bare Bewertung der wechselseitigen Einflussmöglichkeiten. Vielmehr möchten wir die Be-ziehung der beiden Akteure im Kontext der Alternativen, die sich beiden in der Kon-stellation des Forschungssystems bieten, beschreiben, um die potentiellen Möglichkeiten neuer Beziehungsmuster erfassen zu können.

An dieser Stelle gilt es bereits auf eine Einschränkung hinzuweisen, die Anlass geben, ausführlicher in die Diskussion über das Verhältnis von Hochschulleitung und Forschern einzusteigen. Die Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung beziehen sich – trotz neuer formaler Kompetenzen – nur indirekt auf die Entscheidungssituation und nicht direkt auf

146

die Entscheidung über Forschungsziele. Die Hochschulleitung übt indirekten Einfluss auf Forschungsentscheidungen aus, indem sie die lokalen organisatorischen und finanziellen Bedingungen, unter denen die Wissenschaftler forschen, nach Maßgabe eigener strate-gischer Gesichtspunkte gestaltet. Aus der Perspektive der Wissenschaftler wird die Hoch-schulleitung mit ihren Möglichkeiten, die lokalen Forschungsbedingungen zu gestalten, zu einem relevanten Faktor, den die Forscher bei der Entscheidung über Vorhaben berück-sichtigen müssen. Insofern lässt sich bereits festhalten, dass die Hochschulleitung zu-mindest einen potentiellen Einfluss auf die Entscheidungssituation der Forscher hat, allein indem sie gegebenenfalls auf die inneruniversitäre Allokation von Ressourcen einwirken könnte und damit die Bedingungen, unter denen Forschungsentscheidungen gefällt werden, durchaus verändern kann.

Durch die Bezugnahme auf eine größere Akteurkonstellation wird jedoch deutlich, dass es sich bei der Beziehung zwischen Hochschulleitung und Forschern nicht um eine Dyade handelt. Ganz im Gegenteil ist die Beziehung dadurch geprägt, dass verschiedene Dritte auf die Forschungsentscheidungen Einfluss nehmen und dadurch die Beziehungs-muster prägen. Sowohl der Staat als auch andere Akteure in der Universitätsumwelt, allen voran die Förderorganisationen und die Facheliten, fühlen sich nicht mehr an die tradi-tionelle Vorstellung gebunden, dass Wissenschaftler die besten Ergebnisse hervorbringen, wenn man sie sich selbst überlässt. Stattdessen intervenieren sie selbst strategisch in der Akteurkonstellation (vgl. Schimank 2005; Gläser et al. 2008; Schimank 2009; Gläser et al. 2010). Die zunehmende Bedeutung von Drittmitteln bietet diesen Akteuren die Möglich-keit, Anreize über den Kanal der Ressourcenallokation zu setzen und so die Entscheidungs-situation strategisch zu beeinflussen. Die steigende Selektivität und Konditionalität vieler Förderprogramme wird so ein hoch relevanter Faktor aus der Perspektive der Wissen-schaftler, wenn sie über Forschungsvorhaben entscheiden. Flankiert wird die steigende Einflussmöglichkeit der Drittmittelgeber durch das gewandelte Verhältnis von universitären Grund- und Drittmitteln.

Es ist klar, dass allein ein Vergleich der Summen, die die Drittmittelgeber für Forschung bereitstellen, mit den Summen, die die Hochschulleitung für Forschungs-vorhaben nach eigener Maßgabe verteilen kann, zu dem Schluss führt, dass die Einfluss-möglichkeiten der Hochschulleitung in den allermeisten Fällen ziemlich marginal ausfällt. Allerdings darf man hier nicht nur auf die Höhe der Summen schauen. Vielmehr geht es um die Fragen, wofür die Gelder eingesetzt werden können und unter welchen Bedingungen sie verfügbar sind. Den Forschern bietet sich in der Regel eine Vielzahl unterschiedlicher Alternativen für die Forschungsfinanzierung, die sich nicht nur hinsichtlich der Summen, sondern auch im Hinblick auf Konditionalitäten und im Bezug auf sachlich-zeitliche Kriterien unterscheiden. Die Alternativen sind also gerade nicht gleichrangig. Insofern bilden die Drittmittelalternativen je nach Forschungsziel und -vorhaben eine unter-schiedliche Rangfolge aus Sicht der Forscher. So sind die Summen, die die Hochschul-leitung zur Verfügung stellen kann zwar vergleichsweise gering. Aber sie können für ganz andere Zwecke und zu anderen Zeitpunkten mobilisiert werden. Am Beispiel der ‚Anschubfinanzierung‘ von Forschungsvorhaben wird deutlich, dass die Hochschulleitung entscheiden kann bestimmte Vorarbeiten zusätzlich zu finanzieren, indem sie etwa Per-sonalressourcen oder Infrastruktur zur Verfügung stellt. Diese gesondert finanzierten Vorarbeiten sollen dann in einem Antrag auf Drittmittelfinanzierung münden und die Erfolgschancen einer Bewilligung erhöhen. In einigen Fällen, wie beispielsweise der

