Frühe Zentralisierungsprozesse auf der südlichen Frankenalb – Ausgrabungen und Forschungen zur...

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Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V. Abteilung für Vorgeschichte Beiträge zur Vorgeschichte Nordostbayerns Band 7 2009

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Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V.Abteilung für Vorgeschichte

Beiträge zur Vorgeschichte Nordostbayerns

Band 7

2009

ISSN-Nr. 1862-0485 Band 7

Die „Beiträge zur Vorgeschichte Nordostbayerns“ sind eine Monographienreihe der Abteilung für Vor-geschichte der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e. V. Die Reihe erscheint in unregelmäßiger Folge und ist über die Abteilung zu beziehen. Manuskripte sind an die Redaktion zu richten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen.

Herausgeber: Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V., Abteilung für Vorgeschichte

Redaktion: Dr. Christine Bockisch-Bräuer Dr. Bernd Mühldorfer

Gestaltung und technische Bearbeitung: Werner Kleber

Alle Rechte vorbehalten.

Jegliche Vervielfältigung ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet.

Für Zuschüsse zur Herstellung dieses Bandes danken wir den Sponsoren:

Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V.Hauptgesellschaft der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e.V.

Tagung vom 26.– 28. Oktober 2007in Nürnberg

Beiträge zur Hallstatt- und Latènezeitin Nordostbayern und Thüringen

Inhaltsverzeichnis(Die Reihenfolge der Beiträge entspricht dem Ablauf der Tagung)

Vorwort 7 Tagungsbericht 9 Carola Metzner-Nebelsick 13 Symbole der Macht in der Bronze- und Eisenzeit Europas Markus Egg und Martin Schönfelder 27Zur Interpretation der Schwertscheide aus Grab 994 von Hallstatt Bernd Mühldorfer 45Die Rekonstruktion des Wagens von Gaisheim, Gde. Etzelwang, Lkr. Amberg-Sulzbach – Ein Vorbericht Christopher Pare 67Zu den Großbefestigungen des 5. Jahrhunderts v. Chr. zwischen Mittelrhein-Mosel und Böhmen Markus Schußmann 87Frühe Zentralisierungsprozesse auf der südlichen Frankenalb – Ausgrabungen und Forschungen zur Urnenfelder-, Hallstatt- und Frühlatènezeit im Schwarzach- und Thalachtal Tim Schüler 103Geophysikalische Prospektionen auf und um eisenzeitlichen Höhensiedlungen in Thüringen John P. Zeitler 115Hallstatt- und latènezeitliche Funde aus Nürnberg und Umgebung Norbert und Renate Graf 125Das Peterloch (E7) bei Woppental (Lkr. Amberg-Sulzbach, Oberpfalz) –Opferschacht oder Bestattungsplatz? Kerstin Pasda 133Menschliche Skelettreste und Tierknochen aus dem Peterloch bei Woppental Mathias Seidel mit einem Beitrag von Mario Schlapke 135 Neue Funde und Befunde der jüngeren Latènezeit aus Südthüringen

Stefanie Wefers 149Neue Mühlen aus dem Osten: „Olynthische Mühlen“ auch in Thüringen und Bayern Frank Nikulka 159Keltische Einflüsse im Norden Thomas Grasselt 179Sondagen und Notbergungen auf einem neu entdeckten Gräberfeld der augusteischen Übergangsperiode von Ballstädt, Lkr. Gotha in Thüringen Thomas Huck 203Das eisenzeitliche Gräberfeld Seebergen „Heilige Lehne“, Lkr. Gotha – ein Bestattungsplatz des 5. bis 1. Jhs. v. u. Z. in Westthüringen Ermelinda Spoletschnik 215Hallstattzeitliche Gräber im Landkreis Forchheim: einige herausragendeErgebnisse aus 10 Jahren Kreisarchäologie Melanie Augstein 225Baustein einer Mikroregion: ein hallstattzeitliches Gräberfeld von Dietfurt a. d. Altmühl, Lkr. Neumarkt i. d. Opf.

Vorwort

Das Jahr 2007 war für die Mitarbeiter der Abteilung für Vorgeschichte ein Jahr mit mehreren Jubiläen. Zum einen feierten wir das 125-jährige Bestehen der Abteilung für Vorgeschichte, der ältesten Abteilung der schon 1801 gegründeten Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg. Nachdem schon einige Jahre vorher wiederholt anthropologische und archäologische Themen in den Sitzungen der Gesellschaft diskutiert wurden, sahen einige Herren es als notwendig an, sich intensiver mit diesen Themen zu befassen. Im Jahr 1882 fand dann am 12. September im Moorenkeller eine Zusammenkunft von mehreren Mitgliedern der

Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg statt, mit dem Ziel der Gründung einer Sektion innerhalb der Gesellschaft. Um 20:30 Uhr war damit die Geburtsstunde der Sektion für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, heute Abteilung für Vorgeschichte. Als weiteres Jubiläum ist die Überreichung der „Denkschrift zur Begründung der Notwendigkeit eines Schutzgesetzes für Bodenaltertümer und Bodenfunde“ an den königlichen Prinzregenten im Jahr 1907 zu nennen. Bodendenkmalpflege gab es nicht, es war meist nur die Ausbeutung von Grabhügeln an der Tagesordnung. Metallfunde und ganze Gefäße waren interessant und wurden verhandelt. Vor diesem Hintergrund ist die Initiative für die Schaffung einer wirkungsvollen Bodendenkmalpflege zu sehen, die von der Anthropologischen Sektion zusammen mit anderen aktiven Mitstreitern im Bayerischen Geschichtsverein betrieben wurde. Hier muß man ganz besonders den Einsatz des damaligen Obmanns der Abteilung Dr. Sigmund von Forster, sowie seinem Mitstreiter Wilhelm Rehlen danken. Im Jahr 1908 kam es dann zur Gründung des Königlichen Generalkonservatoriums, heute Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege.

1907 erfolgte die Übernahme der Sammlungen Huber und Streit mit einer Vielzahl von Metallgegenständen und Tongefäßen aus dem Sulzbacher Raum, heute Landkreis Amberg-Sulzbach. So gelangte beispielsweise das große Ringstabgehänge aus dem Beckerhölzl in unsere Sammlung. Weiterhin befanden sich darunter auch die Teile des hallstattzeitlichen Wagens von Gaisheim, deren Untersuchung und Restaurierung Gegenstand eines vorläufigen Berichts in diesem Band ist.

Die Abteilung für Vorgeschichte der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg blickt damit auf eine lange Tradition in der archäologischen Arbeit zurück. Ziel war und bleibt dabei, einen Beitrag zur Erforschung der Vorgeschichte Nordostbayerns zu leisten. Hier hat die Arbeit der Abteilung einen festen Platz neben den Tätigkeiten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, der benachbarten Universitäten und Museen.

Diese Leistung wäre nicht möglich ohne die vielen ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder der Abteilung, die in vielen Stunden ihrer Freizeit das Gesicht der Abteilung durch die Jahre hindurch geprägt haben und denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Wir danken aber auch allen, die zum Gelingen des 125-jährigen Abteilungsjubiläums, das mit einem Empfang und einer Tagung gefeiert wurde, beigetragen haben. Und nicht zuletzt gilt unser Dank den Sponsoren für einen Druckkostenzuschuss zu diesem Band.

