Gemeinsam sind sie stark: Wie die Persönlichkeiten von Unternehmen und Marken starke Bindungen zum...

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Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen. Theorie und Praxis – eine starke Verbindung! Da ich hiervon schon immer überzeugt war, habe ich Publizistik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaf- ten studiert und zudem Praxiserfahrungen durch Praktika, Hospitanzen und Projekte gesammelt. Seit 14 Jahren arbeite ich in der Unternehmens- kommunikation von Schering, einem global ope- rierenden Pharmakonzern. Dort koordiniere ich das weltweite Kommunikationsnetzwerk, infor- miere konzernweit über die Unternehmensstra- tegie und berate Führungskräfte. Parallel dazu engagiere ich mich seit vielen Jah- ren an Hochschulen und Universitäten im In- und Ausland - zuletzt als Honorarprofessor am Stu- diengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommu- nikation (GWK) und am Institute of Electronic Bu- siness der Hochschule der Künste Berlin sowie als Hauptdozent im Rahmen des Executive MBA in Business Engineering der Universität St. Gal- len und der St. Clara University (Silicon Valley). Inhaltlich interessiert mich vor allem das Strate- gische Kommunikationsmanagement. In diesem Rahmen haben mich in den letzten Jahren die Themen Corporate Identity und Markenführung beschäftigt. Mein theoretisches und praktisches Wissen habe ich in zahlreichen Fachpublikatio- nen und Büchern (Titel: Public Relations, Corpo- rate Identity; Krisen meistern mit PR; Interne Kommunikation; Wissensmanagement; Inter- net-PR und E-Branding) festgehalten. Mein Leitsatz als überzeugter Planer lautet: „When everyone else on the ice is trying to get where the puck is, I try to get where the puck is going to be.“ (Erfolgsgeheimnis der Eishockey-Legende Wayne Gretsky).

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Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen.

Theorie und Praxis – eine starke Verbindung! Daich hiervon schon immer überzeugt war, habe ichPublizistik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaf-ten studiert und zudem Praxiserfahrungen durchPraktika, Hospitanzen und Projekte gesammelt.

Seit 14 Jahren arbeite ich in der Unternehmens-kommunikation von Schering, einem global ope-rierenden Pharmakonzern. Dort koordiniere ichdas weltweite Kommunikationsnetzwerk, infor-miere konzernweit über die Unternehmensstra-tegie und berate Führungskräfte.

Parallel dazu engagiere ich mich seit vielen Jah-ren an Hochschulen und Universitäten im In- undAusland - zuletzt als Honorarprofessor am Stu-diengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommu-nikation (GWK) und am Institute of Electronic Bu-siness der Hochschule der Künste Berlin sowieals Hauptdozent im Rahmen des Executive MBA

in Business Engineering der Universität St. Gal-len und der St. Clara University (Silicon Valley).

Inhaltlich interessiert mich vor allem das Strate-gische Kommunikationsmanagement. In diesemRahmen haben mich in den letzten Jahren dieThemen Corporate Identity und Markenführungbeschäftigt. Mein theoretisches und praktischesWissen habe ich in zahlreichen Fachpublikatio-nen und Büchern (Titel: Public Relations, Corpo-rate Identity; Krisen meistern mit PR; InterneKommunikation; Wissensmanagement; Inter-net-PR und E-Branding) festgehalten.

Mein Leitsatz als überzeugter Planer lautet:„When everyone else on the ice is trying to get where the puck is, I try to get where the puck is going to be.“ (Erfolgsgeheimnis der Eishockey-Legende Wayne Gretsky).

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16 Dieter Herbst

Gemeinsam sind sie stark: Wie die Persönlichkeiten von Unternehmen und Marken starke Bindungen zum Konsument schaffen.

Prof. Dr. Dieter Herbst

Der Weg in den Marken-Olymp wird immer beschwerlicher

Identitätskonzepte als Grundlage für Integriertes Identitätsmanagement

Integriertes Identitätsmanagement von Unternehmens- und Markenpersönlichkeit

Zukunft des Integrierten Identitätsmanagements

Anhang54321

1.1 Die Beziehungen zum Produkt lockern sich

Heutige Marketingexperten träumen von nichtsmehr, als eine starke Marke zu schaffen - eine wieNivea oder Coca Cola, die ganz oben im Marken-Olymp steht. Nivea hat es geschafft, bei vielen anderen ist dies fraglich. Denn: Wer einen Blick in die Zukunft der Werbung wirft, findet deutlicheAnzeichen dafür, dass das Interesse der Konsu-menten an Marken nachlässt und sich ursprüng-lich stabile Beziehungen zwischen Marke und Käufern immer weiter lockern.1

Auf allen Märkten wird der Wettbewerb aufgrundausgeschöpfter Marktpotentiale zunehmen. Pro-duktqualität wird für den Konsumenten selbstver-ständlich. Da eine Abgrenzung über andere Krite-rien fehlt, erlebt der Konsument die Angebotezunehmend als austauschbar, was durch Me too-Produkte und Pseudo-Marken verstärkt wird, diezwar preiswerter als Markenartikel sind, aber kei-nen eigenständigen Leistungsvorteil bieten, wiez.B. das Kopfschmerzmittel ASS Ratiopharm ge-genüber der Marke Aspirin. Markenerweiterun-gen, schnelle Konzeptionswechsel und Umposi-tionierungen verwässern ursprünglich klar profi-lierte Marken. Melitta, einst für Kaffee bekannt,bot z.B. zusätzlich Kaffeemaschinen und Kaffee-filter, Lebensmittelfolien, Staubsaugerbeutel, Müll-beutel, Luftreiniger und Teefilter an.

Was ist die Folge? Orientierung und Vertrauen indie Einzigartigkeit der Produkte gehen verloren.Kunden, Mitarbeitern und nicht zuletzt Werbernist nicht mehr klar, für was die Marke steht undwelchen einzigartigen und dauerhaften Nutzen sie

bietet. Eine Herausforderung für die Werbungwird daher sein, den Konsumenten eine stärkereOrientierung und Sicherheit zu bieten. Dies er-möglicht den Konsumenten die Identifikation mitden Marken und schafft Vertrauen, das langfris-tige Beziehungen sichert. So steht der Name Me-litta mittlerweile wieder für kaffeenahe Produkte.Für alle anderen Produkte sind Sub-Marken ent-standen, wie Toppits (Lebensmittelfolien) und Aclimat (Luftreiniger).

1.2 Das Unternehmen hinter der Marke wirdimmer wichtiger

Obwohl Marken auch weiterhin als Orientierungs-hilfe für die Bewertung von Angeboten dienen,sind sie in einigen Bereichen nicht mehr alleinkaufentscheidend: Steht ein Käufer vor dem Kühl-regal im Supermarkt, entscheidet er sich bei ähn-lichen Produkten und Preisen für das Unterneh-men, das er kennt und sympathisch findet. Fast 70Prozent kaufen keine Waren von Unternehmen,von denen sie eine schlechte Meinung haben.2

Es scheint sogar einen Vertrauenstransfer zu ge-ben: Vertrauen in die Marke bedeutet zugleichVertrauen in das dazugehörige Unternehmen undumgekehrt. Ein Konsument kauft das neue Pro-dukt eines Herstellers mitunter schon deshalb,weil er gute Erfahrungen mit dem Hersteller ge-macht hat. Anders herum kann ein Konsument einpositives Bild von einem Unternehmen gewinnen,weil er seine Produkte kennt und schätzt. DasWerbemanagement sollte also künftig stärker dieGesamtkommunikation des Unternehmens be-rücksichtigen. Optimal wäre, wenn sich die Vor-stellungsbilder von Unternehmen und Markenwechselseitig übertragen und gegenseitig stärken!

17Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen.

Mattenklott . Schimansky

1. Der Weg in den Marken-Olymp wirdimmer beschwerlicher

1

Doch selbst eine Orientierung an Firmen wirdschwieriger: Durch zunehmende Verflechtung und schnellen Wandel der nationalen und inter-nationalen Märkte sind Unternehmen komplexerund undurchschaubarer geworden: Daimler undChrysler sind fusioniert, die Hypo- und die Vereins-bank sind ‚hypovereint’ und die Allianz Versiche-rung ist mit der Dresdner Bank durch das ‚grüneBand der Sympathie’ verbunden.

