Die frühchristliche Kirche in Makedonien und ihr Verhältnis zu Rom

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Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum Adolf Lippold zum 65. Geburtstag gewidmet Herausgegeben von Karlheinz Dietz, Dieter Hennig und Hans Kaletsch Würzburg 1993

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Klassisches Altertum, Spätantike und frühes

Christentum

Adolf Lippold zum 65. Geburtstag gewidmet

Herausgegeben von

Karlheinz Dietz, Dieter Hennig und Hans Kaletsch

Würzburg 1993

RAJKO BRATOZ Ljubljana

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und ihr Verhältnis zu Rom

Einen Abriß der Geschichte der frühchristlichen Epoche auf dem Gebiet Makedo­

niens mit dem Territorium der heutigen jugQda-wisGRiR Republik Makedonien als Schwerpunkt zu verfassen, ist ein ziemlich anspruchsvolles Unterfangen und gleich­zeitig eine gewagte Herausforderung. Dies erklärt sich aus der dynamischen histori­schen Entwicklung, aus einer unklaren und schwer zu deutenden Quellenlage sowie aus der Tatsache, daß die antike Verwaltungseinteilung nicht zu dem heutigen terri·.

torialen Rahmen paßt Unser hier behandeltes Gebiet gehörte nämlich in spätanti­ker Zeit, der unser besonderes Interesse gilt, mindestens vier verschiedenen Provin­zen an, von denen zwei (M~cedonia Salutaris an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhun­dert vornehmlich auf dem Territorium des heutigen Westmakedonien sowie Mace­

donia Secunda mit der Hauptstadt Stobi am mittleren Wasserlauf des Vardar [Axios] J

und seiner ZuflüSse, das in den Quellen etwa in der Zeitspanne von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zum Jahr 535 erscheint) als vorübergehende Gebilde ihren Schwer­punkt auf diesem Gebiet hatten und beinahe zur Gänze sich mit dessen Umfang

deckten. Die übrigen Provinzen reichten nur in geringfügigem Maße bis hierher und hatten mit Ausnahme von Dardania (mit der Hauptstadt Scupi, dem heutigen Skopje) ihre Zentren anderswo. Zu erwähnen sind Macedonia Prima mit der Haupt­stadt Thessalonike, das den überwiegenden Teil des südlichen und mittleren make­

donischen Raumes (mit der Stadt Heraclea Lynkestis, dem heutigen Bitola) umfaßte, weiterhin Epirus Nova mit der Hauptstadt Dyrrhachium, das sich mit der Stadt Lychnidos (Ohrid) bis in den äußersten westlichen Teil des heutigen Makedonien er­streckte, Dardania im Norden mit der Stadt Scupi; der kleinere nordöstliche Teil aber gehörte zur Provinz Dacia Mediterranea.1

1 Allgemeines zur spätantiken Verwaltungseinteilung des Südbalkanraumes: A.H.M. Jones, The Later Roman Empire 284 - 602. II. Oxford 21973, 1456 - 1457; T.D. Barnes, The New Empire of Diocletian and Constantine. Cambridge (Mass.) u. London 1982, 201 ff„ ins· besonders 203; 207; 220. Speziell zur Entwicklung der Verwaltung in Makedonien siehe E Papazoglou, Makedonski gradovi u rimsko doba (Les cites macedoniennes a l'epoque romai· ne). Skopje 1957, 87 - 96; neue ergänzte Ausg.: Les villes de Macedoine a l'epoque romaine. BCH Suppl. 16, 1988, 90 - 98. Zu Entstehung, Umfang und Entwicklung der beiden Verwal-

Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum. Adolf Lippold zum 65. Geburtstag gewidmet, Würzburg 1993, 509-551.

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1. Die Anfänge des Christentums

Für die vorkonstantinische Zeit haben wir nur wenige zuverlässige Angaben über die Ausbreitung des Christentums. Besser sind die Verhältnisse in den östlichen und südlichen Nachbarprovinzen, in Thrakien, im südlichen bzw. unteren Makedonien und in den griechischen Landesteilen bekannt.2 Obwohl es sich um ein Gebiet im weiteren Umkreis, genauer im Hinterland von Thessalonike mit einer christlichen Gemeinde in apostolischer Zeit handelt, müssen wir für die gesamte südbalkani· sehe Region die Feststellung treffen: Im 2. und 3. Jahrhundert hat sich hier keine be· sondere christliche Geisteskultur herausgebildet, die über bedeutende Wirkungszen· tren und über Persönlichkeiten herausragenden Formats verfügt hätte, wie dies für eine Reihe von Gebieten im Osten (Kleinasien, Syrien, Ägypten) und teilweise.auch im Westen (neben Rom vor allem für Nordafrika) der Fall war.3 In den zahlreichen frühen Berichten über die Existenz des Christentums im südbalkanischen Raum findet sich nicht einer, den man mit Sicherheit dem behandelten Gebiet zuweisen könnte.4 Mit zu den allgemeinen Bedingungen für die Ausbreitung des Christen· tums muß auch die Zusammensetzung der Bevölkerung gerechnet werden. Ähnlich wie in den makedonischen Städten, die der Apostel Paulus besuchte (Philippi, Thes· salonike, Beroea), gab es auch in Stobi bereits eine jüdische Gemeinde, die sukzessiv über zwei Synagogen verfügte.5 Frühe Berichte über die christliche Mission in Thessalonike wie sonst in der Umgebung (Achaea, Epirus und Dalmatien), die sich

tungseinheiten Macedonia Salutaris und Macedonia Secunda siehe F. Papazoglou, La Macedoine Salutaire et la Macedoine Seconde. BAB 42, 1956, 115 -124 und Les Villes 94 ff. Speziell zur Provinz Macedonia Secunda siehe J.R. Wiseman, The City in Macedonia Secun· da. In: Villes et peuplement dans l'Illyricum protobyzantin. Collection de l'Ecole francaise de Rome 77. Rom 1984, 289 - 314; insbesondere 289 - 291. Zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zuletzt H. Wolff in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. 1: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit. Hrsg. v. F. Vittinghoff. Stuttgart 1990, 631 - 638.

2 Für das pebiet Thrakiens siehe R. Pillinger, Das Grabmal von Ossenovo (Bulgarien) im Rahmen des frühen Christentums der westlichen Schwarzmeerküste. AAWW 120, 1983, 195 - 215; Dies„ Monumenti paleocristiani in Bulgaria. RAC 61, 1985, 275 - 310 und den Sam· melband: V. Gjuzelev u. R. Pillinger (Hrsg.), Das Christentum in Bulgarien und auf der üb· rigen Balkanhalbinsel in der Spätantike und im frühen Mittelalter. MiscBulg 5. Wien 1987 (alle drei Werke mit erschöpfenden Angaben älterer Literatur). Zu den Anfängen des Christentums in den südmakedonischen und griechischen Ländern siehe J. Lebreton u. J. Zeiller, La Chiesa primitiva. In: A. Fliehe u. V. Martin (Hrsg.), Storia delta Chiesa. 1. Turin 31976, 133 - 137 (220 - 225); 221 (353).

3 Vgl. A. von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. Wiesbaden o. J. (Nachdruck von 41924 ), 786 - 793; irtsbesondere 792 f.

4 Vgl. Gj. Gasper, Skopsko prizrenska biskupija kroz stoljeca (Das Skopjanisch•Prizreni· sehe Bistum durch die Jahrhunderte). Zagreb 1986, 21 ff. .

5 W. Poehlman, The Polycharmos lnscription and Synagoge 1 at Stobi. In: B. Aleksova u. J. Wiseman (Hrsg.), Studies in the Antiquities of Stobi. III. Titov Veles 1981, 235 - 248; J.R.

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auf die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts beziehen,6 berechtigen zu der Annahme, daß auch im kontinentalen Hinterland Makedoniens das Christentum in den größe· ren Städten, die (wie z.B. Stobi) gute Beziehungen zur Metropole Thessalonike hat· ten, schon damals wenigstens in der Vorstellung bekannt war. Die allmähliche Ausbreitung des Christentums im 2. und 3. Jahrhundert bezeugen einige materielle Quellen: Inschriften aus Thessalonike (2. und 3. Jh.) und Edessa (3. Jh.) sowie frühchristliche Gräber.63

Während für die Mehrzahl der Donau- und Balkanprovinzen die Geschichte des Christentums mit den ersten zuverlässigen Angaben über Märtyrer aus der Zeit der großen Christenverfolgung einsetzt, gibt es für das heutige makedonische Ge· biet mit Ausnahme von Thessalonike, mit welchem die Überlieferung Märtyrer­Jungfrauen verknüpft, 7 keinerlei zuverlässige, bis in die Antike zurückreichende Berichte; selbst für die diokletianische Zeif fehlen solche. Es darf aber angenom· men werden, daß es auch auf dem hier ins Auge gefaßten Gebiet, das zur Zeit der

Wiseman, City (Anm. 1) 296 - 301; vgl. auch N. Duval u. V. Popovic, Urbanisme et topogra· phie chretienne dans les provinces septentrionales de l'Illyricum. In: Actes du x• congres in­ternational d'archeologie chretienne (Thessalonique 1980). l. Citta del Vaticano u. Thessalo­nike 1984, 541 - 579; bes. 559; E Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 319 f. Zur architektonischen und zeitlichen Abfolge von Synagoge 1 (2./3. Jh.), Synagoge II ( 4. Jh.) und der da­rauffolgenden frühchristlichen Kirche (Ende des 4. Jhs., die sog. Centrale oder Synagoge­Basilika) vgl. B. Aleksova, The early Christian basilicas at Stobi. In: CCAB 33, 1986, 53 - 60.

6 Vgl. Actus apostolorum 17, 15 - 18, 18; 20, 1 - 6; Epist. ad Romanos 15, 19; II ad Timo­theum epist. 4, 10; Harnack (Anm. 3) 624; 786 ff.; Lebreton u. J. Zeiller (Anm.2) 219 - 221; zuletzt J. Molthagen, Die ersten Konflikte der Christen in der griechisch-römischen Welt. Historia 1991, 42 - 76, bes. 49 ff.; zur Missionstätigkeit des Apostels Lukas in Makedonien um 62 vgl. Epiphanius, Adversus haereses 2, 11 (PG 41, 909).

6a Zu den Inschriften vgl. D. Feissel, Recueil des inscriptions chretiennes de Macedoine

du m• au VI° siecle. BCH Suppl. 8, 1983, 113 - 118 (Thessalonike, 2. und 3. Jh.); 5 - 11 (Edessa; 3. Jh.); vgl. 57 f.; 80; 119 u. 121. Nach l. Milkulcic, Tombes de haute epoque romaine a inhumation de Scupi. Starinar 24-25, 1973-74, 90 f.; 99; vgl. dens., Frühchristlicher Kirchenbau in der S. R. Makedonien. In: CCAB 33, 1986, 227, sollten zwei in Scupi entdeckten Gräber (Ende des l. Jhs. [!] bzw. das frühe 3. Jh.) christlich sein.

7 Die Überlieferung über die Märtyrer-Jungfrauen Agape, Chionia und lrene (BHG 34; BHL Novum Suppl. Nr. 118 ff.) ist legendär gefärbt, fußt jedoch auf zuverlässigen, bis in die Antike zurückreichenden Berichten; die vollständige Problematik mit allen Quellen und um­fassender Literatur stellt N. di Grigoli, Agape, Chione (Chiona) e lrene. In: BSS 1. Rom 1961, 303 - 304 dar. Die Legende bezieht sich in einer ihrer späteren Versionen auch auf Rom und Aquileia; siehe H. Delehaye, Etude sur le legendaire romain. Les saints de novembre et de decembre. Subsidia hagiographica 23. Brüssel 1936, 228 ff.; R. Bratoz, Krseanstvo v Ogleju in na vzhodnem vplivnem obmocju oglejske cerkve od zacetkov do nastopa verske svobode (Christianity in Aquileia and the Eastern lnfluential Area of the Aquileian Church from its Beginnings to the lntroduction of Religious Freedom). Ljubljana 1986, 215 ff. Diese Legende wurde im 10. Jahrhundert in dramatischer Form von Hrotsvith als die Komödie Dulcitius bearbeitet (PL 137, 993 - 1002). Zur Verehrung der Märtyrer-Jungfrauen von Thessalonike im christlichen Westen vgl. H. Quentin, Les martyrologes historiques du moyen äge. Paris 1908, 59; 114; 423; 481.

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Verfolgung dem Galerius, dem Caesar Diokletians und verbissensten Gegner der Christen im Herrscherkollegium, unterstand, Opfer gegeben hat.

Neben der Überlieferung über die Jungfrauen von Thessalonike ist die Legende vom Hl. Erasmus aus Formia die einzige Quelle, die das Leben und Wirken eines Märtyrers aus der Zeit der Christenverfolgung in unser Gebiet verlegt. Diese Le· gende hat sich in zwei lateinischen Versionen erhalten, einer älteren aus dem frühen Mittelalter (vielleicht schon aus dem 6. Jahrhundert?) und einer jüngeren, die Papst Gelasius II. (1118 - 1119) in den Jahren 1078 - 1088 verfaßte, als er noch Mönch und Subdiakon in Montecassino war.8 Erhalten haben sich auch zwei grie­chische Versionen: eine handschriftliche Passio aus dem 11. Jahrhundert, die eine griechische Version der älteren lateinischen Legende darstellt, sowie ein Aufzeich­nung, die in der gedruckten Sammlung von Heiligenviten, in dem sogenannten Sammelwerk von Moshopol (1741/1742),9 enthalten ist. Die lateinische Passio diente als Vorlage für die westliche Überlieferung, die wir auch in historischen Martyrologien und schließlich im Martyrologium Romanum antreffen,10 während die gri~chische Passio ihren Niederschlag in verschiedenen byzantinischen und slawischen liturgischen Schriften gefunden hat, um von letzteren nur das Evange-

8 Die lateinische Legende ist in AASS Junii 1. Paris u. Rom 1867, 206 - 214 von D. Paper· broch veröffentlicht; zu den übrigen Editionen siehe BHL 1 Nr. 2578 - 2583 und Novum Suppl. Nr. 2582 ff. Die vom späteren Papst Gelasius II. verfaßte lateinische Legende publi· zierte 0. Engels, Die Herasmuspassio Papst Gelasius' II. RQA 51, 1956, 16 - 33. Einige neuere Literaturangaben: A. Balducci, Erasmo, vescovo di Formia. In: BSS IV. Rom 1964, 1288 -1290; J.M. Vesely, Sant'Erasmo di Formia o di Ochrida? In: Actes du x• congres (Anm. 5) II 681 - 690; Ders„ Sveti Erazmo od Formija. Sveti Erazmo formiski ili ohridski? (Saint Heras­me, etait-il "de Formia" ou "d'Ohrid"?). Lihnid. Zbornik na trudovi 6, 1988 [Ohrid 1988] 53 - 68.

9 Die griechische Legende veröffentlichte auf Grund der Handschrift Cod. Vat. 866, fol. 321 - 324 aus dem 11. Jahrhundert E Halkin, La legende grecque de Saint Erasme. AB 101, 1983, 5 - 17 und zuletzt aufgrund zweier weiterer Handschriften, Cod. Vat. Gr. 1987, fol. 98 v - 104 r (10./11. Jh.) und Cod. Messanensis 29, fol. 74 v - 77 v (aus dem Jahre 1308) G. Desantis, Gli atti greci di S. Erasmo. VetChr 25, 1988, 487 - 555 (mit der Datierung der ursptünglichen griechischen Redaktion ins 7./Anfang 8. Jh.; die älteste lateinische Fassung soll erst im 9. Jh. als eine Übersetzung der griechischen entstanden sein, ebd. 505); vgl. auch E Halkin, BHG 1 182 f. Eine makedonische Übersetzung der griechischen Legende, den Text aus dem Sammelband von Moshopol (Faksimile und Transkription) samt Übersetzung ins Makedonische und einer Studie veröffentlichte H. Melovski, Dve zitija na sveti Erazmo-Lih· nidski (Two hagiographies of St. Erasmus of Lychnidos). Lihnid. Zbornik na trudovi 6, 1988 [Ohrid 1988] 69 - 87. Vgl. auch Desantis 492 ff. ; 552 ff.

10 H. Delehaye, Commentarius perpetuus in Martyrologium Hieronymianum, Jun. 2.In: AASS Novembris II 2. Brüssel 1931, 296 f.; Martyrologium Romanum, Jun. 2. In: Propy· laeum ad AASS Decembris. Brüssel 1940, 220; Quentin (Anm. 7) 334; 429; 515; J. Dubois u. G. Renaud, Edition pratique des martyrologes de Bede, de !'anonyme Lyonnais et de Floms. Paris 1976, s. v. Jun. 3 (2); Rabanus Maurus, Martyrologium, Jun. 2. Ed. J. McCulloh. CCCM 44. Turnhout 1979, 53 Z. 25 - 37; J. Dubois, Le martyrologe d'Usuard. Subsidia ha· giographica 40. Brüssel 1965, 240 (Jun. 3 [1]).

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Hum von Aseman aus dem 10. oder 11. Jahrhundert zu erwähnen.11 Der Kern der Legende ist in allen Varianten derselbe; nur die in der Sammlung von Moshopol weicht teilweise davon ab. Es handelt sich um ein Schriftstück, das aus zwei einan· der ziemlich ähnlichen Teilen zusammengesetzt ist.

Erasmus, ein Bischof in Antiochia, floh zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian in die libanesischen Berge, verbrachte dort sieben Jahre, wurde festgenommen, vom Kaiser selbst verhört und grausam gefoltert.12 Vor der Voll· streckung der Todesstrafe wurde er von einem Engel aus dem Kerker befreit und mit der Anweisung, sich nach Italien zu begeben, in die Stadt Sidugridum (nach der älteren lateinischen Variante), 13 bzw. nach Ohrid (in der Legende des Papstes Gelasius 11.),14 nach Loukridos (in der griechischen Legende)15 bzw. «in die große Stadt Lychnidos» (nach der Niederschrift von Moshopol)16 geführt. Dort trat er als Missionar und Wohltäter auf, der nach dem Vorbild von Christus auf wundertätige Weise mehrmals Kranke heilte und eine große Zahl ( 40 000) von Einheimischen bekehrte. Als der Kaiser Maximianus von seinem Tun erfuhr, ließ er ihn gefan· gennehmen. Darauf verhö:·te er ihn und ließ ihn in den Herkulestempel ad civita· tem Sirmitanam (nach der lateinischen Legende)17 bzw. in die Stadt Sourmitana

11 Vgl. Melovski (Anm. 9) 70 f.; V. Malenko u. P. Kuzman, Hermeleja (Hermeleia). Lihnid. Zbornik na trudovi 6, 1988 [Ohrid 1988] 89 - 116; bes. 90 f.

12 Acta s. Erasmi 1 - 5 (AASS Junii I, 208D • 209C); Passio s. Herasmi ... edita a venerabi­li Gelasio papa II. 19 - 70 (Engels [Anm. 8] 21 - 25); fü,Ikin, Legende (Anm. 9) 6 - 9; Me­lovski (Anm. 9) 73 ff.

13 Acta s. Erasmi 6 (AASS Junii I, 209C): Et ecce, Angelus Domini dixit ad eum: Eras­me, exsurge, et ambula in ltaliam: ibi tibi Dominus aeternam vitam tribuet in seculum se· culi. Et quasi columba Christi plaudens, Sidugrido se deposuit.

14 Passio s. Herasmi ed. a Gelasio II. 71 (Engels [Anm. 8] 25): Porro beatus Herasmus du· cem itineris angelum sequens Ochridam civitatem advenit, que in extremis Asie partibus in media videlicet Vulgarie provincie regione constructa quattuor dierum itinere disparatur a Sirme. Die Bezeichnung Ohrids als einer Stadt inmitten (des byzantinischen Themas) Bul­garien trifft für die Zeit der Entstehung der Niederschrift zu, problematischer ist die Be· zeichnung der Entfernung von Sirmium (die zu gering erscheint) sowie die Angabe, es han­dele sich um eine Stadt am Rande Asiens (die in jeder Hinsicht falsch ist).

15 Halkin, Legende (Anm. 9) 10; Desantis (Anm. 9) 520; Melovski (Anm. 9) 75 bes. Anm. 36 (der Autor erklärt [nach Papazoglou] den sonst unbekannten Namen, indem er ihn auf den Namen Lychnidos zurückführt, und zwar der Paretymologie nach von Mxvoc; [Licht] über das lateinische lux bis zum gräzisierten lateinischen Wort Loukridos). Da die griechi· sehe Handschrift der Legende in Süditalien entstanden ist (Halkin a.a.O. 6; Desantis a.a.O. 488 ff.; 506 f.), erinnert der Name in etwa an die süditalische Stadt Lokroi.

16 Melovski (Anm. 9) 79 mit Anm. 61; 81; Desantis a.a.O. (Anm. 9) 552. 17

Acta s. Erasmi 9 (AASS Junii 1, 210C). Gelasius II. trug in seiner Schrift noch zusätz­lich zur Unklarheit des Orts des Geschehens bei, sagt er doch, Maximianus habe sich apud Sirme in finibus Dalmatinis, que civitas a metropoli Dyrachio dierum sex iter habet aufge­halten (Passio s. Herasmi ed. a Gelasio II. 89: Engels [Anm. 8] 27).

