Bekanntes Wissen oder unbekannte Information? Gedanken zum eigentlichen Ziel und zur bestmöglichen...

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252 Derzeit, so gewinnt man den Eindruck, steht in Ös- terreich „das Ding an sich“ im Zentrum des Schutzes archäologischer Bodenfunde, sowohl im rechtlichen Sinn als auch in der von den österreichischen Denk- malschützerInnen (und ArchäologInnen) vertretenen Ideologie. Dieser Eindruck hat sich bei mir anlässlich des Gesprächs in Deutschfeistritz sogar noch deutli- cher verstärkt, als ich ihn schon vor meinem dort ge- haltenen Referat hatte. Ich denke, dass dies gerade in Bezug auf den Schutz archäologischer Funde 1 ein gra- vierendes Problem darstellt – gleichgültig wie kon- traintuitiv dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Nicht anders als Seidenspinner 2 jüngst die Objekt- bindung der Authentizität im Kontext des Denkmal- begriffs infrage gestellt hat, ist auch die Objektfixie- rung in der österreichischen Bodendenkmalpflege kri- tisch zu hinterfragen und Alternativen dazu darzu- stellen. Dazu muss ich jedoch etwas weiter ausholen. POSTULATE Um meinen Standpunkt und mein Argument in die- sem Artikel nachvollziehbar zu machen muss ich ihm vier Postulate voranstellen. Ich werde sie zuerst in Form von vier prägnanten Sätzen ausformulieren und diese Sätze anschließend etwas detaillierter begründen. Der (gesetzliche) Schutz archäologischer Funde muss ein Ziel verfolgen und dieses auch möglichst ef- fektiv zu erreichen erlauben. Die Archäologie als Wissenschaft ist eine Weltan- schauung, die auf gewissen Prämissen aufbaut und ge- wisse Konsequenzen nach sich zieht. Der Denkmalschutz ist eine öffentliche Dienstleis- tung, die auf anderen Prämissen aufbaut als die Ar- chäologie als Wissenschaft und daher auch andere Konsequenzen nach sich zieht. Archäologische Wissenschaft und Denkmalschutz stehen (derzeit) teilweise in Widerspruch zueinander, zum Nachteil des unter 1. genannten Ziels. Gehen wir diese Punkte nun der Reihe nach durch: DAS ZIEL DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE Der Schutz archäologischer Funde, insbesondere der gesetzliche Schutz, muss in Eigentumsverhältnisse ein- greifen. 3 Im geringsten Fall bedeutet bereits das öf- fentlich postulierte, nicht an irgendwelche konkrete Maß- nahmen (gesetzlicher oder anderer Natur) gebundene, reine Ideal, dass archäologische Funde geschützt wer- den sollten, den Versuch eines solchen Eingriffs: es im- pliziert bereits das (öffentlich und mit irgendeiner, z. B. wissenschaftlicher, Autorität erfolgende) Postulat, dass ein derartiger Schutz allgemein wünschenswert ist, die wenigstens moralische Verpflichtung, dass Eigentümer archäologischer Funde diese nicht willkürlich zerstören sollten – und das Recht, sein Eigentum nach eigener Willkür auch zu zerstören (es zu vertilgen) gehört zu den grundlegendsten Eigentumsrechten. 4 Sobald ein solches Ideal auch gesetzliche „Zähne“ bekommt, wird dieser Eingriff natürlich noch viel dras- tischer: wird es verboten archäologische Funde (we- nigstens ohne entsprechende Genehmigung) zu zer- stören, ist dieser Eingriff bereits sehr deutlich; wird gar jeder Fund zu öffentlichem Eigentum erklärt, das (sofern beweglich) bei dafür vorgesehenen amtlichen 1 Als archäologische Funde verstehe ich dabei sowohl Fundobjekte als auch insbesondere deren Zusammenhänge, alle archäologisch auswertbaren Boden- (z. B. die archäologische Stratifikation) und anderen Störungen (wie z. B. oberirdisch messbare Störungen des Erdmagnetfelds und andere durch naturwissenschaftliche Metho- den dokumentierbare Informationen über Zusammensetzung oder Aufbau archäologischer Kontexte), aber auch archäologisch aus- wertbare Spuren über der Erdoberfläche wie z. B. Baudenkmale. 2 Wolfgang Seidenspinner, Woran ist Authentizität gebunden? Von der Authentizität zu den Authentizitäten des Denkmals, Nachden- ken über Denkmalpflege (Teil 6), kunsttexte.de 3/2007, 1–7. – Wolf- gang Seidenspinner, Denkmal und Authentizität, in: Stratigraphie Raimund Karl BEKANNTES WISSEN ODER UNBEKANNTE INFORMATION? GEDANKEN ZUM EIGENTLICHEN ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE und Gefüge, Beiträge zur Archäologie des Mittelalters und der Neu- zeit und zur historischen Bauforschung, Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden–Württemberg Bd. 28, Stuttgart 2008, S. 277 ff. 3 Siehe Georg Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege im neun- zehnten Jahrhundert, Festrede an der Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg, den 27. Januar 1905, in: Georg Dehio, Kunsthistori- sche Aufsätze, München–Berlin 1914, S. 268 ff., insbesondere S. 270. 4 Siehe § 362 AGBG. 5 §§ 8-9 DMSG. 6 Dehio (zit. Anm. 3), S. 268. 7 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.

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Derzeit, so gewinnt man den Eindruck, steht in Ös-terreich „das Ding an sich“ im Zentrum des Schutzesarchäologischer Bodenfunde, sowohl im rechtlichenSinn als auch in der von den österreichischen Denk-malschützerInnen (und ArchäologInnen) vertretenenIdeologie. Dieser Eindruck hat sich bei mir anlässlichdes Gesprächs in Deutschfeistritz sogar noch deutli-cher verstärkt, als ich ihn schon vor meinem dort ge-haltenen Referat hatte. Ich denke, dass dies gerade inBezug auf den Schutz archäologischer Funde1 ein gra-vierendes Problem darstellt – gleichgültig wie kon-traintuitiv dies auf den ersten Blick erscheinen mag.Nicht anders als Seidenspinner2 jüngst die Objekt-bindung der Authentizität im Kontext des Denkmal-begriffs infrage gestellt hat, ist auch die Objektfixie-rung in der österreichischen Bodendenkmalpflege kri-tisch zu hinterfragen und Alternativen dazu darzu-stellen. Dazu muss ich jedoch etwas weiter ausholen.

POSTULATE

Um meinen Standpunkt und mein Argument in die-sem Artikel nachvollziehbar zu machen muss ich ihmvier Postulate voranstellen. Ich werde sie zuerst in Formvon vier prägnanten Sätzen ausformulieren und dieseSätze anschließend etwas detaillierter begründen.

Der (gesetzliche) Schutz archäologischer Fundemuss ein Ziel verfolgen und dieses auch möglichst ef-fektiv zu erreichen erlauben.

Die Archäologie als Wissenschaft ist eine Weltan-schauung, die auf gewissen Prämissen aufbaut und ge-wisse Konsequenzen nach sich zieht.

Der Denkmalschutz ist eine öffentliche Dienstleis-tung, die auf anderen Prämissen aufbaut als die Ar-chäologie als Wissenschaft und daher auch andereKonsequenzen nach sich zieht.

Archäologische Wissenschaft und Denkmalschutzstehen (derzeit) teilweise in Widerspruch zueinander,zum Nachteil des unter 1. genannten Ziels.

Gehen wir diese Punkte nun der Reihe nach durch:

DAS ZIEL DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE

Der Schutz archäologischer Funde, insbesondere dergesetzliche Schutz, muss in Eigentumsverhältnisse ein-greifen.3 Im geringsten Fall bedeutet bereits das öf-fentlich postulierte, nicht an irgendwelche konkrete Maß-nahmen (gesetzlicher oder anderer Natur) gebundene,reine Ideal, dass archäologische Funde geschützt wer-den sollten, den Versuch eines solchen Eingriffs: es im-pliziert bereits das (öffentlich und mit irgendeiner, z.B. wissenschaftlicher, Autorität erfolgende) Postulat, dassein derartiger Schutz allgemein wünschenswert ist, diewenigstens moralische Verpflichtung, dass Eigentümerarchäologischer Funde diese nicht willkürlich zerstörensollten – und das Recht, sein Eigentum nach eigenerWillkür auch zu zerstören (es zu vertilgen) gehört zuden grundlegendsten Eigentumsrechten.4

Sobald ein solches Ideal auch gesetzliche „Zähne“bekommt, wird dieser Eingriff natürlich noch viel dras-tischer: wird es verboten archäologische Funde (we-nigstens ohne entsprechende Genehmigung) zu zer-stören, ist dieser Eingriff bereits sehr deutlich; wirdgar jeder Fund zu öffentlichem Eigentum erklärt, das(sofern beweglich) bei dafür vorgesehenen amtlichen

1 Als archäologische Funde verstehe ich dabei sowohl Fundobjekteals auch insbesondere deren Zusammenhänge, alle archäologischauswertbaren Boden- (z. B. die archäologische Stratifikation) undanderen Störungen (wie z. B. oberirdisch messbare Störungen desErdmagnetfelds und andere durch naturwissenschaftliche Metho-den dokumentierbare Informationen über Zusammensetzung oderAufbau archäologischer Kontexte), aber auch archäologisch aus-wertbare Spuren über der Erdoberfläche wie z. B. Baudenkmale.

2 Wolfgang Seidenspinner, Woran ist Authentizität gebunden? Vonder Authentizität zu den Authentizitäten des Denkmals, Nachden-ken über Denkmalpflege (Teil 6), kunsttexte.de 3/2007, 1–7. – Wolf-gang Seidenspinner, Denkmal und Authentizität, in: Stratigraphie

Raimund Karl

BEKANNTES WISSEN ODER UNBEKANNTE INFORMATION?GEDANKEN ZUM EIGENTLICHEN ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN

UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE

und Gefüge, Beiträge zur Archäologie des Mittelalters und der Neu-zeit und zur historischen Bauforschung, Forschungen und Berichtezur Archäologie des Mittelalters in Baden–Württemberg Bd. 28,Stuttgart 2008, S. 277 ff.

3 Siehe Georg Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege im neun-zehnten Jahrhundert, Festrede an der Kaiser-Wilhelms-Universitätzu Straßburg, den 27. Januar 1905, in: Georg Dehio, Kunsthistori-sche Aufsätze, München–Berlin 1914, S. 268 ff., insbesondere S. 270.

4 Siehe § 362 AGBG.5 §§ 8-9 DMSG.6 Dehio (zit. Anm. 3), S. 268.7 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.

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Stellen abzuliefern ist, ist dieser Eingriff vollständigund der vormalige Eigentümer wird durch die Er-kenntnis, dass es sich bei einem Objekt um einen ar-chäologischen Fund handelt, zur Gänze enteignet. InÖsterreich wurde bekanntermaßen ein recht gemä-ßigter Mittelweg gewählt: solange ein archäologischerFund nicht explizit unter Denkmalschutz gestellt wurde,ist der Eigentümer nur sehr bedingt in seinen Eigen-tumsrechten eingeschränkt, im Maximalfall für dieDauer von 2 Jahren und sechs Wochen ab Auffindungdes Objektes.5

Dennoch, soll ein derartiger (selbst wenn in Öster-reich auch nur vergleichsweise geringer) Eingriff in Ei-gentumsverhältnisse erfolgen, muss es dafür eine ge-wisse Begründung, eine Rechtfertigung, geben, die –insbesondere in pluralistischen Demokratien wie in Ös-terreich in der Gegenwart – auch der Öffentlichkeit ge-genüber sowohl vertret- als auch erklärbar ist. Die Be-gründung erfolgt dabei derzeit gewöhnlich durch dieDefinition eines höheren Ziels, das durch den Eingriffin die Eigentumsverhältnisse erreicht werden soll unddas im Interesse der Allgemeinheit gelegen ist und da-her im konkreten Einzelfall die (an sich normalerweiseberechtigten) Interessen des Einzelnen überwiegt.6

Dieses höhere Ziel wurde als Ideal im deutschenSprachraum bereits 1905 von Dehio7 (wenn auch nichtkonkret für archäologische Funde) explizit als die dau-ernde Erhaltung der geistigen Werte, die die Mensch-heit hervorgebracht hat, definiert. Ein Ideal ist es na-türlich deshalb, weil es in dieser Form die vollstän-dige Erhaltung aller geistigen Werte der Menschheitimpliziert, die in der Praxis – wie auch Dehio8 bereitskorrekt erkannt und festgestellt hat – natürlich voll-kommen unmöglich ist. Dennoch gibt es uns als Idealeine Richtschnur, die das Ziel auch des Schutzes ar-chäologischer Funde zu bestimmen und auch dessenErfolg zu messen erlaubt: umso mehr und desto bes-ser die von der Menschheit geschaffenen geistigenWerte dauerhaft erhalten bleiben, desto stärker nähernwir uns diesem Ideal an.

Dadurch ergibt sich nicht nur eine Berechtigungfür den Eingriff in Eigentumsverhältnisse, sondern

gleichzeitig auch ein Maßstab, mit dem die Effektivi-tät gesetzlicher oder anderer Eingriffe in Eigentums-verhältnisse gemessen werden und zwischen unter-schiedlichen Lösungen entschieden werden kann: dieLösung, die uns am besten das höhere Ziel zu errei-chen gestattet, ist die, die gewählt werden sollte; undauch die, die öffentlich am besten vertret- bzw. er-klärbar ist. Ist das Ziel am besten durch radikale recht-liche Maßnahmen wie Verbote und Enteignungen zuerreichen, sollten diese, ist das Ziel hingegen am bes-ten durch andere Maßnahmen zu erreichen, solltenjene gewählt werden. Darauf wird später noch genauerzurückzukommen sein.

Dennoch gibt es damit zwei Probleme, nämlich ers-tens die Kontrolle des Erfolgs von gesetzten Maß-nahmen in der Praxis, die in Österreich (und auch in-ternational) nicht wirklich erfolgt zu sein scheint, undzweitens das Problem mit vorherrschenden Ideolo-gien. Während ich mich mit dem erstgenannten Pro-blem noch weiter unten etwas detaillierter auseinan-der setzen werde, sollen sich die nächsten Abschnittein erster Linie mit dem zweitgenannten Problem be-fassen. Dieses zweite Problem ist nämlich ein theore-tisches Problem und soll daher im Zusammenhangmit den Zielen des Gesprächs in Deutschfeistritz hierim Vordergrund stehen – auch und gerade weil Theo-rie maßgebliche Konsequenzen in der Praxis hat.9

Archäologische Wissenschaft als WeltanschauungWie ich bereits oben postuliert habe, ist die Ar-

chäologie als Wissenschaft eine bestimmte Weltan-schauung bzw. impliziert, dass WissenschafterInnen ingewisser, sozusagen ideologisch vorgeprägter, Weisean ihr Thema herangehen. Als Wissenschaft beruhtdie Archäologie auf gewissen Grundprämissen,10 diehier nicht vollständig ausgeführt, sondern bloß zu-sammengefasst und grob vereinfacht dargestellt wer-den sollen: dazu gehören unter anderem bestimmteerkenntnistheoretische Annahmen (dazu weiter untennoch mehr11), gewisse Verpflichtungen bezüglich desUntersuchungsgegenstandes der eigenen Wissen-schaft,12 Verpflichtungen bezüglich der (wie auch im-mer zu bestimmenden) Wahrheit,13 sowie die Vorstel-

8 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264 ff.9 Siehe dazu schon Raimund Karl, Macht und Ohnmacht des posi-

tivistischen Denkens. Der Positivismus in der deutschsprachigenUr- und Frühgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des In-stituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, Beiträgezur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas Bd. 58, Langenweissbach2010.

10 Grundprämisse ist hier in leicht modifiziertem aristotelischem Sinnzu verstehen: als Aussage (bzw. Annahme), deren Wahrheit als ge-geben angenommen und die daher nicht angezweifelt wird (bzw.als nicht anzweifelbar verstanden wird).

11 Für den hier relevanten deutschen Sprachraum siehe dazu im De-tail Karl (zit. Anm. 9).

12 Bzw. wenigstens ein gewisses Selbstverständnis oder ein Glaubedaran, dass solche Verpflichtungen bestehen; diese Verpflichtun-gen beinhalten wohl gewöhnlich die Notwendigkeit zur Erhaltungder Quellenbasis, d. h. des Untersuchungsgegenstandes der Wis-

senschaft; die Verpflichtung dem Untersuchungsgegenstand derWissenschaft und der Wissenschaft nicht zu schaden und mög-lichst zu nutzen; nicht unethisch vom Untersuchungsgegenstandder Wissenschaft zu profitieren (z. B. als Archäologe nicht selbstmit Antiquitäten zu handeln oder wenigstens nicht archäologischeGrabungen durchzuführen um die Funde anschließend meistbie-tend auf dem Antiquitätenmarkt zu verkaufen), etc.

13 Wahrheit ist dabei nicht unbedingt als absoluter Wert zu verste-hen, sondern hängt eventuell stark von der erkenntnistheoreti-schen Ausrichtung eines konkreten Wissenschafters oder einerkonkreten Wissenschafterin ab. Es ist also durchaus möglich, dassWissenschafterInnen sich nicht einer objektiven Wahrheit, sondernnur einer relativen Wahrheit, einer korrekten Beschreibung derWirklichkeit oder einem anderen vergleichbaren Regulativ ver-pflichtet fühlen. Letztendlich lassen sich aber alle diese subjekti-ven Einschätzungen im weitesten Sinn unter dem Begriff Wahr-heit zusammenfassen und die betreffenden WissenschafterInnen

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lung, dass nicht das eventuell existierende „Laienpu-blikum“, also die Öffentlichkeit im Allgemeinen, son-dern die Fachgemeinschaft den relevanten Referenz-rahmen, sowohl für wissenschaftliche Aussagen alsauch für die sonstigen praktischen wissenschaftlichenTätigkeiten von WissenschafterInnen darstellt, d. h. wiruns als WissenschafterInnen in erster Linie gegenüberunseren KollegInnen zu rechtfertigen und uns we-nigstens bis zu einem gewissen Grad dem Urteil un-serer KollegInnen zu unterwerfen haben, nicht odernur in weit geringerem Ausmaß hingegen der Öf-fentlichkeit gegenüber.