Ein Grund für Zukauf und Übernahme ist, dass Fir-men ihre Produktpalette vervollständigen können,ohne selbst aufwendig und risikoreich neue Pro-dukte entwickeln zu müssen. Diese Komplettlö-sungen versetzen sie in die Lage, nicht mehr nureinzelne Marktsegmente zu bedienen, sondernden gesamten Markt abdecken zu können, wiedas Beispiel Volkswagen belegt:

Schon längst prägt nicht allein der Golf das Bild der

Marke Volkswagen, sondern mehrere Produktlinien -

vom Lupo bis zum Passat. Die Volkswagen-Marke

SEAT galt einst als Billignachbau von Fiat-Modellen,

die vor allem im spanischen Markt angeboten

wurde. Volkswagen entwickelte sie zu einer jungen

südeuropäischen Marke, die unter dem Motto ‚auto-

mobile Lebensfreude’ steht und sportlich emotionale

Fahrzeuge mit mediterranem Charme bietet. Ihr

strategischer Wettbewerber ist Alfa Romeo. Die

tschechische Volkswagen-Marke SKODA bietet funk-

tionale Autos mit einem attraktiven Preis-Leistungs-

verhältnis, die damit im Wettbewerb mit Volvo steht.

So attraktiv Komplettangebote für Anbieter undKäufer sind - Fusionen und Akquisitionen habenzu einer Konzentration immer größerer Konzerne

und Holdings geführt, die zum Teil nur als organi-satorischer und finanzieller Zusammenschluss fun-gieren. Die Zielgruppen dieser Unternehmen wiedie Verbraucher, der Handel und andere Unterneh-men verlieren hierdurch den Überblick: Sie wissenweder, was sich hinter neuen Kunstnamen wieAventis und Novartis verbirgt, noch können sieerkennen, für welche Werte diese Namen stehen.Selbst etablierte Firmen haben mit ihrem Image zukämpfen: Früher stand der Name Mercedes füreinen Autobauer, später für die Vision eines inte-grierten Technologiekonzerns – und heute? DerName Bertelsmann steht für viele immer noch fürden altbackenen Buchclub und nicht für einenmodernen, globalen Medienkonzern.

Aber nicht nur externe Zielgruppen verlieren denÜberblick, auch intern gibt es Probleme: In denFirmenkonglomeraten finden Koordination undAbstimmung kaum noch statt. Nicht selten hat einKonzern mehrere Marketingabteilungen mit nochmehr Units, die alle ein Eigenleben führen: EineUnit ist zuständig für Produkte, eine für Preise,eine für Distribution und eine für Kommunikation.Eine Unit vermarktet Marke A und die andereMarke B, ohne gegenseitige Auswirkungen zubeachten und Absprachen zu treffen. Das gleichegeschieht in den Kommunikationsabteilungen mitWerbung, Verkaufsförderung und Public Relations.Profit-Center-Strukturen tragen zusätzlich dazubei, dass sich jeder Bereich nur selbst optimiert.Das Wir-Gefühl geht verloren und macht Eigen-brötelei und Bereichsegoismus Platz, die den inter-nen Arbeitsablauf stören und die Koordinationund den Zusammenhalt hemmen.

Darüber hinaus erkennt das Stammpersonal mit-unter zugekaufte Produkte nicht als eigene an undidentifiziert sich nicht mit ihnen. Es entsteht das

Werbung

18 Dieter Herbst

1.3 Aber auch Unternehmen bieten kaum nochOrientierung

‚this is not invented here’-Syndrom, das selbst er-folgreiche Firmen wie Hewlett-Packard kennenund fürchten, denn die Konsequenz ist, dass Mar-ken ohne die erforderliche Beachtung und Fürsor-ge weitergeführt werden.

Mit jeder Erweiterung verlieren die internen undexternen Zielgruppen weiter den Überblick underkennen den ursprünglichen Unternehmenssinnnicht mehr. Auf internationaler Ebene wird allesnoch komplexer und undurchschaubarer.

Was bedeuten diese Veränderungen für Unterneh-mensführung, Markenführung und Werbung?

1.4 Die Lösung: Gemeinsames Identitätsma-nagement von Unternehmen und Marken

Unternehmen müssen ihren Zielgruppen zeigen:Das sind wir, das können und wollen wir. WichtigeZielgruppen müssen erfahren, welche Werte undNormen dem unternehmerischen Handeln zugrun-de liegen, um entscheiden zu können, ob sie dasHandeln unterstützen wollen oder nicht. Wiewichtig ein klares und abgrenzbares Firmenimageist, zeigt die Schätzung von Finanzexperten, dassder Börsenwert eines Unternehmens heutzutagezu etwa 40 Prozent von seiner Kommunikationbestimmt wird.3 Die Finanzgemeinde will nicht nurgute Zahlen sehen, sondern auch von einer star-ken und schlüssigen Zukunftsgeschichte (EquityStory) fasziniert werden.4

Der Aufbau und die Gestaltung sowohl von Mar-ken- als auch von Firmenimages wird deshalb wei-ter an Bedeutung gewinnen. Wen wundert es,wenn Henkel mehrere Millionen Mark in eineKampagne steckt, um das Unternehmen hinter

seinen Marken (Persil etc.) bekannt zu machen.Der Kommunikations-Chef von Henkel, Jakob Luxbegründet diese Investition folgendermaßen: „Esreicht nicht, der unbekannte Riese zu sein. Dennalles, was unbekannt oder nur wenig bekannt ist,erweckt kein Vertrauen.“5

Allerdings sind das integrierte Management vonUnternehmens- und Markenimages eine komple-xe, anspruchsvolle und übergreifende Aufgabe,die angemessen gesteuert und koordiniert werdenmuss - Werbung ist ein Teil davon. Das Identitäts-management bietet hier einen zeitgemäßen An-satz an, um diese Herausforderungen zu meistern.

In den folgenden Kapiteln wird dargestellt, wel-ches Verständnis von Unternehmens- und Marken-persönlichkeiten angemessen ist, um diese Proble-me zu lösen. Der Beitrag wird schließlich aufzei-gen, durch welches systematische und langfristigeVorgehen das gemeinsame Gestalten der Unter-nehmens- und Markenidentitäten möglich ist.

19Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen.

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Viele Marken sind unter dem Dach von Henkel zusammengefasst.

Identitätsmanagement hat das Ziel, einzigartigeund unverwechselbare Unternehmens- und Mar-kenpersönlichkeiten aufzubauen und kontinuier-lich zu entwickeln. Diese starken Persönlichkeitensollen Orientierung und Sicherheit bieten, damitVertrauen ermöglichen und die Grundlage fürdauerhafte Beziehungen schaffen.

2.1 Wie sich die Identitätskonzepte entwickelthaben

Auf Unternehmensebene wird das Corporate Iden-tity Management (CIM) schon seit den 70er Jahrendiskutiert.6 Demnach kann jedes Unternehmenseine Identität gestalten und nach innen und aus-sen durch ein eindeutiges Erscheinungsbild lang-fristig vermitteln. Neuen Aufwind hat dieses Kon-zept Mitte der 90er Jahre erhalten, da Experten-schätzungen zufolge rund 70 Prozent der Firmen-zusammenschlüsse aufgrund einer unvereinbarenUnternehmenskultur gescheitert sind. Es gilt da-her als unverzichtbar, ein gemeinsames Selbstver-ständnis zumindest in den für den Unternehmens-erfolg wichtigen Punkten gemeinsam zu gestaltenund zu kommunizieren. Ein positives Beispiel isthier die Pharmafirma Boehringer Ingelheim:7

Tiefgreifende Veränderungen zu Beginn der 90er

Jahre erforderten, dass sich das chemisch-pharma-

zeutische Unternehmen erstmals in seiner über

100jährigen Geschichte mit CI beschäftigte. Intern

wie extern wollte es sich klar und deutlich positio-

nieren, um Mitarbeitern und Kunden aufkommende

Sorgen über die Unternehmenszukunft zu nehmen.

Gerade das Einbeziehen der Mitarbeiter und das

Verständnis für die Zukunftsziele wurden als Erfolgs-

faktoren angesehen, um auch weiter zu den Bran-

chenbesten zu gehören. In Workshops formulierte

die Konzernleitung ihr Selbstverständnis, das dem

Zukunftsmotto ‚Value through innovation!’ folgte.

