Zur Polyfunktionalität des Elements \"durch\" in der deutschen Gegenwartssprache
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Helwan Universität
Philosophische Fakultät
Deutsche Abteilung
Zur Polyfunktionalität des Elements "durch" in der
deutschen Gegenwartssprache
Wissenschaftliche Arbeit
zur erlangung des akademischen Grades
"M.A"
Eingereicht an der Deutschen Abteilung
der Philosophischen Fakultät
Helwan-Universität
Vorgelegt von
Amany Shimy Mahmoud Mohamed
Unter Betreuung von
Ass. Prof. Dr. Salah El-Akshar Prof. Dr. Mohamed Mansour
Deutsche Abteilung Deutsche Abteilung
Philosophische Fakultät Sprachen-und Übersetzungsfakultät
Helwan-Universität Al Azhar-Universität
Kairo 2006
3
0. Einleitung
0.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die verschiedenen
semantischen und syntaktischen Funktionen des Sprachelementes durch
in der deutschen Gegenwartssprache. Behandelt werden dabei zwei
Erscheinungsformen, nämlich die Präpositionalgefüge und
Präfixbildungen mit durch.1 Es wird vor allem versucht, diese beiden
Aspekte in ihrer wechselseitigen Beziehung zu erforschen.
Die Arbeit geht davon aus, dass die Herausbildung abtrennbarer
Verbpräfixe häufig auf präpositionale Vorbilder züruckführbar ist, so bei
den Präfixen ab, an-, auf-, aus- u.a.2 Das ist auch der Fall bei den Präfixen
durch-, um-, über-, unter-, hinter- und wider-, die sowohl trennbar betont
als auch untrennbar unbetont vorkommen können. Laurtis Saltveit
charakterisiert die zwischen diesen “Präpositionen und Präfixen”
bestehende Verwandschaft wie folgt:
“Eine funktionelle Verwandtschaft zwischen diesen Kategorien war insofern
immer naheliegend, als sie zum Teil etymologisch eng verbunden sind. In
1 Die Terminologie unterscheidet sich bei den einzelnen Grammatikern. So bezeichnet
Wolfgang Fleischer (1969: 294f.) die Vorsilben sowohl der festen als auch der unfesten
Bildungen als Präfixe, weil er eine Unterscheidung nicht für möglich hält. Das entspricht im
gewissen Maß der Auffassung Erbens. Im Gegensatz dazu betrachtet Motch nur die festen
Bildungen als Präfixe. Die unfesten nennt er Partikeln. Hennig Brinkmann (1962: 229) spricht
bei unfesten Zusammensetzungen aber von “Richtungsadverbien”. Um Missverständnisse
terminologischer Art auszuschließen, benutzen wir in Anlehnung an Fleischer und Erben die
Begriffe trennbare bzw. untrennbare Präfixe. 2 Vgl. dazu Motsch, Wolfgang (1999): Deutsche Wortbildung in Grundzügen. Berlin, New
York: de Gruyter. S.45. Vgl. auch: Ziffonun, Gisela/ Hoffmann, Ludger/ Strecker, Bruno
(1997): Grammatik der deutschen Sprache. Eroms, Hans-Werner/ Stickel, Gerhard/ Ziffonun,
Gisela u.a.(Hg.): In Schriften des Instituts für deutsche Sprache. Bd. 3. Walter de Gruyter.
Berlin. NewYork. S. 2087.
3 Saltveit, Laurits (1973): Präposition, Präfix und Partikel als funktionell verwandte Größen im
deutschen Satz. In: Linguistische Studien 4. Düsseldorf: Schwann. (Sprache der Gegenwart 24),
S. 173.
4 Ebd. S. 174.
4
einigen Fällen stehen sich die Kategorien so nahe, dass bei der Unterscheidung
die Akzentverhältnisse zu Hilfe genommen werden müssen […].”3
Laut Saltveit stellen diese Kategorien einen Zustand dar, “den man in
diachronischer Sicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als den
ursprünglichen angesehen hat, indem man sich in der Sprache Elemente
vorgestellt hat, die eine ausgedehnte Stellungsfreiheit aufweisen und sich
bald einem Substantiv, bald einem Verb anschließen, bald vorne, bald
hinten angehängt werden konnten.”4 Hier weist Saltveit auch auf Fälle
hin, wo eine klare Unterscheidung zwischen trennbaren Präfixen und
nachgestellten Präpositionen (Postpositionen) nicht immer möglich ist,
z.B.:
(1) Er arbeitet die ganze Nacht durch.
(2) Er ist durch den Wald durch gelaufen.
Eine klare Einordnung des unterstrichenen durch bereitet den
Grammatikern bisher noch Schwierigkeiten. Die Meinungen dazu gehen
meist auseinander, so dass eine Präzisierung notwendig ist. Darauf wird
aber später eingegangen.
In der Arbeit stellt sich erst die Frage, ob eine völlige semantische
Übereinstimmung der Elemente “Präposition” und “Präfix” bestehen
könnte. Genauer gesagt: In welchem Zusammenhang bezieht sich das
Präfix auf die Präposition? In welcher Richtung verändert (modifiziert)
das Präfix die Basisverben (Bv.)? Damit hängt auch die Frage zusammen,
ob die Valenzunterschiede abweichende semantische Beziehungen
erfordern müssen. Das wird gleich kurz an folgenden Beispielen erörtert:
(3) Der Zug fährt durch den Bahnhof.
(3a) Der Zug durchfährt den Bahnhof .
(3b) Der Zug fährt durch.
In den Beispielsätzen (3) und (3a) ist immer ein Akkusativ vorhanden; in
(3) ist aber der Kasus von der Präposition durch abhängig, in (3a)
besteht eine unmittelbare Abhängigkeit zwischen der Akkusativgröße
und dem Verb. Grammatisch ist fahren intranstiv, durchfahren transitiv,
4
5
mit anderen Worten hat durch hier transivierend gewirkt. Das Verbum
durchfahren in (3b) ist dagegen intransitiv geblieben.5
Von der Semantik her besteht zwischen der Präpositionalfügung und den
Präfixbildungen eine funktionale Abstufung. So stellt das erste Beispiel
eine Ortsangabe dar, die Präfixbildungen zeigen aber einen
unterschiedlichen Grad der Perfektivierung. Im Gegensatz zu (3a), das
den Blick auf das Ergebnis der Handlung sowie des Vorgangs wirft,
bezeichnet (3b) bestenfalls die Phase der Vollendung, ist aber nicht
resultativ, sondern konklusiv.
Anders verhält es sich bei transitiven Basisverben, z.B.:
(5) Er bohrte den Nagel durch die Wand.
(5a) Er durchbohrte die Wand.
(5b) Er bohrte den Nagel durch.
In (5) hat das Grundverb bereits ein Akkusativobjekt und kann eigentlich
nicht transitiviert werden. Es erhält aber in (5a) durch das Präfix als
Ergänzungen Größen, die beim einfachen Verb nicht möglich sind. So
geht das Direktivkomplement (durch die Wand), das seiner semantischen
Rolle nach lokativ ist, in ein obligatorisches Akkusativkomplement des
Präfixverbs über. In (5b) steht durch in einem deutlichen prädikativen
Verhältnis zur Akkusativgröße. Dieses Prädikat ist semantisch als
resultativ zu verstehen. “Das Ergebnis des Vorgangs kann lauten: Er ist
durch” (Saltveit1973:177).6 Die beschriebenen Erscheinungen sind nicht
immer auf alle Fälle anwendbar. Verben wie lesen, schneiden, die keine
Bewegung, sondern Tätigkeit bezeichnen, erfahren keine Veränderung
5 In vielen Untersuchungen zur Verbgrammatik wird hier “Inkorporierung” durch
Ellipse als mögliches Verfahren zur Gewinnung der trennbaren Präfixbildung aus
dem Präpositionalgefüge angenommen. Saltveit weist ferner darauf hin, dass durch hier
gleichbedeutend ist mit der entsprechenden Präposition plus substantivischem Element,
das, soweit es sinnvoll ist, ergänzt werden kann, also: Präfix = Präposition + x.
Er fügte hinzu (1973:176): “Der Sachverhalt darf nicht so gedeutet werden, als fehlte
im Satz mit Partikel auf der Ausdrucksseite nur eine regierte Größe. Besonders die
prosodischen Verhältnisse zeigen, dass wir es mit zwei grundverschiedenen Fügungen
zu tun haben.” 6 Für solche Sätze gibt es in der Grammatik zahlreiche Interpretationen. Die oben
erwähnte Interpretation ist nur eine von vielen anderen, die meist auseinander gehen.
Darauf wollen wir bei der Behandlung der Bedeutungsgruppen des Präfixes durch-
näher eingehen.
6
ihrer Akkusativgrößen. So behält das Komplexverb durchlesen dieselbe
Akkusativgröße wie lesen.
Wie aus den analysierten Beispielen hervorgeht, verhält sich das
trennbare Präfix syntaktisch grundsätzlich anders als das untrennbare.
Beide können den Wortinhalt der Basisverben beeinflussen.
Man bemüht sich dabei, gewisse Rahmen für die Präfixverben mit durch
zu gewinnen und ihr Verhältnis zu der Präposition zu verdeutlichen.
Dies gilt – meiner Meinung nach – als eine Grundlage zum sprachlichen
Auseinandersetzen mit der Problematik des Trennbarkeits- bzw.
Untrennbarkeitsstatus des Präfixes, für die wir bei den Grammatikern
meist unterschiedliche Auslegungen antreffen. Brinkmann postuliert z.B.
die Vermutung: “Wo feste und unfeste Verbindungen nebeneinander
stehen, hält die unfeste Verbindung mit dem Ton auf dem
Bezeichnungswort, die räumliche Vorstellung fest.“7
Diese Tendenz kann man aber nicht einhalten, vgl. die obigen
Beispielsätze. Andere Ansätze greifen auf die präpositionale Herkunft
des Präfixes zurück, um das Phänomen zu erklären. Die Frage danach,
ob das Präfix die semantischen Merkmale der Präposition aufweist oder
sich erheblich von ihnen entfernt, fasst dieses sprachliche Konzept
zusammen (Semantische Merkmale). Dieses lässt El Akshar deutlich
zum Tragen kommen, indem er sagt: “Das wichtigste Merkmal, nach
dem die Verben in trennbare und untrennbare eingeteilt werden, ist das
der Bedeutung der jeweiligen Präfixe.”8 Ferner verweist er aber zu Recht
darauf, dass es bei der Frage der Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit
sowohl morphologische als auch syntaktische und semantische Kriterien
eine wesentliche Rolle spielen.9
Es wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, dieses
komplexe Phänomen zu erörtern und dafür eine plausibel begründete
Erklärungsmöglichkeit zu finden.
7 Brinkmann, zitiert nach: Kühnhold, Ingeburg/Wellmann, Hans (1973): Deutsche
Wortbildung. Typen und Tendenzen in der Gegenwartssprache. Erster Teil: das Verb,
Padagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf, S. 251. 8 Vgl. El Akshar, Salah: Lokalität und Deutschunterricht. Kairo 1995/1996. S. 27.
9 Vgl. ebd.
7
0.2 Zum Forschungsstand der Arbeit
In seinen vielen relevanten Artikeln über die deutschen
Präpositionen richtet Jochen Schröder stets das Augenmerk auf die
Notwendigkeit solcher Erforschungen. Bei ihm heißt es z.B.:
“Es ist wohl so, dass man den Geltungsbereich einer Präposition allmählich in
Erfahrung bringt, und zwar in fortwährender geheimer Abgrenzung gegen
andere Präpositionen – ein Vorgang, der einem selbst selten bewusst wird […].
Diese Möglichkeit, den Gebrauch einer Präposition im Zuge der Anwendung
allmählich in Erfahrung zu bringen, hat der Deutsch als Fremdsprache Lernende
nicht in dem Maße.”10
Diese tiefgreifende Relevanz der Präpositionen lässt sich besonders
durch die Tatsache nachweisen, dass die 100 häufigsten deutschen
Präpositionen – darunter natürlich durch – 60% jedes beliebigen Textes
ausmachen. Das ist auch der Fall bei den Präfixen. Sie haben für den
Fremdsprachenunterricht demnach einen großen Wert, besonders weil sie
eine für das Deutsche typische Spracherscheinung darstellen, deren
annähernde Entsprechung häufig in den anderen Sprachen – auch im
Arabischen - schwer zu finden ist. Das komplizierte, differenzierte
System der Präfixe lässt daher meist eine Fehlleistung bei der
Anwendung auftreten. Zugriff auf ihre Herkunft – hier ist die
präpositionale Herkunft gemeint – kann sie aber verständlich machen.
Solchen Untersuchungen, die sich mit diesem Ansatzpunkt beschäftigen,
wird leider verhältnismäßig wenig Platz eingeräumt.
Das ist bei dem Element durch bemerkbar, das besonders während der
70er und der 90er Jahre im Mittelpunkt der linguistischen
Auseinandersetzung steht. Es wurden viele Abhandlungen zu seinen
verschiedenen Aspekten angestellt. In dieser Arbeit wird aber der
10
Schröder, Jochen (1973): Wege zur Untersuchung von Interferenzerscheinungen
zwischen polnischen und deutschen Präpositionen und einige Ergebnisse. In: Deutsch
als Fremdsprache 6. S. 349.
8
Zusammenhang zwischen den Sprachmitteln Präposition und Präfix
akzentuiert. Dieser ist bisher nicht genügend konzeptualisiert, ungeachtet
des kleinen Beitrags “Laufen + ... durch oder durchlaufen?”, in dem
Andresen und Bahr auf Fälle hinweisen, wo klare Grenzen zwischen den
Präpositionalgefügen mit durch und den entsprechenden Präfixbildungen
fehlen. In diesem Artikel haben Andresen und Bahr zwar keine Lösung
zur Abrenzung solcher Fälle gefunden, haben aber viele Fragen
aufgeworfen, die die Diskussion um dieses Problem entfachen. Versuche
der Grammatiker, eine Deutung zu finden, fallen meist – wie wir später
erklären – unterschiedlich aus. Dies kann man näher erkennen, wenn man
Engelens Beitrag “Zum Status des Elements 'durch' in Sätzen wie 'er ist
durch den Wald durchgelaufen” mit den Arbeiten von Olsen und
Šimečkova vergleicht.11
In Kaufmanns Abhandlung “Semantische und konzeptuelle Aspekte der
Weg-Präposition durch” zum Beispiel findet die Semantik der
Präposition und Präpositionalphrase mit durch verstärkt Interesse, wobei
allerdings meist ihre lokale Verwendung analysiert wird.12
Im ähnlichen
Rahmen befasst sich Susuan Olsen mit dem lokalen Gebrauch dieser
Präposition und vergleicht zwischen Direktivkonstruktionen wie “durch
den Park durch” und “zum Bahnhof hin”. Den nicht-räumlichen
Funktionen der Präposition durch räumt man auch einen großen Platz bei
der Behandlung ein. Otto Behagel vergleicht zum einen zwischen durch
und infolge und beschäftigt sich grundsätzlich mit den Divergenzen der
kausalen Verwendung. In ihrer Arbeit “Die Funktion der
Präpositionalphrasen mit durch im Rahmen der kausativen Struktur”
geht Ingemar Presson auf die Rolle von durch in den Kausalsätzen im
Einzelnen ein. Zum anderen interessieren Brow die semantischen
Merkmale von durch, mit und von in den Passivsätzen.
Parallel dazu werden auch die Präfixbildungen mit durch- intensiv
bearbeitet. An erster Stelle sei die Lundner Dissertation “Die Verbal-
zusammensetzungen mit durch“ zu erwähnen, in der Kjellmann als erster
11 Vgl. Olsen, Susan (1999): Durch den Park durch, zum Bahnhof hin. Komplexe
Präpositionalphrasen mit einfachem direktionalem Kopf. In: Wegener, Heide (Hg.):
Deutsch kontrastiv. Typologisch vergleichende Untersuchungen zur deutschen
Grammatik. Tübingen: Stauffenburg. (Studien zur deutschen Grammatik 59), S. 111-
134. 12
Vgl. Kaufmann, I (1990): Semantische und konzeptuelle Aspekte der Weg-
Präposition durch. In: Kognitionswissenschaft 1, S. 15-26.
9
eine ausführliche Darstellung für Funktionen des Präfixes durch- liefert.
Im letzten Teil des Bandes “Deutsche Wortbildungstypen und Tendenzen
in der Gegenwartssprache“ verschafft Kühnhold eine Übersicht über die
verschiedenen Funktionen des Präfixes durch-. Sie versucht, anhand von
Statistiken aufzuzeigen, wie produktiv es bei gewissen
Bedeutungsvarianten ist. Zur Illustration der einzelnen Gruppen führt
Kühnhold Beispiele an, ohne theoretische Erklärungen dafür zu geben.
Man findet neben diesen umfassenden Arbeiten auch diejenigen, die sich
auf bestimmte funktionelle Perspektiven des Präfixes durch- beziehen.
Dazu gehören z.B. die Ansätze Benwares “Stress on particle verbs with
durch in Modern German” und Horlitz “Valenz und Bedeutung bei den
mit durch verbundenen Verben“ . In seiner Abhandlung “Trennbarkeit
und Nichttrennbarkeit bei den deutschen Partikelverben mit durch und
um” rückt Eroms nur die umstrittene Problematik der
Trennbarkeit/Untrennbarkeit in den Vordergrund.
Die Arbeit bedient sich außerdem einer Reihe von Untersuchungen, bei
denen Abgrenzung der Präposition von den Präfixen zum Tragen kommt.
Darauf zielt John Ole Askedal mit seiner Abhandlung “Postposition,
Präpositionalverb oder Präfix? Zum Status der sog. 'trennbaren
Verbpräfixe“ (1985) ab. Diesen Titel trägt auch die Arbeit Werner
Abrahams, die fünf Jahre später veröffentlicht wurde. Im Gegensatz dazu
setzt Laurits Saltveit voraus, dass die Größen Präposition, Präfix und
Partikel funktionell verwandt sind. Für ihn beschränkt sich diese enge
Beziehung nicht nur auf die trennbaren oder die sowohl trennbar als auch
untrennbar vorkommenden Präfixe, sondern bezieht auch feste Präfixe
ein, z.B.: vor (dem Haus) - vor(stehen) - ver(stehen); in (der Stadt) –
empfangen - ein(gehen); bei (der Tür) - be(stehen) - bei(stehen). Durch
Lautvorgänge verschiedener Art wird jedoch die etymologische
Verwandschaft solcher Fälle verschleiert.
Besondere Relevanz für eine derartige Forschungsthematik gewinnen
auch die Beiträge Abusamras. Sie behandelt eine Reihe von Präfixen, die
für die Gegenwartssprache wichtig sind. Davon nennen wir die
Untersuchungen: “Verben mit ein-“ (1987), “Verben mit um-, herum und
umher“ und ihre Dissertation „Funktionen der Elemente ober und über-,
nieder- und unter- in der Wortbildung der deutschen
Gegenwartssprache” (1971). In erster Linie berücksichtigt Abusamra die
sowohl trennbar als auch untrennbar vorkommenden Präfixe. Ein
Versuch zur Abgrenzung der in diesen Arbeiten behandelten Präfixe von
10
den meist mit ihnen verwechselten Wortbildungselementen, die als freie
Morpheme auftreten können, ist hier auch spürbar. Neben der
Wortbedeutung und der semantischen Distribution berücksichtigt
Abusamra die morphologischen und syntaktischen Merkmale der Präfixe.
Sie ist der Meinung, dass man eine Sememanalyse für die Bildungen mit
dem zu untersuchenden Wortbildungselement vornehmen müsse, um die
feinen Unterschiede zwischen den Bedeutungsgruppen - besonders den
nebeneinander stehenden - hervorheben zu können, was zur exakten
Sememgliederung polysemer Einheiten führt .13
0.3 Methode der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Die Einleitung
- nullnumeriert - gibt einen kurzen Überblick über das Ziel, den
Forschungsstand und den Aufbau der Untersuchung.
Im ersten Kapitel werden theoretische Voraussetzungen zu dem
Zusammenhang zwischen Präpositionen und Präfixen angeführt.
Anschließend wird versucht, einen semantischen und syntaktischen
Klassifizierungsansatz für den Begriff Präposition im Deutschen
herauszubilden. Dabei werden lokale, temporale und kausale
Präpositionen mehr in Betracht gezogen als die anderen
Präpositionstypen. Termini wie Topologie, Direktionalität und
Wegstreckenordnungen erweisen sich in diesem Zusammenhang als
notwendig.
Kapitel 2 und 3 bilden den Hauptteil der Arbeit. Im zweiten Kapitel
werden Funktionen der Präposition durch detailliert behandelt. Die
Analyse wird dabei auf einer morpologischen, syntaktischen und einer
semantischen Ebene vorgenommen. Der Präposition selbst sind drei
Bedeutungsgruppen zuzuweisen, nämlich die lokale, temporale und
kausale Bedeutung. Ihre Rolle in den Passivsätzen wird zusätzlich
besprochen.
11 Vgl. Abusamra, Farida Muhammed.: Verben mit ein-. Kairo 1982. S. 22.
11
Im dritten Kapitel werden Funktionen des Präfixes selbst und dessen
Bedeutungsgruppen im Einzelnen behandelt. Die Präfixverben werden in
lokale, temporale und aktionale Hauptgruppen klassifiziert, die nach den
Kategorien „trennbar“ und „untrennbar“ eingeteilt werden können. Es
werden dabei Beziehungen des Präfixes zu der Präposition besprochen.
Die Valenzänderung, die entsprechend der semantischen Modifizierung
häufig in Erscheinung tritt, wird durch Beispielsätze
erörtert, die Fachlexika, verschiedenen literarischen Texten und der
Presse entnommen wurden. Am Schluss des Kapitels wird eine
tabellarische Übersicht über die Bildungen mit dem Präfix beigefügt.
Damit wird der Versuch unternommen, den Bestand der Präfigierungen
mit durch- als Ganzes darzubieten.
Im vierten Kapitel werden Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Das
letzte Kapitel bildet das Literaturverzeichnis.
12
1. Allgemeines
1.1 Theoretische Voraussetzungen
In diesem Kapitel werden die theoretischen Standpunkte
angesprochen, die zur Beleuchtung der Ausgangssfragen dieser Arbeit
beitragen, nämlich:
1) Wann kann ein Präfix eine Präpositionalphrase ersetzen?
2) Ist das semantisch oder syntaktisch bestimmbar?
3) Welchen Einfluss hat das auf die Argumentstruktur des Ausgangs-
satzes?
Für viele Grammatiker stellt die historische Dimension einen wichtigen
Ausgangspunkt zur Rechtfertigung der Alternationsbeziehung zwischen
den Präfixverbkonstruktionen und den Präpositionalphrasen dar.14
Ihr
Augenmerk gilt Pauls (1920) und Henzens (1965) Aussagen, die dem
Präfix und der Präposition einen gleichen Ursprung nachweisen und sie
auf frühere Ortsadverbien zurückführen. Diese hatten erst im Satz
völlige Stellungsfreiheit, und ihr semantischer Inhalt bezog sich auf den
ganzen Satz. Später neigten diese Adverbien dazu, ihre Unabhängigkeit
aufzugeben und wurden entweder der Nominalgruppe als Präpositionen
oder dem Verb als Präfixe zugeordnet. Bei Paul heißt es z.B.:
14
Siehe hierzu: Lüdling, Anke (2001): On particle verbs and similar constructions in
German. Stanford: CSLI Publications, S. 117f. Siehe außerdem: Olsen, Susan (1996):
Partikelverben im deutsch – englischen Vergleich. In: Lang, E./ Ziffonun, G. (Hrsg.):
Deutsch-Typologisch. Berlin/ New York. De Gruyter Verl. S. 262. Außerdem:
Bouillon, Henri (1984): Zur deutschen Präposition “auf“. Gunter Narr Verl. Tübingen. S. 7f. und Ziffonun/Hoffmann/Strecker (1997: 2087).
13
"Die älteste Schicht der Präpositionen geht zurück auf Ortsadverbia. Diese
traten ursprünglich nur zu Verben. Stand noch ein Kasus daneben, so war
dieser eigentlich vom Verb abhängig, das Adverb diente nur zu genauerer
Bestimmung des im Allgemeinen schon durch den Kasus bezeichneten
Raumverhältnisses. Von hier aus war eine doppelte Entwicklung möglich.
Entweder schloß sich das Adv. näher an das Verbum an und so entstanden die
festen und unfesten Verbalzuss., oder das Adv. ging eine engere Verbingung
mit einem Kasus ein und wurde so zu Präposition. […] weiter sind zu dem
älteren Bestand im Ahd. noch hinzugekommen hinter, gegen, nach sowie auf
und aus, die im Got. nur als Adverbia gebraucht werden."15
Dies trifft vor allem auf 1) ab, an, auf, aus, bei, ein, nach, vor, zu und
2) durch, über, um, unter, wider zu.16
In den letzten drei Jahrzenten herrscht außerdem - was besonders in der
Nachfolge der Rezeption von Bakers (1988) Inkorporationstheorie
bemerkbar wird - ein "Syntaktisierungstrend" in der Wortbildung, der
zumindest bei einer nicht geringen Anzahl von Forschern die
Syntaxtheorie zu der fast alleinigen theoretischen Richtung innerhalb der
Wortbildung gemacht hat. So wurde und wird noch festgestellt, dass
Präfixverbkonstruktionen am ökonomischsten als das Ergebnis von auf
"Präpositional-und Verbköpfen" wirkenden syntaktischen Prozessen zu
erklären sind. Wunderlich beschreibt die Wortbildungserscheinungen
einfach so:
" (1) A local verb (position or movement verb) can take a local prefix.
This lexical rule parallels the syntax rule (2):
(2) A local verb can take a local prepositionalphrase.
Is there any systematic relationship between these Processes?
A movement verb such as intransitive gehen or transitive ziehen has, in
addition to its local meaning several idiomatic readings. One might now
presume that prefixing with a local preposition or adverb preserves the local
15 Paul (1920), zitiert nach: Lindquist, Christer (1994): Zur Entstehung von
Präpositionen im Deutschen und Schwedischen. Tübingen, S. 45f. 16 Vgl. Zeller, Jochen (1997): Particle Verbs and local domains. John Benjamins
publishing company. Amesterdam/Philadalphia. S. 5, Lüdling (200: 10).
14
meaning, i.e. prevents idiomatization. But this is obviously not the case. A
prefix verb such as intransitive eingehen, ausgehen, untergehen or transitive
aufziehen, abziehen, umziehen may be just as polysemous as the simplexverb;
however, in many cases it has only a non-local idiomatic meaning."17
Wunderlich bestätigt also den Zusammenhang zwischen dem Präfix und
der Präposition, gesteht ein, dass die letztere eine Grundlage für die
Präfixverbbildungen - besonders für die trennbaren produktiv, wie er an
einer anderen Stelle erwähnt18
- sein kann, fügt aber hinzu, dass sich
daneben auch viele idiomatische Bildungen befinden, so dass das
Verhältnis im Einzelnen nicht immer leicht durchschaubar ist. Diese
unvermeidliche Idiomatisierung ist aber durch einen weiteren Prozess
aufhebbar, nämlich die zusätzliche Präfigierung mit her- und hin-, die
eine transparente lokale Bedeutung ergibt.19
Diesem Punkt wollen wir
nicht weiter nachgehen, sondern uns den wesentlichen Prozessen
zuwenden, die die Alternation bewirken. Als Beispiele mögen uns die
folgenden Sätze dienen:
(1a) Er fährt durch den Park.
(1b) Er durchfährt den Park.
(1c) Er fährt durch.
(2a) Sie zieht ein Laken über das Bett.
(2b) Sie überzieht das Bett (mit einem Laken).
(2c) Sie zieht ein Laken über.
(1a) und (2a) enthalten ein intransitives bzw. transitives Bewegungsverb
mit einer lokalen Präpositionalphrase, (1b) und (2b) umfassen ein
untrennbares, (c) hingegen ein trennbares Präfixverb. Die
Präpositionalphrase bezeichnet eine zweistellige Relation und verfügt
daher über zwei Argumente, ein externes und ein internes Argument.
Auf unsere Beispielsätze angewandt gilt er in (1a) bzw. Laken in (2a) als
das externe Argument, Park bzw. Bett als das interne Argument der
17 Wunderlich, Dieter (1983): On the compositionality of german prefixverbs. In:
Meaning use and interpretation of language. Walter de Gruyter. Berlin/New york, S.
452. 18 Vgl. auch dazu Olsen, Susan (1995a): Über Präfix- und Partikelverbsysteme. In:
FAS Papers in Linguistics 3, S. 122. 19 Wunderlich, D. (1985): Raum, Zeit und das Lexikon. in: Schweizer, Harro (Hg.),
Sprache und Raum. Stuttgart, S. 81f.
15
Präposition durch bzw. über. Bei der Bildung der untrennbaren
Präfixverben kommt es vor allem zu einer systematischen
Argumentrestrukturierung. Das interne Argument der Präpositional-
relation wird in das Simplexverb integriert. Konsequenz dieser
Kombinationsart liegt darin, dass die Präpositionalphrase mit durch und
über zum direkten Objekt des Präfixverbs wird. Das ursprünglich direkte
Objekt (Bett) – selbstverständlich im Falle der transitiven
Simplexverben - verliert dabei seinen Status als direktes Objekt und
wird verdrängt. Es kann durch die Präposition mit angeschlossen
werden. Man spricht in diesem Fall von Argumentvererbung, d.h das
interne Argument der Relation wird auf das neue Verb vererbt.20
Der
ganze Prozess lässt sich mittels funktionaler Komposition
(= Inkorporierung einer zweistelligen Präpositionalrelation in die
Verbbedeutung) erklären.21
Semantisch gesehen verbindet sich mit diesem Prozess eine holistische
Interpretation, d.h. das lokale Objekt wird als Ganzes von der Handlung
betroffen. Das ist erkennbar an den Beispielsätzen (1a) und (1b), die aus
Wunderlich stammen und die er wie folgt interpretiert:
In (1a) " it may be any section of a path", in (1b) dagegen " it must be a
maximal path, i.e., a path that intersects a relevant part of the park", "
the way the person traces is included in the set of paths which lie fully
inside the park."22
Diese Auffassung teilt Olsen mit Wunderlich. Sie zeigt, dass die
Bewegungsverben mit Präpositionalphrase eine neutrale Gewichtung im
Verhältnis des modalen und vitalen Aspektes aufweisen. Das Verb selbst
denotiert den Bewegungsmodus (fahr / zieh), während seine direktionale
Ausrichtung durch die Präpositionalphrase ergänzt wird. So denotiert die
direktionale Präposition in (2a) z.B. eine Relation, die darin besteht, dass
das externe Argument innerhalb der über-Region des internen
Arguments lokalisiert wird. Aus der Inkorporierung der lokalen
Präposition in das Bewegungsverb resultiert eine "Fokussierung" des
20 Vgl. Olsen, Susan (1996a): Pleonastische Direktionale. In: Harras, Gisela/ Bierwisch,
Manfred (Hgg.): Wenn die Semantik arbeitet: Klaus Baumgärtner zum 65. Geburtstag.
Tübingen: Niemeyer, S. 309; Wunderlich, D. (1984): Zur Syntax der
Präpositionalphrasen im Deutschen. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 3, S. 95,
Wunderlich (1983: 83). 21 Vgl. Olsen (1996: 266).
22 Wunderlich (1983: 459).
16
vitalen und eine entsprechende Abschwächung des modalen Aspektes.23
Bei den trennbaren Präfixverben geht es aber – laut Olsen – umgekehrt,
d.h. der modale Aspekt übertrifft den vitalen. Das ist auf eine andere
Integrationsart der Präpositionalrelation in die Verbbedeutung
zurückzuführen. Hier geht es nicht um Argumentvererbung, sondern um
Argumentsättigung: Das Präfix ersetzt eine ganze Präpositionalphrase
und reduziert somit die Argumentstruktur des Verbs um eine Stelle. Aus
zweistelligem fahren wird einstelliges durchfahren, aus dreistelligem
ziehen wird zweistelliges überziehen. Das externe Argument der
Präposition bleibt erhalten, das interne aber implizit. Dieser Prozess lässt
sich mit Hilfe der funktionalen Applikation (= Inkorporierung einer
einstelligen Präpositionalrelation in die Verbbedeutung) illustrieren.24
Semantisch ist das implizite Argument stereotypisch, aus dem Kontext
erschließbar, und das gilt als Voraussetzung für Substituierung der
Präpositionalphrase durch das trennbare Präfixverb.25
Dieses ist daher
nur dann ein gültiger Ersatz, wenn es in einem eindeutigen Kontext
völlständige Information bietet. Ist das nicht der Fall, so muss eine mit
der Präfixbedeutung kongruente, vollständige Präpositionalphrase
eingeführt werden, die das bei der Präfigierung implizit gelassene
Argument "explizit-syntaktisch" zum Ausdruck bringt26
, vgl. z.B.:
(3) Sie band sich eine Schürze um. (um ihre Taille)
(4) Der Schuster legt ihm neue Sohlen ein. (in die Schuhe)
23 Vgl. Olsen (1996a: 314).
24 Vgl. Olsen, Susan (1997): Zum Status der Kategorie Verbpartikel. In: Beiträge zur
Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 119, S. 10, Olsen (1995a: 129),
Wunderlich (1984: 95), Zeller (1997: 154), Lüdling (2001: 29). 25 Olsen weist in diesem Zusammenhang auf Wunderlichs wichtige Beobachtung hin,
die kurz besagt, dass die Form des Verbs von der Stereotypizität des präpositionalen
Komplementes abhängt. Von Präpositionen mit stereotypischen Komplementen werden
trennbare Präfixverben gebildet. Bei nichtstereotypischen Präpositionalkomplementen
ist dagegen die Bildung der untrennbaren Präfixverben möglich. Vgl.:
1) Der Rhein flutet über seine Ufer. 2) Der Rhein flutet über die Felder/die Straßen.