Diese Kombination von Grundprämissen und dendamit jeweils verbundenen Werten (Erkenntnis als An-spruch und Wert, der Untersuchungsgegenstand selbstals Wert, die Wahrheit als Wert und die Meinung derFachkollegenschaft als Wert) stellt eine Weltanschau-ung bzw. Ideologie dar, die ihre Wirkung auch jen-seits des unmittelbaren wissenschaftlichen Erkennt-nisprozesses entfaltet; wenigstens bei der Mehrheit ar-chäologischer WissenschafterInnen. So ist es zwar imEinzelfall durchaus möglich, dass ein Wissenschafterin seiner wissenschaftlichen Forschung einen Wahr-heitsanspruch für seine eigenen wissenschaftlichenAussagen (und die von KollegInnen) erhebt, aber sichsonst in seiner Tätigkeit und im Rest seines Lebensder Wahrheit überhaupt nicht verpflichtet fühlt; aberdies wird wohl eher die Ausnahme als die Regel sein.Ebenso ist es im Einzelfall vorstellbar, dass ein Wis-senschafter in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ander Erhaltung seines konkreten Untersuchungsgegen-standes (z. B. bestimmten Fundstellen oder Fundgat-tungen) interessiert ist, aber keine Probleme damit hatandere Teile des Untersuchungsgegenstandes seinerWissenschaft (z. B. andere Fundstellen oder andereFundgattungen) der willkürlichen Zerstörung anheimfallen zu lassen oder sogar selbst zu ihrer Zerstörung

beizutragen (z. B. Funde beim Bau seines eigenenHauses heimlich wegbaggern zu lassen); aber auchdas wird eher die Ausnahme als die Regel sein.

Ihre wissenschaftliche Weltanschauung beeinflusstWissenschafterInnen also gewöhnlich auch in allen an-deren Bereichen ihres Lebens, aber insbesondere inBereichen, die ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit sehrnahe stehen oder sogar mehr oder weniger direkt zuihr gehören. So ist es, im Fall des Schutzes archäolo-gischer Funde, auch mit dem archäologischen Denk-malschutz: wenngleich ArchäologInnen den archäolo-gischen Denkmalschutz und die archäologische Denk-malpflege nicht notwendigerweise als Kernbereich ih-rer Tätigkeit sehen oder teilweise sogar als diese bes-tenfalls randlich betreffende „Hilfstätigkeit“ (eben umden Untersuchungsgegenstand der Archäologie vorZerstörung zu schützen), so werden ihre wissen-schaftlichen Weltanschauungen dennoch ihre Vorstel-lungen davon, wie archäologischer Denkmalschutz ambesten zu gewährleisten sei, beeinflussen. Darauf wirdweiter unten noch genauer einzugehen sein.

DENKMALSCHUTZ ALS DIENSTLEISTUNG

Der Denkmalschutz ist nicht nur keine Wissen-schaft,14 er ist auch im Gegensatz zur Wissenschaftkeine Weltanschauung, sondern vielmehr eine Dienst-leistung, und zwar primär eine Dienstleistung für dieÖffentlichkeit und erst sehr sekundär für die histori-schen Wissenschaften, darunter auch die Archäologie.Auch der Denkmalschutz geht natürlich von gewissenGrundprämissen aus, diese sind aber keineswegs diegleichen wie die, von denen die Archäologie als Wis-senschaft ausgeht. So hat der Denkmalschutz, we-nigstens per se und primär, keinen Erkenntniszweckund damit auch, wenigstens nicht direkt, keine er-

fühlen sich jedenfalls in ihrer Tätigkeit ihrem jeweiligen subjekti-ven Wahrheits- oder Wirklichkeitsbegriff verpflichtet.

14 Zwar gibt es selbstverständlich auch eine Wissenschaft, die Denk-male sowie den Denkmalschutz und die Denkmalpflege als Un-tersuchungsgegenstand hat – auf Englisch heißt diese WissenschaftHeritage Studies, einen echten deutschen Begriff dafür gibt es mei-nes Wissens noch nicht – aber diese ist nicht das Gleiche wie derDenkmalschutz und die Denkmalpflege, ebensowenig wie der Na-turschutz das Gleiche ist wie die Biologie oder eine beliebige an-dere Naturwissenschaft.

15 So zum Beispiel die zur Erhaltung und sachgemäßen Konservie-rung von Denkmalen – Verpflichtungen, die mit archäologisch-wissenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber ihrem wissen-schaftlichen Untersuchungsgegenstand in direktem Widerspruchstehen können; so beispielsweise wenn es aus archäologisch-wis-senschaftlichen Verpflichtungen aus dem archäologischen Unter-suchungsgegenstand wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnennotwendig wird (bzw. würde) ein als Denkmal bestimmtes Objektmittels zerstörender Methoden zu untersuchen.

16 Darunter nicht zuletzt die Verpflichtung der Öffentlichkeit Infor-mationen zu Denkmalen zur Verfügung zu stellen; aber auch –und im Kontext dieses Artikels sogar wichtiger als die öffentlicheBereitstellung von Informationen – die Verpflichtung des Denk-malschutzes gegenüber der Öffentlichkeit nicht unverhältnismäßig

und ineffizient in Eigentumsverhältnisse einzugreifen, wenn dasZiel des Denkmalschutzes auch mit anderen, weniger stark in Ei-gentumsverhältnisse eingreifenden, Lösungen ebenso gut oder so-gar noch besser erreicht werden könnte.

17 Dies nicht zuletzt deshalb, weil das denkmalschützerisch notwen-dige Eingreifen in Eigentumsverhältnisse in letzter Konsequenz aufdem an der Erhaltung von Denkmalen gegebenen Interesse derAllgemeinheit beruht. Die Voraussetzung dafür, dass tatsächlichauch berechtigt denkmalschützerisch in Eigentumsverhältnisse ein-gegriffen werden darf, ist daher, dass auch tatsächlich ein solchesInteresse der Allgemeinheit an der Erhaltung von Denkmalen be-steht; entfällt dieses Interesse (wenn sich die Allgemeinheit aus ir-gendwelchen Gründen dazu entschließt, dass alle oder bestimmteDenkmale nicht erhalten zu werden brauchen), ist die Erhaltungvon Denkmalen kein höheres Ziel mehr und die Berechtigung jed-weder denkmalschützerischer Maßnahmen – wenigstens durch Ge-setze und staatliches Handeln – nicht mehr gegeben (moralischgesehen sogar selbst dann nicht mehr, wenn die Gesetze, dassDenkmale zu erhalten sind, noch nicht aufgehoben sein sollten;rechtlich spätestens mit deren Aufhebung auf dem dafür gesetz-lich vorgesehenen Weg). Unter diesen Voraussetzungen ist es selbst-verständlich gleichgültig, ob eine kleine „Elite“ denkmalschütze-risch interessierter WissenschafterInnen oder sonstiger antiqua-risch interessierter Personen der Ansicht ist, dass es aus „Achtung

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kenntnistheoretischen Grundprämissen, von denen erausgehen muss, sondern maximal einen Dokumenta-tionszweck. Neuerlich grob vereinfachend und zu-sammenfassend gehören zu den Grundprämissen desDenkmalschutzes und der Denkmalpflege vermitt-lungstechnische und -theoretische Annahmen, Ver-pflichtungen bezüglich des Schutzgegenstandes,15 Ver-pflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit16 sowie dieTatsache, dass für den Denkmalschutz nicht die Fach-meinung unter WissenschafterInnen, sondern vielmehrdie öffentliche Meinung den relevanten Referenzrah-men darstellt.17

Diese anderen Grundprämissen führen notwendi-gerweise zu anderen Erfordernissen als jene, die sichaus den Grundprämissen und der damit verbundenenWeltanschauung der archäologischen Wissenschaft er-geben, in so mancher Hinsicht stehen sie sogar mitdiesen im Widerspruch. So ist es zum Beispiel aus Sichtder archäologischen Wissenschaft, wenigstens unter ih-ren derzeitigen erkenntnistheoretischen Annahmen imdeutschen Sprachraum, wissenschaftlich vollkommenunmöglich, bedeutendere von weniger bedeutendenarchäologischen Funden zu unterscheiden: jeder ar-chäologische Fund ist einzigartig und damit eine Quellevon allumfassender Bedeutung. Dem entgegen stehtdie vermittlungstechnische und -theoretische denk-malschützerische Notwendigkeit zwischen bedeuten-den – und damit zu erhaltenden – „besonderen“ ar-chäologischen Denkmalen und weniger bedeutenden– und daher nicht notwendigerweise zu erhaltenden –„normalen“ archäologischen Funden zu unterscheiden.

Trotz Entscheidungen der Höchstgerichte, dass dergesetzliche Denkmalbegriff in Österreich nicht dasMerkmal des Wachhaltens eines Gedenkens oder vonErinnerungen enthält, dass der Denkmalschutz im Ge-gensatz zum Ortsbildschutz die Erhaltung von Ge-genständen in ihrer Substanz um ihres besonderen,eigenen Wertes willen und nicht bloß in ihrer äuße-ren Erscheinung zum Inhalt hat und dass sich die Be-deutung eines Denkmals, deretwegen es unter Schutzgestellt wird, aus der in der Fachwelt vorherrschen-den Wertschätzung ergibt und ebendiese Bedeutungnicht für jedermann erkennbar sein muss,18 bleibt letzt-

endlich im Kern die Tatsache erhalten, dass eigentlichnur das bereits Bekannte, oder wenigstens das, überdas bereits ausreichend viel, wenn auch vielleicht nochnicht alles, bekannt ist, geschützt wird – und damitwird letztendlich doch auf das Wachhalten von Erin-nerungen abgestellt.

Die Erhaltung der Substanz von Denkmalen umdes dieser angeblich innewohnenden, besonderen, ei-genen Wertes willen bedingt selbstverständlich, dassdieser besondere, eigene Wert bereits – wenigstensmit ausreichend hoher wissenschaftlicher Wahr-scheinlichkeit19 – bestimmbar ist, was wiederum vo-raussetzt, dass bereits ausreichend viele Daten überden Untersuchungsgegenstand vorliegen um diesenWert auch einigermaßen verlässlich bestimmen zukönnen. Dies geht auch ganz explizit in Bezug auf ar-chäologische Bodendenkmale aus § 1 Abs. 5 DMSGhervor, der bezüglich noch nicht ausreichend er-forschter Denkmale das Bestehen eines wissen-schaftlichen Erkenntnisstandes, der das Vorliegen derfür eine Unterschutzstellung notwendigen Fakten we-nigstens wahrscheinlich macht, zur Voraussetzung fürdie Feststellung des Bestehens des öffentlichen Inte-resses an der Erhaltung dieses Denkmals erklärt. Da-mit dient jedoch auch der „Dokumentationswert“ ei-nes Denkmals, dessentwegen seine Substanz über-haupt erhalten zu werden braucht, letztlich primärnicht der wissenschaftlichen Dokumentation, sondernprimär der Erhaltung einer geschichtlichen Erinne-rung, wenngleich vielleicht auch einer nur Wissen-schaftern bekannten Erinnerung.20

Diese Erhaltung (der bereits bekannten Informa-tionen durch Erhaltung der Substanz solcher Erinne-rungsobjekte) ist aber, wie weiter unten noch gezeigtwerden wird, wissenschaftlich gesehen eigentlich garnicht notwendig.

WIDERSPRUCH ARCHÄOLOGIE –DENKMALSCHUTZ ZUM SCHADEN DES ZIELS

Teilweise wurde schon darauf hingewiesen, dassWidersprüche zwischen archäologisch-wissenschaftli-chen und denkmalschützerischen Notwendigkeiten be-

vor der historischen Existenz als solcher“ (Dehio zit. Anm. 3, S. 267f.)notwendig ist Denkmale zu schützen – in einer modernen plura-listischen Gesellschaft ist die Meinung einer solchen (meist hoch-gebildeten) „Elite“ unmaßgeblich; die Meinung dieser „Elite“ kon-stituiert nicht per se ein Interesse der Allgemeinheit bzw. ein öf-fentliches Interesse an der Erhaltung von Denkmalen!

18 Christoph Bazil/Reinhard Binder-Krieglstein/Nikolaus Kraft, Dasösterreichische Denkmalschutzrecht, Wien 2004, S. 37 f.

19 Siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 23 f. zur logischen Unhaltbarkeit derVorstellung, dass wissenschaftlich die Wahrscheinlichkeit der Rich-tigkeit einer Theorie – und die Bestimmung der (mutmaßlichen)Bedeutung eines Untersuchungsgegenstandes stellt notwendiger-weise stets nicht mehr als eine Theorie dar, vor allem solange nochnicht alle Informationen über den betreffenden Untersuchungs-gegenstand bekannt sind – konkret bestimmt werden kann.

20 Vgl. dazu auch die in Bazil et al. (zit. Anm. 18), S. 39 zitierten Re-gierungsvorlagen und Entscheidungen der Höchstgerichte, z. B.bezüglich der Hausdurchfahrt, die die frühere Stelle eines Stadt-tores kennzeichnet, oder bezüglich der Geburts- und Sterbehäu-ser berühmter Persönlichkeiten, selbst wenn diese dort nur kurzeZeit verbracht haben und sich das Aussehen des Gebäudes zwi-schenzeitig verändert hat – derartige Denkmale dienen ganz of-fensichtlich nicht der wissenschaftlichen Dokumentation, die an-ders viel besser erfolgen könnte und auch erfolgt, oder eines derSubstanz innewohnenden besonderen Werts, sondern dienen aus-schließlich der Erinnerung; eben daran, dass sich an einer be-stimmten Stelle früher ein Stadttor befand oder eine berühmtePersönlichkeit an einem bestimmten Ort geboren wurde oder ge-storben ist.

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stehen. Diese führen auch, wie oben postuliert, zuNachteilen für den Versuch, das eigentliche Ziel desSchutzes archäologischer Funde zu erreichen, die mög-lichst vollständige Erhaltung der geistigen Werte, diedie Menschheit hervorgebracht hat.21 Dies geschiehtmeiner Meinung nach in erster Linie deshalb, weil diein Österreich tätigen archäologischen Denkmalpfle-gerInnen nicht in erster Linie als DenkmalpflegerIn-nen, sondern als archäologische WissenschafterInnenausgebildet wurden, sich selbst auch (durchaus be-rechtigt) als archäologische WissenschafterInnen be-trachten und damit weltanschauliche Vorstellungen ausder archäologischen Wissenschaft der effizienten Um-setzung denkmalschützerischer Ziele im Weg stehen.

Das äußert sich unter anderem darin, dass in denvergangenen Jahrzehnten die Kontrolle der Fachge-meinschaft und auch die Kommunikation mit eben-dieser als weit bedeutender erachtet worden zu seinscheint als z. B. die Öffentlichkeitsarbeit – schlicht undeinfach deshalb, weil für archäologische Wissenschaf-terInnen die Fachgemeinschaft und nicht die Öffent-lichkeit der relevante Referenzrahmen für ihre Tätig-keit ist – und daher verabsäumt wurde dafür zu sor-gen, dass erreicht wird, was schon Dehio22 klar als not-wendig gesehen hat: „Einen ganz wirksamen Schutzwird nur das Volk selbst ausüben...“.23 Aber es äußertsich auch in der unseligen Objektfixierung im ar-chäologischen Denkmalschutz (und nicht nur in die-sem), die aus der wissenschaftlichen Weltanschauungentspringt. Schon Dehio24 hat kritisch angemerkt, dassdas herrschende Recht seiner Zeit Denkmale nur alskörperliche Wesen erachte, obgleich es allgemeineÜberzeugung sei, dass das wahre Wesen der Denk-male ein geistiges sei.

Dass es hier seit seiner Zeit keine nennenswerteVerbesserung gegeben hat, liegt meiner Meinung nach,vor allem im Bereich des Schutzes archäologischerFunde, in erster Linie an ebendieser wissenschaftlich-weltanschaulichen Objektfixierung. Diese müssen wirdaher nun etwas genauer betrachten.

Die deutschsprachige Archäologie als WissenschaftWie ich bereits an anderem Ort im Detail ausge-

führt habe, ist die deutschsprachige Archäologie ganzextrem durch eine bestimmte erkenntnistheoretischeStrömung geprägt, durch den logischen Positivismus.25

Es ist an diesem Ort nicht meine Absicht diese Er-kenntnistheorie zu kritisieren, sondern nur einige hierrelevante logische Konsequenzen, die sich aus ihr er-geben, darzustellen, obwohl ich hier auch vorausschi-cke, dass ich sie für nicht wirklich zur Erreichung un-serer wissenschaftlichen Ziele geeignet erachte undeine andere Ausrichtung bevorzugen würde. Aber obsie nun (wissenschaftlich oder sonstwie) geeignet istoder nicht, ist hier gleichgültig, was relevant ist, ist,dass sie in der deutschsprachigen Archäologie nahezuallumfassend ist.26

Kennzeichnend für den logischen Positivismus istdas Beharren auf dem so genannten „Primat der Da-ten“: Daten sind die Grundlage jedes positivistischenArguments, ja das Um und Auf des positivistischenDenkens. Daten werden gemäß der positivistischenErkenntnislehre durch Sinneswahrnehmungen ge-wonnen, Daten sind also Beobachtungen. Dargestelltwerden solche Beobachtungen durch so genannte Be-obachtungssätze, d. h. Beschreibungen des Beobach-teten. Es wird im logischen Positivismus, wenigstensin seiner reinen Form, die in der deutschsprachigenArchäologie immer noch dominant ist, angenommen,dass derartige Beschreibungen notwendigerweise wahrsind. Die positivistische Methode des Erkenntnisge-winns ist der induktive logische Schluss, also derSchluss aus dem Einzelfall auf die Allgemeinheit. Durchinduktive Schlüsse werden einzelne Beschreibungen,z. B. die Beschreibungen B1-Bn „Dieser Schwan istweiß“, synthetisch zu allgemeinen Aussagen zusam-mengeführt, z. B. zur Aussage A „Alle Schwäne sindweiß“. Die allgemeinen Aussagen A1-An charakterisie-ren dann, so wird vom logischen Positivismus ange-nommen, die essentiellen Eigenschaften der durch siebeschriebenen Klasse von Sachen, z. B. eben die Ei-genschaft „weiß sein“ für die Klasse „Schwäne“. Da-durch, dass sich derartige Aussagen A1-An aus als wahrangenommenen Einzelbeobachtungen zusammenset-zen, werden sie durch die Summe der Einzelbeob-achtungen ebenfalls als wahr bewiesen angenommen,d. h. jede beliebige Beschreibung Bx aus B1-Bn ist einpositiver Beweis dafür, dass Aussage A auch positivals wahr bestätigt ist.27

Daraus ergeben sich für eine positivistische Ar-chäologie logisch zwingend notwendige Folgen. Die

21 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.22 Dehio (zit. Anm. 3), S. 273 f.23 Dehio (zit. Anm. 3), S. 273.24 Dehio (zit. Anm. 3), S. 268.25 Karl (zit. Anm. 9).26 Siehe Rainer Atzbach, Vom Nutzen und Nachteil der Archäologie –

Ein Aufruf zur Theoriediskussion, Archäologisches Nachrichten-blatt 3, 1998, S. 3.