Die Vision, konsequent innovationsorientiert sein zu

wollen, wurde wochenlang auf Verträglichkeit mit

der bestehenden Unternehmenskultur geprüft und

dann an alle 24.000 Mitarbeiter und Kunden welt-

weit vermittelt: In über 140 mehrtägigen Visions-

konferenzen wurden die Leitsätze vermittelt und für

ihre Umsetzung vom Spitzenmanagement gewor-

ben. Zur langfristigen Sicherung des CI-Prozesses

wurde das regelmäßig erscheinende ‚Vision Magazi-

ne’ konzipiert und ein ‚Value through innovation!’-

Tag etabliert, damit sich alle Mitarbeiter weltweit

über Fortschritte austauschen und Veränderungszie-

le neu anpeilen konnten.

Ergebnis: Seit dem Start des CI-Prozesses hat sich

die Zusammenarbeit gebessert, die Job-Zufrieden-

heit ist gestiegen, die Attraktivität des Unterneh-

mens bei hochqualifizierten Bewerbern hat zuge-

nommen, die Verschwendung beim Einkauf ist ge-

sunken, Arbeitsabläufe konnten beschleunigt und

der Jahresumsatz sowie die Produkt-Innovationsrate

gesteigert werden.

Seit Anfang der 90er Jahre werden Identitätskon-zepte auch auf Marken angewendet:8 Eine einzig-artige Markenpersönlichkeit soll den Marken einunverwechselbares Profil geben, das nach innenund außen wirkt. Die mit einer Marke verbunde-nen Persönlichkeitsmerkmale sollen bei den Kon-sumenten dauerhaft verankert werden und dieeindeutige Abgrenzung erlauben: Zum Beispiel giltCoca Cola als cool, typisch amerikanisch und real,

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20 Dieter Herbst

2. Identitätskonzepte als Grundlage fürIntegriertes Identitätsmanagement

2

Pepsi als jung, aufregend und verrückt und Blunaals unkonventionell, einzigartig und lustig. Markennehmen menschliche Gestalt an, wie das Michelin-Männchen und Meister Proper.

Tiere sollen Markenpersönlichkeiten transportie-ren, wie das Häschen von Duracell, der Spürhundvon Lycos und die Ameisen von Letsbuyit.com. DerKonsument soll sich mit diesen Persönlichkeitenund den von ihnen verkörperten Werten identifi-zieren und zum Teil seines persönlichen Lebensmachen: Wer also die Siegermarke Nike trägt, istselbst ein Gewinner oder möchte sich beim Tragenzumindest ein wenig so fühlen. Wenn Spitzen-sportler wie Tiger Woods oder André Agassi, diedie Siegermarke in der Werbung verkörpern, aufdem Siegertreppchen stehen, steht immer auchder Nike-Träger auf dem Podest.

2.2 Zentrale Annahmen der Identitätskonzepte

Was sind die zentralen Annahmen, die den Identi-tätskonzepten zugrunde liegen?

Wie auch zwischen Menschen ist Vertrauen zuUnternehmen und Marken die Grundlage lang-fristiger Beziehungen. Vertrauen entsteht durchVerlässlichkeit: Die Zielgruppen wissen, für wasdas Unternehmen bzw. die Marke steht undwelchen einzigartigen Nutzen sie bieten. Wenman nicht kennt, dem vertraut man nicht, sodie Marketingexperten Meffert und Burmann.Vertrauen verringert das wahrgenommene Risi-ko, vom Anbieter und seinen Leistungen ent-täuscht zu werden. Der Konsument kann ohnelange Vergleiche einkaufen und muss nicht dasgesamte Angebot prüfen, um die richtige Ent-scheidung zu treffen. Hierdurch spart er Kos-ten, die er zum Verringern des Risikos ausgege-ben hätte, zum Beispiel für Versicherungenoder die Informationssuche nach geeigneten,zuverlässigen Anbietern.

Die Einzigartigkeit der Persönlichkeiten muss sich durch Merkmale auszeichnen, die für Zielgruppen relevant sind.

Die Einzigartigkeit von Unternehmen und Mar-ke entsteht durch einzelne Merkmale der Un-ternehmens- bzw. Markenpersönlichkeit odereine bestimmte Kombination, die das Unter-nehmen bzw. die Marke für die Zielgruppenerkennbar macht und von anderen dauerhaftunterscheidet. Das Unternehmen muss dieseMerkmale kennen und festschreiben. Die Ziel-gruppen müssen diese Merkmale wahrnehmenkönnen und sie müssen für diese relevant sein.Diese Einzigartigkeit fehlt jedoch vielen Unter-nehmen und Marken, was sie bei der Zielgrup-pe schwach erscheinen lässt.

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Meister Proper strahlt die ‚starke’ Reinigungskraft des gleichna-migen Putzmittels aus. Das Michelin-Männchen signalisiert

Zuverlässigkeit der Reifen auf allen Straßen.

1.

2.

Die Zielgruppen brauchen für ihr Vertrauen das Wissen um Verlässlichkeit.

Kern der Persönlichkeit ist deren Kompetenz.Was können Unternehmen und Marke glaub-haft leisten und deutlich wahrnehmbar vermit-teln? Im Fall von Volvo ist dies die Sicherheitund bei Mercedes das Prestige. Bei Nivea ist esdie milde Hautpflege und Qualität. Der Kundevertraut auf diese Leistungsfähigkeit.

Das Selbstverständnis einer starken Pesön-lichkeit stimmt mit dem der Zielgruppenüberein.

Voraussetzung für das Entwickeln starker Per-sönlichkeiten ist der kontinuierliche Austauschmit den internen und externen Zielgruppen: Je stärker das Selbstverständnis eines Unter-nehmens mit dem seiner Zielgruppen überein-stimmt, desto stärker ist seine Persönlichkeit.Damit unterscheiden sich Identitätskonzeptevon bisherigen Sichtweisen, die sich entweder

nur auf das Erscheinungsbild konzentrierten(Aussagenkonzepte) oder nur auf deren Wir-kung bei den Zielgruppen (Akzeptanzkonzept).

Die Persönlichkeit besitzt sowohl stabile als auch variable unverwechselbare Werte.

Eine Persönlichkeit besitzt zum einen zentraleWerte, die über längere Zeit stabil sind undzum anderen variable Anteile wie etwa seineKommunikationsbotschaften. Durch derenKombination können die Zielgruppen das Un-ternehmen bzw. die Marke immer neu erlebenund haben dabei doch stets das Gefühl, dassdies unterschiedliche Aspekte ein und dersel-ben Persönlichkeit sind, deren stabile Kernin-halte sie kennen: Madonna und David Bowieändern zwar ihre äußere Erscheinung, aber siebleiben stets für ihre Fans erkennbar und un-verwechselbar. Die Markenpersönlichkeit vonSwatch beruht auf ihrem wechselnden Erschei-nungsbild, wobei der Markenkern stets be-stimmte konstante Eigenschaften enthält. Dieklassische Auffassung, nach der eine Markestets einheitlich in Erscheinung treten sollte,würde hier nicht greifen.

Identitätskonzepte sind ganzheitlich ausge-richtet und konsequent verhaltensbezogen.

Identitätskonzepte sind ganzheitliche Konzep-te, die das Verhalten einschließen. Dies ist dieKonsequenz aus der Erkenntnis, dass eine Aus-richtung auf die visuelle und kommunikativeErscheinung nicht ausreicht, weil es häufignicht dem Verhalten entspricht. Wird also inder Kommunikation hohe Kundenorientierungbehauptet, muss diese im Umgang mit denKunden auch konsequent gelebt werden.

Werbung

22 Dieter Herbst

Die Marke Nivea ist so stark, dass sie sogar als ‚Kulturgut’propagiert werden kann. (Außenwerbung an der alten Zoll-

brücke zur Speicherstadt in Hamburg.)

3.

4.

5.

6.

Der Kern der Persönlichkeit ist seine glaub-hafte Kompetenz.

Integrierte Konzepte streben danach, Unter-nehmen bzw. Marken widerspruchsfrei bei ihren Zielgruppen darzustellen: Jeder Kontaktmuss die Unternehmens- und Markenpersön-lichkeit stimmig transportieren - von der Ver-packung über die Präsentation im Handel bishin zur Rechnungsstellung und Bedienungs-anleitung. Also anders als der Bekleidungsher-steller C&A, der in der Werbung eine erlebnis-orientierte Markenwelt aufbaut, die am tris-ten Point of Sale im Warenhaus nicht wieder zu finden ist. Dies führt zu Verwirrung beimKonsumenten: Ist die Marke das, was er ausder Werbung kennt, oder das, was er im All-tag direkt erlebt? Nur eine in sich und nachaußen widerspruchsfreie Kombination einzel-ner Persönlichkeitsmerkmale führt zu einerstarken Unternehmens- und Markenidentität.Diese integrierte und ganzheitliche Sicht setztentsprechend einen internen und externenManagementprozess voraus.

