Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen

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Zeitschrift für Personalpsychologie, 6 (2), 60Ð70 Hogrefe Verlag, Göttingen 2007 Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen Ein Vergleich über 20 Jahre Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar und Ilkay Boramir Zusammenfassung. Die vorliegende Untersuchung bietet eine aktuelle Aufstellung der Einsatzhäufigkeiten verschiedener Personalauswahlverfahren. Mit Angaben von 125 deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche stellt diese Erhebung eine Fortsetzung der Studien aus den beiden vergangenen Jahrzehnten dar (Schulz, Schuler & Stehle, 1985; Schuler, Frier & Kauffmann, 1993). Das Einstellungsinterview und die Analyse von Bewerbungsunterlagen bestätigen sich als verbreitetste Auswahlverfahren, der Einsatz graphologischer Gutachten ist in den letzten Jahren auf ein Minimum zurückgegangen. Verstärkte Verwendung finden vor allem strukturierte Interviews und Assessment Center. Die Nutzung von Online-Verfahren ist mit Ausnahme der Online-Bewerbungsunterlagen noch nicht sehr verbreitet. Es werden detaillierte Betrachtungen der Verwendung von Personalauswahlverfahren für die einzelnen Bewerbergruppen angestellt. Alle Verfahren wurden darüber hinaus von den Personalverantwortlichen hinsichtlich ihrer Validität, Praktikabilität und Akzeptanz bei den Bewerbern eingeschätzt. Schlüsselwörter: Assessment Center, Personalauswahl,Verwendungshäufigkeit von Auswahlverfahren, Validität, Akzeptanz, Praktikabilität, Follow-up-Studie Use of personnel selection instruments in German organizations in the last 20 years Abstract. This paper presents the current practice of using selection instruments in 125 German organizations of different sizes and sectors. Comparisons with similar previous investigations (Schulz, Schuler & Stehle, 1985; Schuler, Frier & Kauffmann, 1993) will be made. Interviews and application documents are still used most often, graphologic analyses are hardly used at all. Implementation of structured interviews and assessment centers increased during the last 13 years. Online- instruments are not used very often yet, with the exeption of online-application forms. Detailed analyses are reported concerning the different groups of applicants. Participants rated the validity, practicability and acceptance by applicants of each procedure. Key words: assessment center, personnel selection, use of selection methods, validity, practicability, acceptance, follow-up study Die Kenntnis der Verwendungshäufigkeit berufseig- nungsdiagnostischer Verfahren ist sowohl für Unter- nehmen und für Anbieter dieser Verfahren als auch für die Personalpsychologie als Wissenschaft von In- teresse und Nutzen. Der derzeitige Kenntnisstand ist lückenhaft, weil die meisten empirischen Unter- suchungen nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind oder sich auf ein Auswahlverfahren konzentrieren. Göhs und Dick (2001) untersuchten die Verwen- dungshäufigkeit psychologischer Testverfahren zur DOI: 10.1026/1617-6391.6.2.60 Personalauswahl und fanden ähnlich wie Sackmann und Elbe (2000) eine Prävalenzrate für Tests von ca. 30 % bei deutschen Unternehmen. Krause, Meyer zu Kniendorf und Gebert (2001) sowie Krause und Ge- bert (2003) stellten fest, dass die Hälfte der deut- schen, österreichischen und Schweizer Unternehmen Assessment Center verwenden. Hier scheint sich in den vergangenen 20 Jahren eine Steigerung ergeben zu haben, denn Schuler, Frier und Kauffmann (1993) fanden in ihrer Untersuchung noch eine Häufigkeit

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Zeitschrift für Personalpsychologie, 6 (2), 60Ð70 ” Hogrefe Verlag, Göttingen 2007

Die Nutzung psychologischerVerfahren der externen

Personalauswahl indeutschen Unternehmen

Ein Vergleich über 20 JahreHeinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar

und Ilkay Boramir

Zusammenfassung. Die vorliegende Untersuchung bietet eine aktuelle Aufstellung der Einsatzhäufigkeiten verschiedenerPersonalauswahlverfahren. Mit Angaben von 125 deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche stellt dieseErhebung eine Fortsetzung der Studien aus den beiden vergangenen Jahrzehnten dar (Schulz, Schuler & Stehle, 1985;Schuler, Frier & Kauffmann, 1993). Das Einstellungsinterview und die Analyse von Bewerbungsunterlagen bestätigen sichals verbreitetste Auswahlverfahren, der Einsatz graphologischer Gutachten ist in den letzten Jahren auf ein Minimumzurückgegangen. Verstärkte Verwendung finden vor allem strukturierte Interviews und Assessment Center. Die Nutzung vonOnline-Verfahren ist mit Ausnahme der Online-Bewerbungsunterlagen noch nicht sehr verbreitet. Es werden detaillierteBetrachtungen der Verwendung von Personalauswahlverfahren für die einzelnen Bewerbergruppen angestellt. Alle Verfahrenwurden darüber hinaus von den Personalverantwortlichen hinsichtlich ihrer Validität, Praktikabilität und Akzeptanz bei denBewerbern eingeschätzt.Schlüsselwörter: Assessment Center, Personalauswahl, Verwendungshäufigkeit von Auswahlverfahren, Validität, Akzeptanz,Praktikabilität, Follow-up-Studie

Use of personnel selection instruments in German organizations in the last 20 years

Abstract. This paper presents the current practice of using selection instruments in 125 German organizations of differentsizes and sectors. Comparisons with similar previous investigations (Schulz, Schuler & Stehle, 1985; Schuler, Frier &Kauffmann, 1993) will be made. Interviews and application documents are still used most often, graphologic analyses arehardly used at all. Implementation of structured interviews and assessment centers increased during the last 13 years. Online-instruments are not used very often yet, with the exeption of online-application forms. Detailed analyses are reportedconcerning the different groups of applicants. Participants rated the validity, practicability and acceptance by applicants ofeach procedure.Key words: assessment center, personnel selection, use of selection methods, validity, practicability, acceptance, follow-upstudy

Die Kenntnis der Verwendungshäufigkeit berufseig-nungsdiagnostischer Verfahren ist sowohl für Unter-nehmen und für Anbieter dieser Verfahren als auchfür die Personalpsychologie als Wissenschaft von In-teresse und Nutzen. Der derzeitige Kenntnisstand istlückenhaft, weil die meisten empirischen Unter-suchungen nicht mehr auf dem aktuellen Stand sindoder sich auf ein Auswahlverfahren konzentrieren.