27 Siehe. Karl (zit. Anm. 9), S. 18 f..28 Karl (zit. Anm. 9), S. 65 ff.29 So zuletzt wieder Martin Trachsel, Ur- und Frühgeschichte. Quel-

len, Methoden, Ziele, Zürich 2008, S. 97.

30 Siehe dazu auch schon die Bemerkungen von Dehio (zit. Anm. 3),S. 270.

31 Siehe Raimund Karl, Archäologischer Denkmalschutz in Öster-reich – Praxis, Probleme, Lösungsvorschläge [in Vorbereitung].

32 Ob sich der automatische Schutz auch auf unbewegliche Boden-funde im in diesem Artikel gebrauchten Sinn, d. h. z. B. auch aufStratifikationen im Boden, ausdehnt bzw. ausdehnen ließe, ist nichtvöllig eindeutig: implizit geht aus dem Text hervor, dass der Ge-setzgeber wohl in erster Linie bewegliche Bodenfunde im Sinnhatte, als der entsprechende Paragraf formuliert wurde, denn gem.§ 9 Abs. 1 DMSG ist die Fundstelle bis längstens zum Ablauf vonfünf Tagen unverändert zu belassen, während gem. § 9 Abs 3 die

erste davon ist die Notwendigkeit der Vollständigkeitder Daten: nur wenn gesichert ist, dass alle Daten auchtatsächlich wahrgenommen wurden, also die Beob-achtungen vollständig gemacht wurden, und auch tat-sächlich in den induktiven Schluss eingeflossen sind,kann der induktive Schluss auch tatsächlich einen po-sitiven Beweis erbringen, dass die aus der Induktionresultierende Aussage auch tatsächlich wahr ist. Denn,wenn nicht alle möglichen Schwäne beobachtet wur-den, wie kann man sicher sein, dass es nicht auch z.B. schwarze Schwäne gibt? Solange man das nicht aus-schließen kann, kann man keine Wahrheit erkennenund erreicht das Ziel der positivistischen Wissenschaftnicht – daher ist die Vollständigkeit der Daten un-umgänglich notwendig.28

Nun sind wir uns jedoch alle bewusst, dass wir denBeobachtungen anderer Personen, selbst anderer Wis-senschafter, nicht immer vertrauen können. Als Lö-sung für dieses Problem wird daher gewöhnlich inder deutschsprachigen Ur- und Frühgeschichte vorge-schlagen zu den Originalquellen zurückzukehren29 umdiese selbst beobachten und somit entscheiden zukönnen, ob Beobachtungen anderer bezüglich dieserObjekte wahr sind oder nicht. Daraus folgt zwingend,dass die Originalquellen, d. h. die archäologischenFunde, die die Basis unserer Beobachtungen sind, dau-erhaft zugänglich erhalten bleiben müssen.

Akzeptiert man diese erkenntnistheoretischen Vo-raussetzungen und ihre logisch notwendig folgendenKonsequenzen, ergibt sich ein archäologisch-denk-malschützerisches Problem, denn in diesem Fall mussder archäologische Denkmalschutz dafür sorgen, dassalle Funde tatsächlich als Originalobjekte erhalten blei-ben. Bis in die letzte Konsequenz durchgedacht machtdas die vollständige Enteignung von Privatpersonennotwendig, denn nur durch die vollständige Enteig-nung ist die Erhaltung (samt adäquater konservatori-scher Verwahrung und dauerhafter Zugänglichkeit)der Originalobjekte soweit als möglich sicherzustellen.Italien hat diesen Weg zum Beispiel mit beweglichenFunden beschritten, obwohl in letzter Konsequenz na-türlich auch die Enteignung von Grundbesitzern vonGrundstücken, auf denen archäologische Befunde an-zutreffen sind, notwendig wäre,30 von der Unmög-lichkeit Ausgrabungen (= Zerstörungen) zu akzeptie-ren einmal ganz abgesehen.

Österreich ist bekanntermaßen nicht annähernd soweit gegangen wie Italien, obgleich es in den letztenJahrzehnten Versuche des BDA gegeben hat, diesen Zu-stand, wenigstens was bewegliche Funde betrifft, durchdiverse, wenigstens teilweise fragwürdige, Hintertürenso weit als möglich zu erreichen.31 Dennoch ist auchin Österreich dieses Konzept wenigstens bis zu einemgewissen Grad ins Denkmalschutzgesetz eingeflossen:der in § 9 DMSG angelegte automatische gesetzlicheSchutz aller (beweglichen) Bodenfunde32 samt der Ver-pflichtung für Eigentümer, diese auf bis zu zwei Jahredem BDA zur wissenschaftlichen Untersuchung zur Ver-fügung zu stellen dient zweifellos demselben Zweck,auch wenn die „Enteignung“ des eigentlichen Eigen-tümers nur eine zeitlich eng begrenzte, temporäre Maß-nahme darstellt. Das ist ganz offenkundig eine Kom-promisslösung, durch die wenigstens die wissen-schaftliche Untersuchung, d. h. die wissenschaftlicheBeobachtung der Originalobjekte, ermöglicht werdensoll, ohne den eigentlichen (rechtlichen) Eigentümerder Funde vollständig enteignen zu müssen.

Es kommt allerdings noch ein zusätzliches Problemhinzu. Man kann klarerweise gerade in der Archäolo-gie ohnehin nicht immer alle Originalquellen auch tat-sächlich erhalten: die archäologische Ausgrabung, im-mer noch unsere primäre Methode des Datengewinns,ist eine invasive Untersuchungsmethode und zerstörtdaher den Gegenstand, den sie untersucht; wenigs-tens zu guten Teilen – die Befunde, wenn auch nicht(notwendigerweise) die beweglichen Fundgegen-stände, werden so gut wie immer durch die Ausgra-bung unwiederbringlich zerstört. Dies führt zum zwei-ten Grundproblem bzw. der zweiten Grundvorausset-zung der positivistischen Weltanschauung in Hinblickauf wissenschaftliche Erkenntnis: die Notwendigkeitder Fehlerlosigkeit des Beobachters.33 Nur wenn mansich darauf verlassen kann, dass alle für den indukti-ven Schluss verwendeten Beobachtungen auch tat-sächlich wahre Beschreibungen sind, d. h. der Beob-achter beim Beobachten und der nachfolgenden be-schreibenden Dokumentation seiner Beobachtungenkeinen Fehler begangen hat, kann mittels eines in-duktiven Schlusses mit Sicherheit eine wahre Aussageerstellt werden. Denn nur wenn die Daten richtig be-obachtet und ihre essentiellen Eigenschaften richtigerkannt wurden, ist der induktive Schluss und damit

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 257

aufgefundenen Bodendenkmale längstens auf die Dauer von 6Wochen automatisch unter Denkmalschutz stehen und gegebe-nenfalls gem. § 9 Abs 4 dem BDA auf Verlangen bis längstens 2Jahre zur wissenschaftlichen Untersuchung zu überlassen sind.Würde sich der automatische Schutz also auch auf z. B. durchmenschliche Aktivitäten veränderte oder erzeugte Bodenschichtenbeziehen, stünden § 9 Abs. 1 und 3 wenigstens bis zu einem ge-wissen Grad im Widerspruch zueinander (wenigstens wenn mandavon ausgeht, dass in der Praxis eine Veränderung der Fundstellevon z. B. Bodenschichten normalerweise notwendigerweise auch

die Veränderung dieser Bodenschichten selbst nach sich ziehenwird). In diesem Sinn etwa auch der Kommentar zum Gesetz sieheBazil et al. (zit. Anm. 18), S. 90. Streng archäologisch-wissenschaftlichgesprochen stellt allerdings selbstverständlich auch z. B. die durchmenschliches Handeln veränderte oder geschaffene Bodenschichteinen Bodenfund dar und stünde daher ebenfalls gem. § 9 Abs 3auf die Dauer von höchstens 6 Wochen automatisch unter Denk-malschutz bzw. sollte das tun!

33 Siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 74 ff.

die sich aus ihm ergebende Aussage auch tatsächlichlogisch notwendigerweise wahr34.

Daraus ergibt sich, neuerlich wenn man die positi-vistische archäologische Weltanschauung akzeptiert,ein weiteres archäologisch-denkmalschützerisches Pro-blem: wie kann man sicherstellen, dass alle Daten(möglichst) korrekt aufgezeichnet werden? Der Lö-sungsweg für dieses Problem wird schon durch den§ 9 Abs 4 DMSG sinngemäß vorgezeichnet: wenn schondie dauerhafte Erhaltung des originalen Objekts nichtmöglich ist, so ist wenigstens dafür zu sorgen, dassdie (nur zeitlich begrenzt oder im Fall der Grabungsogar nur einmal mögliche) Untersuchung aus-schließlich nur durch kompetente Personen erfolgendarf. Im Fall der archäologischen Ausgrabung wird da-her in § 11 Abs. 1 DMSG die Erteilung der Gra-bungsgenehmigung an die durch den Abschluss eineseinschlägigen Studiums nachzuweisende fachwissen-schaftliche Qualifikation gebunden: schließlich kannman, der Logik des Positivismus folgend, davon aus-gehen, dass – wenn überhaupt – nur fachlich ein-schlägig gebildete WissenschafterInnen dazu fähig seinwerden Daten möglichst fehlerlos zu beobachten undzu beschreiben.35

Daraus folgt auch die zunehmende Verschärfungder entsprechenden Bestimmungen in den letzten bei-den Novellen des Denkmalschutzgesetzes – bis zurNovelle 1990 war zwar die Zustimmung des BDA zueinem Grabungsvorhaben notwendig, diese konnte je-doch jeder beliebigen Person, also auch Laien, erteiltwerden. Erst in der Novelle BGBl. 473/1990 wurde dasRecht eine Grabung bewilligt zu bekommen auf Per-sonen mit Abschluss eines einschlägigen Universitäts-studiums oder solche die vor einer Kommission eineandere einschlägige Ausbildung nachweisen konnten,36

erst in Novelle BGBl. I 170/1999 schließlich aus-schließlich auf Personen mit Abschluss eines ein-schlägigen Universitätsstudiums eingeschränkt.

Statt einer zunehmenden Einbindung der Öffent-lichkeit in den archäologischen Denkmalschutz imSinne Dehios37 kam es also auf Grund des Einflussesder archäologisch-wissenschaftlichen Weltanschauungauf den Denkmalschutz, oder vielleicht noch treffen-der gesagt auf Grund wissenschaftlicher Standesdün-kel, zu einem zunehmenden Ausschluss der Öffent-lichkeit aus dem archäologisch-denkmalschützerischenProzess. Dem als natürlichen Feind der archäologi-schen Denkmalpflege betrachteten, als a priori in-kompetent und nicht lernfähig angesehenen, „ge-wöhnlichen“ Staatsbürger wurde und wird amtlich vonoben herab „angeschafft“, was er zum höheren Wohlder Allgemeinheit, gleichzusetzen mit den Wünscheneiner kleinen und zunehmend kleiner werdendenselbstdefinierten wissenschaftlichen Elite, zu tun undzu lassen hat.

Schlimmer noch, ob all des Glaubens, dass nur wirentsprechend Hochgebildeten wissen, was gut für dieAllgemeinheit ist, und all des Glaubens, dass wir schonwissen, wie es „richtig“ gemacht wird,38 haben wir so-gar vergessen, was das ist, was wirklich wissenschaft-lich notwendig ist.

WISSENSCHAFTLICH ERFORDERLICHER SCHUTZ

Wissenschaftlich gesehen sind bereits bekannte Da-ten eigentlich nicht besonders schützenswert. Das be-deutet natürlich nicht, dass sie nicht für den wissen-schaftlichen Betrieb gebraucht würden und daher aucherhalten werden müssen: die Schaffung neuen Wis-sens beruht schließlich immer wenigstens bis zu ei-nem gewissen Grad auf bereits vorliegendem Wissen.Abgesehen von gelegentlichen (und extrem seltenen)kreativen, weitgehend vorwissensfreien, Neuschöp-fungen kann man neues Wissen fast ausschließlich nurdadurch schaffen, dass man sich auf bekannte Datenbezieht und neue mit bereits bekannten Daten in ei-nen sinnvollen Zusammenhang setzt.

Aber bei bereits bekannten Daten kann weitgehenddavon ausgegangen werden, dass die in ihnen ent-haltenen Informationen ohnehin durch bereits erfolgtePublikation oder entsprechende Archivierung erhal-ten werden. Das ist natürlich auch bis zu einem ge-wissen Grad nur eine Idealvorstellung – natürlich kön-nen auch bereits bekannte Daten, sei es durch nichtentsprechende Publikation oder Archivierung, sei esdadurch, dass sie trotz Publikation oder Archivierungvergessen werden,39 verloren gehen. Dennoch, dieMehrheit dieser bekannten Daten ist gewöhnlich durchPublikation oder entsprechende Archivierung ausrei-chend gut geschützt.

Mehr noch, bereits bekannte Daten sind, gerade un-ter einer positivistischen Sichtweise, wissenschaftlichgesehen eigentlich weitgehend uninteressant, denndiese sind bereits beschrieben und die (korrekte) Be-schreibung ist bereits ein positiver wissenschaftlicher

258 Raimund Karl

34 Siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 18 f.35 Karl (zit. Anm. 9), S. 120 ff.36 Diese Kommission ist soweit ich weiß kein einziges Mal zusam-

mengetreten.37 Dehio (zit. Anm. 3), S. 273 f.38 Raimund Karl, Wissenschaftstheorie als Ursache von Hierarchie-

bildung in der deutschsprachigen Archäologie, Archäologische In-formationen Bd. 32 [in Vorbereitung].

39 So zum Beispiel Funde, die sich zwar im Depot irgendeines Mu-seums befinden und auch in dessen Bestandskartei verzettelt sind,die aber niemals irgendjemand aushebt und die deshalb de facto„verloren“ sind (auch wenn sie in der Theorie noch physisch vor-handen sind); oder auch Arbeiten, die in mehr oder minder obs-kuren Publikationsorganen vor vielen Jahren veröffentlicht wur-den und die zwar noch physisch in der einen oder anderen Bi-bliothek präsent sind, aber schon lange selbst unter Spezialistendem Vergessen anheim gefallen sind.

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 259

Beweis, nicht ein bloßes Vorliegen von Daten. Nach-dem unser Forschungsziel letztlich die Vergrößerungdes bereits vorliegenden Wissens und eigentlich nicht(bloß) die Konservierung des bereits Bekannten ist,ist das, was bereits bekannt ist, wissenschaftlich ei-gentlich bereits abgehakt. Die (positivistisch bedingte)Insistenz darauf, die Originalquellen so weit als mög-lich zu erhalten, also z. B. alle archäologischen Fundein wissenschaftlich zugänglicher Weise für alle Zukunftzu archivieren, zielt letztendlich auch gar nicht auf dieErhaltung bereits bekannten Wissens ab.

Das zeigt sich auch deutlich an den üblicherweisefür die Erhaltung der Originalquellen vorgebrachten Ar-gumenten: diese seien zu erhalten um sie für zukünf-tige Untersuchungen mit neuen, besseren Methoden,die zusätzliche oder verlässlichere Erkenntnisse er-bringen könnten, zur Verfügung zu haben; und um sieneuerlich einsehen zu können, wenn sich der Verdachtergibt, dass das angeblich bereits über sie bekannteWissen vielleicht doch nicht auf richtigen Beobach-tungen beruht hat, sondern frühere Beobachter feh-lerhaft agierten und daher eigentlich noch gar kein be-kanntes Wissen über sie vorliegt, sondern nur irrtüm-lich geglaubt wurde, dass wir sie schon richtig erkanntund beschrieben hätten. Beide Gründe zielen also letzt-endlich darauf ab in den Originalquellen (noch) vor-handenes, (noch) nicht (richtig) bekanntes, Wissen zuerhalten, nicht das aus ihnen bereits erschlossene, be-reits richtig erkannte, bereits bekannte Wissen.

Hinzu kommt in der Archäologie das zusätzlicheProblem, dass zahlreiche Originalquellen ohnehin nichterhalten werden können, weil sie (insbesondere beider Ausgrabung) durch die zu ihrer Beobachtung not-wendigen invasiven Untersuchungsmethoden teilweiseoder vollständig unwiederbringlich zerstört werden.Eine bereits ausgegrabene archäologische Fundstellebraucht nicht mehr erhalten zu werden, wenigstensnicht mehr jene Teile, die bereits ausgegraben wur-den, denn die danach über sie bereits bekannten Da-ten liegen bereits und nur mehr in anderer Form (näm-lich in Form ihrer wissenschaftlichen Beschreibung)vor und die über sie noch nicht bekannten Daten sindunwiederbringlich verloren (nachdem sie bei der Ge-winnung der nun über sie bekannten Daten zerstörtwurden). Die Erhaltung der bereits erforschten (Teileeiner) Fundstelle erfolgt also durch ihre wissen-schaftliche Beschreibung (und gegebenenfalls derenArchivierung und/oder Publikation), nicht durch ihrephysische Erhaltung.

Anders und kurz zusammengefasst gesagt sind be-reits erforschte Objekte keine wesentlichen Informa-tionsträger mehr (bzw. nur noch hinsichtlich jener In-formationen, die noch nicht aus diesen Objekten aus-gelesen wurden).

Im Gegensatz dazu sind noch unbekannte Infor-mationen wissenschaftlich unbedingt schützenswert.

Insbesondere von einem positivistischen Standpunktaus sind noch unbekannte, also noch nicht beobach-tete, Daten fehlende Variablen in einer Gleichung, dieum eine sichere Lösung für das Problem zu findennoch eingesetzt werden müssen. Geht irgendeine sol-che Information, im schlimmsten Fall sogar unwie-derbringlich, verloren, ist die Gleichung nicht mehr si-cher lösbar und damit unabschätzbar großer „wis-senschaftlicher Sachschaden“ angerichtet. Nachdem diedem Positivismus zu Grunde liegende induktive Lo-gik es eben notwenig macht, dass alle (theoretisch)beobachtbaren Daten auch tatsächlich beobachtet wer-den, ehe ein sicherer wissenschaftlicher Schluss ausihnen möglich ist, sind also die noch unbekanntenDaten unbedingt schützenswert und zwar alle in exaktgleichem Ausmaß: jede noch unbekannte Informationist unumgänglich notwendig um wenigstens irgend-eine wissenschaftliche Frage lösen zu können (derenBedeutung sich nicht vor ihrer Lösung abschätzenlässt), daher ist auch jede noch unbekannte Informa-tion unverzichtbar und daher absolut zu schützen und(wenigstens bis sie dokumentiert wurde) unbedingtungestört und unverändert zu erhalten.