3) Der Rhein flutet über.
4) Der Rhein überflutet die Felder/ die Straßen.
5) * Der Rhein überflutet seine Ufer.
Die Präposition über in (1) enthält ein stereotypisches Komplement. Pragmatisch
gesehen ist dieses aber in (2) weniger erwartbar. Aus (1) ergibt sich daher das trennbare
Präfixverb in (3), aus (2) das untrennbare in (4). Das untrenbare Präfixverb in (5) ist
aber unakzeptabel.
26 Vgl. Olsen (1996: 268).
17
(5) Sie legt das Blatt (auf den Kopierer) auf .27
(6) Sie leimte die abgebrochenen Figuren wieder (in die Vase) ein.
Andererseits kann das implizite Argument der Präposition als
Dativobjekt des Verbs auftauchen, vgl.:
(7) Sie wickelte eine breite Schärpe um die Puppe.
(7a) Sie wickelte der Puppe eine breite Schärpe um.
Diese Explizierungsmöglichkeit kommt aber nicht häufig vor. Sie
unterliegt starken Beschränkungen, die ganz offensichtlich mit
Restriktionen des Gebrauchs vom Dativ als Kasus zusammenhängen28
,
vgl.:
(8) Sie legen Blumen um das Grab.
(8a) *Sie legen dem Grab Blumen um.
Zusammenfassend erklärt Olsen den Unterschied zwischen den
untrennbaren und trennbaren Verben einfach mit den Worten:
"Wird in einer bestimmten Situation eine präpositionale Relation gewählt, die
als internes Argument ein semantisch nicht prädiktables Denotat hat, so wird
diese Relation in ihrer vollständigen Ausführung mittels funktionaler
Komposition in die Verbbedeutung integriert. Funktionale Komposition
bewirkt, dass das interne Argument der Relation auf das neue Verb vererbt
[…]. Auf diese Weise entsteht ein Präfixverb. Deckt sich andererseits der
Inhalt der internen Stelle der präpositionalen Relation mit einer Informtion, die
entweder der verbalen Bedeutung oder aber der pragmatischen Situation
entnommen werden kann, so wird diese Stelle ihrer Redundanz wegen im
27 Wie in der Einleitung geklärt wurde, handelt es sich in diesen Beispielsätzen um
semantisch ambige Sätze. Das zweite Vorkommen von durch ist von den Grammatikern
unterschiedlich interpretiert. Es könnte entweder ein trennbares Präfix sein oder eine
Präposition, die innerhalb einer komplexen Präpositionalphrase in einer adverbiellen
Funktion erscheint, vgl. Olsen, Susan (1998): Verbpartikel oder Adverb? In: Rehbein,
Joachim Redder, Angelika (Hgg.): Mentale Prozesse und Grammatik. Tübingen:
Niemeyer, S. 224, Andresen, Henriette/Bahr, Joachim (1977): Laufen + ... durch oder
durchlaufen? In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 5, S. 218f., Olsen (1997:1f.).
Im dritten Kapitel wird diese Problematik detailliert erörtert.
28 Vgl. Olsen (1996: 272).
18
Lexikon existentiell geschlossen mit der Folge, dass sie nicht vererbt wird. In
diesem Fall wird ein Partikelverb abgeleitet."29
Mit den beiden Prozessen versuchen die Grammatiker eine produktive
Regularität für die komplexen Verbbildungen zu skizzieren. Es muss
aber betont werden, dass sie nicht auf alle Fälle im Deutschen
zutreffen.30
Sie finden - wie später bei detailierter Behandlung des
Präfixes durch- geklärt wird - beschränkte Verwendung. Vgl.:
(9) Sie setzten einen Marmorblock unter die Büste.
(9a) * Sie untersetzten die Büste mit einem Marmorblock.
(9b) Der Wald ist mit Sträuchern untersetzt. (idiomatisch)
(10) Die Äpfel sind vom Baum gefallen.
(10a) Die Äpfel sind abgefallen.
(11) Die Puppe ist vom Schrank gefallen.
(11a) * Die Puppe ist abgefallen.
Man bemerkt, dass diese Prozesse die Fälle nicht berücksichtigen, in
denen sich die trennbaren und untrennbaren Verben syntaktisch nicht
unterscheiden lassen, vgl.:
(12) Er bohrt die Wand durch.
(12a) Er durchbohrt die Wand.
29 Olsen (1996: 273f.).
30 Vgl. oben S.12f.
19
1.2 Klassifizierung der Präpositionen im Deutschen
1.2.1 Kurzer Überblick
Historisch geht der Terminus “Präpositon” auf das lateinische
Wort “prae-positio” zu lat. “prae-ponere” zurück.31
Dieses bedeutet
soviel wie “voranstellen, voransetzen”. Es nimmt also Bezug auf die
Position der Präposition, bietet jedoch keine genauen Angaben in
diesem Zusammenhang, denn die Präpositionen können nicht nur vor,
sondern auch hinter ihren Bezugswörtern oder wie eine Klammer um
sie herum stehen.
Die Präpositionen verfügen über zahlreiche morphologische,
syntaktische und semantische Eigenschaften, die dieser Wortart gewisse
Charakteristika verleihen. Präpositionen wie z.B. aus, durch, nach,
aufgrund, betreffs, dank, ungeachtet stellen nicht flektierende und nicht
satzgliedfähige Ausdrücke dar, die – auch entsprechend ihrer Funktion
als Wortart innerhalb der Fügewörter – Gegenstände oder Sachverhalte
in eine spezifische inhaltliche Beziehung zueinander setzen, z.B. eine
räumliche (die Blumenbank vor dem Fenster), kausale (zitternd vor
Angst), zeitliche (vor einigen Jahren gestorben sein) u.a.32
Im
Unterschied zu anderen Varianten der Fügewörter (Konjunktionen)
stellen die Präpositionen hingegen Kasusforderungen an ihre
Bezugswörter (Ausnahme: Präpositionen ohne Kasus) .33
31
Vgl. Duden-Herkunftswörterbuch (2001) Bd. 7, S. 626. 32
Es herrscht jedoch noch Unklarheit über die Fälle mit Präpositionalobjekten. Das
Verhältnis, das die Präposition bei solchen Objekten bezeichnet, bleibt undeterminiert.
Viele Grammatiker sprechen der Präposition in diesem Fall den semantischen Wert
völlig ab. Ihrer Auffassung gemäß sei die Präposition nicht mehr als lexikalische
Einheit mit eigener Bedeutung, sondern nur als “Präpositionalkasus” wahrzunehmen
(vgl. hierzu Duden-Grammatik (1998:383), Eisenberg (1999:190ff.), Engelen (1975:95),
Schröder (1986:18ff). Bouillon (1984:91) ging aber von der Annahme aus, dass die
Okkurenz der Präposition nach den sie fixierten Elementen (Verb, Substantiv, Adjektiv)
nicht willkürlich ist. “Die Präposition wiederholt oder spezifiziert in diesem Fall eine
Bedeutung, die schon im Verb, Adjektiv oder Substantiv vorhanden ist.” Faisa Abd Er
Rahman (1986:18) vertritt einen ähnlichen Standpunkt, gibt aber manchen
Präpositionalobjekten einen Adverbialcharakter. 33
Näheres zu Unterschieden zwischen Präpositionen und Konjunktionen, siehe: Di
Meola, Claudio (2000): Die Grammatikalisierung deutscher Präpositionen. Stauffenburg
Verl. Tübingen, S. 36f und 52ff, Helbig/Buscha (200: 351), Bouillon (1984: 5f.).
20
Aufgrund dieser Kriterien werden im Folgenden die verschiedenen
syntaktischen und semantischen Funktionen der Präpositionen
detailliert besprochen. Da Entstehung und Entwicklung dieser
Wortklasse meist syntaktisch und semantisch wirken34
, wird erst auf
Wortstruktur der Präpositionen hingewiesen.
1.2.2 Morpho- syntaktischer Aspekt
1.2.2.1 Bestand der Präpositionen
Die Präpositionen bilden keine homogene, völlig
abgeschlossene Klasse. Es wird jedoch gewöhnlich zwischen zwei
Gruppen unterschieden:
1) den älteren Präpositionen, die den Kernbestand der Klasse bilden.
Dazu gehören ab, an, auf, aus, bei, bis, durch, für, gegen, hinter, in,
mit, nach, neben, ohne, seit, um, unter, von, vor, zu und zwischen.
Historisch gehen diese Präpositionen auf Adverbien, meist auf lokale
Adverbien zurück. So haben das Adverb vorn und die Präposition vor
gemeinsam die Adverbialwurzel forna des Ahd. Aus den alten
Adverbien entwickelt sich meistens - wie bereits gesagt - auch eine
gleichlautende Verbpartikel35
, so haben wir z.B. Sie legt Futter vor das
Tier neben Sie legt dem Tier Futter vor; Er schlägt ihm die Zähne aus
dem Mund neben Er schlägt ihm die Zähne aus usw. Dadurch trägt die
Austauschbarkeit der Simplex- und Präfixverben größtenteils zur
Erweiterung des deutschen Sprachgebrauchs bei. Unter 1.1 wurde dies
ausführlicher besprochen.36
2) den jüngeren Präpositionen, die den festen Bestand der älteren
Präpositionen erweitern durch bestimmte Grammatikalisierungs- und
Wortbildungsverfahren. Dabei handelt es sich um:
34
Mansour, Mohammed Ahmed (1982): Zu semantischen und syntaktischen Problemen
der Präpositionen im Deutschunterricht für Araber. Unter besonderer Berücksichtigung
der lokalen Präpositionen (Unveröffentlichte Magisterarbeit). Kairo, S. 13. 35
Vgl. Duden-Grammatik (1998: 375), Eisenberg (1999: 190), Mansour (1982:14ff.). 36
Vgl. auch unten S. 44ff.
21
a) Klassenübertritte, d.h. Übergang anderer Wortarten (Substantive,
Verben) in die Klasse der Präpositionen, z.B. Päpositionen aus Nomina
(dank, kraft, laut), aus Adjektiven (gleich, unweit) und aus Partizipien
(ausgenommen, ungeachtet, entsprechend, während);
b) Ableitungen von Wörtern anderer Wortarten (vor allem mit Suffix –s
oder –lich), z.B. mittels, namens, zwecks, abzüglich, anlässlich,
hinsichtlich;
c) Zusammensetzungen aus Präposition + Substantiv, z.B. anstelle,
aufgrund, infolge, mithilfe, zufolge. Einige Zusammensetzungen kommen
jedoch auch als Wortgruppen vor: an Stelle, auf Grund, mit Hilfe;
d) Präpositionalphrasen, z.B. in der Nähe, in Bezug auf, im Gegensatz
zu, zum Zwecke.37
Dabei unterscheidet man solche Präpositionalphrasen,
die aus Präposition + Nominalphrase + Präposition, z.B. im Gegensatz
zu, mit Rüchsicht auf, und die aus Präposition + Nominalphrase wie zum
Zwecke, in Form (von) bestehen. Wie an dem letztgenannten Beispiel zu
sehen ist, kann die zweite Gruppe in Kombination mit von +
Nominalphrase als Genitivsatz erscheint.
Angesichts der Unterschiedlichkeit in der Wortstruktur verhalten sich die
Präpositionen der älteren und jüngeren Schicht syntaktisch auch
unterschiedlich:
a) Präpositionen der älteren Schicht regieren gewöhnlich den Akkusativ
oder den Dativ bzw. die beiden Kasus, Genitivrektion ist hingegen
typisch für die jüngeren Präpositionen.
b) Die älteren Präpositionen kommen in Präpositionalphrasen (PP) als
Adverbial, Objekt und Attribut, die jüngeren nur in Adverbialen und
Attributen vor.38
Bei Funktionsverbgefügen treten fast nur die älteren
Präpositionen auf, vor allem in und zu, in ganz wenigen Fällen auch an,
auf, unter und außerdem.39
Ähnliches gilt auch für das Prädikativum, bei
37 Hier wäre zu beachten, dass sich die Präpositionsartigen Präpositionalphrasen von
den freien syntaktischen Kombinationen erheblich unterscheiden. Bei ihnen fehlt in der
Regel die Möglichkeit der Variation eines Gliedes (im /*beim Lauf vs. im / beim
Langstreckenlauf) und die Möglichkeit der attributiven Erweiterung (*im Späten Lauf
vs. im späten Langstreckenlauf). Näheres dazu siehe Di Meola (2000: 28: 103f.). 38
Vgl. Eisenberg (1999: 189f.), Schröder (1986: 19), Helbig/ Buscha (2001: 354f.). 39
Vgl. Eisenberg (1999: 197).
22
dem sich die Präpositionen zu, in, und für durchsetzen. Von den jüngeren
Präpositionen tritt fast nur als auf.
c) Unterschiedlich verhalten sich auch die beiden Gruppen beim Bilden
der Verschmelzungen. Im Gegensatz zu den jüngeren Präpositionen
können manche Präpositionen der älteren Schicht so gut mit den
bestimmten Artikelformen dem, der, den, das zu einer Einheit
verschmelzen, z.B. am, vom, zur, hintern, übern, ans, durchs, ums.40
Das gilt also nur bei den beiden Kasus Akkusativ und Dativ Singular,
niemals bei dem Genitiv41
, z.B.:
(1) Sie sitzt im tiefroten Samtsessel ihrer Presseagentur.
(2) Die Falter fliegen ums Licht.
Diese Verschmelzungsformen lassen sich vielmehr durch “in dem” und
“um das” ersetzen. Es ergibt sich daraus häufig eine inhaltliche Nuance,
denn die analytische Form “hat dann stark demonstrative Kraft und weist
auf etwas ganz Bestimmtes hin, das durch einen Gliedsatz näher erläutert
wird und somit identifiziert ist”42
, z.B.:
(3) Und so muss es auch im Dorf gewesen sein
40 Man sollte aber zugeben, dass es noch in den deutschen Grammatiken Uneinigkeit
darüber gibt, ob sich die Präposition nur mit dem bestimmten Artikel verschmelzt.
Eisenberg z.B. lässt neben dem bestimmten Artikel auch den unbestimmten zu. Er führt
aus (1999): "Man solle also die Verschmelzung nicht auf den bestimmten Artikel allein,
sondern auch auf den unbestimmten Artikel beziehen. Beide Artikel unterscheiden sich
im Dat[iv] und Akk[usativ] des Sg hinsichtlich des Austauschs nicht. Am kann daher
ebensogut aus an dem wie aus einem entstanden gedacht werden […]. Dies könnte sehr
wohl der Grund dafür sein, dass der semantische Unterschied zwischen bestimmtem und
unbestimmtem Artikel bei den Verschmelzungen teilweise neutralisiert ist."
Eine ähnliche Position nimmt auch die Duden-Grammatik ein. Zwar lässt sie
durchgängig nur den bestimmten Artikel als Bestandteil von Verschmelzungen zu. An
einer Stelle wird jedoch erklärt, dass unter Umständen auch der unbestimmte Artikel an
der Verschmelzung teilhat. So heißt es (1998:): "In der Verschmelzung kann der
bestimmte Artikel dem unbestimmten Artikel inhaltlich nahe stehen oder Allgemeines
ausdrücken: jemanden zum Künstler ( = zu einem Künstler) ausbilden; jemanden zum
Mannschaftskapitän bestimmten; im Krieg ( = in einem Krieg) […]." 41
Vgl. Eisenberg (1999: 197ff.). 42
Mansour, Mohammed A (1988): Kontrastive Analyse der lokalen und temporalen
Präpositionen im Deutschen und Arabischen. Diss., S. 16.
23
(4) Und so muss es auch gewesen sein, in dem Dorf nahe
Bremen, in dem die Riemann aufgewachsen ist.
In vielen Fällen - vor allem bei dem Superlativ und den Verlaufsformen
des Verbs - ist die Verschmelzung nicht mehr auflösbar 43
, z.B.:
(5) Es wäre am besten, wenn er gleich käme.
(6) Das Essen ist am Kochen.
(7) Man muss im Übrigen kein Prophet sein, um
vorherzusagen, dass…
Wie von vielen Grammatikern festgestellt ist, geht es in solchen Fällen
allgemein um ”die Formen, die aus syntaktisch und phonetisch
ursprünglich selbständigen Einheiten – Präpositionen einerseits, Formen
des bestimmten Artikels andererseits – infolge unmittelbarer
Nachbarschaft im Satzzusammenhang entstanden sind und aufgrund ihrer
lautlichen Realisierung als einheitliche neue Formen betrachtet werden
können.”44
1.2.2.2. Stellung der Präpositionen
Wie oben bereits ausgeführt, trifft die ursprüngliche
Bezeichnung “Voranstellung” nur bedingt zu, denn nach der Position der
Präpositionen kann man folgende vier Stellungstypen unterscheiden:
1) Präposition: Dabei steht die Präposition nur vor dem Bezugswort, das
ein Substantiv, Pronomen, Adjektiv oder Adverb – manchmal auch eine
Präpositionalphrase - sein kann, z.B.:
(8) Die bittere Erfahrung so vieler bewaffneter Konflikte auf
diesem Kontinent prägte unsere kollektive Erinnerung.
(9) ...hinter ihr ein strahlender Münchner
Frühlingstag.
43
Näheres dazu, siehe Duden-Grammatik (1998: 324f.), Eisenberg (1999: 197ff.). 44
Schaub (1979: 63), zitiert nach: Mansour (1988:16).
24
(10) Geh bitte nach ganz vorne!
(11) Die Wohnung ist jetzt bis auf die Küche vorgerichtet.
2) Postposition: Die Präposition wird obligatorisch nachgestellt. Dies
gilt für halber, lang, zuliebe und zuwider, z.B.:
(12) Des schlechten Wetters halber muss die Vorstellung ausfallen.
(13) Er betrat dem Verbot zuwider die Baustelle.
Postpositionen fordern notwendigerweise das Vorhandensein eines
substantivischen Gliedes.
3) Ambiposition, d.h. die Präposition kann prä- oder postponiert (voran-
oder nachgestellt) werden. Hier trifft es auch auf wenige Präpositionen zu
wie entlang, entsprechend, gemäß, gegenüber, nach, über, wegen und
zufolge45
:
(14) Letzten Meldungen zufolge ist er verunglückt.
(15) Zufolge letzter Meldungen ist er verunglückt.
(16) Nach den wilden Jahren des ungezügelten Turbo-Kapitalismus
ist die Zeit reif für Neu-Orientierung.
(17) Seinem Wesen nach ist er eher ruhig als lebhaft.
Betrachtet man jedes Beispielpaar näher, so stellt man fest, dass mit dem
Stellungswechsel die Rektion oder die Bedeutung der Präposition
variieren kann.46
In (14) wird zufolge mit Dativ nachgestellt und in (15)
mit Genitiv vorangestellt. In (16) kommt nach in Voranstellung mit
temporaler Bedeutung vor, in (17) wird es hingegen nachgestellt und im
Sinne von “entsprechend, gemäß” gebraucht .
45 Zu ausfühlicher Darstellung der Ambipositionen, siehe: Di Meola (2000: 136ff.).
46 Vgl. Ziffonun/Hoffmann/ Strecker (1997: 2084), Di Meola (2000: 153).
25
4) Zirkumposition, bei der zwei Präpositionen das Bezugswort
umschließen. Hierher gehören an…statt, um…willen, von… an (bzw.
von…ab/ aus/ auf/ wegen)47
, zu…Gunsten48
, z.B.:
(18) Um des lieben Friedens willen paktierte er mit
diesem Unternehmen.
(19) Von Anfang an hatte Caroline Link nie Angst
vor solchen Szenen.
1.2.2.3. Kasusrektion der Präpositionen
Syntaktisch gesehen haben die Präpositionen keine
Satzgliedfunktion. Sie treten in Verbindung mit einem Substantiv oder
Pronomen auf und bilden mit ihm zusammen eine Präpositionalphrase
(PP), in der die Präposition als “syntaktischer Kopf” das Nomen
hinsichtlich Kasus regiert.49
Die Mehrzahl der Präpositionen regiert
genau einen Kasus, der entweder Akkusativ, Dativ oder Genitiv sein
kann. Andere regieren zwei oder - selten - drei Kasus. Bei wenigen
Präpositionen ist die Rektion nicht mehr erkennbar. Betrachten wir die
folgenden Beispiele:
1) Präpositionen mit Akkusativ: bis , durch, für, gegen, je, ohne, per,
pro, um, via, wider, z.B.:
(20) Deswegen ist sie nun eine Symbolfigur für die
deutsche Filmszene.
47
Hier müsste man die zweiteilige präpositionale Form stark abgrenzen gegenüber den
Fällen, wo nach Substantiven mit Präposition Adverbien aus her- / hin- + Präposition
stehen. Diese Adverbien treten nur fakultativ auf und bilden keine semantische Einheit
mit der Präposition vor dem Sunstantiv, sondern intensivieren oder spezifizieren nur
deren Bedeutung. Sie können auch als trennbare erste Teile des Verbs angesehen
werden. Vgl. Helbig/Buscha (2001: 310ff.: 357). 48 Bei manchen Bildungen wie z.B. an …statt und von ...wegen alternieren Zirkum- und
Prästellung (an …statt/ anstatt; von…wegen/ von wegen), vgl. dazu Di Meola
(2000: 114f.). 49
Vgl. Eisenberg (1999: 188).
26
2) Präpositionen mit Dativ: aus, bei, binnen, dank50
, entgegen,
gegenüber, gemäß, mit, mitsamt, nach, seit, von, zu, zuliebe:
(21) Auch “Pünktchen und Anton”, der aus ihrer Liebe
zu Kinderfilmen entstand, wurde sehr erfolgreich.
3) Präpositionen mit Genitiv: abseits, abzüglich, anfangs, angesichts,
anhand, anlässlich, anstatt, anstelle, außerhalb, betreffs, bezüglich,
einschließlich, hinsichtlich, infolge, inclusive, inmitten, innerhalb, kraft,
laut, mangels, mittels, namens, oberhalb, seitlich, statt, trotz,
um….willen, ungeachtet, unterhalb, vorbehaltlich, während, wegen,
zugunsten, zuzüglich, zwecks u.a. z.B.:
(22) Ungeachtet wiederholter Mahnungen hat er
nichts unternommen.
Der Genitiv als regierter Kasus kann in bestimmten Fällen ersetzt werden
durch eine Präpositionalgruppe mit von (außerhalb von Berlin; westlich
vom Rhein) oder durch den Dativ besonders dort, wo die Genitivform
nicht ausreichend markiert ist. Dies gilt beispielsweise, wenn das regierte
Nomen im Plural ohne Artikel oder Adjektiv auftritt: *trotz Einwände
(richtig: trotz Einwänden), oder wenn zwei Nomen im Genitiv Singular
nebeneinander stehen: *während meines Freundes Hierseins; statt Peters
neuen Wagens (richtig: während meines Freundes Hiersein; statt Peters
neuem Wagen). Der Kasuswechsel ist somit morphologisch-strukturell
bedingt. Bei laut, während und wegen handelt es sich dagegen um
stilistische Variation .51
4) Präpositionen mit Dativ oder Akkusativ: an, auf, hinter, in, neben,
über, unter, vor, zwischen:
(23) Das Auto stand vor dem Haus.
(23a) Er stellte das Auto vor das Haus.
50
Binnen kann daneben mit dem Genitiv gebraucht werden. Das ist aber selten und
stilistisch als gehoben angesehen. Im Singular kann dank auch den Genitiv
heranziehen, z.B. Dank des Computers läuft alles hier bestens. Im Plural steht fast nur
der Genitiv: Dank detaillierter Zeugenaussagen wurde er gefasst. Vgl. Duden-
Stilwörterbuch (1988: 187). 51
Näheres dazu, siehe Duden- Grammatik (1998: 387f.), Ziffonun (1997: 2087),
Mansour (1988: 17).
27
(24) Der Topf stand auf dem Herd.
(24a) Sie stellte den Topf auf den Herd.
In diesen Fällen handelt es sich hauptsächlich um semantisch bedingten
Wechsel.52
Je nach Kasusunterschied können diese Präpositionen
statische und dynamische Verhältnisse im lokalen Bereich stark
ausdrücken. Nach Duden heißt es allgemein: “Der Dativ wird gebraucht,
wenn das Verbleiben in einem Raum, das Beharren an einem Ort oder
allgemein die Lage gekennzeichnet wird. Der Akkusativ wird gebraucht,
wenn ein Raum oder eine Ortsveränderung, eine Bewegung, Erstreckung
oder Richtung gekennzeichnet wird.”53
Hier sehen wir schon, dass das
Verb den Fall steuert, mit dem die Präposition jeweils verbunden wird.
Verben wie stehen, sitzen, liegen z.B. verlangen den Dativ
(Frage: Wo?), mit Verben wie stellen, setzen, legen, bringen ist dagegen
der Akkusativ (Frage: wohin?) benötigt.
So einfach ist das aber nicht immer. Verben, die eine Bewegung
ausdrücken, lassen jedoch auch den Dativ zu. Man nimmt hierbei an,
dass die direktionale Verwendung als das Anstreben oder
Zustandekommen eines statischen Zustandes beschrieben werden kann.
Dieser Zustand liegt auf dem Weg eines sich bewegenden Gegenstandes.
Der semantische Unterschied zwischen der statischen und der
direktionalen Verwendung besteht also darin, dass im ersten Fall die
Lokalisierung für alle Phasen eines Geschehens gilt, während eine
Lokalisierung im zweiten Fall die Abschlussphase eines Geschehens
bildet:
(25) Er läuft auf dem Sportplatz.
(25a) Er läuft auf den Sportplatz.
(26) Das Flugzeug flog über der Stadt.
(26a) Das Flugzeug flog über die Stadt.
Um die Sache klarer zu machen, analysieren wir das erste Beispielpaar.
In (25) wird ausgedrückt, dass ein durch laufen bezeichnetes Geschehen
auf einem Sportplatz stattfindet. Die Person, von der die Rede ist,
befindet sich während des gesamten Verlaufs des Geschehens an dem
angegebenen Ort. In (25a) ändert sich aber der Ort der Person im Verlauf
52 Vgl. Di Meola (2000: 155).
53 Duden Grammatik (1998: 394).
28
des Geschehens, sie befindet sich zu Beginn des Geschehens noch nicht
auf dem Sportplatz.54
Das zweite Beispielpaar können wir
folgendermaßen darstellen55
( Abb.1):
Diese Analyse beruht in erster Linie auf Herwegs Überlegungen. Er führt
aus: "Fasst man den Weg, den ein Objekt in einer Fortbewegung zurücklegt, als
zeitlich geordnete Folge von Regionen auf, in denen das Objekt zu den
unterschiedlichen Zeiten des Fortbewegungsereignisses lokalisiert werden kann,
so unterscheidet sich die direktionale Variante einer Präposition von ihrer
lokalen nur in bezug auf die Zeit, für die das Objekt in der Region lokalisiert
wird, die die Präpositionalphrase spezifiziert. Während in lokalen
Konstruktionen LO für die gesamte betrachtete Zeit in der betreffenden Region
lokalisiert wird, machen direktionale Konstruktionen nur eine Aussage über die
Raumpositionen, die das sich bewegende bzw. bewegte Objekt zu bestimmten
Zeitabschnitten des Ereignisses, also zu Beginn (mittels der
Ursprüngspräpositionen aus, von), im Verlauf (mittels Pfadpräpostionen wie
durch, um, entlang) oder, wie im Fall der Zielpräpositionen, zum Abschluss der
Fortbewegung erreichen."56
Das stimmt in gewissem Maß mit Leys Auffassung überein, die davon
ausgeht, dass im Falle eines bestehenden Verhältnisses die
Wechselpräposition mit dem Dativ konstruiert wird, im Falle eines
entstehenden Verhältnisses mit dem Akkusativ.57
Claudia Di Meola führt
aber eine neue Betrachtungsweise ein und behauptet, "dass der Unterschied
54
Vgl. Motch (1999: 79), Ziffonun (1997: 2105), Eisenberg (1999: 191), Wunderlich
(1985: 77ff.), Schröder (1978: 11). 55 Siehe dazu: Serra-Borneto, Carlo: Two-ways prepositions in German: Image and
constraints. In: Verspoor, Marjolijin/ Dong Lee, Kee (1997): Lexical and syntactical
construction of meaning. John Benjamins publishing company. Amesterdam, S. 190. 56 Herweg, Michael (1988): Zur Semantik einiger lokaler Präpositionen des Deutschen.
Überlegungen zur Theorie der lexikalischen Semantik am Beispiel von "in", "an", "bei"
und "auf". LILOG-Report 21. Stuttgart, S. 9. 57 Vgl. Di Meola (2000: 156).
Das Flugzeug flog über der Stadt.
Das Flugzeug flog über die Stadt.
29
bei der Kasusverwendung in der Hervorhebung jeweils bestimmter Aspekte der
räumlichen Konfiguration besteht: In den Akkusativ-Konstruktionen ist die
Bewegung des lokalisierten Objektes im Vordergrund, in den Dativ-
Konstruktionen die Position des lokalisierten Objektes am Ende der
Bewegung."58
5) Präpositionen mit Akkusativ, Dativ oder Genitiv: entlang, außer, z.B.:
(27) Den Fluss entlang standen viele Bäume.
(28) Entlang dem Weg / des Weges läuft ein Zaun.
(29) Man hörte nichts außer dem Ticken der Uhr.
(30) Er stellte es außer jeden Zweifel.
(31) Er behauptet, dass er außer Landes gegangen sei.
Wie aus den Beispielen hervorgeht, verändert sich die Rektion von
entlang je nach der Stellung. Bei Prästellung regiert es den Dativ, bei
Poststellung wird hingegen der Akkusativ vorgezogen (vgl. oben
Ambiposition); der Genitiv in Prästellung ist selten gebräuchlich und fast
nur auf das österreichische bzw. süddeutsche Sprachgebiet beschränkt.59
Außer wird typischerweise als dativregierende Präposition verwendet.
Bei manchen Bewegungsverben taucht der Akkusativ auf, in festen
Verbindungen (außer Landes) der Genitiv. Nach Duden-Stilwörterbuch
ist letzter Fall stilistisch veraltet.60
6) Präpositionen ohne Kasus: Hier unterscheiden Helbig/Buscha
(2001:387f.) zwischen den folgenden Fällen:
a) die Präposition fordert keinen bestimmten Kasus. Das ist z.B. der Fall
mit als und wie:
58 Di Meola (2000: 157).
59 Vgl. Duden-Grammatik (1998: 388), Mansour (1988: 18).
60 Näheres dazu, siehe auch Di Meola (2000: 47f.).
30
(32) Er wird als fähiger Mitarbeiter geschätzt.
(33) Sie trugen ihn als Verletzten vom Sportplatz.
(34) Er liebte sie wie ein Sohn.
(35) Sie liebt ihn wie einen Sohn.
Die mit der P verbundenen Wörter decken sich hier syntaktisch mit ihren
Bezugswörtern.61
Kasuszuweisung über das Subjekt liegt vor in (32) und
(34); in (33) und (35) richtet sich aber der Kasus der PP nach dem
akkusativischen Komplement. Es handelt sich hier nicht um einen festen
Nominativ oder Akkusativ, sondern um eine Art Kongruenz. Nach vielen
Grammatikern entziehen sich sowohl als als auch wie einer klaren
Einordnung in die Klasse der Präpositionen62
;
b) Kasusregierende Präpositionen, die ihren Kasus nicht festhalten
können, und zwar:
- wenn die Präpositionen sich mit Adjektiven, Adverbien oder
Eigennamen verbinden:
(36) Sie hatte es nicht für ratsam gehalten.
(37) Das Zimmer ist seit gestern reserviert.
(38) Diese Maschine fliegt nach New York.
- wenn zwei Präpositionen nebeneinander stehen (vgl. oben
Präpositionen mit Genitiv):
(39) Ich begleite dich bis ans Ende der Welt.
(40) Seit nach dem Krieg sind die diplomatischen
Beziehungen zu diesem Staat abgebrochen.
61 Vgl. Heringer, Hans Jürgen (1996): Deutsche Syntax dependentiell. Stauffenurg
Verl. Tübungen, S.138f. 62 Heringer versucht auch, Elemente wie als, wie, pro, per von den Präpositionen stark
abzugrenzen. Sie werden einer neuen Kategorie zugeordnet, die er selbst Äquationen
genannt hat und die – seiner Auffassung nach – in ihrer Grundfunktion erst einmal der
Präposition-Regel sehr ähnlich scheint, doch im Gegensatz zu Präpositionen keine
Kasus regieren, der Terminus "Äquation" soll übrigens auf die syntaktische
Kasuskongruenz mit dem Bezugswort hinweisen.