147

(zusätzlichen) Grundmittelausstattung für Sonderforschungsbereiche, ist die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln sogar daran gebunden, dass die Hochschulleitung einen Teil der Forschungsvorhaben dauerhaft mitfinanziert. Es macht im Zusammenhang der Res-sourcenallokation also wenig Sinn, die Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung in Konkurrenz zu den Möglichkeiten der Drittmittelgeber zu setzen.

Diese Überlegungen erlauben folgende Schlussfolgerung: Die Einflussmöglichkeiten der Hochschulleitung auf die Entscheidungssituation von Forschungsvorhaben erhöhen sich immer dann, wenn drei Bedingungen zusammentreffen: Erstens müssen die Forschungs-vorhaben so ressourcenintensiv sein, dass ihre Durchführung von der Einwerbung von Drittmitteln abhängig sind. Diese Bedingung ist bei einer zunehmenden Zahl von Disziplinen zu beobachten. Zweitens muss die Bewilligung der Anträge signifikant von Vorarbeiten abhängen. Auch wenn dies empirisch noch nicht untersucht wurde, lässt sich vermuten, dass die sinkenden Bewilligungsquoten unter anderem auf gestiegene Ansprüche an die Anträge und den vorgenommenen Vorarbeiten hindeuten. Drittens muss die Hochschulleitung entweder der einzige oder zumindest der wichtigste Akteur sein, der solche Ressourcen zur Verfügung stellt. Ähnliche Szenarien lassen sich für kurzfristige Überbrückungen, Verlängerungen und Erweiterungen von Forschungsvorhaben denken, in denen die Ressourcen der Hochschulleitung eingesetzt werden können.

Das Beziehungsmuster zwischen Forschern und Hochschulleitung kann sich vor dem Hintergrund der geschilderten Einflussmöglichkeiten deutlich verändern. Die Mittel der Hochschulleitung können nicht als Alternative zu anderen Drittmitteln, sondern stattdessen in bestimmten Fällen als ermöglichende Bedingung für bestimmte Forschungsvorhaben gesehen werden. Das führt zu einer gewissen Abhängigkeit der Forscher von den Ent-scheidungen der Hochschulleitung, die sich für den Forscher in der Entscheidungs-alternative äußert, entweder auf ein Forschungsvorhaben zu verzichten, das von Vor-arbeiten abhängt oder auf die strategischen Einflussziele der Hochschulleitung einzugehen. Denn hier ist das Beziehungsmuster davon geprägt, dass die Forscher in der Regel nur über eine Hochschulleitung verfügen, der Hochschulleitung dagegen bietet sich eine Vielzahl von Alternativen, weil sie zwischen den Bedarfen vieler Forscher an ihrer Universität entscheiden kann.

Diese Situation führt zu der Annahme, dass das traditionelle Beziehungsmuster zwischen Forschern und Hochschulleitung aufgebrochen werden kann. War die Beziehung lange Zeit dadurch geprägt, dass die Forscher die Interessen der Hochschulleitung weitgehend ignorieren konnten, so ist zumindest in den Fällen, in denen die Forscher ein relevantes Interesse an zusätzlichen universitären Ressourcen haben, davon auszugehen, dass von Seiten der Forscher ein neues, nämlich stärker kooperatives Engagement die Beziehung prägt, in der es der Hochschulleitung leichter fallen sollte, strategisch Einfluss auf die Entscheidungssituation auszuüben. Entscheidend ist für uns an dieser Stelle, nicht unbedingt, dass sich veränderte Einflussmöglichkeiten beobachten lassen. Vielmehr möchten wir festhalten, dass verschiedene, teils unabhängig verlaufende Veränderungen im deutschen Forschungssystem dazu beitragen können, die Beziehungsmuster zwischen den Akteuren der Forscher und der Hochschulleitung nachhaltig zu verändern.