Wissenschaftlich betrachtet (und zwar nicht nur ausdem Blickwinkel einer positivistischen Wissenschaft,aber aus diesem ganz besonders) ist die Vermeidungdes Verlustes noch unbekannter Informationen alsoganz essentiell und von ungeheurer Wichtigkeit. ImBereich der Archäologie bedeutet das, dass ungefähr-dete Objekte unbedingt auch physisch erhalten wer-den müssen, und sei es nur, weil auf Grund der zuerwartenden stetigen Methodenverbesserung morgenmehr, genauere, sicherere Informationen aus dem be-treffenden Objekt gewonnen werden können. Darausfolgt die archäologische Präferenz für die Erhaltungin situ von möglichst allen archäologisch relevantenObjekten, wenigstens von allen, die irgendwie in situerhalten werden können.

Nur wo diese Erhaltung in situ unmöglich ist, dasbedeutet wo archäologische Objekte gefährdet sind,ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass diese vor ih-rer allfälligen Zerstörung auch tatsächlich korrekt be-obachtet werden und somit unbekannte Informatio-nen vor ihrer Vernichtung in bekannte Daten umge-wandelt werden. Dabei ist unter Gefährdung selbst-verständlich auch nicht bloß die Gefährdung durchmoderne Baumaßnahmen zu verstehen, sondernselbstverständlich auch durch natürliche Erosion undnicht auch zuletzt auch durch die archäologische Aus-grabung. Daher ist es archäologisch gesprochen un-umgänglich, dass keine Baumaßnahme ohne entspre-chende archäologische Vorarbeiten durchgeführt undkeine archäologische Ausgrabung von nicht dafür qua-lifiziertem Personal vorgenommen wird.

Anders und kurz zusammengefasst gesagt sind alsonur unerforschte, oder noch nicht ausreichend voll-

260 Raimund Karl

ständig erforschte, Objekte wissenschaftlich essentielleInformationsträger. Als solche sind sie natürlich auswissenschaftlichem Blickwinkel das eigentliche Zieljedweder Schutzmaßnahme: nur was man noch nichtkennt, bedarf des Schutzes, aber eben das bedarf da-für (vor allem aus positivistischen Blickwinkel) desvollständigen Schutzes.

DENKMALE UND KULTURPRODUKTE40

SIND NICHT EIN UND DASSELBE

Denkmale sind für mich in diesem Beitrag nicht imSinne letztendlich romantischer Definitionen41 zu ver-stehen, sondern im eigentlichen Sinn des Wortes einGedenken auslösendes Zeichen, also ein historisch be-deutungsgefülltes Symbol. Ihre Aufgabe, und zwar ihrealleinige und ausschließliche Aufgabe, ist es, die All-gemeinheit an etwas zu erinnern, z. B. an ein histori-sches Ereignis, eine Person, etc.42

Dabei ist unter Denkmal in diesem Sinn selbstver-ständlich nicht nur das geschützte oder auch nur schüt-zenswerte Denkmal zu verstehen, sondern der Begriffist bewusst weiter gefasst. Ein Denkmal im Sinne die-ses Beitrags kann jederzeit von jedem produziert wer-den: so könnte ich z. B. eine Statue von mir selbst inmeinem Vorgarten aufstellen, dies wäre in diesem Sinnebenfalls ein Denkmal, wenngleich sehr fraglich wäre,ob es tatsächlich schützenswert wäre (wenigstens wennes nicht von einem bedeutenden Künstler geschaffenwurde). Aber die Frage, ob ein Denkmal schützens-wert ist, ist erst eine sekundäre Frage, relevant für dieBestimmung eines Gegenstandes als Denkmal ist zu-erst einmal, dass es gewisse Voraussetzungen erfüllt.

Die erste dieser Voraussetzungen dafür, dass einbeliebiger Gegenstand43 als Denkmal dienen bzw. einDenkmal werden kann, ist, dass das Symbol eine ein-deutige äußere Form hat, also als der Gegenstand, deres ist, eindeutig wiedererkennbar ist. Dies kann so-wohl durch die Einzigartigkeit des betreffenden Ge-genstands als auch durch den Kontext, in dem er sichbefindet, erreicht werden. In diesem Sinn ist jedesSymbol, das eine historisch bestimmte und dem Ge-genstand zugeordnete Bedeutung eindeutig vermittelt,auch ein Denkmal, so z. B. auch ein „Notausgang-Sym-bol“, das weltweit universell gleich und auch univer-sell verständlich ist und den Betrachter eben daran er-innert, wo sich der Notausgang befindet bzw. in wel-cher Richtung sich der Fluchtweg befindet (siehe Abb.224). Ein Gegenstand des alltäglichen Lebens, bei-spielsweise ein Kugelschreiber, kann in diesem Sinnhingegen nur dann ein Denkmal sein, wenn er durchseine Lage (z. B. in einer Ausstellung in einem Mu-seum) als solches durch seinen Kontext eindeutig alsDenkmal ausgewiesen wird.

Zweitens muss (wenigstens irgendjemandem) be-kannt sein, woran dieses bestimmte Zeichen bzw. der

bestimmte Gegenstand erinnern soll. Das bedeutetselbstverständlich nicht, dass jeder Mensch wissenmuss, wofür dieses Zeichen steht bzw. woran der Ge-genstand erinnern soll, sondern eventuell kann die-ses Wissen (wenigstens normalerweise) auch nur Spe-zialisten bzw. Experten oder sogar nur Einzelperso-nen präsent und jederzeit bewusst sein. In diesemSinn kann auch ein Eselsohr als Merkzeichen in ei-nem Buch ein Denkmal sein. Aber es ist unumgäng-lich notwendig, dass wenigstens eine gewisse Mengean Informationen dazu vorliegt, eben zumindest dieInformationen, die dem Gegenstand seine Bedeutungverleihen. Diese Informationen können und müssensogar bei Bedarf auch der Allgemeinheit vermitteltwerden. Liegen zu einem Gegenstand keinerlei Infor-mationen vor, kann er im Sinne dieses Beitrags auchkein Denkmal sein, denn ein Gegenstand, über denniemand irgendetwas weiß, kann auch niemanden anirgendetwas (außer an seine eigene Unwissenheit inBezug auf die Bedeutung des konkreten Gegenstan-des) erinnern.

Drittens muss schließlich ein Denkmal in irgendei-ner Weise einen Blickpunkt bilden, d. h. entweder je-mandem (oder sogar der modernen Welt im Allge-meinen) „im Weg stehen“ oder wenigstens irgendwie„auffallen“. Ein Gegenstand, der niemandem auffällt,sei es weil er nicht optisch auffällig oder sonst ir-gendwie provozierend ist, wird im Normalfall bei nie-mandem eine Erinnerung an irgendetwas auslösenund kann daher die Funktion als Denkmal auch nichterfüllen.

Hingegen vollkommen irrelevant für die Frage, obein Gegenstand ein Denkmal ist (oder sein kann), istseine „Echtheit“ und innere Zusammensetzung: Es istvollkommen gleichgültig, ob der Gegenstand, der alsDenkmal dient, wirklich er „echte“ Gegenstand ist, das„Original“, oder nur (man bedenke dazu das Schiffdes Theseus-Paradoxon) eine Kopie (ob vom Originalunterscheidbar oder nicht) oder überhaupt nichts mit

224. Das Notausgang-Symbol erinnert eindeutigdaran, dass sich ein Notausgang an einembestimmten Ort befindet bzw. ein Fluchtweg in

eine bestimmte Richtung führt

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 261

dem „Original“ zu tun hat. Ob der Gegenstand alsDenkmal für etwas dienen kann oder nicht, ist einereine soziale Konvention und hat nichts mit dem Ob-jekt zu tun, das die sozial festgelegte Bedeutung ver-mittelt.44 Es ist daher auch völlig gleichgültig, ob etwaPrinz Eugen so ausgesehen hat, wie durch sein Rei-terstandbild am Wiener Heldenplatz (Abb. 225) sug-geriert wird, oder ob er in Wirklichkeit ganz andersausgesehen hat: relevant ist nur, dass der Betrachtermit der Reiterstatue die Erinnerung an Prinz Eugenassoziiert. Ebenso ist es gleichgültig, ob das Reiter-standbild die Originalstatue ist, die ursprünglich aufdem Podest aufgestellt wurde, oder bloß eine weitspäter angefertigte, gute oder schlechte, originalge-treue oder nicht originalgetreue, Kopie. Würde die Sta-tue in einer geheimen Nacht- und Nebelaktion durcheine äußerlich von der derzeit auf dem Podest ste-henden Statue nicht unterscheidbaren Kunststoff-Ko-pie ersetzt, würde die Kopie die Denkmalsfunktionebenso gut erfüllen wie das Original.45

Echtheit und innere Zusammensetzung eines Ge-genstandes mögen selbstverständlich in der Beurtei-lung der Frage, ob ein Gegenstand ein schützenswertesDenkmal ist, durchaus eine gewisse Rolle spielen, aberwie gesagt, ob ein Denkmal schützenswert ist, ist einesekundäre Frage. Primär wichtig ist, ob das Denkmalseine Erinnerungsfunktion erfüllen kann, für die Echt-heit und innere Zusammensetzung des Gegenstandeseben gleichgültig sind.

Im Unterschied dazu sind für mich Kulturprodukte(oder Kulturgüter) etwas ganz anderes. Unter dem Be-griff Kulturprodukt möchte ich jedes Produkt mensch-lichen Handelns verstehen. Dies entspricht weitgehenddem, was Dehio46 als die geistigen Werte bezeichnet,die die Menschheit hervorbringt. Dies umfasst natür-lich auch die physischen Manifestationen dieser geis-tigen Werte, also die von Menschen hergestellten oderveränderten Gegenstände (inklusive durch menschli-

ches Handeln erzeugte oder veränderte Boden-schichten).

Im Gegensatz zu Denkmalen im oben beschriebe-nen Sinn erfüllen Kulturprodukte keinen einheitlichen,bestimmten Zweck, wie eben den die Menschheit anirgendetwas zu erinnern, sondern Kulturprodukte wur-den und werden für alle möglichen Zwecke (und teil-weise auch völlig zwecklos) hergestellt und benutzt.Kulturprodukte existieren, gleichgültig ob die konkreteHandlung, aus der ein konkretes Produkt resultiert, ir-gendeine Aufgabe oder irgendeinen Zweck erfüllt hatund gleichgültig ob das resultierende Produkt einenZweck oder eine Aufgabe erfüllt hat oder nicht (z. B.ein reines Abfallprodukt ist). Das Kulturprodukt, alsbegriffliche Kategorie verstanden, hat also per se keineAufgabe, erfüllt a priori keinen Zweck.

Dadurch jedoch, dass das Kulturprodukt ein Re-sultat menschlichen Handelns ist, ist es ein histori-scher Informationsträger und somit eine Quelle fürdie wissenschaftliche Forschung. Dies gilt im Prinzipgleichermaßen für jeden beliebigen Gegenstand: meinMobiltelefon ist ebenso ein menschliches Kulturpro-dukt wie eine zweitausend Jahre alte Scherbe. Beidetragen gewisse historische Informationen in sich, diebei entsprechender Untersuchung ausgelesen und fürwissenschaftliche Erkenntnisse in den historischen Wis-senschaften verwendet werden können. In der Ar-chäologie sind natürlich alle archäologischen Fundesolche Informationsträger. Selbstverständlich sind auchDenkmale Kulturprodukte, Denkmale sind also eineUnterkategorie innerhalb der Kategorie der Kultur-produkte.

Damit ein bestimmtes Kulturprodukt als wissen-schaftliche Quelle dienen kann, muss es jedoch ge-wisse Voraussetzungen erfüllen. Erstens ist seine Echt-heit und innere Zusammensetzung von essentiellerWichtigkeit: eine archäologische Stratifikation, die inder Gegenwart erzeugt wurde, kann zum Beispiel

40 In meinem Vortrag in Deutschfeistritz habe ich anstelle des Wor-tes Kulturprodukt das Wort Kulturgut benutzt. Dies hat jedoch,wie sich im Gespräch gezeigt hat, offensichtlich zu Verständnis-problemen geführt, weil der Begriff Kulturgut nicht nur im Denk-malschutzgesetz verwendet wird, sondern damit von den Ge-sprächspartnerInnen in Deutschfeistritz offenkundig auch eine ge-wisse Bedeutung verbunden wurde und wird, die nicht mit dervon mir bevorzugten Bedeutung übereinstimmt. Ich verwende da-her in diesem Beitrag anstelle des bereits inhaltlich belegten unddamit vorbelasteten Begriffs Kulturgut den Begriff Kulturprodukt.Dennoch ist hier auch festzuhalten, dass für mich die beiden Be-griffe Kulturgut und Kulturprodukt letztendlich exakt das Gleichebedeuten und ich eine Unterscheidung auch im Denkmalschutz-gesetz, das meiner Meinung nach ein Kulturgüterschutzgesetz seinsollte, zwischen dem Schutz von Kulturgütern bzw. Kulturpro-dukten einerseits und Denkmalen andererseits als höchst sinnvollerachten würde, wie in diesem Abschnitt auch noch genauer er-läutert werden wird.

41 z. B. Dehio (zit. Anm. 3), S. 264 ff. zur geistig-körperlichen Dop-pelnatur von Denkmalen; damit letztendlich verbunden auch die„Authentizitätsfrage“.

42 Dies kann selbstverständlich auch z. B. ein bedeutender Künstlersein, an dessen Werk durch seine Kunstwerke erinnert wird unddessen Bedeutung sich aus dem ästhetischen Wirken seiner Werkeergibt; oder auch ein Bauwerk, das architekturgeschichtlich be-deutend sein mag, sowie alles andere, das heute unter dem Be-griff Denkmal verstanden werden kann.

43 Gleichgültig ob es sich dabei um einen physischen oder einennur rein virtuell vorhandenen Gegenstand handelt, wie z. B. „Denk-male“ in rein virtuellen Umgebungen, z. B. sozialen Computer-programmen wie Second Life (http://secondlife.com, abgerufen27.9.2010), in denen z. B. virtuelle Konstruktionen früherer Pro-grammversionen von der User-Community als „Denkmale“ erhal-ten werden.

44 Siehe Seidenspinner 2007 (zit. Anm. 2), S. 1 f.45 Es ist sogar anzunehmen, dass diese Ersetzung in Anbetracht der

für zufällige Betrachter nicht zugänglichen erhöhten Position desStandbildes auf seinem Podest nicht einmal irgendjemandem auf-fallen würde, weil der sich vermutlich anders als das Metall an-fühlende Kunststoff nicht berührt und damit seine anderen takti-len Eigenschaften wenigstens normalerweise nicht wahrgenom-men werden können.

46 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.

262 Raimund Karl

nichts über Verhältnisse vor 2000 Jahren verraten, selbstwenn sie fälschlicherweise vorgibt (z. B. indem alteHolzkohleproben, die etwa 2000 Jahre alt sind, in dieseStratifikation eingebracht wurden) 2000 Jahre alt zusein, d. h. eine „moderne Fälschung“ vorgeblich 2000Jahre alter Bodenschichten ist. Ebenso ist die innereZusammensetzung des Kulturprodukts von eminenterBedeutung: um bei der archäologischen Stratifikationals Beispiel zu bleiben kann uns der genaue Aufbauund die exakte Zusammensetzung dieser eine Un-menge von Dingen über die Vergangenheit verraten,die wir zuvor nicht wussten. Ist eine solche Stratifi-kation also auf eine gewisse Art aufgebaut, verrät sieuns das eine, ist sie auf andere Art aufgebaut, verrätsie uns etwas anderes.

Zweitens ist es ebenfalls von eminenter Bedeutung,dass die untersuchte Quelle einen direkten Bezug zumGegenstand der wissenschaftlichen Fragestellung hat.Will man also die mitteleuropäische Latènezeit unter-suchen, ist es normalerweise auch absolut wesentlich,dass man auch entsprechende archäologische Fundeuntersucht, die aus der mitteleuropäischen Latènezeitstammen, und nicht solche aus einem anderen Raumoder einer anderen Zeit.

Weitgehend bis vollkommen irrelevant ist hinge-gen, wie die äußere Form eines Kulturproduktes be-schaffen ist und ob sie eindeutig ist. Es ist zum Bei-spiel fast vollkommen egal, wie die Erdoberflächeüber einer archäologische Stratifikation äußerlich be-schaffen ist, was relevant ist, ist ihre innere Zusam-mensetzung.47

Ebenso ist weitgehend bis vollkommen irrelevant,ob zu einem Kulturprodukt irgendwelche Informatio-nen bekannt sind oder nicht. Als Forschungsgegen-stand ist die reine Existenz des Kulturprodukts, nichtjedoch ob man bereits irgendetwas darüber weiß, vonBedeutung, so zum Beispiel bei einer durch mensch-liches Handeln veränderten Bodenschicht, über dieman nichts weiß, nicht einmal a priori, dass sie durchmenschliches Handeln verändert wurde.

Schließlich ist auch völlig unwesentlich, ob das Kul-turprodukt in irgendeiner Weise „im Weg steht“ oder„auffällt“ oder ob es völlig unauffällig ist. Neuerlichgilt auch hier, es ist gleichgültig, ob die archäologi-sche Stratifikation unter einer vollkommen unauffäl-ligen flachen Wiese liegt, die sich durch keineerkennbare Eigenschaft von einer beliebigen be-nachbarten Wiese unterscheidet, das Einzige von

225. Reiterstandbild von Prinz Eugen am Wiener Heldenplatz

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 263

Bedeutung ist, dass die archäologische Stratifikationexistiert.

Der Symbolcharakter des Denkmals und die Funk-tion des Kulturprodukts als historischer Informati-onsträger führen also zu weitgehend entgegengesetz-ten Voraussetzungen, die ein Gegenstand erfüllenmuss, um als das eine oder das andere sinnvoll klas-sifiziert werden zu können. Es muss also zwangsweisezu Widersprüchen führen, wenn beide auf gleicheWeise und mit den gleichen Mitteln geschützt werdensollen. Dennoch ist in Österreich genau das derzeitweitgehend der Fall.