31
In den beiden Beispielsätzen geht die Rektion aus von der zweiten
Präposition, nämlich an bzw. nach Die Präpositionen bis und seit werden
in ihrer gewöhnlichen Bedeutung eingesetzt. Von der Semantik her geht
es anders mit über und unter:
(41) Die deutsche Volkswirtschaft hat seit über fünf Jahren
ihre Stellung auf dem Weltmarkt deutlich ausbauen
können.
Im Unterschied zu dem vorigen Beispiel ist die Dativrektion von der
ersten Präposition abhängig. Bei über handelt es sich nicht um eine
Präposition, sondern um einen Modifikator, eine Gradpartikel für die
innere Präposition.63
Über kann in diesem Fall wegfallen oder durch
“etwa”, “zirka” substituiert werden.64
1.2.2.4 Syntaktische Funktionen der Präpositional-
phrasen
Im Deutschen kommen Präpositionalphrasen (PP) in dreierlei
syntaktischer Funktion vor, nämlich als Adverbial, als Objekt und als
Attribut:
(42) Das Bild hängt an der Wand. (Adverbial)
(43) Hugo malt an der Wand. (Adverbial)
(44) Er glaubt an die Ehrlichkeit der Menschen. (Objekt)
(45) Das Bild an der Wand stellt den Prinzen Eugen dar. (Attribut)
(46) Sie starb im festen Glauben an ihren Erlöser. (Attribut)
Als Attribut bezieht sich die PP entweder auf ein Adverbial (45) oder
auf ein Objekt (46). Als Adverbial wiederum ist die PP entweder ein
obligatorisches Satzglied (42) wie das Präpositionalobjekt (44) oder
eine freie Angabe (43). Die Präposition beim Objekt kann jedoch nicht
63
Vgl. Heringer (1996: 133), Schröder (1986: 11f.). 64
Weiteres hierzu, siehe Schröder (1986:11f.), Helbig /Buscha (2001: 422f.), Ziffonun
(1997: 2080).
32
substituiert werden, sie ist vom Verb regiert.65
Präposition der
Adverbialergänzung wird zwar nicht vom Verb festgelegt, ist aber nicht
frei kommutierbar, weil sie von der “Semstruktur” der Substantive und
damit von Referenzbeziehungen zur außersprachlichen Wirklichkeit
abhängig steht.66
Das können wir – im Anschluss an Schröder – schematisch
folgendermaßen darstellen:
Valenzbedingte PP Rektion der P durch
das Verb
Objekt + +
Adverbial + -
Adverbial - -
Eine Abgrenzung der Präpositionalobjekte von den
Adverbialbestimmungen scheint also noch problematisch besonders
dort, wo die Adverbialbestimmung als valenznotwendiges Adverbial
fungiert.67
Auf der Suche nach einer Möglichkeit zur Grenzziehung
sehen es einige Grammatiker angebracht, die valenzbedingte
Adverbialvariante zu den Präpositionalobjekten zu rechnen, eventuell
als Untergruppe von diesen. Mit Engelen teilt Faisa Abd Er-Rahman
diesen Standpunkt:
“Stellt sich aufgrund einer präzisen semantischen Analyse der betreffenden
verbalen VT heraus, dass die präpositionale Konstruktion tatsächlich eine
konstitutive LS repräsentiert, so sollte die definitivere Entscheidung getroffen
werden, diese sog. valenznotwendigen Adverbiale […] zu den
Präpositionalobjekten zu rechnen, wobei eingestandermassen der Präpostion
65
Es gibt zwar einige wenige Verben mit zwei möglichen Präpositionen. Doch sieht es
hier ganz anders als bei den Adverbialbestimmungen aus. Kommutierbarkeit der
Präposition im Präpositionalobjekt wird prinzipiell von einer mehr oder weniger großen
semantischen Änderung des Verbs begleitet, was zwei bzw. mehrere Verbbedeutungen
ergibt (vgl. bestehen aus / auf / in). Dies ist bei den Adverbialergänzungen nicht
möglich: liegen an und liegen neben unterscheiden sich in ihrer Bedeutung nicht
wesentlich. Vgl. hierzu: Latour, Bernd (1985): Verbvalenz. Eine Einführung in die
dependentielle Satzanalyse des Deutschen. 1.Aufl., Max Hueber Verl. München, S. 59. 66
Vgl. Schröder (1986: 18), Engelen (1975: 161f.). 67
Vgl. Engelen (1975:90), Bouillon (1984:22), Schröder (1986:13), Mansour (1988:5).
33
eine echte Funktion und eine rekonstuierbare Eigenbedeutung zuzusprechen
und von ihrer – zumeist beschränkten – Substituierbarkeit abzusehen ist.”68
Hier verweist Abd Er-Rahman auf einen weiteren wichtigen
Unterschied zwischen den Präpositionalobjekten und
Adverbialergänzungen. Dieser betrifft die Semantik der Präpositionen
in den beiden Phrasen. Unter Punkt 1.2.3 wird er ausführlicher
behandelt. Andere Unterschiede können wir folgendermaßen
zusammenfassen:
a) Präpositionalobjekte werden in der Regel entweder durch Präposition
+ Pronomen oder durch Pronominaladverbien (da(r)- + P) substituiert.69
Bei Adverbialbestimmungen bieten sich dagegen reine Adverbien wie
dort, da, solange u.a. als Realisierungsalternative:
(47) Er glaubt an die Ehrlichkeit der Menschen - Er glaubt daran.
(47a) Das Bild hängt an der Wand - Es hängt da/dort.
b) Das Präpositionalobjekt lässt sich in einen Gliedsatz
(Pronominaladverb als fakultatives Korrelat + dass oder ob-Nebensatz
bzw. Infinitivsatz) transformieren, z.B.:
(48) Er glaubt an die Ehrlichkeit der Menschen –
Er glaubt daran, dass die Menschen ehrlich sind.
Diese Möglichkeit ist jedoch bei den Adverbialbestimmungen
ausgeschlossen. Allein ein generalisierender Nebensatz ist hier zulässig:
(49) Fritz wohnt, wo sich die Füchse gute Nacht sagen.
c) In präpositionalen Objekten werden nur Präpositionen der alten
Schicht genutzt. Adverialbestimmungen können dagegen sowohl ältere
als auch jüngere Präpositionen aufnehmen.
68
Abd Er-Rahman, Faisa (1986): Valenztheoretisch–syntaktische Kriterien für die
Abgrenzung von Präpositionalobjekt und adverbial gebrauchten Präpositionalgruppe in
der gegenwärtigen deutschen Grammatikliteratur. In: Kairoer germanistische Studien.
Bd. I, S. 23. 69
Es gilt zu bemerken, dass die beiden Substituierungsmöglichkeiten unterschiedliche
Funktionen erfüllen und in der Regel nicht ausgetauscht werden dürfen.
Pronominaladverbien beziehen sich auf Sachverhalte, Abstrakta oder Sachen (Inge hat
einen neuen Freund, worüber sich die ganze Familie freut, d.h. über die Tatsache, dass
sie einen neuen Freund hat), die Wortgruppe aus Präposition + Pronomen aber bezieht
sich auf Personen oder Sachen (Inge hat einen neuen Freund, über den sich die ganze
Familie freut). Vgl. Helbig/Buscha (2001: 237ff.).
34
d) Präpositionalobjekte lassen sich leicht identifizieren, wenn sie den
Wechsel vom freien Kasus zum Präpositionalkasus zulassen. Diese
alternative Realisierungsmöglichkeit dient erst der Ablösung des veralteten
Genitivs – wie auch des Dativ- und Akkusativobjekts – durch die
geläufigere präpositionale Form, z.B.:
sich erinnern der Kindheit - sich an die Kindheit erinnern
lauschen dem Gesang - auf den Gesang lauschen.
1.2.3 Semantische Funktionen der Präpostionalphrasen
Vor dem Hintergrund der syntaktischen Analyse der PP könnten
deren semantische Funktionen besser funktional beschrieben werden. Eine
eigene Semantik haben die Präpositionen im Wesentlichen nur, wenn sie
adverbiale Verhältnisse ausdrücken. Sie dienen dabei hauptsächlich –
entsprechend ihrer diachron älteren Funktion als Relationswörter – dazu,
die Gegenstände oder Sachverhalte in semantische spezifizierte
Beziehungen zu anderen Gegenständen oder Sachverhalten zu setzen. Die
Präposition wirkt also relational. Im Beispiel “Joseph schiebt den Schrank
an die Wand” bezeichnet an eine räumliche Relation zwischen dem
Schrank und der Wand:
(50) Joseph schiebt den Schrank an die Wand.
Anderes ist es mit den präpositionalen Objeken. Die Präposition wird vom
Verb regiert und verliert durch diese Fixierung an das Verb ihren
eigenständigen relationalen Charakter. “Sie ist nicht mehr Träger der
übergeordneten Relation im Satz, sondern sie bezeichnet zusammen mit
dem Verb eine komplexe Relation zwischen den Nominalen im Subjekt
und im Objekt. Semantisch liegt diesselbe Struktur vor wie in Sätzen mit
Subjekt und nominalem Objekt, nur wird die Relation zwischen Subjekt
und Objekt von einem komplexen Prädikat bezeichnet.”70
70
Eisenberg (1999: 190).
35
(51) Wir verweisen auf die einschlägigen Regelungen.
Diesen funktionalen Unterschied fasst Engelen zusammen mit den Worten:
“Bei den adverbialen Satzgliedern ist Präposition immer spatial bzw. relationell
und immer inhaltlich definierbar, beim Präpositionalobjekt hingegen hat sie
nichts Spatiales oder Relationelles […] und in den meisten Fällen keinen präzis
angebbaren Inhalt.”71
Mit "spatial" meint er räumlich.72
In der traditionellen Grammatik werden den Präpositionen des ersten Typs
allgemein vier semantische Hauptfunktionen zugewiesen, nämlich lokale,
temporale, modale und kausale:
(52) Die Lampe hängt über dem Tisch. (lokal)
(53) Das Heizöl reicht über den Winter. (temporal)
(54) Er bekam die Anschrift über einen Freund. (modal)
(55) Über dem Streit ging ihre Freundschaft in die Brüche. (kausal)
Es lassen sich noch außerdem weitere Bedeutungsgruppen hervorheben
wie konditionale, konzessive, konsekutive und finale Varianten73
:
(56) Sie fuhren trotz dichten Nebels/dichtem Nebel. (konzessiv)
(57) Das Eiweiß wird anschließend zu Schaum geschlagen. (konsekutiv)
Wobei zu bemerken ist, dass die meisten Präpositionen im Deutschen
mehrdeutig sind, d.h. dass sie mehrere Verhältnisse signalisieren können.
In diesem Fall lässt sich die Relation nur kontextuell identifizieren.
Eigenschaften des Bezugswortes sind dabei für die
Bedeutungsbeschreibung vonnöten.74
Andere Präpositionen – vor allem
jüngere – bezeichnen nur eine einzige semantische Beziehung wie z.B.
hinter, jenseits, oberhalb, unterhalb (nur lokal), seit, während
71
Engelen (1975: 95). 72
Ausgenommen von dieser Regel sind die Verben, die die Präposition für und das
antonymische gegen haben. Bei den Präpositionalobjekten bewahren beide
Präpositionen ihre ursprüngliche Bedeutung. Sie lassen sich mit zugunsten von bzw.
zuungunsten von paraphrasieren. Vgl. Latour (1985: 60), Engelen (1986: 112),
Abd Er-Rahman (1986: 18). 73
Näheres dazu, siehe Helbig/ Buscha (2001: 360f.). 74
Vgl. Mansour (1988: 25).
36
(nur temporal), wegen (nur kausal), ohne (nur modal), trotz (nur
konzessiv).
Innnerhalb der vier geläufigeren semantischen Klassen gibt es zahlreiche
Untergruppen. So unterscheidet man im lokalen Bereich die statischen -
auch typologisch genannt - und direktionalen Präpositionen, letztere
werden wiederum aufgeteilt in75
:
- Ziel der Bewegung (lokal dir)
- Ausgangspunkt der Bewegung (lokal exog)
- Passagebereich der Bewegung (lokal pass)
- Umgangener Bereich der Bewegung, z.B.:
(58) Er fliegt morgen nach Koblenz.
(59) Der Zug kommt aus Bonn.
(60) Das Auto fährt durch die Stadt.
(61) Der Wagen dreht sich um seine Achse.
75
Vgl. Latour (1985: 77f.).
37
1.3 Die Präfixe im Deutschen
1. 3.1 Kurzer Überblick
Von Anfang an ist darauf zu verweisen, dass die
Definition des Begriffs “Präfix” (zu lat. Praefixum “das vorn
Angehaftete”) als wortbildendes Element76
in der linguistischen
Literatur uneinheitlich dargestellt ist. Nach Erben, Fleischer und
Lewandowski77
verstehen wir allerdings unter “Präfix” ein
gebundenes Morphem78
, das vor ein Grundmorphem oder eine
Morphemkonstruktion tritt, um ein Wort zu bilden. Bei allen
Präfixarten (den trennbaren, den untrennbaren und den
gleichermaßen sowohl trennbar als auch untrennbar gebrauchten)
ist gemeinsam charakteristisch, dass sie gruppen- oder
reihenbildend wirken, d.h. dass sie mehreren Wortstämmen die
gleiche Bedeutung verleihen und semantische Gruppen bilden
(z.B. anfahren - anlaufen - anziehen; bekränzen - bekrönen -
bewaffnen).
76
Der Begriff “Wortbildung” benennt diejenigen Arten “der Kombination vorhandener
Wörter oder Stämme miteinander oder mit besonderen – frei beweglich im Satz nicht
vorkommenden – Bildungselemente” (vgl. Fleischer, Wolfgang (1983): Wortbildung
der dt. Gegenwartssprache. Leipzig. S. 14). Wortbildung ist also möglich als
“Zusammensetzung” , “Derivation” (Suffixbildung) und “Präfigierung”, z.B. Bahnhof
aus Bahn und Hof; automatisieren aus Automat; ankleben aus kleben. Einige Linguisten
(vgl. Erben) ordnen die Präfigierung der Einfachheit halber der Derivation zu. 77
Vgl. Lewandowski, Theoder (1994): Linguistisches Wörterbuch. 2. Aufl. 6. Quelle &
Meyer Verl. Heidelberg/Wiesbaden, S. 826f, Erben (2000: 26f.), Fleischer (1983: 76). 78
Die Morpheme werden im Deutschen als die kleinsten bedeutungstragenden
Einheiten der Wortstruktur, als die Bauelemente des Wortes definiert. Nach ihrer
Bedeutung und dem Grad ihrer Selbständigkeit sind freie und gebundene Morpheme zu
unterscheiden. Das entspricht im Wesentlichen der Einteilung in Grundmorpheme
(Basis-, Kernmorpheme) einerseits sowie Wortbildungsmorpheme (Affixe) und
Flexionsmorpheme andererseits. Die ersten sind Träger der lexikalisch-begrifflichen
Bedeutung (Schule, neu, oft….), wortfähig, d.h. sie kommen selbstständig als Wort vor.
Wortbildungsmorpheme treten hingegen nur in Verbindung mit Grundmorphemen auf,
denen sie neue Inhaltsmerkmale hinzufügen und deren syntaktische Eigenschaften
verändern. Nach ihrer Position in Bezug auf die Basis werden Präfixe (vor der Basis)
und Suffixe (nach der Basis) unterschieden. Flexionsmorpheme vertreten grammatische
Kategorien wie z.B. Tempus, Modus, Genus des Verbs und Kasus, Person, Numerus des
Substantivs, so zeigen er- die Pluralform und –n den Dativkasus in der
Substantivgruppe den Kindern.
38
Die generelle Funktion von Präfixen liegt freilich in der
“Mitwirkung bei der Verbalisierung von Nomina”79
und in der
Modifizierung von Basisverben hinsichtlich ihrer syntaktischen
und semantischen Merkmale.80
Ihre eigentliche “Domäne”81
ist
also die Wortbildung des Verbs, beim Substantiv und Adjektiv
(z.B. Unrecht, Übermensch; unklug, überschlau) tritt die
Präfigierung hinter Zusammensetzung (Komposition) und
Ableitung zurück. Dies bekräftigt Erben, indem er sagt:
“Im ganzen aber dienen Präfixe dazu, die Wortklasse Verb
deutlich von den übrigen Wortklassen abzuheben. Wo Präfixe,
besonders die schwachtonigen, fest mit ihrer Basis verbunden
wie er- und be- bei anderen Wortklassen auftauchen, sind sie ein
deutliches Anzeichen einer deverbativen Ableitung.”82
Wichtig ist nun der umstrittenen Frage der Zugehörigkeit von
den wortbildenden Morphemen ab-, an-, auf-, aus-, durch-, ein-,
um-, über- u.a. zu den Präfixen nachzugehen. Nach vielen
Forschungen entziehen sich diese Morpheme einer klaren
Einordnung in das Präfixsystem, weil sie daneben noch als freie
Morpheme auftreten, nämlich als Präpositionen und Adverbien.83
Anders als die Präfixe können sie als prädikative Elemente
fungieren (vgl. Der Antrag ist durch – Das Licht ist an / aus). In
finiter Verwendung erscheinen die meisten vom Verb getrennt
( z.B. jmdn. anlachen – Er lacht sie an).
79
Gyung - Uk Kim (1983): Valenz und Wortbildung. Dargestellt am Beispiel der
verbalen Präfixbildungen mit be-, ent-, er-, miß-, ver-, zer-. Dr. Königshausen + Dr.
Neumann Verl. Würzburg, S. 3. 80
Vgl. dazu Fleischer/Barz (1992: 289), Kühnhold/Wellmann (1973: 142), Motch (1999: 40ff.), Erben (2000: 77f.).
81 Fleischer (1983: 76).
82 Erben (1983: 121).
83 Die Unsicherheit bei der Bestimmung des Morphemstatus dieser Elemente zeigt sich
deutlich an der Vielzahl der für sie gebrauchten Termini. Motsch (1999) und Mungan
(1986) nennen sie Partikeln, Duden-Grammatik Halbpräfixe, Engel bezeichnet sie als
Verbzusätze. In manchen linguistischen Untersuchungen werden sie häufig nicht
deutlich genau von Kompositionsgliedern getrennt. So spricht Šimesšková bei durch-,
über-, um-, unter-, die sowohl trennbar als auch untrennbar auftreten können, von
unfesten und festen Verbzusammensetzungen. Das stimmt im großen Maß mit der
Auffassung Henzens überein (vgl. Abusamra 1982). Wunderlich (1987) bezeichnet die
trennbaren wie z.B. übergießen als Präpositionalverben, bei denen sich die Präposition
von dem Stamm trennt, untrennbare Varianten wie übergießen nennt er hingegen
Partikelverben.
39
Auf der anderen Seite haben diese Morpheme jedoch viele
Eigenschaften mit Präfixen gemeinsam:
1) Sie kommen in Verbindung mit verschiedenen Basen
reihenbildend in Bedeutungsvarianten vor. So weisen sie das
wichtigste Präfixmerkmal, nämlich Reihenbildung auf .84
2) Einige der besprochenen Morpheme sind fest mit
Stammmorphemen verbunden, d.h. sie sind untrennbar (z.B. In
der Hauptstadt Skopie übergibt die Nato die Verantwortung […]
an die Europäische Staatengemeinschaft)
3) In vielen Fällen besteht keine direkte lexikalische
Verwandtschaft mit den homonymen freien Morphomen (vgl.
anbraten, anzahlen = teilweise braten, zahlen / anfahren
= losfahren, starten, nämlich den Beginn signalisierend. An die
See fahren signalisiert aber die Stelle eines Kontakts bzw. das
Ziel). Man kann verallgemeinernd sagen, dass die Bedeutung der
umstrittenen Morpheme “hat sich gegenüber derjenigen des frei
gebrauchten Morphems gewöhnlich in Richtung auf eine
zunehmende Verallgemeinerung und Entkonkretisierung bei der
Modifizierung des durch die Basis ausgedrückten Inhalts
entwickelt.”85
Aus diesen Gründen finden es viele Forscher angebracht, ab-,
an-, auf-, aus-, durch-, über-, um-, unter-, wi(e)der- den
Präfixen zuzuordnen “als Untergruppe mit homonymem freiem
Morphem, von dem sich die Präfigierung nicht mehr voll
erklären lässt.“86
84
Vgl. Abusamra (1982: 14). 85
Fleischer (1983: 77). 86
Erben in dem Vorwort zu Kühnhold/Wellmann (1973: 13).
40
1.3.2. Morpho-syntaktischer Aspekt
Nach dem Trennbarkeits-/ Untrennbarkeitskriterium
werden im Deutschen drei Gruppen von Verbpräfixen
unterschieden: untrennare (unbetonte), trennbare (betonte)
Präfixe sowie die gleichermaßen untrennbar und trennbar
gebrauchten Präfixe:
1) Die untrennbaren (festen, unbetonten) Präfixe
Hierzu gehören be-, ent-, er-, ge-, miss-, ver-, zer-, die nicht
getrennt vom Verbstamm stehen. So wird beim Infinitiv mit zu
das Präfix dem zu nachgestellt. Das Partizip II wird immer ohne
das unbetonte partizipiale ge- gebildet. Der Hauptakzent liegt
hier auf dem Verbstamm, z.B.:
(61) Vier mal verweigerte sie ihm das Visum für die Einreise.
(62) Ich habe mich zu entschuldigen.
(63) Die Entscheidung dürfte nicht verschoben werden.
2) Die trennbaren (unfesten, betonten) Präfixe
Zu dieser Präfixgruppe gehören ab-, an-, auf-, aus-, ein-, nach-,
nieder-, vor-, zu-, zurück- und zusammen. Sie werden vom
Basisverb nur dann getrennt, wenn das Verb in finiter Form
vorliegt und in Erst- oder Zweitstellung (Stirn-/ Kernstellung)
steht, d.h. wenn es das Prädikat eines Hauptsatzes bildet. Steht
das Verb in Endstellung (Spannstellung), so tritt das Präfix nicht
getrennt auf, z.B.:
(64) Mach den Mund bitte weit auf!
(65) Im Gespräch nimmt sie oft einen fragenden Ausdruck an.
(66) 55 Jahre nach Erhard ist von der Dynamik, die die deutsche
Wirtschaft lange Zeit auszeichnete, nur wenig zu spüren.
41
Bei infiniten Verbformen wird das Präfix ebenfalls nicht getrennt:
(67) Als Konzession an Madrid könne Premier Silvio Berlusconi
anbieten, die Reform statt 2009 erst im Jahre 2014 in
Kraft treten zu lassen.
Beim Infinitiv mit zu und beim Partizip II steht zu bzw. ge-
zwischen beiden Teilen des trennbaren Verbs. Dieses ge- fällt
aber aus, wenn der Verbstamm mit einem unbetonten Präfix
anfängt oder auf -ieren endet 87
, z.B.:
(68) Für die Abnutzung der Maschinen hat er viel Geld
abzuschreiben.
(69) Die Rede wurde übel aufgenommen.
(70) Sein Fleiß hat ihm viel Anerkennung eingetragen.
(71) Man hat den Botschafter abberufen.
(72) Hast du das Rezept schon ausprobiert?
3) Die sowohl trennbar als auch untrennbar
vorkommenden Präfixe
Das sind durch-, hinter-, über-, um-, unter-, und wi(e)der-. Die
Problematik dieser Präfixgruppe besteht hauptsächlich darin,
dass sie sich die Merkmale der beiden oben dargestellten
Präfixgruppen aneignet. Sie treten einmal vom Verbstamm
abgetrennt, andersmal mit ihm verbunden auf. Das hat folglich
Auswirkungen auf die Bildung des Infinitivs und des Partizip
Perfekt:
(73) Sie hat den Text aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt.
(73a) Der Kapitän hat das Schiff übergesetzt.
Es handelt sich hier um zwei verschiedene Varianten eines
Verbs, die eine untrennbar, die andere trennbar. Bei der
untrennbaren trägt der Verbstamm den Wortakzent, bei der
87
Vgl. Motch (1999: 46), Helbig/Buscha (2001: 200f.), Fleischer/Barz (1992: 294).
42
trennbaren Form ist das Präfix selbst betont. Dies wird auch von
semantischen Abweichungen begleitet.
Im ersten Beispielsatz wird das Präfixverb abstrakt in der
Bedeutung “übertragen” verwendet, während es im zweiten Satz
über eine konkrete Bedeutung im Sinne von “hinüberfahren”
verfügt.
1.3.3 Syntaktische Funktionen der Präfixe
Wie bereits geklärt, können die Präfixe Änderungen in der
syntaktischen Valenz des Basisverbs (Simplex) bewirken. Es
gibt zwar Präfixverben, die grammatisch im selben Kontext
vollkommen austauschbar mit dem Simplex sind.88
Das sind aber
nur Einzelfälle und reflektieren allerdings nicht die eigentlichen
Funktionen der Präfixe 89
, z.B.:
(74) Der Tischler kürzt das Brett.
(74a) Der Tischler verkürzt das Brett.
(75) Er will nicht gestehen, dass er Unrecht hat.
(75a) Er will nicht eingestehen, dass er Unrecht hat.
In der Regel ist zwischen quantitativer und qualitativer
Valenzänderung zu differenzieren:
I) Quantitative Änderung, wobei der syntaktische ‘Stellenplan’ des
Verbs durch die Präfigierung reduziert oder erhöht wird. Man
88
Vgl. Schröder, Jochen (1992): Lexikon deutscher Präfixverben. 1. Aufl.
Langenscheidt Verl. S. 12, Kühnhold/Wellmann (1973: 142), Erben (1983: 72f.),
Motsch (1999: 40). 89
Hier wirkt das Präfix nur intensivierend aus. Es fügt dem Simplex kein neues
Inhaltsmerkmal hinzu, deshalb kann es ohne semantischen oder syntaktischen
Unterschied weggelassen werden. Wichtig festzustellen ist, “dass unter den
untersuchten Partikeln die intensivierende Funktion am meisten bei der Partikel ab-
ausgeprägt ist. Dann folgen die Partikeln an-, aus-, und ein-. Bei den Präfixen ist eine
prozentual mit ab- fast vergleichbare ausgeprägte Intensivierungsfunktion nur beim
Präfix er- zu beobachten. Dann folgen ver- und ent-.” Vgl. Mungan (1986: 206).
43
spricht von einer Valenzreduktion vor allem dort, wo die Präfigierung
dazu beiträgt, eine ‘umständlichere Präpositionalfügung’ einzusparen.90
Hierbei “stellt die Präfigierung gegenüber der präpositionalen Fügung
eine sparformhafte Verdichtung der Aussage dar”91
(vgl. oben 1.1),
z.B.:
(76) Die Milch fließt über den Rand des Topfs.
(76a) Die Milch fließt über.
(77) Ich streife das Kleid über mich.
(77a) Ich streife das Kleid über.
In wenigen Fällen lässt sich auch das Akkusativobjekt der
Basisverben reduzieren:
(78) Das Kind trinkt Milch.
(78a) Bei dem Schiffsuntergang sind zehn Matrosen
ertrunken.
(79) Die Schülerin hat ihre Koffer gepackt.
(79a) Alle packen zu, und schnell war die Arbeit gemacht.
Eine Valenzerweiterung erfahren vor allem einwertige, selten
zweiwertige Simplizia (vgl. unten Transitivierung):
(80) Du lügst.
(80a) Du belügst mich.
(81) Er hat zu früh gejubelt.
(81a) Er hat sein Geld in Bars verjubelt.
2) Qualitative Änderungen:
Durch die Präfigierung ändert sich oft nicht die Anzahl, sondern
nur die Art, d.h. die grammatische Form der Verbergänzungen.
Besonders wichtig sind folgende Änderungen:
90
Vgl. Erben (1983: 75). 91
Ebd. S. 73.
44
1) die Akkusativierung, wobei ein intransitives Basisverb ohne
Ergänzung (a) oder ein Basisverb mit präpositionaler (b) bzw.
dativischer Bestimmung transitiviert wird:
a) (82) Die Sonne strahlt vom Himmel.
(82a) Man bestrahlt den schmerzenden Arm.
(83) Der Sportler lief wie ein geölter Blitz.
(83a) Der Sportler lief seine Schuhe durch.
b) (84) Man lacht über die Späße des Clowns.
(84a) Man belacht die Späße des Clowns.
(85) Ich blättere im Buch.
(85a) Ich blättere das Buch um.
c) (86) Aufgebrachte Fußballfans drohen dem Schiedsrichter.
(86a) Aufgebrachte Fußballfans bedrohen den Schiedsrichter.
(87) Die Polizei folgt dem Täter.
(87a) Die Polizei befolgt den Täter.
Wie aus den Beispielen schon hervorgeht, hat das Präfix be- den
größten Anteil an dem Transitivierungsprozess.92
Semantisch
liegt jedoch ein minimaler Einfluss auf das Simplex vor. Be-
wird als ein semantisch einseitiges Präfix betrachtet.93
2) die Reflexivierung, wobei ein transitives Basisverb oder ein
intransitives Basisverb ohne Ergänzung oder mit präpositionaler
bzw. dativischer Fügung nur reflexiv gebraucht wird:
(88) Ich esse gern Käse.
(88a) Ich habe mich übergegessen
(89) Er spricht.
(89a) Er verspricht sich.
(90) Sie träumt von ihm.
(90a) Sie erträumt sich ihn.
92
Vgl. Kühnhold/Wellmann (1973: 359), Eroms (1982: 33), Ickler (1993: 168). 93
Vgl. Mungan (1986: 44: 48).
45
3) die Präpositionalisierung, wo ein Dativ- oder Akkusativobjekt des
Basisverbs zu einem Präpositionalobjekt des Präfixverbs wird:
(91) Die Nachbarn verprügelten den Einbrecher.
(91a) Die Nachbarn prügelten auf den Einbrecher ein.
(92) Der Student bittet den Professor um Rat.
(92a) Der Student erbittet von dem Professor einen Rat.
Durch diesen Wechsel wird das Akkusativobjekt erheblich degradiert.
Es erscheint nicht mehr von der Handlung betroffen, sondern kann
weggelassen werden.94
4) die Dativierung, wobei die Präpositionalfügung beim Basisverb zum
Dativobjekt des Präfixverbs wird:
(93) Das Küken schlüpft aus dem Ei.
(93a) Das Küken entschlüpft dem Ei.
(94) Der Linguist forscht nach dem Ursprung des Wortes.
(94a) Der Linguist forscht dem Ursprung des Wortes nach.
Schließlich sei zu bemerken, dass die Präfigierung weiterhin Einfluss
auf die Wahl der Hilfsverben haben bzw. sein beim Bilden des Perfekts
ausübt, z.B.:
(95) Die Blume hat geblüht.
(95a) Die Blume ist verblüht.
Man trifft oft die Entscheidung auf Grund semantisch begründeter
Regeln.95
Das deutet klar auf die Tatsache hin, dass kein Präfix allein
auf eine rein grammatische Funktion festgelegt ist. Normalerweise
resultieren Veränderungen des syntaktischen Verhaltens aus der durch
die Präfigierung stattfindenden semantischen Modifikation.96
94
Vgl. Ickler (1993:167). 95
Vgl. Eisenberg (1999: 108ff.), Motch (1999: 40ff.), Ziffonun (1997: 1872ff.),
Lewandowski (1994:37), Helbig/Buscha (2001: 65f.). 96
Vgl. Erben (1983: 75).
46
Als wichtig erweist sich auch Eroms Beobachtung, bei der er feststellt,
dass die erste Gruppe der Verbpräfixe, nämlich untrennbare Verbpräfixe “ in viel höherem Grad in syntaktische Funktionskategorien integriert sind als
die Partikelverben […]. Zumindest weisen sie eine oder mehrere dominante
syntaktische Funktionen auf […]. Die Partikelverben der Klasse II sind im
ganzen semantisch viel reicher distribuiert als die der Klasse I […]. Das
gleiche trifft nun aber auch auf die Klasse III, die Partikelverben, deren
Partikel teils trennbar, teils fest sind, zu. Hier sind darüber hinaus zusätzliche
Schwierigkeiten zu erwarten, wenn die Dichotomie Trennbarkeit –
Nichttrennbarkeit eine Funktion hat. Andererseits ist zu vermuten, daß
Nichttrennbarkeit nicht nur in Klasse I, sondern auch in Klasse III zu ‘höherer
Grammatikalisierung’ in dem Sinne führt, daß sich regelhafte einheitliche
Funktionen aufzeigen lassen.”97
1.3.4 Semantische Funktionen der Präfixe
Von semantischer Ansicht her sind die Präfixe relevant bei der
Differenzierung der verbalen Ausdrucksmöglichkeiten. Sie fügen meist
Inhaltsmerkmale hinzu, die von den Basisverben nicht ausgedrückt
werden. In der Regel kann die Präfigierung zur lokalen, temporalen und
aktionalen Modifizierung der BV beitragen.
Lokale und temporale Modifizierung bewirken vor allem die aus
Präpositionen hervorgegangenen Präfixe. Erben betrachtet es als “eine
gewisse Aufgabenverteilung zwischen den so eingesetzten Präfixen und
den lokalen und temporalen Präpositionen”. An anderer Stelle führt er
weiter: “Wo Präfixe und Präpositionen in Form und Inhalt nahezu
gleich sind, stellt die Präfigierung gegenüber der präpositionalen
Fügung eine sparformhafte Verdichtung der Aussage dar “98
, z.B.:
(96) Ich klebe einen Zettel an die wand.
(96a) Ich klebe einen Zettel an.