Allerdings kann eine neue Kooperationsbereitschaft, die das Beziehungsmuster von Seiten der Forscher prägt, von der Hochschulleitung nur in einem recht eng begrenzten Rahmen eigener Handlungs- und Einflussmöglichkeiten beantwortet werden. Angesichts der knappen universitären Grundmittel und dem vergleichsweise kleinen Teil, der davon für

148

eine entscheidbare Ressourcenallokation durch die Hochschulleitung zur Verfügung steht, können vermutlich nicht alle zusätzlichen Bedarfe der Forscher gedeckt werden. In vielen Fällen wird sich die Hochschulleitung zwischen Alternativen entscheiden müssen, die sich ihr bieten. Häufig wird das bedeuten, in einem Bereich zu kürzen, um für einen anderen Bereich Mittel mobilisieren zu können. Ohne Frage handelt es sich bei solchen Kürzungs-entscheidungen um eine starke Form der Einflussausübung. Diejenigen Forscher, die nicht von einer zusätzlichen Förderung profitieren oder gar von Kürzungsentscheidungen betroffen sind, können die Entscheidung klar der Hochschulleitung zurechnen. Hier deuten sich gewisse Konfliktpotentiale an. Die Konflikte werden dadurch begrenzt, dass die Forscher lediglich einer Hochschulleitung gegenüber stehen. Denn sofern ihre Forschungs-vorhaben zu einem gewissen Grad von den Entscheidungen der Hochschulleitung abhängen, werden sie sich auch dann – oder gerade dann – um eine kooperative Beziehung bemühen, wenn sie erst einmal nicht begünstigt wurden. Besteht allerdings aus Perspektive der Forscher mittel- bis langfristig keine Perspektive auf Kooperation, wird für die Forscher ein Wechsel des Hochschulstandorts und damit der Hochschulleitung zunehmend attraktiv.

Die Beziehungsmuster bieten also eine Spannbreite zwischen Konfrontation und Kooperation, die von der Hochschulleitung durchaus antizipiert werden können und ihre Entscheidungsstrategien prägen können. Eine Konfrontationsvermeidungsstrategie wird darin liegen, mit dem ‚Gießkannenprinzip‘ überall kleine Beträge zu verteilen. Starke Kooperationsbeziehungen werden dabei aber nicht sehr wahrscheinlich. Wenn es allerdings im Kontext von ‚Profilbildung‘ darum geht, Schwerpunkte zu setzen, werden starke Ko-operationen notwendig. Gleichzeitig entsteht ein gewisses Potential, dass dadurch Kon-frontationen an anderer Stelle provoziert werden. Insofern werden die Möglichkeiten der Einflussausübung der Hochschulleitung dadurch begrenzt, dass sie in vielen Fällen konfrontative Beziehungsmuster hervorruft, in denen die Hochschulleitung kaum mehr gestaltenden Einfluss ausüben kann.

Bei Bündelungsentscheidungen, die beispielsweise im Zuge profilbildender Maß-nahmen notwendig werden, wird noch ein anderer Aspekt deutlich, durch den die Einflussausübung der Hochschulleitung eingegrenzt wird. Es mag als nicht unwahr-scheinlich angenommen werden, dass Hochschulleitungen teils sehr detaillierte Vorstel-lungen über sinnvolle Bündelungsentscheidungen entwickeln. Allerdings werden Hoch-schulleitungen häufig zusätzliche Informationen benötigen und heranziehen müssen, um ihre Strategie zu formulieren, zu detaillieren oder zu bestätigen. Die Informationsgrundlage ihrer Entscheidungen bilden in der Regel wissenschaftliche Gutachten und Evaluationen. Im Bezug auf die größere Akteurkonstellation des deutschen Forschungssystems können wir in diesem Zusammenhang feststellen, dass die Hochschulleitung in entscheidenden Teilen ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Bewertungen und Entscheidungen der Wis-senschafts- und Evaluationselite angewiesen ist. Vermittelt über die Entscheidungen der Hochschulleitung, also über den dritten Kanal der Einflussausübung, erhalten die Akteure, die eine besondere Bedeutung für den Einflusskanal der Reputationsallokation haben, zunehmend Einfluss auf die inneruniversitäre Akteurkonstellation und prägen auf diese Weise auch das Beziehungsmuster zwischen Forschern und Hochschulleitung. Denn hier wird deutlich, wie sich die zunehmende Schwächung der lokalen Organisationseliten auf die inneruniversitären Beziehungsmuster auswirkt. Die Forschungsmöglichkeiten der Wissenschaftler hängen zunehmend von Entscheidungen der Gutachter ab, die sowohl über Drittmittelprojekte entscheiden als auch bei Universitätsevaluationen. Wie wir oben