3. Integriertes Identitätsmanagement vonUnternehmens- und Markenpersönlichkeit

Die Bedeutung von Identitätskonzepten scheintzwar mittlerweile erkannt, aber es fehlt bisher einintegriertes Identitätsmanagement, um die Unter-nehmens- und Markenpersönlichkeit gemeinsamzu gestalten. Unternehmens- und Markenportfo-lios werden meist noch separat gemanagt. Wider-sprüche und Unstimmigkeiten offenbaren sichspätestens beim Internet-Auftritt des Unterneh-mens, wo sämtliche Kommunikationsaktivitätenzusammenfließen, also Werbung, Verkaufsförde-

rung und Public Relations. Nicht nur beim Online-Marketing wird deshalb immer wichtiger, dass al-le Beteiligten die Bewertungskriterien für Entschei-dungen zur Gestaltung der Unternehmensidenti-tät und Markenidentität sowie deren Beziehungenkennen und die Konsequenzen im eigenen Bereichumsetzen können.

Integriertes Identitätsmanagement (IIM) bedeutetdie Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrollevon Unternehmens- und Markenidentitäten: Ineinem systematischen Prozess erkennt das Unter-nehmen bewusst seine Unternehmens- und Mar-kenidentitäten und vergleicht sie mit Wünschenund Erwartungen der wichtigen internen und ex-ternen Zielgruppen. Mögliche Spannungsverhält-nisse zwischen einzelnen Markenidentitäten sowiezwischen Unternehmens- und Markenidentitätenwerden ausgeglichen und zu einer Einheit entwi-ckelt. Unternehmen und Marken werden also alsGanzheit begriffen, die man in ihrer Wirkung von-einander nicht trennen kann. Ziel des IntegriertenIdentitätsmanagements ist die Gestaltung einesprägnanten, stimmigen und einzigartigen Unter-nehmens- und Markenimages.

3.1 Die Elemente des Integrierten Identitäts-managements

Der integrierte Identitätsprozess besteht aus vierElementen, die in einem engen Zusammenhangstehen und sich gegenseitig beeinflussen:

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Kultur

Image

Leitbild

Instrumente

7. Integriert bedeutet Widerspruchsfreiheit in allen Zielgruppenkontakten.

3

Der Begriff Kultur steht für alle Werte (Wünsche)und Normen (Handlungsleitendes), die das Unter-nehmen als Grundannahmen eint und lebt:

Ist dem Unternehmen Innovation wichtiger oder Kostenorientierung?Ist die Marke vergangenheits- oder zukunfts-orientiert? Schließt ein Außendienstmitarbeiter einen Vertrag ab, auch wenn er Nachteile für denKunden hat? Berät er ihn umfassend, empfiehltvielleicht ein anderes Produkt des Herstellersund verzichtet womöglich auf einen Vertrag?

Jedes Unternehmen hat seine eigene Antwortenauf diese Fragen - selbst unter gleichen äußerenBedingungen. Häufig hat der Firmengründer sol-che Werte und Normen vor dem Hintergrund derjeweiligen Zeit und der Situation seines Unterneh-men geprägt. Im Lauf der Jahre bewähren sie sich,gelten als selbstverständlich und werden an neueMitarbeiter weitergegeben. Jeder weiß, was einer-seits wichtig ist und zählt und andererseits ver-pönt ist und Sanktionen auslöst. Werte und Nor-men werden zum Allgemeingut und stabilisierendas Unternehmen. Stimmen die Mitarbeiter denWerten des unternehmerischen Handelns zu, kanndies die Motivation und Leistung der Mitarbeitererhöhen, weil sie einen Beitrag zum Erreichen desallseits Gewünschten leisten wollen.

Die Werte wirken auch nach außen. Jedes Unter-nehmen ist einzigartig, weil es seine eigene unver-wechselbare Geschichte und Entwicklung hat: Injedem Unternehmen arbeiten andere Menschenmit anderen Erfahrungen und Charakteren, so

dass sich jeweils andere Werte und Normen entwi-ckelt haben. Die Markenführung muss dieses Ein-zigartige berücksichtigen und die Unternehmens-kultur zur Basis der Markenkultur machen.

Zwei Aspekte bestimmen dabei die Markenkultur: Die Marke entsteht zum einen aus einer bestimm-ten Gesellschaftskultur heraus, das heißt die Mar-ke wird durch die kulturelle Verankerung geprägt,durch die Werte und Normen, die in einer Regionoder in einem Land gelten. Die Marke Coca Colaist z.B. eng mit dem amerikanischen Lebensgefühlverknüpft und die Lufthansa steht für deutscheGründlichkeit und Zuverlässigkeit:

Zum anderen ist die Markenkultur durch die Kul-tur der Mitarbeiter bestimmt, deren markenspezi-fisches Denken und Handeln sie umfasst: Stimmendie Mitarbeiter den gemeinsamen Werten, Nor-men und Visionen zu, so kann dies die Identifika-tion der Mitarbeiter mit der Marke erhöhen. Diesist eine wesentliche Voraussetzung für das Entste-hen starker Marken, denn diese Werte wirkendann auch nach außen, so dass Kunden, Lieferan-ten und andere Zielgruppen von dem gelebtenUnternehmensverhalten auf die Marke schließenkönnen. So wird z.B. die Kultur von BMW oder

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Die Lufthansa wird seit jeher mit dem Bild der deutschen

3.1.1 Die Kultur als Element des IntegriertenIdentitätsmanagements

Mercedes direkt auf ihre Marken übertragen(siehe die Abbildung auf der Folgeseite).

Eine Markenpersönlichkeit kann also nicht beliebigkonstruiert werden, sondern muss sowohl auf denvorhandenen Werten und Normen des Unterneh-mens aufbauen, als auch zu dessen anderen Mar-ken in Beziehung stehen. Dies gilt in besonderemMaß für Dienstleister (z.B. Banken, Versicherun-gen, Unternehmensberatungen), deren Mitarbei-ter in direktem Kontakt mit den Kunden stehen.

Was bedeutet dies für das Integrierte Identitäts-management? Zunächst müssen Firmen- und Mar-

kenkultur sorgfältig offengelegt und dann anhandder Anforderungen der Belegschaft und des Um-feldes geprüft werden, ob sie konsistent und zeit-gemäß sind. Steht also ein Unternehmen für Tradi-tion (Dauer), können die Marken schwerlich dieEigenschaften ‚Dynamik und Flexibilität’ (Wandel)verkörpern. In diesem Fall entwickelt das Integrier-te Identitätsmanagement eine auf die Zukunft ge-richtete Gesamtpersönlichkeit von Unternehmenund Marke, die in einem Leitbild formuliert undverbindlich niedergeschrieben wird.

Das integrierte Gestalten der Unternehmens- undMarkenpersönlichkeit setzt voraus, dass die Ver-antwortlichen zum einen wissen, wie sie ihr Unter-nehmen und deren Marke(n) sehen. Zum anderensollten sie möglichst konkret formulieren können,wie ihre Mitarbeiter und wichtige externe Ziel-gruppen Unternehmen und Marke sehen wollenund sollen. Somit gilt es, die angestrebten Werte,die Unternehmen und Marke repräsentieren sol-len, in einem Leitbild festzulegen.

Während die Kultur die verkörperten Werte (IST)festhält, formuliert das Leitbild die gewünschteKultur (SOLL). Im Idealfall stimmen IST und SOLLüberein. Das Leitbild besteht aus der Leitidee, denLeitsätzen und dem Motto:

Die Leitidee (Vision oder Philosophie) formu-liert den Nutzen des Unternehmens und seinerMarken. Die Leitidee des japanischen Unterhal-tungselektronikkonzerns Sony lautet beispiels-weise: „Wir wollen, dass die Menschen auchauf kleinstem Raum und mit minimalem Ener-gieverbrauch die besten Klang- und Seherleb-nisse genießen können.“ Die beiden SchweizerHayek und Thomke wollten eine Uhr anbieten,die zugleich modisch und günstig ist, und so-wohl in Kaufhäusern als auch feinen Uhren-fachgeschäften gekauft werden kann. So wur-de die erfolgreiche Swatch geboren.