Göhs und Dick (2001) untersuchten die Verwen-dungshäufigkeit psychologischer Testverfahren zur

DOI: 10.1026/1617-6391.6.2.60

Personalauswahl und fanden ähnlich wie Sackmannund Elbe (2000) eine Prävalenzrate für Tests von ca.30 % bei deutschen Unternehmen. Krause, Meyer zuKniendorf und Gebert (2001) sowie Krause und Ge-bert (2003) stellten fest, dass die Hälfte der deut-schen, österreichischen und Schweizer UnternehmenAssessment Center verwenden. Hier scheint sich inden vergangenen 20 Jahren eine Steigerung ergebenzu haben, denn Schuler, Frier und Kauffmann (1993)fanden in ihrer Untersuchung noch eine Häufigkeit

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von unter 40 %, Schulz, Schuler und Stehle (1985)sogar unter 20 % für Assessment Center vor. Stephanund Westhoff (2002) erfragten die Interviewpraxis zurPersonalauswahl in mittelständischen deutschen Un-ternehmen. Nach dieser Studie setzen 98 % der be-fragten mittelständischen Unternehmen das Interviewbei der Auswahl von Führungs(nachwuchs)kräftenein, meist in unstrukturierter Form und von Personal-beauftragten und Fachvertretern gemeinsam aus-geführt. Sackmann und Elbe (2000) fassten mehrereBefunde aus den 90er Jahren zusammen und kommenzu dem Schluss, dass Interviews und Bewer-bungsunterlagen die am häufigsten genutzten Verfah-ren zur Personalauswahl darstellen; sie bestätigen da-mit die Befunde von Schuler et al. (1993) und Schulzet al. (1985). Aufgrund der unterschiedlichen Erhe-bungsarten und verschieden zusammengesetztenStichproben ist eine vergleichende Zusammenfassungder aktuellen Befunde allerdings nur schwer möglich.

Die vorliegende Untersuchung stellt eine Fortset-zung der von der Hohenheimer Arbeitsgruppe im Ab-stand von jeweils etwa 10 Jahren durchgeführten Be-fragung der wichtigsten deutschen Unternehmen dar(Schulz et al., 1985; Schuler et al., 1993). Die Befra-gungen ermitteln die Verwendungshäufigkeit vonVerfahren der externen und internen Personalauswahlfür die wichtigsten Berufsgruppen und die Zuständig-keiten in den Unternehmen für die Anwendung derverschiedenen Verfahren. Neben der Verwendungs-häufigkeit wird seit der letzten Studie (Schuler et al.,1993) auch eine Einschätzung der Validität, Akzep-tanz und Praktikabilität der Auswahlverfahren beiPersonalverantwortlichen der Unternehmen eingeholt.

Im vorliegenden Beitrag werden die Befunde zurexternen Personalauswahl, also der Auswahl neuerMitarbeiter, beschrieben. Eine ausführliche Darstel-lung der Ergebnisse für die Verfahren zur internenPersonalauswahl findet sich bei Hell, Schuler, Bora-mir und Schaar (2006) sowie bei Hell, Boramir,Schaar und Schuler (2006).

Methode

Instrument und Vorgehensweise

Um Vergleiche zu ermöglichen, wurden große Teiledes Fragebogens von Schuler et al. (1993) übernom-men. Die wichtigste Neuerung besteht in der Erweite-rung der Liste der Auswahlverfahren. Hinzu kamenv. a. Online-Varianten verschiedener Verfahren, aberauch das telefonische Interview und der Personalfra-gebogen wurden ergänzt. Darüber hinaus wurdenauch die zur Auswahl stehenden Branchen und Perso-nengruppen aktualisiert und erweitert. Die Verfahren

und Personengruppen wurden den Untersuchungsteil-nehmern wie in Tabelle 3 vorgegeben.

Der so gestaltete Fragebogen wurde im Spätsom-mer 2003 postalisch an die 550 umsatzstärksten deut-schen Unternehmen versandt. Nach zwei Wochenwurde eine Nachfassaktion durchgeführt.

Rücklaufquote und Beschreibung derStichprobe

125 der 550 angeschriebenen Unternehmen sandteneinen ausgefüllten Fragebogen zurück. Damit konnteeine mit der Vorgängerstudie vergleichbare Rück-laufquote von 22,7 % realisiert werden.

Die Stichprobe ist in ihrer Zusammensetzungüberwiegend vergleichbar mit denen der Erhebungenvon Schuler et al. (1993) und Schulz et al. (1985).1993 wurden von ebenfalls 550 versendeten Fragebo-gen 105 ausgefüllt zurückgeschickt (Rücklaufquote:19 %), 1985 beteiligten sich 120 von 287 angeschrie-benen Unternehmen (Rücklaufquote: 41,8 %). Tabelle1 zeigt die Aufteilung aller drei Stichproben nach Un-ternehmensgröße und Branche.

Ergebnisse

Alle befragten Unternehmen setzen Interviews ein.Damit ist das Einstellungsgespräch nach wie vorbranchenübergreifend das am häufigsten eingesetzteVerfahren zur Auswahl neuer Mitarbeiter, dicht ge-folgt von der Auswertung der Bewerbungsunterlagen,die von 99,2 % der Unternehmen durchgeführt wird(Tabelle 2). Schon vor über 20 Jahren waren die Ana-lyse von Bewerbungsunterlagen und Einstellungsge-spräche die häufigsten Verfahren zur externen Per-sonalauswahl. Im Vergleich zum unstrukturierten In-terview wird das strukturierte Interview häufiger ein-gesetzt Ð sowohl von der Personal- wie auch von derFachabteilung. Unter den von mehr als der Hälfte derbefragten Unternehmen eingesetzten Verfahren fin-den sich außerdem der Personalfragebogen, das As-sessment Center und zusätzlich eingeholte Referen-zen.

Bei den Online-Verfahren dominiert klar die Ana-lyse von Online-Bewerbungsunterlagen. Auch derOnline-Personalfragebogen wird noch vergleichs-weise häufig verwendet Ð zumindest verglichen mitden anderen Online-Verfahren, die in deutschen Un-ternehmen kaum oder gar nicht zum Einsatz kommen.Bemerkenswert selten werden auch graphologischeGutachten zur Personalauswahl verwendet.