(97) Es regent durch das Dach.
97
Eroms (1982: 33f.). 98
Ebd. S. 73.
47
(97a) Es regent durch.
(98) Er keimte den Samen vor (= vor dem eigentlichen
Keimprozess keimen)
(99) Sie bestellte Kognak nach. (= nach dem eigentlichen
Bestellen bestellen)
Reihenhaft tragen Präfixe besonders mehr zur Abstufung und
Differenzierung der Aktionsart von Verben bei, die Verlaufsweise des
vom Verb bezeichneten Geschehens näher charakterisiert, und zwar in
Bezug auf den zeitlichen Ablauf (Anfang, Übergang, Vollendung) und
den inhaltlichen Ablauf (Veranlassen, Wiederholung, Intensität).99
Durch Präfigierung kann hervorgehoben werden:
1) der Beginn eines Geschehens (inchoativ/ingressiv), der – statt einer
Fügung mit los oder anfangen zu BV – durch die Präfixe an-, auf-, ein-,
er-, ent- ausgedrückt wird:
(100) Ich drehe das Radio an.
(101) Die Knospe ist aufgeblüht.
(102) Er schlief erst spät ein.
(103) Das Feuer entflammt.
2) das Ende eines Geschehens (egressiv), das – statt einer Fügung wie
vollständig, endgültig, restlos zu BV – erst durch ab-, auf-, aus-, durch-,
er-, ver- und zer- signalisiert wird:
(104) Die Schuhsohlen sind abgelaufen.
(105) Er hat alles selbst aufgegessen.
(106) Die Kirchweihe wird ausgeläutet.
(107) Herabfallende Dachziegel erschlugen einen Passanten.
(108) Die Insassen des Wagens sind in Flammen verbrannt.
99
Näheres zu den Aktionsarten im Deutschen, siehe Helbig/Buscha (2001: 65ff.),
Duden-Grammatik (1998: 90ff.).
48
Den erfolgreichen Abschluss einer Handlung, d.h. das Erreichen eines
Ziels bzw. Erwerben eines Besitzes (resultativ), können nur die Präfixe
er- und ver- signalisieren:
(109) Er erwirtschftete sich ein Vermögen.
(110) Sie verdient ihren Unterhalt durch Übersetzen.
3) der Übergang von einem Zustand in einen anderen (mutativ,
transformativ):
(111) Der Kranke magert bis auf die Knochen ab.
(112) Sie errötete tief bis in die Haarwurzeln.
(113) Der Klatsch ist endlich verstummt.
4) das Veranlassen, Versetzen in einen neuen Zustand (kausativ,
faktitiv):
(114) Die Regierung schwächte die Äußerung des Botschafters
ab.
(115) Diese Medizin beruhigt die Nerven.
(116) Der Schüler wurde von der Schule entfernt.
(117) Seine Späße erheitern das Publikum.
5) die Entfernung oder Beseitigung einer Sache (privativ), vor allem
durch ab-, aus-, ent-, er- und ver- signalisiert:
(118) Die Passagiere dürfen sich jetzt abschnallen.
(119) Er hat den Stall ausgemistet.
(120) Zu eisenhaltiges Wasser muss enteisent werden.
Im Zusammenhang damit steht die Bedeutungsgruppe “aufhebender
Gegensatz”:
(121) Der Botschafter wurde aus Moskau abberufen.
(122) Der Versuch ist missglückt.
(123) Wir verachten den Verräter.
49
6) mit einer Sache Versehen (ornativ), erst durch aus-, be-, über-, um-
sowie ver- ausgedrückt:
(124) Die soeben eingegangene Ware ist noch nicht ausgepreist.
(125) Die Arbeiter beschötterten die Straße.
(126) Der Fahrradlenker ist vernickelt.
7) Wiederholung eines Geschehens (iterativ), die eingeschränkt durch
die Präfixe – bei den Suffixen dagegen trägt (e)l(n) häufig dazu bei, vgl.
husten und hüsteln – ausgedrückt wird. Nur das erneute Tun, die
einmalige Wiederholung können auf-, nach-, wieder- betonen:
(127) Die Läufer wärmten sich vor Start auf.
(128) So eine Gelegenheit kommt nicht wieder.
8) der teilweise Vollzug des Geschehens:
(129) Sie kocht Suppenfleisch an. (= ein wenig kochen)
9) übermäßiger Vollzug des Geschehens:
(130) Pass auf, dass du dich nicht überarbeitest!
10) Verstärkung des Geschehens (intensiv):
(131) Um die Lieferung der Maschinen haben sich mehrere
Firmen beworben.
Am Rande stehen folgende semantische Funktionen:
1) Kennzeichnung des Öffnens, z.B.:
(132) Die Mutter knöpft den Mantel auf.
(133) Er erbrach das Siegel.
2) Kennzeichnung des Schließens,z.B.:
(134) Ich knöpfte mir das Kleid zu.
(135) Er verriegelt das Fenster.
50
3) Kennzeichnung der Handlung als falsch:
(136) Er hat ihr Vertrauen missbraucht.
(137) Sie muss sich beim Datum verschrieben haben.
Wie aus den Beispielen hervorgeht, können die Präfixe jedoch
unterschiedliche Aktionsarten ausdrücken, so auf- in aufblühen den
Beginn, in aufessen das Ende des Geschehens, in aufwärmen das
erneute Tun. Verschiedene Präfixe können sich außerdem zum Teil in
ihren Bedeutungskomponenten decken. Auf diese Weise entstehen
bedeutungsgleiche (synonyme) oder bedeutungsähnliche
Präfixbildungen, z.B. ent- und aus- in der privativen Bedeutung (jmdn.
entkleiden/auskleiden); auf- und er- zur kennzeichnung des Öffnens
(etw. aufbeißen/erbeißen), wobei zu beachten ist, dass die betonten
unfesten Präfixe funktional den unbetonten festen Präfixen teilweise
naheliegen, während die semantische Annäherung zwischen den
unfesten Präfixen oder zwischen den festen Präfixen häufig weniger
besteht.100
Zwischen den Präfixbildungen entsteht manchmal auch
Gegensatzrelation (Antonymie), z.B. zwischen auf- und zu- in
aufknöpfen - zuknöpfen; auf- und ver- in aufblühen – verblühen.101
100
Vgl. Erben (1983: 72), Fleischer/Barz (1992: 318f.). 101
Näheres zur Antonymie und Polysemie der Präfixbildungen, siehe Fleischer/ Barz
(1992: 347f.), Kühnhold/Wellmann (1973: 156ff.).
51
2. Einteilung des Elements durch nach semantischen
Kriterien
2.1 Einteilung der Funktionen der Präposition durch
In diesem Kapitel befassen wir uns mit der Präposition durch und
ihren verschiedenen Bedeutungsvarianten im Einzelnen. Wie es im
ersten Kapitel feststeht, gehört durch zu den Präpositionen alter Schicht,
deren morphologische, syntaktische und semantische Merkmale sich fast
völlig von denen der jüngeren Präpositionen unterscheiden. Als alte
Präposition regiert durch immer den Akkusativ, kommt in
Präpositionalphrasen als Adverbial, das eine Ergänzung oder eine freie
Angabe sein kann, als Objekt und Attribut, nicht aber als Prädikativum
vor, vgl. z.B.:
(1) Man hatte keine Ahnung wieso, nirgends ein Licht, nur dank eines
fernen Gewitters erkannte man, dass es durch Dschungel geht.
(2) Ich beobachte sie durchs Glas der Veranda, wie sie bestellte, wie
sie wartete, wie sie rauchte und einmal auf die Uhr blickte.
(3) Die beiden Bilder unterscheiden sich nur durch Einzelheiten.
(4) Ich zeigte dem Herrn den Weg durch den Park in die Kapelle.
(5) * Er ist durch den Wald.
Die Präpositionalphrasen mit durch können also fast alle syntaktischen
Funktionen übernehmen, die für die alten Präpositionen charakteristisch
sind. Es soll aber betont werden, dass durch in Präpositionalobjekten nur
wenig – im Vergleich zu den anderen alten Präpositionen wie auf, um
und über – auftritt. Es handelt sich hier um ein paar Verben: dividieren,
ersetzen, teilen, sich unterscheiden und belasten.102
Diese Verwendung
sowie ihre Verwendung als Attribut bleiben in dieser Arbeit außer
Betracht. Uns interessieren dabei nur die Präpositionalphrasen mit durch
in adverbialer Funktion103
, die auf der semantischen Ebene über eine
102 Vgl. Grabarek, Hanna Biadun (1996): Deutsche Präpositionen und präpositionsartige
Präpositionalphrasen in Adverbien. Bydgoszcz, S. 127f. 103
Dem syntaktischen Status der Präpositionalphrasen mit durch wollen wir hier nicht
so großen Platz einräumen. Unser Ziel in diesem Kapitel ist vielmehr, die Bedeutungen
von durch als Präposition ausführlich darzustellen, um sie später - im folgenden Kapitel
52
Anzahl von Bedeutungen verfügen, nämlich lokale, temporale,
modale/mediale und kausale Bedeutung. In Passivsätzen spielt durch
auch eine Rolle, vgl.:
(6) Unser Zug fuhr damals durch einen langen, dunklen Tunnel. (Lokal)
(7) 40 Jahre (hin)durch tat er seine Pflicht. (Temporal)
(8) Durch Zufall habe ich erfahren, dass er dich morgen besucht.
(Modal/medial)
(9) Die Fabrik wurde durch einen Brand vernichtet. (Passiv)
(10) Durch angestrengte Arbeit ist er krank geworden. (Kausal)
Die Präposition durch ist also mehrdeutig, d.h. sie signalisiert – wie die
anderen alten Präpositionen – mehrere Verhältnisse. Ihre lokale
Bedeutung gilt dabei als die Grundbedeutung, auf die die anderen
Verhältnisse zurückzuführen sind. Ich vertrete hier also die lokalistische
Position, die die Verwendungsweisen der Präpositionen von ihrer
lokalen Bedeutung abhängig macht, und gehe davon aus, dass die lokale
Bedeutung von durch der Auslegung und Interpretation ihrer anderen
Verwendungen, besonders der kausalen und temporalen, zugrunde liegt.
Ich beginne daher mit der lokalen Verwendung von durch, gehe aber
zuvor auf die lokalen Präpositionen im Deutschen, die wir im ersten
Kapitel nur sehr kurz besprochen haben, etwas ausführlicher ein, um die
Stelle der Präposition durch im lokalen System zu markieren und sie
gegen die anderen lokalen Präpositionen abzugrenzen.
2.2 Das System der lokalen Präpositionen im Deutschen
Im Deutschen lassen sich die lokalen Präpositionen – wie schon
im ersten Kapitel angesprochen – grundsätzlich in zwei Gruppen
aufteilen: in statische und dynamische (= nicht-statische) Präpositionen.
Laut Maienborn referieren statische Präpositionen auf Orte.104
Sie
bezeichnen ein Lokationsverhältnis zwischen ihrem externen und
internen Argument, d.h. zwischen dem zu lokalisierenden Objekt (LO)
- mit denen der durch-Präfixverben zu vergleichen und den Zusammenhang zwischen
ihnen herauszustellen.
104 Maienborn, Claudia (1990): Position und Bewegung: Zur Semantik lokaler Verben.
IWBS Report 138, S. 29.
53
und dem Referenzobjekt (RO). Dieses Lokationsverhältnis besteht darin,
dass ihr externes Argument in einer durch die jeweilige Präposition
spezifizierten Nachbarschaftsregion ihres internen Arguments lokalisiert
ist.105
So denotiert die statische Präposition über in dem Beispiel:
(11) Die Lampe hängt über dem Schreibtisch.
eine Relation, die darin besteht, dass das externe Argument (Lampe)
innerhalb der über-Region des internen Arguments (Schreibtisch)
lokalisiert ist. Zu den statischen Präpositionen gehören vor allem an, auf,
bei, entlang, gegen, gegenüber, hinter, in, neben, über, um, unter, vor,
zwischen, die auch dynamisch verwendet werden können. Graphisch
kann man sie wie folgt darstellen106
(Abb.2):
(c) über
neben hinter
an auf
(a) vor
(b) neben
unter
Statische Präpositionen lassen sich in Bezug auf die Relation, die sie
ausdrücken, in zwei Klassen unterteilen. Die erste Klasse umfasst die
Präpositionen, die eine Relation bezüglich einer Achse herstellen. Dazu
gehören vor, hinter, neben, die Lokalisierung auf der horizontalen Achse
(a) und (b) herstellen, wobei neben auf der Lateralachse zu der vor-
hinter-Achse lokalisiert wird, und auf, über, unter, die auf der vertikalen
Achse (c) hergestellt werden. Die zweite Klasse bilden die Präpositionen,
die eine lokale Relation ohne eine der möglichen Achsen mitzubenennen
105 Vgl. auch Kaufmann, I (1990): Semantische und konzeptuelle Aspekte der Weg-
Präposition durch. In: Kognitionswissenschaft 1, S. 15. 106 Vgl. Marq, Philippe (19988): Spatiale und temporale Präpositionen im heutigen
Deutsch und Französisch. Hans-Dieter Heinz, Akademischer Verl. Stuttgart, S. 29.
54
bezeichnen. Das gilt vor allem auf an, bei, in, innerhalb, außerhalb
u.a.107
Dynamische Präpositionen referieren aber nicht auf Orte, sondern auf
Wege. Lokalisierung findet hier im Verhältnis zu einem Weg statt. Es
wird nicht wie bei den statischen Präpositionen eine Beziehung zwischen
dem Lokalisierungsobjekt (LO) und einer Nachbarschaftsregion des
Referenzobjekts (RO) hergestellt, sondern die unterschiedlichen Teile
eines vom LO zurückgelegten Weges werden relativ zu dieser
Nachbarschaftsregion lokalisiert. Das setzt voraus, dass das LO im
Verhältnis zum RO eine bestimme Bewegung ausführt. Es genügt nicht,
wenn sich das LO innerhalb der Region des RO befindet. Es muss
stattdessen eine in Bezug auf Richtung und Dauer nicht beliebige
Bewegung vollführen:
(12) Er geht in den Wald
(13) Er geht aus dem Haus.
(14) Er fährt durch den Tunnel.
In (12) ist das LO (Er) vor der Bewegung außerhalb, und nach der
Bewegung innerhalb des Waldes (Ziel), während es sich in (13) zu
Beginn seines Weges im Hause (Ursprung) befindet. In (14) aber führt
ein Teilstück des von ihm zurückgelegten Weges durch den Tunnel
(Path).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Voraussetzung für Erscheinen
der dynamischen Präpositionen seien:
I. ein sich bewegendes Objekt (Person bzw. Gegenstand),
II. eine Bewegung bzw. Richtung,
III. ein Weg, den das sich bewegende Objekt durchläuft und der aus drei
Stationen besteht, nämlich:
- dem Zielort (= Endzustand des sich bewegenden Objektes), der
durch an, auf, gegen, hinter, in, neben, über, unter, vor,
zwischen + [Akku.], nach und zu + [Dat.], hier P[Dir] genannt,
zum Ausdruck kommt;
- dem Ursprungsort (= Ausgangszustand des sich bewegenden
Objektes), der erst durch aus und von, hier P [Exog] genannt,
zum Ausdruck kommt;
107 Vgl. Mansour (1988: 26).
55
- einem oder mehreren Durchgangsorten (= Zwischenzustand des
sich bewegenden Objektes), der bzw. die von durch, entlang,
längs, über und um, also P [Pass]108
, bezeichnet wird bzw.
werden.
Aber was bedeutet eigentlich Weg? Und welche Eigenschaften weist der
Weg auf ?
Einen Weg definiert Wunderlich als "eine lineare geordnete (dichte)
Menge von Raumpunkten […]. Ein sich bewegendes Objekt beginnt die
Bewegung zu einer Zeit Tο am Ort Lο und endet zu einer Zeit T1 am Ort
L1. Die Erstreckung des Weges ist projizierbar auf die zurückgelegte
Zeit.”109
Mit diesem Wegkonzept setzt Wunderlich drei
Wegeigenschaften an, nämlich Linearität, Gerichtetheit und
Kontinuität.110
Die Positionen, die das sich bewegende Objekt nach und
nach zum Referenzobjekt einnimmt, werden "summiert", so dass
allmählich ein linearer Weg entsteht. Wege besitzen auch eine Richtung,
indem sie kontinuierlich (= unterbrochen) von einem Ort zum anderen
führen. Wie es viele Grammatiker feststellen, müssen nicht immer alle
Wegeigenschaften bei jeder dynamischen Präposition vorliegen.
Meistens wird – wie es sich später bei detaillierter Behandlung der
lokalen Präposition durch herausstellt – eine Wegeigenschaft
hervorgehoben, während die anderen außer Betracht bleiben. Bei
108
Es sei hier darauf hinzuweisen, dass sich die Bezeichnungen der einzelnen Klassen
der lokalen Präpositionen erheblich in der Grammatikliteratur unterscheiden. So wird
DIREKTIONAL [Dir], das wir hier – in Anlehnung an Schröder – zur Bezeichnung der
zum Ausdruck des Zieles einer Bewegung dienenden Präpositionen benutzen, soweit in
anderen Arbeiten unterschiedlich aufgefasst. In vielen Arbeiten steht DIREKTIONAL
als Bezeichnung für alle dynamischen Präpositionen (vgl. Maienborn und Bierwisch).
Kaufmann versteht aber unter DIREKTIONAL nur die Wechsel-Präpositionen, die
sowohl statisch als auch dynamisch verwendet werden, also an, auf, hinter, in, neben,
über, unter, vor, zwischen. Statt [Exog] werden auch [from]oder [ablativ] verwendet.
Um diesem Termini-Choas zu entgehen, stütze ich mich auf Schröders Termini, die in
einer Reihe Arbeiten zur Präpositionssemantik erscheinen. 109 Wunderlich, D. (1985a): Raumkonzepte. Zur Semantik der lokalen Präpositionen. In:
Ballmer, Thomas T./ Posner, Roland (Hgg.): Nach-Chomskysche Linguistik. Berlin, S.
349. 110 Vgl. auch dazu Kaufmann, Ingrid (1995): Konzeptuelle Grundlagen semantischer
Dekompositionsstrukturen. Die Kombinatorik lokaler Verben und prädikativer
Komplemente. Niemeyer, Tübingen (Linguistische Arbeiten 335), S. 50ff.
56
Zielpräpositionen z.B. ist die Gerichtetheit am wichtigsten. Sie
bezeichnen eine zeitlich begrenzte Situation, bei der der Übergang in die
Zielregion im Vordergrund steht. Der Weg, der zu der Zielregion führt,
soll nicht kontinuierlich sein. Es reicht, wenn der Weg über zwei
geordnete Lokalisierungspunkte rekonstruiert werden kann.111
Bei den
Präpositionen, die einen Path bezeichnen, also Pn [Pass], verhält es sich
ganz anders. Bei entlang, längs spielt die Richtung keine Rolle, während
die Präpositionen durch und über neutral in Bezug auf dieses Merkmal
sind.112
Bei den Path-Präpositionen liegt das Schwergewicht auf
Kontinuität des Weges, d.h. ein kontinuierlicher, ausgedehnter Weg ist
hier vorausgesetzt. Dies wird unten bei der Präposition durch deutlicher
erfassbar.
Wichtig ist hier noch auf Kombinationsmöglichkeiten der lokalen
Präpositionen mit den lokalen Verben hinzuweisen. Wir stützen uns
dabei auf Wunderlichs Bemerkung, die kurz besagt:
“Positionsverben haben als Argument […] eine Ortsangabe, Bewegungsverben
eine Angabe über Ziel, Wegteil oder Ursprung der Bewegung. Entsprechend
sind Positionsverben hinsichtlich statischer lokaler Adverbiale, und
Bewegungsverben hinsichtlich Richtungs-, Ursprungs- oder
Durchgangsadverbiale (allgemein: nicht-statischer lokaler Adverbiale)
subkategorisiert.”113
Statische Präpositionen kommen also mit Positionsverben vor,
dynamische aber mit Bewegungsverben. Man kann aber auch
hinzufügen, dass die statischen Präpositionen auch in Verbindung mit
den Bewegungsverben auftreten können. Sie geben dabei nicht das Ziel,
sondern nur den Ort der Handlung an114
(siehe dazu das erste Kapitel, S.
25f.), vgl.:
(15) Der Schrank steht an der Wand.
(16) * Der Schrank steht an die Wand.
111 Vgl. Kaufmann, Ingrid (1991): Semantik der wegbezogenen Präpositionen des
Deutschen. In: Düsseldorf: Seminar für Allgemeine Sprachwiss. (Arbeiten des
Sonderforschungsbereich 282 8) Nr. 8, S. 25. 112 Vgl. Maienborn (1990: 91).
113 Wunderlich, D. (1985): Raum, Zeit und das Lexikon, in: Schweizer, Harro (Hg.),
Sprache und Raum, Stuttgart , S. 77. 114 Vgl. Kaufmann (1995: 37f.), El Akshar (1996: 34).
57
(17) * Der Schrank steht von der Wand.
(18) * Der Schrank steht durch die Wand.
(19) Er läuft auf dem Sportplatz.
(20) Er läuft auf den Sportplatz.
(21) Er läuft vom Sportplatz.
(22) Er läuft durch den Sportplatz.
Man kann auch Wunderlichs Bemerkung hinzufügen, dass Verben wie
stellen, legen, stecken einen Sonderfall darstellen. Sie lassen sich nicht
mit allen dynamischen Präpositionen kombinieren. Sie kommen nur in
Verbindung mit den Zielpräpositionen – außer zu und nach - vor, niemals
mit den P [pass], was klar zeigt, dass es auch innerhalb der Klasse der
dynamischen Präpositionen noch auch Unterschiede hinsichlich ihrer
Kombination mit den lokalen Verben gibt. Das ist darauf
zurückzuführen, dass die Pn [Pass] andere Wegeigenschaften
hervorheben als die Pn [Dir] (vgl. oben). Verben wie stellen, legen,
hängen "beinhalten den Übergang in einen Lokalisierungszustand aus
einem nicht spezifizierten Vorzustand, sie beinhalten keine Information
über eine kontinuierliche Bewegung des lokalisierten Objekts. Damit
stellen sie auch keinen kontinuierlichen Weg zur Verfügung", was
genau zu den Zielpräpositionen passt und im Widerspruch zu den Pn
[Pass] steht, vgl.:
(23) Sie legt das Buch auf den Tisch.
(24) * Sie legt das Buch vom Tisch.
(25) * Sie legt das Buch durch den Tisch.
2.3 Die Charakteristika des durch-Weges
Wie oben schon erwähnt, gehört durch zur Gruppe der
Wegpräpositionen, die eine Passagerelation ausdrücken und die auch
über, um, entlang umfassen. Im Unterschied zu über und um, die
daneben auch als statische Präpositionen oder Zielpräpositionen
gebraucht werden können, beschränkt sich die Präposition durch auf die
58
Verwendung als Wegpräposition.115
Als solche beschreibt durch eine
spezifische Wegrelation. Sie bezeichnet eine Bewegung in Bezug auf den
inneren Bereich des Referenzobjekts, also auf einen Raum, während die
Präposition über, die in ihrer Verwendung als Wegpräposition der
Präposition durch am nächsten steht – weil bei den beiden Präpositionen
der Weg eine bestimmte Region schneiden muss - sich aber auf die
Oberfläche des Referenzobjekts bezieht, um auf eine kreisförmige
Bewegung in Bezug auf die Peripherie des RO hindeutet und entlang
eine Bewegung parallel zu dem RO:
(26) Er fährt um den Park.
(27) Er fährt durch den Park.
(28) Er fährt den Park entlang.
Durch weist aber nicht immer eine semantische Eindeutigkeit auf. So
kann durch im Beispiel (27) auf zweierlei Art und Weise interpretiert
werden, wobei sich der Sinn aus dem Kontext ergibt. Es kann sich
entweder um Durchqueren des Parks oder um einen längeren
ungerichteten Aufenthalt, ein Umhergehen im Park handeln. In der ersten
Interpretation bewegt sich (er) durch den Park hinweg, der als
Referenzobjekt begrenzt konzeptualisierbar ist. Der Park ist als
Zwischenstation auf dem Weg zum Zielort zu betrachten. In der zweiten
Interpretation bewegt sich (er) im Park, ohne ihn zu verlassen. Die
Bewegung ist zeitlich unvollendet, unbegrenzt. Ausgangs- und Endpunkt
der Bewegung sind häufig nicht spezifiziert. Dies entspricht genau
Kaufmanns und Maienborns Unterscheidung zwischen Path und Route.
Path umfasst einen abgeschlossenen Weg, der einen Ausgangs-, einen
Pfad- und einen Endpunkt hat, während Route sich hingegen auf eine
indefinite Grenze bezieht. “Eine Bewegung entlang eines durch Route
charakterisierten Weges erstreckt sich gleichförmig und wird nicht durch
ein inhärentes Ziel begrenzt.”116
Im ersten Fall wird von telischen
Situationen, also Ereignissen, im zweiten Fall aber von atelischen
Situationen, einem Zustand gesprochen. Darauf wird gleich unten näher
eingegangen.
115 Vgl. Wunderlich, D. (1993): On German um: Semantic and Conceptual Aspects.
Linguistics 31, S. 118f.
116 Vgl. Maienborn (1990: 90).
59
2.4 Die räumlich begrenzte Lesart von durch:
Telische Bewegung
Diese Lesart ist prototypisch für durch und daher wird sie zuerst
vorgestellt.117
Durch hat dabei die Bedeutung von Durchqueren. Dies
kommt zustande durch eine Bewegung, die auf der einen Seite in etwas
hinein- und auf der anderen Seite wieder herausführt 118
, z.B.:
(29) Peter fährt durch den Tunnel.
(30) Der Fluss fließt durch einen See.
(31) Hans guckt durch das Schlüsselloch.
(31) Durch das offene Fenster erblickte man wieder die alte Dame.
(33) Ich weiß nicht, wie wir mit unserem Landrover durch den Fluss
kamen
(34) Dann stieg ich selber schnell herunter und ging durch den stillen
Garten auf meine Wohnung zu.
Voraussetzung für Erscheinen der Präposition durch ist also vor allem,
dass sie sich auf einen Raum bezieht, in dem die Bewegung stattfindet,
und das gilt nicht nur auf diese begrenzte Lesart, sondern auch auf die
unbegrenzte. Chrakteristisch für diese Verwendung ist aber, und das
macht den Hauptunterschied zwischen den beiden Lesarten aus, dass die
Bewegung im Raum zielgerichtet verläuft, was genau bedeutet, dass mit
der Bewegung ein bestimmtes Ziel verfolgt wird. Es geht also um einen
Raum, den man auf der einen Seite betritt und auf der anderen Seite
wieder verlässt, um einen Zielort zu erreichen. Wie es Schröder
ausdrücklich betont, liegen der Zielort sowie auch der Ausgangsort
außerhalb des Raumes.119
So besagt das erste Beispiel, dass Peter
zunächst nicht im Tunnel (das Referenzobjekt), dann im Tunnel und
117 Vgl. Smith, Michael B. (1987): The Semantics of Dative and Accusative in German:
An investigation in Cognitive Grammar. PH. D. Diss. University of California. San
Diego, S. 204. Vgl. auch Benware, Wilbur (1992): Stress on particle verbs with durch in
Modern German. In: Journal of Germanic linguistics 4/2, S. 157f. 118
Duden -Universalwörterbuch (2003: 405). 119 Vgl. auch dazu Smith (1987: 207).
60
danach wieder nicht im Tunnel ist. Er hält sich nicht lange im Tunnel
auf, sondern bewegt sich schnell in die Richtung dessen Ausgangs, um
ihn zu verlassen. Der Tunnel selbst ist nicht das Ziel der Bewegung,
sondern führt nur als Weg zu dem Ziel, vgl. Abbildung 3:
Im zweiten Beispiel ist der Fluss das Lokalisierungsobjekt. Er hat einen
Ursprung, die Quelle, und ein Ziel, das Meer, und die beiden liegen
außerhalb des Passagebereichs, also des Sees. Durch gibt hier an, dass
der Fluss sein Ziel noch nicht erreicht hat. Er muss seinen Weg
fortsetzen. Der See ist nur eine Zwischenstation. Ähnliches verhält es
sich mit dem dritten Beispielsatz. Hier beobachtet Hans jemanden
heimlich, der sich offensichtlich hinter einer Tür befindet. Er wirft daher
den Blick durch das Schlüsselloch. Er bzw. sein Blick hat ein Ziel.
Wichtig an diesem Beispiel ist noch der Hinweis auf die
Kombinationsmöglichkeit mit den Wahrnehmungsverben. In diesem
Beispiel sowie im Beispiel (32) verbindet sich durch nicht mit
Bewegungsverben wie fahren, fließen, kommen und zugehen in (29),
(30), (33) und (34), sondern mit Wahrnehmungsverben. Gucken und
erblicken zeigen in diesem Zusammenhang den Weg zum Erreichen
eines Ziels an und sollen wie die Bewegungsverben interpretiert
werden.120
Sie sind so zu verstehen, "dass beim Empfinden irgendeine
Pseudomaterie vom Objekt zum Sinnorgan transportiert wird. Beim
Sehen sind dies zum Beispiel Lichtstrahlen oder Photonen und beim
Hören Schallwellen."121
Durch bestimmt nicht nur die Verben, die im Satz auftreten, sondern
stellt auch Anforderungen an das Referenzobjekt. Dieses muss so
beschaffen sein, dass es für das Lokalisierungsobjekt durchquerbar ist.
Es muss immer die Möglichkeit des Eintretens und Verlassens geben.
Relevant hierfür sind laut Kaufmann Material- und Gestalteigenschften
des Referenzobjekts, die Kaufmann anhand der folgenden Beispiele
erläutert:
(35) * Der Apfel fällt durch die Glasschüssel.
120 Vgl. Kaufmann (1990: 22f.).
121 Soll, Maria (1992): Ein Regelsystem zur Semantik der lokalen Präpositionen
"durch" und "über". Diplomarbeit im Studiengang Informatik. Hamburg, S. 15.
61
(36) Das Licht fällt durch die Glasschüssel.
(37) * Er fällt durch den Brunnen.
Der Akzeptabilitätsunterschied zwischen (35) und (36) ergibt sich daraus,
dass feste Körper (Apfel) andere feste Körper (Glasschüssel) nur unter
Kraftaufwand, d.h. unter Zerstörung des Körpers, durchqueren können.
Die Verwendung von durch ist auch im Beispiel (37) nicht kompatibel.
(er) tritt hier durch eine Öffnung in einen Hohlraum ein, kann diesen aber
nicht wieder verlassen.122
Wichtig sind ebenso die Anforderungen, die durch an die
Dimensionalität des Objektes stellt.123
Es muss meistens
mehrdimensional sein, d.h. es muss sich nicht nur in die Horizontale,
sondern auch in die Vertikale ausstrecken, muss also raumhaft
erscheinen. Vom eindimensionalen Objekt ist nicht mehr die Rede. Das
erklärt den engen Zusammenhang zwischen der Wegpräpopsition durch
und der statischen Präposition in näher. Den beiden Präpositionen ist die
Inklusion, d.h. Eingeschlossensein des Lokalisierungsobjekts im Inneren
des Referenzobjekts, gemeinsam und gilt als ihre wichtige
Bedeutungskomponente. Für die beiden Präpositionen ist daher die
Mehrdimensionalität unentbehrlich, da diese die Inklusion gewährleistet,
vgl.:
(38) Er steht in der Wiese / * im Rasen.
(38a) Er geht durch die Wiese / *den Rasen.
(39) Er steht im Kreis / * im Platz.
(39a) Er geht durch den Kreis / * den Platz.
Die Präposition durch stimmt aber nicht mit in in dieser Hinsicht völlig
überein, weil die Inklusion bei durch nur eine kurze Zeit dauert, und
zwar nur bei der Durchquerung des Rerenzobjektes.124
Nur in der Zeit, in
der das Lokalisierungsobjekt vom Eingangspunkt bis zum
Ausgangspunkt des Referenzobjektes hingeht, ist es ein Teil des
Referenzobjektes. Laut Soll sieht es so aus:
"Der Beobachter sieht, wie das Subjekt in das Objekt hineingeht. Von dem
Moment des Betretens bis zum Austreten aus dem Objekt ist das Subjekt für
den Beobachter nicht zu sehen, also ist das Subjekt ein Ein mit dem Objekt, es
122 Vgl. Kaufmann (1990: 15f.).
123 Vgl. Kaufmann (1990: 16), Soll (1992: 24).
124 Vgl. Kaufmann (1990: 16f.).
62
ist im Objekt enthalten. Das Enthaltensein dauert eine gewisse Zeit, und zwar
die Zeit der Durchquerung. Anschließend verlässt das Subjekt das Objekt und
der Vorgang der Durchquerung ist für den Beobachter abgeschlossen."125
Einen Satz wie:
(29) Peter fährt durch den Tunnel.
kann man demgemäß wie folgt umschreiben:
(29a) Peter betritt den Tunnel.
(29b) Peter ist im Tunnel.
(29c) Peter verlässt den Tunnel.