Nürnberg, im Januar 2009

Die Herausgeber

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Frühe Zentralisierungsprozesse auf der südlichen FrankenalbAusgrabungen und Forschungen zur Urnenfelder-, Hallstatt- und Frühlatènezeit im Schwarzach- und Thalachtal

Markus Schußmann

Die archäologische Erforschung des Zeitraumes zwischen dem 9. und 4. Jhd. v. Chr. in der Grenzregi-on von südlichem Mittelfranken, nördlichem Oberbayern und der westlichen Oberpfalz hat seit dem Jahr 2004 durch das Projekt „Frühe Zentralisierungsprozesse auf der Südlichen Frankenalb“ nicht nur neuen Aufschwung erfahren, sondern auch eine siedlungskundliche Zielrichtung erhalten. Das Teilprojekt ist Be-standteil des Schwerpunktprogramms „Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse. Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes“ (SPP 1171), welches durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wird1. Zwar finden sich auf der Südlichen Frankenalb keine Siedlungen dieses ‚Kalibers’, doch handelt es sich um eine bedeutende Siedlungslandschaft, die in der Vielzahl von Fundstellen eine große Bandbreite unterschiedlicher Siedlungstypen und sich unter diesen abzeichnende Entwicklungstendenzen bietet. Versteht man die Fürstensitze gewissermaßen als die Spitze einer hierarchisch gegliederten Siedlungsstruktur, so finden sich dort im Grunde alle ‚darunter’ zu denkenden Siedlungstypen von der befestigten Höhensiedlung bis zum offenen Einzelgehöft. Getreu dem Motto ‚Nur wer das Normale kennt, kann auch das Besondere erkennen’ ist also die Südliche Frankenalb als Vergleichsregion, als Korrektiv für die Fürstensitzregion geeignet, zumal nachweislich auch kulturelle Kontakte bestanden.Neben einer regen Sammlertätigkeit ist die vergleichsweise günstige Ausgangslage hauptsächlich auf vor-greifende und begleitende Rettungsgrabungen im Zuge der beiden Großbauprojekte „Rhein-Main-Donau-Kanal“ und „ICE-Neubaustrecke Nürnberg-Ingolstadt“ zurückzuführen. Doch machte gerade diese Fülle an archäologischen Informationen es notwendig, einen Schwerpunkt zu setzen, der dann – angelehnt an die Ausgrabungen an der ICE-Trasse einerseits und die Ziele der eigenen Forschungsgrabungen andererseits – auf die Kleinregion um die Tallandschaften von Thalach, Schwarzach und Anlauter festgelegt wurde.Die Karte (Abb. 1) gibt die Verteilung der Fundstellen wieder, wobei grüne Signaturen für die späte Urnen-felderzeit, rote für die Hallstattzeit und blaue schließlich für die frühe Latènezeit stehen. Bereits auf den ersten Blick sind einige grundlegende Fakten zu erkennen: so etwa, dass die Siedlungsstellen aus leicht nachvollziehbaren Gründen wie etwa bessere Böden, Gewässernähe etc. hauptsächlich in den Tälern zu finden sind, während die Bestattungsplätze in der Regel auf deren Randhöhen liegen. Ein Schema, das fast während des gesamten Betrachtungszeitraums zu gelten scheint. Gerade für die Hallstattzeit konnten aber v. a. durch die erwähnten Rettungsgrabungen auch etliche Nekropolen in den Tälern aufgedeckt werden. Auffällig ist auch die verglichen mit anderen Regionen hohe Dichte von befestigten Höhensiedlungen. Zwar kann bisher noch nicht einmal die Hälfte verlässlich zeitlich eingeordnet werden, doch steht zu ver-muten, dass sich zu den fünf bisher bekannten Anlagen der Urnenfelder- und Hallstattzeit sicherlich noch weitere gesellen ließen. Bedingt durch die natürliche Topographie sind sie entlang der Talränder und des Albtraufs verteilt. Interessanterweise fällt dabei aber das Anlautertal kaum ins Gewicht.Im Einzelnen lässt sich die Besiedlungsgeschichte etwa wie folgt skizzieren: Wie bereits gesehen ist die Besiedlung in fast allen Perioden der Vorgeschichte an den Tälern orientiert, während die wasserarmen Hochflächen eher gemieden werden. Nach einer vergleichsweise häufigen Begehung im Mesolithikum, bei

1 Vgl. dazu: www.fuerstensitze.de

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der hauptsächlich höher gelegene Stellen mit guten Aussichtsmöglichkeiten aufgesucht wurden, erfolgte eine erste Aufsiedlung erst im späten Neolithikum durch wenige verstreute Plätze, darunter auch Höhen-siedlungen wie der „Hintere Berg“ bei Landersdorf. Diese sind der regional verbreiteten Reichersdorfer sowie der im Wesentlichen weiter südöstlich beheimateten Chamer Gruppe zuzuweisen. Wenige Grabfunde von Schnurkeramikern und Glockenbecherleuten auf den Randhöhen des Jura sowie im Schwarzachtal bei Greding deuten auf eine Besiedlungskontinuität bis zur Bronzezeit hin2. Ähnlich dünn bleibt der Nie-derschlag menschlicher Anwesenheit auch in der frühen, mittleren und späten Bronzezeit. Nur wenige

2 Vgl. z. B. M. Nadler, Die Grabung ALDI-Markt in Greding, Lkr. Roth. Beitr. Arch. Mittelfranken 4, 1998, 49 ff. – Ders., Ungewöhnliche Säuglingsbestattung. Arch. Deutschland 2007/4, 43.

Abb. 1 Verteilung der Fundstellen im engeren Arbeitsgebiet des Forschungsprojektes „Südliche Frankenalb“ (Stern = befestigte Höhensiedlung; Kreis = Siedlungsstelle; Dreieck = Bestattungsplatz; Kreuz = Einzelfund).

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Befunde wie ein Spangenbarrendepot3 oder einschlägige Hausgrundrisse, ebenfalls aus Greding, sowie einige Lesefundstellen und alt gehobene Grabfunde auf der Jurahochfläche und im Albvorland können als Besiedlungsnachweise herangezogen werden. Auch die flächenhaften Aufdeckungen im Zuge des ICE-Neubaus haben an diesem Trend einer im Vergleich zu den folgenden Perioden dünnen Aufsiedlung ten-denziell nichts zu ändern vermocht.Erst in die Urnenfelderzeit und hier v. a. in einen späteren Abschnitt fällt ein merklicher Anstieg der Zahl von Fundstellen, und zwar auffälligerweise mehrfach in Form von größeren, dorfartigen Ansiedlungen, welche sich aus mehreren Mehrhausgehöften zusammensetzen. Sie liegen meist an den Stellen, an denen sich durch die Einmündung anderer Täler im ansonsten beengten Talkessel mehr Raum bietet. Als gut erforschtes Beispiel sei hier die Siedlung in der Flur „Gatzäcker“ bei Kinding-Enkering, Lkr. Eichstätt, also am Südende des Schwarzachtales genannt. Sie liegt unmittelbar unterhalb der späturnenfelderzeitlich befestigten Höhensiedlung auf der „Schellenburg“. Diese führt gleichsam zu einer weiteren Erscheinung dieser Zeitstufe, denn gleichzeitig werden auch meh-rere Höhensiedlungen in der Region neu gegründet oder wieder errichtet. Darüber hinaus zu nennen sind der Ringwall auf dem „Auer Berg“ über Untermässing, die schon erwähnte Abschnittsbefestigung „Hinte-rer Berg“ bei Landersdorf und der so genannte „Waizenhofener Espan“ über Thalmässing. Hinzukommen mögen vielleicht noch andere, vorerst aber undatierte Anlagen an den Randhängen des Schwarzachtales.Zunächst aber zurück zur „Schellenburg“, deren Erforschung sich das Teilprojekt im Herbst 2007 widme-te: Besonders deutlich ist ihre beherrschende topographische Situation aus der Luft zu erkennen (Abb. 2): sie wird von Altmühl, Anlauter und Schwarzach umflossen und dominiert somit einen relativ weiten Tal-

3 Vgl. dazu: M. Nadler, Der Hortfund von Greding. Arch. Jahr Bayern 2002, 36 ff.

Abb. 2 Luftbildaufnahme der befestigten Höhensiedlung auf der „Schellenburg“ bei Kinding-Enkering, Lkr. Eichstätt (Foto: R. Hager, Eichstätt).