149

diskutiert haben, orientieren sich diese Entscheidungen allerdings nicht ausschließlich an der Qualität der Forschungsbeiträge, sondern zunehmend auch an der übergreifenden Reputation des Forschers. Auf diese Weise entwickelt sich eine Stratifizierung der For-schungslandschaft, die sich zunehmend auch mittelbar über die evaluationsbasierten Entscheidungen der Hochschulleitungen in den inneruniversitären Verteilungsentschei-dungen vollzieht.

Die Beziehungsmuster zwischen Hochschulleitung und Forschern werden also auch dadurch geprägt, dass die Hochschulleitung gewissermaßen die Effekte des Prozesses der Reputations- und Ressourcenallokation innerhalb der Universität teilweise auf den Bereich der Grundmittel ausweiten kann. Dass sich hier neue Konfliktpotentiale für die Beziehung zwischen beiden Akteuren auftun können, liegt auf der Hand. Das Beziehungsmuster wird dadurch verkompliziert, dass inneruniversitäre Verteilungsfragen in einer grundlegenden Konstellation von vier Akteuren ausgehandelt werden (neben Hochschulleitung und Forscher nun auch Facheliten und Staat). Zwar scheint mit den zuständigen Ministerien der Länder der traditionell einflussreiche staatliche Akteur etwas in den Hintergrund getreten zu sein. Dennoch ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass es Szenarien gibt, in denen er entweder selbst strategisch zu intervenieren versucht oder als wirkmächtiger Mitspieler von einem anderen Akteur ins Spiel gebracht werden kann. So kommt es vor, dass Länder-ministerien Hochschulen dazu drängen, sich an der ‚Exzellenzinitiative‘ zu beteiligen, damit das entsprechende Bundesland ausreichend im Wettbewerb repräsentiert ist. Staatliche Akteure werden von den inneruniversitären Akteuren häufig ins Spiel gebracht, wenn es um die Gründung von großen Forschungszentren geht, für die meist zusätzliche Mittel benötigt werden, die weder aus dem Universitätshaushalt noch von anderen Dritt-mittelgebern bereitgestellt werden.

Zusätzlich sind die Wissenschafts- und Evaluationseliten ein zunehmend bedeutender Akteur, der unter Umständen mit einer eigenen Agenda in der Konstellation vertreten sein kann oder als Stellvertreter ins Spiel gebracht werden kann. Neben der zunehmenden Komplexität und Dynamik der inneruniversitären Akteurkonstellation wird ein anderer Aspekt des Beziehungsmusters zwischen Forschern und Hochschulleitung deutlich. Denn das Einholen von Gutachten und die Implementation von Evaluationen deuten nicht nur auf den Informationsbedarf für Entscheidungen der Hochschulleitung hin. Sie verweisen auch auf die inhaltlichen Kriterien, mit denen Entscheidungen der Hochschulleitung gegenüber den Forschern begründet werden. Die Entscheidungen sind dadurch relativ eng an das wissenschaftliche Interpretations- und Deutungsmuster rückgebunden, weil in erster Linie wissenschaftsspezifische Kriterien als relevant angesehen werden. Politische oder öko-nomische Motive sind daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen, treten aber bei Entscheid-ungsbegründungen eher in den Hintergrund. Selbst wenn sich eine Hochschulleitung also in bestimmten Szenarien in einer vergleichsweise einflussreichen Position befinden mag, sind die inhaltlichen Gestaltungsspielräume der Beziehung jedoch nach wie vor relativ eng an wissenschaftliche Relevanz- und Qualitätskriterien gebunden.