Leitsätze konkretisieren die Leitidee, damit sie in Handeln umgesetzt werden kann. Diese Leit-sätze können weiter differenziert werden, wasvor allem für die Unternehmensleitsätze not-wendig ist. Leitsätze sind Kernaussagen, die

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3.1.2 Das Leitbild als Element des IntegriertenIdentitätsmanagements

Gründlichkeit und Zuverlässigkeit assoziiert.

erläutern, wie die Leitidee konkret umgesetztwerden soll. Häufig beziehen sich diese Aussa-gen zugleich auf das Verhältnis zu Mitarbeiternund Managern, zu Kunden, Aktionären und Ei-gentümern. Für das Integrierte Identitätsmana-gement ist dabei wichtig, Aussagen über dieBeziehung von Unternehmens- und Marken-persönlichkeiten und deren gemeinsame (oderseparate) Gestaltung zu treffen und verbindlichfestzuhalten. Wichtig ist dies vor allem für Fir-men, bei denen die Verbindung von Unterneh-men und Marke deutlich sichtbar ist, wie etwabei Sony und Swatch.

Das Motto schließlich fasst das Leitbild knapp und prägnant zusammen. Zum Beispiel ‚Freudeam Fahren’ (BMW) oder ‚Irgendwie clever’ (Tet-ra Pack). Das Firmenmotto darf dabei nicht imWiderspruch zu den Markenslogans stehen.

Das Leitbild formuliert also das gemeinsameSelbstverständnis über Unternehmen und seineMarke und deren Verhältnis zueinander. Es legtBedingungen für den Aufbau und die Entwick-lung der Unternehmens- und Markenpersönlich-keit fest. Diesem gemeinsamen Selbstverständ-nis sollen alle wichtigen Zielgruppen zustimmenkönnen und es unterstützen wollen. Dieses inte-grierte Leitbild hat folgende Vorteile:

Information: Es informiert die Beteiligten über die Werte von Unternehmen und Marke, alsowie diese handeln und welche Grundprinzipiengelten sollen. Dies schafft eine Grundlage füreinheitliches Verhalten, das dann auf allenbetrieblichen Ebenen gezeigt werden kann.

Leitfunktion: Das Leitbild unterstützt die Ver-antwortlichen bei der zeitgemäßen und situativ

angepassten Führung: Sie können Fehler erken-nen und korrigieren. Unsicherheiten werdenausgeräumt, die das optimale Erfüllen von Auf-gaben verhindern.

Umsetzungsfunktion: Das Leitbild zeigt allen Beteiligten, wie sie durch ihr persönliches Ver-halten zum Erreichen der Ziele der Markenfüh-rung und damit zum Erfolg des gesamten Un-ternehmens beitragen können.

Vorgabe: Es ermöglicht den Bereichen, detail-lierte Vorgaben für die Mitarbeiter abzuleiten,die nicht beliebig sind, sondern die aus einemübergeordneten und gemeinsamen Selbstver-ständnis stammen.

Außenwirkung: Das Leitbild wirkt nach au-ßen, indem es wichtige Zielgruppen über dieWerte und Normen der Marke informiert. Au-ßerdem macht das Leitbild Aussagen über dieWünsche und Erwartungen.

Wenn die Persönlichkeiten von Unternehmen undMarken als Einheit wirken sollen, müssen gemein-same Spielregeln bekannt sein und eingehaltenwerden. Das Markenleitbild gibt dafür den Orien-tierungsrahmen vor, der je nach Situation und Pro-blem ausgefüllt werden kann.

3.1.3 Die Instrumente als Elemente des Inte-grierten Identitätsmanagements

Drei Instrumente vermitteln den Zielgruppen dieUnternehmens- und Markenpersönlichkeiten:

das visuelle Erscheinungsbild (Corporate bzw. Brand Design)

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die Kommunikation (Corporate bzw. Brand Communication) das Verhalten (Corporate bzw. Brand Behaviour)

Das Design vermittelt die Persönlichkeit durch ein prägnantes visuelles Erscheinungsbild. Die-ses visuelle Erscheinungsbild wird geprägt vonkonstanten Gestaltungselementen, wie zumBeispiel Logo, Farben, Schrift, typographischgestalteter Form des Slogans, Gestaltungsras-tern und stilistischen Sollvorgaben für Abbil-dungen, Fotos und andere Illustrationen. Die-se Konstanten bestimmen das Design aller vi-suellen Markenäußerungen, also des Produkt-und Verpackungsdesigns, der Kommunika-tionsmittel und weiterer Sonderbereiche wiez.B. dem Fotodesign.

Jedoch: Das Design transportiert die Unterneh-mens-Identität, aber sie schafft sie nicht. DerMercedes-Stern ist nicht Mercedes. Für das In-tegrierte Identitätsmanagement ist zu klären, in welcher Konstellation das Logo vom Unter-nehmen zur Marke steht: Ist ein Zusammen-hang erkennbar? Wird der Name des Unter-nehmens (Wortmarke) durch ein Bild (Icon) der Marke ergänzt? Erhält der Unternehmens-name einen Zusatz, der auf die Marke schlie-ßen lässt, wie im Fall von Virgin Cola?

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DaimlerChrysler hat seine Gestaltungsrichtlinien festgeschrieben und in einer Broschüre veröffentlicht, um ein starkes und widerspruchs-freies Erscheinungsbild zu gewährleisten. Diese Richtlinien werden konsequent im Unternehmen umgesetzt, so dass sie als fixer Bestand-

teil der Corporate Behaviour von allen Mitarbeitern gelebt werden.

Virgin Cola ist eine von vielen Submarken, die unter dem Dach von Virgin firmieren.

Die Kommunikation soll die Unternehmens-und Markenpersönlichkeiten durch strategischgeplante, widerspruchsfreie Botschaften konse-quent nach innen und außen vermitteln - inWerbung, Verkaufsförderung und Öffentlich-keitsarbeit (PR). Für die Werbung bedeutet In-tegriertes Identitätsmanagement zum Beispieldie Frage, ob ein Zusammenhang zum Unter-nehmen hergestellt wird und wie stark dieserZusammenhang ist.

Das Verhalten ist von besonderer Bedeutung für das Vermitteln der Unternehmens- undMarkenpersönlichkeit: Was nutzen die origi-nellste Erscheinung und die vollmundigstenVersprechungen der Kommunikation, wenn dasHandeln nicht stimmt? Nicht an dem, was eineFirma sagt, wird sie gemessen, sondern daran,wie sie handelt. Das Firmenverhalten zeigt sichunter anderem darin, wie Mitarbeiter miteinan-der und mit Externen (z.B. Kunden und Liefe-ranten) umgehen, wie Konflikte gelöst werden,wie auf Probleme reagiert wird und wievielOffenheit und Vertrauen im Umgang mit derÖffentlichkeit vorherrschen soll. Unter Marken-verhalten wird dabei das Verhalten der Mitar-beiter, die mit einer Marke beschäftigt sind,gegenüber allen Zielgruppen verstanden. De-ren fachliche Kompetenz muss sich durch einentsprechend vielfältiges Informations- undServiceangebot auszeichnen.

Ein Beispiel: Der Exklusivitätsanspruch der Fir-ma Bulthaup, einem Hersteller von erstklassi-gen Küchen, führte zu einem eigenen, exklusi-ven Weg im Vertrieb: Während fast alle ande-ren Küchenhersteller Händler beliefern, diemehrere Fabrikate vertreten, konzentrierte sichBulthaup mehr und mehr auf Exklusivpartner.

Dies führte zwar vorübergehend zu einem rela-tiv hohen Umsatzverlust. Mittlerweile ist mansich aber sicher, dass es langfristig der gewinn-bringendere Weg ist, denn jedes der Geschäftetransportiert durch Einrichtung, Präsentation,Verhalten und Auftreten der Mitarbeiter dasLeitbild des Unternehmens in die Öffentlich-keit. Die Gesamtheit des Geschäftsverhaltensist sozusagen Multiplikator des Firmen- undMarkenleitbildes.

3.1.4 Das Image als Element des IntegriertenIdentitätsmanagements

Ziel ist, dass ein festgelegtes Vorstellungsbild (Ima-ge) vom Unternehmen und seinen Marken in denKöpfen der Zielgruppen entsteht. Hierzu richtetsich die gesamte Darstellung des Unternehmensund der Marke konsequent und konsistent amLeitbild aus, um das einheitliche Image nicht zugefährden: Wann immer der Konsument mit demUnternehmen und seinen Marken in Kontakt tritt,präsentiert sich ihm eine stimmige und geschlos-sene Firmen- und Markenpersönlichkeit.