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kessel mit einem – offenbar noch heu-te – wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Durch steil aufsteigende und mit Fels-klippen gesäumten Flanken sowie nur eine einzige Zugangsmöglichkeit über einen recht schmalen Sattel war die Anlage zudem vergleichsweise leicht zu befestigen. Mit nur 7 ha Innenflä-che gehört die Schellenburg zwar im überregionalen Vergleich zu den eher kleinen urnenfelderzeitlichen Befesti-gungen4, in der Region jedoch zwei-felsohne zu den größeren. Auf rund 3 ha Fläche, d. h. im gesamten da-für zugänglichen und nicht dicht mit Bäumen und Sträuchern bestandenen Bereich, wurde zur Vorbereitung eine geophysikalische Untersuchung durchgeführt, aufgrund deren die Aus-grabungen geplant werden konnten (Abb. 3). Obwohl dann während der archäologischen Untersuchung stel-lenweise unerwartet gute Erhaltungs-bedingungen anzutreffen waren, wie etwa die vollständige Steinrollierung einer Feuerstelle oder auch eine Depo-nierung aus zehn Kupferblechspangen sowie einer Schmuckkette aus Bronze-spiralen und Bernsteinperlen unter ei-ner Humusbedeckung von nicht mehr als 25 cm anschaulich illustrieren kön-nen, blieben die Ergebnisse in Bezug auf die Siedlungsstrukturen hinter den Erwartungen zurück. Schon das Mess-bild der Geophysik wies nur in gerin-

gem Umfang Strukturen auf, die mit einigem Recht als prähistorische Siedlungszeugnisse zu werten waren. Offenkundig kam dort das zum Tragen, was in der Region auch andernorts festzustellen war, nämlich, dass man sich vor dem Aufkommen von eisernen Werkzeugen und Gerätschaften nur in Ausnahmefällen – wie etwa beim Bau der Befestigung selbst – die Mühe machte, Strukturen in den Fels einzutiefen. Bis dahin ging man offenbar bezüglich Hausbau und Vorratshaltung andere Wege. Dass es indes eine dichte Besiedlung gegeben haben musste, zeigen nicht nur die Lesefunde, die über das gesamte Plateau streuen, sondern insbesondere auch die Funde aus den Grabungsschnitten. Allein von etwa 100 m2 ausgegrabener Fläche, die mit durchschnittlich nur etwa 20 bis 25 cm Boden über dem Fels bedeckt waren, konnten geschätzt etwa fünf Zentner Keramik geborgen werden, wobei natürlich zu berücksichtigen

4 z. B. Bullenheimer Berg: ca. 30 ha; Großer Knetzberg: ca. 25 ha; Houbirg: ca. 88 ha (nach: S. Gerlach, Urnenfelderzeitliche Höhensiedlungen Nordbayerns in ihrem siedlungsgeschichtlichen Zusammenhang. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 16. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 1998) 150 ff.

Abb. 3 Topographischer Plan der „Schellenburg“ mit Eintragung der geophysi-kalisch untersuchten Flächen und Grabungsschnitte (rot) des Jahres 2007 (Plan-grundlage: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Geophysik: Posselt & Zickgraf Prospektionen).

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ist, dass die Urnenfelderzeit nur einen Teil des Materials ausmacht, da bei-spielsweise auch die gesamte Bronze-zeit mit einem sehr reichen Spektrum vertreten ist.Sehr zahlreich waren aber auch die übrigen Kleinfunde, v. a. aus Bronze. Zu ihnen gehören Schmuck und Trach-tutensilien, Gerätschaften wie ‚Täto-wiernadeln’ bzw. Pfrieme, aber auch Pfeilspitzen (Abb. 4) als Reste der Be-waffnung. Scheint schon allein dieser Metallreichtum verglichen mit anderen Anlagen, wie etwa dem „Hinteren Berg“, auf den noch einzugehen sein wird, auf eine Sonderstellung seiner Bewohner hinzuweisen, so belegen zahlreiche Barrenfragmente und Gussrückstände auch die Anwesenheit des Metallhandwerks und unterstreichen damit die soziale Wertigkeit dieser befestigten Höhensiedlung5.Die Keramik ist mit zahlreichen Stücken gut datierbar und gehört in die Endphase der Urnenfelderkultur. Sie leitet mit ihren typischen Randformen und Dekors, wie etwa Oberflächengraphitierung, feinen Rillen-bündeln, Rillenbündeln mit Strichbegleitung in Rollrädchenzier und gestempelten Girlanden bereits zur älterhallstattzeitlichen Ware Nordostbayerns über. Am Ende der Urnenfelderzeit wurde die Höhensiedlung auf der „Schellenburg“ in einer kriegerischen Aktion eingenommen, ihre Umwehrung zerstört, die Siedlung aufgegeben und nicht weiter genutzt. Dafür spricht nicht nur, dass keine jüngere Keramik gefunden werden konnte, sondern auch die Pfeilspitzen legen ein beredtes Zeugnis ab, denn neben denjenigen der Kampagne von 2007 konnte eine ganze Reihe weiterer derartiger Waffen, bereits bei einer kleinen Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpfle-ge zu Beginn der 1��0er Jahre geborgen werden6. Außerdem hatte F. Winkelmann bereits zu Beginn des 20. Jhds. den Nachweis einer – der stratigraphisch jüngsten – verbrannten Befestigung im Zusammenhang wiederum mit Ha B3-Keramik erbracht7. Die Gründe für die kriegerische Auseinandersetzung liegen zwar im Dunkeln, doch ist zu beobachten, dass auch überregional die befestigten Höhensiedlungen am Ende der Urnenfelderzeit verlassen werden8, es sich also nicht um ein lokal isoliertes Ereignis handelt. Von besonde-rem Interesse dürften dabei die bislang singulären Beobachtungen sein, welche im Zusammenhang mit der zugehörigen ‚Talsiedlung’ gemacht werden können: Die offene Siedlung „Gatzäcker“� bestand bereits während der Urnenfelderzeit gleichzeitig mit der Hö-hensiedlung und setzte sich, wie oben erwähnt, aus mehreren Gehöften zusammen. Eines davon lag am nördlichen Rand der Siedlung. Unmittelbar nach der Zerstörung der „Schellenburg“ wird nun aber dieses bislang unbewehrte Gehöft durch eines mit Palisadenumwehrung ersetzt, das sich in der folgenden frühen Hallstattzeit zu einem ‚Herrenhof’ mit zusätzlicher Grabenumwehrung und mächtigem Wohngebäude wei-

5 A. Jockenhövel, Struktur und Organisation der Metallverarbeitung in urnenfelderzeitlichen Siedlungen Süddeutschlands. Veröffentl. Mus. Ur- u. Frühgesch. Potsdam 20, 1986, 213 ff.

6 Bayer. Vorgeschbl. Beih. 8, 1995, 102 ff. – ebd. Beih. 9, 1996, 124. – Ortsakten Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege.7 F. Winkelmann, Eichstätt. Sammlung des Historischen Vereins. Kat. west- u. süddt. Altslg. VI (Frankfurt 1926) 13 ff.8 B.-U. Abels, Die Heunischenburg bei Kronach eine späturnenfelderzeitliche Befestigung. Höhenbefestigungen der Bronze- und

Urnenfelderzeit. Regensburger Beitr. Prähist. Arch. 9 (Regensburg 2002) bes. 65 ff. – J. Biel, Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 24 (Stuttgart 1987) 73 ff. – M. M. Rind, Der Frauenberg oberhalb Kloster Weltenburg I/1. Höhenbefestigungen der Bronze- und Urnenfelderzeit. Regensburger Beitr. Prähist. Arch. 6 (Regensburg 1999) 66 ff. m. Tab. 1.

� S. Kas, Enkering-Gatzäcker. Eine Siedlung der späten Urnenfelder- und der Hallstattzeit mit Grabenanlage. Arb. Arch. Süddeutschland 20 (Büchenbach 2006).

Abb. 4 Bronzene Pfeilspitzen unterschiedlichen Typs aus der Grabungskam-pagne 2007 auf der „Schellenburg“ (Länge der Pfeilspitze links: 1,7 cm).