Wir konnten zeigen, dass es im Zuge verschiedener Veränderungen im deutschen Forschungssystem zu einem Wandel der Beziehungsmuster zwischen Hochschulleitung und Forschern kommt. Sowohl die Forscher als auch die Hochschulleitungen erleben zu-nehmend Anreize und teils Notwendigkeiten, ihre Beziehung nach einem eher kooperativen Muster zu gestalten. Dabei sind auch strategische Kooperationen denkbar, in denen beide Akteure der Zweck verbindet, gemeinsam gegenüber Dritten aufzutreten, um jeweils eigene

150

Ziele zu erreichen. Auf der anderen Seite werden dort Konfliktpotentiale verstärkt, wo es vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs um Forschungsressourcen zu ein-schneidenden Entscheidungen der Hochschulleitung über die Verteilung der knappen Mittel kommt. Lange Zeit konnten die beiden Akteure ihre Beziehung in Form einer mehr oder weniger respektvollen Nichtbeachtung gestalten, weil ihre Entscheidungen füreinander wechselseitig ohne große Konsequenzen blieben. An dieser Stelle scheint sich das Be-ziehungsmuster zwischen Hochschulleitung und Forschern am deutlichsten zu wandeln, weil die wechselseitige Abhängigkeit der jeweiligen Entscheidungen zunehmend zum Tragen kommt. Es gibt in heutigen Entscheidungssituationen eine zunehmende Anzahl von Anlässen, in der die beiden Akteure ihre Beziehung als wechselseitig abhängig erfahren. Auf diese Weise wird der Wandel der jeweils konkreten Beziehungen permanent angetrieben, weil sowohl die Hochschulleitung als auch die Forscher vor die Heraus-forderung gestellt sind, Antworten auf die Frage zu finden, wie man dem jeweils anderen Akteur gegenüber tritt. Wie es ab diesem Punkt weiter geht, ist eine offene Frage. Dass man sich gegenüber steht, lässt sich allerdings kaum mehr leugnen.

Literatur

Barlösius, E. (2008): „Leuchttürme der Wissenschaft“. In: Leviathan, 36: 149-169. Benz, A./Lütz, S./Schimank, U./Simonis, G. (2007): Einleitung. In: Benz, A./Lütz, S./Schimank,

U./Simonis, G. (Hg.): Handbuch Governance. Wiesbaden: 9-25. Besio, C. (2009): Forschungsprojekte. Zum Organisationswandel in der Wissenschaft. Bielefeld. BLK [Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung] (1999): For-

schungsförderung in Deutschland. Bericht der internationalen Kommission zur Systemevaluati-on der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Hannover.

BMBF [Bundesministerium für Bildung und Forschung] (2010): Bundesbericht Forschung und Inno-vation. Bonn.

Böhmer, S./Neufeld, J./Hinze, S./Klode, C./Hornbostel, S. (2011): Wissenschaftler-Befragung 2010. Forschungsbedingungen von Professorinnen und Professoren an deutschen Universitäten. Insti-tut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung: iFQ-Working Paper No.8. Bonn: http://www.forschungsinfo.de/Publikationen/Download/working_paper_8_2010.pdf (2909.2011).

Braun, D. (1998): The Role of Funding Agencies in the Cognitive Development of Science. In: Re-search Policy, 27: 807-821.

Clark, B. R. (1984): Perspectives on Higher Education. Eight Disciplinary and Comparative Views. Berkeley.

Cook, K. S. (1977): Exchange and Power in Networks of Interorganizational Relations. In: The So-ciological Quarterly, 18: 62-82.

DFG [Deutsche Forschungsgemeinschaft] (2009): Jahresbericht 2009. Aufgaben und Ergebnisse. Bonn.

Emerson, R. M. (1962): Power-Dependence Relations. In: American Sociological Review, 27: 31-41. Gerber, S./Bogumil, J./Heinze, R. G./Grohs, S. (2009): Hochschulräte als neues Steuerungsinstru-

ment. In: Bogumil, J./Heinze, R. G. (Hg.): Neue Steuerung von Hochschulen. Eine Zwischenbi-lanz. Berlin: 93-122.

Gibbons, M. (1994). Massification of Research and Education. In: Limoges, C. et al. (ed.): The New Production of Knowledge. The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies. Thousand Oaks: 70-89.

151

Gläser, J. (2006): Wissenschaftliche Produktionsgemeinschaften. Die soziale Ordnung der Forschung. Frankfurt/M.

Gläser, J./Lange, S. (2007): Governance der Wissenschaft. In: Schützeichel, R (Hg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz: 437-451.