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(nach der griechischen Legende)18 bringen. Dort bekehrte er weitere 30 000 zum Christentum, wurde dann noch einmal vom Kaiser selbst verhört und an­schließend gefoltert. Vor seinem Tod wurde er erneut von dem Engel Michael aus dem Gefängnis befreit und nach (auf?) Curratium (nach der älteren lateinischen Version, vermutlich die nordadriatische Insel Krk)19 bzw. nach Dyrrhachion (in der griechischen Version20 sowie in der lateinischen Legende des Gelasius 11.21

) ge­führt, wo ihn bereits ein Schiff erwartete, mit dem er nach Italien fuhr, sich in Formia niederließ, wo er nach sieben Tagen verstarb:

Die Niederschrift im Sammelband von Moshopol22 unterscheidet sich ziemlich deutlich von den übrigen. Der erste Teil der Legende, der die Ereignisse in Syrien beschreibt, ist auf ein Minimum reduziert, währeng! der zweite Teil, in dem die Ereignisse in Illyricum dargestellt werden, sowohl hinsichtlich des Inhalts wie auch des Ortes des Geschehens ziemlich stark verändert ist. Als Erasmus' erste Station auf seinem Weg nach Illyricum wird hier Hermoupolis, daraufhin als Hauptschauplatz der Geschehnisse «die große Stadt Lychnidos» erwähnt. Hier wurde Erasmus von Kaiser Maximianus verhört, dann folgt die Episode im Zeus· tempel und nicht in dem des. Herkules wie in den früher erwähnten Hand­schriften. Der Erzengel Michael rettete Erasmus aus dem Gefängnis und führte ihn in die Stadt Phrymos in Kampanien. Von dort zog der Heilige nach Cherme­lia, wo er nach erfolgreicher Missionstätigkeit starb.

Die im Geiste der hagiographischen Literaturtradition des frühen Mittelalters verfaßte Heiligenvita wirft nicht nur eine Reihe von Fragen zur Entstehung und Komposition dieser Schrift auf, sondern vor allem die Frage der Historizität der Hauptfigur sowie nach der Identifikation der hier erwähnten Orte. Während alle Varianten der Legende die Stadt Formia in Kampanien nordwestlich von Neapel als den Todesart des Heiligen bzw. (in der Niederschrift von Moshopol Phrymos) als die vorletzte Station auf seinem Lebensweg anführten - eine . Tatsache, die schon antike Schriftquellen,23 vor allem aber die archäologischen Forschungen in

18 Halkin, Legende (Anm. 9) 13; Melovski (Anm. 9) 77 mit Anm. 43 und 45; 78 mit Anrn. 57; Desantis a.a.0.(Anm. 9) 528.

19 Acta s. Erasmi 13 (AASS Junii 1, 2118): ... Michael Angelus ... Et apprehendens eum eje­cit illum de civitate Sirmitana: veniensque Curratium naviculam a Domino paratam inve­nit, et transmigravit eum in provinciam Campaniam.

20 Halkin, Legende (Anm. 9) 16; Melovski (Anm. 9) 78; Desantis (Anm. 9) 538. 21 Passio s. Herasmi ed. a Gelasio II. 142 - 143 (Engels [Anm. 8] 32): ... Concito itaque

gradu Dyrachium angelo ducente perveniens naviculam in portu repertam festinus ingre­ditur et prosperis f/antibus ventis civitatem applicuit Formianam.

22 Melovski (Anm. 9) 78 - 86; Desantis (Anm. 9) 492 ff.; 552 ff .. 23 Während der Märtyrer in Martyrologium Hieronymianum, Jun. 2 (Anm. 10) nur er­

wähnt wird, berichtet Gregor. M., epist. 1, 8 (590; CCSL 140A, 10 z. 7) über die sterblichen Überreste des Märtyrers in der Kirche von Formia und führt zwei diesem Heiligen geweihte Klöster an: epist. 1, 23 (591; ebd. 21 Z. 10 - 11) und epist. 9, 171 (599; ebd. 729 Z. 1); epist. 9, 173 (599; ebd. 730 Z. 2).

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den siebziger Jahren, als die cella memoriae des HI. Erasmus entdeckt wurde,24

bezeugen -, ist jedoch die Frage der Zwischenstation auf seinein Lebensweg viel verwickelter. Der älteren, lateinischen Legende nach sind dies Singidunum und Sirmium sowe die Insel Curratium (Krk?), nach der griechischen Version die Städte Loukridos und Sourmitana sowie Dyrrhachion, in der lateinischen Legende des Gelasius II. Ohrid, Sirmium und Dyrrhachium, in der Niederschrift von Mos· hopol aber Hermoupolis, Lychnidos und schließlich Chermelia.

Wenn auch schon die !dentifikation von Loukridos mit Lychnidos philologisch umstritten ist und die Niederschrift im Sammelband von Moshopol relativ spät ist, so weisen doch die lokale Überlieferung von Ohrid und vor allem die archäolo· gischen Funde darauf hin, daß die Verbindung des HI. Erasmus mit dem Ohrider Gebiet sehr wahrscheinlich bis in die Antike zurückreicht. Die archäologischen Forschungsergebnisse der Jahre 1974/1975 in der Nähe der mittelalterlichen Kir· ehe des HI. Erasmus (fünf Kilometer nordwestlich von Ohrid) deuteten auf eine frühchristliche Phase aus dem 5. Jahrhundert. Man entdeckte dabei eine wohl dem HI. Erasmus gewidmete dreischiffige Kirche mit schönen Bodenmosaiken in ei· nem geometrischen M'.lster.25 Im Falle des Ohrider Gebietes mag es sich um eine alte lokale Überlieferung bzw. um eine Heiligenverehrung h.andeln, die bereits in der Antike aus Italien hierher gebracht worden ist, gab es doch später, zur Zeit der Ansiedlung der Slawen, keine rechte Gelegenheit mehr dafür, zumal die Beziehun· gen zu dem süditalischen Raum sehr erschwert waren. Diese Heiligenverehrung hat sich auf dem Weg über die alteingesessene Bevölkerung auf das frühe Mittelal· ter übertragen und spielte offensichtlich bei der erneuten Christianisierung des · Landes gegen Ende des 9. Jahrhunderts eine Rolle. Das nordwestliche Gebiet des antiken Lychnidos, das eine große Dichte an Fundstellen .aus der Spätantike (Koz· luk, Gabavci, Sv. Erazmo, Gabavski Rid) aufweist, ist einer überzeugenden Inter· pretation der Funde gemäß identisch mit Chermelia, das in der Niederschrift in dem Sammelband von Moshopol als der letzte Ort von Erasmus' Wirken erwähnt wird. 26 In Anbetracht der Tatsache, daß die Ostgoten unter König Theoderich (dem Amaler) im Jahre 4 79 die Umgebung von Lychnidos, nachdem sie die Stadt nicht hatten einnehmen können, verwüsteten und daß die Bevölkerung in der ar· chäologisch gut dokumentierten Festung oberhalb der Kirche des HI. Erasmus Zu­flucht fand,27 ist es auf jeden Fall denkbar, daß die Verehrung des HI. Erasmus be-

24 Vesely, Sant'Erasmo (Anm. 8) 681 f(.; Ders., Sveti Erazmo (Anm.8) 53 ff. 25 A. Sonje, Ukrasni motiv na podu bazilike sv. Erazma kod Ohrida u Makedoniji. ZAnt

31, 1981, 265 - 276; bes. 268 ff.; Ders., Motivo ornamentale della pavimentazione della basili· ca di S. Erasmo nei pressi di Ohrid in Macedonia. In: Actes du x• congres (Anm. 5) II 535 -541; bes. 537; Malenko u. Kuzman {Anm. 11) 89 - 116; bes. 94 ff. (mit erschöpfenden Anga· ben der übrigen archäologischen Literatur); vgl. auch Duval u. Popovic (Anm.5) 556 f.

26 Malenko u. Kuzman (Anm. 11), vor allem die Karte ebd. 114 (Beilage 1). 27 Vgl. H. Wolfram, History of the Goths. Berkeley u. Los Angeles 1988, 274; Malenko u.

Kuzman (Anm. 11) 98 ff.

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reits vor diesem Ereignis in dieses Gebiet eingeführt worden war. Es ist aber auch möglich, daß es erst etwas später, in einer Zeit ungewöhnlich guter Beziehungen zwischen dem Bischofssitz von Lychnidosund dem päpstlichen Stuhl, 28 dazu ge­kommen ist. Der Kern der antiken Ansiedlung in der Festung über der Erasmus­Kirche bestand mindestens bis zu dem Erdbeben im Jahre 611 fort und ist höchst­wahrscheinlich als Übermittler der Überlieferung vom HI. Erasmus in das Mittel· alter anzusehen, zumal in einer Region, in welcher die Kontinuität nicht nur im Lichte der archäologischen, sondern auch der linguistischen Forschungen29 beson­ders ausgeprägt war.

Über die reichhaltige Überlieferung zur Gestalt des HI. Erasmus auf dem Ohri­der Gebiet hinaus steht uns keine zuverlässige Quelle für die Zeit der Christenver­folgung zur Verfügung. Nur die Martyria, die man auf Grund archäologischer Be­funde in Stobi, in Lychnidos und in einigen Orten (Demir Kapija, Krnjevo, Karaorman, Morodviz) vermutet,30 sprechen zugunsten der Historizität wenigstens einiger namentlich unbekannter Märtyrer. Die Auswirkung der Bürgerkriege, die der Rücktritt des Kaisers Diokletian nach sich zog, auf die Entwicklung des Chri­stentums im makedonischen Raum ist nicht bekannt. Als ein dem Kaiser Galerius bis zu seinem Tod im Mai 311 unterstehendes Gebiet - dieser hielt sich die meiste Zeit über in Serdica und Thessalonike auf - war Makedonien bis zu dessen To­leranzedikt vom 30. April 311 ein Schauplatz der Christenverfolgung, über die al· lerdings nichts bekannt ist.31 Nach Galerius' Tod herrschte über dieses Gebiet Kai-

28 Siehe unten Anm. 102; 136; 137. Zu spät, erst in die Zeit vom 10. bis 13. Jahrhundert,

datiert die Entstehung der Ohrider Überlieferung vom hl. Erasmus Desantis (Anm. 9) 507. 29 P.Hr. Ilievski, Balkanoloski Iingvisticki studii so poseben osvrt kon istoriskiot razvoj na

makedonskiot jazik (Balkan Lingusitic Studies with Regard to the Historical Development of the Macedonian Language). Skopje 1988, 413 - 444 und anderenorts.

30 Duval u. Popovic (Anm. 5) 562: es handelt sich um die Gruft in der Friedhofskirche von Stobi 250 Meter südwestlich von ~em westlichen Stadttor mit Namen porta Herac/ea; siehe die Skizze bei Wiseman (Anm. 1) 304 (Nr. 31) bzw. den Grundriß in der Beilage (Nr. 28) in: Studies in the Antiquities of Stobi. 1. Belgrad 1973; skeptisch dazu B. Aleksova, The early Christian basilicas (Anm. 5) 68 f., die aber die Existenz eines Martyriums am Ort der Krypta in der Bischofskirche von Stobi vermutet (17 ff} Nach V. Bitrakova-Grozdanova, L'architecture paleochretienne dans la region d'Ohrid et de Prespa. In: CCAB 33, 1986, 117 hatte die polyconche Basilika "intra muros" in Lychnidus die Funktion eines Martyriums. Zu den Memorialkirchen in Demir Kapija, Krnjevo, Karaorman und Morodviz (letzte drei Ortschaften in Ostmakedonien) vgl. kurz Aleksova a.a.O. 69. Nicht auf die Zeit der Tetrarchen, sondern auf die Julians (361 - 363) bezieht sich die Überlieferung über die 15 Märtyrer von Tiberioupolis in Bithynien. Die Legende des Ohrider Erzbischofs Theophylaktos (Anfang 12. Jh.) verlegt das Geschehen nach Tiberioupolis in Makedonien (Strumica); vgl. dazu E Papazoglou, Les Villes (Anm. 1) 335 f.; zur mittelalterlichen Überlieferung im Licht der archäologischen Forschungen vgl. B. Aleksova, Episkbpijata na Bregalnica. Prv slovenski crkoven i kulturno-prosveten centar vo Makedonija (Episcopi on Begalnica. The First Slave Religious and Cultural Centre in Macedonia). Prilep 1989, 121 ff.

31 Barnes (Anm. 1) 61 ff.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 517

ser Licinius bis zum ersten Bürgerkrieg gegen Konstantin im Herbst 316. Über nennenswerte militärische Operationen oder Ereignisse von überregionaler Bedeu· tung besteht für diese Zeit und dieses Gebiet keinerlei Nachricht.32

2. Die Rolle der makedonischen Kirche bei den christologischen Auseinan­dersetzungen des 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts

Verläßliche Bezeugungen des Christentums auf makedonischem Gebiet set· zen 325 mit dem Konzil von Nicäa ein. Unter den etwa 300 in Nicäa versammel· ten Bischöfen finden sich gleich drei aus dem makedonischen Gebiet, Alexander von Thessalonike, Boudios aus Stobi und Dacus aus Scupi.33 Diese Tatsache allein deutet auf einen ziemlich hohen Grad in der Entwicklung der Kirchenorganisation hin. Allerdings setzen die Beschlüsse des Konzils, die sich auf Kirchenorganisation (vor allem Kanon 4 und 6) beziehen, noch nicht automatisch deren Umsetzung in die Praxis voraus, war doch das Netz von Bischofssitzen damals noch nicht eng­maschig genug. 34 Deshalb ist die Behauptung, daß die Kirchenzentren in den Pro­vinzialhauptstädten (wie z. B. in Scupi für Dardanien) schon damals als Metropo­litansitze fungiert hätten, völlig hypothetisch.35

Das Problem des Arianismus wie auch das der Entwicklung der Kirchenorgani· sation wurde weniger als zwei Jahrzehnte später auf der Synode von Serdica (343), die beinahe von ökumenischer Bedeutung war, verhandelt.36 Unter den Verhältnis-

32 Barnes (Anm. 1) 80 ff.; zur Datierung des Krieges (und damit des Übertrittes Makedoniens in den Machtbereich Konstantins) vgl. 1. König, Origo Constantini. Anonymus Valesianus Teil 1. (Trierer Historische Forschungen 2). Trier 1987, 118 ff. (plädiert für Datie· rung ins Jahr 314) und zuletzt Th. Grünewald, Constantinus Maximus Augustus (Historia Einzelschriften 64). Stuttgart 1990, 108 (neigt zur Datierung ins Jahr 316).

33 E. Schwartz, Über die Bischofslisten der Synoden von Chalkedon, Nicaea und Konstan· tinopel. ABAW 1937; Nr. 13, 76 f.; E. Honigmann, La liste originale des Peres de Nicee. By­zantion 14, 1939, 17 - 76; bes. 48 Nr. 190 - 191; Ders., The Original Lists of the Members of the Council of Nicaea, the Robber-Synod and the Council of Chalcedon. Byzan· tion 16, 1942-1943 [1944], 20 - 80; Ders., Une liste inedite des Peres de Nicee. Byzan· tion 20, 1950, 63 - 71; bes. 65 Nr. 74 und 90; 66 Nr. 85; 67 Nr. 139 und 152.

34 Vgl. R. Bratoz, Die Entwicklung der Kirchenorganisation in den Westbalkanprovin­zen (4. bis 6. Jahrhundert). MiscBulg 5, 1987, 149 -196; bes. 170 f. Anm. 32.

35 Der Bischof Dacus aus Scupi wird von Gasper (Anm. 4) 27; 207, unserer Meinung nach unrichtigerweise, als Metropolit bezeichnet. Wir schließen uns der von Schwartz (Anm. 33) 77 vertretenen Meinung an, daß die Bezeichnung Dardaniae (als Bezeichnung der Provinz und nicht der Stadt) deshalb beim Namen stehe, weil es sich um den einzigen Bi· schof in der Provinz handele.

36 Einige neuere Beiträge über die Synode von Serdica, in denen auch die ältere Literatur berücksichtigt wird: L.W. Barnard, The Council of Serdica - two Questions Reconsidered. In: A.G. Poulter (Hrsg.), Ancient Bulgaria. Papers Presented to the International Symposium of the Ancient History and Archaeology of Bulgaria, Univ. of Nottingham 1981. II. Nottingham 1983, 215 - 231; ders„ The Council of Serdica: Some Problems Re-assessed. AHC 12, 1980, 1 - 25; H.C. Brennecke, Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II.

518 Rajko Bratoi

sen einer Spaltung der christlichen Welt in das damals noch mehrheitlich ortho· doxe und das minderheitlich arianische Lager, das von den meisten Bischöfen des Ostens samt einigen aus dem Balkan gebildet wurde, trat eine Reihe von Bischöfen aus dem hier behandelten Gebiet: Paregorius a Dardania de Scupis37 sowie Zosi· mus a Macedonia de Lignido38 aus den unmittelbar an den makedonischen Raum angrenzenden Provinzen auf, aus dem Territorium des antiken Makedonien jedoch Euagrius (Eugeriius?) a Machedonia de Eraclia Linci,39 Bassus a Machedonia de Dioclecianopoli,40 Porfirius a Machedonia de Filippis,41 Aethius a Machedonia de Tessafonica,42 Jonas a Machedonia de Parthicopoli,43 Palladius a Machedonia de Dio,44 Geroncius a Machedonia de Bereu.45 Alle genannten Bischöfe gehörten der westlichen orthodoxen Partei an, 46 im Unterschied zu den Bischöfen der zwei benachbarten Provinzen im Norden, Dacia Mediterranea und Moesia Prima, die

Untersuchungen zur dritten Phase des arianischen Streites (337 - 361). Patristische Texte und Studien 26. Berlin u. New York 1984, 17 - 64; 1. Opelt, Die westliche Partei auf dem Konzil von Serdica. In: R. Pillinger (Hrsg.), Spätantike und frühbyzantinische Kultur Bulgariens zwischen Orient und Okzident. Wien 1986, 85 - 92; V. Russinov, The Canons of Serdica .and the Balkan Clergy. MiscBulg 5, 1987, 211 - 214; R. Herzog (Hrsg.), Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr. (Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 5). München 1989, 440 ff. Die grundlegende Studie über die Teilnehmer des Konzils bleibt nach wie vor: A.L. Feder, Studien zu Hilarius von Poitiers. II. SBAW 166, 5. Wien 1911.

37 Hil., coll. antiar. Paris. B II 4 (CSEL 65, 136 Nr. 29); Feder (Anm. 36) 22 Nr. 29; 37; 50 Nr. 7.

38 Hi!., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 135 Nr. 23); Feder (Anm. 36) 22 Nr. 23; 34 Nr. 23; 54 Nr. 32. Die Stadt lag damals m.it Sicherheit in der Provinz Epirus. Nova, und die Bezeich· nung, es handele sich um eine Stadt in Makedonien, ist hier wie an noch mehreren Stellen anachronistisch. Vgl. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 94.

39 Hit„ eo!!. antiar. B II 4 (CSEL 65, 134 Nr. 21); Feder (Anm. 36) 21 Nr. 21; 33 Nr. 21 f.; 54 Nr. 31.

40 Hi!., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 133 Nr. 8); Feder (Anm. 36) 20 Nr. 8; 29; 50. 41 Hi!., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 133 Nr. 9); Feder (Anm. 36) 20 Nr. 9; 29; 50 - 51. 42 Hi!., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 135 Nr. 27); Feder (Anm. 36) 22 Nr. 27; 35; 50. Dieser

Bischof tritt auch als derjenige auf, der Kanon 16 vorgeschlagen hat und an den Kanon 18 ge· richtet ist; vgl. Ch.J. Hefele, Histoire des Conciles. 1. Paris 1907, 799 - 800.

43 Hi!., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 136 Nr. 33); Feder (Anm. 36) 23 Nr. 33; 38; 50. 44 Hi!„ coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 139 Nr. 55); Feder (Anm. 36) 25 Nr. 55; 46; 54. 45 Hil., coll. antiar. B II 4 (CSEL 65, 139 Nr. 56); Feder (Anm. 36) 25 Nr. 56; 46 f.; 50. 46 Neben den genannten Bischöfen gibt es noch zwei von Thessalonike, die ebenso Atha·

nasius unterstützten, nämlich Alexander, der Amtsvorgänger von Aecius, sowie dessen Nachfolger Heremius (siehe Ch. Pietri, Roma Christiana. Recherches sur l'Eglise de Rome, son organisation, sa politique, son ideologie de Miltiade a Sixte III [311 - 440]. II. Rom 1976, 1076 Anm. 1). Von der Parteinahme Makedoniens und der angrenzenden Provinzen (Dacia, Moesia, Thracia, Dardania, Epirus und Thessalia) für die orthodoxe Seite berichtet auch Athanasius, Apologia contra Arianos 1 (PG 25, 249); Ders„ Epistola synodi Sardicae congre· gatae (PG 25, 725B); vgl. auch Concilii Sardicensis ad Mareoticas ecclesias epistola (PL 56, 848 - 850), wo mehrere makedonische Bischöfe unter den Unterzeichnern zu finden sind.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 519

beide dem religiösen Bekenntnis nach in Arianer und Orthodoxe aufgespalten wa­ren.47 Überraschend ist die Abwesenheit von Stobi angesichts der Tatsache, daß sonst nicht weniger als sieben Bischöfe aus der Provinz Makedonien an dieser Zu­sammenkunft teilgenommen haben.