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terentwickelt (Abb. 5). Es hat den An-schein, als sei nun die zuvor auf dem Berg ‚sitzende’ Elite in diesem Teil der Siedlung ansässig geworden und habe trotz des ‚Abstiegs’ ihrem Bedürfnis nach Distinktion durch die architekto-nische Abgrenzung mittels einer ein-fachen Holzumwehrung entsprochen. Vieles weist also nicht nur auf die Kon-tinuität der Bevölkerung, sondern sogar auf das Fortbestehen der – oder zumin-dest einer – sozialen Gliederung hin. Aber nicht nur in Enkering, sondern auch in anderen größeren Siedlungen der Südlichen Frankenalb erscheinen etwa gleichzeitig solche Palisadenge-höfte, selbst wenn kein so evidenter Bezug zu einer Höhensiedlung herge-stellt werden kann10. In Enkering erfährt der ‚Herrenhof’ vermutlich um den Beginn der Spät-hallstattzeit allerdings eine Nutzungs-änderung und wird entsprechend umge-staltet. Die Anlage wird verkleinert, die bäuerlich strukturierte Bebauung wird zugunsten eines einfachen und nicht allzu großen Gebäudes im Zentrum auf-gegeben und die Palisade durch einen wehrgangartigen Hinterbau verstärkt. Dieses am ehesten an einen Militär-stützpunkt erinnernde Gepräge ist noch nicht recht zu deuten, es hat aber den Anschein, dass dies mit der Kontrolle des Verkehrsweges durch das Schwarz-achtal zu tun haben könnte – vielleicht auch als Stapelplatz.Wenden wir uns einer anderen urnen-felderzeitlichen Befestigungsanlage zu,

nämlich dem „Hinteren Berg“ bei Thalmässing-Landersdorf, Lkr. Roth. Er ragt als Sporn aus dem nörd-lichen Trauf der Frankenalb hervor und war seit dem späten Neolithikum zu verschiedenen Zeiten mit Ab-schnittsbefestigungen gesichert. Ein Teil dieser Anlagen ist noch heute im Gelände sichtbar. Aufgrund spä-terer Planierungen ist der urnenfelderzeitliche Wall allerdings bereits sehr stark verschleift und im Gelände nur mehr schwach zu erkennen. Diese Befestigung umschließt eine Innenfläche von ca. 0,6 bis 0,7 ha, also

10 z. B. Dietfurt a. d. Altmühl, Lkr. Neumarkt i. d. Opf. (M. Hoppe, Eine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit bei Dietfurt a. d. Altmühl. Arch. Jahr Bayern 1985, 75 ff.). – Kelheim-„Kanal I“, Lkr. Kelheim. (Ch. Meiborg/A. Müller, Die urnenfelder- und hallstattzeitliche Siedlung „Kanal I“ und das frühhallstattzeitliche Gräberfeld „Am Urnenfeld“ von Kelheim. Arch. Main-Donau-Kanal 12 [Espelkamp 1997] 86 ff.).

Abb. 5 Entwicklung des Grabenwerkes in der Siedlung von Enkering-„Gatz-äcker“, Lkr. Eichstätt (nach: Kas [Anm. 9] Abb. 19 m. Veränderungen).

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nur rund ein Zehntel der Fläche der „Schellenburg“. Als urnenfelderzeit-liche Anlage ist sie aber auch deshalb interessant, weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei weiteren Hö-hensiedlungen ähnlicher, wahrschein-lich aber sogar gleicher Zeitstellung gelegen ist, nämlich dem „Auer Berg“ und dem „Waizenhofener Espan“. Zwischen 1�8� und 1��1 wurde die Abfolge der im Gelände noch sicht-baren Befestigungen durch Ausgra-bungen der Naturhistorischen Gesell-schaft Nürnberg (NHG) untersucht, allerdings ohne dabei nennenswert den Innenraum der urnenfelderzeitlichen Anlage aufdecken zu können11. Jedoch führte die NHG im Jahr 2005 in Zu-sammenarbeit mit der Professur für Vor- und Frühgeschichte der Univer-sität Bamberg eine geophysikalische Prospektion durch, die auch diesen In-nenraum erfasste und dort Hinweise auf weitere, obertägig gänzlich verschwundene Befestigungswerke lieferte (Abb. 6)12. Da jene auf den verschleiften Verlauf des urnenfelderzeitlichen Walles Rücksicht zu nehmen scheinen, waren sie von besonderem Interesse und gaben Anlass in diesem Bereich Grabungsflä-chen anzulegen und auch die bereits bekannte urnenfelderzeitliche Befestigung noch einmal detailliert zu untersuchen.Am klarsten und aussagefähigsten waren die Ergebnisse in dem 32 x 5 m messenden Schnitt 1, der unmit-telbar nördlich an den Grabungsschnitt der Naturhistorischen Gesellschaft anschloss und die Anbindung in den urnenfelderzeitlichen Innenraum lieferte. Ganz im Westen liegt der im oberen Bereich 3 m und unten noch 2 m breite Graben, der rund 1 m tief aus dem anstehenden Plattenkalk gebrochen ist. Seine Verfüllung ist gut erkennbar von Osten her, also aus dem Bereich der zerstörten Mauer eingefüllt und besteht vorwiegend aus Kalksteinen, die teilweise locker und mit wenig Erde in den Zwischenräumen geschichtet sind. Nach einer Berme von 4 m begleitete den Graben im Osten eine komplex aus mehreren Komponenten aufgebaute Mauer. Ihr Grundgerüst bestand aus verti-kalen Holzpfosten, die in einer Doppelreihe mit Abständen von etwa 2,5 m angeordnet waren. Die Gruben für die Pfosten waren ebenfalls in den Fels gehauen, die Pfosten teilweise mit Steinen darin verkeilt. In Längs- und Querrichtung waren sie durch weitere Hölzer untereinander verbunden und besaßen zusätz-lich zahlreiche weitere Querriegel, die eine rostartige Konstruktion des Bauwerkes ergaben. Nachzuwei-sen waren sie nur mehr indirekt über streifenartige Spuren verbrannten Kalks. Auf der Frontseite war die Mauer mit großen Kalkplatten verblendet und unmittelbar dahinter folgte eine weitere Reihe, während der Rest mit kleinerem Steinmaterial ausgefüllt war. Obwohl der Wall dieser Mauerruine aus unterschiedlichen

11 Zu den Ergebnissen dieser Ausgrabungen vgl. K.-D. Dollhopf, Der Hintere Berg bei Landersdorf. Beitr. Vorgesch. Nordost-bayerns 4 (Nürnberg 2006).

12 Die Ergebnisse der Prospektion sowie zusätzliche Informationen wurden dem Projekt „Südliche Frankenalb“ dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. – Vgl. auch P. Honig, Die Ergebnisse der geomagnetischen Prospektion auf dem Hinteren Berg bei Landersdorf, Gde. Thalmässing, Lkr. Roth. Natur und Mensch 2005, 55 ff.

Abb. 6 Topographischer Plan des „Hinteren Berges“ bei Thalmässing-Landers-dorf, Lkr. Roth, mit Eintragung der 2005 geophysikalisch untersuchten Fläche (Plangrundlage: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Geophysik: Pro-fessur für Vor- und Frühgeschichte der Universität Bamberg und Naturhisto-rische Gesellschaft Nürnberg).