Der Aufbau des angestrebten Images ist ein Lern-prozess: Die Zielgruppen müssen die Botschaftendes Unternehmens wahrnehmen, aufnehmen undverarbeiten. Je mehr Informationen vorliegen, des-to vielfältiger und stabiler kann sich das Image bil-den. Bis ein Unternehmen diese Botschaften dau-erhaft vermittelt hat, vergeht Zeit. Für die Werbe-botschaften bedeutet dies, dass sie in ein einheit-liches Konzept der Unternehmens- und Produkt-kommunikation eingebettet sind. Erlebt der Kon-sument diese Äußerungsformen nicht stimmig ge-nug, können Brüche in der wahrgenommenen Fir-men- und Markenpersönlichkeit entstehen. Die

Werbung

28 Dieter Herbst

beiden Marketingexperten Meffert und Burmannvergleichen dies damit, als würde eine Ente wieeine Ente aussehen und auch wie eine Ente lau-fen, aber wie ein Hund bellen!9

3.2 Der Prozess des Integrierten Identitätsma-nagements

Die vier Elemente werden in einem systematischenManagementprozess gestaltet, der aus vier Stufenbesteht:

In einer Analyse werden Informationen ge-sammelt und die Stärken und Schwächen dervier genannten Elemente geprüft: Welche Kul-tur haben Unternehmen und Marke? Gibt esein Leitbild? Ist es zeitgemäß? Transportierendie Instrumente glaubwürdig die Unterneh-mens- und Markenidentität? Welches Imagehaben die internen und externen Zielgruppenvom Unternehmen und seinen Marken? Wer-den Synergien optimal genutzt? Das Ergebnisall dieser Bewertungen ist die Aufgabe für denIdentitätsprozess.

Basierend auf dieser Analyse und dem Auf-decken der Identitätsprobleme setzt die Pla-nung ein, indem eine Lösung entwickelt wird,die aus den Kernelementen Ziele, Strategienund Maßnahmen besteht. Es wird also formu-liert, was wann in welchem Ausmaß erreichtwerden soll und auf welchem Weg dies wie

geschehen soll. Zum Beispiel ist es möglich,dass die bisher gelebten Werte weiterentwi-ckelt werden müssen, weil sie nicht mehr zeit-gemäß sind, zum Beispiel bei unzureichenderKundenorientierung und Flexibilität.

Der Lösungsansatz wird in konkrete Text-, Bild- und Aktionsideen umgesetzt: Zum Beispielwerden für das Erscheinungsbild einheitlicheGestaltungskonstanten konzipiert und für dieKommunikation zentrale Botschaften formu-liert und für das Verhalten Führungsgrundsät-ze entwickelt.

Im Identitätsprozess wird laufend geprüft, ob die angestrebten Ziele erreicht werden (Ist-Soll-Abgleich). Auf Abweichungen wird schnell rea-giert. Maßnahmen können nach der Durchfüh-rung kontrolliert werden, um den weiteren Ein-satz zu optimieren. Die Persönlichkeiten wer-den also kontinuierlich geprüft, um festzustel-len, ob sie den sich ändernden internen undexternen Erwartungen und Anforderungen ge-recht werden.

Das schwierige und komplexe Identitätsmanage-ment muss von der Unternehmensführung ge-steuert werden, da hierbei Entscheidungen ge-troffen werden müssen, die sich auf die Wahrneh-mung des gesamten Unternehmens und seinerLeistungen auswirken: Strukturen müssen ge-schaffen werden, die ein stimmiges IntegriertesIdentitätsmanagement gewährleisten, Verantwort-liche müssen benannt werden, die ausreichendqualifiziert sind und für das Erreichen der Ziele ge-rade stehen können. Es ist zu prüfen, welche Pro-zesse zu schaffen oder zu ändern sind und welcheInformationstechnologien angemessen sind. Undschließlich ist zu bestimmen, welche Kultur für

29Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen.

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Analyse

Kontrolle

Planung

Umsetzung

ein erfolgreiches Integriertes Identitätsmanage-ment erforderlich ist und welches Verhalten dazugestärkt und welches geändert werden muss.

Die Führungskräfte haben in diesem Prozess dieAufgabe, die Handlungsrichtlinien des Firmen-und Markenleitbildes umzusetzen: Spricht dasMarkenleitbild zum Beispiel vom dynamischen und flexiblen Umgang mit den Kunden der Mar-ke x, muss das Top-Management diese Werte le-ben. Nur so können Mitarbeiter dazu gebrachtwerden, sich dem gewünschten Markenleitbildentsprechend zu verhalten. Die Mitarbeiter tra-gen entscheidend dazu bei, die Identitätsziele zuerreichen. Sie sollen sich mit den Grundaussagendes Unternehmens und der Marke identifizierenund diese Werte nach innen und außen lebenkönnen. So wird das Unternehmen und die Mar-ke für die externen Zielgruppen erlebbar - unddamit authentisch und glaubwürdig.

3.3 Eigenschaften des Integrierten Identitäts-managements

Um erfolgreich zu sein, muss sich das IntegrierteIdentitätsmanagement durch folgende wichtigeMerkmale auszeichnen:

Ganzheitlich:Integriertes Identitätsmanagement ist ein Mo-saik, in dem alle Steine vorhanden sein müs-sen, damit ein komplettes Bild entsteht. Es be-rührt nicht nur das Marketing oder die PublicRelations, sondern auch alle anderen Funktio-nen wie Personal oder Produktion. IntegriertesIdentitätsmanagement berücksichtigt nicht nurdas Firmenumfeld, sondern auch die eigenenMitarbeiter. Es wird nicht nur durch Design ver-

mittelt, sondern auch durch Kommunikationund Verhalten. Diese ganzheitliche Sicht machtIntegriertes Identitätsmanagement zum wichti-gen Bestandteil der strategischen Unterneh-mensführung.

Systematisch geplant:Integriertes Identitätsmanagement bedeutetkeinen planlosen Aktionismus durch das Reno-vieren des Produktlogos oder eine aufsehener-regende Werbekampagne. Identitätsproblememüssen sorgfältig und zuverlässig aufgedeckt,wirkungsvoll gelöst und das Ergebnis bewertetwerden. Ein solches Konzept gewährleistet,dass ein Unternehmen vorausschauend seineChancen erkennt und somit seine Zukunft er-folgreich gestaltet.

Aktiv:Jedes Unternehmen und jede Marke hat eineIdentität. Es ist nicht möglich, keine Identitätzu besitzen, und sei es eine schwache. Inte-griertes Identitätsmanagement bedeutet, dieseIdentitäten zu erkennen und im Spannungsfeldeigener Stärken und Schwächen bzw. internerund externer Erwartungen und Wünsche aktivzu entwickeln.

Kontinuierlich:Da sich Unternehmen und Markt ständig än-dern, ist Integriertes Identitätsmanagement einlebendiger und kontinuierlicher Prozess, derEntwicklungen des Marktes und des gesell-schaftlichen Umfeldes vorweg nehmen sollte.

Langfristig:Durch spektakuläre aber vordergründige Maß-nahmen leidet die Glaubwürdigkeit und Ver-trauen kann verloren gehen. Wer also Erfolge

Werbung

30 Dieter Herbst

quasi über Nacht durch einige Werbeplakateerwartet, sollte sein Geld und seine Energiesparen. Ein gemeinsames Selbstverständnis entwickelt sich ebenso langfristig wie ein ge-wünschtes Image.

Flexibel:Unternehmen sollten im Prozess der Wandlunganalog ihrem Identitätsverständnis flexibel sein,ohne ihre Identität aufzugeben.

3.4 Strategischer Nutzen des Integrierten Iden-titätsmanagements

Zu den wichtigsten strategischen Fragen des Inte-grierten Identitätsmanagements gehört, in wel-cher Beziehung die Unternehmens- und Marken-persönlichkeiten zueinander stehen. Hierfür gibtes mehrere Möglichkeiten, die vom jeweiligenUnternehmen, seiner Situation und seinen Ziel-gruppen abhängen. Es bieten sich drei strategi-sche Vorgehensweisen im Umgang mit der hier-archischen Beziehung zwischen Marken- undUnternehmensidentität an:

Strategische Lösung 1: Marken stehen im Vordergrund

Die Union Deutsche Lebensmittelwerke ist denKonsumenten sicherlich weniger bekannt alsderen Marken Rama, Unox und Lätta. Auch dieMarken des Haushaltsmultis Procter & Gambleexistieren in den Köpfen der Verbraucher selb-ständig und unabhängig von dem eigentlichenFirmenhintergrund. Diese Form wird z.B. ge-wählt, wenn Marken unterschiedlich positio-niert sind, wie im Fall des Konzerns EFFEM undseinen Marken Whiskas, Kitekat und Cheba.