EINE UNGÜCKLICHE MISCHUNG

Die fehlende konzeptionelle Trennung zwischendem Symbol „Denkmal“ und dem (physischen) Ge-genstand, dem konkreten Kulturprodukt, dem diesesymbolische Denkmalsbedeutung zugemessen wird,das jedoch als historisches Dokument als wissen-schaftliche Quelle dient, hat zu einer äußerst un-glücklichen, äußerst ungünstigen, Vermischung ge-führt, die letztendlich sowohl dem Denkmal- als auchdem Schutz von Kulturprodukten mehr schadet alsnützt. Die von Dehio48 beschworene „geistig-körperli-che Doppelnatur“ des derzeit in Österreich verwen-deten Denkmalsbegriffs ist aus romantischen Vorstel-lungen des (späten) 19. Jahrhunderts erwachsen, diedas historische Objekt an sich.49 die historische Exis-tenz als solche, als zu erhaltenden Wert definierten.50

Seitdem hat – wenigstens in Bezug auf archäologischeFunde, aber wohl auch generell im Kontext der deutsch-sprachigen historischen Wissenschaften – das wis-senschaftliche Beharren auf den angeblichen positi-vistischen Grundlagen wissenschaftlicher Erkenntniszunehmend das „echte Objekt“, also die Substanz, alsTräger der Authentizität des Denkmals sowie als wis-senschaftlicher Informationsträger miteinander ver-schmolzen.

Das wissenschaftsideologisch bedingte Beharren aufder Bedeutung des Objekts als Träger der historischenInformationen, die es im derzeit in Österreich ge-setzlich vorgeschriebenen Sinn überhaupt erst zumDenkmal machen, hat dadurch nicht nur den Denk-malsbegriff ausgehöhlt, sondern nachgerade durch ei-

nen Kategorienfehler pervertiert, und damit dazu ge-führt, dass die Öffentlichkeit, der er eigentlich dienensollte, zunehmend aus dem Denkmalschutz ausge-schlossen wurde. Die Entscheidungshoheit, was einDenkmal ist, wurde zunehmend in den Bereich derwissenschaftlichen Welt verschoben, in der eben dieKommunikation mit der Fachkollegenschaft wichtigerist als die Kommunikation mit den (oft als unver-ständig verstandenen) „Laien“ und in der auch dieRechtfertigung des Schutzes nicht (mehr) in der tat-sächlich öffentlich verstandenen, anerkannten, sozia-len Bedeutung des Denkmals, sondern in der Fach-welt vorherrschenden Wertschätzung des Denkmalsals historisches Dokument, verankert wird.51 Das (ge-schützte) Denkmal muss daher die Öffentlichkeit annichts mehr erinnern, auch seine Bedeutung gar nichtfür die Öffentlichkeit erkennbar sein, ja es muss nichteinmal von der Öffentlichkeit wahrgenommen werdenkönnen.52 Um die wissenschaftliche korrekte Rettunggefährdeter Informationen möglichst sicherstellen zukönnen wird die Öffentlichkeit geradezu zum „Feind“des Denkmalschutzes: sie zerstört, vorsätzlich oder un-beabsichtigt, Gegenstände und damit Informationen,die aus wissenschaftlicher Sicht zu schützen sind, aberderen Schutzwürdigkeit man nicht konkret öffentlicherläutern kann, weil man eben noch nicht genug übersie weiß um ihren Schutz auch tatsächlich begründenzu können. Dehios Erkenntnis, dass der Staat die Auf-gabe nicht allein lösen könnte, sondern eben der Denk-malschutz auf „Das Volk!“ angewiesen sei,53 ist damitvollkommen untergegangen.

Gleichzeitig ist jedoch, weil der Denkmalschutz ebentrotzdem letztendlich seine Rechtfertigung daraus be-zieht, dass er eine Dienstleistung für die Öffentlich-keit darstellt und auch nicht zuletzt deshalb auch nurunter größten Schwierigkeiten wirklich so vollständigin die anderen, ebenso berechtigten und oftmals „demVolk“ viel naheliegenderen, Interessen (wie eben z. B.das Eigentum möglichst unangetastet zu lassen) derÖffentlichkeit eingreifen kann wie das wissenschaft-lich eigentlich – wenigstens unter positivistischen Vo-raussetzungen, die die vollständige physische Erhal-tung aller Primärquellen wünschenswert erscheinenlassen – notwendig oder wenigstens günstig erschei-nen würde, auch der Schutz der wissenschaftlich wich-tigen Informationen nicht effektiv möglich. Eingriffe

47 Es ist die Oberfläche nur insofern interessant, als sie die Ober-grenze der obersten Bodenschicht in der Stratifikation darstellt.Als solche ist sie natürlich ebenfalls Teil der Stratifikation und da-mit von Bedeutung. Gleichgültig ist jedoch, ob sie zum Beispieleine flache, durch nichts von der benachbarten Wiese unter-scheidbare, Wiese ist oder ob sie durch zahlreiche charakteristi-sche Bodenunebenheiten gekennzeichnet ist. Obgleich das im kon-kreten Einzelfall natürlich wichtig ist, ist es bei allgemeiner Be-trachtung gleichgültig, ob man mit freiem Auge Unebenheiten zuerkennen vermag oder nicht, weil es nicht wesentlich ist, ob ein-deutig erkennbar ist, ob hier eine archäologische Stratifikation

oberflächlich begrenzt wird oder nicht, sondern nur wesentlich,dass hier eine archäologische Stratifikation begrenzt wird.

48 Dehio (zit. Anm. 3), S. 268.49 Dies ist sicher nicht völlig unbeeinflusst vom ebenfalls zu dieser

Zeit absolut dominanten Positivismus in den Wissenschaften ge-schehen, siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 8 ff.

50 Dehio (zit. Anm. 3), S. 267 f.51 Siehe Bazil et al. (zit. Anm. 18), S. 38.52 Bazil et al. (zit. Anm. 18), S. 39 f.53 Dehio (zit. Anm. 3), S. 273.

264 Raimund Karl

in diese anderen Interessen der Öffentlichkeit lassensich nämlich eben, vor allem wenn sie individuell be-gründet werden müssen, nur dadurch rechtfertigen,dass die spezifische Bedeutung des einzelnen zu schüt-zenden Objekts nachgewiesen wird, was erst dannmöglich ist, wenn bereits ausreichend viel über denbetreffenden Gegenstand bekannt ist, sodass ein Ar-gument für seine Bedeutung auch geführt werdenkann. Das ist aber bei den Dingen, die aus wissen-schaftlicher Sicht besonders wichtig zu schützen sind,nämlich bei den Dingen, über die man noch nichtsoder jedenfalls noch nicht ausreichend viel weiß, ei-gentlich nicht möglich. Damit wird aber der wissen-schaftliche Schutz ausgehöhlt und ebenfalls durch ei-nen Kategorienfehler pervertiert: geschützt wird dannnicht das, was eigentlich geschützt werden sollte, son-dern das, was eigentlich keines Schutzes mehr bedarf;das bekannte Wissen, nicht die unbekannten Infor-mationen.

Das führt zu einem denkmal- und kulturprodukt-schützerischen Paradoxon, das sich am deutlichstenbei archäologischen Fundstellen zeigt: diese sollteneigentlich nur dann unter Denkmalschutz gestellt wer-den (können), wenn durch Ausgrabung ihre ge-schichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelleBedeutung, die ihre Erhaltung als im öffentlichen In-teresse gelegen erscheinen lässt, nachgewiesen wurde.Ob ein bestimmter Teil einer Fundstelle über derar-tige Bedeutung verfügt, lässt sich aber stets erst dannbestimmen, wenn dieser konkrete Teil auch tatsäch-lich ausgegraben wurde: nur die durch Grabung er-forschte Stratifikation ist tatsächlich bekannt, nur übersie sind daher verlässliche Aussagen möglich. Dennes vermag ein Objekt auf der Fundstelle von he-rausragender historischer, künstlerischer oder sons-tiger kultureller Bedeutung sein – so z. B. der ein-zelne, besondere Gegenstand oder Befund, der alsVertreter eines bis dato unbekannten Typs auf einerFundstelle auftritt, auf der sich sonst nur sowohl lo-kal als auch regional als auch national schon viel-hundertfach bekannte Funde und Befunde findenlassen, fraglos von solcher Bedeutung ist, dass seineUnterschutzstellung absolut notwendig erscheint –während alle anderen Objekte auf derselben Fund-stelle weitgehend unbedeutend sind. Wurde ein Teileiner Fundstelle aber bereits ausgegraben, so ist die-ser Teil in keinem Fall mehr schutzwürdig, denn die„schützenswerte Substanz“ wenigstens dieses Teils derFundstelle wurde ja bereits durch Grabung zerstört,besteht also nicht mehr und kann daher auch nichtmehr unter Denkmalschutz gestellt werden.54 Die ne-ben den ausgegrabenen Teilen der Fundstelle lie-genden anderen, noch unausgegrabenen Teile derFundstelle sind hingegen noch gar nicht (oder we-nigstens, selbst nach Anwendung aller derzeit be-kannten Prospektionsmethoden, nicht ausreichend)

erforscht um wirklich verlässliche Aussagen, auch nurverlässliche Wahrscheinlichkeitsaussagen, über ihremutmaßliche Bedeutung zu erlauben: weil es bedeutetkeineswegs – auf Grund der generellen und in die-sem Fall auch konkreten logischen Unzulässigkeit derInduktion55 – dass, wenn in einem Teil einer Fund-stelle bedeutende Funde gemacht wurden, auch inanderen Teilen dieser Anlage bedeutende Funde ge-macht werden werden oder auch nur zu erwartensind.

Dass auch der Versuch, sich durch eine „Sonder-regelung“ wie in § 1 Abs. 5 4. Satz DMSG vorgesehenzu behelfen, dass die für eine Unterschutzstellungnoch nicht ausreichend erforschter Denkmale not-wendigen Fakten wenigstens auf Grund des wissen-schaftlichen Erkenntnisstandes wahrscheinlich seinmüssen, nicht mehr als eine in der Praxis leicht ver-sagen könnende Notlösung darstellt, zeigen zum Bei-spiel die Grabungen in Lochen, Oberösterreich, imJahr 2007: die von mir gemeinsam mit KolleginnenLeskovar und Reitberger vom OÖ Landesmuseum undKollegen Löcker von der ZAMG in der als „keltischeViereckschanze“ unter Denkmalschutz stehendenrechteckigen Wall-Grabenanlage durchgeführten Aus-grabungen ergaben – trotzdem alle Anzeichen (östli-che Ausrichtung des Eingangs, Überhöhung der Ecken,Präsenz hallstattzeitlicher Gräber in unmittelbarerNähe der Anlage, Mangel von Oberflächenfunden, Er-gebnisse der geophysikalischen Prospektion) für dieRichtigkeit der Bestimmung dieser Anlage als „kelti-sche Viereckschanze“ sprachen, die für die Unter-schutzstellung notwendigen Fakten also nach wis-senschaftlichem Erkenntnisstand bis zur Grabungwahrscheinlich waren – dass es sich dabei tatsächlichum eine Schanze aus dem frühen 18. Jahrhundertn. Chr. und keineswegs um eine „keltische Viereck-schanze“ gehandelt hat.56 Die Anlage wurde also je-denfalls unter falschen Voraussetzungen unter Denk-malschutz gestellt, gleichgültig, ob ihre Erhaltung auchnach den Grabungen – nun aber als Beispiel für Schan-zen des frühen 18. Jahrhunderts – weiterhin im öf-fentlichen Interesse gelegen ist oder nicht. Dahinge-gen stand die tatsächlich eine latènezeitliche Vier-eckschanze – und zwar seit Wegfall der Anlage in Lo-chen einzige derartige in Österreich bekannte An-

54 Vergleiche dazu § 1 Abs. 1 und 10 und § 11 Abs. 5 DMSG.55 Siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 18 f. – David Hume, A Treatise of Hu-

man Nature. Oxford Philospohical Texts, Oxford 2000 [erstmals in3 Bänden erschienen 1739–1740], S. 61 ff., S. 89 ff.

56 Jutta Leskovar/Martina Reitberger/Klaus Löcker/Raimund Karl, KGLochen, OG Lochen, VB Braunau am Inn, Fundberichte aus Ös-terreich Bd. 47, 2008, S. 642. – Klaus Löcker, Archäologische Aus-grabung „Viereckschanze“ Stullerding, Lochen, Oberösterreich, (un-gedr.) Bericht, Wien 2008.

57 Dehio (zit. Anm. 3), S. 268.58 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 265

lage – darstellende, in den 1970er Jahren eingeebneteAnlage von Oberndorf bei Salzburg / Göming, in derich ebenfalls 2007 mit Kollegen Kastler vom SalzburgMuseum ausgegraben habe, trotz bereits im ausge-henden 19. Jahrhundert durchgeführten Grabungender Central-Commission die wenigstens eine römischeZeitstellung der Anlage wahrscheinlich machten, nichtunter Denkmalschutz.

Beinahe pervers erscheint es, dass nach diesen Gra-bungen die Anlage von Oberndorf / Göming, von deroberflächlich nichts mehr zu bemerken ist, nun in sei-ner „Substanz“ das einzige Beispiel für eine derartigeAnlage ist, sich jedoch die nunmehr als Schanze desfrühen 18. Jahrhunderts erwiesen habende Anlage inLochen weiterhin, wenigstens in Hinblick auf ihre äu-ßere Form, d. h. ihre oberflächliche Erscheinung, weitbesser als Denkmal (im obigen Sinn als eindeutig er-kennbares Geländedenkmal) für „keltische Viereck-schanzen“ eignen würde. Denn die Anlage von Lo-chen erfüllt weiterhin in ihrem oberflächlichen Er-scheinungsbild morphologisch perfekt die Erwartun-gen, die man auch an eine keltische Viereckschanzestellen würde: sie ist weiterhin leicht als eine aus Erdeaufgeschüttete Wall-Graben-Anlage mit überhöhtenEcken, Eingang Richtung Osten und vorgelagerten hall-stattzeitlichen Grabhügeln erkennbar. Die Anlage vonOberndorf / Göming hingegen unterscheidet sich ober-flächlich durch nichts von jeder beliebigen anderenflachen Wiese, es ist daher selbst für den Fachmannoberflächlich kaum – nämlich nur, wenn er schon vor-her weiß, dass sie in dieser Wiese liegt, und dann nurmit größter Mühe und gutem Vorstellungsvermögen –erkennbar, dass es sich dabei um eine solche Anlagehandelt, selbstverständlich noch viel weniger für dieÖffentlichkeit.

Resultat der unglücklichen Mischung aus wissen-schaftlichen und denkmalschützerischen Vorstellun-gen, der dogmatischen Insistenz auf der „geistig-kör-perlichen Doppelnatur“,57 von Denkmalen, dieses dop-pelten Kategorienfehlers, ist ein invertiertes Schiff desTheseus-Paradoxon: statt wie die Athener die Planken,also die Substanz des Schiffes, zu ersetzen aber da-mit das Symbol, das Denkmal, eben das Schiff desTheseus, zu erhalten, haben wir das Symbol verges-sen und stattdessen die zunehmend schäbigen, ver-rottenden und bald gänzlich vergangenen Plankenzum einzig Wahren erhoben, zum zu erhaltenden „au-thentischen“ Wert. Statt im Sinne Dehios58 die geisti-gen Werte dauerhaft zu erhalten, die die Menschheithervorgebracht hat, versuchen wir wie ein modernerDon Quixote im aussichtslosen Kampf gegen dieWindmühlen wenigstens für eine kleine Weile dieDinge, den Staub, aus dem alles Menschenwerk ge-macht ist und zu dem es früher oder später wiederzurückkehrt, zu erhalten – und scheitern damit letzt-endlich kläglich.

ZUSAMMENFASSUNG UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE

Wie ich zu zeigen versucht habe, bestehen zwischenZielen und Aufgaben von Denkmalschutz und der Er-haltung von Kulturprodukten, darunter dem Schutzvon archäologischen Funden, als wissenschaftlicheQuelle unüberwindliche Widersprüche. Der Denk-malschutz bedarf bekannter Informationen über diezu schützenden Denkmale, die tatsächlich vermitteltwerden, um den Schutz des Denkmals öffentlich ver-ständlich zu machen, und muss dafür in erster Liniedas Symbol, also die äußere Form des Denkmals, er-halten um seine Aufgabe erfüllen zu können. DerSchutz archäologischer Funde und sonstiger Kultur-produkte muss hingegen nur für Fachleute verständ-lich sein und zielt in erster Linie auf die Erhaltung un-bekannter Informationen für die wissenschaftliche For-schung ab, nicht auf die Bewahrung bereits bekann-ter Informationen als Erinnerungsmal für die (oderauch nur einen Teil der) Gesellschaft. Denkmalschutzund Wissenschaft (und die für die Letztere notwen-dige Erhaltung wissenschaftlicher Quellen) verfolgengroßteils diametral entgegengesetzte Ziele, haben groß-teils diametral entgegengesetzte Erfordernisse undsprechen auch unterschiedliches Publikum an. DerVersuch, wie er derzeit und schon seit langem in Ös-terreich mittels des Denkmalschutzgesetzes unter-nommen wird, diese unterschiedlichen, ja einandergroßteils diametral entgegengesetzten, Erfordernisseüber einen Kamm zu scheren und durch ein einzel-nes, nicht wirklich sinnvoll auf diese unterschiedlichenErfordernisse Rücksicht nehmendes, Gesetz zu erfül-len, wird daher notwendigerweise nicht zu einer sinn-vollen Lösung führen können.

Wie erreicht man also die Quadratur des Kreises?Wie lassen sich sowohl der adäquate Schutz von Denk-malen als auch der adäquate Schutz wissenschaftlicherQuellen sicherstellen?

Dies kann entweder dadurch geschehen, dass einevollständige Trennung zwischen Denkmalschutz unddem Schutz wissenschaftlicher Quellen, also demSchutz aller Kulturprodukte, vorgenommen wird. Diesehätte selbstverständlich sowohl konzeptionell als auchgesetzlich und eventuell (allerdings das nicht not-wendigerweise) auch personell und organisatorisch zuerfolgen. Konzeptionell wäre eben dann zwischen demSchutz von Denkmalen, also Symbolen, Gedenkmalen,die historische Erinnerungen auslösen, wachhalten undvielleicht steuern sollen und mit bekannten Bedeu-tungen ausgestattet sind, und dem Schutz von Kul-turprodukten als historisch-wissenschaftlichen Quel-len, die nicht mit bekannten Bedeutungen verbundensind und durch die in erster Linie noch nicht durchwissenschaftlicher Erforschung realisierte Informationerhalten wird, zu unterscheiden. Gesetzlich wäreebenso zwischen Denkmalen, deren Erhaltungswür-

266 Raimund Karl

digkeit danach unterschiedlich zu bewerten ist, ob be-reits bekannte Informationen zu ihnen vorliegen undwelche historische, künstlerische oder sonstige kultu-relle Bedeutung ihnen (von der Gesellschaft) zuge-schrieben wird und durch sie der Öffentlichkeit ver-mittelbar ist, und als wissenschaftliche Quellen die-nenden Kulturprodukten zu unterscheiden, deren Er-haltungswürdigkeit so lange gegeben ist, als sie nochnicht wissenschaftlich erforscht und damit die in ih-nen enthaltenen Informationen noch nicht mit dennach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft mögli-chen Methoden ausgelesen und in andere Speicher-medien transferiert wurden, die aber – wenn sie sichdurch diese und nach dieser Erforschung nicht alsDenkmale eignen und deshalb dann erhalten werdenmüssen – nach dieser wissenschaftlichen Auswertunggegebenenfalls vernichtet werden können.