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Gründen heute sehr verflacht und im Gelände nur mehr schwer zu erkennen ist, dürfte für die einstige Befestigungs-anlage doch eine Höhe von mindestens 2,5 m zu rekonstruieren sein, wobei die sicherlich vorhandene Brustwehr noch nicht berücksichtigt ist (Abb. 7). Die Mauer war aufgrund ihres hohen Durch-satzes mit Holz natürlich sehr feuerge-fährdet und in der Tat auch durch einen Brand zerstört worden. Allerdings ist es nicht möglich dieses Ereignis mit einer kriegerischen Auseinandersetzung in Zusammenhang zu bringen, da Waffen-funde dieser Zeit vom „Hinteren Berg“ – zumindest bislang – gänzlich fehlen. Durch die neuen Beobachtungen muss auch die durch die NHG gelieferte Re-

konstruktion revidiert werden, die nicht von einer doppelten, sondern einer dreifachen Pfostenreihe als Grundgerüst ausging13. Die dritte, innerste Pfostenreihe, die im Grabungsschnitt der NHG noch regelhaft zu den Pfosten der Befestigung angeordnet schien, verließ in der Grabung von 2007 diese Ordnung, war auch anders ausgeführt und dürfte daher wohl eher zu einer an die Befestigung angelehnten Innenbebauung gehört haben. Bestätigt wird dies u. a. dadurch, dass sich just in diesem Bereich, gewissermaßen im ‚Schat-ten’ des Wallrestes, eine ca. 20 cm mächtige Kulturschicht mit zahlreichen Funden der Urnenfelderzeit erhalten hatte.Zur genauen Datierung dieser Befestigungsphase können noch keine abschließenden Angaben gemacht werden, da die Mauer selbst kaum Fundmaterial freigab und sich das Spektrum des Platzes durch die neuen Grabungen nun von der späten Bronzezeit bis zur späten Urnenfelderzeit erweitert hat. Voraussichtlich wird also erst die C14-Datierung der aus den Pfostengruben geborgenen Holzkohlen in diesem Punkt Gewissheit bringen.Einige Meter östlich der eben beschriebenen Befestigung konnte ein weiterer, ebenfalls ca. 1 m tiefer, allerdings diesmal 4 m breiter Graben aufgedeckt werden, der eine ganz ähnliche Einfüllung wie der erste aufwies. Zu ihm gehören, abermals nach einer Berme von einigen Metern Breite, zwei einander überschnei-dende Palisadengräbchen, von denen das ältere etwa 0,5 m, das jüngere etwa 1 m in den Fels eingetieft ist. Einem deutlich mächtigeren Graben ist hier also eine deutlich einfachere Wehranlage in Form einer zweiphasigen hölzernen Palisade zugehörig. Leider ist dieses Befestigungswerk bisher nicht abschließend zu datieren, da das entsprechende Fundmaterial noch nicht gereinigt vorliegt. Eine größere Menge urnen-felderzeitlicher Funde in den oberen Schichten des Wehrgrabens sowie zahlreiche durchglühte Kalksteine in allen drei Befunden, die nur von der verbrannten Mauer stammen können, sind indes Hinweise auf eine Nachzeitigkeit dieser Anlage.Abschließend sei zum „Hinteren Berg“ noch bemerkt, dass trotz eines umfangreichen Fundniederschlages sowie einer relativ mächtigen Kulturschicht, die als Beleg für eine längerfristige Siedlungstätigkeit gelten kann, Pfostengruben fast ausschließlich im Bereich der Mauer aufgedeckt werden konnten und nur wenige weitere auf die daran angelehnte Bebauung hinweisen. Ansonsten muss von Gebäuden ausgegangen werden, die nicht mit Pfosten gegründet, sondern vielleicht als Block- oder Schwellriegelbauten gearbeitet waren.

13 Vgl. dazu J. P. Zeitler, Frühe Bauern auf dem Fränkischen Jura. Vor- und frühgeschichtliches Museum Thalmässing (Hilpoltstein 1992) Abb. 21. – So auch Dollhopf (Anm. 11) 83 ff. m. Abb. 38.

Abb. 7 Rekonstruktion der urnenfelderzeitlichen Befestigungsanlage auf dem „Hinteren Berg“ aufgrund der Ausgrabungsergebnisse von 2007.

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Sowohl die Zusammenstellung der bisher bekannten Fundstellen als auch die neuen Forschungen sprechen also für eine deutliche Besiedlungsintensivierung in der jüngeren Urnenfelderzeit, zu deren Erscheinungen neben der Fundstellenverdichtung das Entstehen von – sozial strukturierten – größeren, zentralen Sied-lungskomplexen und die Errichtung von befestigten Höhensiedlungen mit offensichtlich unterschiedlichem Charakter gehörten. Vermutlich ist dies durch eine gestiegene oder vielleicht auch erstmalig erkannte Be-deutung des Schwarzachtales als äußerst günstigem, von der Natur vorgegebenem Verkehrsweg erklär-bar, was der Fund eines hölzernen Radfragmentes bei Greding-Großhöbing, Lkr. Roth, eben aus diesem Zeitraum schlaglichtartig zu beleuchten vermag14. Ansonsten haben sich die landschaftlichen und damit ökonomischen Parameter nicht entscheidend verändert. Natürlich werden dadurch auch weitere Fragen aufgeworfen, die bislang noch nicht abschließend geklärt werden können: Handelt es sich um eine au-tochthone oder fremde Bevölkerung? Kann die wirtschaftliche Grundlage aller Bewohner tatsächlich im Warenumschlag gesehen werden? Welche Regionen sind durch diesen Verkehrsweg verbunden worden, um einen solchen Bedeutungsanstieg zu rechtfertigen und welche Güter wurden transportiert? Wie war die Gesellschaft strukturiert und was machte in Hinblick darauf das Bestehen mehrerer befestigter Höhensied-lungen auf kleinstem Raum möglich oder sogar notwendig?In einer offenkundig kontinuierlichen Entwicklung bringt die Hallstattzeit eindeutig das Besiedlungsma-ximum in der Region mit sich, denn in fast jeder der im Zuge der ICE-Grabungen aufgedeckten Flächen des Schwarzachtales konnten auch hallstattzeitliche Spuren nachgewiesen werden – selbst angesichts der Tatsache, dass sich die zahlreichen Fundstellen auf den gesamten Zeitraum der Hallstattzeit verteilen und sich ihre Dichte somit relativiert. Obwohl diese überwältigende Fund- und Befundmenge, die auch im Rahmen des Forschungsprojektes nur ansatzweise angegangen werden kann, abschließende Ausführungen erschwert, lassen sich doch auch dazu bereits einige interessante Aussagen treffen. Das Schwarzachtal zeigt eine dichte Besiedlung, besonders in den Einmündungsbereichen anderer Täler, wie der von Thalach, Anlauter und Altmühl. Dabei sind nun die unterschiedlichsten Siedlungstypen anzutreffen, wobei die of-fenen Siedlungen das Rückgrat der Siedlungslandschaft bleiben, und zwar wiederum in unterschiedlichen Größenkategorien, welche vom Einzelgehöft bis zu dorfartigen Anlagen reicht, deren Grundeinheit jedoch stets das landwirtschaftlich ausgerichtete Mehrhausgehöft darstellt. Daneben bleibt auch weiterhin das mit einer Palisade umwehrte Gehöft bekannt und schließlich entstehen erstmals so genannte ‚Herrenhöfe’, die zusätzlich zur Palisade einen umlaufenden Wehrgraben aufweisen. Beide, Palisadengehöft und ‚Herren-hof’, sind integraler und – in ihrer Bedeutung – vermutlich auch zentraler Bestandteil der Siedlungseinheit, wobei, wie oben erwähnt, die absichtliche Abgrenzung von der umgebenden Besiedlung und die Seltenheit dieser Befundgattung darauf schließen lassen, dass sich darin eine soziale Differenzierung widerspiegelt. Im Falle der ‚Herrenhöfe’ könnte der durch den umgebenden Graben verursachte größere Bauaufwand möglicherweise Hinweis auf eine höhere Stufe dieser Differenzierung sein. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so handelt es sich bei den Höhensiedlungen entsprechend um die in dieser Region höchstmögliche Stufe der Rangfolge. Und tatsächlich gibt es außer der Tatsache, dass im Untersuchungsgebiet lediglich eine Höhenbefestigung dieser Zeitstellung namhaft zu machen ist, nämlich die „Göllersreuther Platte“ bei Thalmässing-Landers-dorf, Lkr. Roth, weitere Hinweise auf die Sonderrolle ihrer Bewohner innerhalb der hallstattzeitlichen Ge-sellschaft. Sie wurde im Rahmen des Forschungsprojektes in mehreren Kampagnen untersucht und liegt nur 1 km östlich des „Hinteren Berges“ auf einem weiteren, zeugenbergartigen Ausläufer des Jura, der durch ei-nen Sattel noch mit der Hochfläche verbunden und trotz seiner etwas ins Thalachtal zurückgezogenen Lage weithin zu erkennen ist. Die eigentliche Höhensiedlung befindet sich auf einem kegelartig abgesetzten, ebe-nen Plateau von 0,6 ha, welches sich heute locker bewaldet zeigt. Die Hochfläche selbst war – abgesehen von sporadischen Hinweisen auf menschliche Anwesenheit im Mesolithikum und der späten römischen Kaiser-

14 Vgl. dazu: M. Nadler, Mühlen, Rad, fossile Bäume – Vor- und frühgeschichtliche Feuchtbodenbefunde an der ICE-Trasse bei Großhöbing. Arch. Jahr Bayern 2000, 51 ff.