Aus der Zeit der religiösen Kämpfe zwischen Arianern und Orthodoxen, die auf die Synode von Serdica folgte, sind mehrere Synoden unter Teilnahme zahlrei­cher Bischöfe aus dem Balkangebiet bekannt, unter denen man auch Bischöfe aus Makedonien suchen könnte. Leider kommen in den Quellen häufig nur die Na­men der Bischöfe, ohne Angabe ihrer Herkunft vor, so daß diese für viele von ih· nen, die nur ein einziges Mal erwähnt werden, unbekannt bleibt. Von der ersten Synode in Sirmium (351) sind 22 Namen arianischer Bischöfe überliefert, deren Herkunft in neun Fällen nicht bekannt ist.48 In einem Schreiben des sirmischen Bischofs Germinius aus dem Jahr 366 finden sich acht Namen gemäßigter ariani­scher Bischöfe, wobei wir bei mindestens drei den Amtssitz nicht kennen.49 Auf der Synode des Jahres 378 in Sirmium wurden sieben arianische Bischöfe unbe­kannter Orte abgesetzt.50 Jedenfalls ist es möglich, daß der eine oder andere der mindestens zwanzig nur namentlich tradierten Bischöfe jener Zeit51 aus dem ma­kedonischen Gebiet stammte, doch läßt sich diese Annahme bis zu einem etwai­gen glücklichen Fund neuer Quellen nicht bestätigen.

Allerdings überrascht die Tatsache, daß die Bischofssitze aus dem Territorium Makedoniens, Thessalonike ausgenommen, noch während eines ganzen Jahrhun­derts nach der Synode von Serdica in den Quellen nur recht selten auftauchen. So finden wir sie auch nicht im Verzeichnis der Teilnehmer des zweiten ökumeni­schen Konzils des Jahres 381 in Konstantinopel - an diesem nahm mit Sicherheit nur der Bischof Acholius von Thessalonike teil52

- , das zusammen mit der Synode

47 Feder (Anm. 36) 126; Bratoz (Anm. 34) 171 Anm. 33. 48 Hil., coll. antiar. Paris. B VII 9 (CSEL 65, 170); Feder (Anm. 36) 101 - 103; Bratoz

. (Anm. 34) 173 f. Anm. 49 (mit weiteren Literaturangaben). Zu der Synode von Sirmium 351 siehe Brennecke (Anm. 36) 91 - 107.

49 Hi!., coll. antiar. Paris. B VI 4 (CSEL 65, 160); Feder (Anm. 36) 107 - 109; Bratoz (Anm. 34) 173 Anm. 48.

50 Theodoret., Hist. eccl. 4, 8 (PG 82, 1140A-B; 1141A); vgl. Bratoz (Anm. 34) 174 Anm. 52 (mit der übrigen Literatur).

51 Bratoz (Anm. 34) 173 f. Anm. 48. Neben den angeführten Quellen sei noch der Brief des Papstes Damasus aus der Zeit unmittelbar vor dem Konzil in Konstantinopel von 381 er· wähnt, der an den Bischof Acholius von Thessalonike und noch fünf weitere Bischöfe (Acho· lio, Eurydico, Severo, Uranio, Philippo et Johanni) gerichtet ist, die wahrscheinlich aus Ma· kedonien stammten (PL 13, 365; vgl. Anm. 69).

52 Schwartz (Anm. 33) 83; allgemein zum Konzil J.R. Palanque, G. Bardy u. P. de La· briolle, in: A. Fliehe u. V. Martin (Hrsg.), Storia della Chiesa. III 1. Dalla pace costantiniana alla morte di Teodosio. Turin 31977, 299 - 307 (361 - 369); bes. 300 (362 Anm. 38 - 39). Acholius ist die erste verhältnismäßig gut bekannte und bedeutende Persönlichkeit unter den Bischöfen von Thessalonike. Als Bischof, der den Kaiser Theodosius getauft hatte, und als

520 Rajko Bratoz

von Aquileia aus demselben Jahr einen großen Sieg über den Arianismus und die daraus hervorgegangenen häretischen Bewegungen bedeutete.

Eine wichtigere Rolle fiel den makedonischen Bischöfen als Vertretern des Pap· stes 431 auf dem dritten ökumenischen Konzil von Ephesus zu, auf dem das Pro­blem des Nestorianismus behandelt wurde.53 Auf der Synode von Ephesus im Jah­re 449 (dem sog. Latrocinium) ist unter den Teilnehmern aus der unmittelbaren Nähe zum makedonischen Raum der Bischof Antonius aus Lychnidos zu finden.54

Als Unterzeichner fungieren auch mehrere makedonische Bischöfe. Es handelte sich um Sozon aus Philippi, Eusebius aus Doberus, Maximinus aus Serrhae, Her­mogenes aus Kassandreia, Lucas aus Beroea (alle mit Angabe der Provinz Macedo­nia Prima)55 und als der angesehenste unter ihnen Quintillus aus Heraclea (ohne Angabe der Provinz), stellvertretend für den offenbar nicht anwesenden Anastasius von Thessalonike.56 Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Bi­schof aus Makedonien und nicht aus Heraclea (Perinthus) in der Nähe von Kon­stantinopel. Da es in Makedonien zwei Städte mit dem Namen Heraclea gab, ist es möglich, daß entweder von einem Bischof aus Heraclea Lyncestis (Bitola) oder von

Oberhirt der damaligen kaiserlichen Residenzstadt - Theodosius gab in Thessalonike das be­deutende Gesetz, mit dem er den Inhalt des katholischen Glaubens definierte (Cod. Theod. 16, 1, 2 von 380) - übte er auf den Kaiser einen großen Einfluß aus (siehe A. Lippold, Theo­dosius der Große und seine Zeit. München 21980, 22; Pietri [Anm. 46] 850). Acholius wird als Adressat zweier Briefe des Papstes Damasus aus dem Jahr 381, aus der Zeit unmittelbar vor dem Konzil in Konstantinopel, erwähnt (Epist. 5 - 6 [PL 13, 365 - 370]; Pietri a.a.O. 860). Er erscheint als Teilnehmer der Synode in Rom von 382 und zwar als einer der Adressaten in einem Schreiben, das die östlichen Bischöfe an die Synode von Rom sandten (vgl. Theo­doret., Hist. eccl. 5, 9 [PG 82, 1212]; Palanque, Bardy u. Labriolle a.a.O. 310 [373]; Pietri a.a.O. 867; 1076 Anm. 1). Ambr., epist. 15, 3 (PL 16, 956B) apostrophiert Acholius mit dem ·Attribut apostolicus, das man für die angesehensten Bischofssitze bzw. deren Inhaber zu ver­wenden pflegte; vgl. Pietri a.a.O. 1612.

53 Drei makedonische Bischöfe kamen mit leichter Verspätung zum Konzil von Ephesus. Als Gegner von Nestorius spielte Flavianus von Philippi auf dem Konzil eine wichtige Rol­le (vgl. Ch.J. Hefele, Histoire des Conciles. II. Paris 1908, 302; 360; P. de Labriolle, G. Bardy, L. Brehier u. G. de Plinval, in: A. Fliehe u. V. Martin (Hrsg.), Storia della Chiesa. IV. Dalla morte di Teodosio all'avvento di S. Gregorio Magno. Turin 31972, 223 (207]; 235 [230]). Aus dem Brief von Papst Coelestinus, gerichtet an vier Bischöfe, unter anderem an Rufus aus Thessalonike und Flavianus aus Philippi, abgesandt am 11. Aug. 430 (ein knappes Jahr vor dem Konzil), ist ersichtlich, daß diese beiden makedonischen Bischöfe Gegner der Lehren des Nestorius waren; siehe Coelestinus, epist. 12 (PL 50, 465 ff.); Ph. Jaffe u. G. Wattenbach, Regesta pontificum Romanorum. 1. Leipzig 1885, 373; de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval a.a.0. 216 (194); Pietri (Anm. 46) 1134 ff.; 1360 Anm. 2; 1394 ff.

54 Honigmann, Original Lists (Anm. 33) 35 Nr. 52; vgl. Bratoz (Anm. 34) 181 f. Anm. 72. 55 Honigmann, Original Lists 35 Nr. 59 - 63; die Bezeichnung der Provinz Macedonia I

weist au·f die sehr wahrscheinliche Existenz einer Macedonia Secunda in diesem Zeitalter hin. Vgl. Ch. Pietri, La geographie de l'Illyricum ecclesiastique et ses relations avec l'Eglise de Rome (V• - VI° siecles). In: Villes (Anm. 1) 21 - 62; bes. 60.

56 Honi3mann, Original Lists (Anm. 33) 34 Nr. 12 - 13; vgl. Pietri, Geographie (Anm. 55) 29 f.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 521

einem aus Heraclea am Strymon (bzw. H. Sintica) die Rede ist, doch kommt der ersten Möglichkeit mit Rücksicht darauf, daß das an zweiter Stelle genannte Heraclea in kirchenhistorischen Quellen praktisch nicht auftaucht, auf jeden Fall mehr Glaubwürdigkeit zu.57

Noch bedeutsamer war die Teilnahme der makedonischen Bischöfe auf dem vierten ökumenischen Konzil von 451 in Chalkedon, auf dem das Problem des Monophysitismus behandelt wurde. Unter mehr als 500 Teilnehmern befinden sich gleich acht Bischöfe aus dem hier interessierenden Gebiet: Quintillus aus Heraclea, der angesehenste unter ihnen, der hier in der nämlichen Rolle wie 449 in Ephesus, als Stellvertreter des Bischofs Anastasius von Thessalonike erscheint,58

weiterhin Nicolaus aus Stobi59 und Dardanius aus Bargala 60 als die einzigen Vertre· ter von Macedonia Secunda, außerdem noch drei Bischöfe, die schon 449 in Ephe· sus dabei waren (Sozon aus Philippi, Eusebius aus Doberus und Maximinus aus Serrhae)61 sowie Johannes aus Parthicopolis und Honoratus von Thasos, welche b,eide vordem nicht erwähnt sind.62 Aus .etwas späterer Zeit sind noch zwei na· mentliche Erwähnungen von Bischöfen aus unmittelbarer Nähe Makedoniens be­kannt. Antonius von Lychnidos, der an der Synode des Jahres 449 in Ephesus teil­nahm, wird in einem Brief der Bischöfe aus Epirus Nova an den Kaiser Leo ( 451 ode~ etwas später)63 erwähnt, Ursilius aus Scupi aber wird zusammen mit noch zwei weiteren Bischöfen in einem Schreiben der dardanischen Bischöfe aus dem Jahr 458 an denselben Kaiser und als einer der Adressaten des Kaiserbriefes an Metropolitanbischöfe aufgeführt.64 Die kirchenpolitische Aktivität der meisten so angeführten Bischöfe reichte im allgemeinen nicht über den lokalen bzw. den auf die Provinz bezogenen Rahmen hinaus, treten sie doch in den Quellen gewöhnlich

57 Auch auf dem fünften ökumenischen Konzil von Konstantinopel 553 vertrat Bischof Benignus aus Heraclea Lyncestis den abwesenden Bischof Elias; vgl. Anm. 153 und F. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 264.

58 Honigmann, Original Lists (Anm. 33) 50 Nr. 8; vgl. auch Schwartz (Anm.33) 8; Pietri, Geographie (Anm. 55) 31 ff.; 61.

59 Honigmann, Original Lists 58 Nr. 387. 60 Honigmann, Original Lists 58 Nr. 388. 61 Honigmann, Original Lists 58 Nr. 384 - 386; vgl·. Pietri, Geographie 61. 62 Honigmann, Original Lists 58 Nr. 389 - 391; vgl. Pietri, Geographie 61. Zur Frage der

richtigen Namensform (Parthicopolis oder Paroikopolis) siehe F. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 371 ff.

63 M. Le Quien, Oriens Christianus. II. Paris 1740, 285 (mit Datierung der Synode in das Jahr 453); Pietri, Geographie 35 f.; Papazoglou, Les villes 94.

64 ACO 115 (1936, 88); Gasper (Anm. 4) 205; Bratoz (Anm. 34) 178 ff. Anm. 69; 191. Die Unterschrift Ursilius episcopus Dardaniae weist darauf hin, daß es sich um den Metropoli­ten der Provinz handelt, der in dem Verzeichnis der Empfänger des kaiserbriefes als Ursici· nus reverentissimus episcopus Scupiensis genannt ist (ACO II 5, 24 Nr. 61; im Verzeichnis steht auch Bischof Euxitheus aus Thessalonike, ebd. Nr. 55). Vgl. auch Z. Mirdita, Das Chri­stentum und seine Verbreitung in Dardanien. Balcanica 4, 1973, 83 - 93; bes. 87; Pietri, Geographie 36.

522 Rajko Bratoz

nur als Unterzeichner auf. Nur selten treffen wir unter ihnen jemanden als Befür­worter einer kanonischen Regelung oder in den theologischen Diskussionen an. Ausnahmslos treten die makedonischen Bischöfe in jener Zeit als "westliche" Bischöfe auf, deren Entscheidungen immer im orthodoxen Sinne, entgegen ver­schiedenen Bewegungen des christlichen Ostens, getroffen werden.

Auf dem hier in Rede stehenden Gebiet hat sich kein Zentrum des frühchristli­chen Schrifttums entwickelt. Zum Teil reichte der Einfluß des Niceta aus Reme­siana bis hierher, eines bedeutenden Autors und eifrigen Missionars aus der Zeit um 400.65 Als dieser im Jahr 398 aus Italien in seine Heimat zurückkehrte, berei­ste er das Meer und landete zuerst im makedonischen Küstengebiet, um seinen Weg dann über Stobi und Scupi an Land fortzusetzen. Wie sein Freund Paulinus aus Nola berichtet, führte ihn der Weg, wie folgt, in das heimatliche Remesiana:

... ibis Arctoos procul usque Dacos, ibis Epiro gemina videndus, et per Aegeos penetrabis aestus

20 Thessalonicen . ...

tu Philippeos Macetum per agros, per Tomitanam gradieris urbem,

195 ibis et Scupos patriae propinquos 66 Dardanus hospes.

3. Entstehung und Entwicklung des Vikariates von Thessalonike

Viel plastischer als durch die Unterschriften der makedonischen Bischöfe auf den Kirchenversammlungen des 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts werden die kirchlichen Verhältnisse im Lande durch mehrere päpstliche Briefe geschildert, die ein Licht auf die Entstehung des Vikariats von Thessalonike werfen und das lebhafte Interesse des päpstlichen Stuhls in Rom an diesem Gebiet widerspiegeln, das jener angesichts der Gefahr, das Territorium Makedoniens und überhaupt von ganz Ostillyricum könnte in den Einfluß- und Machtbereich des Bischofs von Konstantinopel gelangen, bekundete. Diese Gefahr kündigt~ sich schon 379 nach

65 A. E. Burn, Niceta of Remesiana. His Life and Works. Cambridge 1905; den neuen For· schungsstand vermittelt K. Gamber, Niceta von Remesiana als Katechet und Hymnendich­ter. Ein Rechenschafts- und Forschungsbericht. In: Pillinger (Anm. 36) 71 - 83.

66 Paul. No!., carm. 17, 17 - 20; 193 - 196 (rec. Hartei: CSEL 30 [1894] 82; 90). Schon Burn

(Anm. 65) LII, schließlich aber Y. M. Duval, Niceta d' Aquilee. Histoire, legende et conjectu­res anciennes. AAAd 17, 1980, 169, korrigierten mit Recht Tomitanam (wie es in den mei­sten Ausgaben heißt) zu dem sinnvollen Stobitanam. Über den Verlauf der Straße ~us Thes­salonike über Stobi und Scupi nach Norden siehe TIR K 34. Naissus - Dyrrhachion - Scupi -Serdica - Thessalonike. Red. J. Sasel, Ljubljana 1976, Karte 1; siehe die Karte unten S. 523.

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THESSALIA

Abbildung 1: Provinzialgrenzen und Bischofssitze der frühchristlichen Kirche in Makedonien (zu der manchmal strittigen Orthographie der Namen und zur Lokalisierung der Orte vgl. TIR K 34 und Papazoglou, Les villes [Anm. 1}).

der administrativen Aufteilung Illyricums an, als die Diözesen Macedonia und Dacia dem östlichen Kaiser Theodosius unterstellt wurden,67 noch stärker aber nach dem Konzil von Konstantinopel 381, das (mit dem Kanon 3) den Bischof von Konstantinopel dem Range nach unmittelbar dem Papst nachordnete.68

67 A. Lippold, Theodosius der Große und seine Zeit. München 21980, 15 f. 68 Ch.J. Hefele, Histoire des Conciles. II. Paris 1908, 24 f.; dieser Stand wird bestätigt

durch Kanon 9 und 28 des Konzils von Chalkedon (Hefele a.a.O. 791 ff.; 815 ff.) und durch Cod. Theod. 16, 2, 45 ( 421: in den Cod. Just. übernommen; siehe unten Anm. 139). Über die Entstehung des Vikariats von Thessalonike siehe von den älteren Werken L. Duchesne, L'Il­lyricum ecclesiastique. ByzZ 1, 1892, 531 - 550; J. Zeiller, Les origines chretiennes dans les provinces danubiennes de l'empire romain. Paris. 1918, 369 ff.~ E Streichhan, Die Anfänge des Vikariates von Thessalonich. ZRG KA 12, 1922, 330 - 384 (eine Studie von grundlegen· der Bedeutung); W. Völker, Studien zur päpstlichen Vikariatspolitik im 5. Jahrhundert. ZKG 46, 1928, 370 - 380; S.L. Greenslade, The Illyrian Churches and the Vicariate of Thessalonica 378-95. JThS 46, 1945, 17 - 30; R. Honig, Beiträge zur Entwicklung des Kirchenrechts. Göttinger rechtswiss. Studien 12, 1954, 30 - 45; J. Macdonald, Who lnstituted the Papal Vicariate of Thessalonica? Studia patristica 4, 1961, 478 - 482; V. Grumel, Les origines du Vicariat apostolique de Thessalonique. In: Actes du XII" congr. intern. d'etudes Byzantines. II. Belgrad 1964, 451 - 461; Pietri, Roma (Anm. 46) 1069 - 1147 (unter den mo­dernen Darstellungen die gründlichste); kurz behandelt wird die Frage auch bei de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 306 f. (350); Gaspcr (Anm. 4) 39 - 40.

524 Rajko Bratoi

Auf die Veränderung der Verhältnisse reagierte der Papst Damasus bereits im Jahr 380, also noch vor dem Konzil von Konstantinopel, in zwei Briefen, die er an den Bischof von Thessalonike und noch an fünf weitere makedonische (?) Bischö­fe bzw. an den Bischof Acholius selbst schickte.69 Damasus' Nachfolger Sirici­us (384 - 399) tat noch einen wichtigen Schritt darüber hinaus. In einem Schrei· ben an Acholius' Nachfolger Anysius (386?) erteilte er dem Bischof von Thessalo­nike weitreichende Vollmachten bei der Einsetzung der Bischöfe auf dem Gebiet Ostillyricums, mußte er doch für jede Ernennung eines Bischofs seine Zustim· mung geben. 70 Papst Innozenz ging angesichts der Umstände, daß Ostillyricum nach dem Tod des Theodosius endgültig dem östlichen Reich einverleibt wurde, seinerseits noch weiter. Um seine Interessen gegenüber den Bischöfen von Kon· stantinopel zu wahren, verlieh er 412 mit einem Erlaß, der in Wahrheit die Entste· hung des Vikariats von Thessalonike bedeutete, dem Bischof Rufus die Jurisdikti· on über die Provinzen Achaea, Thessalia, Epirus Vetus, Epirus Nova, Creta, Dacia Mediterranea, Dacia Ripensis, Moesia Prima, Dardania und Praevalitana, also über das gesamte, um Praevalitana erweiterte Ostillyricum.71 Das Vikariat von Thessalonike nahm in den Jahren 419 - 423, unter Papst Bonifaz, feste Umrisse an.72 Der Papst bestätigte im Jahr 419, als heftige Streitigkeiten im Zusammen· hang mit der Besetzung des bischöflichen Stuhls in Korinth ausbrachen, in seinem Schreiben an die acht auf der Synode in Korinth versammelten illyrischen Bischö·

69 Jaffe u. Wattenbach (Anm. 53) 237; Coll. Thessal. (= Epistularum Romanorum pontifi­cum ad vicarios per Illyricum aliosque episcopos Collectio Thessalonicensis) 1- 2 (Ed. C. Si!· va-Tarouca, Rom 1937, 16 - 19); Streichhan (Anm. 68) 344 f.; Pietri, Roma (Anm. 46) 860 f.

7° Coll. Thessal. 3 ([Anm. 69) 19): „. ut nulli licentia esset sine consensu tuo in l11yrico episcopos ordinare praesumere. Siehe Streichhan 345 - 350; Pietri, Roma 1072 - 1077. Das Vikariat wird in dem Brief nicht ausdrücklich erwähnt.