WEG VOM „KULT DES OBJEKTS“

Oder es kann dadurch geschehen, dass man die ar-chäologische Ideologie und die denkmalschützeri-schen Dogmata ändert und modernen Vorstellungenund Notwendigkeiten anpasst, statt sowohl in der Ar-chäologie als auch im Denkmalschutz geistig im spä-ten 19. und frühen 20. Jahrhundert zu verharren. Daswürde jedoch einen großen Sprung über den eige-nen Schatten notwendig machen.

Insbesondere die Archäologie (bzw. die denkmal-schützerisch tätigen ArchäologInnen) müsste(n) dazunämlich die essentielle Unvollständigkeit ihrer Datenakzeptieren: viele Daten sind durch Erosion und na-türlichen und human generierten Verfall ohnehinschon unwiederbringlich verloren, die Vorstellung derMöglichkeit mittels Vollinduktion zu wahren wissen-schaftlichen Erkenntnissen zu kommen daher a priorivollkommen verfehlt und daher vollständig aufzuge-ben.59 Daher ist es vollkommen sinnlos auf der Er-haltung aller Daten zu Beharren, ja diese auch nur zuridealen Zielvorstellung zu erheben, denn dieser Ver-such ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, dasZiel ein notwendigerweise Unerreichbares und daherauch nicht Anstrebenswertes. Sich nach unerreichba-ren Sternen zu strecken, aber dafür die praktisch auchtatsächlich erreichbaren Ziele zu vernachlässigen, rich-

tet nur unnötigen Schaden an und man erreicht we-der das Unerreichbare noch das tatsächlich Erreich-bare.

Akzeptiert man, dass nicht nur ohnehin nicht alleDaten zu retten sind, sondern dass der als Idealvor-stellung konzipierte Weg zur wissenschaftlichen Er-kenntnis, den man zu verfolgen versucht, in keinemFall zu dem erwünschten Ziel führen kann, ergebensich andere, praktisch weit besser und auf anderenals den bisher beschrittenen Wegen erreichbare Zieleder archäologischen Wissenschaft, insbesondere auchin Bezug auf den Schutz archäologischer Funde. Diesesind natürlich auch unter diesen anderen Vorausset-zungen weiterhin zu schützen, aber der beste Schutzfür die Datenbasis, der beste Schutz für archäologi-sche Funde, ist dann nicht mehr notwendigerweiseihre dauerhafte Erhaltung als physisches Objekt.

Vielmehr wird das Ziel des archäologisch-wissen-schaftlichen Schutzes archäologischer Funde die Er-haltung der in diesem Objekt enthaltenen historischenInformationen, also wirklich der geistigen Werte, diedie Menschheit hervorgebracht hat, das schon von De-hio60 definierte eigentliche Ziel des Denkmalschutzes.Diese Abwendung vom archäologieideologisch be-dingten „Primat der Daten“, die Abwendung vom „Kultdes Objektes“, hätte unmittelbar zur Folge, dass derBegriff der Erhaltung archäologischer Funde eine voll-kommen neue Bedeutung erhielte: Erhaltung archäo-logischer Funde bedeutet dann nicht mehr unbedingtderen physische Erhaltung, sondern die Erhaltung derdiesen Objekten innewohnenden Informationen in derfür diese Erhaltung geeignetsten Form.

Diese wird, in manchen Fällen, weiterhin die phy-sische Erhaltung sein: eine weder durch natürlichenoch durch menschliche Einwirkungen gefährdeteFundstelle, auf der die den dort zu erwartenden Fun-den innewohnenden historischen Informationen ambesten dadurch geschützt und erhalten werden kön-nen, dass sie einfach ungestört im Boden belassenwerden, ist am besten durch ihre physische Erhaltunggeschützt. In anderen Fällen wird dies hingegen eherdie Erhaltung durch wissenschaftliche Dokumentationsein: wenn z. B. zu befürchten ist, dass auf einer Fund-stelle (beispielsweise durch Einsatz von archäologi-sche Funde zerstörenden Düngemitteln oder durchnatürlichen Verfall z. B. organischer Funde in einem

59 Siehe Karl (zit. Anm. 9), S. 65 ff.60 Dehio (zit. Anm. 3), S. 264.61 Dabei ist natürlich auch zu bedenken, dass ein absolutes Mehr an

Daten nicht notwendigerweise besonders relevant ist, sondern nurein Mehr an signifikanten bzw. besseren Daten. – Um dies anhandeines konkreten Beispiels zu illustrieren: man hat vor etwa 50 Jah-ren bei Grabungen eventuell die Schnittecken geodätisch vermes-sen und sich ansonsten auf maßstäbliche Pläne mit ungefährenTiefenangaben unter den Schnittecken verlassen. Vor etwa 25 Jah-ren, als ich zu graben zu lernen begann, hat man vielleicht einige100 Punkte auf der Grabung geodätisch vermessen, z. B. auf der

Fläche gesetzte Profilschnittnägel etc. Heutzutage kann und wirdman, wenn man bereits mit einem 3D-Laserscanner arbeitet, in we-nigen Minuten auf derselben Fläche mehrere tausend, wenn nichthunderttausende, automatisch geodätisch vermessene Punkte neh-men. Die absolute Menge aufgenommener Daten ist also expo-nentiell gestiegen. Fraglich ist hingegen, ob die aufgenommeneMenge signifikanter Daten ebenso rasch, wenn überhaupt, gestie-gen ist: ich hätte bei zugegebenermaßen unsystematischer Durch-sicht der Fachliteratur nicht bemerkt, dass die weit genauere Ver-messung von Grabungsschnitten wesentliche neue wissenschaftli-che Erkenntnisse gebracht hätte, ja nicht einmal dass in irgendei-

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 267

natürlich langsam austrocknenden ehemaligen Feucht-bodengebiet) mehr historische Informationen verlo-ren gehen als durch ihre archäologische Ausgrabung,ist die Erhaltung der derzeit noch vorhandenen unddurch Ausgrabung ausles- und dokumentierbaren In-formation, d. h. die Erhaltung durch Dokumentation,der physischen Erhaltung der Funde vorzuziehen.

Die Veränderung der wissenschaftlichen Perspek-tive führt in diesem Zusammenhang natürlich auch zueiner Neukonzeption der archäologischen Ausgrabung,die das oben beschriebene, derzeit bestehende, Para-doxon im österreichischen Denkmalschutzgesetz au-tomatisch löst: Die archäologische Ausgrabung ist dannnicht mehr (wie derzeit in § 11 Abs. 5 DMSG be-stimmt) als notwendigerweise zerstörerische Maß-nahme zu verstehen, die die Substanz eines Boden-denkmals vernichtet (und damit seinen weiteren Schutzauf Grund der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 und 10DMSG unmöglich macht), sondern vielmehr eine Er-haltungsmaßnahme, die die zu erhaltenden Informa-tionen – die eigentliche „historische Substanz“ des Bo-dendenkmals – aus ihrem ursprünglichen Speicher-medium, den Funden, in ein anderes Speichermedium,eben das der wissenschaftlichen Dokumentation, über-trägt und auf diese Weise auch (dauerhaft) erhält.

Natürlich bleibt die Ausgrabung auch weiterhin eineinvasive Untersuchungsmethode, also eine Untersu-chungsmethode, die die Substanz ihres Untersu-chungsgegenstandes zerstört, und wie bei nahezu je-der Informationsübertragung von einem in ein ande-res Medium gehen durch den Übertragungsvorgangmanche im ursprünglichen Speichermedium vorhan-dene Informationen verloren. So lange aber durchdiese Übertragung kurz-, mittel- oder auch nur lang-fristig mehr bzw. bessere Informationen erhalten wer-den können als durch die Belassung der Informatio-nen im, aber diese ebenfalls langsam oder schnellerverlierenden, ursprünglichen Speichermedium, ist dieÜbertragung die bessere Erhaltungsmaßnahme.61 EinAbgehen vom Dogma, dass physische Erhaltung in je-dem Fall der Erhaltung durch Dokumentation zu be-vorzugen ist, das Abgehen vom „Kult des Originalob-jektes“, würde also einen wesentlich praktikablerenUmgang mit archäologischen Funden erlauben.

Gleichzeitig wäre natürlich auch von denkmal-schützerischer Seite der „Kult des Objektes“ aufzuge-ben – was zweifellos viel leichter wäre, wenn sich auchdie wissenschaftliche Seite von diesem befreit – undder Gedanke, dass die Authentizität des Denkmals andie Erhaltung der zur historischen Dokumentation not-wendigen „Substanz“ gebunden ist, aufgegebenwürde.62 Denkmale könnten dann endlich statt in ers-ter Linie als historische Dokumente als die Gedenk-bzw. Erinnerungsmale gesehen werden, die sie ei-gentlich sein sollten, mittels derer – gleichgültig obsie in ihrer Substanz oder nur in ihrer Form erhaltenwerden – die Öffentlichkeit an bedeutende histori-sche, künstlerische oder sonstige kulturelle Leistungender Menschheit erinnert und auf diese aufmerksamgemacht werden könnte. Statt dem um jeden Preis er-haltenen Ding, dessen Bedeutung (wenn überhaupt)bloß ein paar Experten bekannt ist, stünde dann dieVermittlung des über diese Leistungen bekannten Wis-sens im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, mit – mut-maßlich – dem Ergebnis, dass nicht nur die allgemeineWertschätzung historischer Leistungen und histori-scher Werte der Menschheit, sondern gleichzeitig auchdas öffentliche Verständnis und die allgemeine Wert-schätzung der Bedeutung der Wissenschaften, die dieseLeistungen und Werte erforschen, deutlich ansteigenwürde.

INTEGRATIVER STATT EXKLUSIVER DENKMAL-UND KULTURPRODUKTSCHUTZ

Überhaupt wäre sowohl für einen weit besserenDenkmalschutz als auch für einen weit besseren Schutzder archäologischen Funde und anderer Kulturpro-dukte gesorgt, wenn die Öffentlichkeit statt wie bis-her großteils aus dem Denkmalschutz und der Erfor-schung der historischen Leistungen der Menschheitausgeschlossen zu werden in den Denkmalschutz undebendiese Erforschung eingebunden würde. Denn wieschon Dehio63 ganz richtig festgestellt hat, kann derStaat allein, auch unterstützt durch die (letztendlich inerster Linie staatlich finanzierte und organisierte ar-chäologische und historische) Wissenschaft, die Auf-

ner Weise versucht werden würde, aus diesen weitaus genaueren,weitaus größeren Datenmengen irgendwelche relevanten wissen-schaftlichen Erkenntnisse abzuleiten. Es ist daher trotz des expo-nentiellen Ansteigens der aufgenommenen Datenmenge wenigs-tens bei derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass dieaufgenommene Menge signifikanter Daten weitgehend bis voll-ständig unverändert geblieben ist und nun nur eine Unmenge zu-sätzlicher, aber vollkommen redundanter Daten, aufgenommenund gespeichert wird. – Das bedeutet natürlich keineswegs, dassdiese zusätzlichen Daten nicht aufgenommen werden sollten, wodas möglich ist. Was es jedoch deutlich zeigt, ist, dass zwar durchdie Ausgrabung zahllose Daten (wie eben die früher nicht aufge-nommenen tausenden oder gar hunderttausenden dreidimensio-

nalen Messdaten) verloren gehen, aber dieser Datenverlust kei-neswegs – wenigstens nach derzeitigem Kenntnisstand – relevantsein muss. Die Verbesserung unserer Methoden ist zwar zweifel-los zu berücksichtigen, wenn eine Abwägung zwischen Datener-haltung durch Erhaltung in situ und Datenerhaltung durch Über-tragung der im Boden vorhandenen Informationen in das Spei-chermedium wissenschaftlicher Dokumentationen vorgenommenwerden muss, es ist aber keineswegs so, dass man rein auf Grundder Tatsache, dass sich unsere Methoden über die Zeit verbessern,die Erhaltung in situ in jedem Fall bevorzugen muss oder auchnur sollte.

62 Siehe Seidenspinner (zit. Anm. 2).63 Dehio (zit. Anm. 3), S. 273 f.

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gabe die geistigen Werte der Menschheit zu schützen,also die Denkmale und die als wissenschaftliche Quel-len relevanten Kulturprodukte, bestenfalls halb lösen –und ich würde selbst die Vorstellung, dass der Staatund die Wissenschaft diese Aufgabe auch nur zurHälfte lösen kann, als höchst optimistisch betrachten,realistischer erscheint mir zu einem Zehntel oder nochweniger.

Denn der beste Schutz, sowohl für Denkmale alsauch für archäologische Funde und beliebige andereKulturprodukte, ist nicht ein besonders stringentes,scharfes oder sonstwie „theoretisch ideales“ Gesetz,noch eine staatliche Einrichtung, in der sich die „bes-ten Köpfe“ der Wissenschaft dem Schutz und der Er-forschung der Denkmale (und sonstigen Kulturpro-dukte) annehmen, sondern ein entsprechendes Inte-resse, eine entsprechende Motivation und auch ent-sprechende Möglichkeiten für die Allgemeinheit selbstmöglichst effektiv für diesen Schutz zu sorgen. Iden-tifiziert sich die lokale Bevölkerung mit einem Denk-mal oder Kulturprodukt, an dem sie interessiert ist undan dessen Erhaltung und / oder Erforschung sie auchbeteiligt ist, bemerkt sie auch leicht dessen allfälligeGefährdung (und zwar viel schneller und effektiver alsder Staat oder seine Einrichtungen es je könnten, so-lange man nicht rund um die Uhr einen Polizisten zujedem Denkmal oder erhaltenswürdigen Kulturproduktstellt, damit dieser es dauernd bewacht) und wird vonsich aus Maßnahmen zur Erhaltung dieses Denkmalsoder Kulturprodukts setzen – sei es nun die Gefähr-dung den entsprechenden Organen des Staates mel-den, die gegen die Gefährdung etwas unternehmenkönnen, oder selbst die notwendigen Schritte unter-nehmen um die Gefährdung zu beenden.

Damit dies auch geschehen kann, ist es allerdingsnotwendig, dass man die wissenschaftselitäre Vorstel-

lung, dass nur Wissenschafter Denkmale oder andereKulturprodukte mit der entsprechenden Kompetenzerhalten können, die für ihre Erhaltung notwendig ist,Laien hingegen nur seine Zerstörung bewirken kön-nen, aufgibt. Im Bereich der Archäologie bedeutet das,dass so genannte „Hobbyarchäologen“64 nicht krimi-nalisiert, verdammt oder bestenfalls ob ihrer angebli-chen Inkompetenz belächelt und hochmütig abgetanwerden sollten, sondern in den archäologischen Er-kenntnisprozess und den Schutz archäologischer Fundeso stark als möglich einbezogen werden sollten.

Damit soll jetzt nicht behauptet, geschweige denn,gefordert werden, dass jeder der nach eigenem Er-messen ein „Loch in die Landschaft machen“ möchte,dies auch tatsächlich nach freiem Belieben dürfen soll.Noch viel weniger soll behauptet werden, dass er dasganz von allein in einer unseren Ansprüchen an eineordentliche wissenschaftliche Dokumentation genü-genden Qualität kann. Natürlich ist ein wissenschaft-lich ausgebildeter Archäologe, wenigstens normaler-weise, weit besser zur Durchführung archäologischerAusgrabungen qualifiziert als ein beliebiger „Hobby-archäologe“, natürlich ist es also zu bevorzugen, wenneine Ausgrabung wenigstens unter Aufsicht von pro-fessionellen ArchäologInnen durchgeführt wird.

Aber archäologische Ausgrabungen ausreichendfachgerecht durchzuführen kann jedermann lernen,auch und insbesondere auch „Hobbyarchäologen“, undzwar sogar recht leicht; wenigstens wenn man sie dazuauch nur ansatzweise ausbildet. Und die meisten„Hobbyarchäologen“ wollen ohnehin keine großflä-chigen archäologischen Ausgrabungen durchführen,weder in Österreich, wo sie das derzeit nicht dürfen,noch in Großbritannien, wo sie das schon immer durf-ten. Wenn überhaupt will die Mehrheit dieser „Hobby-archäologen“, wenn ihr Metallsuchgerät anschlägt, ein

64 Unter dem Begriff „Hobbyarchäologen“ verstehe ich hier zusam-mengefasst in eine Klasse alle jene Personen, die ein Interesse ander Nachforschung nach archäologischen Funden, aber kein ein-schlägiges Universitätsstudium oder eine andere archäologischeAusbildung (wie z. B. einen Grabungstechniklehrgang) absolvierthaben und auch nicht professionell im Bereich der Archäologiebeschäftigt sind oder waren (also über praktische archäologischeBerufserfahrung verfügen). Dies beinhaltet also sowohl Heimat-forscher klassischer Prägung, d. h. gewöhnlich ältere Herren mithistorischem Interesse, die auf Spaziergängen oder auch geplan-ten Feldbegehungen im Umkreis ihres Wohnortes archäologischeOberflächenfunde aufsammeln, als auch moderne Heimatforscher,die derartige Nachsuchungen z. B. mit technischen Hilfsmittelnwie Metallsuchgeräten unterstützen und die gewöhnlich einen grö-ßeren Tätigkeitsbereich und meistens auch wenigstens teilweiseandere Forschungsinteressen als Heimatforscher klassischer Prä-gung haben, eventuell auch mit Profitstreben verbundene Inte-ressen. Was alle diese Personen verbindet, ist, dass sie – gleich-gültig welche Meinung wir als Wissenschafter von ihren Motivenund Methoden haben – archäologische Funde suchen und auchfinden (und in glücklichen Fällen auch melden), also archäologi-sche Informationen sammeln und auch dokumentieren bzw. do-kumentieren könnten. Sie sind daher schon – gleichgültig ob wirdas wollen oder nicht – in der archäologischen Forschung (wenn-gleich nicht unbedingt aus wissenschaftlichen Motiven) tätig und

können ebenso zur Gefährdung wie zur Erhaltung archäologischerInformationen beitragen, ja tragen dazu bei, gleichgültig wie dieGesetzeslage ist und ebenso gleichgültig ob sie sich an die gel-tenden Gesetze halten oder nicht. Nachdem wir diesen „Hobby-archäologen“ zwar vielleicht gesetzlich verbieten können ihren ar-chäologischen Interessen nachzugehen, ein solches Verbot aberso gut wie gar nicht kontrollieren oder exekutieren können, weildazu das Personal vollkommen fehlt, bleibt uns – ganz pragma-tisch gesprochen – nichts anderes übrig als zu akzeptieren, dasssie diesen Tätigkeiten nachgehen und wir uns daher nicht nur mitihrer Tätigkeit und deren Folgen sondern auch damit, wie wir ambesten mit ihnen umgehen sollten, beschäftigen müssen.