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zeit – ausschließlich wäh-rend der späten Hallstatt-zeit besiedelt und auch befestigt.Auf der schmalsten Stel-le des zu ihr führenden Geländesattels ist ein zwischen 1�82 und 1�86 vollständig ergrabenes Gräberfeld mit insgesamt 138 Bestattungen der Stu-fen Ha D und Lt A situ-iert15, an dessen Nordrand sich eine offene Siedlung der frühen Latènezeit an-schließt. Heute ist die „Göllers-reuther Platte“ durch die den ganzen Albtrauf säu-mende Bewaldung kaum als besonders auffälliger Platz in ihrer Umgebung auszumachen. Eine ge-nauere Betrachtung der Topographie zeigt indes, dass die einst unbewal-

dete Anhöhe sehr wohl ihre Umgebung überragte und mit ihrem Mauerbering weithin zu sehen gewesen sein muss – beispielsweise bis zum etwa 2 km östlich gelegenen Schwarzachtal, das schon in vorgeschicht-licher Zeit einen sehr bedeutenden Verkehrsweg aufgenommen hat. Dieser Umstand und die vorhandenen Ausgrabungen im Gräberfeld machten die Anhöhe zum geeigneten Ausgangspunkt zur Untersuchung der Fragestellungen des Teilprojektes, wobei zwischen 2004 und 2007 geophysikalische Messungen und da-rauf basierende Grabungen durchgeführt wurden (Abb. 8)16.Die geophysikalischen Messungen, die in allen zugänglichen Bereichen der teilweise mit Bäumen und Sträuchern bestandenen Hochfläche durchgeführt worden waren, lieferten erste Hinweise auf die Struktur der Innenbesiedlung sowie der heute weitgehend durch Steinbrucharbeiten zerstörten Ringmauer. So konn-ten beispielsweise drei annähernd parallele Gräben unterschiedlicher Breite festgestellt werden, die den Westteil des Plateaus abtrennen, oder auch eine leicht einbiegende Torwange, die belegt, dass man noch heute den Berg über den antiken Zuweg betritt. Darauf fußend wurden zielgerichtet mehrere Grabungs-schnitte angelegt, um die Befundsituation zu erhellen.Fast alle Bebauungsspuren in Form von Pfostengruben fanden sich ausschließlich im Areal westlich des Grabenwerkes, während in allen Grabungsschnitten östlich davon insgesamt lediglich eine Pfostengrube nachzuweisen war. Der größte Teil der Anlage blieb also frei von Bebauung und konnte vermutlich der umliegenden Bevölkerung als Refugium in Notzeiten dienen. Die Innenfläche des Grabenwerkes ist aller-

15 Vgl. dazu Museumsführer Vor- und frühgeschichtliches Museum Thalmässing (Hilpoltstein 1989) 56 ff.16 Dazu als kurze Vorberichte: S. Kas, Ausgrabungen in einer befestigten späthallstattzeitlichen Höhensiedlung auf der Göllersreuther

Platte. Arch. Jahr Bayern 2004, 66 ff. – N. Buthmann/M. Schußmann, Ausgrabungen und Prospektionen auf der Göllersreuther Platte und in ihrem Umfeld. Arch. Jahr Bayern 2006, 65 ff.

Abb. 8 Topographischer Plan der „Göllersreuther Platte“ bei Thalmässing-Landersdorf, Lkr. Roth, mit Eintragung der geophysikalisch untersuchten Flächen und Grabungsschnitte (gelb = 2004; orange = 2005; grün = 2007) und Hervorhebung (rot) des Grabenwerkes (Plangrundla-gen: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege und Amt für ländliche Entwicklung, Ansbach; Geophysik: Posselt & Zickgraf Prospektionen).

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dings gerade groß genug, eine kleine Gruppe von Gebäuden – wahrschein-lich nur ein einzelnes Mehrhausgehöft – aufzunehmen. Dies fügt sich gut zur statistischen Auswertung des Gräber-feldes, wonach hier nicht mehr als zwischen 17 und 1� Personen gleich-zeitig lebten (also vermutlich nur ein größerer Familienverband mit mehre-ren Generationen und abhängigen Per-sonen). Schon allein diese Tatsache ist ein Hinweis auf den elitären Sozialsta-tus dieser Gruppe. Größere Bereiche des Gehöftes, darun-ter auch der mutmaßliche Standort des Hauptgebäudes sind wiederum bereits durch den Steinabbau zerstört. In den ergrabenen Teilen des Restareals ließen sich aber noch zwei Gebäudegrundrisse aus verschiedenen Bauphasen nach-weisen. Sie sprechen für eine massive und damit wohl auch repräsentative Bebauung. Als signifikanter Unter-schied zum „Hinteren Berg“ handelt es sich hier aber um Pfostenbauten, deren Gruben in den Fels gehauen sind. Die Verfügbarkeit von effektiven Eisen-werkzeugen wird dabei den entschei-denden Ausschlag gegeben haben. Die Umwehrung dieses Siedlungsareals bestand zunächst aus einer hölzernen Palisade, die in einem aus dem anste-henden Malm gebrochenen schmalen Graben gegründet war (Abb. 9). In un-terschiedlichen Abständen wies dieser Verbreiterungen auf, in denen größe-re Pfosten mit Querriegeln zur Aussteifung eingelassen waren. Die Zwischenräume waren entweder mit Spaltbohlen oder schwächerem Stammholz gefüllt und wahrscheinlich durch Flechtwerk verbunden. Den Graben begleitete innen im Abstand von wenigen Metern eine Pfostenreihe, die sehr wahrscheinlich die Stützkonstruktion für einen Wehrgang zu tragen hatte – also eine ganz ähnliche Konstruktionsweise wie im Grabenwerk von Enkering. Der Torbereich war so konstruiert, dass die Palisade eine schmale Lücke ließ und an beiden Enden rechtwinklig nach außen bog. Sie werden dann dort im weiteren Verlauf durch zwei Pfostenreihen abgelöst, die an einen Überbau in Art einer Torhalle oder vielleicht auch eine Stellung mehrerer Bildsäulen denken lässt. Genau in diesem Bereich ist auch der vorgelagerte Sohlgraben unterbro-chen, der mit einiger Sicherheit erst später hinzugefügt worden war. Ein abermals weiter östlich gelegener Graben ist im Verlauf deutlich unregelmäßiger und zeigt auch keine Unterbrechung, sodass es fraglich ist, ob es sich nicht um eine geologische Erscheinung handelt. Trotz denkbar ungünstiger Erhaltungsbedingungen, die auf spätmittelalterlichen Steinraub und neuzeit-

Abb. 9 Rekonstruktionsversuch der letzten Ausbauphase des späthallstattzeit-lichen Grabenwerkes auf der „Göllersreuther Platte“.

Abb. 10 Rekonstruktionsversuch der späthallstattzeitlichen Ringmauer auf der „Göllersreuther Platte“.