62 Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar, Ilkay Boramir

Tabelle 1. Aufteilung der Stichproben der drei Untersuchungen nach Anzahl der Mitarbeiter pro Unternehmenund Branche

Aktuelle Untersuchung von Untersuchung vonUntersuchung Schuler et al. (1993) Schulz et al. (1985)

Unternehmensgröße

� 500 Mitarbeiter (MA) 10,4 15,0 12,5500Ð1 999 MA 30,4 13,0 40,02 000Ð7 999 MA 28,8 37,0 30,88 000Ð19 999 MA 14,4 17,0 6,7� 19 999 MA 15,2 17,0 10,0keine Angabe 0,8 1,0 0

Branche

Chemie (und Pharmazie) 12,8 15,0 9,2Banken und Versicherungen 12,8 14,0 20,8Maschinenbau 8,0 7,0 8,3Energiewirtschaft 8,0 6,0 4,2Informationstechnologie und 7,2 4,0 Ð1

TelekommunikationHandel 6,4 13,0 11,7Elektrotechnische Industrie 6,4 11,0 8,3Unternehmensberatung und 4,8 0 Ð1

WirtschaftsprüfungFahrzeugbau 4,8 9,0 3,3Transport und Verkehr 4,0 0 Ð1

Medien und Verlage 4,0 4,0 Ð1

Ernährungsindustrie 4,0 5,0 2,5Konsumgüterindustrie 3,2 2,0 Ð1

Textil und Bekleidung 2,4 0 2,5Baugewerbe 2,4 4,0 1,7Luft- und Raumfahrt 1,6 3,0 Ð1

Tourismus und Gastgewerbe 0,8 0 Ð1

Öffentliche Institution 0,8 0 Ð1

Eisenschaffende Industrie 0,8 4,0 0,0Sonstiges 4,8 0 27,5

N 125 105 120

Anmerkungen. Angaben in Prozent, bezogen auf die jeweilige Gesamtstichprobe N (angegeben in absoluten Zahlen). 1Branchenicht explizit ausgewiesen.

Im Vergleich mit der Vorgängerstudie (Schuler etal., 1993) fallen besonders die Entwicklungen derVerwendungshäufigkeit von medizinischen Begutach-tungen, zusätzlichen Referenzen, den Interviewartenund Assessment Centern auf. Deutlich seltener einge-setzt werden medizinische Begutachtungen und dasEinholen zusätzlicher Referenzen. Die Verwendungeines Biographischen Fragebogens ist scheinbar von21 % auf 1,6 % zurückgegangen. Hierbei handelt essich jedoch wahrscheinlich um einen erhebungsbe-dingten Effekt (Trennung von Personalfragebogenund Biographischem Fragebogen erst in der aktuellenStudie). Deutlich häufiger als noch vor 10 Jahrenkommen Assessment Center und strukturierte Inter-views zum Einsatz Ð letztere sowohl von den

Personalabteilungen als auch von den Fachabteilun-gen durchgeführt. Gleichzeitig geht der Einsatz un-strukturierter Interviews deutlich zurück.

Die Häufigkeiten des Einsatzes psychologischerTestverfahren und Arbeitsproben haben sich in denvergangenen 10 Jahren weniger stark verändert. Leis-tungs-, Intelligenz- und Persönlichkeitstests wurdenetwas seltener verwendet. Personalfragebogen, telefo-nische Interviews und Online-Verfahren waren imFragenkatalog von 1993 nicht enthalten. Tabelle 2zeigt die Verwendungshäufigkeiten der Verfahrenüber alle Branchen, Unternehmensgrößen und Perso-nengruppen hinweg.

63Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen

Tabelle 2. Häufigkeiten der eingesetzten Auswahlverfahren in Prozent in der Studie von Schuler et al. (1993)und in der aktuellen Studie

Einsatzhäufigkeit der Einsatzhäufigkeit der Veränderungsrate inAuswahlverfahren in der Auswahlverfahren in der Prozentpunktenaktuellen Untersuchung Untersuchung von

Schuler et al. (1993)

Stichprobengröße N 125 105Analyse der Bewerbungs- 99,2 % 98,0 % + 1,2

unterlagenPersonalfragebogen 68,8 % Ð ÐZusätzlich eingeholte 56,8 % 71,0 % Ð 14,2

ReferenzenStrukturiertes telefonisches 32,0 % Ð Ð

InterviewUnstrukturiertes telefoni- 24,0 % Ð Ð

sches InterviewStrukturiertes Einstellungs- 81,6 % 70,0 % + 11,6

interview durch PAUnstrukturiertes Einstel- 33,6 % 57,0 % Ð 23,4

lungsinterview durch PAStrukturiertes Einstellungs- 64,0 % 49,0 % + 15,0

interview durch FAUnstrukturiertes Einstel- 51,2 % 69,0 % Ð 17,8

lungsinterview durch FAAssessment Center 57,6 % 39,0 % + 18,6Gruppengespräch / 42,4 % 51,0 % Ð 8,6

DiskussionPersönlichkeitstest 20,0 % 21,0 % Ð 1,0Leistungstest, z.B. Bürotest 40,8 % 47,0 % Ð 6,2Intelligenztest 30,4 % 34,0 % Ð 3,6Arbeitsproben 44,8 % 44,0 % + 0,8Biographischer Frage- 1,6 % 21,0 % Ð 19,4

bogenGraphologisches Gutach- 2,4 % 9,0 % Ð 6,6

tenMedizinische Begutach- 40,8 % 64,0 % Ð 23,2

tungAnalyse von Online- 71,2 % Ð Ð

BewerbungsunterlagenStandardisierter Online- 21,6 % Ð Ð

PersonalfragebogenOnline-Assessment 4,0 % Ð Ð

Center / Online-Self-Assessment

Online-Gruppengespräch / Ð Ð ÐOnline-DiskussionOnline-Persönlichkeitstest 1,6 % Ð ÐOnline-Leistungstest Ð Ð ÐOnline-Intelligenztest Ð Ð ÐBiographischer Online- 3,2 % Ð Ð

FragebogenBewerberspiele / Online- 1,6 % Ð Ð

Fallstudien

Anmerkungen. Angaben in Prozent der Gesamtzahl der Unternehmen in der jeweiligen Stichprobe. PA = Personalabteilung;FA = Fachabteilung.