Die Inklusion sieht bei durch auch ein bisschen anders aus, weil das
Lokalisierungsobjekt die beiden Seiten des Referenzobjekts erreichen
muss. Es muss immer in Beziehung zu den Grenzen des Referenzobjekts
gesetzt werden, um den Raum völlig durchqueren zu können. Dies gilt
neben Inklusion als wichtige Bedingung für durch. Bei in fehlt jedoch
der Bezug auf die Objektgrenzen.126
Diese Inklusion, die - wie gesagt - als Hauptbedingung für Erscheinen
der Präposition durch gilt und sie mit der Präposition in verbindet,
unterscheidet zugleich sie von der mit ihr konkurrierenden Präposition
über.127
Der Weg, den durch und über bezeichnen, muss einen
bestimmten Bereich schneiden. In vielen Fällen können sie ausgetauscht
werden. Das ist der Fall im Beispiel (33). So kann es heißen:
(33) Ich weiß nicht, wie wir mit unserem Landrover durch
den Fluss kamen.
oder: (33a) Ich weiß nicht, wie wir mit unserem Landrover über
den Fluss kamen.
Beide Sätze können zwar als synonym betrachtet werden. Es gibt jedoch
einen Unterschied in der Perspektive und Vorstellung: Bei über herrscht
die Vorstellung vor, dass man über eine Fläche hinweg geht, bei durch ist
der Bereich zugleich in seiner Tiefe vorgestellt, und der Blick bleibt bei
125 Soll (1992: 41).
126 Vgl. Kaufmann (1990: 21), Kaufmann (1995: 75ff.).
127 Vgl. Kaufmann (1995: 75f.), Grabarek (1996: 124), Soll (1992: 23), Mansour
(1988: 126f.: 199).
63
dem Bereich, den man durchqueren muss.128
Grob gesagt ist die
Vorstellung bei durch raumhaft, bei über dagegen flächenhaft. Bei
Objekten wie See, Fluss, Feld sind über und durch zulässig, weil sie
sowohl flächenhaft als auch raumhaft konzeptualisierbar sein können.
Trägt das Referenzobjekt nur Flächenmerkmale, so wird durch
ausgeschlossen. Das ist der Fall in den Beispielen (11) und (13), weil
Platz und Rasen nicht als Räume betrachtet werden können. Man sagt
nur:
(38b) Er geht über den Rasen.
(39b) Er geht über den Platz.
Durch kann aber noch verwendet werden, wenn das eine Objekt
Flächen-, das andere Raumbezug hat. Man spricht dabei von
Sonderformen, z.B.: durch Feld und Wald, durch Gebirge und Steppe,
durch Hain und Flur.129
2.5 Die räumlich unbegrenzte Lesart von durch:
Atelische Bewegung
In dieser Verwendung hat durch die Bedeutung von
"Umhergehen". Hier wird auch - wie oben schon erwähnt - ein Raum
wiedergegeben, was genau bedeutet, dass die Referenzobjekte Mehrdimensionalität aufweisen, die Bewegung jedoch nicht gerichtet ist.
Sie wiederholt sich meist in diesem Raum und gilt zeitlich als nicht
abgeschlossen, unvollendet, vgl. z.B:
(40) Ruhelos ging er durch das Klassenzimmer.
(41) Peter läuft durch den Park.
(42) Sie waten durch das Wasser.
128 Vgl. Brinkmann (1962: 178), Mansour (1988: 127).
129 Vgl. Schröder (1986: 101), Mansour (1988: 199).
64
(43) Er bummelt durch die Straße.
(44) Seit dem Morgengrauen bin ich durch eure Gassen
geschlendert.
(45) Eines Tages, früh um vier, werden sie kommen mit
tausend schwarzen Panzern, die kreuz und quer durch
unsere Äcker rollen.
In den Beispielen geht es nicht darum, den Raum schnell zu durchqueren,
um zu einem Zielort zu gelangen, der außerhalb dieses Raumes liegt,
sondern vielmehr um einen längeren Aufenthalt in dem betrofffenen
Raum, der nicht verlassen wird. Die Bewegung darin wird nicht durch
ein inhärentes Ziel begrenzt, vgl. Abb. 4:
Diese räumliche Verwendung von durch entspricht in gewissem Maß
der von statischen Präpositionen.130
Von diesen unterscheidet sich die
Präposition durch nur durch den Bezug auf Bewegung. Ansonsten
unterscheidet sie sich jedoch nicht von den statischen Präpositionen,
d.h. sie ist auch nicht telisch und verändert nicht die zeitliche Struktur
des Sachverhalts (vgl. oben).
Schröder weist dabei mit Recht darauf hin, dass durch hier durch in .....
herum, in ....auf und ab, in .…hin und her ersetzt werden kann, was noch
als Hervorhebung der Inklusionskomponente, d.h. Eingeschlossensein in
dem Raum, bei dieser Verwendung von durch gilt.131
So kann man das
erste Beispiel folgendermaßen wiedergeben:
(40) Ruhelos ging er durch das Klassenzimmer.
(40a) Ruhelos ging er im Klassenzimmer herum.
(40b) Ruhelos ging er im Klassenzimmer auf und ab.
(40c) Ruhelos ging er im Klassenzimmer hin und her.
130 Vgl. Heintzeler, Mirjam (1992): Raumausdrücke im Konzeptlexikon: die Darstellung
der Komposition lokaler Verben und Präpositionen in einem konzeptuellen Lexikon.
Konstanz: Hartung-Gorre (Zugl. Diss. Univ. Konstanz), S. 103. 131 Vgl. auch dazu Soll (1992: 42).
65
Das nächste Beispiel zeigt, dass durch manchmal beide Lesarten erlaubt.
Man spricht dabei von Mehrdeutigkeit. Im Fall des Beispielsatzes:
(41) Peter läuft durch den Park.
kann es sich sowohl um Durchqueren des Parks als auch um Umhergehen
im Park handeln. Ob Peter den Park zielstrebig durchquert und ihn
wieder verlässt, ob er sich dort schon lange ungerichtet bewegt, lässt sich
nicht durch das Verb entscheiden. Bei dem Bewegungsverb laufen steht
es ganz offen im Gegensatz zu den Bewegungsverben waten, bummeln,
schleudern und rollen, die eine ungerichtete Bewegung charakterisieren.
Diese Verben sind zeitlich unbegrenzt und kommen daher mit durch nur
in der zweiten Verwendung vor.132
Die genaue Bedeutung im Falle des
Verbs laufen ist oft dem Kontext zu entnehmen. Die Mehrdeutigkeit kann
aber ausgeschlossen werden durch zusätzliche Richtungsadverbien wie
hindurch, das als Verstärkung für durch fungiert und die Bedeutung von
durch auf die erste begrenzte festlegt133
:
(41a) Peter läuft durch den Park hindurch.
Zeitadverbien können auch eine entscheidende Rolle bei der Analyse der
Sätze mit durch spielen, vgl.:
(41b) Peter läuft innerhalb von zehn Minuten durch den Park.
(41c) Peter läuft stundenlang durch den Park.
Man kann hier leicht erkennen, um welche Bedeutung es eigentlich geht.
In (41b) erscheint das Adverb innerhalb von zehn Minuten. Es ist ein
Zeitrahmenadverb und setzt immer eine begrenzte Verwendung voraus;
in (41c) liegt hingegen das Zeitdaueradverb stundenlang vor, das zur
Festlegung der unbegrenzten Verwendung von durch herangezogen wird.
Eigenschaften des Referenzobjekts sind hier auch relevant und können
über die Bedeutung entscheiden. Bei begrenzten Objekten wie Tunnel,
Tor, Fenster, Tür ergibt sich die Bedeutung von Durchqueren. Bei
Objekten wie Wüste, Luft, Matsch u.a., die keine festen Grenzen haben,
liegt die Bedeutung von Umhergehen nahe, vgl.:
132 Näheres zu den Bewegungsverben im Deutschen, siehe: Gerling, M./Orthen, N.
(1979): Deutsche Zustands- und Bewegungsverben. Gunter Narr Verl. Tübingen. 133 Vgl. Maienborn (1990: 91f.), Kaufmann (1995: 45), Benware (1992: 158f.).
66
(46) Peter läuft durch den Tunnel.
(47) Peter läuft durch die Wüste.
Betrachtet man das letzte Beispiel näher, stellt man fest, dass Inklusion
und völlige Durchquerung, die beiden Bedingungen, die für durch in der
begrenzten Verwendung relevant sind, auch in der zweiten unbegrenzten
Verwendung eine Rolle spielen. Die Inklusion muss ja immer als
Bestandteil von durch da sein. Sie ist hier sogar deutlicher als in der
ersten Verwendung, da ein längerer Aufenthalt in dem betroffenen
Objekt im Vordergrund steht. Die zweite Bedingung, also Erreichen der
Randpunkte des Referenzobjekts, oder wie es Smith nennt
"completeness", bleibt aber offen134
, und das hängt in erster Linie von
den Eigenschaften des Referenzobjekts ab. Bei Wüste im letzten Beispiel
muss nicht immer eine Beziehung zu deren Randpunkten hergestellt
werden. Bei Objekten wie Park, Gasse, Stadt kann man jedoch die
Randpunkte erreichen. Ich stimme deswegen nicht völlig der von Smith
und Benware vorgenommenen Interpretation zu. Smith stellt der
begrenzten Verwendung von durch zwei Bedingungen, nämlich
"completeness" und "directional", während in der unbegrenzten
Verwendung nur "completeness" dominiert. Completeness weist in der
begrenzten Verwendung auf "movement by the TR <LO> all the way
through the LM <RO> from one side to the other."135
In der
unbegrenzten Verwendung ist mit completeness "the sense that the
internal area of the LM is completely covered or sufffused […] by the
path followed by the TR"136
gemeint. Smith nimmt an, dass das
Lokalisierungsobjekt obligatorisch in den beiden Verwendungen von
durch in Beziehung zu den Grenzen des Referenzobjekts steht. Diese
Ansicht teilt mit ihm Benware, der das Referenzobjekt durch das Symbol
I und dessen Seiten durch Iq und Ir kennzeichnet. Laut ihm muss das
Lokalisierungsobjekt immer in Relation zu den beiden Iq und Ir stehen.
Das gilt für die beiden Lesarten.137
134 Vgl. Wunderlich (1993: 117), Kaufmann (1990: 25), Kaufmann (1995: 78f.).
135 Smith (1987: 205).
136 Ebd. S. 207f.
137 Näheres dazu siehe Benware (1992: 159f.).
67
Das gilt – meiner Meinung nach – als Verallgemeinerung, besonders weil
Smith und Benware keine Rücksicht auf Eigenschaften des
Referenzobjekts nehmen. Benware hat aber völlig Recht, wenn er betont,
dass die Beziehung des Lokalisierungsobjekts zu dem Referenzobjekt
und seinen beiden Seiten in der ersten Verwendung "sequential", also
phasenhaft ist. Das Lokalisierungsobjekt befindet sich am Anfang
außerhalb des Raumes, betritt ihn für kurze Zeit und verlässt ihn am
Ende. In der zweiten unbegrenzten Verwendung befindet sich das
Lokalisierungsobjekt die ganze Zeit in dem Raum. Die Verwendung ist
daher nicht “sequential".
2. 6 Durch zum Ausdruck der Durativität
Wie alle anderen alten Präpositionen kann durch auch temporal
verwendet werden. Es tritt dabei entweder voran- oder nachgestellt auf.
Die Stellung vom temporalen durch ist vor allem regional bestimmbar.
So wird es im österreichischen Deutsch vorangestellt, sonst wird durch,
üblicher aber hindurch, nachgestellt138
, z.B.:
(48) Ihre Freundschaft hielt durch das ganze Leben.
(49) 40 Jahre (hin)durch tat er seine Pflicht.
(50) Die ganze Zeit (hin)durch war er gesund, aber
jetzt kränkelt er wieder.
(51) Den Sommer (hin)durch arbeitete er auf dem Lande.
(52) Es ist schon 3 Uhr durch.
(53) Es ist Mitternacht durch.
138 Vgl. Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 2. Ruth Klappenbach /
Wolfgang Steinitz Akademie Verl. Berlin 1981, S. 874, Duden-Universalwörterbuch
(2003: 406).
68
Im temporalen Bereich entscheidet auch die Bedeutung über die Position
von durch. Dient es zum Ausdruck der Durativität, so kann es voran-
oder nachstehen wie in den Beispielen (48), (49), (50) und (51). Durch
bezeichnet hier Kontinuität des Geschehens über einen gewissen
begrenzten Zeitraum hin.139
Die Handlung verläuft kontinuierlich (= in
einem Zeitraum von Anfang bis zum Ende). Das nachgestellte durch
steht meist fakultativ. Es kann ohne Bedeutungsverlust, wie Schröder und
Fries feststellen, vor allem dort weggelassen werden, wo dem von durch
regierten Nomen ein Attribut wie ganz, lang oder ein Numeral hinzutritt,
was die Zeitausdehnung gewährleistet, vgl.:
(49) 40 Jahre (hin)durch tat er seine Pflicht.
(49a) 40 Jahre tat er seine Pflicht.
(50) Die ganze Zeit (hin)durch war er gesund, aber jetzt
kränkelt er wieder.
(50a) Die ganze Zeit war er gesund, aber jetzt kränkelt er wieder.
Ein Beispielsatz wie:
(51a) Den Sommer arbeitete er auf dem Lande.
sagt aber nichts über die zeitliche Ausdehnung der Arbeit aus. Er sagt nur
aus, dass die Arbeit auf dem Lande im Sommer erfolgte. Fries und
Schröders Feststellung in Bezug auf das vorangestellte Attribut stimmt
man zu. In Frage steht jedoch Schröders Feststellung, dass das von durch
regierte Nomen einen bestimmten Artikel erfordert. Das widerspricht
genau dem von ihm in diesem Zusammenhang angeführten Beispiel:
(54) Es ging ihr lange Zeit (hindurch) nicht gut. (Schröder 1986:105),
wo es kein Artikel vor dem Nomen steht. Das nachgestellte durch kann
außerdem mit lang oder über ausgetauscht werden, vgl.:
(50) Die ganze Zeit (hin)durch war er gesund, aber jetzt kränkelt
er wieder.
(50b) Die ganze Zeit lang war er gesund, aber jetzt kränkelt er wieder.
(50c) Die ganze Zeit über war er gesund, aber jetzt kränkelt er wieder.
139 Vgl. Schröder (1986: 104), Grabarek (1996: 127), Schmitz (1984: 7), Smith
(1987: 208), Mansour (1988: 300).
69
Im temporalen Bereich beschränkt sich durch nicht nur auf die durative
Verwendung. Es kann auch Überschreiten eines Zeitpunktes ausdrücken
und hat dabei die Bedeutung von "vorbei, kurz danach". So wäre das
Beispiel:
(52) Es ist schon 3 Uhr durch.
Umzuschreiben als: (52a) Es ist kurz nach 3.
In dieser temporalen Verwendung wird durch nur nachgestellt. Es kommt
auch nur mit dem Verb sein vor. Dies sind als wichtige Voraussetzungen
zu betrachten.140
2.7 Durch zum Ausdruck der Modalität
2.7.1 Durch mit medialer Bedeutung
Mit durch kann man weiter einen Vermittler oder ein
Realisierungsmittel bezeichnen. In dieser Funktion konkurriert es im Grunde
mit dem instrumentalen mit. Eine Grenze zwischen den beiden versucht
Forstreuter aber zu ziehen, indem sie drei Gruppen von Mitteln und
Gegenständen unterscheidet141
:
a) Mittel als reine Instrumente, die unter Kontrolle der Menschen stehen und
diesen bei einer bestimmten Tätigkeit dienen, z.B. Waffen und Werkzeuge
(Pistole, Messer, Hammer, Schraubenzieher u.a.). Forstreuter nennt diese
Gruppe passive Mittel und stellt fest, dass sie nur die Präposition mit zulässt.
So muss es immer heißen:
(55) Schreiben Sie bitte mit Bleistift, nicht mit Tinte!
(56) Sie hat ihn mit einer Pistole erschossen.
140 Vgl. Schröder (1986: 104), Mansour (1988: 301).
141 Vgl. Forstreuter, Elke (1976): Bedeutung und Anwendung einiger wichtiger
Präpositionen unserer Gegenwartssprache. In: Sprachpflege 25, S. 118.
70
b) aktive Mittel, die selbstständig, automatisch arbeiten und damit den
Menschen in bestimmten Bereichen ersetzen können, z.B. Maschinen,
elektrische Geräte u.a. In dieser Gruppe sind sowohl mit als auch durch
zulässig, z.B.:
(57) Mit einem Flugzeug konnte die Armee die Schiffbrüchige retten.
(57a) Durch ein Flugzeug konnte die Armee die Schiffbrüchige retten.
c) natürliche und synthetische Mittel, die die Menschen zu ihrem
Gunsten wirken lassen könen, z.B. Wasser, Säure, Sprengstoffe. Auch
in dieser Gruppe sind die beiden Präpositionen möglich:
(58) Er dachte daran, den Felsen mit Dynamit zu sprengen.
(58a) Er dachte daran, den Felsen durch Dynamit zu sprengen.
In solchen Sätzen sind mit und durch jedoch nicht deckungsgleich. Bei
mit ist bloß an das Mittel , an das Werkzeug gedacht, das bei einer
bestimmten Tätigkeit eingesetzt wird, abgesehen davon, ob es die
Tätigkeit erfolgreich zu Ende führt.142
Bei durch handelt es sich
dagegen – seiner lokalen Bedeutung gemäß – um ein Intermedium und
die mit seiner Hilfe geschehende Vermittlung, die meist zur Vollendung
der Tätigkeit führt. Bei durch ist also erst an das Ergebnis, an das
Resultat gedacht. Diese Resultativität unterscheidet das mediale durch
von dem mit ihm konkurrierenden mit. Dies gilt auch auf Fälle, wo mit
und durch nicht wie oben auf Konkreta, sondern auf Abstrakta wie
Leichtsinn, Betrug, Beharrlichkeit, Schaden und Faulheit hinweisen:
(59) Er hat den Betrieb mit seinem Leichtsinn ruiniert.
(59a) Er hat den Betrieb durch seinen Leichtsinn ruiniert.
(60) Sein Vermögen hat er durch Betrug erworben.
Das letzte Beispiel wäre so zu verstehen: Hans hatte am Anfang (at time
t1) kein Vermögen; am Ende (at time t2) hat er viel Vermögen erworben.
Das kam aber zustande durch Betrug, den Hans in der Zeit zwischen t1
und t2 begang. Der Betrug stand hinter der Änderung in der finanziellen
Lage des Agens (Hans).
142 Vgl. Brinkmann (1962: 178f.).
71
Handelt es sich um Personen, so muss nur durch gebraucht werden:
(61) Hans hat Peter durch meinen Freund kennengelernt.
(62) Er lässt sie durch mich grüßen.
Hier ist die Vermittlung gemeint, die durch Personen zustande kommt.
Mit ist in solchen Sätzen daher unzulässig. Durch ist dabei auch
resultativ interpretierbar. Man kann dementsprechend Beispiel (61) so
verstehen: Hans kannte am Anfang (at time t1) Peter nicht; am Ende (at
time t2) hat er ihn kennen gelernt. Der Satz bezeichnet also den
Übergang vom Nicht-Kennen zum Kennen des Patiens.
Freundschaftschließen mit Peter war durch einen Freund möglich, etwas
präziser, dadurch, dass er Peter Hans vorstellte. Diese Vorstellung fand
in der Zeit zwischen t1 und t2 statt. Auf die Resultativität bei durch wird
gleich unten näher eingegangen.
2.7.2. Die Rolle von durch in Passivsätzen
Im Passiv kann das Subjekt des Aktivsatzes in eine
Präpositionalphrase übergeführt werden, die meist von den
Präpositionen von, durch oder mit eingeleitet werden. Andere
Präpositionen wie von seiten/seitens143
, mittels und vermittels
finden hier auch Verwendung, sind aber meist formell und
deshalb selten gebraucht.144
Als Faustregel für den Gebrauch der drei Präpositionen in
Passivsätzen gilt, dass die Präposition von den eigentlichen
Täter, den Urheber des Geschehens nennt und durch die
Ursachen (Abstrakta/Sachen), während mit das Instrument, das
Mittel ausdrückt, z.B.:
143 Die Präposition seitens bzw. von seiten tritt nur mit bestimmten Verben auf, die
dadurch charakterisiert sind, dass das Akkusativobjekt mit ihnen eine feste Verbindung
bildet, z.B. Anforderung stellen, Vorschläge machen, Vorbereitung treffen usw. 144
Vgl. Brown, T.G (1969): Semantic judgments of von, mit und durch in German. In:
Papers in Linguistics 1, S. 599, Forstreuter (1976: 81).
72
(63) Die Versicherungsbeiträge werden je zur Hälfte von den
Arbeitnehmern und den Arbeitgebern aufgebracht.
(64) Sie redete von Mythen, wie unsereiner vom Wärmesatz,
nämlich wie von einem physikalischen Gesetz, das
durch jede Erfahrung nur bestätigt wird, daher in
einem geradezu gleichgültigen Ton.
(65) Die Stadt wurde durch eine Lavine zerstört.
(66) Der Draht wird mit einer Flachzange abgekniffen.
Vergleicht man diese Beispiele mit den folgenden, so stellt man
fest, dass sich die oben genannte Regel – besonders in Bezug auf
die Präposition durch, die uns hier interessiert – nur
eingeschränkt anwenden lässt:
(67) Die Dokumente wurden durch den Sekretär zerstört.
(68) Die Demonstation wurde durch die Polizei aufgelöst.
(69) Er wurde durch den Strang hingerichtet.
(70) Wie heute feststeht, ist der Tod unserer Tochter
nicht durch Schlangengift verursacht gewesen.
Durch tritt einmal an die Stelle der Präposition von wie am
Beispiel (67) und (68), andersmal an die Stelle von mit, was der
Regel ihre Gültigkeit entzieht und deutlich darauf hinweist, dass
es semantische Beziehungen zwischen von und durch auf der
einen, zwischen durch und mit auf der anderen Seite bestehen.
Durch nimmt eine Zwischenstellung ein und ist meist homonym,
mehrdeutig.145
Versuchen wir die Beziehung zwischen von und durch näher zu
betrachten146
, so stoßen wir auf eine Menge verschiedener
145 Vgl. Brinkmann, Klaus (1971): Das Passiv im heutigen Deutsch. Form und Funktion.
In: Heutiges Deutsch 112. Max Hueber Verl. Schwann, S. 42, King, Thomas (1988):
Spatial metaphor in german causative constructions. In: Brygida Rudzka – Ostya
(Hrsg.): Topics in cognitive linguistics. John Benjamins publishing company.
Amesterdam / Philadelphia, S 562, Forstreuter (1976: 81). 146 Es soll hier auch auf die besondere Verwendung von durch und von im
präpositionalen Attribut hingewiesen werden. Die Hauptregel besagt, dass von und
durch auf grammatische Subjekte bezogen sind: durch auf das grammatische Subjekt
73
Meinungen der Grammatiker. Manche gehen davon aus, dass die
beiden Präpositionen ohne Bedeutungsunterschied austauschbar
sind.147
Das steht sicherlich im Widerspruch zu der Meinung
von vielen Grammatikern, darunter auch Hartung. Ihrer
Meinung nach erscheint von, wenn das Subjekt des zugrunde
liegenden Aktivsatzes unmittelbar Ausgangspunkt (Initiator) des
Verbalinhalts ist. Durch ist nur zulässig, wenn das Subjekt des
zugrunde liegenden Aktivsatzes nicht unmittelbar
Ausgangspunkt, d.h. nicht Initiator, wohl aber Realisator des
Verbalinhalts ist.148
So wäre die Verwendung von durch am
Beispiel (67) im Vergleich zu der Verwendung der Präposition
von folgendermaßen zu interpretieren:
(67) Die Dokumente wurden durch den Sekretär zerstört.
(67a) Die Dokumente wurden von dem Sekretär zerstört.
In (67a) ist der Sekretär als Initiator anzusehen, der direkt hinter
Zerstörung der Dokumente steht und die vollkommene
Verantwortung dafür trägt; in (67) ist er hingegen nur
ausführender Vermittler, wie ein Mittel in der Hand des
eigentlichen Täters, der nicht genannt, wohl aber gedacht und
aus dem Kontext erkennbar sein kann, z.B.:
(67b) Die Dokumente wurden (von dem bestechlichen
Minister) durch den Sekretär zerstört.
Forstreuter geht einen Schritt weiter, wenn sie betont, "dass die
Verwendung von ‘durch’ in starkem Maße von Bedeutungselementen
bestimmt wird, die auf ein Geschehen hindeuten, das mit einem
von transitiven Verben im Aktivsatz, von auf alle anderen Subjekte, z.B.: Die
Vergiftung des Präsidenten durch seinen Gegner; die Hilfe von Helmut. Im ersten
Beispiel ist das Substantiv (Vergiftung) von einem transitiven Verb abgeleitet. Das
Subjekt erscheint daher als durch-Phrase. Weil es sich im zweiten Beispiel um ein aus
einem intransitiven Verb abgeleitetes Substantiv (Hilfe) handelt, wird das Subjekt mit
von angeschlossen. Das direkte Objekt selbst steht im Genitiv – wie im ersten Beispiel –
oder erscheint als von-Phrase, z.B. Veränderung des Gehirns durch Radioaktivität;
Identifizierung von den Flutopfern in Südasien. Vgl. dazu Eisenberg (1999:259);
Grabarek (1996: 162). 147 Vgl. Schleier, E. H. Ingeborg (1975): Das Funktionssystem der
Präpositionalkonstruktion in der deutschen Gegenwartssprache. Hamburger phonetische
Beiträge. Bd. 14. Helmut Buske verl. Hamburg, S. 163ff. 148 Hartung, zitiert nach: Schleier (1975: 164).
74
Ergebnis verläuft (sog. prozessual resultative Bedeutungselemente)."149
Nach dieser Auffasssung soll der Urheber in Sätzen mit von-Phrasen
akzentuiert werden. Er steht im Mittelpunkt. In Sätzen mit durch-Phrase
legt man aber das Augenmerk nicht auf den Urheber, sondern auf das
Ergebnis seines Handelns. Angewandt auf Beispiel (67) und (68) wäre
durch die Verwendung der durch-Phrase auszudrücken, dass hier wichtig
ist, was auf Tat der Sekretärin bzw. Eingreifen der Polizei folgte,
nämlich dass die Dokumente zerstört wurden bzw. dass die
Demonstation aufgelöst wurde und zu Ende ging. Die beiden Sätze
erhalten somit eine resultative Bedeutung.
Das stimmt in gewissem Maße mit Pauls Auffassung überein. Bei ihm
heißt es: "In gewissen Fällen bedingt die Anwendung von durch oder von
eine Bedeutungsnuance: ‘Er ist von mir zu Grunde gerichtet’ kann man
umschreiben durch ‘ich habe es dazu gebracht, ihn zu Grunde zurichten’, ‚Er
ist durch mich zu Grunde gerichtet’ durch ‚dass er zu Grunde gerichtet ist, ist
meine Schuld’."150
Als Stütze für diese Analyse gilt, dass die durch-Phrasen fast nur
verwendet werden bei den kausativen Handlungsverben, d.h. Verben,
die auf Erreichung eines Ergebnisses hinweisen, z.B. erschlagen,
erschießen, erwürgen usw. So wäre das Verb schlagen, das Gewalt des
Agens gegen das Patiens bezeichnet, ohne dabei auf Änderung des
Patiens-Zustandes zu referieren, nicht kompatibel mit durch- Phrasen.
Man kann nicht sagen:
(71) * Er wurde durch seinen Vater geschlagen.
Richtig ist aber: (71a) Er wurde von seinem Vater geschlagen.
Oder: (71b) Er wurde durch seinen Vater erschlagen.
Das letzte Beispiel macht klar, dass das Patiens infolge der Gewalt und
Agressivität des Vaters starb.151
Diese Verwendung der durch-Phrasen
mit Kausativa führt King auf ihre Bedeutung im lokalen Bereich zurück.
Er sagt: "This correlation also has an explanation in terms of cognitive-spatial
metaphor. […]. Notice that in the case of a change of state the patient moves
149 Forstreuter (1976: 82).
150 Paul, zitiert nach: Schleier (1975: 163).
151 Vgl. King (1988: 573ff.).
75
from an initial state location, enters the event space of the location, traverses
it, and exits it in oder to reach the final state location."152
King bemerkt einen engen Zusammenhang mit der lokalen Bedeutung
von durch. Das bedeutet, wie das lokale durch, das eine Bewegung
durch einen Raum oder Körper von einem Ende bis zum anderen
bezeichnet, weist durch im Passiv auf Änderung in dem Zustand, eine
Umwandlung von einem Vorzustand zum Endzustand hin.
Laut King ist diese Anayse auch auf durch-Phrasen anwendbar, die das
Instrument, das Mittel markieren. Dies wollen wir klar machen mit
Hilfe eines Beispiels, das King gegeben hat:
(73) Cäsar wurde durch einen Dolch getötet.
Ein Vergleich der durch-Phrase in diesem Satz mit der mit-Phrase
ergibt, dass die letzte den Dolch als ein reines Instrument bezeichnet,
das unter Kontrolle eines (gedachten) Täters stehen soll, und damit die
Modalität im Satz hervorhebt, während die durch-Phrase auf das
traurige Ende referiert. Sie bezeichnet eine Situation, in der Cäsar zum
Unglück auf seinen Dolch fiel und von ihm getötet wurde.
Zur Auslegung der durch-Phrasen bei Gegenständen besteht Forstreuter
auch auf ihrer Grundkonzeption und weist ihnen immer wieder ein
prozessual-resultatives Bedeutungselement zu.153
Sie geht dabei von
Pauls Bemerkung aus: "damit durch angewendet werden kann, muss aber in
dem Verb die Erreichung eines Ergebnisses liegen, während mit stehen muß,
wo es sich um eine Bemühung handelt, die noch zu keinem Ergebnis geführt
hat. Man wird z.B. nur sagen: er will uns damit anlocken; dagegen kann man
sagen: er hat uns dadurch verlockt."154
Schließlich sei hinzuweisen auf die Rolle der durch-Phrasen in Sätzen
mit passivischer Bedeutung oder wie Schleier es nennt, im
lexikalisierten Passiv, d.h. dem Passiv, das mit lexikalischen statt
grammatischen Mitteln ausgedrückt wird. Es werden dabei
152 King (1988: 584).
153 Vgl. auch dazu Brinkmann (1962: 178f.).
154 Paul, zitiert nach: Forstreuter (1976: 118).
76
hauptsächlich zwei Formen vom lexikalisierten Passiv unterschieden:
intransitive und transitive Form. Bei der ersten wird das
Akkusativobjekt des Aktivsatzes – wie bei dem formalen Passiv - zum
Subjekt des Passivsatzes. Das ursprüngliche Subjekt ist hier meist durch
eine durch-Phrase angeschlossen. Auftritt der Präpositionen von oder
mit ist selten155
, z.B.:
(74) Unzählige Seevögel kamen durch die Ölpest um.
(75) Sie haben sich durch die amtliche Untersuchung als
unwahr erwiesen.
(76) Sein Traum geht durch sie in Erfüllung.
(77) Die gewaltigen Schäden entstanden durch den Sturm.
(78) Die Entwicklung eines mikroskopischen Bildes wurde nur
durch die Reinigung der von einer Stelle ausgehenden
Strahlen möglich.
Wie aus den Beispielen hervorgeht, handelt es sich um
Vorgangsverben, die einen Übergang bezeichnen, vor allem um die
reflexiven Verben (75), Funktionsverbgefüge (76), Verben des
Erscheinens und Entstehens (77) und (78). Die Durch-Phrasen können
dabei einfach in das Subjekt des entsprechenden formalen Passivsatzes
umgewandelt werden, vgl.:
(74a) Unzählige Seevögel wurden durch die Ölpest umgebracht.
(78a) Ein mikroskopisches Bild wurde durch die Reinigung der
von einer Stelle ausgehenden Strahlen entwickelt.
Bei der transitiven Form des lexikalisierten Passivs wird das
Dativobjekt der Person - so heißt es bei Schleier - zum Subjekt des
Passivsatzes:
(79) Mein Vater hat es mir gesagt.
(79a) Ich habe es durch meinen Vater erfahren.
Diese Form wird - laut Schleier – häufig mit dem Verb bekommen
gebildet:
(80) Mein Vater schenkt mir eine CD.
(80a) Ich bekomme durch meinen Vater eine CD geschenkt.
155 Vgl. Schleier (1975: 172).
77
Schleier bestätigt aber, dass durch in dieser Form des lexikalisierten
Passivs aber durch die Präposition von ersetzt werden kann156
, vgl:
(80b) Ich bekomme von meinem Vater eine CD geschenkt.
2.8 Durch zum Ausdruck der Kausalität
Auch im kausalen Verwendungsbereich findet das räumliche
Konzept seinen Niederschlag. Der mit durch markierte Grund kann – im
Gegensatz zu den rein kausalen Präpositionen infolge, wegen und
aufgrund – meist betrachtet werden als eine Realisierungsmethode, als
Mittel, das einen Weg zum gewünschten Ziel eröffnet. Immer wieder
treffen die prozessual-resultativen Bedeutungskomponenten, von denen
Forstreuter gesprochen hat.157
Bei durch berühren sich Grund und
Mittel so eng, dass man von einem kausal-medialen Zusammenhang
spricht. In dem von Schröder (1984: 81) angeführten Beispiel:
(81) Eine Rocksängerin wurde im Fernsehen gefragt:
"Waren Ihnen diese Erfolge aufgrund des Förderungsvertrages
möglich?" - " Nicht deswegen, aber eventuell dadurch."
und auf die Frage nach der Voraussetzung ihrer Erfolge bestätigte die
Rocksängerin, dass der Förderungsvertrag nicht die Ursache ihres
Erfolges (wegen), sondern nur ein Mittel, ein Weg zum Erfolg (durch)
war.