Diese strategische Lösung liegt außerdem na-he, wenn von den Mitarbeitern für die Marke xeine andere Kultur und ein anderes Markenver-halten erwartet wird als von der Marke y, ob-wohl beide Mitarbeitergruppen zu derselbenFirma gehören und Gemeinsamkeiten im Sinneder Unternehmenskultur erwartet werden, umSynergien zu nutzen.

Strategische Lösung 2: Unternehmensiden-tität ist das Dach über die Produkte

Das Markenimage vieler Firmen ist durch dasUnternehmensimage geprägt, wie im Fall vonMelitta, Siemens, Osram, Herlitz, Daimler-Benz,VW, Vorwerk, Bahlsen, Ferrero, Estée Lauder,McDonald’s, Hilton oder Steigenberger. Hierbeibilden die Unternehmenswerte das Dach überdie Produkte und deren Markenpersönlichkei-ten. So steht z.B. die Handelskette The BodyShop für Pflegeprodukte mit besonderer sozia-

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Der Milka-Hersteller Kraft Foods tritt auf der Milka-Schokola-denpackung nicht deutlich sichtbar mit seinem Unternehmens-

logo in Erscheinung. Die gleiche strategische Lösung verfolgtauch Beiersdorf bei seinen Produkten Nivea und Hansaplast.

ler und ökologischer Verantwortung, währendDisney für Familienwerte steht. Eine Profilie-rung über ein kompetentes Firmenimage bietetdie Chance, Produktneuheiten mit einem Vor-schuss an Bekanntheit und Vertrauen und vielweniger Aufwand im Markt einzuführen. DieUnternehmensmarke muss dabei nicht mal aufden Produkten erscheinen, wie im Fall von Aldi.

Im Produkt und seiner Markierung sollte sichdas Selbstverständnis des Unternehmens aus-drücken. Versteht sich das Unternehmen alsQualitätsanbieter, müssen die Produkte durchausgewählte Qualität, edle Verpackung undexzellenten Service angereichert sein sowiedurch anspruchsvolle Werbung differenziertangepriesen werden. BMW sollte also kein Billigmodell auf den Markt bringen, um japa-nischer Konkurrenz Paroli zu bieten.

Strategische Lösung 3: Marken- und Unter-nehmensidentität stützen sich gegenseitig

In einem Unternehmen mit unterstützenderIdentität muss das Management entscheiden,wie weit Markenidentität und Unternehmensi-dentität übereinstimmen und wo Unterschiedesinnvoll erscheinen. Zum Beispiel ist bei Dienst-

leistern wie der Unternehmensberatung RolandBerger oder den Holiday Inn Hotels eine hoheÜbereinstimmung zwischen der Marken- undUnternehmensidentität naheliegend, weil de-ren Unternehmensname quasi für das Spek-trum und die Qualität ihrer Leistungen steht.

Ein besonders gelungenes Beispiel für die fein

abgestimmte bilaterale Stützung von Produkt-

und Unternehmensidentitäten ist die Möbelde-

sign-Firma Vitra: Das Unternehmen hat sich auf

die Fahnen geschrieben, Designprodukte herzu-

stellen, die eine gelungene Abstimmung von Ma-

terial, Form und Funktion erreichen und sowohl

Komfort und Technik als auch Ergonomie, Öko-

logie, Ökonomie und Ästhetik verbinden.

Stühle, Sessel, Raumteiler, Hocker, Liegen und

Tische von Vitra stehen in Museen, Flughäfen,

Banken, im Deutschen Bundestag und im Euro-

parat. Doch nicht nur die Möbel werden in Zu-

sammenarbeit mit weltweit bekannten Desig-

nern hergestellt und sind höchsten Standards

verpflichtet. Auch die zum Teil spektakulären

Unternehmensbauten - von der Produktionshal-

le über den Konferenz-Pavillon bis zum Feuer-

wehrhaus - stammen von angesehenen Archi-

tekten aus Japan und Portugal und machen im

Einklang mit der Markenidentität konsequent

die Unternehmensidentität von Vitra für Kun-

den wie Mitarbeiter sichtbar und erlebbar.

Prunkstück ist das 1989 in Weil am Rhein eröff-

nete Vitra Design Museum, einer Collage aus Ku-

ben,Türmen und Rampen, in dem Vitra histori-

sches und zeitgenössisches (Architektur-)Design

ausstellt. 1994 erhielt Vitra für seinen Unterneh-

mensauftritt den Corporate Design Award.

Werbung

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Melitta ist die Dachmarke über verschiedenen Markenprodukten –vom Kaffee bis zu den Filtertüten.

33Gemeinsam stark: Integriertes Identitätsmanagement für starke Konsumentenbindungen.

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Wo sich Image von Produkt und Unternehmen gegenseitig stützen: Die außergewöhnliche Designorientierung von Vitra dokumentieren nichtnur die Möbel, sondern ebenso Kundencenter, Feuerwehrhaus und das Design-Museum. Mit Persönlichkeiten wie dem Maler David Hockney

wird dieser Anspruch kommuniziert.

Durch integrierte Identitätskonzepte wird die Ent-scheidung über die angemessene Strategie erleich-tert, weil mit den jeweiligen Persönlichkeitsmerk-malen Kriterien feststehen, die aufeinander ab-gestimmt sein müssen. Für welche Form sich dasUnternehmen auch entscheidet, wichtig ist, dassUnternehmens- und Markenidentität in Einklangmiteinander stehen. Dann kann die Kenntnis vonMarken- und Unternehmenspersönlichkeit sowiederen integriertes Identitätsmanagement eine Rei-he von künftigen Aufgaben unterstützen: Bei Fir-menfusionen und Akquisitionen kann eine sorgfäl-tige Analyse der jeweiligen Unternehmenspersön-lichkeiten etwa zeigen, dass ein Zusammenschlussvon zu unterschiedlichen Kulturen nicht sinnvoll istoder der Integrationsprozess sehr aufwändig seinwird. Außerdem erleichtert bei Markenerweiterun-gen die Kenntnis des Markenkerns und der Unter-nehmenspersönlichkeit die Entscheidung, ob eineErweiterung glaubwürdig und sinnvoll ist.

So bietet die Profilierung über ein kompetentesFirmenimage die Chance, Produktneuheiten miteinem Vorschuss an Bekanntheit und Vertrauenund mit viel weniger Aufwand im Markt einzufüh-ren. Expertenschätzungen zufolge, werden der-zeit rund 90 Prozent der neuen Produkte untereiner Dachmarke eingeführt.10 Schließlich kannIntegriertes Identitätsmanagement Entscheidun-gen zur Internationalisierung erleichtern, wenn es darum geht, in welchen Ländern und Märk-ten das Unternehmen auftritt und wie das ange-strebte Image in diesen Ländern sein sollte.

3.5 Das IIM am Beispiel Virgin

Die britische Fluggesellschaft Virgin ist ein Impe-rium, zu dem mittlerweile über 200 Firmen mit

über 25.000 Beschäftigten in den unterschiedlich-sten Branchen gehören. Das Selbstverständnis derFirmenpersönlichkeit von Virgin lässt sich auf derInternetseite der Firma nachlesen: „What ties allthese businesses together are the values of ourbrand and the attitude of our people. We believein making a difference. In our customers' eyes,Virgin stands for value for money, quality, innova-tion, fun and a sense of competitive challenge.We deliver a quality service by empowering ouremployees and we facilitate and monitor custo-mer feedback to continually improve the custo-mer's experience through innovation.”11

Die Unternehmenspersönlichkeit von Virgin lässtsich durch Merkmale wie ‚hochwertigen Service,Innovation, Spaß und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis’ beschreiben:

Service:Die Fluggesellschaft Virgin erhielt schon mehr-fach Preise für die beste Business Class. Aus-zeichnungen gab es für die beste Unterhaltungwährend des Fluges, die beste Auswahl vonWeinen für die Business Class und das besteSchalterpersonal am Airport. Auf der Internet-Website des Unternehmens kann der FluggastTransfers vom und zum Flughafen buchen.

Innovation:Virgin führte 1986 Schlafsitze ein sowie Mas-sagen während des Fluges und Sicherheitssit-ze für Kinder. Virgin investiert fast doppelt soviel Geld in Innovationen im Servicebereich wieamerikanische Fluggesellschaften.