64 Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar, Ilkay Boramir

Zielgruppen

Die Einsatzhäufigkeiten der einzelnen Verfahren un-terscheidet sich bei den Bewerbergruppen erheblich(Tabelle 3). Bewerbungsunterlagen werden zwar füralle Bewerbergruppen etwa gleich häufig verwendet(mit leichten Abweichungen nach unten für unge-lernte Arbeiter und technische Praktikanten), bei an-deren Verfahren zeigen sich aber deutliche Unter-schiede. So werden Referenzen vor allem für die Ein-stellung von Führungskräften mittlerer und obererEbenen eingefordert, für Praktikanten nie und nur äu-ßerst selten für ungelernte Arbeiter, Auszubildendeund Diplomanden. Online-Persönlichkeitstests, gra-phologische Gutachten, Bewerberspiele und Online-Fallstudien finden sogar ausschließlich bei Führungs-kräften Anwendung. Selten werden demgegenüberLeistungstests und Intelligenztests für die Auswahlvon Führungskräften eingesetzt. Diese Verfahrens-klasse kommt v. a. bei der Auswahl von Auszubilden-den zum Einsatz. 50 % der befragten Unternehmennutzen zur Auswahl der Trainees Assessment Center,während dieses Verfahren im Vergleich dazu für alleanderen Bewerbergruppen sehr viel seltener verwen-det wird. Obwohl insgesamt das strukturierte Inter-view dem unstrukturierten vorgezogen wird, werdenungelernte Arbeiter und technische Praktikanten zu-mindest von den jeweiligen Fachabteilungen häufigerdurch unstrukturierte Interviews ausgewählt. Perso-nalabteilungen bevorzugen über alle Bewerbergrup-pen hinweg strukturierte Interviews.

Tabelle 3 zeigt auch einen Vergleich mit den Vor-gängerstudien von Schulz et al. (1985) und Schuleret al. (1993). Er kann für die Bewerbergruppen Prak-tikanten und Diplomanden nicht angestellt werden, dadiese Zielgruppen in den Vergleichsstudien nicht be-rücksichtigt wurden. Dies trifft auch auf die Auswahl-verfahren Personalfragebogen, telefonische Inter-views und die Online-Verfahren zu. Vergleiche mitden Ergebnissen von Schulz et al. (1985) sind darüberhinaus nicht möglich für Referenzen, Interviews undmedizinische Begutachtungen. Die generelle Ent-wicklung weg von unstrukturierten und hin zu struk-turierten Interviews, die 1985 noch fast unbekanntwaren, zeigt sich ausnahmslos in allen Bewerber-gruppen, und zwar sowohl von der Personal- als auchvon der Fachabteilung durchgeführt. Auch der Rück-gang im Einsatz zusätzlich eingeholter Referenzenund in der Verwendung medizinischer Begutachtun-gen zur Personalauswahl zeigt sich in allen Bewerber-gruppen. Der Einsatz anderer Verfahren wie Assess-ment Center, Gruppengespräche/Diskussionen, Leis-tungs- und Intelligenztests hat sich in Abhängigkeitvon der jeweiligen Bewerbergruppe in den 20 Jahren,die zwischen der aktuellen und den vergangenen Un-tersuchungen liegen, unterschiedlich entwickelt.

Einschätzung der Validität,Praktikabilität und Akzeptanz und ihreAuswirkungen auf die Einsatzhäufigkeitder Verfahren

Die befragten Personen wurden gebeten, zu jedemVerfahren Ð unabhängig davon, ob es in ihrem Unter-nehmen verwendet wird oder nicht Ð auf einer drei-stufigen Skala einzuschätzen, für wie valide, prakti-kabel und akzeptiert sie das jeweilige Auswahlverfah-ren halten. Die Werte wurden so kodiert, dass 3 diehöchste Ausprägung des Gütekriteriums darstellt und1 die geringste. Tabelle 4 zeigt die Mittelwerte derAnwender und Nichtanwender der einzelnen Verfah-ren bezüglich der Einschätzung der Validität, Prakti-kabilität und Akzeptanz und ihre Abweichungen vonden Werten aus Schuler et al. (1993).

Validität wurde im Fragebogen definiert mit derUmschreibung „das Verfahren ist geeignet, die pas-senden Bewerber zu identifizieren“. Alle Verfahrenwerden von den Anwendern als valider beurteilt alsvon den Nichtanwendern der entsprechenden Verfah-ren. Zu den validesten Verfahren aus Sicht der An-wender zählen das strukturierte Einstellungsinterview,das Assessment Center und Arbeitsproben. Das struk-turierte Einstellungsinterview durch die Personalab-teilung und das Assessment Center werden sogar auchvon den Nichtanwendern als herausragend valide be-wertet. Das Schlusslicht hinsichtlich der Validität bil-det für beide Gruppen das graphologische Gutachten.Verglichen mit den Ergebnissen der Studie von Schu-ler et al. (1993) konnte besonders deutlich das struk-turierte Einstellungsinterview durch die Personal-abteilung in der Einschätzung der Validität gewinnen.Substanziell abgesunken ist hingegen die Validitäts-einschätzung medizinischer Begutachtungen.

Auch die Praktikabilität Ð im Fragebogen defi-niert als „Durchführbarkeit“ Ð wird im Mittel vonden Anwendern als besser beurteilt als von den Nicht-anwendern. Eine Ausnahme bildet das unstrukturiertetelefonische Interview, das von den Anwendern alsweniger praktikabel beurteilt wird als von den Nicht-anwendern. Als besonders praktikabel werden Perso-nalfragebogen und (Online-)Bewerbungsunterlagenvon den Anwendern eingeschätzt. Als am wenigstenpraktikabel schneidet das Assessment Center ab. ImVergleich mit den Ergebnissen von 1993 fällt beson-ders die positivere Bewertung der Praktikabilität fürdie strukturierten Formen des Einstellungsinterviewsund die schlechteren Bewertungen für die unstruktu-rierten Formen auf.