Diese mediale Bedeutung, die dem kausalen durch hinzutritt, erweitert
dabei die Paraphrasierungsmöglichkeiten. Die Phrase mit durch kann
hier nicht nur in einen weil-/ da-Satz oder aufgrund dessen…, dass
transformiert werden, sondern auch in einen indem-Satz. Ein Satz wie
(82) Durch seinen Mut verhinderte er einen größeren Schaden.
156 Vgl. ebd. S. 174.
157 Vgl. Schröder, J. ( 1983): Präpositionen in Kausaladverbialien. In : Daf 20, S. 81,
Forstreuter (1976: 184), Brinkmann (1962: 178), Schröder (1986: 102ff.).
78
wäre folgendermassen zu paraphrasieren:
(82a) Weil er mutig handelte, verhinderte er einen größeren Schaden.
(82b) Aufgrund dessen, dass er mutig handelte, verhinderte er einen
größeren Schaden.
(82c) Indem er mutig handelte, verhinderte er einen größeren Schaden.
(82d) Dadurch, dass er mutig handelte, verhinderte er einen
größeren Schaden.
wobei zu bemerken sei, dass auch die Konjunktion dadurch…, dass
semantisch – aufgrund der ihr zugrundeliegenden Präposition durch -
zwischen weil und indem steht. Sie zählt teils zu den kausalen, teils zu
den modalen Konjunktionen.158
Durch kann aber, wenn auch in wenigen Fällen, rein kausal benutzt
werden, vgl.:
(83) Uns ist etwas durch Natur und Geschichte gemeinsam.
Eine Paraphrasierungsmöglichkeit wäre nur:
(83a) Uns ist etwas aufgrund dessen gemeinsam, dass wir die gleiche
Natur und Geschichte haben.
Solche Fälle, die die mediale Interpretation nicht zulassen,
berechtfertigen Einbeziehung der durch-Phrasen in die Kausalanalyse.
Es gibt außerdem einen weiteren Unterschied zwischen dem kausal
verwendeten durch und den primär kausalen Präpositionen infolge und
wegen fest.159
Dieser Unterschied besteht darin, dass bei durch "eine
158 Vgl. Schröder (1983: 82).
159 Schwer zu trennen ist die Anwendung der eng verwendeten Präpositionen wegen und
infolge, vgl. Forstreuter. Die beiden drücken den sachlichen Grund aus. Ein einziger
Unterschied - so heißt es in der traditionellen Grammatik - liegt darin, dass infolge bei
Geschehen - niemals bei Personen oder Sachen - steht und dabei die Zeitfolge betont.
Man könnte aber außerdem Kadens Regel zur Hilfe nehmen, die er so formuliert:
"Während wegen zu einer Ursache gehört, deren Wirkung gewollt eintritt oder gewußt
herbeigeführt wird, weist infolge auf eine ungewollte, zwangsläufige Wirkung hin"
(Kaden, E. F. (1969): Mittel oder Ursache. In: Sprachpflege 18, S. 118). So muss es
richtig lauten: Infolge eines Sturzes büßte die Fahrerin ihre Chancen ein.
79
unmittelbare, ursächliche Verknüpfung", bei infolge und wegen nur eine
mittelbare vorliegt160
, vgl.:
(84) Durch den Tod meines Vetters habe ich einen großen
Verlust erlitten.
(84a) Infolge des Todes meines Vetters habe ich einen großen
Verlust erlitten.
(85) Wegen eines für den Fall des Rückzugs gegebenen Befehls
ist die Brücke durch die angestrengten Bemühungen der
Pioniere eingestürzt.
Der Satz mit durch (84) bedeutet: der Tod meines Vetters hat mich sehr
nahe betroffen; der Satz mit infolge (84a) besagt etwa: der Tod meines
Vetters hat mir dessen Geschäftserfahrung, dessen Kapital entzogen, die
Folge war, dass mir eine Unternehmung Missglück ist, und so habe ich
einen großen Verlust erlitten. Am Beispiel (85) kann man den
Unterschied zwischen den genannten Präpositionen besser erfassen. Hier
wird gesagt, dass das, was hinter dem Einsturz der Brücke steht, nicht
der Befehl, sondern der Einsatz der Pioniere ist. In solchen Fällen sehen
Behagel und Persson eine gute Begründung dafür, warum durch
meistens bei Handlungen und Vorgängen, weit seltener bei Zuständen
steht.
Wegen eines Sturzes gab sie das Rennen auf. – In Südasien wurden viele Menschen
infolge der Flut arbeitslos. Wegen ist im letzten Beispiel nicht möglich. 160 Vgl. Perssson (1994: 334), Forstreuter (1976: 184).
80
3. Einteilung der Funktionen der durch-Verben
Wir haben uns im vorigen Kapitel mit den verschiedenen
semantischen Funktionen der Präposition durch eingehend beschäftigt.
Neben der grundlegenden räumlichen Bedeutung hat durch auch andere
sekundäre Bedeutungen wie die kausale und mediale, die – wie oben
festgestellt wurde – auf die räumliche Bedeutung zurückgeführt werden
können. Nun wenden wir uns in diesem Kapitel den Funktionen des
Präfixes selbst zu und befassen uns mit dessen Bedeutungsgruppen im
Einzelnen. Es werden dabei Beziehungen des Präfixes zu der Präposition
besprochen, wobei wir die am Anfang, in der Einleitung gestellten
Fragen vor Augen halten, nämlich:
In wie weit stimmt das Präfix durch- in semantischer Hinsicht
mit der Präposition überein?
In welcher Richtung verändert (modifiziert) das Präfix die
Simplizia?
In wie weit erfordern die Valenzunterschiede bei den präfigierten
Verben abweichende semantische Beziehungen?
Zu diesem Zweck gehen wir erst von der Feststellung der Grammatiker
aus, dass die räumliche Bedeutung der Präposition durch keine geringere
Wirkung auf die semantischen Merkmale des gleichlautenden Präfixes
hat, d.h. dass die räumliche Bedeutung161
– in anderen Fällen auch die
temporale Bedeutung, die als Wiedergabe der räumlichen auf zeitlicher
Achse zu betrachten ist162
– in den Präfixverben mit durch-
wiederzufinden ist. Da sekundäre Bedeutungen der Präposition, also
161 Vgl. Kjellmann, N. (1945): Die Verbalzusammensetzungen mit durch. Lund, S. 20f;
Eroms, Hans-Werner (1982): Trennbarkeit und Nichttrennbarkeit bei den deutschen
Partikelverben mit durch und um. In: Eichinger, Ludwig M. (Hg.): Tendenzen verbaler
Wortbildung in der deutschen Gegenwartssprache. Hamburg: Buske, S. 39. Vgl. auch
Rich, Georg A. (2003): Partikelverben in der deutschen Gegenwartssprache mit durch-,
über-, um-, unter-, ab-, an-. Peter Lang Verl. Frankfurt am Main, S. 6ff. und
Mungan, Güler (1986): Die semantische Interaktion zwischen dem präfigierenden
Verbzusatz und dem Simplex bei deutschen Partikel- und Präfixverben. Frankfurt am
Main usw. Lang. (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. 886) S. 117,
Wunderlich (1983: 459ff.), Benware (1992: 150). 162
Vgl. Eichinger, Ludwig M. (1989): Raum und Zeit im Verbwortschatz des
Deutschen. Eine valenzgrammatische Studie. Max Niemeyer Verl. Tübingen, S. 385f.
81
kausale und mediale keine Beziehungen zu den Bedeutungen der durch-
Verben aufweisen, bleiben sie in der Diskussion außer Betracht.163
Darauf hat auch Kjellmann seine Untersuchung aufgebaut, der als
einziger die Präfixverben mit durch bisher ausführlich abgehandelt hat.
In seiner Lunder Dissertation stützt er sich bei der Einteilung dieser
Verben auf die räumliche Bedeutung des Präfixes und ordnet somit die
‘Verbalzusammensetzungen’ in drei Schichten ein164
:
I. Die ‘Zusammensetzungen’ enthalten die unveränderte räumliche
Bedeutung der Partikel.
II. Die ‘Zusammensetzungen’ enthalten außer der ganzen räumlichen
(zeitlichen) Bedeutung der Partikel noch ein weiteres
Bedeutungsmoment.
III. Die ‘Zusammensetzungen’ enthalten nur einen Teil der räumlichen
(zeitlichen) Bedeutung der Partikel und daneben ein stärker
hervortretendes weiteres Bedeutungsmoment.
In der ersten Schicht werden 4 Gruppen aufgeführt:
1. das Subjekt bewegt sich durch irgendetwas hindurch:
durchbrausen, durchkriechen,
2. das Objekt wird durch etwas hindurchbewegt:
durchblasen, durchbringen,
3. das Objekt wird durchbohrt oder durchlöchert:
durchbeißen, durchlöchern,
4. die freie Bewegung des Subjekts durch das Objekt:
durchfließen, durchkriechen,
Zur Schicht II gehören folgende 9 Bedeutungsgruppen:
163
Vgl. Šimečkova, Alena (2002): Untersuchungen zum trennbaren Verb im Deutschen
II. Funktionalisierung von Trennbarkeit und Untrennbarkeit beim komplexen Verb.
Praha, S. 62, Kjellmann (1945: 29). 164
Vgl. Kjellmann (1945: 22).
82
5. das Subjekt bewegt sich durch einen Ort hindurch, ohne sich dort
aufzuhalten: durchfahren, durchkommen,
6. das Subjekt bewegt sich durch etwas (z.B. eine Sperre, eine Kontrolle)
hindurch, ohne dort aufgehalten oder bemerkt zu werden:
durchschleichen, durchschlüpfen,
7. die Verbalhandlung gelangt zu einem Ziel oder Ende, meistens nach
Überwindung eines Hindernisses oder einer Schwierigkeit:
durchhalten, durchstehen,
8. ein Gedanke, ein Gefühl usw. geht durch das Objekt (eine Person, ein
Organ) durch: durchbeben, durchsausen,
9. das Subjekt pflanzt sich im Objekt fort und erfüllt dieses ganz:
durchheulen, durchziehen,
10. das Objekt ist als Ergebnis der Verbalhandlung von etwas
durchzogen: durchadern, durchwachsen,
11. das Subjekt – räumlich oder auf das geistige Gebiet übertragen –
durchzieht das Objekt, und zwar mit der Absicht etwas zu finden:
durchkramen, durchsuchen,
12. die Verbalhandlung spielt sich von Anfang bis Ende ab:
durchdenken, durchfragen,
13. eine Betätigung, mit der die als Objekt stehende Zeitperiode
verbracht wird: durcharbeiten.
Die übrigen 9 Bedeutungsgruppen bilden die dritte Schicht:
14. die Verbalhandlung verläuft ohne Unterbrechung bis zum Schluss:
durcharbeiten, durchlaufen,
15. das Subjekt entflieht: durchbrechen, durchbrennen,
16. das Subjekt besteht eine Prüfung nicht, wird bei einer Wahl nicht
gewählt: durchfallen,
17. das Subjekt wird verschwendet: durchbringen, durchjagen,
83
18. das Objekt wird in zwei Teile geteilt: durchbeißen, durchsägen,
19. das Objekt bekommt Löcher, Risse: durchlaufen, durchtanzen,
20. das Objekt wird mit etwas durcheinandergebracht: durchmischen,
durchrühren,
21. das Subjekt durchdringt das Objekt in geistiger Hinsicht:
durchblicken, durchschauen,
22. die Verbalhandlung wird gründlich, vollständig aufgeführt:
durchbraten, durchwürzen.
Bei näherer Betrachtung der von Kjellmann vorgenommenen Einteilung
kommt Folgendes heraus:
a) Aus der Einteilung ist deutlich, dass Kjellmann die
Betonungsverhältnisse des Präfixes durch- nicht berücksichtigt. Ob
dieses trennbar oder untrennbar auftritt, spielt bei ihm keine große
Rolle. Er unterscheidet innerhalb jeder der drei Schichten zwischen
‘adverbialen‘ und ‘präpositionalen Zusammensetzungen’. Mit
‘adverbialen Zusammensetzungen’ meint er solche
‘Zusammmensetzungen’, deren ‘Partikel’, also durch-, ähnlich wie ein
Adverb auftritt. Hierher gehören intransitive Verben und teilweise auch
transitive Verben. Zu ‘präpositionalen Zusammensetzungen’ gehören
hingegen nur transitive Verben, deren ‘Partikel’ mit dem
Akkusativobjekt präpositionale Beziehungen eingeht, wobei unter der
präpositionalen Beziehung der ‘Partikel’ die durch sie realisierbare
Handlungsrichtung auf das entsprechende Akkusativobjekt verstanden
wird. Bei den ‘adverbialen Zusammensetzungen’ ist durch- trennbar
und bei den ‘präpositionalen’ untrennbar. Die Methode, die von
Kjellmann bei der Einteilung der durch-Verben angewandt wird, führt –
wie es Eroms bemerkt – zum Verdecken der Funktion der Trennbarkeit
bzw. Untrennbarkeit bei dem Präfix durch-.165
Kjellmann versucht
ebenfalls nicht, Trennbarkeits- bzw. Untrennbarkeitskriterien des
Präfixes durch- von den semantischen Merkmalen der präfigierten
Verben abzuleiten.
165
Vgl. Eroms (1982: 36).
84
b) Bei näherer Betrachtung der Einteilung erkennt man auch, dass sich
manche Bedeutungsgruppen mehrmals wiederholen, so dass sich die
Anzahl der Bedeutungsgruppen bis auf 22 erhöht. Die Bedeutung
“durch etwas hindurch” z.B. steht in mehreren Gruppen, nämlich den
Gruppen 1, 2, 5 und 6, jedoch mit winzigen Nuancen. Auch die
Gruppen 12 und 22, die Kjellmann getrennt abgehandelt hat, gehören
semantisch zusammen. Bei den beiden kommt Vollständigkeit der
Verbhandlung zum Ausdruck. Auch die Bedeutung in Gruppe 1 und 2
ist gleich. Der einzige Unterschied zwischen den beiden liegt in der
Intransitivität bzw. Transitivität des durch-Verbs.
c) Es gelingt Kjellmann auch nicht, die Bedeutungsgruppen, die im
Grunde eine räumliche Bedeutung haben, richtig abzugrenzen, genauer
gesagt, den Unterschied zwischen solchen Gruppen hervorzuheben.
Seiner Meinung nach gibt es zwischen den Bedeutungsgruppen 1, 2 und
4 keinen anderen Unterschied außer dem syntaktischen
Zusammenhang. Er sagt: “Die obengenannten Verben sich durchbetteln, -
wandern und sehr viele andere, die unten die Bedeutungsgruppe 4 bilden,
enthalten die Bedeutung durch etwas hindurch. Dieselbe Bedeutung finden wir
auch in den Verben der Gruppen 1, z.B. “er ist unter der Brücke
durchgekrochen, und der Gruppe 2, z.B. der Dieb zwängt seinen Kopf durch
die Öffnung (durch)”. Was diese drei Gruppen voneinander unterscheidet, ist
der syntaktische Zusammenhang, in den das Verb gestellt wird. […] , in der
Gruppe 1 bewegt sich das Subjekt durch etwas hindurch, was entweder durch
ein Adverbial oder gar nicht sprachlich ausgedrückt ist.”166
d) Kjellmann gibt an einer anderen Stelle außerdem an167
, dass die
räumliche Bedeutung des Präfixes durch- gegenüber der Präposition in
manchen Fällen unverändert vorliegt und dass kein neues
Bedeutungsmoment hinzutritt, was in gewissem Maß stimmt. Das sind
die Fälle, die - wie Erben es ausgedrückt hat - sprachökonomisch
wirken. Man soll nebenbei darauf hinweisen, dass untrennbare durch-
Verben mit lokaler Bedeutung in anderen Fällen den Simplexen mit
Präpositionalfügung nicht völlig gleichgestellt werden können, denn das
Präfix erhält dabei zusätzliche Seme und bezeichnet im Grunde
holistische Bedeutung, die durch die Präposition durch oft nicht
166
Kjellmann (1945: 19f.). 167
Ebd. S. 20.
85
ausgedrückt wird.168
Dasgleiche gilt auch für das trennbare Präfixverb,
das lokale Bedeutung hat. Es weist auch andere Bedeutungskomponente
auf wie z.B. “ohne Unterbrechung”, vgl.:
(1) Der Zug fährt durch den Bahnhof.
(2) Der Zug fährt durch.
Trotzdem ist nicht zu behaupten, dass die in dieser Arbeit durchgeführte
Klassifizierung der Präfixverben mit durch- von Kjellmanns
Klassifizierung ganz abweicht. Wir gehen bei der Einteilung solcher
Verben auch von der räumlichen Bedeutung des Präfixes aus, lassen
aber im Gegensatz zu Kjellmann die Trennbarkeits- bzw.
Untrennbarkeitsfrage nicht aus dem Spiel und versuchen diese auf
semantischer Grundlage zu beleuchten, d.h. die semantischen
Eigenschaften der präfigierten Verben leisten hier einen großen Beitrag
zur Lösung der Problematik der Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit bei
dem Präfix durch-.169
Präzise Differenzierung der zwei räumlichen Lesarten der Präposition
durch, also die begrenzte und die unbegrenzte Lesart (siehe oben S. 57-
65), ist dabei als grundlegend zu betrachten, wobei trennbare Verben
auf die erste räumliche Lesart, untrennbare hingegen auf die zweite
168
Vgl. Rich (2003: 19f.), Wunderlich (1983: 459). 169
Viele Grammatiker, darunter auch Kühnhold, Eroms und Šimečkova (2002:51f.),
gehen im Gegensatz dazu von der Annahme aus, dass sich die Problematik der
Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit auf syntaktischer Grundlage am deutlichsten erklären
lässt. Ihrer Meinung nach kann die syntaktische Struktur entscheiden, ob es sich um ein
trennbares oder untrennbares Verb handelt. Sie stützen sich auf den vorher im ersten
Kapitel (siehe S. 10-16) besprochenen Regularitäten, die als typisch für die die
Präfigierung häufig begleitenden syntaktischen Veränderungen betrachtet werden
können, nämlich Argumentvererbung (d.h. Integrierung des internen Arguments der
Präpositionalphrase in das Simplexverb und Verdrängen des ursprünglichen direkten
Objektes) und Argumentsättigung (Substituierung einer ganzen Präpositionalphrase
durch ein Präfix). Wie aber bereits oben festgestellt wurde (siehe S. 16), haben diese
Prozesse keine Allgemeingültigkeit. Es gibt noch Fälle, wo sich die trennbaren und
untrennbaren durch-Verben syntaktisch nicht unterscheiden lassen, vgl.:
Er bohrt das Brett durch – er durchbohrt das Brett
Der Arzt sägt den Hals der Ampulle durch – Der Arzt durchsägt den Hals der Ampulle.
Damit ist nicht gesagt, dass die Syntax überhaupt bei der Erörterung dieser Problematik
keine Rolle spielt. aber wie aus den beiden Beispielsätzen (vgl. auch dazu die Beispiele
auf S.16) hervorgeht, gibt es häufig Ausnahmen, durch die es nicht mehr möglich wird,
die Syntax in den Vordergrund zu stellen. Das Schwergewicht liegt daher mehr auf der
Semantik.
86
Lesart zurückgeführt werden können. Das Richtungsmerkmal, ob der
Raum in direkter Richtung oder nicht zielgerichtet in allen Richtungen
durchdrungen ist, entscheidet über den morphologischen Zustand der
Verben mit durch-. Wir stützen uns hierbei im Grunde auf
Šimečkovas wichtige Bemerkungen:
“Wenn im DURCH-Verb eine Bewegung in direkter Richtung durch
den Raum (Gegenstand) ausgedrückt wird (nach Kjellmann 1945: das
Subjekt oder Objekt bewegt sich ”ohne aufzuhalten” oder “ohne
aufgehalten zu werden”), wenn also der Kontakt des vom Geschehen
betroffenen Objektes mit dem Raum (Gegenstand) nur kurz andauert,
vorübergehend ist, so werden unfeste Formen gebildet. Dabei ist nicht
wichtig, ob das Verb im herkömmlichen Sinn transitiv oder intransitiv
ist (er ist nur durchgefahren, er hat die Ware glücklich durchgebracht).
Wenn aber das Geschehen in verschiedenen Richtungen, kreuz und
quer, oder in ganzer Ausdehnung im betroffenen Bereich abläuft, ihn
völlig ausfüllt, stark affiziert, so werden eindeutig feste Formen
vorgezogen (er durchfuhr das ganze Land, der Hass durchdringt
ihn).”170
Bei der Einteilung der Präfixverben mit durch- geht es also nicht
darum, ob die Bedeutung des Präfixverbs konkret oder abstrakt,
übertragen ist171
, sondern darum, welche der beiden lokalen Lesarten
der Präposition durch in der Bedeutung des Präfixes enthalten ist.
Die gleiche Ansicht vertritt auch Benware. Nachdem er die zwei
räumlichen Verwendungen von der Präposition durch und ihre
Gebrauchsbedingungen zusammengefasst hat, stellt er fest, dass “the two possibilities lie behind the behaviour of all the particle verbs
with durch-. In sum, one can say this: the stressed particle verbs all
have the first interpretation, the unstressed particle verbs the
second.”172
170
Šimečkova (2002: 66). 171
Wie in der Einleitung und auch unten noch ausführlich geklärt wurde bzw. wird,
schwächt sich der Geltungsbereich der in den Grammatikbüchern häufig angeführten
Semantikregel ab, die besagt, dass bei den Präfixen durch-, über-, unter- und um- die
Verben mit trennbarem erstem Teil konkrete Bedeutung, die mit untrennbarem erstem
Teil abstrakte, übertragene Bedeutung haben (vgl. unten). 172
Benware (1992: 161).
87
Das bedeutet eigentlich, dass die begrenzte Lesart von der Präposition
durch, die - wie bereits oben im zweiten Kapitel festgestellt wurde -
Ereignisse, telische Situationen bezeichnet, den trennbaren durch-
Verben, und die unbegrenzte, atelische Lesart, die einen Zustand
hervorhebt, den untrennbaren durch-Verben zugrundeliegt.
Veränderung oder Verharren an dem ursprünglichen Ort bzw. der
ursprünglichen Lage spiegelt sich offenbar im sprachlichen Ausdruck
wieder. Im ersten Fall hält man sich nicht im Raum auf, sondern begibt
sich einem anderen Ort, so löst sich das Präfix von dem Simplex. Im
zweiten Fall wird der Raum nicht verlassen, man verharrt drin, und das
führt zum Verharren des Präfixes in seiner Stellung mit dem Simplex.173
Das ist die theoretische Basis, auf der Klassifizierung der Präfixverben
mit durch- in dieser Arbeit aufgebaut ist. Sie stützt sich in erster Linie
auf semantisch-morphologischen Eigenschaften des Präfixverbs selbst.
Syntaktische Merkmale werden nebenbei berücksichtigt. Systematisch
gehen wir erst auf die Bedeutungsgruppen der Präfixverben ein, die mit
dem trennbaren Gebrauch des Präfixes durch- verbunden sind. Darauf
folgen die Bedeutungsgruppen der untrennbaren Präfixverben und
schließlich die der Präfixverben, bei denen der trennbare bzw.
untrennbare Gebrauch des Präfixes schwankt. Es geht also um drei
Gruppen von durch-Verben:
I. Trennbare Präfixverben mit durch-,
II. Untrennbare Präfixverben mit durch-,
III. Sowohl trennbar als auch untrennbar vorkommende durch-Verben.
Und nun wenden wir uns der ersten Schicht zu.
173
Vgl. Itälä, Marja – Leena (1987): Zum satzinternen syntaktisch – semantischen
Status von ‘Durch’, ‘Um’, ‘Über’, ‘Unter’ als erster Konstituente transitiver
Partikelverben. Leena Kahlas – Tarkka (Hrsg.). Neophilolgica Fennica xlv. Helsinki, S.
129, Bornschier, Marion (1971): Die Verbalpräfixe im Französischen und Deutschen.
Ein Vergleich der Systeme. Diss. Zürich Uni, S. 39ff., Šimečkova (2002: 49f.),
Rich (2003: 4).
88
3.1 Bedeutungsgruppen der trennbaren durch-Verben:
(durch-)1
Es handelt sich hier um durch-Verben, die in ihrer Bedeutung auf
die begrenzte räumliche Lesart der Präposition durch zurückgeführt
werden können. Sie enthalten in sich also die Bedeutung “durch etwas
hinein und wieder hinaus”, was eine Erklärung für ihre Trennbarkeit
liefert. Die ganze Schicht umfasst acht Gruppen, die wie folgt
dargestellt werden können:
3.1.1 Bewegung durch einen Raum (einen Ort, ein Gebiet)
hindurch: (durch-)1,1
Es geht hier um durch-Verben, bei denen das Subjekt oder das Objekt
sich zielgerichtet durch einen Raum hindurch bewegt (siehe Abb. 1 auf
Seite 43). Hierher gehören :
intransitive Präfixverben: durchbrausen, -eilen, -fahren,
-fliegen, -gehen, -hüpfen, -huschen, -kommen, -marschieren,
-rasen, -reisen, -reiten, -segeln u.a;
transitive Präfixverben: durchbewegen, -bringen, -führen,
-geleiten, -hetzen, -jagen, -lassen, -leiten, -lotsen, -manövieren,
-schaffen, -schmuggeln, -schleusen, -steuern, -treiben, -ziehen u.a.,
z.B.:
(3) Er ist (durch die Bahnhofshalle) durchgeeilt.
(4) Wir fuhren zwölf Stunden lang durch.
(5) Sie hat sich an diesem Ort nicht aufgehalten und ist nur
durchgewandert.
(6) Die Gesellschaft hat den elektrischen Strom (durch dieses
Gebiet) durchzuleiten.
(7) Notfalls müssen wir den Verletzten (durch den Bach)
durchtragen.
89
Aus diesen Beispielsätzen ist ersichtlich, dass die Präfixverben mit
ihren Simplizia austauschbar sind. Man kann auch sagen:
(3a) Er ist durch die Bahnhofshalle geeilt.
(5a) Sie ist durch diesen Ort gewandert.
(6a) Die Gesellschaft hat den elektrischen Strom durch
dieses Gebiet zu leiten.
(7a) Notfalls müssen wir den Verletzten durch den Bach tragen.
Syntaktisch gesehen ersetzt das Präfix durch- eine beim Simplex
stehende Präpositionalphrase und reduziert somit die Valenz der
Simplexverben um eine Stelle. Aus dem zweistelligen eilen, fahren,
wandern wird einstelliges durcheilen, durchfahren, durchwandern. Aus
dreistelligem leiten, tragen wird zweistelliges durchleiten, durchtragen.
Das ursprüngliche Akkusativobjekt bleibt dabei erhalten.
Vollständigkeit der Sätze wird durch diese Valenzverringerung nicht
beeinträchtigt, weil man meist leicht aus dem Kontext oder der
Situation schließen kann, um welchen Ort es sich eigentlich handelt. In
manchen Fällen tritt der Ort (Raum) in Form einer
Präpositionalphrase174
auf wie z.B. in (3), (6) und (7).175
Man kann
174
Vgl. Benware (1992: 166), vgl auch oben S. 14f. 175
Solche Sätze, in denen der Raum durch eine Präpositionalphrase expliziert wird,
ziehen uns in die unendliche Diskussion um den Status, den Wortcharakter des
postponierten durch, die von den Göttinger Lexikografen Henriette Andresen und
Joachim Bahr in der Zeitschrift für germanistische Linguistik 1977 entfacht wurde. Die
beiden wollten dabei vor allem eine Deutung auf ihre Frage, ob es in solchen Sätzen um
ein präfigiertes Verb oder um ein Simplexverb mit einer direktiven Ergänzung geht.
Diese Frage wurde bzw. wird noch nicht einheitlich, eindeutig beantwortet. Polenz,
Šimečkova und Olsen gestehen ein, dass es hier Ambiguität vorliegt, die sogar
unauflösbar ist (vgl. Olsen (1996: 320), Olsen (1997: 21f.), Olsen (1998: 224),
Šimečkova (2002: 42f.), Polenz (1977: 220f.). Nach Polenz ist das zweite durch
entweder ein Kompositionsglied des Verbs oder als Teil einer Präpostposition zu
betrachten, die als Direktivergänzung fungiert und durch das postponierte (hin)durch
verstärkt wird, was Trost (1979: 209) völlig ablehnt. Er meint, “das postponierte
Element ist zwar weglassbar, doch eben nicht nur verstärkend: durch x /hin/ durch steht
vielmehr im Gegensatz zu durch x umher.” Er erwähnt dabei die zwei Lesarten von
durch, die erste begrenzte wird durch (hin)durch, die zweite, unbegrenzte durch umher
präzisiert. Das Postponierte durch ist somit nach Trost als Direktionaladverb zu
betrachten. Bei Olsen geht es in gewissem Maß ähnlich. Ihr zufolge kann das zweite
durch in solchen Sätzen einerseits als Verbpräfix erscheinen, dessen implizites Relatum
durch die vorangestellte Präpositionalphrase, die Olsen “Pleonastische Direktionale”
90
sagen, dass es hier zwischen den Präfixverben mit durch- und den
Simplexverben mit der Präpositionalphrase (fast) keinen semantischen
Unterschied gibt. Die Präfixverben wirken nur sprachökonomisch.176
Das trifft aber nicht völlig auf Beispiele (4) und (5) zu. Neben der
lokalen Bedeutung kommt den Präfixverben durchfahren,
durchwandern eine andere Bedeutung hinzu, nämlich “ohne
Aufenthalt”. Kontinuität des Weges gehört zwar zu den semantischen
Hauptmerkmalen der Präposition durch177
, wird aber erst von dem
Präfix hervorgehoben. Das Interesse richtet sich bei diesen Präfixverben
nicht mehr auf den Ort, den man durchquert, um sein Ziel zu erreichen,
sondern darauf, dass die Bewegung darin ohne Aufenthalt verläuft. Das
ist besonders bei den Verben durchfahren, -fliegen, -gehen, -jagen,
-kommen, -laufen, -reiten, -rollen, -sausen, schwimmen, -wandern
bemerkbar.178
3.1.2 durch eine Öffnung, einen Durchgang hindurch:
(durch-)1,2
Der Bereich, in dem hier die Bewegung stattfindet, verengt sich.
Es geht um einen Durchgang oder eine Öffnung, vgl. Abb. 5:
nennt, zur Explizierung kommt. Andererseits kann es als postponierter Kopf eine
adverbielle Funktion innerhalb einer komplexen Präpositionalphrase ausüben. Die
vorangestellte Präpositionalphrase dient dabei auch dazu, die implizit gelassene
Lokalisierungs-Region des adverbiellen durch explizit zu machen. Sie soll – in
Übereinstimmung mit den Präpositionalphrasen, die in Verbindung mit hin auftreten - in
kongruenter Beziehung zu dem postponierten durch stehen, wird daher nur von unter,
zwischen und durch eingeleitet (näheres dazu siehe Olsen (1999: 128f.). Engelen
(1978: 182f.) ist der einzige, der dem postponierten durch nur eine Funktion zuweist.
Nach ihm ist es stets als ein Direktionaldverb zu betrachten, das syntaktisch die
Richtungsforderung des Bewegungsverbs erfüllt. Die Bestimmung des Elemtes durch
als Präfix oder Postposition schließt er bei der Analyse ganz aus. 176
Vgl. Erben (1983: 73). 177
Siehe dazu oben S. 53ff. 178
Vgl. Kjellmann (1945: 71).
91
Hierher gehören folgende Präfixverben:
intransitive Präfixverben: durchblasen, -blicken, -dampfen,
-dünsten, -fallen, -fließen, -fluten, -gucken, -kriechen,
-tropfen, -wachsen, -wehen;
transitive Präfixverben: durchblasen, -drücken, -fädeln,
-flössen, -füllen, -gießen, -greifen, -langen, -pressen,
-reichen, -seihen, -sieben, -schieben, -schlagen,
-schmeißen, -stecken, -stopfen, z.B.:
(8) Das Wasser ist (durch den Riss im Deich) durchgeflutet.
(9) Das Band wird (durch eine Öffnung) durchgestreift.
(10) Sie fädelte den Zwirn durch.
(11) Sie fand ein Loch in der Wand und stopfte ihre
Kleider durch.
(12) Sie hat den Fruchtbrei (durch ein Sieb) durchgedrückt.
Auch hier ersetzt das Präfix durch- eine ganze Päpositionalphrase ohne
Bedeutungsunterschied. Die Sätze kann man einfach so sagen:
(8a) Das Wasser ist durch den Riss im Deich geflutet.
(9a) Das Band wird durch eine Öffnung gestreift.
(10a) Sie fädelte den Zwirn durch das Nadelöhr.
(11a) Sie stopfte ihre Kleider durch ein Loch in der Wand.