71 Coll. Thessal. 5 (21 - 22): der Papst berichtet dem Bischof: ... prudentiae gravitatique tuae commitendam curam causasque si que exoriantw; per Achaiae, Thessaliae, Epiri ve· teris, Epiri novae, Cretae, Daciae mediterraneae, Daciae ripensis, Moesiae, Dardaniae et Praevali ecclesias. Dabei berief sich der Papst auf die Briefe seiner Vorgänger Damasus und Siricius an die Bischöfe Acholius und Anysius (siehe oben Anm. 69 - 70). Im Provinzenver· zeichnis ließ der Papst Macedonia 1 und Macedonia Salutaris aus, Uber welche der Bischof von Thessalonike schon eher die Machtbefugnis eines Metropoliten ausübte, er setzte aber Praevalis hinzu, das 395 definitiv Teil des östlichen Kaiserreiches geworden war, obwohl es einst Teil Dalmatiens war. Der Papst ermächtigte den Bischof von Thessalonike nostra vice per suprascriptas ecclesias, salvo earum primatu curam, et inter ipsos primates primus, quicquid eos ad nos necesse fuerit mittere, non sine tuo postulent arbitratu. lta enim aut per tuam experienciam quicquid illud est finietur, aut tuo consilio ad nos usque pervenien· dum esse mandamus. Thessalonike wurde zum erzbischöflichen Zentrum von lllyricum er· hoben, Konstantinopel wird nicht erwähnt, für die maiores causae ist der Papst bevollmäch· tigt, so wie es auch im Westen war. Der Bischof von Thessalonike erhielt das Recht, Synoden einzuberufen und Angelegenheiten . vel in tua vel in memoratis provinqiis zu re· geln. Vgl. Streichhan 350 - 354; Pietri, Roma 1089 - 1093. '

72 Vgl. Streichhan 354 - 365; Pietri, Roma 1107 - 1130.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 525

fe die von Papst Innozenz stammende Regelung,73 später jedoch noch einmal in ei­nem Brief an den Bischof Rufus von Thessalonike.74

Auf die Festigung des päpstlichen Einflusses in Ostillyricum folgte, unter dem Protest einiger illyrischer, vor allem thessalischer Bischöfe, angesichts der zuneh­mend sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem östlichen und dem west­lichen Reich das Eingreifen des östlichen Kaisers Theodosius II. Dieser setzte 421 per Gesetz den Bischof von Konstantinopel als Schiedsrichter in den kirchlichen Auseinandersetzungen in Illyricum ein 75 und versuchte auf diese Weise, die Rege­lung des Papstes zu untergraben. Eine konsequente Beachtung dieses Gesetzes würde nämlich einen Zerfall des Vikariats von Thessalonike bedeutet haben. Die­ses Einschreiten hatte eine energische Reaktion des Westens zur Folge. Der Kaiser des wesdichen Reiches, Honorius, vermittelte als ein Verbündeter des Papstes in dieser Angelegenheit bei dem östlichen Kaiser, dem diplomatischen Antwort­schreiben des Theodosius nach zu urteilen, durchaus mit Erfolg.76 Danach bestä­tigte der Papst selbst 4 22 in einem Brief an den Bischof Rufus von Thessalonike sowie an weitere Bischöfe von Macedonia, Achaea, Thessalia, den beiden Provin­zen von Epirus, Praevalitana und Dacia, anläßlich der Lösung des Konflikts in Korinth, die Einrichtung des Vikariats von Thessalonike.77 Dies bekräftigte der Papst noch in zwei weiteren Briefen, nämlich an den Bischof Rufus von Thessalo­nike und an die Bischöfe in Thessalien, wo die Opposition gegen die Verfügung am stärksten ausgeprägt war.78

Vier Briefe des Papstes Sixtus III. ( 432 - 440), die sich auf die Verhältnissse in 11-lyricum beziehen, enthalten hinsichtlich der Entwicklung des Vikariats von Thes­salonike nichts wesentlich Neues. Dem Papst war es gelungen, die Einrichtung des Vikariats von Thessalonike trotz der sie bedrohenden Mächte und lnfragestellun­gen aufrechtzuerhalten. Zur Zeit des nestorianischen Streites, als Nestorius auch unter den Bischöfen in Thessalien Anhänger entstanden waren - diese wandten sich von Rom ab und suchten nach Verbündeten in Konstantinopel-, leistete Papst Sixtus III. seinen Anhängern, den Bischöfen Flavianus aus Philippi und Rufus von

73 Coll. Thessal. 6 ([Anm. 69] 23 f.); von acht auf der Synode anwesenden Bischöfen stam­men die fünf bekannten nicht aus dem makedonischen Raum, von dreien, die nur in die­sem Protokoll erwähnt werden (Paulus, Aeternalis, Sabacius) ist die Herkunft unbekannt.

74 Coll. Thessal. 7 - 7b; 27 (24 - 27; 64 - 65). 75 Cod. Theod. 16, 2, 45 ( 421); vgl. Streichhan (Anm. 68) 359 f.; Honig (Anm. 68) 32 ff.;

Pietri, Roma (Anm. 46) 1114 f. 76 Coll. Thessal. 15 - 16 ( 43 - 45); vgl. Streichhan 361 ff.; Pietri, Roma 1117 ff. E. Chrysos,

Zur Echtheit des Rescriptum Theodosii ad Honorium in der Collectio Thessalonicensis. Kleronomia 4, 1972, 240 - 250 brachte (nach J. Friedrich und Th. Mommsen) ernste Bedenken gegen die Echtheit des Antwortschreibens des Theodosius vor; seiner Meinung nach handelt es sich um eine Fälschung aus der Zeit nach 534. ,

77 Coll. Thessal. 8 (27 - 32); Pietri, Roma 1122 - 1130. 78 Coll. Thessal. 9 - 10 (32 - 36).

526 Rajko Bratoi,

Thessalonike Beistand. Letzterer berief eine Synode aller Vikariatsbischöfe ein, an der diejenigen von Epirus Nova, Macedonia, Thessalia sowie Senecio aus Praevali · tana teilnahmen, und auf welcher der Nestorianismus verworfen wurde. Dies ge­schah im Herbst 431, also in einer Zeitspanne von weniger als einem halben Jahr seit dem Konzil von Ephesus.79 Im Jahr 435 wies der Papst die Ansprüche des Ko­rinther Bischofs Perigenus zurück, der nach dem Tod des Bischofs Rufus von Thessalonike seinen Bischofssitz mit dem von Thessalonike gleichsetzen wollte, da er angeblich ebenso apostolischen Ursprungs sei wie jener.80 Jn einem Brief, der an die auf der Synode in .Thessalonike versammelten Bischöfe adressiert war, bestä­tigte er ausdrücklich den Primat des neuen Bischofs von Thessalonike, Anastasius, über die Metropoliten in Illyricum wie auch über den Bischof von Korinth.81 In ei­nem Schreiben (Ende 437) an den Bischof Proclus von Konstantinopel berief sich der Papst noch einmal auf die alte Kirchenordnung: er forderte den Bischof auf, sich an die bestehende Ordnung zu halten und seine Ambitionen zu zügeln, wobei er die besonderen Vollmachten des Bischofs von Thessalonike anführte.82 In einem Schreiben an die Synode der illyrischen Bischöfe aus derselben Zeit bestätigte er wiederholt die Vollmachten des Bischofs Anastasius von Thessalonike, indem er sich darauf berief, daß schon sein Vorgänger im Amt, Rufus, mit den gleichen Vollmachten ausgestattet gewesen sei (qui [seil. Anastasius] vices apostolicae sedis agere, ut beatae memoriae Rufus decessor ipsius, ex nostra voluntate co­

gnoscitur ... ).83 Diese Zusicherungen waren um so nötiger, als der Codex des Theodosius, der am 1. Januar 439-in Kraft getreten war, das umstrittene Gesetz des Kaisers Theodosius II. enthielt, dem zufolge der Bischof von Konstantinopel für die Lösung von strittigen Fragen in Illyricum zuständig war.84

Mit dem Amtsantritt des Papstes Leo ( 440 - 461) geriet das Vikariat von Thes­salonike aus mehrerlei Gründen in eine Krise.85 Nicht nur war der Bischof Anasta­sius von Thessalonike als Persönlichkeit nicht für dieses Amt geeignet, und so be­gann unter den Bischöfen in Illyricum eine gewisse Disziplinlosigkeit zu herr­schen, sondern auch die Rechtsordnung selbst wies einige Schwächen auf. Den Bischöfen von Thessalonike wurden bis zu jener Zeit die Vikariatsvollmachten von dem jeweiligen Papst persönlich verliehen, so daß Anastasius beim Tode von Papst Sixtus III. nur Metropolit war und den neuen Papst um jene Vollmachten bit­ten mußte, die er zuvor schon besessen hatte. Das tat er erst nach gut drei Jahren.

79 Pietri, Rom~ (Anm. 46) 1134 - 1139; vgl. oben Anm. 53. 8° Co!!. Thessal. 11 ([Anm. 69] 36 - 37); vgl. Streichhan (Anm. 68) 368 f.; Pietri, Ro·

ma 1139 f. 81 Co!!. Thessal. 12 (37 - 38); vgl. Streichhan 369; Pietri, Roma 1142. 82 Co!!. Thessal. 13 (39 - 40); Pietri, Roma 1144 f. 83 Co!!. Thessal. 14 ( 41 - 43); vgl. Streichhan 366 f.; Pietri, Roma 1145. ~ ..

Cod. Theod. 16, 2, 45 ( 421). &s Vgl. Streichhan 369 - 381; Pietri, Geographie (Anm.55) 24 - 28.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 527

Der Papst antwortete auf sein Gesuch mit zwei (mit demselben Datum vom 12. Ja· nuar 444 versehenen) Briefen. Anastasius selbst erteilte er die Vollmachten eines Vikars, jedoch in etwas beschnittenem Umfang, 86 in dem zweiten Brief aber setz· te er die Metropolitanbischöfe Illyricums darüber in Kenntnis, Anastasius nach dem Beispiel von dessen Vorgänger zu seinem Vikar eingesetzt zu haben (Vicem itaque nostram fratri et coepiscopo nostro Anastasio, secuti eorum ex­emplum, quorum nobis recordatio est veneranda, commisimus ... ).87 In Wirk· lichkeit nahm die Rolle der Vikare von Thessalonike an Bedeutung ab, diejenige des Papstes selbst bei der Regelung der Verhältnisse in Illyricum jedoch zu. Dieser Sachverhalt geht aus einem Schreiben des Papstes an die sechs Metropoliten Illyri­cums hervor, offensichtlich dem Antwortschreiben auf deren Brief, der ohne Wis· sen des Vikars von Thessalonike nach Rom geschickt worden war, was wohl als ein Hinweis auf das schlechte Funktionieren dieser Einrichtung gesehen werden kann. Einer der drei Metropoliten unbekannter Herkunft, der den Namen Carosus trug, soll angeblich aus Scupi stammen.88 Freilich ist unter solchen Umständen die Abwesenheit des Bischofs Anastasius von Thessalonike sowohl bei der Synode in Ephesus von 449 als auch auf dem Konzil in Chalkedon ( 451) nicht verwunder· 1. h 89 lC •

4. Das Acacianische Schisma

Nach der Mitte des 5. Jahrhunderts haben sich die Beziehungen Makedoniens zu Rom infolge der politischen Verhältnisse in Italien und auf dem Balkan beträcht· lieh gelockert. In Italien herrschten in den letzten zwei Jahrzehnten des Bestehens des Weströmischen Reiches anarchische Zustände, nach der Usurpation des Odoa· ker im Jahr 4 7 6 aber blieben die Beziehungen zum Osten im wesentlichen ge­spannt.90 Auf dem Balkan kam es zu einem länger andauernden Ausscheiden Dal·

86 Coll. Thessal. 23 ((Anm. 69) 53 - 57); Streichhan (Anm. 68) 371 f. 87 -

Coll. Thessal. 24 (57 - 59). 88 Coll. Thessal. 25 (60 - 62); Pietri, Geographie (Anm. 55) 26 f. Der Verfasser versucht in

Anm. 14 die Frage nach der Herkunft der angeführten Metropoliten zu lösen. Neben den drei bekannten (Senecio aus Scodra, Lucas aus Dyrrhachium und Vigilantius aus Larissa) lo­kalisiert er die drei unbekannten folgendermaßen: Antiochus (verbessert zu Atticus) in Nico· polis (Provinz Epirus Nova), Carosus in Scupi (Provinz Dardania), Theodulus in Serdica (Dacia Mediterranea). Die Frage bleibt offen.

89 Vgl. oben Anm. 56 umd 58. 90 E. Stein, Histoire du Bas-Empire. 1. Paris, Brüssel u. Amsterdam 1959, 365 - 399; 593 -

606; Ders., Histoire du Bas-Empire. II. Paris; Brüssel u. Amsterdam 1949, 7 - 76; A. De­mandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284 - 565 n. Chr. München 1989, 169 - 182.

528 Rajko Bratoi

matiens aus dem Rahmen des Westlichen Reiches;91 eine Reihe anderer Balkanpro· vinzen, vor allem Thrakien, Moesien, Makedonien und Epirus aber fielen den go· tischen Plünderungen zum Opfer, von denen auch mehrere makedonische Städte, Stobi (474), Heraclea (474 und 479) sowie Lychnidos in Epirus Nova (479) betrof· fen waren.92 Das fortwährende Bemühen der Bischöfe von Konstantinopel, Ostilly· ricum mit kaiserlicher Hilfe von Rom loszutrennen,93 trug schließlich Früchte, insofern es anläßlich des Acacianischen Schismas im Jahre 484 zu einer beinahe vollkommenen Unterbrechung der Beziehungen zwischen Rom und dem Vikariat von Thessalonike kam. Nach einem Versuch, zwischen Rom und Konstantinopel zu vermitteln, den der Bischof Andreas von Thessalonike und ein illyrischer Bi· schof namens Vetranio ohne Erfolg unternommen hatten, entschied sich die ma· kedonische Kirche für die Kirchenpolitik des konstantinopolitanischen Patriar· chen, die auf die dem Monophysitismus gegenüber tolerantere Politik des Kaisers Zeno abgestimmt war. Das zur Zeit des Kaisers Zeno (476 - 491) und des Patriar· chcn Acacius von Konstantinopel (1"489) aufgekommene Schisma dauerte nach deren Tod über die ganz~ Zeit der Herrschaft des Kaisers Anastasius ( 491 - 518) hinweg an, der noch stärker als sein Vorgänger dem Monophysitismus zugeneigt

94 wan Zu einer erneuten Zunahme des römischen Einflusses in Ostillyricum kam es

nach bescheidenen und kaum bekannten Versuchen des Papstes Felix III. ( 483 -492)95 zur Zeit des Papstes Gelasius ( 492 - 496). Dieser bemühte sich darum, das Vikariat von Thessalonike wieder zu erneuern, das durch das Auftreten des Aca· cianischen Schismas praktisch zu bestehen aufgehört hatte. Der Papst schrieb im Jahr 493 an die Bischöfe Dardaniens und Dalmatieris.96 Einleitend teilte er in dem Brief mit, er wende sich an die dardanischen Bischöfe erst, nachdem er nach nicht

91 M. Nikolanci, Die "Dalmatinische Dynastie" und der Untergang des Weströmischen Reiches. Vjesnik za arheologiju i historiju dalmatinsku 77, 1984, 273 - 292.

92 Wolfram (Anm. 27) 268 - 278; bes. 269; 273 ff.; A. Lippold, Vzhodni Goti in rimski cesarji od 455 do 507 (Die Ostgoten und die römischen Kaiser von 455 - 507). Zgodovinski casopis 41, 1987, 205 - 215; bes. 210; für die Ereignisse in Makedonien vgl. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 264 ff. und 1. Mikulcic, Some New Factors in the History of Stobi. In: Alek· sova u. Wiseman (Anm. 5) 221 f.

93 Vgl. oben Anm. 68, 75 und 84. 94 Duchesne (Anm. 68) 531 -550; bes. 544; P. Charanis, Church and State in the Later Ro·

m an Empire. The Religious Policy of Anastasius the First, 491 - 518. Thessalonike 1974; Pie· tri, Geographie (Anm. 55) 37 f. Unter den allgemeinen Darstellungen der Kirchengeschichte siehe de Labriolle, Bardy, Brehier u . de Plinval (Anm . 53) 353 - 397 (417 - 487).

95 Vgl. Jaffe u. Wattenbach (Anm. 53) 617; Pietri, Geographie (Anm. 55) 38. 96 Co!!. Avell. (= Epistulae imperatorum pontificum aliorum inde ab a. 367 usque ad a.

553 datae, Avellana quae dicitur collectio), epist. 79 (Ed. 0 . Guenther, CSEL 35, 1. Wien 1895, 218 - 223; vgl. Jaffe u. Wattenbach [Anm. 53] 623). Vgl. auch W. Ullmann, Gelasius 1. ( 482 - 496). Das Papsttum an der Wende der Spätantike zum Mittelalter. Stuttgart 1981, 179ff.; Pietri, Geographie (Anm. 55) 38 - 41; Mirdita (Anm. 64) 88 f.; Gasper (Anm. 4) 62.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 529

enden wollenden Kriegen wieder freier atmen könne.97 Den Brief schickte er nach seinen eigenen Worten per fratrem et coepiscopum nostrum Ursicinum, dessen Bischofssitz uns unbekannt bleibt. Offensichtlich aber handelt es sich um einen Bischof aus Dardanien.98 Der Papst hält di~ Bischöfe dieser lateinischen Provinz an, sich den «zahlreichen Häresien» der Griechen zu widersetzen. Zu verurteilen sei vor allem die monophysistische Häresie, wie sie vor 45 Jahren aufgekommen sei. In den Jahren 44 7 / 448 habe Eutyches, ein Presbyter aus Konstantinopel, sie auszubreiten begonnen. Sie sei wesensverwandt mit der marcionitischen und ma­nichäischen Häresie. Verworfen worden sei sie von Papst Leo und dessen Nachfol­gern. Obwohl sie auf dem Konzil von Chalkedon verurteilt worden sei, hätten ihre Anhänger an ihr festgehalten und ihre Lehren in das Leben der katholischen Kir­che einzubringen versucht. Der Papst fordert die dardanischen Bischöfe zur Wach­samkeit auf, damit sich in ihrem Land, das mit dem Apostolischen Stuhl fest ver­bunden bleiben solle, nicht die Tätigkeit der talia seminantes ausbreite. Sollte es aber trotzdem dazu kommen, möge man ihn sofort davon in Kenntnis setzen, um es ihm zu ermöglichen, entsprechend vorzugehen. Außerdem sollten sie sich dar­um bemühen, den wahren Glauben auf die angrenzenden Provinzen auszubreiten und an die benachbarten Bischöfe weiterzugeben, um den verhängnisvollen Irr­tum austilgen zu können. Nachdem dieser Brief eingetroffen war, versammelten sich die dardanischen Bischöfe auf einer Synode in der Provinzhauptstadt (metro­politana civitas) Scupi, von wo aus sie ein Antwortschreiben an den Papst sand ten.99 Dieses brachte ein dardanischer Kleriker (vir religiosus filius noster) na­mens Trypho nach Rom. Die Bischöfe teilen darin mit, daß sie dem Apostolischen Stuhl treu bleiben und an der Rechtgläubigkleit festhalten, prout rusticitatis sen­sus patitur.100 Sie verurteilen die Lehre der Monophysiten Eutyches, Petrus Mongus, Acacius und deren Anhänger. Schließlich ersuchen sie den Papst, ihnen

97 Offensichtlich handelt es sich um den Krieg zwischen dem Ostgotenkönig Theoderich und Odoaker, der im Frühjahr 493 zu Ende ging; siehe Wolfram (Anm. 27) 281 - 284; Lip­pold (Anm. 92) 212.

98 Siehe unten Anm. 101. 99 Coll. Avell., epist. 80 (CSEL 35, 1, 223 - 225); Mirdita (Anm. 64) 88; Gasper (Anm. 4)

206; Pietri, Geographie (Anm. 55) 39. !OO Der Ausdruck rusticitas heißt in diesem Fall so viel wie provinzielle Beschränktheit

und kennzeichnet einen Minderwertigkeitskomplex, der sich in Form einer gewollten Be· scheidenheit in dem Brief der dardanischen Bischöfe an den Papst zeigt. Rusticitas warf z. B. Hieronymus seinem Geburtsort Stridonae, aber auch der Sprache und dem Stil des Bischofs Fortunatianus von Aquileia vor, während Papst Pelagius 1. es zur Zeit des Drei-Kapitel­Streits einfach auf alle Bewohner (oder wenigstens die Geistlichkeit) in Venetien und lstrien anwendet. Vgl. M. Suic, Hijeronim Stridonjanin - gradjanin Tarsatike (Hieroymus Stridonian - Citizen of Tarsatica). Rad Jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti 426, Knjiga 24 Razreda za drustvene znanosti. Zagreb 1986, 264 f.; L. Cracco Ruggini, Aquileia e Concor­dia: il duplice volto di una societa urbana nel IV secolo d.C. AAAd 29, 1987, 87 ff.; S. Tava· no, Tensioni culturali e religiose in Aquileia. Ebd. 225.

530 Rajko Bratoi

einen Bevollmächtigten zu senden, um mit dessen Hilfe alles die Rechtgläubigkeit Betreffende den päpstlichen Wünschen gemäß zu regeln. Der Brief wurde vom dardanischen Metropoliten Johannes aus Scupi und von fünf weiteren Bischöfen unterzeichnet, bei denen der Ort ihre~ Bischofssitzes unerwähnt bleibt.101

Das Bemühen des Papstes, den römischen Einfluß im östlichen Illyricum zu er· neuem, blieb jedoch nicht nur auf Dardanien beschränkt. Aus einem undatierten Brief des Papstes Gelasius (oder auch erst seines Nachfolgers Anastasius II.) an den Bischof Laurentius in Epirus Nova102 erfahren wir über viel weitergehende päpstli· ehe Ambitionen. Der Brief beantwortet ein Schreiben des Laurentius, in welchem dieser dem Papst davon berichtet, daß in der Kirche von Thessalonike dank der Bemühungen von dessen Vorgänger (Felix III. oder Gelasius) die Acacius-Lehre verurteilt worden sei. Im weiteren Wortlaut teilt der Papst dem Laurentius als sei· nem Anhänger, der ihn um die Unterstützung der Bischöfe in Illyricum gebeten habe, folgendes mit: da es eine Gepflogenheit der römischen Kirche sei, einem neu eingesetzten Bischof die Formel des richtigen Glaubensbekenntnisses mitzu· teilen, tue er dies nun secundum statuta patrum, natürlich in kommentierter Form. Den zentralen Teil des Briefes bildet ein kurzer Traktat über die Natur Chri­sti, mit ausgesprochen antimonophysitischen Akzenten, 103 was sich ja versteht für einen Brief an einen Bischof, der inmitten oder mindestens in unmittelbarer Nähe eines von dieser Häresie infizierten Gebietes lebte.