Gläser, J./Lange, S./Laudel, G./Schimank, U. (2008): Evaluationsbasierte Forschungsfinanzierung und ihre Folgen. In: Mayntz, R./Neidhardt, F./Weingart, P./Wengenroth, U. (Hg.): Wissenspro-duktion und Wissenstransfer. Wissen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und O�ffentlichkeit. Bielefeld: 145-170.

Gläser, J./Lange, S./Laudel, G./Schimank, U. (2010): Informed Authority? The Limited Use of Re-search Evaluation Systems for Managerial Control in Universities. In: Whitley, R./Gläser, J./Engwall, L. (ed.): Reconfiguring Knowledge Production. Changing Authority Relationships in the Sciences and their Consequences for Intellectual Innovation. Oxford: 149-183.

Göhler, G. (2007): „Weiche Steuerung“. Regieren ohne Staat aus machttheoretischer Perspektive. In: Risse, T./Lehmkuhl, U. (Hg.): Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staat-lichkeit. Schriften zur Governance-Forschung. Band 10. Baden-Baden: 87-108.

Hornbostel, S. (2001): Die Hochschulen auf dem Weg in die Audit Society. Über Forschung, Dritt-mittel, Wettbewerb und Transparenz. In: Stölting, E./Schimank, U. (Hg.): Die Krise der Univer-sitäten. Wiesbaden: 139-158.

Hüther, O. (2010): Von der Kollegialität zur Hierarchie? Eine Analyse des New Managerialism in den Landeshochschulgesetzen. Wiesbaden.

Jaeger, M. (2009): Steuerung durch Anreizsysteme an Hochschulen. In: Bogumil, J./Heinze, R.G. (Hg.): Neue Steuerung von Hochschulen. Eine Zwischenbilanz. Berlin: 45-65.

Kamm, R./Krempkow, R. (2010): Ist leistungsorientierte Mittelvergabe im Hochschulbereich „ge-recht“ gestaltbar?. In: Qualität in der Wissenschaft, 3: 71-78.

Knorr Cetina, K. (1999): Epistemic Cultures. How the Sciences Make Knowledge. New York. Kosmützky, A. (2010): Von der organisierten Institution zur institutionalisierten Organisation?. Eine

Untersuchung der (Hochschul-) Leitbilder von Universitäten. Bielefeld. Kurek, K./A.T.M. Geurts, P./Roosendaal, H.E. (2007): The Research Entrepreneur. Strategic Positi-

tioning of the Researcher in his Societal Environment. In: Science and Public Policy, 34: 501-513.

Lange, S. (2007): The Basic State of Research in Germany. Conditions of Knowledge Production Pre-Evaluation. In: Whitley, R./Gläser, J. (eds.): The Changing Governance of the Sciences. vol. 26. Dordrecht: 153-170.

Lanzendorf, U./Pasternack, P. (2009): Hochschulpolitik im Ländervergleich. In: Bogumil, J./Heinze, R.G. (Hg.): Neue Steuerung von Hochschulen. Eine Zwischenbilanz. Berlin: 13-28.

Latour, B. (1987): Science in Action. How to Follow Scientists and Engineers through Society. Cam-bridge.

Latour, B. (1988): The Pasteurization of France. Cambridge. Laudel, G. (1999): Interdisziplinäre Forschungskooperation. Erfolgsbedingungen der Institution

„Sonderforschungsbereich“. Berlin. Laudel, G. (2006a): The Art of Getting Funded. How Scientists Adapt to their Funding Conditions.

In: Science and Public Policy, 33: 489-504. Laudel, G. (2006b): The 'Quality Myth'. Promoting and Hindering Conditions for Acquiring Research

Funds. In: Higher Education, 52: 375-403. Lütz, S. (1993): Die Steuerung industrieller Forschungskooperation. Funktionsweise und Erfolgsbe-

dingungen des staatlichen Förderinstrumentes Verbundforschung. Frankfurt/M. Mayntz, R. (2002): University Councils. An Institutional Innovation in German Universities. In:

European Journal of Education, 37: 21-28. Mayntz, R. (2005): Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie? In: Folke Schuppert,

G. (Hg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien. Baden-Baden.

152

Meier, F. (2009): Die Universität als Akteur. Zum institutionellen Wandel der Hochschulorganisation. Wiesbaden.