65 Siehe http://www.finds.org.uk (abgerufen 22.9.2010).66 Auf die Details, wie Schatzfunde im englischen Treasure Act 1996

definiert werden, soll hier nicht näher eingegangen werden, weildiese leicht auf http://www.finds.org.uk/treasure (abgerufen 22.9.2010) abgerufen werden können. Wesentlich ist hier nur festzu-halten, dass nur eine verschwindend geringe Minderheit aller ar-chäologischen Funde als Schatzfunde klassifiziert werden können.

67 Wenngleich auch im Jahr 2003 eine Abänderung in den Bestim-mungen des Treasure Act 1996, was alles als Schatzfunde zu klas-sifizieren sei, vorgenommen wurde, durch die eine gewisse Erhö-hung der als Schatzfunde zu klassifizierenden prähistorischenFunde zu erwarten war (siehe für Details ebenfalls http://www.finds.org.uk/treasure).

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 269

nicht allzu tiefes Loch graben und den Gegenstand,der den Ausschlag des Metallsuchgeräts verursacht hat,finden (und dann meistens auch mitnehmen). Dazubedarf es keiner mehrwöchigen Lehrgrabung, sondernin erster Linie einer fachlichen Beratung, dass unge-störte Bodenschichten im Interesse der Erhaltung derin diesen Bodenschichten gespeicherten archäologi-schen Informationen nicht angegraben werden soll-ten, bloß weil das Metallsuchgerät angeschlagen hat,sondern allfällige kleinere Bodeneingriffe auf die Pflug-schicht begrenzt bleiben sollten, und wie innerhalbder Pflugschicht oder oberflächlich aufgefundene Ge-genstände am besten dokumentiert und gemeldet wer-den sollten. Die kleine Minderheit hingegen, die tat-sächlich selbstständig großflächige Ausgrabungendurchführen möchte, ist sicherlich bei entsprechenderBeratung auch dazu zu bewegen sich einschlägig aus-bilden zu lassen oder die Finanzierung eines an derGrabung teilnehmenden und diese fachlich beraten-den professionellen Archäologen zu organisieren –wenigstens in Großbritannien scheint dies auch tat-sächlich weitgehend problemlos zu funktionieren.

Bleibt auch bei einer solchen Umstellung nicht einegewisse Gruppe von Personen übrig, die dann unbe-raten und unüberwacht alleine gräbt, die trotz allerBeratung weiterhin mit dem Metallsuchgerät auch übergeschützte Bodendenkmale spaziert und ohne Hem-mungen auch metertiefe Löcher gräbt, wenn das Me-tallsuchgerät anschlägt, weil sie Gold, Gold und nichtsals Gold finden und schnell reich werden möchte?Selbstverständlich! Aber die Idee, dass sich diese Per-sonengruppe von einem (noch so scharfen) Gesetzdavon abhalten lässt genau das trotzdem zu tun, istebenso verfehlt wie lächerlich. Denn eben diesen„Raubgräbern“ ist das Gesetz entweder ohnehin nichtbekannt oder, falls doch, kümmern sie sich sicherlichauch nicht darum, dass das, was sie tun wollen, ver-boten ist – wenigstens gibt es keinerlei Hinweise da-rauf, dass das Denkmalschutzgesetz diese „Raubgrä-berei“ eingedämmt oder gar verhindert hätte. Jene, de-nen der historische Aspekt ihrer Tätigkeit so völliggleichgültig ist, dass sie sich durch Beratung nicht da-von überzeugen lassen, lassen sich auch durch nichtexekutierbare Gesetze sicher nicht abschrecken undsind ohnehin für den Denkmalschutz ebenso wie fürden Schutz archäologischer Funde und sonstiger Kul-turprodukte (außer Geld, und zwar ihrem eigenen)verloren. Um diese braucht man sich also auch garnicht weiter kümmern, sondern kann und sollte sichdarauf konzentrieren jene zu überzeugen, die auchüberzeugt werden können, jene zu beraten, die sichauch beraten lassen, und von denen viele vermutlichsogar gerne beraten würden. Dazu muss man ihnenaber die Ansprechpersonen bieten, die Kontaktpunkteschaffen, und ihnen ermöglichen ihrem Interesse, ih-rem „Hobby“ nachzugehen, ohne dass sie „mit einem

Fuß im Kriminal stehen“ – und kann dann sogar da-rauf hoffen bzw. sogar damit rechnen, dass sie dafürdann die „schwarzen Schafe“ melden (und sei es nur,damit ihnen diese nicht „ihre Fundstelle“ ausrauben,ihren geschichtlichen Forschungsgegenstand stehlen).Und die vielen Augen, die man damit großteils bisvöllig kostenlos als Mitstreiter gewinnt, sehen mehr alsein Amt mit ungefähr 10 fachlichen MitarbeiterInnen.

Dass das auch funktioniert, und zwar tatsächlich,soll hier an einem konkreten Beispiel dargestelltwerden:

EXKURS: LÖSUNGSVORBILD

PORTABLE ANTIQUITIES SCHEME (PAS)?

Ein mögliches Vorbild für eine Lösung, die „Hobby-archäologen“ nicht kriminalisiert, sondern vielmehr inden archäologischen Informationserhaltungs- und Er-kenntnisprozess möglichst stark einzubinden versucht,findet sich im britischen Portable Antiquities Scheme,kurz PAS.65 Dabei handelt es sich um ein auf freiwil-liger Basis funktionierendes Meldesystem für archäo-logische Funde in England und Wales. In England undWales ist die Meldung „normaler“ archäologischerFunde, d. h. Funde, die nicht gemäß dem Treasure Act1996 als Schatzfunde zu klassifizieren sind,66 nicht ge-setzlich verpflichtend vorgeschrieben. Das PAS wurde1997 als Versuch in einigen englischen Counties ge-startet und erfasst seit 2003 die gesamte Fläche Eng-lands und Wales. Innerhalb dieses Zeitraums gab esin England und Wales keine maßgebliche Verände-rung der Gesetzeslage zur Fundmeldepflicht, die letztemaßgebliche Änderung war eben die Einführung desTreasure Acts 1996, also ein Jahr vor Beginn der Ver-suchsphase des PAS,67 und diese betraf ausschließlichdie Bestimmungen in Bezug auf Schatzfunde.

Dies steht in nahezu diametralem Gegensatz zur Si-tuation in Österreich, wo gemäß § 8 DMSG die Mel-dung aller archäologischen Funde gesetzlich ver-pflichtend ist. Bei Missachtung der Meldepflicht ver-fällt wenigstens der Fundeigentumsanteil des Finders,sollte dieser vom Fund Kenntnis gehabt haben, auchder des Grundeigentümers, an den Staat und steht da-mit wenigstens in gewissem Sinn unter Strafe (ebender Strafe des Verlusts des Eigentumsanspruchs an nichtgemeldeten Funden, die zwar oft nur einen sehr ge-ringen, aber doch, auch finanziellen Wert darstellen).

Unter diesen Voraussetzungen – nahezu keine Ver-pflichtung zur Fundmeldung in England und Wales,vollständige Verpflichtung zur Fundmeldung in Ös-terreich – sollte man eigentlich davon ausgehen kön-nen, dass – die Gesetzestreue der Staatsbürger undallfälliger „Fundtouristen“ vorausgesetzt – in Österreichweit mehr Fundmeldungen bei den dafür zuständigenBehörden eingehen sollten als in England und Wales.

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Tatsächlich ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall:Seit Einführung des PAS in England und Wales ist dieZahl der Fundmeldungen auf ein gewaltiges Vielfa-ches der in Österreich eingehenden Fundmeldungenangestiegen und auch die Zahl der tatsächlich gemel-deten meldepflichtigen Schatzfunde in England undWales ist deutlich gestiegen – während sie in Öster-reich und auch in Schottland, wo ebenfalls allgemeineFundmeldepflicht gilt, gleichgeblieben oder sogar zu-rückgegangen ist (siehe Abb. 226, 227).

Die auf den Abbildungen dargestellten Zahlen sindnatürlich nur bis zu einem gewissen Grad miteinan-der vergleichbar, weil in den unterschiedlichen Län-dern die Daten unterschiedlich aufgezeichnet werdenund auch unterschiedliche Berichtszeiträume in deneinschlägigen Berichten (so z. B. den annual reportsdes PAS68) Vergleiche erschweren. Die in den Abbil-dungen zu findenden Zahlen sind daher teilweise hoch-gerechnet und nicht als exakte Zahlen sondern nurals ungefähre Werte zu verstehen. Sie zeigen dennochdeutlich, wie unterschiedlich erfolgreich sich die ver-schiedenen Systeme in der Praxis erweisen.

Einige konkretere Bemerkungen zu den auf denAbbildungen vorgestellten Zahlen sind hier notwen-dig: die in Abbildung 3 vorgestellten Zahlen zu Mel-dungen tatsächlich meldepflichtiger Funde sind tat-sächliche Zahlen, die dankenswerterweise einerseitsvom PAS andererseits vom BDA für diese Untersu-chung zur Verfügung gestellt wurden.

Für Österreich liegen leider nur Summenwerte vor,die sowohl Fundmeldungen durch Angehörige der Öf-fentlichkeit als auch Grabungsmeldungen (die Fund-meldungen beinhalten) zu einem Wert zusammenfas-

sen. In Österreich wurden nach Angaben des BDA imletzten Jahrzehnt im Durchschnitt etwa 140-160 ge-nehmigte (d. h. nicht vom BDA selbst durchgeführte)Grabungen pro Jahr durchgeführt,69 d. h. wenigstensetwa ein Drittel der in Abbildungen 3 und 4 für Ös-terreich angegebenen Fundmeldungen sind durch Ar-chäologInnen im Rahmen der Meldepflichten in Zu-sammenhang mit Grabungsgenehmigungen gem. § 11DMSG erfolgt. Dies sind zwar ebenfalls meldepflich-tige Funde (weshalb sie von mir auch nicht aus denösterreichischen Zahlen herausgerechnet wurden),sind aber von Fundmeldungen durch Laien deutlichzu unterscheiden, weil nicht nur davon auszugehenist, dass FachwissenschafterInnen von Haus aus bes-ser über die Bestimmungen des DMSG informiert sindund auch williger als Laien sind diese einzuhalten,sondern sie auch im Rahmen des Grabungsgenehmi-gungsbescheides noch einmal an ihre konkreten Be-richtspflichten erinnert werden.

Die in Abbildung 4 dargestellten beim PAS einge-gangenen Fundmeldungen hingegen stellen nahezuausschließlich Fundmeldungen durch interessierteLaien dar; Berichte sachgerechter, durch Fachleutedurchgeführter, Grabungen werden vom britischen PASgar nicht erfasst und ihre genaue Zahl ist in Englandund Wales auch nur sehr schwer zu bestimmen, weilderartige Grabungsberichte nur bei den lokalen His-toric Environment Records deponiert werden (müs-sen) und daher zentral nicht erfasst sind. Es ist jedochdavon auszugehen, dass jedes Jahr in England undWales wenigstens viele hunderte, wenn nicht sogarmehrere tausende archäologische Untersuchungendurch Fachleute durchgeführt werden, die in bei lo-

226. Fundmeldungen im Vergleich (verpflichtend zu meldende Funde; absolute Zahlen für England & Wales undSchottland von PAS und für Österreich von BDA dankenswerterweise zur Verfügung gestellt)

GEDANKEN ZUM ZIEL UND ZUR BESTMÖGLICHEN UMSETZUNG DES SCHUTZES ARCHÄOLOGISCHER FUNDE 271

kalen Historic Environment Records deponierten Gra-bungs- und anderen Untersuchungsberichten resul-tieren.70 Außerdem sind in den annual reports desPAS71 absolute Zahlen zur Menge der Fundmeldungen(records) erst seit der Berichtspriode 2004-2005 an-gegeben und zwischen Ende der Berichtsperiode 2005-2006 und der Berichtsperiode 2007 besteht eine 9-monatige Lücke, zu der keine exakten Zahlen vorlie-gen. Die Anzahl der Fundmeldungen pro Kalender-jahr kann daher nicht ohne weiteres genau ermitteltwerden, vor allem vor 2004, sondern musste für dieseDarstellung aus den tatsächlichen Daten in den an-nual reports 2004-2006 und 2007 bzw. dem auf derWebseite des PAS ermittelbaren Verhältnis zwischenrecords und verzeichneten Funden72 hochgerechnetwerden (dies wird durch die unterschiedliche Kodie-rung der Punktwerte in Abb. 227 visualisiert: die gänz-lich dunkelgrünen Punkte für 2005 und 2007 beruhen

auf tatsächlich vorliegenden Daten, die anderen Punktesind hochgerechnet, wobei für die stärkere grüne Li-nie zwischen 2004 und 2008 wenigstens teilweise realeDaten vorliegen, während die Daten für frühere Jahrerein statistisch hochgerechnet sind).

Bei allen aus diesen Unterschieden in der Daten-basis, Aufzeichnung und Vermittlung der Daten be-stehenden Schwierigkeiten, die natürlich einen exak-ten Vergleich erschweren, lassen sich die Daten den-noch ausreichend gut vergleichen um wenigstens Ten-denzen erkennen zu können, die auch Aussagen er-lauben. Zwar könnte man nun die Zahlen einfach fürsich sprechen lassen, dennoch denke ich, dass sie –wie jede andere Statistik auch – wenigstens einer ge-wissen Interpretation bedürfen.

England und Wales haben etwa die 1,8-fache Flä-che und etwa 6,5-fache Bevölkerung Österreichs. InEngland und Wales wurden also vor Einführung desPAS deutlich weniger meldepflichtige Funde pro Flä-cheneinheit und sehr deutlich weniger pro Kopf derBevölkerung gemeldet. Seit der Einführung des PAShat sich die Meldung von meldepflichtigen Fundenpro Flächeneinheit hingegen auf etwa das gleiche Ni-veau eingependelt, pro Kopf der Bevölkerung werdenhingegen immer noch nur etwa ein Drittel der in Ös-terreich pro Kopf gemeldeten Funde gemeldet. Aber:in England und Wales sind Fundmeldungen eben nurbei Schatzfunden verpflichtend, die überwiegendeMehrheit aller archäologischen Funde ist hingegen

68 Siehe http://www.finds.org.uk/news (abgerufen 22.9.2010).69 Karl (zit. Anm. 31), S. 102.70 Die dadurch noch zusätzlich zu addierenden jeweils jährlich meh-

rere 1000 Fundmeldungen würden hier – siehe Abb. 227 – trotzallem noch immer kaum ins Gewicht fallen.

71 Siehe http://www.finds.org.uk/news (abgerufen 22.9.2010).72 http://www.finds.org.uk (abgerufen 23.9.2010) – die Zahl der re-

cords und der verzeichneten Fundobjekte wird auf der Startseiteangegeben, am 23.9.2010 waren angegeben: 406.962 records zu642.490 objects, d. h. ein Verhältnis von ca. 1:1,58 von Berichtenzu Objekten.

227. Zahl aller Fundmeldungen im Vergleich (Fundmeldungen an das PAS und Fund- und Grabungsberichtean das BDA; Daten für England und Wales hochgerechnet aus PAS annual reports

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nicht als Schatzfunde zu klassifizieren und unterliegtdaher auch keiner Meldepflicht.

Die Zahl aller Fundmeldungen – also auch der vonnicht meldepflichtigen Funden – lässt sich für Eng-land und Wales vor Einführung des PAS zwar nichtbestimmen, in den ersten beiden Jahren der Existenzdes PAS-Pilotprojekts stieg jedoch die jährliche Fund-melderate in den zu dieser Zeit teilnehmenden countiesim Durchschnitt um etwa 900%, verzehnfachte sichalso ungefähr. 1998 erfasste das PAS etwas mehr alsdie Hälfte der Fläche Englands und ganz Wales, esgingen in diesem Jahr hochgerechnet etwa 8400 Fund-meldungen ein, vor der Einführung des PAS dürftenalso pro Jahr in ganz England und Wales etwa 1.700freiwillige Fundmeldungen pro Jahr eingegangen sein.Rechnet man also verpflichtende und freiwillige Fund-meldungen in England und Wales vor dem PAS zu-sammen, sind pro Flächeneinheit vermutlich etwa dop-pelt so viele Fundmeldungen, pro Kopf der Bevölke-rung hingegen nur etwa halb so viele Fundmeldun-gen eingegangen wie in Österreich im gleichenZeitraum.

Dies ist insofern wichtig als gelegentlich, so z. B.auch beim Gespräch in Deutschfeistritz, eingewandtwurde und wird, dass in Großbritannien einfach tra-ditionell eine andere Mentalität und viel größeres In-teresse der Bevölkerung an ihrer lokalen Vergangen-heit existieren würde als in Österreich, die Briten so-zusagen „von Natur aus“ viel „denkmalfreundlicher“wären als die Österreicher, und daher britische Lö-sungen wie das PAS nicht auf Österreich übertragbarwären. Dieser – zugegebenermaßen nur grob hoch-gerechnete, aber doch auf realen Zahlen beruhende– Vergleich zeigt jedoch, dass – wenn überhaupt – dieBriten vor Einführung des PAS nicht wesentlich, wennnicht sogar deutlich weniger, „meldefreudig“ waren alsdie Österreicher (je nachdem ob man Fundmeldun-gen pro Flächeneinheit oder Fundmeldungen pro Kopfder Bevölkerung als relevanteren Vergleichsmaßstabbetrachten möchte).