In seinem Schreiben an die Bischöfe per Dardaniam sive per Illyricum vom 3. August 494,104 das die Diakone Cyprianus und Macarius überbracht haben, drückt der Papst seine große Freude (magnisque gaudiis triumphamus) darüber aus, daß jene doch an der Rechtgläubigkeit festhalten, und fordert sie auch weiter· hin dazu auf, die monophysitische Lehre konsequent abzulehnen (ut ab Eutychia·

101 Es waren Samuhel, Bonosus, Verianus, Faustinus und Ursicinus, die mit Ausnahme des Letzteren nur an dieser Stelle erwähnt .werden. Die Herkunft dieser Bischöfe hypothetisch zu bestimmen versuchte Zeiller (Anm. 68) 163; vgl. auch Mirdita (Anm. 64) 88; Gasper (Anm. 4) 52 (der mit Zeillers Vorschlag übereinstimmt). Die Frage bleibt bis zu eventuellen Funden neuer Quellen offen.

102 Coll. Avell„ epist. 81 (CSEL 35, 1, 225 - 229); siehe Pietri, Geographie a.a.O. (Anm. 55) 46 Anm. 87 (der diesen Brief dem Papst Anastasius zuschreibt).

103 Der charakteristische Abschnitt aus dem Brief lautet: Qui autem dicunt subtilem ho· minem Christum aut passibilem deum aut in carne versum aut non counitum habuisse cor· pus aut de caelo hoc detulisse aut fantasma esse aut mortalem dicentes deum verbum indi­guisse, ut a patre resuscitaretur; aut sine anima corpus aut sine sensu hominem suscepisse aut duas substantias Christi secundum permixtionem confusas unam factam fuisse sub· stantiam et non confitentes dominum nostrum Jesum Christum duas esse naturas inconfu· sas, unam autem personam, secundum quod unus Christus, unus idem filius, istos anathe· mati{,at catholica et apostolica ecclesia (Coll. Avell„ epist. 81, 7 [CSEL 35, 1, 227 f.]).

104 Coll. Avell., epist. 101 (CSEL 35, 1, 464 - 468); vgl. Jaffä u. Wattenbach (Anm. 5.3) 638; 639; Ullmann (Anm. 96) 179 - 180; Pietri, Geographie (Anm. 55) 39. -~

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 531

nae pestis incursu pectora vestra sapienter intemerata servetis). Mit den Hauptvertretern dieser Häresie (cum Eutychete Dioscorus simulque Timotheus Elurus et Petrus Alexandrinus eiusque communicator Acacius nec non etiam Antiochenus Petrus), 105 die «den Kopf der Giftschlange» darstellen, seien keine Beziehungen möglich. Der Papst hält die dardanischen bzw. illyrischen Bischöfe dazu an, mit der größten Aufmerksamkeit über das Geschehen in ihren Provin· zen zu wachen. Er läßt sie zum wiederholten Male wissen, daß er den Bischof von Thessalonike schon des öfteren zur Besserung gemahnt habe, doch habe dieser mit den Häretikern nicht gebrochen. Deswegen unterhalte der Apostolische Stuhl keinerlei Beziehungen zu ihm, den Bischöfen aber sei in diesem Zusammenhang Vorsicht angeraten (cautius agendum est cum praefato). Der Papst setzt die Bi· schöfe in Dardanien und Illyricum darüber in Kenntnis, daß er einen ähnlich lau­tenden Brief auch an die dalmatinischen Bischöfe gesandt habe. Ferner verwarnt er sie, daß der Tod in Glaubensangelegenheiten keine Entsühnung bedeute, und daß sie am Jüngsten Tage sich für ihr Tun würden verantworten müssen. Die Bi -schöfe mögen sich nicht von solchen überzeugen lassen, die behaupten, daß es sich bei der ganzen Angelegrnheit nicht um etwas Wesentliches handele (cum dicat non de religione sed de nominibus esse certamen). Der Apost<;>lische Stuhl vertei· dige den wahren Glauben und werde alle diejenigen, die sich von der Häresie ab· wendeten und in den Schoß des katholischen Glaubens zurückkehrten, plena cari · tate aufnehmen.

Offenbar bekam der Papst auf diesen Brief ein Antwortschreiben der dardani · sehen Bischöfe, das ihn in ziemliche Unruhe versetzte. Das geht aus seinem letz· ten, vom 1. Februar 496 datierten Brief an die dardanischen Bischöfe hervor, ei· nem der längsten Briefe des Gelasius, der sich in zwei Versionen erhalten hat.1°6

Wir können schließen, daß unter dem Einfluß einer wirkungsvollen östlichen Propaganda unter den dardanischen Bischöfen der Zweifel an der Richtigkeit der Verurteilung des Acacius, der nicht auf einer Synode, sondern vom Apostolischen Stuhl abgesetzt wurde, aufzukommen begann. Der Zweifel bezog sich darauf, daß auf diese Weise der Bischof der Residenzstadt abgesetzt wurde.107 Der Papst ver·

105 Von den Aufgezählten wurden die konstantinopolitanischen Theologen Eutyches und Acacius schon erwähnt (siehe Anm. 99), Dioscorus, Timotheus (mit dem Beinamen Helurus) und Peter (mit dem Beinamen Mongus) waren alexandrinische Patriarchen, wäh· rend Peter (mit dem Beinamen Fullo) Patriarch von Antiochia war; siehe de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 347 ff. (406 - 432).

106 Coll. Avell., epist. 95 (CSEL 35, l, 369 - 398); Appendix 1 (ebd. 35, 2, 774 - 790); Jaffe u. Wattenbach (Anm. 53) 664. Vgl. Ullmann (Anm. 96) 180 f. (mit detaillierter Literatur in Anm. 84); Pietri, Geographie (Anm. 55) 39 - 41.

107 Coll. Avell., epist. 95, 2 (CSEL 35, 1, 369 f.): ... vestra dilectio rettu/it iactitare ideo

Acacium non putare iure damnatum, quod non speciali synodo videatur fuisse deiectus, et insuper dementiam suae vanitatis accumulant pueriliter adiacentes 'praecipue pontificem regiae civitatis'. Vgl. Appendix 1 2 (ebd. 35, 2, 775).

532 Rajko Bratoz

warf ausführlich jeglichen Zweifel an der Gültigkeit der Verurteilung. Es stimme zwar, daß die Führer häretischer Bewegungen wie Sabellius, Arius, Eunomius, Macedonius und Nestorius auf Synoden verurteilt worden seien, doch reiche eine Verurteilung von seiten des Apostolischen Stuhls im Einvernehmen mit der Kir­che vollkommen aus.108 Der Apostolische Stuhl habe Acacius abgesetzt, nachdem dieser drei Jahre lang schriftlich ermahnt und gewarnt worden sei, sich nicht von der katholischen und apostolischen Kirche zu trennen, was er jedoch nicht beach­tet habe. Als er von dem rechtgläubigen Bischof von Alexandria (secundae sedis antistes) Johannes (Talaia) in Rom angeklagt worden sei, wodurch der absolute Primat des Papstes anerkannt worden sei, habe der Papst Acacius als einen Men­schen verurteilt, der mit Petrus Mongus, dem schon zuvor verurteilten häretischen (monophysitischen) Patriarchen von Alexandria verbunden war. Der Urteilsspruch des Papstes gegen Acacius (484) sei ausreichend, der Anlaß hierfür wohl begrün­det, handele es sich doch sozusagen um einen Anhänger einer schon auf dem Kon­zil von Chalkedon verurteilten Häresie.109 Im weiteren Wortlaut legt der Papst die Gründe für den absoluten Primat des Apostolischen Stuhls dar, der more maio­rum das Recht besitze, zu verurteilen oder freizusprechen, auch wenn nicht eine Synode einberufen worden sei. Er habe .dieses Recht auch im Widerspruch zu ei­nem synodalen Beschluß, wenn dieser ungerecht war. Der Papst führt als Beispiele einige Fälle an, wo die betreffenden von den östlichen Synoden verurteilt, darauf aber von den Päpsten dann freigesprochen worden seien (Athanasius, die Patriar­chen von Konstantinopel Jöhannes Chrysostomus und Flavianus, die Bischöfe, die auf der Räubersynode in Ephesus 449 - latrocinium Ephesenum - verurteilt wur­den, die nicht nur eine male gesta synodus, sondern darüber hinaus eine conspi­

ratio potius perditorum war).110 Völlig unbegründet seien auch die Vorstellungen, das Ansehen des Bischofs von Konstantinopel sei größer, weil die Stadt auch kai­serliche Residenz sei. Wenn schon von Würde die Rede sei, dann würden Alexan­dria als secunda sedes und Antiochia als tertia sedes dem Rang nach höher ste· hen als Konstantinopel, das der Papst in seinem Wunsch, es möglichst tief zu er· niedr:igen, auf ein unglückliches Ereignis aus seiner Geschichte anspielend, gleich zweimal als «Pfarre der Kirche in Heraclea» (paroecia Heraclensis ecclesiae) be· zeichnet, einer Stadt, die nicht einmal zu den Metropolitansitzen gehöre. Die Städ-

108 Coll. Avell., epist. 95, 6 - 10 (CSEL 35, 1, 371 f.); Appendix 1 6 - 10 (ebd. 35, 2, 777 f.). Kern der Begründung von Gelasius ist: der Apostolische Stuhl ist die prima sedes, die kraft ihrer Autorität jede Synode bestätigt und deren Beschlüsse schützt aufgrund des Primats, den der Apostel Petrus von Gott empfangen hat und der von der Kirche voll und ganz aner· kannt wird.

'109 Coll. Avell., epist. 95, 12 - 25 (CSEL 35, 1, 373 - 378; Appendix 111 - 17 (ebd. 35, 2, 778

- 790); vgl. Coll. Avell., epist. 99, 20 - 31 (ebd. 448 - 453). Siehe auch de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 368 f. ( 443 - :444 ). .i

110 ' ' Coll. Avell., epist. 95, 26 - 40 (CSEL 35, 1, 378 - 383); Appendix l 18 - 32 (ebd. 35, 2, 780 - 784).

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 533

te Ravenna, Mailand, Sirmium und Treveri seien auch kaiserliche Residenzen ge· wesen, doch hätten sich ihre Bischöfe deswegen keinerlei Sonderrechte angemaßt. Die weltliche Macht stehe namlich der Rang- und Wertordnung nach hinter der kirchlichen, was durch eine Reihe von Fällen bewiesen sei, wo sich Kaiser und an· dere Herrscher dem Willen der kirchlichen Würdenträger gebeugt hätten, die durch ihr entschlossenes Auftreten über sie triumphiert hätten.111 Demnach sei die Verurteilung des Patriarchen Acacius von Konstantinopel von seiten des Apostoli­schen Stuhls gerecht und in Übereinstimung mit dem Beschluß vieler italischer katholischer Bischöfe kirchenrechtlich vollkommen begründet. Der Papst schreibt den Bischöfen abschließend, er könnte ihnen das Mitgeteilte auch noch viel umfas· sender erklären, und bittet sie darum, den Inhalt des Briefes sowohl den Katholi­ken als auch deren Gegnern bekanntzumachen; sein Schreiben möge den ersteren zur Stärkung, den letzteren als wirksames Heilmittel dienen.112

Die unmittelbaren Folgen des päpstlichen Sendschreibens an die dardanischen Bischöfe sind nicht bekannt, weil für einige der darauffolgenden Jahre keine zuver­lässige Quelle vorliegt, die die Verhältnisse in Illyricum beleuchten würde. Zwei Briefe des Papstes Anastasius, der eine an den Bischof Laurentius von Lychnidos, der andere an Ursinus adressiert und beide auf das Jahr 497 datiert,113 stellen zwei Schriften dar, die, zusammengenommen, mit dem bereits vorgestellten Schreiben des Gelasius an Laurentius aus Lychnidos sinngemäß identisch sind.114 Da es sich um ein und dasselbe, vielleicht in die Zeit des Gelasius fallende Dokument han­delt, sind diese beiden Schriften nicht als ein verläßliches Zeugnis der Verhältnisse nach Gelasius zu werten, obwohl sich der einleitende Wortlaut des Briefes, in der Kirche von Thessalonike und anderswo sei epistola predecessoris nostri de ex­cessibus Acacii vorgelesen worden und die Bischöfe hätten sich vom Schisma ab· gewandt, auf eine gewisse Weise mit der Reaktion auf das Sendschreiben des Gela­sius deckt und der Brief folglich in die Zeit des Anastasius datiert werden könnte. Offenbar war es Gelasius durch all seine Bemühungen wenigstens zum Teil gelun­gen, den päpstlichen Einfluß in Illyricum wiederzubeleben, wenn ihm auch die

111 Coll. Avell., epist. 95, 53 - 64 (CSEL 35, 1, 378 - 392); Appendix 1 33 - 40 (ebd. 35, 2, 784 - 787); als paroecia Heraclensis ecclesiae wird die Kirche von Konstantinopel erwähnt in cap. 21 und 27 (ebd. 376 Z. 9; 378 Z. 18) und in Appendix 1 17 (ebd. 780 Z. 5). Mit dieser Bezeichnung spielt der Papst offensichtlich auf die Demütigung an, die Byzanz widerfuhr zur Zeit des Septimius Severus, als der Kaiser im Jahre 195 die Stadt bestrafte, indem er sie als «Dorf» (Kcbµl]) dem nahen Perinthus (Heraclea) anschloß (vgl. Herodian. 3, 6, 9 (1 194 Whittaker]). Vgl. R. Janin, Constantinople. In: DHGE XIII (1956) 637 (mit der Meinung, die christliche Gemeinde von Byzanz sei anfangs dem Bischof von Herakleia unterstellt worden und habe von dort den ersten Bischof zur Zeit Caracallas bekommen).

112 Coll. Avell„ epist. 95, 70 - 81 (CSEL 35, 1, 393 - 398); Appendix 1 41 - 51 (ebd. 35, 2, 787 - 790).

113 Jaffe u. Wattenbach (Anm. 53) 746 - 747. 114 Vgl. oben Anm. 102 und 103. .

534 Rajko Bratoi

Wiederherstellung des Vikariats von Thessalonike in der ehemaligen Form damit noch nicht beschert sein sollte. Das kirchliche Zentrum Illyricums, Thessalonike, ist unter Bischof Andreas, in Verbindung mit Konstantinopel, dem Schisma ver­haftet geblieben, und von diesen beiden Zentren aus muß sich die häretische Be­wegung noch weiter auf dem Balkan ausgebreitet haben.115

Nach einer kürzeren Lücke in unserer Überlieferung geht aus mehreren Quel­len aus der Zeit der letzten Amtsjahre des Papstes Symmachus ( 498 - 514) und vor allem aus der Amtszeit des Hormisdas (514 - 523) hervor, daß der Kampf um die Einflußnahme in Illyricum zur Zeit des Gelasius noch nicht entschieden war. In einem Schreiben an die Bischöfe, Kleriker und Klostervorstände, an die Mönche und das Volk per Illyricum Dardaniam et utramque Daciam unter dem Datum des 8. Oktober 512116 griff Papst Symmachus wiederholt, sozusagen mit einer dem Gelasius vergleichbaren Inbrunst, die promonophysitische Theologie in Konstanti­nopel an und bezeichnete die Kirche dort überhaupt als häretisch, im Hinblick auf ihre Vergangenheit aber sogar als einen regelrechten Skandal. Alle Adressaten hielt der Papst an, bei der Ablehnung der monophysitischen Häresie auch weiter­hin Standfestigkeit zu beweisen. Jenen aber, die der Häresie verfallen seien und sich zu retten wünschten, teilie er mit, daß er sich über ihre Rückkehr in die ka­tholische Kirche freuen würde; dabei warnte er gleichzeitig diejenigen, die an der Häresie festhielten, er würde aufmerksam ihr Tun und Lassen überwachen.

Der Kampf um die Vorherrschaft in Illyricum nahm in den ersten Jahren der Amtszeit des Papstes Hormisdas (514 - 523) dramatische Formen an. Doch seine Ausdauer und sein konsequentes Vorgehen, wozu noch günstige Umstände ihren Teil beitrugen - um nur den Aufstand des Vitalianus am Unterlauf der Donau zu nennen, der dem promonophysitischen Kaiser in den Jahren 513 - 515 böse zuge­setzt hatte117

- , sind schließlich nicht ohne Früchte geblieben. Im Jahre 515 trat ei­ne Synode, bestehend aus vierzig Bischöfen von «Illyricum und Griechenland» zu­sammen, welche die Beziehung zu ihrem Metropoliten, dem Bischof Dorotheus von Thessalonike, abbrachen. Dieser stand nämlich aus Furcht vor dem Kaiser Anastasius auf Seiten des monophysitischen Patriarchen von Konstantinopel, Timotheus. Von ·der Synode wurde dem Papst ein Schreiben übersandt, in wel­chem die Bischöfe erklärten, sie würden auf seiner Seite stehen.118 Diese Wende in

115 Vgl. Pietri, Geographie (Anm. 55) 41. Über die Verhandlungen des Bischofs Andreas von Thessalonike mit dem Papst Anastasius siehe Co!!. Avell., epist. 102, 7 (CSEL 35, 1, 470).

116 Coll. Avell„ epist. 104 (CSEL 35, 1, 487 - 493); Jaffe u. Wattenbach (Anm. 53) 763; vgl. Pietri, Geographie 43.

117 Stein (Anm. 90) II 177 - 185; Charanis (Anm. 94) 80 - 85; Martindale, PLRE II 1171 -1176.

118 h h Ch . . .. . T eop an„ ron. a. 6008 (I 162 Z. 19 - 24 de Boor; latem1sche Ubersetzung: Anasta-sius, Chronographia tripertita a. 6008, ebd. II 128 Z. 32 - 37). Vgl. Mirdita (Anm.· 64) 89 f. ; Pietri, Geographie 43 f.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 535

Illyricum - mit dieser Bezeichnung sind in unserer Quelle die lateinischen Provin­zen gemeint, unter "Griechenland" indessen die griechischen, in administrativer Hinsicht aber handelt es sich um das tatsächliche Illyricum - ist auch in anderen Quellen dokumentarisch festgehalten. Der Bischof Avitus aus Vienna in Gallien berichtet in einem Brief an den Papst Hormisdas vom Ende des Jahres 516 dar­über, er habe aus dem vorangegangenen Schreiben des Papstes von der «Bekeh­rung der Provinzen Dacia, Illyricum und Scythia» erfahren;119 der Papst aber teilt ihm in seinem Antwortschreiben (vom 15. Februar 517) mit, daß Dardania et Hillyricus vicina Pannoniae auf seiner Seite stehen und ihn um Hilfe bitten wür­den, daß er viele Anhänger auch in Thrakien habe und daß unlängst der Metropo­lit von Epirus Vetus, der Bischof (Johannes) von Nikopolis, nach der Provinzial-

d f . s . . 120 syno e au seme elte getreten sei. Der Papst hatte nämlich bereits in den ersten Jahren seiner Herrschaft einen

energischen Kampf gegen die promonophysitische Kirchenpolitik des Kaisers Anastasius begonnen. In einer ganzen Reihe von Briefen, die er mit dem Kaiser wechselte,121 jeweils adressiert an den Bischof von Thessalonike, Dorotheus,122 den Bischof von Konstantinopel, Timothe.us, 123 die Bischöfe des Ostens, und hier noch besonders an die rechtgläubigen,124 vertrat er energisch seine Interessen und erziel­te im Laufe schwieriger Verhandlungen merkliche Erfolge, die in beträchtlichem Maß auch auf die militärischen Niederlagen des Kaisers gegen Vitalianus zurück­zuführen waren. Erst nach dem Sieg über Vitalianus konnte der Kaiser gegen die katholischen Bischöfe in Illyricum vorgehen. Im Jahre 516 berief er fünf illyrische Bischöfe in seine Residenz, davon drei aus Dacia Mediterranea (Domnio aus Serdi­ca, Gaianus aus Naissus, Euangelus aus Pautalia), außerdem noch Alcissus aus Ni­copolis in Epirus Vetus und Laurentius aus Lychnidos in Epirus Nova. Von diesen starben Alcissus und Gaianus in der Hauptstadt, Domnio und Euangelus wurden aus Furcht vor einem Aufruhr des katholisch orientierten Heeres in Illyricum un­verzüglich wieder in ihre Heimat entlassen, während Laurentius aus Lychnidoim Exil in der Hauptstsadt verblieb, um nach sieben Jahren in seine Heimatstadt -zurückzukehren, wo er im Alter von über achtzig Jahren starb.125

119 Coll. Avell., epist. 136, 1 (CSEL 35, 2, 559). 12° Coll. Avell., epist. 137, 9 - 10 (CSEL 35, 2, 562 f.); über die Bekehrung in Epirus Nova

berichtet der Briefwechsel zwischen Hormisdas und Johannes aus Nicopolis :vom Herbst 516 bis zum Frühjahr 517; siehe Coll. Avell., epist. 117 - 124 (ebd. 522 - 537); Mlrdita (Anm. 64) 89 f.; Pietri, Geographie (Anm. 55) 45 f.

121 Coll. Avell„ epist. 107 - l15; 125 - 127; 138 (CSEL 35, 2, 499 - 513; 537 - 545: 564 - 565); vgl. Charanis (Anm. 94) 87 - 92; 95 - 97; 104 - 106; de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 394 - 397 ( 480 - 487).

122 Coll. Avell„ epist. 106; 133 (CSEL 35, 2, 498 - 499; 554 - 556); Pietri, Geographie 46 f. 123 Coll. Avell„ epist. 128 (CSEL 35, 2, 545 - 546). 124 Coll. Avell„ epist. 129 - 130 (CSEL 35, 2, 547 - 552); vgl. epist. 132 (ebd. 553 f.). 125 Marcell„ chron. II 99, 516, 3. Vgl. Charanis 103; Pietri, Geographie 44 f.