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lichen Steinbruchbetrieb zurückzuführen sind, können auch verlässliche Aussagen zur Bauweise der Rand-befestigung getroffen werden (Abb. 10). Lediglich auf ca. 2 m Breite waren maximal die untersten drei Lagen der Innenschale erhalten, ansonsten nur die kleinsteinige Mauerfüllung – und in manchen Bereichen nicht einmal diese. Die erhaltenen Mauerteile sowie die Gräben der Steinräuber erlauben es, eine Trocken-mauer aus Kalksteinplatten ohne Holzeinbauten von ca. 1,2 m Basisbreite und geschätzt 2,5 bis 3 m Höhe zu rekonstruieren. Entlang der Innenschale fanden sich in gewissen Abständen Pfostengruben, die einem Wehrgang mit zusätzlicher Stützfunktion zuzurechnen sind. Aus einer dieser Gruben stammt ein wirtelför-miges Tonobjekt, das keine offensichtliche Funktion besitzt und eventuell als magisches Objekt zum Schutz der Mauer hier deponiert worden sein könnte (Abb. 11).Da eine entsprechende Holzkonstruktion auf der Außenseite fehlt, sollte sich die Mauer hier nach oben hin verjüngt haben. Etwas problematisch gestaltet sich wegen des Fehlens charakteristischen Fundmaterials ihre Datierung, besonders weil von diesem einphasigen Bauwerk nicht anzunehmen ist, dass es über den gesamten Nutzungszeitraum der Höhensiedlung – also Ha D1 bis D3 – bestand. Da eine dünne Kultur-schicht unter ihr hinweg zog, ist anzunehmen, dass sie nicht mit Gründung der Siedlung errichtet wurde, sondern vielleicht erst im Zuge der Umbauarbeiten am Grabenwerk.Das Fundmaterial der „Göllersreuther Platte“ zeigt kaum Außergewöhnliches und erweckt nicht zuletzt wegen seiner Kleinstückigkeit den Eindruck, gewöhnlicher Siedlungsabfall zu sein, dem alles Brauchbare und Wertvolle entnommen ist. Zumeist handelt es sich um die regional- und zeittypische Keramik der späten Hallstattzeit, um wenige Bronzefunde, die stets beschädigt oder unvollständig sind, sowie um we-nige Eisengegenstände, von denen lediglich ein kleines beilförmiges Skalpell hervorzuheben ist, weil es zusammen mit einer Trepanationssäge aus der Býči Skála-Höhle in Mähren17 zu den ältesten medizinischen Instrumenten im keltischen Bereich überhaupt gehört und damit ein zwar unscheinbarer, aber wichtiger weiterer Hinweis auf die Sonderstellung der Bewohner der Höhensiedlung ist (Abb. 12). Entsprechend der Zahl von Spinnwirtelfunden wird auch die Textilerzeugung eine größere Rolle gespielt haben. Das unge-wöhnliche Übergewicht von Schafen im Tierknochenspektrum unterstreicht dies und zeigt, dass hauptsäch-lich Wolle verarbeitet wurde. Zusammen mit mehreren Nachweisen von Hasen lässt sich eine Landschaft in der Umgebung der „Göllersreuther Platte“ rekonstruieren, die bereits weitgehend geöffnet und den heute

17 H. Parzinger/J. Nevkasil/F. E. Barth, Die Býči Skála-Höhle. Ein hallstattzeitlicher Höhlenopferplatz in Mähren. Röm.-Germ. Forsch. 54 (Mainz 1995) 82 m. Taf. 48,426.

Abb. 11 Wirtelförmiges Tonobjekt – je-doch ohne Durchlochung – aus einer Pfostengrube der späthallstattzeitlichen Befestigungsanlage auf der „Göllers-reuther Platte“.

Abb. 12 Medizinische Instrumente der älteren Eisenzeit. 1 „Göllersreuther Platte“. – 2 „Göllersreuther Platte“-Hangsiedlung. – 3 Býčí Skála-Höhle (3 nach Parzinger u. a. [Anm. 17] Taf. 48,426).

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noch vorhandenen Trockenrasen des Jura sehr ähnlich gewesen ist und auch in vergleichbarer Weise bewirt-schaftet worden sein dürfte (Abb. 13). Die Gewinnung und Erzeugung von Eisen aber hatte keine größere Bedeutung. Die geborgenen Schlacken, deren Untersuchung nach Verhüttungs- oder Schmiedeschlacken noch aussteht18, reichen bei Weitem nicht aus, mehr als eine Produktion für den lokalen Bedarf abzuleiten – wie es übrigens in der gesamten Region der Fall ist1�.Mehrere Indizien deuten auf ein Auflassen der Höhensiedlung im Übergangshorizont von der Hallstatt- zur Frühlatènezeit hin, so etwa deutliche Brandspuren im Bereich der Ringmauer, außerdem das Fundmaterial, das ausschließlich der späten Hallstattzeit angehört, oder auch der Sohlgraben des Gehöftes, in dem sich große horizontal gelagerte Kalksteine fanden, die für eine schnelle und intentionelle Verfüllung sprechen. Das Ende der „Göllersreuther Platte“ kann als symptomatisch für das südliche Mittelfranken gelten, denn bis zum Rand des Nördlinger Rieses blieb keine der befestigten Höhensiedlungen bis in die Frühlatènezeit bestehen. Unmittelbar in der östlich angrenzenden Oberpfalz und im Nördlinger Ries selbst gibt es solche

18 Die Bestimmung der Eisenschlacken von der „Göllersreuther Platte“ erfolgt durch Dr. M. Schweizer (NHG).1� Auf diesen Umstand sei besonders hingewiesen, da er der allgemein kursierenden Meinung zur Wirtschaftsgrundlage der Kelten

widerspricht. So zuletzt: E. u. G. Schultheiß, Jahresthema 2006: Vom Erz zum Eisen – Die Reuther Platte und das eisenreiche Hinterland. Heimatkundliche Streifzüge. Schriftenr. Landkreis Roth 25, 2006, 54 ff.

Abb. 13 Prozentuale Verteilung der Tierknochen aus den Ausgrabungen 2004 und 2005 von der „Göllersreuther Platte“ (nach: K. Schatz, Die Tierknochen aus der späthallstattzeitlichen Höhensiedlung „Göllersreuther Platte“, südliche Frankenalb – Zwi-schenbericht zum Abschluss der Grabungen 2004 und 2005. URL: http://tobias-lib.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2006/2334). Auf-fallend hoch ist der Anteil von Schaf/Ziege unter den Haustieren sowie von Feldhasen unter den Wildtieren. Beides zusammen spricht für eine geöffnete Landschaft, die u. a. durch extensive Schafweide bewirtschaftet wurde. Die Parallelen zur modernen Trockenrasennutzung des Jura sind evident.