Die Akzeptanz der Verfahren bei den Bewerbernwird von den Anwendern ebenfalls als größer einge-schätzt als von den Nichtanwendern. Besonders ak-

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Tabelle 3. Einsatzhäufigkeit der Auswahlverfahren je Bewerbergruppe in Prozent

Unge- Auszubildende Praktikanten Diplo- Trai- Fach- Ange- Führungskräftelernte manden nees arbeiter stellte1

Arbeiter techn. kaufm. techn. kaufm. untere mittlere obere

Analyse der Bewerbungsunter- 93,1 97,9 99,1 92,7 96,7 97,3 94,8 97,8 97,6 98,4 98,3 95,0lagen (+13,1) (+4,9) (+0,1) (-0,2) (+8,8) (+0,6) (+0,4) (+1,3) (+2,0)

[-8,9] [-2,1] [-0,9] [-5,2] [-2,2] [-2,4] [-1,6] [-1,7] [-5,0]

Personalfragebogen 60,9 55,3 56,3 41,7 44,6 46,4 54,2 55,4 58,9 54,5 52,9 45,4

Zusätzlich eingeholte 1,1 1,1 0,9 0,0 0,0 0,9 5,2 5,4 12,1 24,4 46,3 54,6Referenzen (-10,9) (-4,9) (-3,1) (-5,8) (-8,6) (-6,9) (-12,6) (-17,7) (-13,4)

Strukturiertes 3,4 4,3 5,4 11,5 12,4 10,7 20,8 7,6 16,1 14,6 14,0 10,9telefonisches Interview

Unstrukturiertes 5,7 1,1 3,6 5,2 7,4 7,1 7,3 6,5 12,1 12,2 6,6 4,2telefonisches Interview

Strukturiertes Interview 42,5 67,0 67,0 42,7 48,8 51,8 71,9 65,2 71,8 73,2 73,6 67,2durch PA (+23,5) (+19,0) (+5,0) (+3,9) (+26,2) (+11,8) (+14,2) (+13,6) (+17,2)

Unstrukturiertes 24,1 13,8 15,2 20,8 21,5 19,6 16,7 20,7 21,8 18,7 19,8 16,0Interview durch PA (-27,9) (-14,2) (-12,8) (-11,3) (-20,3) (19,2) (-21,3) (-27,2) (-19,0)

Strukturiertes Interview 26,4 28,7 26,8 34,4 38,8 46,4 42,7 44,6 58,1 56,9 54,5 50,4durch FA (+15,4) (+13,7) (+6,8) (+10,7) (23,6) (+26,1) (+20,9) (+17,5) (+15,4)

Unstrukturiertes 39,1 21,3 17,0 39,6 36,4 32,1 20,8 29,3 29,0 26,8 26,4 21,8Interview durch FA (-12,9) (-3,7) (-2,0) (-19,2) (-26,7) (-36,0) (26,2) (-21,6) (-23,2)

Assessment Center 1,1 21,3 31,3 1,0 1,7 1,8 50,0 2,2 8,1 17,1 17,4 10,1(+1,1) (+21,3) (+20,3) (+10,0) (-0,8) (-0,9) (+3,1) (+2,4) (-1,9)

[+21,3] [+30,2] [+31,2] [+4,1] [+10,8] [+9,9] [+4,2]

Gruppengespräch / Diskussion 2,3 22,3 31,3 1,0 0,8 0,9 18,8 2,2 6,5 8,9 9,9 7,6(+2,3) (+4,3) (-3,7) (-14,2) (+1,2) (-3,5) (-8,1) (-2,1) (-3,4)[+2,3] [+4,0] [-1,3] [-18,7] [-1,0] [-1,6] [-5,4] [-6,5] [-15,9]

Persönlichkeitstest 0,0 6,4 6,3 0,0 0,0 0,0 6,3 1,1 0,0 4,1 6,6 7,6(-2,0) (-3,6) (-3,7) (-0,7) (-1,9) (-6,0) (-2,9) (-1,4) (+2,6)

[-3,6] [-6,1] [0,0] [-4,0] [-0,7] [-3,8] [-4,2]

Leistungstest, z. B. Bürotest 0,0 33,0 36,6 0,0 0,0 0,0 4,2 4,3 6,5 1,6 1,7 0,0(-5,0) (-6,0) (-3,4) (-6,8) (-0,7) (+1,5) (-2,4) (-1,3) (-2,0)[-5,1] [-28,7] [-18,5] [-14,6] [-0,5] [-5,6] [-4,7] [-2,8] [-5,9]

Intelligenztest 0,0 23,4 31,3 1,0 0,8 0,0 4,2 1,1 5,6 0,8 1,7 0,8(-2,0) (-4,6) (-3,7) (-3,8) (+1,1) (+0,6) (-3,2) (-0,3) (+0,8)[-5,1] [-26,6] [-26,0] [-16,6] [-0,5] [+1,6] [-4,0] [-4,3] [-5,1]

Arbeitsproben 2,3 19,1 15,2 3,1 4,1 3,6 12,5 9,8 19,4 11,4 9,9 5,9(-5,7) (-7,9) (+3,2) (+0,5) (-12,2) (+2,4) (+2,4) (+0,9) (-2,1)[-9,6] [-9,2] [+4,0] [+4,2] [-9,3] [+0,2] [+0,3] [-5,0] [5,9]

Biographischer Fragebogen 1,1 1,1 0,9 1,0 0,8 0,9 1,0 1,1 1,6 1,6 1,7 1,7(-7,9) (-8,9) (-11,1) (-16,0) (-10,9) (-9,4) (-14,4) (-13,3) (-13,3)

Graphologisches Gutachten 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 1,7 2,5(0,0) (0,0) (0,0) (-1,0) (0,0) (0,0) (-2,0) (-5,3) (-8,5)[0,0] [-1,7] [-1,1] [-2,1] [-3,2] [-4,0] [-7,9] [-20,7] [-30,8]

Medizinische Begutachtung 36,8 38,3 35,7 10,4 8,3 8,9 22,9 38,0 26,6 24,4 23,1 23,5(-34,2) (-31,7) (-24,3) (-30,1) (-44,0) (-27,4) (-27,6) (-29,9) (-29,5)

Analyse von Online- 33,3 50,0 50,9 55,2 53,7 50,9 58,3 48,9 62,9 59,3 53,7 43,7Bewerbungsunterlagen

Standard. Online- 11,5 17,0 15,2 17,7 14,9 16,1 15,6 15,2 16,1 13,8 10,7 8,4Personalfragebogen

Online-AC / Online-Self-As- 0,0 0,0 1,8 0,0 0,0 0,9 1,0 0,0 0,0 0,8 0,8 0,8sessment

Online-Gruppengespr./ 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0Online-Diskussion

Online-Persönl.-Test 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,8 1,7 1,7

Online-Leistungstest 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

Online-Intelligenztest 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

66 Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar, Ilkay Boramir

Tabelle 3. (Fortsetzung)Unge- Auszubildende Praktikanten Diplo- Trai- Fach- Ange- Führungskräftelernte manden nees arbeiter stellte1

Arbeiter techn. kaufm. techn. kaufm. untere mittlere obere

Biographischer 0,0 1,1 0,9 2,1 2,5 0,9 2,1 2,2 2,4 2,4 2,5 1,7Online-Fragebogen

Bewerberspiele / 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,8 1,7 0,8Online-Fallstudien

Anmerkungen. Angaben in Prozent bezogen auf jeweiliges N = Gesamtzahl der Unternehmen, die die entsprechende Zielgruppebeschäftigen; in runden Klammern Veränderungen gegenüber den Ergebnissen aus Schuler et al., 1993; in eckigen Klammern Ver-änderungen gegenüber den Ergebnissen aus Schulz et al., 1985.1Angestellte ohne Führungsaufgaben. PA = Personalabteilung; FA = Fachabteilung.