Spaß und Unterhaltung:Auf jedem Flug kann der Gast aus acht Filmenwählen. Es gibt Fernsehprogramme, Nintendo-

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34 Dieter Herbst

und PC-Spiele für Kinder und die animierte SkyMap zeigt dem Fluggast jederzeit, wo er sichgerade befindet.

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis:Die Flugpreise sind weit unterhalb der sonsti-gen Fluggesellschaften positioniert, obwohlVirgin dies nicht in seiner Kommunikationnutzt, um nicht in den Ruf einer Billig-Flugli-nie zu kommen. Zum Business Class-Preis er-hält der Fluggast einen Service, wie er ihn vonanderen Fluggesellschaften sonst nur aus derersten Klasse kennt. Genauso verhält es sichmit den anderen Klassen.

Diese gelebten Werte bilden eine Klammer um dieunterschiedlichen Geschäftsbereiche von Virgin.Zur Marke Virgin gehören inzwischen Produktewie Platten, Kondome, Getränke (Weine, Cola,Energy Drinks, Wodka) und Freizeitkleidung sowieunterschiedlichste Firmen von CD-Läden, Radio-und TV-Gesellschaften über eine Eisenbahngesell-schaft bis zu einem Geschäft für Brautmoden.

Virgin steigt in Branchen ein, in denen es norma-lerweise bereits etablierte Wettbewerber gibt, wieBritish Airways, Coca Cola, Levi Strauss, British Railund Smirnoff. In diesem Wettbewerb positioniertsich das Unternehmen durch seine Firmenwerteund durch die Rolle des ‚David’, der gegen diesegroßen und mächtigen ‚Goliaths’ des wirtschaft-lichen Establishments kämpft - obwohl David mitt-lerweile selbst ein Großkonzern ist. Die British Air-ways sah sich sogar veranlasst, eine Kampagnegegen Virgin zu starten. Virgin wusste diesen An-griff gut in den Massenmedien abzuwehren undsich Sympathien zu sichern, indem es sich als denSchwachen darstellte, der von ‚Goliath’ unfair an-gegriffen wird, wie das folgende Motiv zeigt:

Im Mittelpunkt von Virgin steht der FirmengründerRichard Branson. Er spielt für den Erfolg von Virgindie entscheidende Rolle: Er ist in jeder Hinsicht au-ßergewöhnlich. Er ist abenteuerlustig, überquertegar den Atlantik im Heißluftballon und provoziertaußerdem gern. Dadurch lebt er die Markenwerteund sorgt für deren Glaubwürdigkeit. Man könntesagen, dass ein Kunde eigentlich Branson kauft,wenn er ein Virgin-Produkt kauft.

Branson bietet seinen Zielgruppen Nähe an, indemer zum Beispiel seinen Mitarbeitern seine privateTelefonnummer aushändigt und sie bittet, ihn beineuen Ideen und Problemen anzurufen. SeinenKunden gegenüber herrscht Offenheit, zum Bei-spiel durch die Veröffentlichung seines Tagebuchsund seiner Biographie.12 Diese starke Bindung desUnternehmens an die Gründerpersönlichkeit gehtsoweit, dass das Logo von Virgin entsprechend alsHandschrift gestaltet ist, was den Eindruck er-weckt, Branson habe es selbst geschrieben:

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Im Kampf um Marktanteile hat Virgin geschickt die Rolle des‘David’ aufgebaut, der gegen ‘Goliath’ British Airways (BA) antrittund frech auf einem Ballon über London mit dem doppeldeutigen

Slogan wirbt: ‚BA can’t get it up!’ (BA kriegt keinen hoch.)

Virgin ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie einUnternehmen und seine Marken aufgrund derKenntnis und des gezielten Einsatzes der Unter-nehmens- und Markenpersönlichkeit ausgedehntwerden kann. Qualität, Innovation, Vergnügenund Unterhaltung, gutes Preis-Leistungs-Verhält-nis, das Image des ‚Underdogs’ und Richard Bran-son passen gut zu einer breiten Palette von Pro-dukten und Dienstleistungen. Virgin ist zu einerMarke geworden, deren enge Beziehung zumKunden nicht ausschließlich auf den praktischenVorteilen beruht, die sie ihnen bietet, sondern weil sie für einen ganzen Lebensstil steht.

4. Zukunft des Integrierten Identitätsma-nagements

Die Zukunft wird eine Neuorientierung in der Un-ternehmens- und Markenführung erforderlich ma-chen. Integrierte Konzepte werden dabei eine zu-nehmende Rolle spielen, um ein stimmiges, wider-spruchsfreies Image zu gewährleisten. Identitäts-konzepte werden an Bedeutung gewinnen, weil

sie den internen und externen Zielgruppen dieIdentifikation mit der Unternehmens- und Mar-kenpersönlichkeit ermöglichen.

Integriertes Identitätsmanagement wird als in-terner und externer Managementprozess immerwichtiger, um zum einen die Vorteile des Image-transfers zu nutzen und zum anderen ein stim-miges und geschlossenes Bild vom Unternehmenund seinen Produkten bei seinen Kunden undKonsumenten zu erzeugen.

Die stärkere Ausrichtung an der Identität als stra-tegischem Kern jedes Unternehmens und jederMarke scheint geeignet, die verlorengegangeneBeziehung zum Kunden wieder aufzubauen.

Speziell für die Werbung bedeutet dies, dass dieKommunikation nicht nur innerhalb der Marken-kommunikation (Werbung, Verkaufsförderung,Absatz, PR und Sponsoring) stimmig sein muss,sondern auch mit der Kommunikation über dasUnternehmen (Unternehmenskommunikation)abzustimmen ist, um einheitliche, passende Bot-schaften zu gewährleisten. Denn der Verbrauchererlebt nicht nur die Kommunikation über die Mar-ke, sondern auch die Informationen über das da-hinterstehende Unternehmen, also dessen visuel-les Erscheinungsbild, dessen Kommunikation unddessen Verhalten.

Man sollte immer beachten, dass diese Kompo-nenten in das Vorstellungsbild der Marke einflie-ßen und passen müssen. Denn: Eine Ente mussimmer noch wie eine Ente aussehen, wie eine Ente laufen und wie eine Ente quaken.

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Das Virgin-Logo ist bewusst so entworfen, als handle es sich umdie Unterschrift des Firmenpatriarchen Richard Branson.

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1 Vergleichen Sie dazu z.B. Köhler, Majer & Wiezorek (2001).

2 Die Studie ‚Dialoge 4‘, die im Stern-Verlag (Hamburg, 2001)erschienen ist, fand heraus, dass sich nur rund 30 Prozent derBefragten nicht beim Kauf von Produkten für das Image derUnternehmen interessieren.

3 Siehe hierzu das Buch ‚Die Praxis der Investor Relations’ vonKirchhoff & Piwinger (2001).

4 Zwei weitere Beispiele seien hier genannt: Das UnternehmenAmazon.de versucht schon seit längerem, sich als Internetfirmaund nicht nur als Online-Buchhändler in den Köpfen der Inve-storen und Analysten zu positionieren, um dadurch seinen Bör-senwert zu erhöhen. Und Start Ups müssen gegenwärtig enor-me Anstrengungen unternehmen, um Bekanntheit aufzubauen und ihr Leistungsspektrum aufzuzeigen, damit sie langfristig imWettbewerb bestehen können.

5 Das Zitat von Jacob Lux stammt aus der Zeitschrift w&v(1999, Nr. 39, S. 95).

6 Nähere Ausführungen finden Sie bei Keller (1990).

7 Die Ausführungen geben verkürzt Judith von Gordon-Wei-chelt (1998, S. 132 ff.) wieder, die seit 1991 im Bereich Öffent-lichkeitsarbeit und Corporate Identity bei Boehringer-Ingelheimtätig ist.

8 Diesem Ansatz folgen z.B. Kapferer (1992), Aaker (1992),Aaker & Joachimsthaler (2001) und Häusler (2001).

9 Dieses Bild verwenden Meffert & Burmann (1996) in ihremArbeitspapier Nr. 100: ‚Identitätsorientierte Markenführung -Grundlagen für das Management von Markenportfolios’.

10 Vergleichen Sie hierzu Köhler, Majer & Wiezorek (2001).

11 Dieses Zitat finden Sie auf der Homepage von Virgin mitfolgender Internet-Adresse: www.virgin.com/about.htm.

12 Die Autobiographie von Branson (1999) ist erschienen un-ter dem Titel ‚Business ist wie Rock ‘n Roll. Die Autobiographiedes Virgin-Gründers.

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55. Anhang