Meier, F./Schimank, U. (2010): Mission Now Possible. Profile Building and Leadership in German Universities. In: Whitley, R./Gläser, J./Engwall, L. (eds.): Reconfiguring Knowledge Produc-tion. Changing Authority Relationships in the Sciences and their Consequences for Intellectual Innovation. Oxford: 211-236.

Merton, R.K. (1968): The Matthew Effect in Science. In: Science, 159: 56-63. Münch, R. (2006a): Drittmittel und Publikationen. In: Soziologie, 35: 440-461. Münch, R. (2006b): Wissenschaft im Schatten von Kartell, Monopol und Oligarchie. Die latenten

Effekte der Exzellenzinitiative. In: Leviathan, 34: 466-486. Münch, R. (2007): Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz.

Frankfurt/M. Münch, R. (2008): Evaluationsforschung – Stratifikation durch Evaluation. Mechanismen der Kons-

truktion von Statushierarchien in der Forschung. In: Zeitschrift für Soziologie, 37: 60-80. Münch, R. (2010): Der Monopolmechanismus in der Wissenschaft. Auf den Schultern von Robert K.

Merton. In: Berliner Journal für Soziologie, 20: 341-370. Nienhüser, W./Jacob, A.K. (2008): Changing of the Guards. Eine empirische Analyse der Sozialstruk-

tur von Hochschulräten. In: Hochschulmanagement, 3: 67-73. Papon, P. (2004): European Scientific Cooperation and Research Infrastructures. Past Tendencies and

Future Prospects. In: Minerva, 42: 61-76. Pfeffer, J./R. Salancik, G. (1978): The External Control of Organizations. A Resource Dependence

Perspective. New York. Schimank, U. (1995): Hochschulforschung im Schatten der Lehre. Frankfurt/M. Schimank, U. (2000): Academic Staff in Germany. In: Enders, J. (Hg.): Academic Staff in Germany.

Frankfurt am Main: 117-127. Schimank, U. (2005): ‘New Public Management’ and the Academic Profession. Reflections on the

German Situation. In: Minerva, 43: 361-376. Schimank, U. (2009) Governance-Reformen nationaler Hochschulsysteme. Deutschland in internatio-

naler Perspektive. In: Bogumil, J. (Hg.): Neue Steuerung von Hochschulen. Eine Zwischenbi-lanz. Berlin: 123-137.

Schimank, U./Lange, S. (2009): Germany. A Latecomer to New Public Management. In: Paradeise, C./Reale, E./Bleiklie, I./Ferlie, E. (eds.): University Governance. Western European Comparati-ve Perspectives. Berlin.

Schimank, U. (2010): Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie. Weinheim.

Statistisches Bundesamt (2009a): Personal an Hochschulen 2008. Fachserie 11. Reihe 4.4. Wiesba-den.

Statistisches Bundesamt (2009b): Studierende an Hochschulen. Wintersemester 2008/2009. Vorbe-richt. Fachserie 11 Reihe 4.1. Wiesbaden.

Stichweh, R. (2005): Neue Steuerungsformen der Universität und die akademische Selbstverwaltung. Die Universität als Organisation. In: Sieg, U./Korsch, D. (Hg.): Die Idee der Universität heute. München: 123-134.

Stucke, A. (1993): Institutionalisierung der Forschungspolitik. Entstehung, Entwicklung und Steue-rungsprobleme des Bundesforschungsministeriums. Frankfurt/M.

Stucke, A. (2010): Staatliche Akteure in der Wissenschaftspolitik. In: Simon, D./Knie, A./Hornbostel, S. (Hg.): Handbuch Wissenschaftspolitik. Wiesbaden: 363-376.

Thompson, J. (2003 [1967]): Organizations in Action. Social Science Bases of Administrative The-ory. New Jersey.

Whitley, R./Gläser, J./Engwall, L. (eds.) (2010): Reconfiguring Knowledge Production. Changing Authority Relationships In The Sciences And Their Consequences For Intellectual Innovation. Oxford.

153

Winnes, M. (1999): European Comparison of Public Research Systems. National Report. Federal Republic of Germany (unveröffentlicht). Köln.

Wissenschaftsrat (1986): Drittmittel der Hochschulen (Vorläufige Ergebnisse) 1970, 1975, 1980 bis 1985. Köln.

Wissenschaftsrat (1993): Drittmittel der Hochschulen 1970 bis 1990. Köln. Ziman, J. (1994): Prometheus Bound. Science in a Dynamic Steady State. Cambridge.