Tabelle 4. Mittelwerte der Einschätzung der Validität, Praktikabilität und Akzeptanz der Auswahlverfahren durch Anwender undNichtanwender

Validität Praktikabilität Akzeptanz

Anwender Nichtanwender Anwender Nichtanwender Anwender Nichtanwender

Analyse der 2.3 Ð 2.8 Ð 2.8 ÐBewerbungsunterlagen (-0.1) (+0.2) (-0.1)

Personalfragebogen 1.9 1.8 2.8 2.4 2.2 2.2

Zusätzlich eingeholte 2.1 2.0 1.8 1.5 2.1 2.0Referenzen (0.0) (+0.5) (-0.1) (-0.5) (-0.1) (+0.1)

Strukturiertes telefonisches 2.3 2.1 2.5 2.3 2.3 2.0Interview

Unstrukturiertes telefonisches 1.8 1.4 2.4 2.5 2.1 1.7Interview

Strukturiertes Interview 2.9 2.8 2.6 2.3 2.8 2.7durch PA (+0.3) (+0.5) (+0.2) (+0.5) (0.0) (+0.4)

Unstrukturiertes Interview 2.5 1.8 2.6 2.5 2.8 2.0durch PA (+0.4) (+0.2) (-0.1) (-0.1) (+0.2) (-0.3)

Strukturiertes Interview 2.7 2.3 2.5 2.2 2.9 2.7durch FA (+0.1) (0.0) (+0.4) (+0.1) (+0.2) (+0.4)

Unstrukturiertes Interview 2.1 1.6 2.4 2.2 2.6 2.0durch FA (0.0) (0.0) (-0.2) (-0.2) (0.0) (-0.1)

Assessment Center 2.8 2.5 1.6 1.3 2.5 2.1(0.0) (0.0) (+0.5) (+0.3) (-0.1) (+0.1)

Gruppengespräch / Diskussion 2.5 2.0 2.0 1.8 2.2 2.1(+0.1) (-0.2) (+0.4) (+0.6) (-0.2) (-0.1)

Persönlichkeitstest 2.1 1.8 2.2 1.9 1.7 1.5(-0.1) (+0.2) (+0.4) (+0.4) (-0.3) (0.0)

Leistungstest, z.B. Bürotest 2.3 1.9 2.1 1.7 2.0 1.7(-0.1) (-0.3) (+0.1) (0.0) (-0.3) (-0.2)

Intelligenztest 2.2 1.8 2.1 1.7 1.9 1.4(0.0) (-0.2) (+0.1) (0.0) (-0.3) (-0.3)

Arbeitsproben 2.7 2.3 2.0 1.8 2.5 2.2(-0.1) (-0.2) (0.0) (+0.1) (-0.1) (-0.1)

Biographischer Fragebogen 2.5 1.8 2.0 2.0 2.0 1.7(+0.1) (0.0) (-0.5) (+0.2) (-0.3) (+0.1)

Graphologisches Gutachten 1.3 1.0 2.0 1.4 1.3 1.1(-0.3) (0.0) (+0.6) (-0.4) (-0.5) (0.0)

Medizinische Begutachtung 2.3 1.3 2.5 1.7 2.1 1.4(0.0) (-0.6) (+0.3) (+0.2) (-0.6) (-0.5)

67Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen

Tabelle 4. (Fortsetzung)

Validität Praktikabilität Akzeptanz

Anwender Nichtanwender Anwender Nichtanwender Anwender Nichtanwender

Analyse von Online- 2.0 1.8 2.7 2.5 2.5 2.3Bewerbungsunterlagen

Standard. Online- 2.0 1.8 2.5 2.4 2.4 2.0Personalfragebogen

Online-AC / Online-Self- 2.0 1.6 1.7 1.5 2.0 1.6Assessment

Online-Gruppengespr./ Ð 1.3 Ð 1.3 Ð 1.5Online-Diskussion

Online-Persönl.-Test 1.5 1.4 2.0 1.9 1.5 1.4

Online-Leistungstest Ð 1.5 Ð 1.8 Ð 1.6

Online-Intelligenztest Ð 1.5 Ð 1.8 Ð 1.4

Biographischer Online- 2.0 1.5 2.3 1.9 2.0 1.6Fragebogen

Bewerberspiele / Online- 2.5 1.5 2.0 1.5 2.0 1.8Fallstudien

Anmerkungen. In Klammern Veränderungen gegenüber den Ergebnissen aus Schuler et al., 1993. Alle Werte sind so kodiert, dass3 die höchste Ausprägung des Gütekriteriums darstellt und 1 die geringste. PA = Personalabteilung; FA = Fachabteilung.

zeptiert bei den Bewerbern sind nach Meinung allerbefragten Personen strukturierte Einstellungsinter-views und die Analyse der Bewerbungsunterlagen.Die Anwender schätzen zudem die Akzeptanz der un-strukturierten Einstellungsinterviews als besondersgut ein. Auf besonders starke Ablehnung stoßen dem-gegenüber (Online-)Persönlichkeitstests und grapho-logische Gutachten. Verglichen mit den Ergebnissenvon Schuler et al. (1993) fallen auch hinsichtlich derAkzeptanz bei den Bewerbern die Bewertungen fürdie strukturierten Formen des Einstellungsinterviewspositiver aus. Alle anderen Verfahren werden als we-niger oder gleich gut akzeptiert eingeschätzt. Beson-ders groß ist die Verschlechterung bei den medizini-schen Begutachtungen.