536 Rajko Bratoi

Das Acacianische Schisma endete nach 34 Jahren ( 484 - 518) mit dem Tod des Kaisers Anastasius im Sommer 518. Im Anschluß daran kam es zum Sieg der Rechtgläubigkeit im Osten und im besonderen in Konstantinopel. Daraufhin wur· de ein Erlaß des neuen, aus dem rechtgläubigen Illyricum stammenden Kaisers Ju· stinus verkündet, der unter Androhung schwerer Strafen die Rechtgläubigkeit (das Glaubensbekenntnis von Chalkedon) zum Gebot machte.126

Trotz dieser Wende im Osten haben sich die Beziehungen zum Apostolischen Stuhl nicht ~ögleich normalisiert. Es bedurfte eines umfangreichen Briefwechsels zwischen dem Papst Hormisdas, dem Kaiser Justinus, dem konstantinopolitani· sehen Patriarchen Johannes, dem Thronfolger Justinian und sogar einigen Damen aus der kaiserlichen Familie in der Zeit von August 518 bis März 519 sowie Ver· handlungen über Gesandtschaften (von Konstantinopel nach Rom im Septem· her 518, von Rom nach Konstantinopel im März 519), bis endlich die Versöhnung, wie sie durch ein am 28. März 519 unterzeichnetes Protokoll (libellus) belegt ist, zustande kam. Acacius und seine Anhänger sowie Kaiser Zeno und Anastasius wurden mit dem Bann belegt, während der Patriarch von Konstantinopel den Pri­mat des Apostolischen Stuhles anerkannte.127

Einen Epilog erlebte die Wende in Makedonien. Dorotheus, der Bischof von Thessalonike, der ebenso wie sein Vorgänger Andreas dem Schisma anhing, 128 je· doch nicht alle Beziehungen zum Papst abgebrochen hatte,129 trat unter den Gege· benheiten in zweideutiger Weise auf. Im März 519 versprach er der Gesandtschaft, die auf ihrem Weg von Rom nach Konstantinopel die Via Egnatia entlang durch Lychnidos und Thessalonike kam, das Protokoll zu unterschreiben, sobald er eine Synode in seiner Provinz einberufen hätte.130 Andererseits jedoch bewies er durch seine Handlungsweise, daß er der Versöhnung mit der katholischen Kirche keines· wegs zugeneigt war. In Thessalonike wurden die Anführer der katholischen Partei hingerichtet, während der Bischof selbst öffentlich den libellus zerriß.131 Der Papst wollte den Bischof von Thessalonike daher beseitigen; um ihn zur Rede zu stellen, rief er ihn nach Rom, doch brauchte der Bischof den Weg nicht anzutreten, weil

126 De Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 535 - 540 (634 - 639); Martindale, PLRE II 650; Demandt (Anm. 90) 196.

127 Colt. Avell., epist. 141 - 244 (CSEL 35, 2, 586 - 773); siehe bes. epist. 143; 147; 153; 159; 162; 167 (ebd. 587 f.; 592 f.; 601; 607 ff.; 614; 618 ff.). Vgl. de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval 541 f. (640).

128 Lib. pontif. I 52 (Anastasius). Ed. L. Duchesne, Paris 21955, 258 f„ bes. Anm. 3. 129 Vgl. Pietri, Geographie (Anm. 55) 47> f. Offensichtlich benachrichtigte Papst Hormis­

das im Januar 519 den prätorianischen Präfekten von lllyricum sowie andere weltliche Wür­denträger auch wegen der Unzuverlässigkeit des Bischofs von Thessalonike über die Ge­sandtschaft, die er in die Hauptstadt geschickt hatte. Er appellierte an sie, sich pro :redinte -gratione fidei einzusetzen (Coll. Ave!!., epist.153 [CSEL 35, 2, 601]). -

130 • . Colt. Avell„ ep1st. 167, 3 - 4 (CSEL 35, 2, 618 f.).

131 Colt. Avell., epist. 225 (CSEL 35, 2, 688 - 690).

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 537

ihn der Kaiser in Schutz nahm.132 Diese Geschehnisse zeigen, daß Thessalonike als das Zentrum von Illyricum weiterhin ein Zankapfel zwischen .Rom und Kon­stantinopel, zwischen der kirchlichen und weltlichen Macht, geblieben ist.

Auf weit weniger problematische Weise als in der Metropole Thessalonike ge­langte die Rechtgläubigkeit in den anderen Bischofsstädten zum Sieg. Als zu Be­ginn des Jahres 519 die päpstliche Gesandtschaft auf der Via Egnatia nach Kon­stantinopel reiste, wurde sie in Lychnidos mit großer Begeisterung empfangen, und der neue Bischof von Lychnidos Theodoritus unterschrieb den libellus.133 Im Mai 519 berichtete dieser Bischof dem Papst Horrriisdas mit Ausdrücken grenzen­loser Ergebenheit und voller Begeisterung über den katholischen Sieg und das En­de des Schismas.134 Ebenso unproblematisch war der Erfolg der päpstlichen Ge· sandtschaft noch vor Lychnidos in Scampae wie auch in Praevalitana; zu Schwie­rigkeiten kam es nur in Aulon, wo der Bischof vor der Unterzeichnung des libellus den Standpunkt seines Metropoliten, des Bischofs von Thessalonike, erfahren woll· te.

135 Lychnidos war mit Theodoritus als Bischof und noch früher mit Laurentius

einer jener Bischofssitze in Illyricum, die zur Zeit des Acacianischen Schismas ausgesprochen der päpstlichen Seite zuneigten.136 Unter Umständen waren gerade die in jener Zeit ausgezeichneten Beziehungen der Bischöfe von Lychnido~um Apostolischen Stuhl das Bindeglied, auf <lesen Grundlage wir uns die Verehrung des hl. Erasmus erklären können, zumal diese vielleicht schon damals auch in R b

. 137 . om ver reitet war.

5. Die Zeit Kaiser Iustinians

Der päpstliche Sieg sowie die Wiederherstellung d~s römischen Einflusses in Illy­ricum waren jedoch von kurzer Dauer, begannen doch deren Ergebnisse bereits nach fünfzehn Jahren zu zerbröckeln. Bei dem Streit in der thessalischen Kirche, der auf der Synode von Rom (am 7. und 9. Dezember 531) beigelegt wurde, ist die bedeutende Rolle des Papstes (Bonifatius) noch deutlicher sichtbar, während diejeni-

132 Coll. Avell., epist. 186; 227 (CSEL 35, 2, 642 - 644; 692 - 693); vgl. epist. 185 (ebd. 641-642; die Antwort auf den vorangegangenen Papstbrief); epist. 208 -->209 (ebd. 667 - 669).

133 Co!!. Avell., epist. 214 (CSEL 35, 2, 673; Datum des Briefes: 7. März 519); vgl. epist.213, 5 und 215, 2 (ebd. 672 und 674).

134 Co!!. Ave!!., epist. 166 (CSEL 35, 2, 617 - 618). 135 Co!!. Avell., epist. 213; 215 (CSEL 35, 2, 671 - 674); vgl. Pietri, Geographie (Anm.55)

46. 136 Für die Zeit des Bischofs Laurentius siehe Anm. 102; siehe auch V. Bitrakova-Grozda­

nova, Monuments paleochretiens de la region d'Ohrid. Ohrid 1975, 19 - 21. 137

· H. Delehaye, Les origines du culte des martyrs. Subsidia hagiographica 20. Brüs­sel 1933, 307 f.; vgl. Lib. pontif. 1 79 (Adeodatus) a.a.O. (Anm. 128) 346; 347 Anm. 6 (mona­sterium sancti Herasmi situm in Celiomonte).

538 Rajko Bratoz

ge des Bischofs von Thessalonike als gänzlich marginal bezeichnet werden kann.138 Bald darauf wurde ein merklicher Rückgang des römischen Einflusses in Illyricum erkennbar. Kaiser Justinian nahm in seinen Codex (erste, nicht erhaltene Ausgabe von 529, zweite, erhaltene von 534) das damals schon ziemlich in Verges· senheit geratene Gesetz des Kaisers Theodosius IL aus dem Jahre 421 auf, dem zu· folge für die Lösung von Streitfragen zwischen den illyrischen Bischöfen der anti· stes urbis Constantinopolitanae, quae Romae veteris praerogativa laetatur, zu· t .. d" 139 s an 1g war.

Im folgenden Jahr (14. April 535) gründete Justinian per Gesetz das Erzbistum Justiniana Prima mit den Merkmalen einer autokephalen Kirche als eine Art Er· satz für das ehemalige sirmische Erzbistum, dessen Bedeutung gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts schlagartig zurückgegangen war.140 Diese Entscheidung bedeu· tete einen empfindlichen Schlag für die Machtstellung des Bischofs von Thessalo· nike, dessen Herrschaftsbereich sich nach der Ausgliederung von sechs «lateini· sehen» und einer «griechischen» Provinz im Norden um gut die Hälfte ver· kleinert hatte und nur noch sechs Provinzen mit überwiegend griechischer Spra· ehe (Creta, Hellas, Thessalia, Epirus Vetus, Epirus Nova und Macedonia Prima) umfaßte. Der Justiniana Prima wurde kirchenorganisatorisch der gesamte moesi· sehe und dacische Raum (Dacia Ripensis und Mediterranea, der Rest von Panno· nia Secunda, Moesia Prima, Praevalitana, Dardania und Macedonia Secunda als die einzige Provinz mit überwiegend griechischer Sprache) unterstellt. Justinian führte in seinem Gesetz auch Argumente für eine solche Regelung an.

Als es zur Zeit der Hunneneinfälle zur Verlegung der Präfektur von Sirmium nach Thessalonike kam, vergrößerte sich aus diesem Grund der Einfluß des neu· en Zentrums auch auf dem kirchlichen Sektor (tune ipsam praefecturam et sa· cerdotalis honor secutus est, cap. 1). Dieser gründete sich aber nicht auf dem An· sehen des Bischofs von Thessalonike, sondern auf dem Rang der Stadt in der zivi· len Verwaltungsordnung (et Thessalonicensis episcopus non sua auctoritate, sed sub umbra praefecturae meruit aliquam praerogativam, cap. 2). Der Kaiser ignorierte demnach in seiner Begründung der neuen Ordnung die Entstehung des Vikariats von Thessalonike als einer päpstlichen Einrichtung, die sich gerade zur Zeit des Niedergangs von Sirmium herausgebildet hatte. Justinian verlieh dem neuen Erzbistum Justiniana Prima, von wo er herstammte (patria nostra, Prooe·

138 Co!!. Thessal. (Anm. 69) 1 - 16; Pietri, Geographie 51 - 52. 139 Cod. lust. 1, 2, 6 (421); vgl. oben Anm. 68; 75 und 84. 140 Novell. lust. 11 (535). Siehe B. Granic, Die Gründung des autokephalen Erzbistums von

Justiniana Prima durch Kaiser Justinian I. im Jahre 535 n. Chr. Byzantion 2, 1925, 123 - 140; R.A. Markus, Carthage - Prima Justiniana - Ravenna: an Aspect of Justinian's "Kirchenpoli· tik". Byzantion 49, 1979, 277 - 302; bes. 289 - 292; L. Maksimovic, Severni Ilirik u VI ve· ku (L'Illyricum septentrional au VI° siecle). Zbornik radova Vizantoloskog institutal9, 1980, 17 - 57; bes. 26 - 30; Pietri, Geographie (Anm. 55) 48 - 50; H.D. Döpmann, Zur Problematik von Justiniana Prima. MiscBulg 5, 1987, 221 - 232; bes. 224 ff.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 539

mium, cap. 2 und 6), für alle Zeiten (in perpetuum, cap. 6) den höchstmöglichen Rarig in Illyricum. Die Bischöfe der Justiniana Prima genießen in den genannten Provinzen primum honorem, primam dignitatem, summum sacerdotium, summum fastigium (cap. 4), und der Bischof von Thessalonike verfügt über kei· nerlei sie und ihre Suffragane betreffenden Vollmachten (nulla communione ad· versus (eos) Thessalonicensi episcopo servanda, cap. 4 ... nulla penitus Thessa· lonicensi episcopo neque ad hoc communione servand'1, cap. 7). Als Grund für diese Regelung führte der Kaiser auch die Erweiterung des Staatsgebietes (in prae· senti deo auctore ita nostra respublica aucta est, cap. 2) bis zu den Ufern der Donau und darüber hinaus an. Deshalb müsse in größerer Nähe zu dem wiederer· oberten Gebiet ein neues Verwaltungszentrum gegründet werden, denn Pannonia Secunda sei von Dacia Mediterranea (Justiniana Prima) nicht sehr weit entfernt, zu weit jedoch von Macedonia Prima (Thessalonike). Keinesfalls könne es im In· teresse des Staates liegen, daß die Menschen, die unablässig mit Krieg beschäftigt sind (semper bellicis sudoribus inhaerentes, cap. 3), nach Macedonia Prima «über solche Entfernungen und so mannigfaltige Schwierigkeiten hinweg» sich be· geben sollten.

Justinians kirchenpolitische Reform in Illyricum bedeutet gleichzeitig einen Versuch, die kirchliche Organisation nach den vorangegangenen chaotischen Ver· hältnissen, vor allem in den an die Donau angrenzenden Provinzen, zu erneuern; gleichzeitig aber stellte sie als reinster Ausdruck des Cäsaropapismus einen bösen Schlag gegen die päpstliche Politik dar. Das Gebiet des ehemaligen Vikariats von Thessalonike wurde halbiert, wobei die ehemaligen päpstlichen Regelungen vom Kaiser gänzlich ignoriert wurden, als es darum ging, die kirchliche Organisation mit der staatlichen in Einklang zu bringen. Das makedonische vor mehr als einem Jahrhundert durch die päpstliche Einrichtung des Vikariats von Thessalonike vereinigte Gebiet wurde durch diese kaiserliche Bestimmung kirchenorganisato· risch zwischen zwei Zentren - Thessalonike (der südliche und westliche Teil) und Justiniana Prima (der mittlere und nördliche Teil) - aufgespalten. Da in Justinians Gesetzesnovelle aus dem Jahr 545,141 zehn Jahre später, unter den der Justiniana Prima unterstellten Gebieten die Provinz Macedonia Secunda nicht erwähnt wird, ist es durchaus wahrscheinlich, daß diese Provinz in der Zeit bis 545 erneut dem Erzbistum von Thessalonike eingegliedert worden war, und demnach das Gebiet der Justiniana Prima nur auf den nördlichen, dardanischen Teil des heutigen ma· kedonischen Raumes (das Gebiet von Scupi) beschränkt blieb.142 Die Bestimmung

141 Novell. lust. 131, 3 (545); den erzbischöflichen Sitz in Justiniana Prima erwähnt auch Prokop., de aedif. 4, 1, 25 (226 Dewing).

142 Granic (Anm. 140) 135 f. lehnt die Meinung ab, daß Macedonia Secunda als Provinz abgeschafft und an Dardanien angeschlossen worden sei, wie Zeiller (Anm.68) 164 meinte. Sollte es damals zur Abschaffung von Macedonia Secunda gekommen sein, das von dem genannten Jahr an nicht mehr erwähnt wird, dann wurde dieses Gebiet eher mit Macedonia

540 Rajko Bratoi

in der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 545, die Justiniana Prima genieße auf ihrem Territorium den höchstmöglichen Rang (locum obtinere eum sedis apostolicae Romae), was ausdrücklich auch von Papst Vigilius bestätigt wurde, weist darauf hin, daß Justinians Verordnung aus dem Jahre 535 Anlaß zu einem Mißverständ· nis gegeben hatte.

143 Dieses wurde erst zehn Jahre später behoben, als Justinians

Regelung vom Papst bestätigt wurde, doch blieb der kirchenrechtliche Status der Justiniana Prima, ob es sich nämlich um ein eigenständiges Erzbistum oder um ein päpstliches Vikariat handele, nach wie vor ungeklärt. Nach Justinians Tod fand letztere Deutung seitens des Apostolischen Stuhls die überwiegende Zustimmung, und dies war auch mit ein Grund dafür, daß dieses kirchliche Zentrum gegen En · de des 6. Jahrhunderts seiner Rangstufe nach merklich abgesunken war.144

Justinians Religionspolitik hatte in Illyricum zu schlimmen Auseinandersetzun· gen geführt. Die illyrischen Bischöfe widersetzten sich dem Kaiser schon anläß· lieh der Veröffentlichung seiner theopaschitischen Glaubensformel im Jahre 533,145 doch zwang der Kaiser, nachdem er zusammen mit dem Papst den Wider· stand der Akoimeten (534) gebrochen hatte, sie im Jahre 536 zur Unterzeichnung seiner Formel des Glaubensbekenntnisses.146

Zu einer noch schlimmeren Krise in Illyricum führte Justinians Verurteilung der Drei-Kapitel in den Jahren 543/545,147 zu der die Kirche in Illyricum wie auch

Prima als mit Dardania zusammengelegt. Argument für die These Zeillers ist die Tatsache, daß Bischof Phocas aus Stobi auf dem Konzil zu Kons~antinopel 553 den Bischof von Justi­niana Prima vertrat, der nicht zugegen war (siehe unten Anm. 157). Zu dieser mit den vorhandenen Quellen nicht lösbaren Frage vgl. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 98.

143 Coll. Avell., epist. 88, 13 (CSEL 35, 1, 338); es handelt sich um ein Schreiben des Pap· stes Agapitus an Kaiser Justitiian mit dem Datum 15. Okt. 535 (ein halbes Jahr nach der 11. Novelle), wo er mitteilt, er habe Gesandte an den Hof geschickt, um die Frage et de Iustinia­na civitate gloriosi natalis vestri conscia zu lösen.

144 Siehe unten Anm. 174.

145 Cod. lust. 1, 1, 6. Der Kaiser sandte ein Dekret an eine ganze Reihe von Ostkirchen, wie er selbst (Ed. P. Krüger, 81967, 8 unten) hinzufügt, während das Chronicon Paschale a. 533 (PG 92, 889 ff.; bes. 892) mitteilt, er.habe es auch in lllyriorum gentis urbem Thessalo· nicam geschickt, sowie nach Rom, wo es von Papst Johannes II. im März 534 zur Gänze an· genommen wurde (Cod. Iust. 1, 1, 8; Coll. Avell., epist. 84 [CSEL 35, 1, 320 - 328]; aus dem Brief erfahren wir, daß der Kaiser zwei Bischöfe, Hypathius aus Ephesus und Demetrius aus Philippi, die dem Papst seinen Standpunkt zu den Akoimeten übermittelten, geschickt habe). Johannes' Nachfolger Agapitus schrieb im März 536 an den Kaiser Jusrinian, auch er akzep· tiere die kaiserliche Glaubensformel, die dem Papst Johannes II. von den beiden genannten Bischöfen dargestellt worden war (Coll. Avell„ epist.91 [ebd. 342 - 347]; vgl. epist. 82 [ebd. 229 - 230]).

146 Vict. Tonn„ chron. II 198, 536. Vgl. Granic (Anm. 140) 137. Allgemeines zum theopa· schitischen Streit siehe M.V. Anastos, Justinian's Despotie Control over the Church as Illu­strated by his Edicts on the Theopaschite Formula and his Letter to Pope John :II in 533-Zbornik radova Vizantoloskog instituta 8, 2 (Melanges G. Ostrogorsky II), 1964, V- 11; siehe auch de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 569 f. (666). ·

147 Allgemeines zum Thema Ch.J. Hefele u. H. Leclercq, Histoire des Conciles. III. Pa·

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 541

allgemein im Westen einen negativen Standpunkt einnahm. Im Jahr 549 trat in Ju­stiniana Prima eine Synode der illyrischen Bischöfe zusammen, auf der man schriftlich gegen die kaiserliche Verurteilung der Drei-Kapitel protestierte, wäh· rend der Erzbischof von Justiniana Prima, Benenatus, als unverkennbarer Anhän· ger der kaiserlichen Kirchenpolitik verurteilt wurde.148 Im Jahre 551 lehnten die Bischöfe aus Illyricum und Dalmatien Justinians Einladung zur Synode in Kon· stantinopel ab.149 Die Opposition der illyrischen Bischöfe gegen Justinians Verur· teilung der Drei-Kapitel ist al-er offenbar nicht einhellig gewesen, und so gelang es dem Kaiser, den Widerstand zum Teil schon vor dem fünften ökumenischen Kon · zil von Konstantinopel im Jahre 553 zu brechen.150 An dieser Kirchenversamm· lung und dem sie begleitenden Geschehen nahmen mehrere Bischöfe aus dem ma· kedonischen Raum teil. Das Constitutum de tribus capitulis, ein Dokument, das der Papst Vigilius am 14. Mai 553 in Konstantinopel unabhängig von den konzilia· ren Versammlungen bekanntmachte, bekundet, die Theophaniorum die veröffent· lichte Formel des Glaubensbekenntnisses sei außer von den anderen Bischöfen auch durch Helias Thessalonicensis unterzeichnet worden.151 Der Bischof Beni· gnus Heracleae Pelagonic:e wird in dem Dokument einige Male als Vermittler zwischen dem Kaiser bzw. dem Konzil und dem Papst erwähnt.152 Dieser hatte während der Arbeit des Konzils den nicht anwesenden Bischof Helias von Thessa· lonike vertreten;153 Das genannte päpstliche Dokument wurde außer von 16

ris 1909, 1 - 67; Stein (Anm. 90) II 632 - 654; de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm. 53) 581 - 589 (679 - 687).