Seit der Einführung des PAS ist hingegen die Fund-melderate in England und Wales steil nach oben ge-gangen um sich bei inzwischen etwa 35.000 Fund-meldungen pro Jahr einzupendeln (also eine Ver-zwanzigfachung der Fundmelderate). In der gleichenZeit hat in Österreich die Fundmelderate stagniert, jadie Zahl der Fundmeldungen ist, sogar zeitweilig stark(auf bloß ca. 50% der Fundmelderate vor 2000 zwi-schen 2004 und 2007), wenn überhaupt, zurückge-gangen (auf ca. 80% der Fundmelderate vor 2000 seit2008). Das hat zur Folge, dass nun in England undWales pro Flächeneinheit etwa 50-mal so viele Funde,pro Kopf der Bevölkerung immer noch etwa 14-malso viele Funde wie in Österreich gemeldet werden –und das obwohl die Meldung jedes archäologischenFundes in Österreich gesetzlich verpflichtend und bei

Androhung des Eigentumsanteilsverlustes vorge-schrieben ist, in England und Wales (außer für Schatz-funde) die Meldung hingegen vollständig freiwillig istund Nichtmeldung von Funden keinerlei negative Kon-sequenzen nach sich ziehen kann.

Will man also nicht völlig widersinnigerweise da-von ausgehen, dass sich die zuvor eher fundmelde-faulen Engländer und Waliser plötzlich und völlig un-motiviert (und auch unkorreliert mit der Einführungdes PAS) ihrer „traditionellen Denkmalsfreundlichkeit“auch in Bezug auf Bodenfunde erinnert haben, diesie nur rein zufällig die Jahrzehnte davor vollkommenvergessen hatten; oder dass plötzlich zufällig in denletzten 13 Jahren zunehmend Bodenfunde in Englandund Wales (aber sonst nirgendwo auf der Welt, nichteinmal im unmittelbar benachbarten Schottland) ausdem Boden kommen, die zuvor nicht gefunden wur-den;73 ist eigentlich nur eine einzige sinnvolle Erklä-rung dieses Anstiegs an Fundmeldungen möglich: da-durch, dass ein Mechanismus für koordinierte Zu-sammenarbeit zwischen archäologischer Wissenschaftund den „Hobbyarchäologen“ eingerichtet wurde, da-durch, dass mittels des Instruments PAS die interes-sierte Bevölkerung mehr und mehr in den archäolo-gischen Feldforschungsprozess eingebunden wurde,und dadurch, dass die interessierte Bevölkerung plötz-lich auch leichteren Zugang zu archäologischen Wis-senschaftern hat, die die „Hobbyarchäologen“ nichtkriminalisieren, verdammen oder belächeln, sondernals ernstzunehmende Partner behandeln, die auch Be-ratung, Ausbildung und Hilfe bekommen, damit sieihre Dokumentationsstandards heben können, stehtder archäologischen Wissenschaft plötzlich ein Heervon Helfern zur Verfügung, deren Sammelergebnisse(die sie natürlich auch schon vorher hatten) nun al-lerdings der Wissenschaft zur Verfügung gestellt stattvor dieser versteckt werden. Die archäologischen In-formationen, die von diesem Heer freiwilliger – undunbezahlter – Mitarbeiter natürlich auch schon vor Ein-führung des PAS aus dem Boden entnommen wurden,die aber zuvor der Wissenschaft vollständig verlorengingen, stehen nun zur Verfügung, werden – wennauch vielleicht (noch) nicht so gut, wie wir das gernehätten, aber doch deutlich besser als gar nicht – nunauch dokumentiert und bleiben damit der Wissenschaftund der Menschheit wesentlich eher erhalten als zu-vor, wo sie zuerst in einer weitgehend geheimen Pri-vatsammlung, dann am Dachboden und schließlich inder Mülldeponie oder auf dem Antiquitätenmarkt alsprovenienzlose Funde verschwanden.

Natürlich ist das PAS nicht ideal, natürlich wird da-durch nicht jeder Fund gerettet, nicht jeder Fund sodokumentiert, wie das wissenschaftlich am bestenwäre, natürlich gibt es auch das eine oder andere Pro-blem in der Kommunikation. Das heißt natürlich: durchdas PAS geht eine gewisse Menge an historischer In-

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formation verloren, die unter optimalen, unter idea-len Bedingungen nicht hätte verloren gehen müssen.Aber es werden durch das PAS eine Unmenge mehrInformationen erhalten, die ohne es ebenfalls verlo-ren gegangen wären, und damit ist es eine weit bes-sere Schutzmaßnahme als jede Lösung, bei der nichtnur die Informationen, die durch das Netz des PASfallen, sondern auch die viel größere Menge an In-formationen, die das PAS erhält, verloren gegangenwären.

Man kann jetzt natürlich den Kopf in den Sand ste-cken und so tun, als ob eine nicht ideale Lösung, dieallerdings recht gut funktioniert, schlechter ist als eineIdealvorstellung, die in der Praxis den gegenteiligenEffekt dessen hat, was sie bewirken sollte. In Öster-reich muss theoretisch jeder archäologische Fund ge-meldet werden, aber in der Praxis wird scheinbar kaumeiner gemeldet. In England und Wales muss kaum einarchäologischer Fund gemeldet werden (nur etwa 2%der gemeldeten Funde sind meldepflichtig), aber da-für werden verhältnismäßig viele gemeldet. Geht esalso nicht um die Aufrechterhaltung einer Ideologie,sondern um praktische Resultate, ich wüßte, welcheLösung ich wählen würde.

ERHALTUNG

DURCH AUSBILDUNG UND VERMITTLUNG

Statt eines theoretisch-dogmatisch begründeten ge-und verbietenden Ansatzes zum Schutz archäologi-scher Funde scheint es also bei pragmatischer Be-trachtung der Realität weit sinnvoller die theoretischenGrundlagen sowohl des (archäologischen) Denkmal-schutzes als auch des Schutzes sonstiger Kulturpro-dukte zu verändern und die Erhaltung archäologischerFunde durch Ausbildung der interessierten Öffent-lichkeit und der öffentlichen Vermittlung von Wissenüber und empfehlenswertem Umgang mit archäolo-gischen Funden sicherzustellen.

Die für die Informationserhaltung und -vermittlungnotwendige Kommunikation mit der Öffentlichkeit istjedoch nur dann möglich, wenn Wissensvermittlung

nicht nur – wenn überhaupt – zwischen Wissen-schafterInnen und an Fachleute erfolgt, sondern in-dem die Öffentlichkeit bewusst angesprochen und ein-gebunden wird. Dies gilt selbstverständlich nicht nurfür die Erhaltung bzw. Meldung von Informationenüber bewegliche archäologische Funde, gleichgültigob es sich dabei um Zufallsfunde oder gezielt mittelstechnischer Hilfsmittel gesuchte Funde handelt, son-dern auch für die unbeweglichen archäologischenFunde, also die im Boden vorhandenen archäologi-schen Stratifikationen, die mindestens ebenso wich-tig, wenn nicht sogar weit wichtiger, sind als die be-weglichen Kleinfunde.

Konzeptioniert man, wie bereits oben ausgeführt,im Sinne einer Neuorientierung theoretischer Prä-missen in archäologischer Wissenschaft und Denk-malschutz die Grabung als Informationserhaltungs-maßnahme, deren Aufgabe es ist ursprünglich im Bo-den gespeicherte Information in andere Speicherme-dien, eben die der archäologischen Dokumentation,zu übertragen; und akzeptiert man die Tatsache, dassdie Aufgabe des Denkmalschutzes nicht ist alle histo-rischen Quellen notwendigerweise in ihrer physischenForm zu erhalten, sondern vielmehr geeignete Sym-bole für die öffentliche Erinnerung an historische,künstlerische oder sonstige kulturelle Leistungen derMenschheit zu erhalten; dann folgt auch, dass Gra-bungsgenehmigungen gemäß § 11 Abs. 1 DMSG alsfür nicht denkmalgeschützte Fundstellen nicht mehrerforderlich ersatzlos gestrichen werden können. Diesgilt insbesondere, wenn man die Vorstellung des ex-klusiven Rechts und der exklusiven Kompetenz derarchäologischen WissenschafterInnen archäologischeInformationen auch aufzeichnen zu dürfen und zukönnen, aufgibt und stattdessen darauf setzt, dass mög-lichst viele Personen archäologische Informationenkorrekt zu dokumentieren lernen (und dies in derFolge auch tun).

Statt der Verpflichtung für jede archäologische Aus-grabung, auch auf nicht geschützten Fundstellen, einenur WissenschafterInnen zugängliche Grabungsge-nehmigung zu erhalten, bevor die Grabung rechtmä-ßig durchgeführt werden darf, erscheint es weit sinn-voller „Hobbyarchäologen“, die tatsächlich archäolo-gische Grabungen durchführen wollen, die Beiziehung(vom „Hobbyarchäologen“ dann natürlich auch ent-sprechend zu finanzierender) archäologischer Bera-ter74 ans Herz zu legen. Ein „Hobbyarchäologe“, dertatsächlich eine archäologische Ausgrabung durch-führen will, tut dies gewöhnlich aus historisch-for-schendem Interesse und wird daher gewöhnlich fach-liche Beratung nicht ablehnen, wenn er weiß, wie eran diese kommen kann. Ganz im Gegenteil werdendie meisten „Hobbyarchäologen“, die eine derartigeForschungsgrabung unternehmen wollen, solche Be-ratung sogar suchen,75 schon alleine deshalb, weil die

73 Weil vorhanden müssen sie auch zuvor bereits gewesen sein, weilarchäologische Funde eben nicht von selbst wachsen, damit sieerst jetzt gefunden werden können.

74 So zum Beispiel die Beziehung kommerziell tätiger archäologischerKonsulenten, wie sie ohnehin in Österreich bereits existieren.

75 Natürlich wird dies nicht immer für alle „Hobbyarchäologen“ imgleichen Ausmaß zutreffen und natürlich wird es gelegentlich un-ter diesen „Hobbyarchäologen“ auch solche Personen geben, mitdenen sozial nur schwer umzugehen ist; sei es, weil sie irgend-welche wissenschaftlich sonderbar erscheinenden Theorien un-bedingt beweisen wollen, sei es, weil sie einfach komplizierte Men-schen sind. Dies kann und wird klarerweise zu gelegentlichen Pro-blemen führen. Dennoch ist, auch aus einschlägigen Erfahrungenin Großbritannien abgeleitet, nicht zu erwarten, dass dies die Re-

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meisten derartig interessierten Menschen wohl durch-aus einsehen, dass sie selbst nicht notwendigerweiseüber ausreichende Kenntnisse von Grabungsmetho-den und auch nicht über ausreichenden Zugang zutechnischen Hilfsmitteln verfügen um die erwünsch-ten Ergebnisse zu erzielen.

Gleichzeitig wäre es natürlich auch notwendig dienunmehr bestehenden Grabungsstandards auch öf-fentlich verständlich zu machen, sozusagen darauf auf-bauend ein „Handbuch für Hobbyarchäologen“ zu er-zeugen, das an archäologischen Ausgrabungen inte-ressierten Mitgliedern der Öffentlichkeit die notwen-digen Schritte, die zur Durchführung einer archäolo-gischen Ausgrabung und ihrer adäquaten Dokumen-tation notwendig sind, auch auf leicht nachvollzieh-bare Weise nahe bringt. Das sollte an sich auch über-haupt kein Problem sein, wenn man nicht wie bisherso tut, als ob die Durchführung archäologischer Aus-grabungen eine Geheimwissenschaft sei, die nur ein-geweihte Adepten mit höheren (wissenschaftlichen)Weihen adäquat ausüben könnten; archäologische Gra-bungs- und Dokumentationstechnik ist an und für sichnicht übermäßig kompliziert. Es liegt nur am Willenzur verständlichen Kommunikation mit einer Öffent-lichkeit, die nicht als natürlicher Feind, sondern alsverständiger Partner gesehen wird, nicht als barbari-sche Denkmalszerstörer, sondern als Menschen, de-nen man die notwendigen Fertigkeiten vermitteln kann.Beispiele dafür gibt es zuhauf, von Langzeitarbeitslo-sen, die in vom BDA unterstützten Projekten de factozu Grabungstechnikern ausgebildet werden, bis hin zuGrabungstouristen, die von Vereinen wie der ARGEArchäologie auf Grabungen vermittelt werden und dortselbstverständlich auch graben lernen.

Nichts vom bisher Gesagten macht übrigens ein Ab-gehen von der Meldepflicht notwendig, weder der vonKleinfunden noch der von Grabungen. Das PAS funk-tioniert auch nicht etwa deshalb, weil die Fundmel-dungen freiwillig und nicht verpflichtend erfolgen,sondern es funktioniert deshalb, weil es effektiv kom-muniziert wurde und wird, weil die darin tätigen Wis-senschafter aktiv auf die Öffentlichkeit zugehen unddie wissenschaftlichen Werte vermitteln, die dem PASzu Grunde liegen, und natürlich auch die ErfordernisFunde auch tatsächlich zu melden kommunizieren.Und – siehe da – die Öffentlichkeit versteht das undmeldet vermehrt ihre Funde, sowohl die Melde-pflichtigen als auch die, die es nicht sind. Der Schlüs-sel liegt also nicht in der Meldepflicht, sondern in derKommunikation, warum Meldungen wichtig sind. Ver-steht die Öffentlichkeit, dass die Meldungen wichtigsind, dann wird sie auch melden, gleichgültig ob siedazu gesetzlich verpflichtet ist oder nicht.

Bei Grabungen bedeutet das, dass wenn statt einervorab auf Grund vorgeblich oder tatsächlich ob derwissenschaftlichen Ausbildung des Antragsstellers ge-

gebenen Kompetenz zur korrekten Durchführung derGrabung erteilte Grabungsgenehmigung eine Melde-pflicht eingeführt und anschließende fachliche Kon-trolle der tatsächlich durchgeführten Grabungen er-folgen würde, die Qualität der Dokumentationenebenso, ja sogar besser sichergestellt werden könnte.Denn dann würde neuerlich nicht das theoretischeIdeal, nämlich, dass der Wissenschafter wohl ob sei-ner Ausbildung kompetent sein sollte, sondern diepraktische Qualität der Grabung sichergestellt, waspragmatisch gesehen eine weit bessere Lösung desProblems des adäquaten Schutzes von archäologischenFunden ist.

Alles, was dafür notwendig ist, ist öffentlichkeits-wirksame statt ausschließlich fachinterner Kommuni-kation und Publikation. So zum Beispiel ein editier-tes archäologisches „Denkmalswiki“ oder eine „ar-chäologische Fund- und Fundstellendatenbank“ statt(oder zusätzlich zu) der Publikation archäologischerFunde in einem so obskuren und unerschwinglichteuren Medium wie den FÖ, wie eben im Beispiel desenglisch-walisischen PAS76 für bewegliche Kleinfundeund anderen britischen Versuchen wie z. B. COFLEIN,77

Archwilio78 und vergleichbare online-Datenbanken fürarchäologische Fundstellen. Diese – vor allem wennsie gleichzeitig als Fundmeldesystem nutzbar sind und(verständliche) Anleitungen zur korrekten Durchfüh-rung und Dokumentation von Oberflächenbegehun-gen, Metallsuchen, Fundbergungen von Einzelfundenin der Pflugschicht und archäologischen Ausgrabun-gen bereitstellen – machen nicht nur den Denkmal-und archäologischen Kulturproduktbestand eines Lan-des der Öffentlichkeit bekannt, zugänglich und at-traktiv, sie sorgen gleichzeitig auch für einen besse-ren Schutz archäologischer Funde als Gesetze, diekaum jemand kennt, kaum jemand beachtet und kaumjemand exekutiert, ja die eigentlich gar nicht exeku-tierbar sind.

Beinahe das Einzige, was dazu notwendig ist, istein neuer theoretischer Ansatz zur archäologischenDenkmalpflege und zum Schutz archäologischer Kul-turprodukte, ein Ansatz, der vielleicht in der ideali-sierten Welt der Theorie einen schlechteren, aber inder pragmatisch betrachteten Realität weit besseren,Weg zur Erhaltung der geistigen Werte, die die Mensch-heit hervorbringt,79 darstellt. Dieser Weg mag uns ge-fallen oder nicht, aber darauf kommt es letztendlichnicht an, worauf es ankommt, ist, dass wir das Ziel,

gel darstellen würde, sondern bestenfalls die seltene Ausnahme.Im Sinn einer Kosten-Nutzen- bzw. Gewinn-Verlust-Rechnung istalso davon auszugehen, dass die positiven Folgen die negativenbei weitem überwiegen würden.

76 http://www.finds.org.uk (abgerufen 22.9.2010).77 http://www.coflein.gov.uk (abgerufen 22.9.2010).78 http://www.archwilio.org.uk (abgerufen 22.9.2010).79 Dehio (zit. anm. 3), S. 264.

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das wir erreichen wollen, auch tatsächlich erreichen.Und dieses Ziel ist nun einmal primär die Erhaltungder (wenigstens bis zu ihrer Aufzeichnung) unbe-kannten historischen Information, erst sekundär diedes bereits bekannten Wissens.

DANKSAGUNGEN

Für interessante Diskussionen und Kommentarewährend meiner Forschungen zu diesem Beitrag seiJutta Leskovar, Klaus Löcker, Sonja Prochaska, AlistairSims, Kate Waddington sowie Bernhard Hebert undden Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Gesprächsin Deutschfeistritz herzlich gedankt. Mein besondererDank gilt Wolfgang Seidenspinner für die Übermitt-lung eines seiner mir in Großbritannien nicht zu-gänglichen Artikel, Rene Ployer für die Bereitstellungösterreichischer Fundmeldedaten sowie Michael Lewisfür die Bereitstellung von statistischen Vergleichdatenzwischen PAS und Scottish Treasure Trove.

Über den Autor: Prof. PD Mag.Dr.phil. Raimund Karl ist derzeit Pro-

fessor für Archäologie und Denkmalpflege und Vor-stand des Instituts für Geschichte, walisische Ge-schichte und Archäologie an der Bangor University inNordwestwales, Großbritannien. Als gebürtiger Öster-reicher hat er in Wien Ur- und Frühgeschichte undKeltologie studiert und ist auch an der UniversitätWien für keltische Altertumskunde habilitiert, lehrtund forscht aber seit 2001 großteils in Großbritannien.In den letzten Jahren hat er sich intensiv mit dem ar-chäologischen Arbeitsmarkt, der archäologischenDenkmalpflege und archäologischer Theorie in Ös-terreich auseinandergesetzt.

Diese Forschungen schlagen sich auch in seinenjüngsten Buchpublikationen nieder:

Discovering the Archaeologists of Europe: Österreich(2008), Macht und Ohnmacht des positivistischen Den-kens (2010) und Archäologischer Denkmalschutz inÖsterreich – Praxis, Probleme, Lösungsvorschläge