3.1.3 durch eine Trennwand, eine Decke, eine Hülle
hindurch: (durch-)1,3
Es geht hier um etwas Flaches wie z.B. eine Wand, eine Decke,
die durchdrungen wird, vgl. Abb. 6:
92
Die Präfixverben, die zu dieser Bedeutungsgruppe gehören, bezeichnen
in der Regel Verbreitung von Schall, Licht, Nässe, sowie die
Wahrnehmung der Sinnesorgane. z.B.:
intransitive Präfixverben: a) durchblinken, -blitzen, -flimmern
-funkeln, -glänzen, -klingen,
-leuchten,-schallen, -schimmern,
-strahlen, -tönen;
b) durchbluten, -fetten, -feuchten,
-lecken, -sickern;
transitive Präfixverben: a) durchfühlen, -hören, -spüren;
b) durchdrucken, -färben, -pausen,
-schreiben, -zeichnen:
(13) Sie trug einen Schleier, aber die Edelsteine in den
Haaren funkelten durch.
(14) Der Lärm schallt (durch die Wand) durch.
(15) Die eingewickelten Heringe nässten durch.
(16) Durch die dünnen Schuhsohlen fühle ich jeden Stein durch.
(17) Im Nebenzimmer wurde so laut gesprochen, dass man
alles durchhören konnte.
(18) Er pauste die Zeichnung durch.
In diesen Beispielen konkurrieren auch die Präfixverben mit den
Simplexverben, vgl.:
(13a) Die Edelsteine in den Haaren funkelten durch den Schleier.
(14a) Der Lärm schallt durch die Wand.
(16a) Durch die dünnen Schuhsohlen fühle ich jeden Stein.
(18a) Er pauste die Zeichnung durch ein durchsichtiges Papier.
In semantischer Hinsicht unterscheiden sich die Präfixverben mit
durch- kaum von den Simplexverben. Syntaktisch handelt es sich um
Valenzverringerung, wobei sich die Valenz um eine Stelle reduziert.
93
3.1.4. Bewegung durch etwas hindurch mit Überwindung
eines Hindernisses, eines Widerstandes: (durch-)1,4
Hier wird allgemein ausgedrückt, dass die Verbalhandlung nach
Überwindung eines Hindernisses zu einem Ziel oder Ende gelangt. Nicht
selten ist darin die Erreichung eines besseren Zustandes enthalten. Man
unterscheidet folgende Untergruppen, die bezeichnen:
3.1.4.1. dass jemand sich gewaltsam bzw. mit Mühe durch etwas
einen Weg bahnt (durch-)1.4.1, z.B.:
reflexive Präfixverben: sich durcharbeiten, -beißen, -boxen, -
drängen, -fechten, -fressen, -hauen, -kämpfen, -scharren, -
schlagen, -streiten, -wagen, -würgen, - zwängen:
(19) Es gelang ihm, sich (durch die Menge) bis zum
Ausgang durchzuarbeiten.
(20) Viele haben sich rücksichtslos zum Schalter durchgeboxt.
(21) Der Brand frisst sich durch das ganze Haus durch.
(22) Wir hieben uns (durch das Dickicht) durch.
(23) Das Kind hat seinen Kopf (durch das Gitter) durchgezwängt.
Für diese Präfixverben gibt es meist parallele Konstruktionen mit einer
Präpositionalphrase, vgl.:
(19a) Es gelang ihm, sich durch die Menge/ das Gedränge bis
zum Ausgang zu arbeiten.
(20a) Viele haben sich rücksichtslos durch die Menge/
das Gedränge zum Schalter geboxt.
(21a) Der Brand frisst sich durch das ganze Haus.
(23a) Das Kind hat den Kopf durch das Gitter gezwängt.
Viele der Präfixverben dieser Untergruppe erhalten ihre reflexive Form
erst in der Präfigierung. Das gilt vor allem für die Verben sich
durchbeißen, sich durchfechten, sich durchscharren, sich durchwürgen.
Von der Semantik her stimmen die Präfixverben - im Gegensatz zu den
Verben der oben genannten Gruppen - mit den Simplexverben nicht
völlig überein. Bei den Präfixverben ist der Blick erst nicht auf das, was
94
als Hindernis auf dem Weg zum Ziel steht, sondern auf das Ende der
Verbalhandlung, auf Überwindung des Hindernisses gerichtet.
3.1.4.2. sich auf bestimmte Weise durchhelfen, mit einer von einer
Norm abweichenden häufig negativen Verhaltensweise
durchkommen: (durch-)1.4.2
Man stellt sich hier auch eine schwierige Zeit, Situation als ein
Hindernis vor, das man mit der durch das Basisverb (z.B. heucheln,
lügen, hungern, mogeln u.a.) ausgedrückten Handlung zu überwinden
versucht, z.B.:
reflexive Präfixverben: sich durchhelfen, sich durchheucheln,
sich durchlügen, sich durchmogeln, sich durchschummeln, sich
durchhungern, sich durchwurschteln/-wursteln, sich
durchschwätzen:
(24) Geh hin, versuche nun dein Glück! Und hast du dich
recht durchgeheuchelt, so komme matt und lahm zurück.
(25) Da ich aber seit genauer Zeit nichts mehr eingenommen
habe, so habe ich mich unterwegs mit der Violine
durchgeschlagen.
(26) Mit Chorsingen fristete ich mich durch.
(27) Ich habe mich mit meiner Familie durch die schlechten
Zeiten durchgehungert.
Die Präfixverben sind reflexiert, können meist nicht durch einfache
Verben mit Präpositionalphrasen ersetzt werden.
3.1.4.3. jemand zu einem guten Ende kommt, gebracht wird:
(durch-)1.4.3
Die hierher gehörenden Verben können zwar semantisch der
gerade oben besprochenen Untergruppe zugeordnet werden, werden aber
isoliert behandelt, weil ihre Syntax anders aussieht. Hier geht es nicht um
95
Reflexivierung, sondern um Valenzreduzierung um eine Stelle, wie es für
die Bedeutungsgruppen der trennbaren Präfixverben mit durch- üblich ist.
Von der Semantik her spricht man nicht von dem Versuch, ein Hindernis
zu überwinden, das auf dem Weg zum Ziel steht. Dieses Hindernis ist für
jemanden schon vorbei mithilfe seiner Bemühung oder der Bemühung
eines anderen, der ihn zu einem guten Ende, zum Ziel führt. Das
semantische Schwergewicht liegt also auf dem Ergebnis der Handlung.
Zu dieser Untergruppe gehören folgende Verben:
intransitive Präfixverben: durchkommen;
transitive Präfixverben: durchbringen, -füttern, -kriegen,
-schleppen
(28) Er hatte eine schwere Lungenentzündung, ist aber
durchgekommen.
(29) Ich trat in eine Schokoladenfabrik ein, um meine
Familie durchzubringen.
(30) Sie hatte ihn in schwerer Zeit mit durchgefüttert.
(31) Die Klasse hat den Schüler bis zum Abschluss
durchgeschleppt.
Zu dieser Untergruppe gehören auch semantisch die Verben, die
ausdrücken, dass jemand eine Prüfung besteht. Wenn man z.B. sagt, er ist
in dem Examen durchgekommen, weist dies auf die Vorstellung hin, dass
das Examen (dem Studenten) wie ein großes Hindernis ist, das
überwunden werden musste, um den Erfolg zu erreichen.
3.1.4.4 etwas (ein Gesetz, Plan, Meinung) trotz Widerstand zur
Geltung kommt, gebracht wird: (durch-)1.4.4
Es handelt sich bei dieser Untergruppe um abstrakte Variante der
Untergruppe 1.4.1. Die Verben, die hierher gehören, drücken aus, dass
man etwas wie z.B. einem Gesetz einen Weg durch das Parlament bahnt
und es somit trotz Widerstand zur Geltung bringt. Es wird dabei das gute
Ende, das Resultat der Handlung, hervorgehoben:
96
intransitive Präfixverben: durchdringen, -gehen, -kommen,
transitive Präfixverben: durchbekommen, -boxen, bringen,
drücken, -fechten, -führen, -kämpfen, -peitschen, -setzen:
(32) Die Regierung hat die Gesetzesvorlage im Parlament
durchgebracht.
(33) Er ist mit seiner Ansicht durchgedrungen.
(34) Der Antrag ist im Parlament durchgegangen.
(35) Sie hat durchgedrückt, dass sie Urlaub bekommt
(36) Sie konnte ihren Willen gegen ihren Mann durchsetzen.
Die Präfixverben in diesen Beispielen können zwar nicht durch die
Simplexverben mit Präpositionalphrase ersetzt werden. Die Bedeutung
der Präposition durch ist aber im Präfix noch erkennbar. Was die Syntax
anbetrifft, liegt bei diesen Verben eine Valenzreduzierung um eine Stelle
vor, abgesehen vom Präfixverb durchfechten, das erst in der Präfigierung
transitiviert wird und somit von den anderen Präfixverben dieser
Untergruppe syntaktisch abweicht. Transitive Präfixverben nehmen zu
sich aber Akkusativobjekte, die semantisch mit denen des Simplexverbs
nicht übereinstimmen.
3.1.4.5. etwas Schweres, Mühsames auf die Dauer aushalten:
(durch-)1.4.5
Auch bei den Verben dieser Untergruppe herrscht abstrakte
Bedeutung. Es geht im Grunde um eine schwierige Situation, die man zu
überwinden, durchzustehen versucht. Der Blick richtet sich hier zwar
auf das resultative Moment der Handlung. Es kommt aber auch eine
durative Bedeutung hinzu. So besagen die Verben – und dies kann man
als die wesentliche Bedeutung solcher Verben betrachten - , dass man die
schwierige Situation auf die Dauer und ohne Unterbrechung aushält, z.B.:
intransitive Präfixverben: durchhalten, -kommen;
transitive Präfixverben: durchhalten, -kosten, -machen,
-stehen:
97
(37) Es gab eine Zeit, da war ihm viel aufgeladen, aber er
hat durchgehalten.
(38) Die Belastung halte ich gesundheitlich nicht mehr durch.
(39) Er hat eine schwere Krankheit durchgemacht.
(40) Otto hat die schwierige Situation gut durchgestanden.
Verwendung eines Simplexverbs mit einer Präpositionalphrase ist zwar
nicht möglich, der Einfluss der Präposition auf das Präfix ist hier auch
noch erkennbar, wobei die schwierige Situation als ein Hindernis
angenommen wird179
, vgl. Abb. 7 :
Die Bedeutung ist von verschiedenen syntaktischen Änderungen
begleitet. So liegt z.B. bei durchkommen, -halten eine Valenzreduzierung
um eine Stelle, bei durchstehen aber Transitivierung vor.
3.1.5 sich lösen, sich einer Kontrolle entziehen: (durch-) 1.5
Zu dieser Gruppe gehören ein paar Verben, bei denen die
räumliche Bedeutung zurückzieht, wenn darauf noch für Erklärung des
morphologischen Zustandes der Verben nicht verzichtet werden kann. Sie
bedeuten vor allem, dass sich jemand, etwas einer Kontrolle entzieht,
z.B.:
intransitive Präfixverben: durchbrennen, -brechen; -fliehen, -
flüchten, -gehen, kommen, -laufen, -wischen:
(41) Seine Frau ist ihm durchgegangen.
(42) Die Pferde gehen durch.
179
Eichinger (1989: 393).
Schwierige
Situation
98
Einige Verben der Gruppe z.B. durchgehen können daneben abstrakt
verwendet werden, indem sie ausdrücken, dass jemand die
Selbstkontrolle, die Nerven verliert, z.B.:
(43) Die Nerven gingen ihm durch.
3.1.6. Bewegung durch etwas hindurch von oben nach unten:
(durch-)1.6
Hierher gehören die intransitiven Präfixverben durchbiegen,
-brechen, -federn, -filzen, hängen, -fallen, -sacken, -sinken, z.B.:
(44) Das Bücherbrett biegte sich unter der großen Belastung durch.
(45) Das Brett brach durch, als er sich darauf setzte.
(46) In den Wolken sackte das Flugzeug durch.
Die durch diese Präfixverben ausgedrückte Bewegung könnte man sich
so vorstellen180
(Abb.8):
Diese Präfixverben können zwar nicht durch Simplexverben mit
Präpositionalphrase ersetzt werden. Die lokale Bedeutung der Präposition
durch - gemeint ist natürlich nur die begrenzte Lesart von durch - ist aber
an dem Präfix noch erkennbar. Einige der zu dieser Gruppe gehörenden
Verben können außerdem abstrakt verwendet werden, indem sie auf
Ermüdung hindeuten, die unter kö ِ rperlichem seelischem Druck
entsteht, z.B:.
(47) Nach seinem Auftritt hängt er immer total durch.
180
Vgl. Rich (2003: 7).
99
3.1.7. Misserfolg haben: (durch-)1.7
Hier wird vor allem ausgedrückt, dass jemand – im Gegensatz zur
Untergruppe 1.4.3 - eine Prüfung nicht besteht, eine Wahl verliert. Die
Verben, die hierher gehören, sind alle intransitiv, z.B.:
durchfallen, -fliegen, -plumpsen, -rasseln, -rauschen,
-sausen:
(48) Er ist bei der Fahrprüfung durchgefallen.
(49) Er ist im Abitur durchgeflogen/durchgeplumst/durchgerasselt.
(50) Sie ist im Staatsexamen durchgesaust.
Hier können die Simplexverben mit Präpositionalphrasen anstelle der
Präfixverben treten, vgl.:
(48a) Er ist durch die Fahrprüfung gefallen.
(49a) Er ist durchs Abitur geflogen / gerasselt.
(50a) Sie ist durch das Staatsexamen gesaust.
Dass aber das Präfix durch- in dieser Verwendung auf die Präposition
zurückführbar ist, lässt sich hier auch feststellen. In Anlehnung an
Kjellmann werden hier zwei Erklärungen dafür angeführt. Die erste ist
die von Paul, der meint, dass das Subjekt durchfällt ‘wie das
Unbrauchbare beim Sieben’. Kjellmann scheint aber von der zweiten
Erklärung, die Kluge in seinem Herkunftswörterbuch erwähnt hat, mehr
überzeugt zu sein.181
Nach ihm gehen Präfixverben wie durchfallen,
durchfliegen, die den Misserfolg zum Ausdruck bringen, auf die
Verbindung ‘durch den Korb fallen’ zurück, die beim Werben um die
Liebe eines Mädchens üblich war. Dieser Ausdruck steht im
Zusammenhang mit der mittelalterlichen Sitte, dass das junge Mädchen
den Bewerbern einen Korb gibt, der bei dem unbeliebten Bewerber einen
so schwachen Boden hat, dass alles, was im Korb liegt, durchfällt. Das
Missglücken in der Liebe wurde später auf das Misslingen im Examen
übertragen. Richs Erklärung für diese Bedeutungsgruppe sieht nicht
völlig abweichend aus. Laut Rich lässt sich aber diese Gruppe mit
abstrakter Bedeutung auf die konkrete Bedeutung “Bewegung durch
etwas von oben nach unten” zurückführen, die gerade oben besprochen
181
Vgl. Kjellmann (1945: 113).
100
wurde.182
Die drei Erklärungen für die Präfixverben dieser Gruppe sind
scheinbar nicht einheitlich, doch haben sie etwas Gemeinsames, das auch
bei den Verben anderer Sprachen, die Misserfolg ausdrücken,
wiederzufinden ist und dieses ermöglicht uns, diese Verben besser
auszulegen. Bei Verben wie im Arabischen ,échouer im [rasaba] رسب
Französichen, venire a mancare im Italienischen steht im Vordergrund,
dass jemand - von der konkreten Bedeutung auf die abstrakte übertragen
- wie etwas, das sich auf dem Grund eines Behälters absetzt, sein gutes
Niveau nicht halten kann und daher den anderen unterliegt.
3.1.8 eine Mitteilung über eine Distanz übertragen
Es gehören zu dieser Bedeutungsgruppe ein paar Verben, die mit
der Mediensprache zu tun haben. Sie drücken vor allem aus, dass eine
Mitteilung über eine Distanz weiter bis zum Ziel übertragen wird, z.B.:
durchfaxen, -rufen, -sagen, -senden, -stellen, -telefonieren,
-wählen:
(51) Faxen Sie uns bitte die genauen Daten durch!
(52) Der österreichische Rundfunk gab einen Marktbericht
für Tirol durch.
(53) Bitte das Gespräch in die Wohnung des Chefs durchstellen.
3.2 Bedeutungsgruppen der untrennbaren Präfixverben
mit durch-
Zu dieser Schicht gehören vier Gruppen, die wie folgt dargestellt werden
können:
3.2.1 Bewegung durch einen Raum (einen Ort oder ein
Gebiet) in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung:
(durch-)2.1
182
Rich (2003: 25).
101
Hier geht es – in Übereinstimmung mit der zweiten lokalen Lesart
der Präposition durch - um eine Bewegung, die in einem Raum ziellos
stattfindet. Dieser wird betreten auf der einen Seite, wobei ein
Wiederhinausgehen auf der anderen Seite nicht erfolgt bzw. nicht
relevant ist. Relevant aber ist ein längerer Aufenthalt. Der Raum wird
nicht in direkter Richtung, sondern in allen Richtungen, in ganzer
Ausdehnung durchdrungen und von der Bewegung ganz ausgefüllt. Dies
macht einen Unterschied zwischen der Präposition durch und dem
gleichlautenden Präfix, der darin besteht, dass bei Präfixverben mit
durch- der ganze Raum von der Verbhandlung betroffen sein soll, was
den Präfixverben in diesem Fall - im Gegensatz zu den Konstruktionen
mit der Präposition durch in der zweiten unbegrenzten Lesart und über
ihre Bedeutung hinausgehend183
- eine holistische Bedeutung verleiht.184
Nach Kjellmann deuten diese Präfixverben nebenbei auf das Ende der
Verbhandlung mehr als auf die anderen Momente der Handlung.185
So
kann der Beispielsatz Er durchläuft das Feld bedeuten, dass (er) durch
das ganze Feld bis an dessen anderes Ende läuft. Darin erblickt man eine
holistische Bedeutung, die resultativ aufzufassen ist.
Zu dieser Gruppe gehören z.B. folgende Verben:
durchbetteln, -eilen, -fahren, -fliegen, -fluten, -gehen, -gleiten,
-hüpfen, -irren, -jagen, klettern, -keuzen, -kriechen, -laufen,
-pilgern, -rasen, -reisen, -rennen, -sausen, -wandern:
(51) Er hat das ganze Land durchbettelt.
(52) Die Kinder durchhüpfen oft den Garten.
(53) Er raste mit dem Auto das Land.
(54) Er durchrannte das ganze Haus.
(55) Mit einem erbärmlichen Segler durchkreuzte er die Pazifik..
Vergleicht man diese Beispielsätze der Präfixverben mit denen der
einfachen Verben:
(51a) Er hat durch das ganze Land gebettelt.
183
Siehe dazu oben S. 61ff. 184
Vgl. Eroms (1982: 39), Kjellmann (1945: 137f.), Wunderlich (1983: 459). 185
Vgl. Kjellmann (1945: 142).
102
(53a) Er raste mit dem Auto durch das Land.
(54a) Er rannte durch das ganze Haus.
so stellt man Folgendes fest: In Bezug auf die Syntax tritt durch die
Präfigierung des Simplexes eine Transitivierung ein, d.h. aus einem
intrasitiven Simplexverb (betteln, jagen, rasen, rennen) mit einer
Präpositionalphrase (durch das Land, die Stadt, das Haus usw.) wird ein
transitives Präfixverb, indem die Präpositionalphrase in ein
Akkusativobjekt des Präfixverbs umgewandelt wird. Was die Semantik
anbetrifft, kann man sagen, dass Simplexverben mit der Präposition
durch auch holistisch aufgefasst werden könnten, häufig nur wenn das
Wort ganz hinzugefügt wird. Fällt ganz dabei aus, kann das Simplex mit
Präposition auch noch auf der Grundlage der lokalen begrenzten Lesart
interpretiert werden. So kann Beispiel (53a) bedeuten, dass (er) mit dem
Auto durch das Land schnell fährt und dieses wieder verlässt, um ein
bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Präfixverben drücken somit die
Erfüllung des Raumes eindeutiger aus, wobei bei der Verbindung eines
Simplexes mit der Präposition durch das Wort ganz als vorausgesetzt gilt.
3.2.2. Etwas erfüllt einen Raum mit Licht, Schall, Geruch
usw.: (durch-)2.2
Hier steht auch im Vordergrund, dass ein Raum mit etwas ganz
erfüllt wird, das ein Licht, Schall, Geruch, eine Flüssigkeit und ähnliches
sein kann. Die hierher gehörenden Präfixverben, deren Basen einen
optischen, akustischen Vorgang bezeichnen oder einen Vorgang,
wodurch Verbreitung eines Geruchs oder einer Flüssigkeit zum Ausdruck
kommt, heben aber im Gegensatz zu diesen Basisverben die holistische
Bedeutung hervor, z.B.:
durchdämmern, -flimmern, -funkeln, -glänzen, -hellen, -leuchten,
-scheinen, -schimmern, -strahlen, -zucken;
durchdonnern, -dröhnen, -hallen, -heulen, -klingen, -krächzen,
-lärmen, -pfeifen, -raschen, -schallen, -summen, -tönen;
103
durchdampfen, -duften, -dünsten, -qualmen, -rauchen,
-stinken:
(56) Ein Blitz durchhellte die Dunkelheit der Nacht.
(57) Die Sonne durchschien das Zimmer.
(58) In der Nacht durchheult ein Hund den Hof.
(59) Seine laute Stimme durchtönte den Saal.
(60) Der schönste Weihrauch soll mein heiteres Zimmer
durchdampfen.
(61) Die Nelken durchdufteten den Garten.
(62) Der Steinkohlendampf durchstinkt die Luft.
Vergleicht man diese Beispielsätze mit denen, wo einfache Verben in
Verbindung mit der Präposition durch auftreten:
(57a) Die Sonne schien durch das Zimmer.
(58a ) In der Nacht heult ein Hund durch den Hof.
(59a) Seine laute Stimme tönte durch den Saal.
So lässt sich sagen, dass im Gegensatz zu den letzten, also den
einfachen Verben mit der Präposition durch, die allgemein die Richtung
betonen, liegt das semantische Schwergewicht der Verben mit dem
Präfix durch- auf Erfüllung des Raumes. Durch die Präfigierung tritt
auch hier Transitivierung ein.
3.2.3. Etwas (ein Gedanke, Gefühl usw.) erfüllt,
durchdringt jmdn.: (durch-)2.3
Bei den Präfixverben dieser Gruppe handelt es sich um
übertragene, abstrakte Verwendung der gerade oben besprochenen
Bedeutungsgruppe (2.2). Sie stimmen semantisch mit den Verben dieser
Gruppe überein, werden aber abstrakt verwendet, was uns veranlasst,
sie einer selbstständigen Gruppe zuzuordnen. Hier bewegt ein Gefühl
oder ein Gedanke jemanden innerlich und erfasst ihn völlig, was die
untrennbare Verwendung der Verben berechtigt:
104
durchbeben, -blitzen, dringen, -fahren, -fluten, -geistigen,
-jagen, -laufen, -lodern, -regen, -rieseln, schießen, -toben,
-wallen, -wogen, -ziehen:
(63) Ein Kälteschauer durchbebten sie.
(64) Diese Idee hat ihn völlig durchdrungen.
(65) Ihn durchflammte die Begierde nach Ruhm.
(66) Ein wonniges Gefühl durchglühte seine ganze Existenz.
(67) Plö ِ tzlich durchschießt ein Gedanke ihren Kopf .
Ersetzung dieser Präfixverben durch einfache Verben mit der
Präposition durch findet zwar selten statt, ist aber nicht ausgeschlossen,
was genau zeigt, dass die abstrakte Bedeutung nicht auf Präfixverben
beschränkt ist, vgl.:
(67a) Plö ِ tzlich schießt ihr ein Gedanke durch den Kopf .
Die meisten Simplexverben sind intransitiv. Die aus ihnen abgeleiteten
Präfixverben sind transitiv. Es liegt also häufig wie bei den beiden
gerade oben genannten Gruppen Transitivierung vor. In semantischer
Hinsicht drücken die Präfixverben Erfüllung des Inneren einer Person
eindeutiger aus.
Diese Bedeutung befindet sich auch bei den Präfixverben, die Kjellmann
in seiner Klassifizierung unter Bedeutungsgruppe 21 anführt, wo vor
allem Durchdringen eines Objektes in geistiger Hinsicht betont wird. Bei
Verben wie z.B. durchblicken, durchschauen könnte man sich
vorstellen, es gäbe jemanden, der mit seinem geistigen Auge das Innere
eines anderen durchdrungen und diesen intuitiv völlig erfasst hätte in
dem Versuch, das im Inneren Verborgene wahrzunehmen, und den
wahren Kern dieser Person zu erkennen, z.B.:
(68) Es war leicht die Bosheit, den Betrug zu durchblicken.
(69) Du bist durchschaut = deine Absichten sind erkannt
105
3.2.4. Etwas durch etwas durchweben als Zierde: (durch-)2.4
Es wird hier etwas durch das Objekt gezogen, das in seiner
ganzen Ausdehnung davon betroffen wird. Dasjenige, das das Objekt
durchzieht, bleibt auch darin. Der Blick richtet sich auf das Ergebnis der
Verbhandlung. Zu dieser Gruppe gehören vor allem Verben, die mit
Nähen und Verzieren zu tun haben, z.B.:
durchnähen, flechten, -knüpfen, -legen, -setzen, -steppen,
-sticken, -striemen, -weben, -wirken:
(70) Der Stoff ist mit Silberfäden durchwirkt / durchwebt.
(71) Der Kranz ist mit Blumen durchflochten.
(72) Das Samtkleid ist ganz durchstickt.
Diese Präfixverben können zwar durch einfache Verben mit der
Präposition durch ersetzt werden, vgl.:
(71a) Die Blumen sind durch den Kranz geflochten.
Im Gegensatz zu den einfachen Verben ist aber das Ergebnis der
Handlung von den Präfixverben stärker hervorgehoben. Was die Syntax
anbetrifft, sind die einfachen Verben und Präfixverben transitiv. Es geht
hier nicht um Transitivierung, sondern um Objektumsprung. Das
ursprünglich direkte Objekt des einfachen Verbs flechten z.B. (Blumen)
verliert seinen Status als direktes Objekt und wird durch die Präposition
mit angeschlossen, indem es beim Präfixverb adverbial verwendet wird.
Das Präpositionalobjekt des Satzes wird zum direkten Objekt. Beim
Präfixverb wird das Partizip Perfekt viel häufiger benutzt als andere
Formen, was den Verben eine resultative Bedeutung gibt.
106
3.3 Bedeutungsgruppen der sowohl trennbar als auch
untrennbar vorkommenden durch-Verben:
Nun befassen wir uns mit den Bedeutungsgruppen einer Reihe
von durch-Verben, die sich morphologisch und syntaktisch anders als
die oben behandelten Präfixverben verhalten. Ihre Semantik sieht auch
anders aus, weil die Verben hier zum Ausdruck entweder einer
resultativen oder einer durativen Aktionsart dienen. Die lokale
Bedeutung tritt wahrscheinlich zurück, ist aber – wie wir gleich unten
erklären – als Grundlage zur Interpretation der aktionalen Bedeutung zu
betrachten. Morphologisch gesehen treten die Präfixverben bei der
gleichen Bedeutung trennbar oder untrennbar auf. In vielen Fällen gibt
es zum selben Verb zwei Formen, die eine trennbar und die andere
untrennbar, die häufig ohne syntaktische und semantische
Differenzierung gebraucht werden können, z.B.:
(73) Der Polizist suchte das Haus durch.
(73a) Der Polizist durchsuchte das Haus.
(74) Er sägte das Brett durch.
(74a) Er durchsägte das Brett.
In diesen Beispielsätzen ist das Simplexverb (suchen, sägen) transitiv;
die trennbare und untrennbare Variante des Präfixverbs sind auch
transitiv und haben das gleiche Akkusativobjekt des Simplexes. Bei den
Präfixverben treten also keine syntaktischen Änderungen ein. Die
Bedeutung der beiden Varianten ist fast gleich, wobei das Präfix durch- in den Beispielen auf vollständige Durchführung der durch das
Simplexverb ausgedrückte Handlung hinweist, so besagen die Verben
durchsuchen, durchsägen, dass das Haus vom Polizisten gründlich, bis
in den letzten Winkel abgesucht wurde, dass das Brett gründlich gesägt
wurde, so dass es entzwei ging. Resultativität der Handlung tritt bei den
beiden Varianten in den Vordergrund. Einige Grammatiker sind aber der
Überzeugung, dass zwischen den beiden Varianten solcher Verben doch
noch semantische Unterschiede festzustellen wären186
, die meist auch
aktionaler Art sind. Das wird gleich unten näher ausgeführt. Zu dieser
Schicht gehören folgende drei Gruppen:
186
Vgl. Rich (2003: 21ff.), Itälä (1987: 135ff.).
107
3.3.1 Eine Tätigkeit vollständig durchführen
(resultativ / perfektiv): (durch-)3.1
Bei den Präfixverben dieser Gruppe kommt vor allem
vollständige bzw. gründliche Durchführung der durch das Simplexverb
ausgedrückten Handlung zum Ausdruck. Der Blick richtet sich auf die
Endphase der Handlung. Der Gebrauch der Verben schwankt hier stark.
Einige Verben werden nur trennbar gebraucht, andere nur untrennbar.
Eine Reihe von Verben wird fast ohne Bedeutungsunterschied sowohl
trennbar als auch untrennbar gebraucht, z.B:
trennbare Präfixverben: durchbacken, -beraten, -bilden,
-bürsten, -checken, -formen, gestalten, -kauen, -kochen,
-numerieren, -proben, -probieren, -prüfen, -studieren,
-trocknen;
untrennbare Präfixverben: durchpfählen, -säen, -säuern;
sowohl trennbar als auch untrennbar gebrauchte Präfixverben:
durcharbeiten, -atmen, -blättern, -denken, -forschen,
-gliedern, -kämmen, -kosten, -kramen, -mengen, -mischen,
-schwitzen, -wühlen:
(75) Die Pizza muss einen erhöhten Rand haben, sie muss
durchgebacken sein, ohne krustig zu werden.
(76) Ich muss mal wieder zum Arzt gehen und mich
durchchecken lassen.
(77) Die Kinder waren vom Regen ganz durchnässt.
(78) Der Bäcker lässt den Teig durchsäuern und aufgehen.
(79) Er blätterte das Buch durch / durchblätterte das Buch.
(80) Er schwitzte den Kragen durch / durchschwitzte den Kragen.
Die Präfixverben dieser Gruppe drücken zwar verschiedene Tätigkeiten
aus, können jedoch in einige Untergruppen eingeteilt werden:
108
3.3.1.1. Zu der ersten Untergruppe gehören die Verben, die ausdrücken,
dass jemand fürchterlich, kräftig verprügelt wird. Sie sind meist trennbar,
z.B.:
durchhauen, -hecheln, -klopfen, -peitschen, -pritschen, -
prügeln, -wamsen:
(81) Der Vater haute den Jungen tüchtig durch.
(82) Der Häftling wurde im KZ durchgepeitscht.
3.3.1.2. Die zweite Untergruppe bilden einige Präfixverben mit zwei
Formen, d.h. sie treten sowohl trennbar als auch untrennbar auf. Sie
bedeuten, dass etwas oder ein Ort genau, gründlich durchsucht wird, z.B.:
durchkämmen, -kramen, -schnüffeln, -spüren, -stöbern,
-stochern, -suchen, -wühlen:
(83) Der Sumpf wird von Suchtrupps durchgekämmt /
durchkämmt.
(84) Sie haben auf der Suche nach dem Beweisstück alles vom
Keller bis zum Dach durchgewühlt / durchwühlt.
(85) Sie schnüffelten die Wohnung durch / durchschnüffelten
die Wohnung.
Hier bewegt sich jemand in einem Raum, Ort herum, was die untrennbare
Verwendung des Präfixverbs begünstigt, doch ist seine Bewegung nicht
ziellos. Es wird etwas Bestimmtes gesucht.
3.3.1.3. Die dritte Untergruppe bilden Präfixverben mit der Bedeutung,
dass etwas mit etwas vermischt wird. Die hierher gehörenden Verben
haben meist zwei Formen, z.B.:
durchkneten, -mengen, -mischen, -rühren, -ziehen:
(86) Eidotter, Zucker, Mandeln, Gewürze und Zitronensaft
werden eine halbe Stunde stark gerührt, dann wird der
steife Eiweißschaum durchgemischt.
(86a) Der Magen ist eine Art Vorratsbehälter, der den Nahrungsbrei
weiter durchmischt und in seine Einzelbestandteile zerlegt.
109
Dennoch ist es ein weit verbreiteter Irrtum, dass die komplette
Verdauung im Magen stattfindet. Hier wird die Nahrung im
Wesentlichen nur durchmischt und auf die endgültige
Verdauung vorbereitet, die schließlich im Dünndarm erfolgt.
(86b) Erst im Herbst, wenn der Wasserkö ِ rper durch den Wind stark
durchmischt wird, kommen wieder neue Nährstoffe an die
Wasseroberfläche und andere Algen können die Blaualgen
auskonkurrieren. Im Winter wird der Wasserkö ِ rper viel und
stark durchmischt und die Tageslängen verkürzen sich: Licht
wird zum stark limitierenden Faktor für das Phytoplankton und
es wird im Wachstum gehemmt.