148 Vict. Tonn., chron. II 202, 549: Illyriciana synodus in defensione trium capitulorum Justiniano Augusto scribit et Benenatum Primae Justinianae civitatis episcopum obtrecta· torem condemnat. Siehe Zeiller (Anm. 68) 398; Granic (Anm. 140) 137 f.; Stein (Anm. 90) II 644; E. Chrysos, Die Bischofslisten des V. ökumenischen Konzils (553) (Antiquitas I 14). Bonn 1966, 131 f.; Pietri, Geographie (Anm. 55) 53. ·

149 Facund., c. Moc. 50 (CCSL 90, 412 Z. 427); darüber berichtet auch die Epistola legatis Francorum qui Constantinopolim proficiscebantur ab Italiae clericis directa (Mansi 2IX 153 - 154 ). Über den Standpunkt der Kirche in IJlyricum vgl. auch Facund., ad Iustinia· num 2, 4, 11; 4, 3, 5 (CCSL 90A, 59; 122); Chrysos (Anm. 148) 132 f.; Pietri, Geographie 53f.

150 Allgemeines zum Konzil siehe Hefele u. Leclercq (Anm. 147).68 - 132; Stein (Anm. 90) II 654 - 690; de Labriolle, Bardy, Brehier u. de Plinval (Anm.53) 591 - 602 (688 - 701).

151 Vigilii constitutum de tribus capitulis 19 (Coll. Avell„ epist. 83, 19 [CSEL 35, 1, 234 Z. 17]). Vgl. Chrysos (Anm. 148) 137 mit der Meinung, daß Benignus von Herakleia als sein Vertreter die "Professio" unterschrieb.

152 Co!!. Avell„ epist. 83, 24; 28; 203 (CSEL 35, 1, 235 Z. 14 f.; 236 Z. 22; 286 Z. 22); He· feie u. Leclercq (Anm. 147) 96; Chrysos (Anm. 148) 137 f.

153 Auf den Teilnehmerverzeichnissen der einzelnen Kon.zilssitzungen taucht die folgende Niederschrift auf: Benigno religiosissimo episcopo Heracliae Pelagoniae vicem agente Heliae beatissimi episcopi Thessalonicensis: J. Straub, in: ACO IV 1 (1971) 3 (VII); 18(13); 20 (VII); 24 (2); 32 (VII); 39 (VII); 73 (VII); 104; 137 (VII); 183 (7); 203 (VII); vgl. auch Chrysos (Anm. 148) 16 (VII); 26 (7); 41 ( 4 ); 145. Seine Rolle auf dem Konzil war damit wesentlich bedeutsamer als die Rolle des zweiten am Konzil anwesenden Bischofs aus

542 Rajko Bratoi

Bischöfen (von denen zwei aus Illyricum stammten) auch von Sabianianus gratia dei episcopus Zapparenae civitatis unterzeichnet,154 einem Bischof, der sich zwar zu jener Zeit in Konstantinopel aufhielt, jedoch an den Sitzungen des Konzils nicht teilnahm.155 Die Lokalisierung seines sich irgendwo in Macedonia Secunda befindlichen Bischofssitzes bleibt nach wie vor umstritten.156 Da sich Benenatus, der Erzbischof der Justiniana Prima, - ebenso wie sein Amtskollege aus Thessalo· nike - nicht am Konzil beteiligte, wurde er vom Bischof. Phocas aus Stobi vertre-t

157 en. Die Beschlüsse des fünften ökumenischen Konzils stießen in Illyricum zwar

auf Widerstand, doch brach diesen der Kaiser früher als andernorts im Westen. Nachdem ihm dies im Jahre 559 gelungen war,158 konnte die Opposition der illyri­schen Bischöfe als überwunden gelten. Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem fünften ökumenischen Konzil in Konstantinopel sind in der Kirche auf dem Boden des antiken Makedonien die letzten, die von den zeitgenössischen Quellen verhältnismäßig eingehend und zuverlässig dargestellt werden.

Die Entwicklung des Christentums auf dem Gebiet des antiken Makedonien in der Zeitspanne von der Mitte des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts wird auch

Macedonia Prima, Alexander von Amphipolis: Chrysos 19 (69); 29 (69); 136 bzw. J. Straub a.a.O. 5 (69); 22 (69); 34 (68); 41 (69)j 205 (69); 227 (69); vgl. auch Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 396 f. 54 Coll. Avell., epist. 83, 310 (CSEL 35, 1, 319 Z. 7).

155 Mansi 2IX 199 - 200 bzw. J. Straub, in: ACO IV 1, 30 f.; vgl. Chrysos (Anm. 148) 44; 133 ff.

156 V. Besevliev, Le nom antique de Sveti Vrac (Bulgarie), siege episcopal du VI° siecle. ByzS 23, 1962, 1 - 5; Ders., Spätgriechische und spätlateinische Inschriften aus Bulgarien. Berliner byzantinische Arbeiten. 30. Berlin 1964, 171 hat Zap(p)ara als die heutige Stadt Sandanski (früher Sveti Vrac) identifiziert; zum neueren Stand der Diskussion vgl. Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 342 (ihrer Meinung nach lag der Ort «zwischen Bargala und Pautalia, im Becken von Zletovo und Kratovo») und Aleksova, Episkopijata (Anm. 30) 75 f. (nach ihrer Meinung das heutige Morodviz nordöstlich von Bargala in der Richtung Vinica in Ostmakedonien).

157 Mansi 2IX 199 - 200 bzw. J. Straub, in: ACO IV 1, 31. Einer der Konzilsbeschlüsse lau· tete, daß die drei Bischöfe, welche das Constitutum des Vigilius unterzeichnet hatten, Sabi­nianus aus Zap(p)ara, Proiectus aus Naissus und Paulus aus Ulpiana, in Kontakt mit dem Bi­schof Benenatus aus Justiniana Prima treten sollten, der auf Seiten des Kaisers bzw. des Konzils (qui communicat nobis, vgl. oben Anm. 148) stand. Da aber jener nicht zugegen war, sollte in seiner Rolle (ejus vices agit) Phocas religiosissimus episcopus sub ejus dioecesi constitutus auftreten. Vgl. Chrysos (Anm. 148) 18 (Nr. 37); 42; 43; 49; 133 ff. bzw. J. Straub, in: ACO IV 1, 4 (Nr. 37); 21; 24 (2); 27 (6 und 8); 33; 40; 204. Aufgrund der Bezeichnung Phocas Staliensis provinciae Praevaliensis in der Teilnehmerliste der Deputation der Synode zum Papst Vigilius (vgl. Chrysos 42 Nr. 17; Straub 18 [13]) schließt Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 98 die Möglichkeit nicht aus, es handele sich um den Bischof von Scodra (Scodren · sis) in Praevalitana, was angesichts anderer Erwähnungen dieses Bischofs wenig wahrschein-lich ist. '

158 Vict. Tonn., chron. II 204, 559: lllyriciani episcopi praeter parva monastefia paucos· que fideles persecutiones passi consentiunt pristinam fidem in irritum deducentes. Vgl. Granic (Anm. 140) 138.

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 543

durch reichhaltige materielle Quellen dokumentiert, vor allem durch die Überreste frühchristlicher Kirchen bei der überwiegenden Zahl aller bekannten Bischofssit­ze, wie auch in einer ganzen Reihe von kleineren Siedlungen. Beschränken wir uns in erster Linie auf jenen Teil des spätantiken Makedonien, der heute auf dem Territorium der jwg9sla.iivist1RiR Republik Makedonien liegt, und ziehen noch Teile der angrenzenden Provinzen Epirus Nova und Dardania hinzu, so dürfen wir be­haupten, daß die frühchristliche Archäologie bei ihrer Forschungsarbeit am weite­sten in Stobi vorangekommen ist, während die frühchristlichen Objekte auch in Heraclea, Lychnidos und Bargala gut erforscht sind, etwas weniger gut jedoch die­jenigen in Scupi.159 Von den übrigen Städten des antiken Makedonien, die reiche frühchristliche Funde aufzuweisen haben, sind vor allem Thessalonike und Philip­pi zu nennen.160 Das Bild der kirchlichen Organisation wird noch ergänzt durch Inschriften mit Erwähnungen von kirchlichen Würdenträgern, in erster Linie Bischöfen. Aus dem jugoslawischen Gebiet des antiken Makedonien seien Inschrif· ten angeführt, in welchen einige Bischöfe erwähnt werden, die in literarischen

159 Den neueren Stand der archäologischen Forschungen auf dem Gebiet des gesamten an· tiken Makedonien vermittelt eine Reihe von Beiträgen in dem Sammelband: Actes du x• congres international d'archeologie chretienne (Thessalonique 1980). 2 Bde. Citta del Vatica· no u. Thessalonike 1984; für das Gebiet der heutigen j1.1ggslawisGhea Republik Makedonien siehe vor allem Duval u. Popovic (Anm. 5) bes. 555 ff.; 577 ff. (ausgewählte Bibliographie).

\ Grundlegende archäologische Monographien zu den einzelnen Fundstätten: Studies in the Antiquities of Stobi. 1 ·· II. Hrsg. von J. Wiseman, Belgrad 1973 - 1975; III. Hrsg. von B. Aleksova u. J. Wiseman, Titov Veles 1981; Wiseman, City (Anm. 1); Aleksova, The early Christian basilicas (Anm. 5) 13 - 81; Herakleja. 3 Bde. Bitola 1961; 1965; 1967; V. Bitrakova­Grozdanova, Monuments paleochretiens de Ja region d'.Ohrid. Ohrid· 1975; Dies„ L'archi· tecture (Anm. 30) 107 - 134; für Bargala siehe B. Aleksova, in: Studies in the Antiquities of Stobi. III a.a.O. 29 - 45; Dies„ Episkopijata (Anm. 30) bes. 41 - 69; 197 - 206 (Bibliographie für das gesamte Makedonien); für Scupi siehe M. Garasanin u. D. Koracevic, Arheoloski iskopuvanja vo Skupi od 1978 - 1981 godina (Archaeological excavations in Skupi performed in the period from 1978 to 1981). Macedoniae Acta Archaeologica 7-8, 1981-1982, 79 - 96. Ei· nen Überblick der frühchristlichen Archäologie für das jugosl. Makedonien (von ca. 170 nachgewiesenen frühchristlichen Kirchen sind nur 32 wissenschaftlich untersucht, noch 30 weitere teilweise erforscht) bringt MikulciC, Frühchristlicher Kirchenbau (Anm. 6a) 221 -251, Übersichtskarte ebd. 226. Den neueren Stand der Erforschung frühchristlicher Mosai· ken vermittelt der Sammelband Ranohriscanski mozaici u Jugoslaviji (Les mosaiques chretiennes en Yougoslavie). Materijali 18. Bitola 1978, und die Monographie G. Cvetkovic­Tomasevic, Ranovizantijski podni mozaici. Dardanija, Makedonija, Novi Epir (Les mosa·i· ques paleobyzantines de pavement. Dardanie, Macedonie, Nouvel Epire). Belgrad 1978. Vgl. auch A. Sonje, 1 mosaici pavimentali delle basilichc paleocristiane del Parentino in rapporto con gli altri mosaici delle coste adriatiche. Atti del Centro di ricerche storiche - Rovigno 16, 1985-1986, 95 - 164; bes. 141 - 160 (mit neueren Literaturangaben); R.E. Kolarik, Mosaics of the early church at Stobi. DOP 41, 1987, 295 - 306.

160 Ausgewählte Bibliographie in: F. W. Deichmann, Einführung in die christliche Archäo· logie. Darmstadt 1983, 283 ff.; 363 f.; A. Effenberger, Frühchristliche Kunst und Kultur. Von den Anfängen bis zum 7. Jahrhundert. München 1986, 350 f.; N. Duval, L'lllyricum oriental a l'epoque paleobyzantine a travers deux theses fran"aises. REAug 32, 1986, 145 - 175.

544 Rajko Bratoz

Quellen sonst nicht nachzuweisen wären. Dies sind Philippus und Eustathius aus Stobi, Hermias aus Bargala und Johannes (?) aus Heraclea.161 Es seien aber auch noch einige Inschriften mit Angaben über Kleriker angeführt.162 Unter den bedeu­tenden archäologischen Funden jüngster Zeit (1985/86) auf dem Territorium Ma­kedoniens, die über regionalen Rahmen hinausreichen, sind vierzig Tonikonen mit überwiegend biblischen Darstellungen zu nennen. Es handelt sich um Funde aus dem Fundort Vinicko Kaie im östlichen Makedonien (auf dem Gebiet der antiken Macedonia Secunda). Die wahre Tragweite diese Fundes - nach unserer Meinung wegen der Rarität einer der wichtigsten des letzten Jahrzehnts in der frühchristli­chen Archäologie überhaupt - wird sich erst durch weitere Forschung in der Zu­kunft herausstellen.163

Zu der verhältnismäßig großen Zahl von Bischöfen, die im 5. und 6. Jahrhun­dert auf makedonischem Gebiet erwähnt werden, steht die Zahl der bekannten Bi­schofssitze in keinem Verhältnis. Es darf angenommen werden, daß es wesentlich mehr Bischofssitze gab, nur tauchen in den Quellen viele von ihnen nicht auf. Die Konstitution des Kaisers Zeno aus der Zeit um das Jahr 480 nämlich hatte festge­legt, daß jede Stadt ihren eigenen Bischof haben müsse.164 Wenn wir als Beispiel die für die administrative Einteilung des behandelten Gebiets in frühbyzantini­scher Zeit aufschlußreichste Quelle heranziehen, den um das Jahr 527 verfaßten Synecdemus des Hierokles, so stellen wir einen großen Unterschied zwischen dem

161 Für den Stand bis 1983 siehe Feissel (Anm. 6a) 266 {Monogramm aus Herakleia aus dem 6. Jh.; die Deutung - der Bischof Johannes - ist nicht sicher); 271 (anon. Bischof aus Herakleia, 5. - 6. Jh.); 274 (Philippus aus Stobi, 5. Jh.); 283 (Hermias aus Bargala, 5. Jh.). Für den Stand nach 1983 vgl. Aleksova, The old episcopal basilica at Stobi. Archlug 22 - 23, 1982 - 1983, 59 bzw. The early Christian basilicas (Anm. 5) 32 (Eustathios aus Stobi, Ende des 4. Jhs.); dies., Episkopijata (Anm. 30) 44; 226 Abb. 21 (Hermias aus Bargala). Für das gesamte Makedonien sind inschriftlich mindestens 7 Bischöfe belegt (Feissel a.a.0. 253).

162 Feissel (Anm. 6a) 269 (Lektor und Chartularius aus Herakleia, 5. - 6. Jh.); 275 (Diakonissa aus Stobi, 4. Jh.); 281 (Archidiakon aus Bargala, 5. - 6. Jh.); 285 (Diakon, 5. - 6. Jh., unbekannter Ort im jugosl. Makedonien). Für das gesamte Makedonien sind noch ein Dutzend Diakone und ca. zwanzig Presbyter belegt (Feissel a.a.0. Index s. vv.).

163 Siehe Ausstellungskatalog: 1. Korubin (Hrsg.), Ikoni vo Makedonija (Ikonen in Make· donien). Skopje o. J. (Reproduktion von sechs Ikonen mit einem kurzen Begleitwort von K. Balabanov); K. Balabanov, C. Krstevski u.a., Makedonske ikone v igani glini (Makedonische Ikonen aus Ton). Ljubljana 1989 (Katalog der Ausstellung Ljubljana 1989, mit kurzem Be· gleittext, Verzeichnis der Funde und Bibliographie); vgl. den Bericht von J. Kastelic, Nasi razgledi XXXVIII, Nr. 24 (911), 29. Dez. 1989, 729 und Aleksova, Episkopijata (Anm. 30) 133 f. Zuletzt H. Melovski, Keramickite ikoni od Vinickoto Kaie (Keramikikonen von <f Festung Vinica). Ziva antika, Posebni izdanija 9, 1991, 179 - 187.

164 Cod. Just. 1, 3, 35 (36). Die Konstitution ohne Datum, die aber zwischen die zwei Kon·

stitutionen Zenos aus den Jahren 472 und 484 einzuordnen ist, verfügte (in lat. Überset· zung): Omnes civitates, sive eae renovatae_sunt anteriori tempore sive antea ci'i!itates non fuerunt, sed per imperiale beneficium eo promotae sunt, omnimodo peculiarem propri· umque episcopum habere sancimus, qui rerum ecclesiasticarum in ea curam gerat „„

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 545

hypothetischen und dem tatsächlichen Sachverhalt fest.165 Hierokles gibt für den Bereich der Macedonia Prima 32, für den der Macedonia Secunda acht Städte an, ungefähr zweimal so viele uns Bischofssitze bekannt sind. Solche werden z.B. gleich in fünf von Hierokles angeführten und auf dem Gebiet der heutigen Repu· blik Makedonien gelegenen Städten nicht erwähnt. Es handelt sich um die Städte Argos, Eustraion, Pelagonia, Kelenidon und Harmonia.166

6. Der Untergang der frühchristlichen Kirche in Makedonien

Im 5. Jahrhundert wurde die frühchristliche Kirche in Makedonien ebenso wie an· derenorts auf dem Balkan hauptsächlich von den Germanen und Hunnen bedroht; beinahe gänzlich ausgelöscht aber wurde sie durch die Slawen um die Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert.

Makedonien wurde bereits zur Zeit der Bewegungen der Westgoten auf seinem Gebiet in den Jahren 395 bis 401, insbesondere aber durch den Vertrag (foedus) des Jahres 397 ernstlich bedroht;167 dann wieder ein halbes Jahrhundert später während des zweiten Krieges Attilas gegen das Ostreich im Jahr 447, als die Hun· nen bis zu den Thermopylen vordrangen;168 und abermals ein Vierteljahrhundert danach, in der Zeitspanne zwisi;:hen 472 und 479 während der Wanderungen der Ostgoten.169 Seit diesen Ereignissen, das vernichtende Erdbeben des Jahres 518, das Scupi im wahren Sinne des Wortes dem Erd~oden gleichmachte,170 ausgenom· men, kann man von keiner größeren, dieses Land bedrohenden Gefahr sprechen, und dies bis zu den Slawen- und Awareneinfällen hin, die im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts sehr stark an Intensität zunahmen.

Etwa in die Mitte des 6. Jahrhunderts, in die Regierungszeit Justinians, fällt überhaupt der letzte Aufschwung der Bautätigkeit in Makedonien und Illyricum, der sich in der Errichtung von Festungen, aber auch von Kirchen, sowohl in den Städten wie auf dem Lande, bemerkbar macht. Ob und auf welche Weise sich die

· 165 Hieroklis Synekdemus. Rec. A. Burckhardt. Leipzig 1893 (für neuere Ausgaben und neuere Literatur vgl. P. Schreine1; Das Christentum in Bulgarien vor 864. MiscBul 5, 1987, 51 - 61; bes. 53 f.).

166 Hierokl., Synekd. 638 - 641 ( 4 - 6 Burckardt); vgl. auch Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 287; 312; 334; 341 und Karte 20; zu Harmonia vgl. auch MikulCic, Frühchristlicher Kirchenbau (Anm. 6a) 241.

167 Wolfram (Anm. 27) 139 - 150. 168 O.J. Maenchen-Helfen, Die Welt der Hunnen. Wien, Köln u. Graz 1978, 87 - 93; der

Hunneneinfall bis zu den Thermopylen wird erwähnt von Marcell., chron. II 82, 447, 3. 169 Siehe oben Anm. 92. 170 Marcell., chron. II 100, 518, 1: In provincia Dardania adsiduo terrae motu viginti

quattuor castella uno momento conlapsa sunt .... Scupus namque metropolis, licet sine civi· um suorum hostem fugientium clade, funditus tarnen corruit ....

546 Rajko Bratoi

zur Zeit der Slaweneinfälle und des sie begleitenden intensiven Festungsbaus sich verändernden Siedlungsstrukturen auf das Leben der Kirche auswirkten, bleibt weitgehend noch künftigen Forschungen vorbehalten.

171

Allerdings überrascht im Vergleich zu der Entwicklung in den anderen Balkan­u~d Donauprovinzen die Tatsache, daß die makedonischen Bischöfe um die Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert, in der Zeit des Zusammenbruchs der antiken Welt, mit Ausnahme von Thessalonike, dem letzten, freilich unerreichten Ziel der Sla­weneinfälle,172 nur sehr selten erwähnt werden. Erwarten würde man dies in der Sammlung von Briefen Papst Gregors des Großen, die die Verhältnisse in der illy· rischen Kirche, d.h. die inneren Auseinandersetzungen und den Niedergang um das Jahr 600, illustriert. Auf Grund der päpstlichen Briefe, die auf eine Zeit des Verfalls des Kirchenlebens infolge der Awaren-und Slaweneinfälle hinweisen, sol­len als Marksteine folgende Ereignisse hervorgehoben werden: die 591 an alle Bischöfe in Illyricum ergangene Aufforderung, dem kaiserlichen Erlaß gemäß al· len jenen Bischöfen behilflich zu sein, die wegen der Barbareneinfälle hätten flie· hen müssen;173 der nach 602 erfolgte Fall der Justiniana Prima, dem erzbischöfli­chen Zentrum für die nördlichen Teile des heutigen makedonischen Gebiets, das in der Zeit Gregors nicht einmal annähernd mehr die Rolle innehatte, die ihm von Kaiser Justinian zugedacht worden war;174 die andauernde Bedrohung von Thessa·

171 Vgl. für das gesamte Illyricum G. Dagron, Les villes dans l'lllyricum protobyzantin. In: Villes (Anm. 1) 1 - 20; MaksimoviC (Anm. 140) 38 ff. Den neueren Stand der archäo· logischen Forschungen der spätantiken Befestigungen auf dem Gebiet des jugosl. Make­donien (350 registrierte und teilweise erforschte Lokalitäten) gibt 1. Mikulcic, Spätantike Fortifikationen in der S. R. Makedonien. CCAB 33, 1986, 253 - 277 (mit der Übersichtskarte ebd. 258).