Wie wirken sich nun diese Einschätzungen der Va-lidität, Praktikabilität und Akzeptanz relativ zueinan-der auf die Entscheidung aus, ein bestimmtes Verfah-ren einzusetzen? Da in der vorliegenden Untersu-chung sowohl die Einschätzung der drei Güteaspekteals auch die Angabe über den Einsatz des jeweiligenVerfahrens vorliegt, kann mittels logistischer Regres-sionen geprüft werden, welches der Gütekriterien ei-nen Verfahrenseinsatz am stärksten beeinflusst. Dabeiist den Autoren bewusst, dass hier eine Ursache-Wir-kungs-Beziehung angenommen wird, deren Wirkrich-tung auch umgekehrt sein könnte. Tabelle 5 zeigt dieErgebnisse der logistischen Regression für die einzel-nen Verfahren. Auf die Berechnung der Regressionwurde bei denjenigen Auswahlverfahren verzichtet,die nur von Anwendern oder Nichtanwendern bewer-tet wurden oder bei denen in der Gruppe der Anwen-

der oder Nichtanwender zu wenige Fälle (n � 10) ent-halten sind. Die Regressionskoeffizienten (b-Ge-wichte) zeigen die relative Bedeutsamkeit der dreiGütekriterien für die Anwendung bzw. Nicht-Anwen-dung des jeweiligen Auswahlverfahrens an. Zur Beur-teilung der Modellgüte (Gesamtfit) wird in Tabelle 5das Nagelkerke-R2 berichtet. In der rechten Spalte derTabelle wird außerdem das Signifikanzniveau des Li-kelihood Quotiententests (Omnibustest der Modellko-effizienten) ausgewiesen, der über die Verbesserunggegenüber dem Null-Modell (nur Konstante) Aus-kunft gibt. Die Bewertung der Validität erweist sichin mehreren Fällen als das relativ bedeutendste Güte-merkmal (z. B. für den Einsatz von strukturiertenInterviews durch die Fachabteilung, von medizi-nischen Begutachtungen, von Gruppengesprächenoder Leistungstests). Praktikabilitätsüberlegungenscheinen v. a. für den Einsatz eines Personalfrage-bogens ausschlaggebend zu sein, während die Überle-gung, ob das Verfahren bei den Bewerbern akzeptiertwird, für den Einsatz von unstrukturierten Interviewsund Intelligenztests bedeutsam ist.

Zukunftstrends

Auf die Frage nach den zukünftig geplanten Ände-rungen gaben 36 % der befragten Unternehmen Aus-kunft. Davon haben jeweils ca. 20 % vor, in ZukunftAssessment Center, Testverfahren oder strukturierteEinstellungsinterviews einzuführen. 19 % der Ge-samtstichprobe wollen zukünftig erstmalig oder ver-

68 Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar, Ilkay Boramir

Tabelle 5. Logistische Regressionsanalyse der Bewertungskategorien der Validität, Praktikabilität und Akzeptanz

Regressionskoeffizienten (b) der Bewertungskategorien GesamtmodellValidität, Praktikabilität und Akzeptanz

b-Gewicht b-Gewicht b-Gewicht Nagelkerkes R2 p1

Validität Praktikabilität Akzeptanz

Personalfragebogen Ð.12 1.11** Ð.03 .10 .08

Zusätzlich eingeholte .26 .62 Ð.04 .06 .27Referenzen

Strukturiertes .51 .18 .47 .10 .09telefonisches Interview

Unstrukturiertes .97 Ð.30 .35 .15 .03telefonisches Interview

Strukturiertes Interview .00 1.07 .65 .09 .22durch PA

Unstrukturiertes Interview .76 .09 1.35** .37 .00durch PA

Strukturiertes Interview 1.40** .60 Ð.09 .21 .00durch FA

Unstrukturiertes Interview .17 Ð.05 .85* .16 .01durch FA

Assessment Center .85 .54 .55 .17 .00

Gruppengespräch / 1.31** .42 Ð.46 .17 .01Diskussion

Persönlichkeitstest .57 .43 .47 .13 .08

Leistungstest, z. B. 1.29* .74* .13 .26 .01Bürotest

Intelligenztest .53 .40 1.22** .27 .00

Arbeitsproben 1.17* .32 .51 .19 .01

Medizinische 1.39** 1.35* Ð.23 .50 .00Begutachtung

Analyse von Online- .57 .27 .22 .06 .28Bewerbungsunterlagen

Standardisierter Online- .24 Ð.03 .97 .11 .12Personalfragebogen

Anmerkungen. * p � .05; ** p � .01 (�2-Test von Wald); 1Signifikanzniveau des Likelihood Quotiententests (�2) (Test der globa-len Null-Hypothese).

stärkt onlinegestützte Verfahren einsetzen. Davon pla-nen jeweils gute 10 % den Einsatz von Online-Varian-ten psychologischer Testverfahren oder Online-As-sessment Center.

Diskussion

Einige Trends, die sich bereits bei Schuler et al.(1993) abzeichneten, verstetigen sich. Alle Unterneh-men lassen ihre zukünftigen Mitarbeiter von der

Fach- und/oder Personalabteilung interviewen, in derMehrzahl der Fälle und mit zunehmender Tendenz inForm eines strukturierten Einstellungsgesprächs. DieAnalyse der Bewerbungsunterlagen wird ebenfallsvon beinahe allen Unternehmen zur Personalauswahleingesetzt, was sich seit 20 Jahren nicht verändert hat.Auch in internationalen Studien stellten sich Inter-views und Bewerbungsunterlagen als die am häufigs-ten genutzten Verfahren heraus (Ryan, McFarland,Baron & Page, 1999). Im Gegensatz zu allen anderenOnline-Verfahren erreicht die Online-Variante derBewerbungsunterlagen ein Verbreitungsniveau, das

69Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen

annähernd an das des konventionellen Pendants he-ranreicht. Assessment Center werden über die vergan-genen 20 Jahren hinweg immer häufiger eingesetzt,in der vorliegenden Studie werden sie von mehr alsder Hälfte der Unternehmen zur Auswahl neuer Mit-arbeiter durchgeführt. Im Falle des Assessment Cen-ters wird die Zielgruppenspezifität besonders deut-lich. Meist werden Assessment Center für die Aus-wahl von Trainees oder Auszubildenden eingesetzt.In der Gruppe der Führungskräfte überwiegen mitBewerbungsunterlagen, Interviews und Referenzenbiographisch orientierte Verfahren. Zumindest imFalle des Intelligenztests kann auch die von Sack-mann und Elbe (2000) sowie Göhs und Dick (2001)vermutete Verbreitung psychologischer Testverfah-ren bei 30 % der Unternehmen bestätigt werden.Leistungstests werden allerdings etwas häufiger, Per-sönlichkeitstests eher seltener eingesetzt; wobei ers-tere vor allem bei der Auswahl Auszubildender, letz-tere auch bei der Auswahl von Trainees und Füh-rungskräften zum Einsatz kommen. Verglichen mitDaten aus insgesamt 20 Ländern werden Intelligenz-und Persönlichkeitstests in Deutschland vergleichs-weise selten zur Personalauswahl eingesetzt (Ryan etal. 1999; für europäischen Vergleich siehe auch Schu-ler et al., 1993). Im Verlauf der betrachteten 20 Jahrehat die Verwendung von psychologischen Testverfah-ren zur Auswahl neuer Mitarbeiter in deutschen Un-ternehmen sogar nachgelassen, was an den im Mitteleher schlechten Einschätzungen der Akzeptanz dieserVerfahren bei den Bewerbern liegen könnte. DiePraktikabilität und Validität werden von denPersonalverantwortlichen immerhin auf einem mittle-ren Niveau gesehen. Die stärkste rückläufige Ent-wicklung findet sich bei der Verwendung von grapho-logischen Gutachten, die in deutschen Unterneh-men Ð anders als z. B. in französischen Ð mittler-weile kaum noch eine Rolle spielen.

Die insgesamt erfreuliche Entwicklung hin zu va-lideren Auswahlverfahren wie strukturierten Inter-views und Assessment Center auf der einen Seite undder starke Rückgang der Verwendung graphologi-scher Gutachten zur Personalauswahl auf der anderendeutet auf einen erfolgreichen Transfer von der Wis-senschaft in die Praxis hin (vgl. auch Hell, Schuler etal., 2006) Ð wenngleich ein Verfahren wie der Intelli-genztest, das sich in der Metaanalyse von Schmidtund Hunter (1998) als besonders valide erwiesen hat,von den Personalverantwortlichen in den befragtenUnternehmen hinsichtlich seiner Validität auf einender hinteren Rangplätze verwiesen wird, und das As-sessment Center mit einer vergleichsweise niedrige-ren Validität von .37 oder laut einer aktuelleren Meta-analyse nur .26 (Hardison & Sackett, 2007) auf denersten Platz gesetzt wird. Solche drastischen Unter-schiede sind aber eher die Ausnahme als die Regel.

Die stärkere Verbreitung des strukturierten Interviewszusammen mit der besseren Bewertung der Validitätim Vergleich zur Erhebung von 1990 untermauert denVerdacht eines gelungenen Transfers. Die Praktikabi-lität von strukturierten Interviews wird von den Per-sonalverantwortlichen ebenfalls positiver bewertet als1990. Dies kann z. B. durch gewonnene Erfahrungenzustande gekommen sein. Ähnlich wie bei den Ver-fahren zur internen Personalauswahl (Hell, Boramir etal., 2006) hängt die Einschätzung der Praktikabilitätvermutlich in erster Linie von dem Aufwand ab, derzur Konstruktion und Durchführung der Verfahrenbetrieben werden muss. Einfach zu konstruierendeund durchzuführende Verfahren wie die Analyse vonBewerbungsunterlagen, telefonische und persönlicheInterviews sowie standardisierte Online-Personalfra-gebogen werden als besonders praktikabel bewertet.Auch die Einschätzung der Validität orientiert sich anähnlichen Maßstäben wie bei der internen Personal-auswahl (Hell, Boramir et al., 2006). So wird die Vali-dität v. a. dort besonders hoch eingeschätzt, wo Ver-haltensbeobachtungen erfolgen können, aktuelle oderkünftige Vorgesetzte involviert sind oder wo dem Be-werber ein gewisses Ausmaß an Situationskontrollemöglich ist. Der letztgenannte Punkt sorgt auch füreine günstige Bewertung der Akzeptanz des Verfah-rens durch die Bewerber.

Vor einem guten Jahrzehnt hob sich in bivariatenAnalysen die Akzeptanz durch einen engeren Zusam-menhang zum Einsatz der Verfahren von den anderenGütemaßen ab (Schuler et al., 1993). Die Analyse deraktuellen Daten liefert ein weniger eindeutiges Bild.Zwar kristallisiert sich die Validität als einflussreichs-tes Gütekriterium heraus, doch im Einzelfall variiertdie Bedeutung der Gütekriterien Validität, Praktikabi-lität und Akzeptanz von Verfahren zu Verfahren. Sowiegt eine hohe Akzeptanz von Verfahren, wie imFall der unstrukturierten Interviews, mitunter die alsgeringer erachtete Validität auf. Es bleibt zu hoffen,dass die längere Erfahrung mit Verfahren wie demstrukturierten Interview und dem Assessment Centeroder auch die Diskussion und Einführung der DIN-Norm 33430 zur Aufklärung über Verfahrensqualitä-ten beigetragen haben.

Nach eigenen Angaben planen weitere Unterneh-men den Einsatz von Assessment Centern, Testver-fahren oder strukturierten Interviews. Somit kann da-von ausgegangen werden, dass sich der Trend zu ver-mehrtem Einsatz strukturierter Interviews und As-sessment Center in Zukunft fortsetzt. Durch dieverstärkte internationale Ausrichtung vieler Unter-nehmen und die dadurch zu erwartende Anpassungvon Personalauswahlprozessen kann auch für psycho-logische Testverfahren in Zukunft vielleicht wiederein ansteigender Trend angenommen werden.

70 Heinz Schuler, Benedikt Hell, Sabrina Trapmann, Hagen Schaar, Ilkay Boramir

Begrenzungen für die Generalisierbarkeit der auf-gezeigten Befunde ergeben sich durch die Stichprobe.Es handelte sich um 125 der 550 umsatzstärksten Un-ternehmen in Deutschland. Inwiefern die Personal-auswahlpraxis auf alle deutschen Unternehmen über-tragen werden kann, bedarf zusätzlicher Erhebungen.

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Eingegangen: 30. 06. 2006Revision eingegangen: 04. 09. 2006

Prof. Dr. Heinz Schuler

Universität HohenheimLehrstuhl für Psychologie (540F)70593 StuttgartE-Mail: [email protected]