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Plätze aber sehr wohl. Worin liegen die Gründe dafür? Um dies herauszufinden, muss man etwas weiter ausgreifen. Während der Stufen Ha C und D1 ist an der Schnittstelle von Schwäbischer und Fränkischer Alb eine Keramik verbreitet, die in der Forschung als Keramik im Ostalb-Stil bezeichnet wird. Zwar streut die Verbreitung mit einzelnen Gefäßen auch darüber hinaus, doch die Verbreitung geschlossener Geschirr-sätze dieses Typs in Gräbern beschränkt sich just auf diesen Bereich, der im Osten etwa auf der Höhe von Weißenburg endet. Diese Verbreitung scheint geeignet, eine Kulturgruppe innerhalb der Hallstattzeit abzugrenzen, in deren Zentrum sich der seit der Stufe Ha D1 aufstrebende Fürstensitz auf dem Ipf bei Bopfingen, am Westrand des Rieses, befindet. Am Übergang zur Frühlatènezeit findet sich dann östlich des ursprünglichen Kerngebietes eine frühe auf der Drehscheibe hergestellte Keramik, die ansonsten für die Fürstensitze typisch ist. Die Gefäße aus unserem Arbeitsgebiet sind dabei nach Ware und Machart augenscheinlich mit Stücken identisch, die am Fuße des Ipf gefunden wurden. Dies spricht für eine Aus-weitung des Einflussbereiches des Fürstensitzes auf dem Ipf nach Osten, wobei das schon erwähnte Ende aller Höhensiedlungen in diesem Bereich auf ein militärisches Vorgehen schließen lässt. Über die bloße Ausweitung des Machtbereiches hinaus könnte die Kontrolle über den noch heute bedeutsamen Nord-Süd-Verkehrsweg durch das Schwarzachtal eine gewichtige Rolle gespielt haben, denn genau hier endet dann auch diese Expansion. Besondere Bedeutung kommt dem Verkehrsweg auch durch den Umstand zu, dass er als eine mit Steinaufschüttungen befestigte Wegetrasse straßenartig ausgebaut war und mehrfach Abzwei-gungen in Seitentäler oder auf die Albhochfläche besaß.Doch zurück zur „Göllersreuther Platte“: nachdem diese also aufgegeben worden war, siedelte sich die dortige Bevölkerung in einer offenen Siedlung im Hangbereich am nördlichen Rand des Gräberfeldes an, wo zuvor noch die jüngsten Bestattungen der Hallstattzeit zu liegen gekommen waren. Die frühlatènezeit-lichen Gräber wurden dann jedoch in einem südlicheren Teil des Areals angelegt. Die Platzwahl scheint einem Bedürfnis nach Schutz zu entsprechen, denn immerhin war die offene Siedlung hinter der Kuppe des Berges verborgen und damit vom Tal aus nicht einsehbar. Ein Ausschnitt der Siedlung war bereits im Zuge der Ausgrabung des Gräberfeldes aufgedeckt worden, wurde jedoch damals nicht als solcher erkannt. Das dabei geborgene Fundgut gehört weitgehend schon der frühen Latènezeit an. Bemerkenswert ist auch hier wieder ein beilförmiges Eisengerät, das als Trepanationssäge, also als chirurgisches Instrument zur Schä-delöffnung, angesprochen werden kann (Abb. 12,3). Es ist damit ein augenfälliger Beleg für die Kontinuität der Bevölkerung, ebenso wie etwa die weiterhin zahlreichen Spinnwirtel, Webgewichte und Knochen von Schafen.Um die Ausdehnung dieser Siedlung erfassen zu können, wurden auch in diesem Bereich im Jahr 2006 geo-physikalische Messungen durchgeführt, wobei sich an mehreren Stellen ein dünner Niederschlag von Sied-lungsbefunden zeigte. Um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ein ausschließlich frühlatènezeitliches Areal handelt und nicht etwa um eine schon in der Späthallstattzeit beginnende Außensiedlung, wurde ein kleines Areal von 100 m2 ausgewählt, um dort eine weitere Stichprobe zu erlangen. Tatsächlich konnten in dieser Fläche neben den Resten eines kleinen Vierpfostenbaus drei Vorratsgruben aufgedeckt werden, die ausschließlich Fundmaterial der frühen Latènezeit (Lt A) erbracht haben, darunter beispielsweise ein dünner Bronzearmring mit außen umlaufendem Grat, einer Form, die mehrfach auch in den frühlatène-zeitlichen Bestattungen des Gräberfeldes belegt ist und in Südmittelfranken offensichtlich die zeitgleichen Knotenringe ersetzt. Die früheisenzeitlichen Bestattungsplätze liegen jeweils nur in geringer Entfernung zum Siedlungsplatz. Dies scheint für alle Siedlungstypen zu gelten und ist sowohl für Einzelgehöfte als auch für die „Göllersreu-ther Platte“ nachgewiesen. Bemerkenswert ist dabei, dass aus der Qualität und Quantität ihrer Beigabenaus-stattung diese sozialen Unterschiede kaum ablesbar sind. Die reicheren Bestattungen, die es in der Region beispielsweise als Wagenbeisetzungen durchaus gibt, sind nicht mit den herausgehobenen Siedlungsplätzen in Verbindung zu bringen. Dadurch muss wohl mit einigem Recht für diese Region von anderen Formen der Selbstdarstellung der Eliten bzw. des sozialen Status ausgegangen werden, als diese gemeinhin in Verknüp-fung mit dem Beigabenreichtum gesehen werden.

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Noch sind nicht alle chronologischen Fragen zur Genese und Entwicklung der unterschiedlichen Siedlungs-formen geklärt, doch scheint diese Diversifikation die Herausbildung einer mehrfach geschichteten und hi-erarchisch gegliederten Gesellschaft im Siedlungsbild der älteren Eisenzeit widerzuspiegeln. Festzuhalten bleibt, dass die Palisadengehöfte bereits am Beginn der älteren Hallstattzeit erscheinen und alsbald auch der ‚Herrenhof’, wie das Beispiel der Siedlung von Enkering-„Gatzäcker“ eindringlich zeigt. Sicherlich wird es kein Zufall sein, dass dieser Siedlungstyp sich zunächst mit Regelmäßigkeit entlang der Talknoten des Altmühltales findet, also an den verkehrsgünstigen Anbindungen.Die Verkehrsgunst liefert auch für die ältere Eisenzeit den Schlüssel zum Verständnis der Siedlungsdynamik im Umland des Schwarzachtales. Ist dies für die ältere Hallstattzeit wiederum nur indirekt zu erschließen, so liegt für die späte Hallstatt- und frühe Latènezeit der dingliche Beleg in Form eines mit Kalksteinen be-festigten Weges vor, der sowohl stratigrafisch, als auch durch Fundmaterial in diesen Zeitraum zu datieren ist. Dieser oben schon erwähnte, fast als Straße zu bezeichnende Weg führt zum einen als Nord-Süd-Ver-bindung durch den von Natur aus sumpfigen Grund des Schwarzachtales, bindet über Abzweigungen aber auch Seitentäler und die Hochflächen des Jura an und gehört somit zu einem komplexen System, welches wiederum die Bedeutung des Warenumschlages hervorhebt, zudem aber auch eine machtvolle Elite und einen nicht unbedeutenden Überschuss an Arbeitskräften impliziert.Für die Stufe Lt A können zwar einerseits die Kontinuität der Bevölkerung und eine etwa gleich gebliebene Bevölkerungszahl festgehalten werden, andererseits werden aber die Höhensiedlung auf der „Göllersreu-ther Platte“ aufgegeben und auch andere, offene Siedlungen in natürliche Verstecklagen verlegt. Das Palisa-dengehöft und der ‚Herrenhof’ als Siedlungsformen verschwinden außerdem. Der befestigte Verkehrsweg durch das Schwarzachtal bleibt indes weiter in Benutzung. Die Besiedlung der Region erlischt mit dem Beginn der Stufe Lt B1 fast vollständig, was sicherlich auf die historisch belegten Keltenwanderungen zurückzuführen sein wird und ein ebenso andere Teile Süddeutsch-lands betreffendes Phänomen ist20. Auch die jüngste Bestattung aus dem Gräberfeld von Landersdorf gehört an die Wende von Lt A nach Lt B und markiert damit die Auflassung der Siedlung zu diesem Zeitpunkt. Eine nennenswerte Neuaufsiedlung kann erst wieder ab dem Beginn der Stufe Lt C1 festgestellt werden, durch eine Bevölkerung, die in den Bestandteilen ihrer weiblichen Tracht gewisse Affinitäten nach Böhmen erkennen lässt. Die kontinuierliche Entwicklung der Landschaften auf der Südlichen Frankenalb ist damit endgültig unterbrochen.

Anschrift des Autors:

Dr. Markus SchußmannBurgweg 2�723� Aub

20 Vgl. z. B. A. Bick, Besiedlungsentwicklung und wirtschaftliche Grundlagen der Latènezeit im Nördlinger Ries. In: J. Prammer/R. Sandner/C. Tappert (Hrsg.), Siedlungsdynamik und Gesellschaft. Beiträge des internationalen Kolloquiums zur keltischen Besiedlungsgeschichte im bayerischen Donauraum, Österreich und der Tschechischen Republik. Jahresber. Histor. Ver. Straubing Sonderbd. 3, Straubing 2007, 30 f. – C. Eggl, Die Latènezeitliche Besiedlung der Münchner Schotterebene – Resümee des Forschungsstandes unter besonderer Berücksichtigung der Stufe Lt B. Ebd. bes. 238 ff. – H.-P. Uenze, Zur mittleren Latènezeit in Nordostbayern. Natur u. Mensch 1985, 49 ff.

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