172 Siehe unten Anm. 183. 173 Greg. M„ epist. 1, 43 (Ed. D. Norberg, CCSL 140, 57); vgl. L. Waldmüller, Die ersten

Begegnungen der Slawen mit dem Christentum und den christlichen Völkern vom VI. bis VIII. Jahrhundert. Amsterdam 1976, 188 f.; 200 f.; Bratoz (Anm. 34) 187 Anm. 80.

174 In seinem Schreiben vom Okt. 592 strafte Papst Gregor den Bischof Johannes aus Ju· stiniana Prima streng, da dieser sich auf unerlaubte Weise in den Streit zwischen den Bischö· fen von Larissa und Theben eingemischt hatte: er setzte all seine Beschlüsse außer Kraft und exkommunizierte ihn für dreißig Tage mit der Auflage, daß er in dieser Zeit um Verge· bung cum summa paenitentia et cum lacr-imis bitte und zwar mit aller Konsequenz, sonst werde die Strafe noch strenger (severius puniendum; Greg. M., epist. 3, 6 - 7 [CCSL 140, 151 - 155]). Der Papst verwies zwei Jahre später den Bischof Felix aus Serdica, er solle sich sei· nem Erzbischof Johannes von Justiniana Prima fügen, weil die alte Kirchenordnung eben so sei, die es zu achten gelte, sonst werde er selbst gegen ihn vorgehen (Nam nec tibi ... licebit ... contra morem maioribus tuis inoboedientem exsistere, nec nos tantae indisciplinationis ecclesiasticam cognoscas dissimufare vel differre vindictam; epist. 5, 8 [ebd. 274 f.]). Bischof Johannes von Justiniana Prima wird als einer der Adressaten zweier Schreiben erwähnt, die als Ausdruck der schlechten Beziehungen zwischen dem Papst einerseits und dem Kaiser und dem Patriarchen von Konstantinopel andererseits entstanden sind: der Brief, .in dem der Papst den Standpunkt der Kirche zum kaiserlichen Gesetz erklärt, dem zufolge es Mi· litärpersonen verboten war, in den Priesterstand oder in ein Kloster einzutreten (epist. 8, 10

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 547

lonike als der Hauptstadt Makedoniens175 sowie schließlich das Geschehen in der im Südwesten an Makedonien angrenzenden Epirus Vetus im Jahre 603, das uns verdeutlicht, wie tief die Slawen damals schon in die griechischen Landesteile vor­gedrungen waren: der Bischof aus Euria auf dem epirotischen Festland flüchtete sich vor ihnen auf die Insel Corcyra (Korf u).176

Von den Schriftquellen her betrachtet, erlischt um das Jahr 600 das kirchliche Leben im Norden Makedoniens, während es im Süden als äußerst bedroht er­scheint. Bischofssitze werden auf dem von den Slawen in Besitz genommenen Ge­biet auch in den späteren Quellen bis auf eine einzige Ausnahme nicht mehr er-

[597; CCSL 140A, 527 f.J), und der Brief, in dem der Papst gegen die Bemühungen des Patri­archen von Konstantinopel protestiert, sich mit dem Titel universalis zu schmücken (epist. 9, 157 [599; ebd. 714 - 716]). Als der Kaiser den Erzbischof krankheitshalber des Amtes enthe­ben wollte, ergriff der Papst dessen Partei mit dem Argument, das verstoße gegen das kano­nische Gesetz (epist. 11, 29 [ 601; ebd. 917 f.J). Der letzte Papstbrief an Erzbischof .Johannes enthält einen Rat für den Umgang mit Bischof Paulus aus Doclea, der mit seinem Verhalten alle zulässigen Grenzen überschritten habe (epist. 12, 10 [602; ebd. 982 - 984]); im darauffol· genden an Konstantin aus Scodra gerichteten Brief, in dem der Papst auch den Fall des Bi· schofs Paulus aus Doclea behandelt, erwähnt er den Bischof von Justiniana Prima ausdrück· lieh als seinen Vikar: ... exemplaria scriptorum, ... quae ad reverentissimum Iohannem fratrem nostrum Primae Iustinianae civitatis episcopum servanti vices nostras direxi­mus ... (epist. 12, 11 (602; ebd. 984 f.J). Aus all diesen Erwähnungen ist ersichtlich, daß Justi­niana Prima am Ende seines Bestehens ein päpstliches Vikariat, mit ähnlichem Status wie Thessalonike, unter der wachsamen Aufsicht des Papstes war. Papst Gregor bestrafte den Bi­schof von Justiniana Prima streng bei dessen Eingriff in die Verhältnisse in den griechi­schen Ländern, die außerhalb des erzbischöflichen Herrschaftsbereiches lagen, andererseits aber nahm er ihn in Schutz gegen den Bischof von Serdica, den Metropoliten von Dacia Me­diterranea, der danach trachtete, sich selbständig zu machen, und half ihm, die Angelegen­heit in Praevalis (Scodra) zu regeln und bezog ihn in die Konfliktpolitik mit dem Kaiser und den Patriarchen von Konstantinopel mit ein.

Zu Justiniana Prima im Lichte der Briefe von Gregor siehe EK. Lukman; Gregorij Veliki in njegova doba (Gregor der Große und seine Zeit). Celje 1980, 151 - 157; Maksimovic (Anm. 141) 50; Waldmüller (Anm. 173) 193; Pietri, Geographie (Anm. 55) 55 ff.

175 Die päpstliche Korrespondenz mit Bischof Eusebius von Thessalonike vermittelt ein Bild von dem geregelten Status des Erzbistums und einem geregelten Verhältnis zu Rom. Gibt es mehrere Adressaten, so erscheint der Erzbischof von Thessalonike an erster Stelle (epist. 8, 10 [597] und 9, 157 [599; CCSL 140A, 527 f.; 714 ff.]; über den Inhalt der Briefe vgl. Anm. oben 174). Zwei päpstliche Briefe an Erzbischof Eusebius von Thessalonike beziehen sich auf die Affäre in Verbindung mit einigen Klerikern von Thessalonike, die des Mono· physitismus verdächtigt wurden (epist. 9, 197 (599; ebd. 752 ff.] und 11, 55 [601; ebd. 959 f.J). Der Briefwechsel weist auf gute Beziehungen zwischen dem Bischof von Thessalonike und dem Papst hin, der wie im Fall von Justiniana Prima die alte Ordnung schützte und auf· merksam über das Tun und Lassen des Erzbischofs von Thessalonike wachte (vgl. auch epist. 14, 8 [603; ebd. 1076 ff.; bes. 1078 Z. 59 ff.]). Vgl. Pietri, Geographie (Anm.55) 54 ff. Zu den Slaweneinfällen gegen Thessalonike siehe unten Anm. 183.

176 Waldmüller (Anm. 173) 200 f.; L. Margetic, Gregorio l - papa politico. ZAnt 29, 1979, 269 - 274. .

548 Rajko Bratoi

wähnt. Auf dem sechsten ökumenischen Konzil in Konstantinopel im Jahre 681 wird unter den Teilnehmern auch der Bischof Johannes aus Stobi angeführt,177

auf der Kirchenversammlung 'ebendort von 692 (Quinisextum) indessen sein Nachfolger Margarites.178 Wie sind wohl diese späten Erwähnungen des Bistums von Stobi, etwa neunzig Jahre nachdem die Slawen das Gebiet am mittleren Lauf des Vardar überflutet hatten, zu erklären?

Die Unterschriften der Teilnphmer an dem sechsten ökumenischen Konzil so· wie andere Quellen aus der Zeit um 680, weisen ein etwas merkwürdiges Bild der Balkanländer in diesem Zeitraum auf.179 Die Erwähnung der beiden Bischöfe aus Stobi in den Jahren 681 und 692 erscheint im Licht dieser Berichte nicht einmal als ungewöhnlich, obwohl es sich um ein Gebiet handelt, das an der Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert von den Slawen überflutet worden war. Aus dieser, wie auch aus viel späterer Zeit ist eine Reihe von Fällen bekannt, wo Bischöfe aus den be· drohten Gebieten sich in Sicherheit zu bringen suchten und sich in einer neuen Umgebung niederließen. Dies konnte zu bösen Streitigkeiten führen (wie das Bei­spiel des nach Corcyra gef lüch(eten Bischofs von Euria lehrt; sodann jenes des Bi· schofs Johannes, der aus dem pannonischen Raum in das istrische Castellum No­vas floh, und des Bischofs Fidentius aus Iulium Carnicum, der um 700 nach Fo­rum Iulium (Cividale) übersiedelte, und der Fall jenes zypriotischen Bischofs, der sich vor den Arabern nach Propontis rettete), 180 ein andermal ist es wiederum

177 Mansi 2XI 613D; 645A; R. Riedinger, Die Präsenz- und Subskriptionslisten des VI. oe­kumenischen Konzils (680/81) und der Papyrus Vind. G. 3. ABAW NF Heft 85. Mün­chen 1979, 16; 22; 26 - 27 (Nr. 57); vgl. Waldmüller (Anm. 173) 369. Die schweren Verhält­nisse in der makedonischen Kirche in dieser Zeit spiegelt auch die Tatsache wider, daß auf dem Konzil neben dem Bischof von Stobi nur noch Bischof Johannes von Thessalonike (vi­carius Romae, legatus) anwesend war (Riedinger a.a.0. 7; 14 - 15). Dieser Bischof (nicht aber Johannes von Stobi) ist auch unter den Unterzeichnern des Konzilsbriefes an Papst Agatho, und zwar auf der ehrwürdigen fünften Stelle, zu finden: Agatho Papa, epist. 4 (PL 87, 1253 -1254A). Zur Rolle der makedonischen Kirche im monotheletischen Streit nach der Lateran­synode von 649 vgl. Hefele u. Leclercq (Anm. 147) 453; E Winkelmann, Die Quellen zur Er­forschung des monenergetisch-monotheletischen Streites. Klio 69, 1987, 515 - 559; bes. 541 Nr. 123 - 124.

178 Mansi 2XI 993B (in lat. Übersetzung: Margarites peccator episcopus Stoborum defi­niens subscripsi). Vgl. Waldmüller (Anm. 173) 369. An dieser Synode beteiligten sich auch die Bischöfe von Edessa, Amphipolis und Philippi (vgl. E Papazoglou, Les villes [Anm. 1] 130; 397; 413).

179 Riedinger (Anm. 177); allgemeines zum Konzil siehe Hefele u. Leclercq a.a.O. (Anm. 147) 472 - 538; L. Brehier u. R. Aigrain, in: A. Fliehe u. V. Martin (Hrsg.), Storia della Chie· sa. V. Turin 21971, 256 - 265 (214 - 227).

180 Zum Fall des geflüchteten Bischofs von Euria siehe oben Anm. 176; zu Johannes aus Pannonien in Istrien siehe R. Bratoz, Nastanek razvoj in zaton organizacije zgodnjekrscans­ke cerkve v lstri ( 4. - 6. stoletje) (The Origin, Development and Decline of the Early Chri· stian Church in lstria). Anticni temelji nase sodobnosti. Ljubljana 1987, B - 26; bd. 21 ff.; L. Margetic, Histrica et Adriatica. Triest 1983, 113 ff.; R. Bratoz u. J. PersiC, Korpska cerkev skozi stoletja - La chiesa capodistriana attraverso i secoli. In: Koper med Rimom in Benetka-

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 549

nicht zum Streit gekommen oder ein solcher zumindest nicht bekannt geworden (als Beispiel diene die Flucht des Bischofs Dulcissimus aus Durostorum an der Do· nau nach Odessus am Schwarzen Meer).181

Ein der Erwähnung der Bischöfe aus Stobi in den Jahren 681 und 692 analoger Fall ist der des celeianischen Bischofs Andreas bei den Unterzeichnern der Synode im Lateran von 680 unter den dort aufgereihten istrischen Bischöfen, zwischen dem Bischof von Cissa nämlich und dem aus Tergeste.182 Offenbar können wir auch diesen Bischof an einem Ort irgendwo an der Küste des byzantinischen lstri · en, ungefähr 150 bis 200 Kilometer außerhalb des Mutterbistums, suchen. Etwa ebenso groß ist auch die Entfernung zwischen dem damals (ähnlich wie Celeia) von der slawischen Bevölkerung überschwemmten Stobi und Thessalonike, wie auch anderen Orten der makedonischen Küste, die nicht von Slawen besetzt wa· ren.183 Wir dürfen annehmen, daß sich irgendwo in diesem Bereich der Zu· fluchtsort der Bischöfe aus Stobi befand, sofern sie sich nicht in der Hauptstadt

·aufhielten. Die kirchengeschichtlichen Quellen liefern Beweise dafür, daß die kirchliche Organisation auf dem von den Slawen besiedelten Gebiet nicht völlig zerstört war, insbesondere nicht in den untergeordneten Strukturen. Wir werden zwei Beispiele, eines aus dem Ost- und eines aus dem Westbalkanraum erwähnen. Für die Zeit um das Jahr 680 werden in dem neuentstandeneri bulgarischen Staat griechische Geistliche erwähnt, und aus einer Quelle geht hervor, daß es sich um Relikte der kirchlichen Organisation der Antike und nicht um Zuwanderer aus dem byzantinischen Reich handelte.184 Andererseits wird schon zu dieser Zeit ein

mi. Prispevki k zgodovini Kopra - Capodistria tra Roma e Venezia. Contributi per Ja storia di Capodistria. Ljubljana 1989, 57 ff.; G. Cuscito, Antiehe testimonianze cristiane a Cittanova d'Istria. Atti del Centro di ricerche storiche - Rovigno 19, 1988 - 1989, 60 f. Über Bischof Fidentius von lulium Carnicum berichtet Paulus Diaconus, Hist. Langob. 6, 51 (Ed. E Bradac, B. Grafenauer u. K. Gantar. Maribor 1988, 276f.). Zum zypriotischen Bischof als Flüchtling in Propontis siehe Hefele u. Leclercq (Anm. 147) 568 (Kanon ~ der Synode von 692).

181 R. Pillinger, Der Ausgang des antiken Christentums am Unterlauf der Donau. In: Le· bendige Altertumswissenschaft. Festgabe H. Vetters. Wien 1985, 265 - 269; Dies„ Das Mar· tyrium des heiligen Dasius. SAWW 517. Wien 1988, 51 (mit der übrigen Literatur).

182 Mansi 2XI 312; Agatho Papa, epist. 3 (PL 87, 1243A). Neue textkritische Augabe von R.

Riedinger in: ACO II 2, 1 [1990) 154 f. Nr. 92). 183 Zu den Slaweneinfällen gegen Thessalonike siehe Waldmüller (Anm. 173) 198 f.; 321 -

326; 369 f.; 394; B. Ferjancic, Invasion~ et installation des Slaves dans les Balkans. In: Villes (Anm. 1) 85 - 109 (mit detaillierter Literatur); D.M. Metcalf, The Mint of Thessalonica in the Early Byzantine Period. Ebd. lll - 129; bes. 126 ff.; W. Pohl, Die Awaren. Ein .Steppenvolk in Mitteleuropa 567 - 822 n. Chr. München 1988, 101 - 112; 240 - 243.

184 Über den Streit bezüglich der Kirchenzugehörigkeit des bulgarischen Staates auf dem Konzil in Konstantinopel von 870 berichtet die Vita des Papstes Hadrian II. eine interessante Episode (Lib. pontif. II 108. Ed. L. Duchesne, Paris 21955, 183 Z. 4 - 6). Als die Vertreter der östlichen Patriarchate die Abgesandten der Bulgaren fragten, wessen Land sie erobert hätten und ob sich damals in dem Land lateinische oder griechische Priester befunden hätten, ant·

550 Rajko Bratoz

Bemühen um die Missionierung registriert, das sich vielleicht gerade auf diese fortdauernden Relikte der antiken Kirchenorganisation stützte. Die Behauptung des Papstes Agatha in seinem Schreiben an den byzantinischen Kaiser Konstantin IV. aus dem Jahr 680, die päpstlichen Gesandten befänden sich in medio gentium tarn Langibardorum quamque Sclaborum nec non Francorum, Gallorum et Gothorum atque Brittanorum ... , 185 ist wenigstens in Hinsicht auf die slawische Welt im Hinterland der Nord- oder Ostadriaküste zweifelsohne als übertrieben zu bezeichnen. Andererseits spiegelt sie jedoch die kirchenpolitischen Ambitionen des Papstes und bis zu einem gewissen Grad auch die tatsächlich vorhandenen Mög· lichkeiten und Aktivitäten wider. In diesem Licht, angesichts der fortbestehenden Relikte der unteren Strukturen der Kirchenorganisation der Antike, wie auch der Versuche, das Christentum unter der im Jahre 658 unterjochten slawischen Bevöl· kerung, die in dem an den beiden Vardarufern sich erstreckenden Makedonien an­sässig war, 186 vielleicht gerade mit Hilfe dieser Strukturen zu verbreiten, wirkt die Erwähnung der beiden Bischöfe aus Stobi in den Jahren 681 und 692 nicht einmal so erstaunlich.187 Letztere ist sogar noch um einiges verständlicher, wenn man sie im Kontext der Beschlüsse der -Kirchenversammlung von .692 (Quinisextum) erör·

worteten sie: Nos illam patriam a Grecorum potestate armis evincimus, in qua non Lati­nos sed Grecos sacerdotes reperimus. Die Äußerung bezieht sich also auf die Zeit der Ent­stehung des ersten bulgarischen Staates im Jahr 680; siehe dazu G. Ostrogorsky, Geschichte des Byzantinischen Staates. München 21952, 103 f.; V. Gjuzelev, Forschungen zur Geschichte Bulgariens im Mittelalter. Miscßul 3, 1986, 37 ff.; H.D. Döpmann, Bulgarien als Treffpunkt des östlichen und westlichen Christentums in frühbyzantinischer Zeit. In: Pillinger (Anm. 36) 64 ff.; Schreiner (Anm. 165) 55.

185 Mansi 2XI 293 - 294C; PL 87, 1224 f. (lat. Übersetzung); 1226A (griech. Original); textkritische Ausgabe R. Riedinger in: ACO II 2, 1 (1990) 132 ff.; vgl. Waldmüller (Anm. 173) 392.

186 Kaiser Konstans II. begab sich 658 auf einen Feldzug gegen Sklavinien und besiegte ei­ne Reihe von Slawenstämmen im Vardargebiet (Ostrogorsky [Anm. 183] 95; Waldmüller (Anm. 173) 328; 378; wiederholter byzantinischer Feldzug gegen Sklavinien 688/689).

187 Während Papazoglou, Les villes (Anm. 1) 323 der Meinung ist, daß das Bestehen des Bistums von Stobi zu jener Zeit fiktiv gewesen sei, räumt Waldmüller (Anm. 173) 369 die Möglichkeit ein, daß dieser Bischof (so wie noch einige andere aus den bedrohten Gebieten, die unter den Teilnehmern der beiden Kirchenversammlungen erwähnt werden) in seiner Stadt lebte, oder aber, daß es sich um einen Bischof in partibus infidelium handelte. Im Fall von Stobi ist das kaum wahrscheinlich, da die Stadt im Licht der materiellen Zeugnisse (die letzten sind Münzen des Justinus II.) relativ früh verlassen wurde (1. Mikulcic, Der Untergang der Paläste im spätantiken Stobi, Nordmakedonien. In: D. Papenfuss u. V.M. Strocka (Hrsg.), Palast und Hütte. Mainz 1982, 535 - 544, bes. 537. Der Fall des Bischofs Cy­prianus, der noch ca. 685 im mittleren Griechenland von den Slawen gefangengenommen wurde (Waldmüller a.a.O. 372), weist darauf hin, wie das Leben der kirchlichen Würdenträ· ger in jener Zeit bedroht war. Der Stand der ·Kirchenorganisation, den die Notitia episcopatuum ecclesiae Constantinopolitana~ 3, 257 - 276 (Ed. J. Darrouzes, Pari~; 1981, 235 f.) aus dem 8.19. Jh .. übermittelt (neben dem Metropolitanbistum Thessalonike ·noch 19 Bischofssitze) ist fiktiv (vgl. Papazoglou, Les villes 27 f.). Zu dieser Zeit vgl. E. Popescu, Die

Die frühchristliche Kirche in Makedonien und Rom 551

tert, die zu wiederholten Malen die Situation der geflohenen Bischöfe regeln, 188

und zwar mit den Lösungen, die im Grunde den 99 Jahre älteren Empfehlungen des Papstes Gregor des Großen für Illyricum gleichkommen.

1 • '

·kirchliche Organisation der Balkanhalbinsel zur Zeit des VII. Oekumenischen Konzils von Nikaia (787). AHC 20, 1988, 345 - 353.

188 Die Beschlüsse der Synode geben ein Bild vom Leben der Kirche in jener Zeit, wo ein

beträchtlicher Teil des Reiches von den Barbaren überflutet wurde. In dieser Hinsicht sind Kanon 18 und 37 besonders interessant. Der erste sah vor, daß sich die Kleriker, die vor den Barbaren geflüchtet sind, nach beendeter Gefahr auf ihren früheren Posten zurückzubege· ben hätten. Noch instruktiver ist Kanon 37. Da sich viele Städte in den Händen der Barbaren befanden, konnten viele der neugewählten Bischöfe ihr Bistum nicht aufsuchen. Trotzdem hatten sie als Flüchtlinge das Recht zu weihen, ihrem Rang entsprechend zu leben und als solche von ihren Amtsbrüdern geachtet zu werden; siehe Hefele u. Leclercq (Anm. 147) 560 - 578; bes. 566 - 567; Waldmüller (Anm. 173) 397 f.; vgl. auch oben Anm. 173.