(87) Wenn der Teig reif ist, wird er noch einmal durchgemengt und
in die gut eingefetten Formen gefüllt und an der Oberfläche je
nach Vorliebe mit dem nassen Messer eingeritzt.
(87a) Diese Säfte haben bei empfindlichen Verdauungsorganen einen
Vorzug vor der Rohkost, die öfter die Verdauungsorgane
belastet, aber man muss die Säfte langsam schluckweise
nehmen und sozusagen gut kauen, damit sie mit Speichel
durchmengt werden.
(87b) Das klassische Szenario des Einsatzes von Biotechnologie für
den Umweltschutz findet sich in Kläranlagen, wo
Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen in so genannten
Belebtschlammbecken Abwässer zu Trinkwasser umwandeln.
Diese Becken gleichen einem Fermenter, denn sie werden
permanent durchmengt, mit Sauerstoff und Nährstoffen
versorgt und kontrolliert.
Wie aus den Beispielen hervorgeht, kommen die beiden Verben
durchmischen und durchmengen häufig trennbar vor bei Kochrezepten
wie in (86) und (87); in der wissenschaftlichen Sprache werden sie
untrennbar verwendet. Beispiele (86a) und (86b) entstammen einem
Artikel im Breich der Medizin und Biologie, Beispiele (87a) und (87b)
entstammen aber einem Artikel im Bereich der Naturheilkunde und
Biotechnologie. Was die Beziehung zwischen dem Präfix und der
Präposition durch angeht, so kann man sagen, dass Ersetzung der
Präfixverben der ersten Untergruppe, die das kräftige Verprügeln
bezeichnen, durch ein Simplexverb mit der Präposition durch kaum
110
vorstellbar ist. Das ist auch der Fall bei den meisten Präfixverben der
Gruppe 3.1, die sich nicht weiter unterklassifizieren lassen wie
z.B. durchblättern, -checken, -gliedern, -kochen u.a. Bei einigen Verben
der zweiten und dritten Untergruppe gibt es die Möglichkeit zur
Verbindung des Simplexverbs mit der Präposition durch, vgl.:
(85a) Sie schnüffelten durch die Wohnung.
(86c) Eidotter, Zucker, Mandeln, Gewürze und Zitronensaft
werden eine halbe Stunde stark gerührt, dann wird der
steife Eiweißschaum dadurch gemischt.
Diese Simplexverben können aber semantisch nicht mit den aus ihnen
abgeleiteten Präfixverben übereinstimmen, weil die letzten nur Wert auf
die Endphase, auf das Resultat der Handlung legen, während bei den
Simplexverben erst der Ort bzw. das Objekt, in dem geschnüffelt bzw.
darunter etwas gemischt wird, von Bedeutung ist. Die lokale Bedeutung
tritt zwar zurück bei den Präfixverben. Wichtig ist hier aber zu bemerken,
dass die resultative Bedeutung, die das Präfix durch- hier bezeichnet, aus
den Merkmalen der lokalen Präposition durch in ihren zwei begrenzten
und unbegrenzten Lesarten erfassbar sei. In den beiden Lesarten ist das
Resultat der Handlung mitbeinhaltet.187
Präfixverben mit durch-, die ihre
Bedeutung von den lokalen Lesarten der Präposition durch erhalten, sind
demzufolge resultativ. So Šimečkova: “In beiden Fällen kann die Endphase
des Geschehens die Oberhand gewinnen. Es kann hervorgehoben werden, dass
der kurze Kontakt schon aufgehört hat und der betroffene Bereich wieder frei
ist, dass das Duchdringende auf der anderen Seite wieder hinausgetreten ist, es
kann aber auch hervorgehoben werden, dass der Gegenstand (Raum usw.) unter
dauerndem Einfluss des Geschehens steht.”188
3.3.1. Etwas trennen, beschädigen als Folge eines
Durchdringens: (durch-)3.2
In Bezug auf ihre Semantik stimmen die Präfixverben dieser
Gruppe mit denen der vorangehenden Gruppe überein, die Resultativität
der Handlung hervorhebt. Sie werden aber einer selbständigen Gruppe
187
Vgl. Itälä (1987: 135). 188
Šimečkova (2002: 66).
111
zugeordnet, weil ihre Zahl ein bisschen groß ist, so dass sie noch weiter
unterklassifiziert werden können. Ihre Simplexverben drücken vor
allem aus, dass etwas, das als Objekt fungiert, getrennt oder beschädigt
wird infolge der verletzenden Einwirkung des Durchdringens des
Subjektes. Die Präfixverben betonen im Gegensatz zu den Simplexen das
Resultat, Ergebnis der Handlung. Die Syntax sieht hier auch ein bisschen
anders aus, weil es neben den Präfixverben, die in der trennbaren oder
untrennbaren Form dasselbe Objekt haben, noch andere gibt, die
transitiviert oder reflexiviert werden können. Außerdem haben fast die
Hälfte der Verben dieser Gruppe zwei Formen und bereiten den
Grammatikern - wie oben gesagt - viele Schwierigkeiten. Trotz der vielen
Versuche um Interpretation und semantische Differenzierung der beiden
Varianten solcher Verben kommen sie noch nicht auf eine gemeinsame
Erklärung für diese Frage. Ihre Ansichten gehen erheblich auseinander.
Das wird gleich ausgeführt, aber vorher werden die einzelnen
Untergruppen wie folgt dargestellt:
3.3.2.1. Präfixverben der ersten Untergruppe drücken aus, dass die im
Simplexverb ausgedrückte Handlung bzw. der Vorgang vollständig,
gründlich ausgeführt wird bzw. abläuft, so dass etwas, das Objekt oder
Subjekt sein kann, auseinander-, entzweigeht. Die Verben sind intransitiv
oder transitiv:
intransitive Präfixverben: durchbrechen, -brennen, -glühen,
-rosten, -schmelzen;
transitive Präfixverben: durchbeißen, -brechen, -brennen, -feilen,
-hacken, -hauen, -nagen, -reißen, -säbeln, -sägen, -schlagen,
-schmelzen, -schneiden, -schweißen, -spalten, -teilen, trennen:
(88) Der Faden der Glühlampe ist durchgebrannt.
(89) Das Rohr ist durchgerostet.
(90) Er sägte das Brett durch / durchsägte das Brett.
(91) Er riss ein Blatt Papier durch / durchriss ein Blatt Papier.
(92) Der Fleischer hat den Knochen durchgehauen / durchhauen.
Bei den transitiven Präfixverben werden sowohl die trennbare als auch
die untrennbare Variante von dem gleichen Akkusativobjekt begleitet,
wie es für die Verben der dritten Schicht üblich ist. Die lokale Bedeutung
112
der Präposition durch, obwohl sie bei den meisten Verben dieser Gruppe
verdunkelt ist, ist hier trotzdem bemerkbar. Im Beispiel (90) kann man
sagen, das eine Säge durch das Brett geführt wurde, dass es durch diese
gewaltsame Einwirkung mitten hindurch in zwei Teile zerlegt wurde.189
Auch im ersten Beispiel steht die Hitze, Strombelastung hinter der
Zerstörung des Fadens der Glühlampe. Die Hitze zieht durch den ganzen
Faden, dass dieser am Ende schmilzt und entzweigeht. Aber bei den
Präfixverben liegt das Gewicht nicht auf dieser Bedeutung, also die
Bewegung hindurch von einer Seite zur anderen bezeichnet, sondern auf
der daraus resultierenden Zerteilung. Einige dieser Verben können
abstrakt verwendet werden. Sie treten dabei meist untrennbar auf, z.B.:
(93) Er hat alle Regeln des Anstandes durchbrochen.
3.3.2.2. Etwas ungültig machen
Zu dieser Gruppe gehören ein paar Präfixverben mit durch- wie
z.B. durckreuzen, -streichen, -tun, die auch meist zwei Varianten haben:
(94) Er strich die falsche Zahl durch / durchstrich die falsche Zahl.
(95) Der Lehrer hat ihm die Lösung der Aufgabe
durchgekreuzt /durchkreuzt.
(96) Das schlechte Wetter hat seine Urlaubspläne durchkreuzt.
Auch hier ist die lokale Bedeutung der Präposition durch erkennbar. Es
wird ein Kreuz, ein Strich durch ein geschriebenes, gedrucktes Wort
gezogen, dass dieses nicht mehr gültig, leserlich wird. Wie aus dem
Beispiel (96) hervorgeht, kann diese Bedeutung auf abstrakte Momente
übertragen werden. Dabei wird das Verb meist untrennbar verwendet.
189
Vgl. Itälä (1987: 135).
113
3.3.2.3 Etwas (Schuh, Matratze, Kleidung usw.) abnutzen,
verschleißen
Die Präfixverben werden hier nur trennbar verwendet. Sie
bedeuten, dass etwas (das Objekt) durch die im Simplexverb
ausgedrückte Handlung abgenutzt wird, die sich mehrmals wiederholt
und intensiv vorgeht. Es entstehen häufig dabei viele Wunden:
durchgehen, -laufen, -liegen, -reiten, -scheuern, -sitzen, -tanzen,
-treten, wetzen:
(97) Er hat seine Hosen an den Knien durchgescheuert.
(98) Der Ärmel ist am Ellbogen durchgewetzt.
(99) Er hat seine Schuhe durchgelaufen.
(100) Der Patient hat sich durchgelegen.
Die Präfixverben sind hier meist aus intransitiven Verben abgeleitet und
erfahren einige syntaktische Änderungen. Aus den intransitiven werden
entweder transitive oder reflexive Präfixverben. Semantisch gesehen
könnte man im Beispiel (97) sagen, dass die Knie sich beim Knien
allmählich durch die Hosen gescheuert hätte. Ähnliches könnte auch für
Beispiel (98) gelten. Jemand könnte den Ärmel viel hin und her an etwas
(Schulbank usw.) reibend bewegen, dass der Ärmel am Ende am
Ellbogen vollständig gewetzt wird. Das Ergebnis steht im Vordergrund.
3.3.2.4 Mit etwas (einem spitzen Gegenstand: Bohrer, Spieß,
Schnabel usw.) eine Öffnung durch etwas herstellen,
etwas durchlöchern
Zu dieser Untergruppe gehört eine Anzahl von Verben, die von
transitiven Simplexen abgeleitet sind. Diese weisen auf ein Instrument
hin, das durch etwas (das Objekt) bohrend dringt, dass dieses ein oder
mehrere Löcher bekommt. Die Präfixverben, die das gleiche Objekt zu
sich nehmen, wirken resultativ, indem sie auf das Ergebnis dieser Art
vom Durchdringen hindeuten. Sie haben meist zwei Formen:
114
durchbohren, -klopfen, -kratzen, -lochen, -nageln, -picken,
-pfeilen, -raspeln, -schaben, -schießen, -schleifen, -spießen,
-stechen, -stemmen u.a.
(101) Er hat das Brett durchgebohrt / durchbohrt.
(102) Er hat das Papier an zwei Stellen durchgelocht / durchlocht.
(103) Er hat das Leder durchgestochen / durchstochen.
Besonders bei den Verben dieser Gruppe ist Beziehung des Präfixes zu
der Präposition durch ganz klar. Man kann sagen:
(103a) Er hat durch das Leder gestochen.
Bisher ist noch unklar geblieben, warum zwei Varianten bei diesen
Präfixverben nebeneinander stehen. Bei näherer Betrachtung dieser
Verben kann man erkennen, dass das Präfix durch- in dieser Verwendung
erst in Beziehung zu der begrenzten lokalen Lesart der Präposition durch
gesetzt werden sollte. In Anlehnung an diese Lesart könnte man die
Bedeutung der Verben durchbohren, so verstehen: ein Bohrer würde
durch etwas hindurch, das ein Brett sein könnte, von einer Seite zur
anderen gewaltsam geführt, dass ein Loch, Löcher entsteht bzw.
entstehen. Nach dieser Auffassung sollten diese Verben trennbar
auftreten. Hier ist aber auch eine untrennbare Verwendung zugelassen.
Gibt es Unterschiede zwischen den beiden Formen? Trotz der vielen
Versuche wird diese Frage, wie oben schon erwähnt, widersprüchlich
beantwortet. Ansichten der Grammatiker gehen meist erheblich
auseinander. Man kann jedoch drei Auffasungen unterscheiden:
1) Nur wenige Grammatiker gehen davon aus, dass beide Varianten ohne
semantischen Unterschied gebraucht werden, dass es sich also nur um
Schwankungen der Formenbildung handelt.
2) Andere sprechen vom “mediolektalen” Unterschied und meinen damit,
dass trennbare Varianten als typisch für die gesprochene Sprache,
untrennbare Varianten hingegen als typisch für die geschriebene Sprache
zu betrachten sind. Es wird hier außerdem stilistische Färbung ins
Blickfeld gerückt. Dabei schwankt das Vorkommen der trennbaren und
untrennbaren Varianten der durch- Verben in Abhängigkeit von der
Textart (vgl. Oben Untergruppe 3.1.3). In seiner Untersuchung der
durch-Verben stellt Eroms bei den untrennbaren Varianten
115
funktionalstilistische Markierung fest. Nur bei ganz wenigen Verben sind
diese neutral, d.h. in neutraler Verwendungsweise nicht mehr produktiv.
Dafür zeugen seiner Meinung nach die partizipialen Formen, die als
Adjektive gebraucht werden, besonders im fachsprachlichen Bereich.
Demgegenüber hält er die trennbaren Varianten für aktuell, produktiv
“ohne schichtenspezifische Markierung.”190
Sie sind normalsprachlich.
Benware teilt mit ihm diese Meinung. Als Beispiel führt er das Verb
durchhauen an, dessen untrennbare Variante wie z.ß. in Sie durchhieben
den Wald als ein rein technischer Terminus in der Sprache der
Forstwirtschaft zu verwenden ist191 (vgl. die trennbare Verwendung
dieses Verbs oben auf S. 107; 111).
3) Die meisten Grammatiker versuchen eine Deutung mit Hilfe der
Aktionsart. Sie können sich aber noch nicht in dieser Hinsicht einigen.
Man kann jedoch folgende drei Ansichten unterscheiden:
a) Die erste Ansicht vertreten vor allem Erben, Kühnhold, Schmidt,
Benware und Šimečkova. Nach ihnen sind beide Varianten - wie wir
oben schon erwähnten - perfektiv, aber sie unterscheiden sich im
Charakter der Perfektivität. Untrennbare Varianten wie z.B. im Satz
Er durchbohrt das Brett richten den Blick auf das Ergebnis, den Punkt
der Bewältigung des Objektes (Brett), während trennbare Varianten wie
in Er bohrt das Brett durch mehr Wert auf Ablauf und Vollendung der
Handlung legen. Die ersten sind demgemäß als punktuell, resultativ, die
zweiten aber als phasenhaft, konklusiv aufzufassen.
Šimečkova geht in diesem Zusammenhang einen Schritt weiter,
indem sie bei den Verben mit zwei Formen einen
unterschiedlichen Grad der Affiziertheit des Objektes feststellt.192
Sie führt aus: ”Während wir bei trennbaren Varianten neben affizierten
Objekten konkreter Art (Er hat das Brett durchgebohrt) auch effizierte
Objekte (Er hat ein Loch durchgebohrt) finden, werden die
untrennbaren viel seltener von effizierten Objekten begleitet (* Er hat
ein Loch durchbohrt). Objekte mit starkem Affiziertheitsgrad treten nur
bei den untrennbaren der biparadigmatischen T/U-Verben auf. Die
meisten produktiven Untergruppen der untrennbaren Verben lassen
sich auf den gemeinsamen Nenner der starken Objektaffiziertheit
190
Vgl. Eroms (1982: 42). 191
Vgl. Benware (1992: 172f.) 192
Vgl. auch dazu Ziffonun (1997: 2089).
116
bringen. Der erreichte Zustand ist wichtiger als der Geschehensverlauf.
Die Affiziertheit der akkusativischen Ergänzung als Objekt durch das
Verbalgeschehen stellt das für die interne Funktionalisierung des
Unterschieds zwischen festen und unfesten Bildungen entscheidendste
Merkmal dar.”193
b) Bei der Analyse der durch-Verben mit zwei Formen geht Hock anders
vor. So sieht er in den untrennbaren Varianten wie z.B. in Er
durchblättert das Buch den Ausdruck der “Idee der Dauer“, in den
trennbaren Varianten wie in Er blättert das Buch durch den Ausdruck
der “Idee der Vollendung”. Es geht bei Hock also um die Opposition
durativ : perfektiv.194
Hock steht aber nicht allein mit dieser Auffassung.
Fleischer/Barz schreiben auch den untrennbaren Verben durative
Merkmale zu, gehen aber im Gegensatz zu Hock und in
Übereinstimmung mit Erben, Kühnhold und Benware (siehe oben) davon
aus, dass bei diesen Verben der Abschluss der Handlung stärker als bei
den trennbaren Verben ins Blickfeld gerückt wird.195
c) Die dritte Ansicht vertritt vor allem Grimm. Nach ihm stellen
trennbare Varianten das Resultat, den Erfolg der Handlung,
untrennbare Varianten hingegen die Art der Handlung, d.h. die
Merkmale des Grundverbs in den Vordergrund. So akzentuiert
das untrennbare Verb in dem Satz Er hat das Brett durchbohrt,
dass das Brett hier durchbohrt, und nicht z.B. durchstochen oder
durchschlagen worden ist. Der Satz Er hat das Brett
durchgebohrt bedeutet aber nach Grimms Auffasssung, dass das
Loch schon fertig gebohrt ist. Eroms spricht auch davon, dass das
terminativ-resultative Merkmal besonders bei den trennbaren
Verben zu finden ist: “Aus der Bedeutung der Präposition durch wird
eine Merkmalkombination abgerufen, die wesentliche Bestandteile
dieser als Primärmerkmale anzusehenden Komponenten bewahrt, vor
allem das Merkmal [sakante]. Doch ist daraus noch auch sonst in der
Partikelkomposition begegnenden Gesetzlichkeiten ein aktionsartlich zu
193
Šimečkova (2002: 49). 194
Vgl. Hock, Gerhard (1961): Einige Erläuterungen zu den Vorsilben, die sowohl
trennbar als auch untrennbar sein können (durch-, über-, um-, unter-, voll-, wider-,
wieder-). In: Zeitschrift für Unterrichtsmethodik und Sprachwissenschaft 112/1961, S.
25f. 195
Vgl. Fleischer/Barz (1992: 344f.).
117
verstehendes ‘Sekundärmerkmal’ entstanden, das als terminativ-
resultativ zu fassen ist. Die Besonderheit der Partikelverben mit durch-
ist darin zu erblicken, dass dieses terminative Sekundärmerkmal in dem
aktuellen und produktiven Bildemuster des Typs d` v (d.h. in dem
trennbaren Muster) dominiert.”196
Diese verschiedenen Überlegungen zur Differenzierung der sowohl
trennbar als auch untrennbar vorkommenden durch-Verben können wie
folgt zusammengefasst werden:
trennbare Variante untrennbare Variante
Eroms terminativ-resultativ/normalsprachlich fachsprachlich
Erben konklusiv terminativ-resultativ
Kühnhold konklusiv terminativ-resultativ
Benware konklusiv terminativ-resultativ / fachsprachlich
Hock terminativ-resultativ durativ
Grimm terminativ-resultativ Art der Handlung
Bei Kjellmann fällt aber auf, dass die Unterscheidung zwischen den
trennbaren und untrennbaren Varianten der durch-Verben verschwommen
aussieht. Kjellmann spricht z.B. davon, dass in Sätzen wie Er durchbohrt
seinen Gegner / Das scharfe Messer hat die Schädeldecke durchbohrt das
Hauptgewicht nicht selten von der Verbalhandlung selbst auf deren
Ergebnis, die von dem Vorgang verursachte Veränderung am Objekt
verschoben wird. Der Zustand des Objektes tritt demgemäß in den
Vordergrund, führt einen gewissen Rüchgang in der Verwendung der
aktiven Formen mit sich.197
Mit dieser Auffasung schließt er sich also der
Ansicht von Erben, Kühnhold an. An einer anderen Stelle hat er aber
erwähnt, dass der Vorgang bei den untrennbaren Varianten im
Vordergrund steht. Es wird in dem oben angeführten Beispielsatz betont,
dass das Objekt durchbohrt, und nicht
196
Eroms (1982: 42). 197
Vgl. Kjellmann (1945: 115f.).
118
z.B. durchlöchert oder durchfressen, was genau bedeutet, dass Kjellmann
auch die Ansicht von Grimm annimmt.
3.3.2. Eine Tätigkeit ohne Halt, ohne Unterbrechung
durchführen (duratives durch)3.3
Einige der hierhergehörenden Verben werden trennbar verwendet.
Das ist häufig der Fall bei den Bewegungsverben durchfahren, -fliegen,
-gehen, -jagen, -wandern (siehe oben S. 86). Andere werden untrennbar
verwendet. Die meisten Verben haben aber zwei Formen, treten also
sowohl trennbar als auch untrennbar auf, z.B.:
trennbare Präfixverben: durcharbeiten, - beraten, -besprechen,
-drucken, fahren, fechten, -fliegen, -gehen, -laufen, -kommen,
-marschieren, -rollen, -schwimmen, -wandern;
untrennbare Präfixverben: durchdauern, -jammern, -nachten;
sowohl trennbar als auch untrennnbar vorkommende
Präfixverben: durchbummeln, -feiern, -grübeln, -harren, -
kämpfen, -plaudern, -saufen, -schlafen, -schlummern, -
schwärmen, -tanzen, -wachen, -zechen:
(105) Am Mittag machen wir keine Pause, wir arbeiten durch.
(106) Vielleicht war der Flughafen von Tampico zu klein für unsere
Superconstellation, oder sie hatten Weisung bekommen, trotz
der Motorpanne nach Mexico-City durchzufliegen.
(107) Die Feigenbäume haben im Freien den Winter nicht durchdauert.
(108) Die lustigen Burschen durchjauchzten die Nacht.
(109) Die ganze Nacht habe ich mit ihm in recht verschiedenartiger
Gesellschaft durchgebummelt / durchbummelt.
(110) Er hat die ganze Nacht durchgefeiert / durchfeiert.
119
Vergleicht man diese Beispielsätze mit den konkurrierenden
Konstruktionen, bei denen sich Simplexverben mit der Präposition durch
oder mit nachgestelltem Adverb durch bzw. hindurch verbinden
(siehe oben S. 65f.):
(105a) Wir arbeiten den Mittag ( hindurch).
(108a) Die lustigen Burschen jauchzten die Nacht ( hindurch).
(110a) Er hat die ganze Nacht (hindurch) gefeiert.
so kann man feststellen, dass hier der temporale Gebrauch der durch-
Verben auf die temporale Verwendung der Präposition durch leicht
zurückführbar ist, die sich – wie oben schon erwähnt – auf der
Grundlage der lokalen Bedeutung dieser Präposition interpretieren lässt.
Die Zeit einer Tätigkeit ist als eine zusammenhängende Folge von
Zeitpunkten, folglich als Zeitraum vorstellbar, der wie bei einem
konkreten Raum entweder einmalig in direkter Richtung (trennbare
Verbform) oder im ganzen Ausmaß bis zur völligen Ausfüllung mit der
Tätigkeit (untrennbare Verbform) durchschritten wird.198
So kann man
das letzte Beispiel wie folgt interpretieren:
Bei der trennbaren Verbform wird das ununterbrochene Feiern über eine
abgegrenzte Zeitstrecke betont. Der Zeitraum (die ganze Nacht) steht
dabei fakultativ. Er kann weggelassen werden. In der untrennnbaren
Verbform wird dagegen der Zeitraum, in dem die Handlung
ununterbrochen abläuft, besonders hervorgehoben, wird daher in diesem
Fall obligatorisch erwähnt. Viele intransitive Simplexverben werden
dadurch transitiviert. Der Zeitraum muss von der Handlung ganz
ausgefüllt werden. Wichtig zu bemerken ist, dass beim attributiven
Gebrauch die Partizipien nur von untrennbaren Verbformen gebildet
werden (vgl. eine durcharbeitete, durchbummelte, durchfeierte,
durchjauchzte Nacht).
198
Vgl. Šimečkova (2002: 48), Kühnhold (1973: 261ff.), Eichinger (1989: 385ff.),
Kjellmann (1945: 144), Wunderlich (1983: 461), Rich (2003: 21).
120
Gesamtverzeichnis der durch-Verben, eingeordnet nach
den Bedeutungsgruppen des Präfixes
(durch-)1.1: Bewegung durch einen Raum (einen Ort, ein Gebiet)
hindurch
(durch-)1.1 (durch-)1.1
durchbewegen
durchbrausen
durchbrechen
durchbringen
durchbrummen
durchdampfen
durchdürfen
durcheilen
durchfahren
durchflanieren
durchflattern
durchfliegen
durchfliehen
durchflitschen
durchflitzen
durchflüchten
durchfluten
durchflutschen
durchführen
durchgaloppieren
durchgehen
durchgeleiten
durchhasten
durchhetzen
durchhopsen
durchhumpeln
durchhüpfen
durchhuschen
durchjagen
durchklettern
durchkommen
durchkönnen
durchrücken
durchrudern
durchsausen
durchschaffen
durchschaufeln
durchschiffen schgmuggeln
durchschleichen
durchschleifen
durchschlendern
durchschleusen
durchschliefen
durchschlittern schleusen
durchschlüpfen
durchschlurfen
durchschmuggeln
durchschreiten
durchschwemmen
durchschwimmen
durchschwingen
durchsegeln
durchspazieren
durchspringen
durchsprinten
durchspurten
durchstarten
durchsteigen
durchsteuern
durchstolpern
durchstolzieren
durchstoßen
durchstreifen
durchstürmen
121
durchkrabbeln
durchkrachen
durchlassen
durchlatschen
durchlaufen
durchleiten
durchlotsen
durchmanövieren
durchmarschieren
durchmüssen
durchpaddeln
durchpilgern
durchplätschern
durchpurzeln
durchradeln
durchrasen
durchrauschen
durchreisen
durchreiten
durchrennen
durchrinnen
durchrieseln
durchrollen
durchsummen
durchtänzeln
durchtappen
durchtasten
durchtauchen
durchtaumeln
durchtorkeln
durchtraben
durchtragen
durchtreiben
durchwackeln
durchwandern
durchwanken
durchwaten
durchwatscheln
durchwedeln
durchwehen
durchwieseln
durchwinken
durchwollen
durchziehen
durchzischen
durchzotteln
durchzuckeln
122
(durch-)1..2 : durch eine Öffnung, einen Durchgang hindurch
(durch-)1.2 (durch-)1.2
durchblasen
durchblicken
durchdampfen
durchdrücken
durchdünsten
durchfädeln
durchfallen
durchfiltern
durchflechten
durchfliegen
durchfließen
durchfluten
durchfüllen
durchgießen
durchgleiten
durchgraben
durchgreifen
durchgucken
durchhaben
durchkriechen
durchlangen
durchlaufen
durchlegen
durchpassieren
durchpfeilen
durchpressen
durchpurzeln
durchpusten
durchqualmen
durchquellen
durchquetschen
durchrauchen
durchreichen
durchriechen
durchrieseln
durchrutschen
durchschauen
durchschieben
durchschießen
durchschlagen
durchschlingen
durchschmeißen
durchschütten
durchschwingen
durchsehen
durchseihen
durchsieben
durchstauben
durchstäuben
durchstecken
durchsteppen
durchsticken
durchstopfen
durchstrecken
durchstreichen
durchstreifen
durchströmen
durchstürzen
durchtropfen
durchwachsen
durchwälzen
durchweben
durchwerfen
durchwirken
durchwurzeln
123
(durch-)1.3 : durch eine Trennwand, eine Decke, eine Hülle hindurch
(durch-)1.3 (durch-)1.3
durchblinken
durchblitzen
durchbluten
durchdringen
durchdrucken
durchfärben
durchfetten
durchflimmern
durchfühlen
durchfunkeln
durchglänzen
durchglitzern
durchhageln
durchhören
durchklingen
durchkommen
durchlaufen
durchlecken
durchleuchten
durchpausen
durchregnen
durchschallen
durchscheinen
durchschimmern
durchschlagen
durchschneien
durchschreiben
durchschreien
durchsickern
durchspritzen
durchstrahlen
durchtauen
durchtönen
durchtreten
durchzeichnen
124
(durch-)1.4: Bewegung durch etwas hindurch mit Überwindung eines
Hindernisses, eines Widerstandes:
(durch-)1.4.1: sich gewaltsam bzw. mit Mühe durch etwas einen Weg
bahnen
(durch-)1.4.1 (durch-) 1.4.1
sich durcharbeiten
sich durchbohren
sich durchbeißen
sich durchboxen
sich durchdrängeln/
drängen
sich durchfechten
sich durchfinden
sich durchfragen
sich durchfressen
sich durchgraben
sich durchhauen
sich durchkämpfen
sich durchklemmen
sich durchkratzen
sich durchquetschen
sich durchscharren
sich durchschlagen
sich durchspielen
sich durchstreiten
sich durchtanken
sich durchtasten
sich durchwagen
sich durchwinden
sich durchwühlen
sich durchwürgen
sich durchzwängen
sich durchzwingen
(durch-) 1.4.2: sich auf bestimmte Weise durchhelfen, mit einer von einer
Norm abweichenden häufig negativen Verhaltensweise
durchkommen
(durch-) 1.4.2
(durch-) 1.4.2
sich durchbeißen
sich durchbetteln
sich durchessen
sich durchfressen
sich durchfuttern
sich durchhelfen
sich durchringen
sich durchsaufen
sich durchschlängeln
sich durchschlauchen
sich durchschleppen sich durchschmarotzen
125
sich durchheucheln
sich durchhungern
sich durchlügen
sich durchmogeln
sich durchquälen
sich durchraten
sich durchschmeißen
sich durchschummeln
sich durchschwätzen
sich durchschwindeln
sich durchwurschteln/-
wursteln
(durch-)1.4.4: etwas (ein Gesetz, Plan, Meinung) trotz Widerstandes
zur Geltung kommt, gebracht wird
(durch-)1.4.4
(durch-)1.4.4
durchbekommen
durchboxen
durchbrechen
durchbringen
durchdringen
durchdrücken
durchfechten
durchführen
durchgehen
durchkämpfen
durchkommen
durchkriegen
durchpauken
durchpeitschen
durchrutschen
durchsetzen
126
(durch-) 2.1: Bewegung durch einen Raum (einen Ort oder ein Gebiet) in
seiner ganzen räumlichen Ausdehnung:
(durch-) 2.1
(durch-) 2.1
durchbetteln
durchbewegen
durchblasen
durchblicken
durchbrausen
durchbrechen
durchdampfen
durchdringen
durcheilen
durchfahren
durchfallen
durchfegen
durchflattern
durchfliegen
durchfließen
durchflitzen
durchfluten
durchfurchen
durchgehen
durchgleiten
durchgraben
durchhasten
durchhauen
durchherrschen
durchhetzen
durchhopsen
durchhumpeln
durchhüpfen
durchirren
durchjagen
durchkeuchen
durchklettern
durchkreuzen
durchkriechen
durchlatschen
durchrudern
durchrutschen
durchsäuseln
durchsausen
durchschauen
durchschiffen
durchschleichen
durchschlendern
durchschlingen
durchschlittern
durchschlurfen
durchschneiden
durchschreiten
durchschweben
durchschweifen
durchschwimmen
durchschwirren
durchsegeln
durchsehen
durchspringen
durchsprinten
durchspurten
durchsteigen
durchstolpern
durchstoßen
durchstreichen
durchstreifen
durchschreiten
durchsteuern
durchströmen
durchstürmen
durchstürzen
durchtänzeln
durchtappen
durchtasten
127
durchlaufen
durchmessen
durchörtern
durchpaddeln
durchpflügen
durchpilgern
durchplätschern
durchpulsen
durchquellen
durchqueren
durchradeln
durchranken
durchrasen
durchrauschen
durchreisen
durchreiten
durchrennen
durchrieseln
durchrinnen
durchrollen
durchtauchen
durchtaumeln
durchtoben
durchtorkeln
durchtraben
durchwallen
durchwälzen
durchwandeln
durchwandern
durchwanken
durchwaten
durchwatscheln
durchwedeln
durchwehen
durchwimmeln
durchwirbeln
durchziehen
durchzischen
durchzotteln
durchzuckeln
(durch-)2.2: etwas erfüllt einen Raum mit Licht, Schall, Geruch usw.
(durch-)2.2
mit Licht erfüllen
(durch-)2.2
mit Schall erfüllen
durchblitzen
durchblinken
durchdämmern
durchflimmern
durchfunkeln
durchglänzen
durchglitzern
durchhellen
durchleuchten
durchlichten
durchlodern
durchbrüllen
durchdonnern
durchdröhnen
durchflöten
durchgellen
durchhallen
durchhauchen
durchheulen
durchkläffen
durchklingen
durchlachen
128
durchscheinen
durchschimmern
durchstrahlen
durchzucken
durchlärmen
durchpfeifen
durchrauschen
durchschallen
durchschwirren
durchsummen
durchtönen
durchwehen
durchzischen
(durch-)2.2
mit Geruch erfüllen
(durch-)2.2
mit Flüssigkeit
durchdampfen
durchduften
durchdünsten
durchlüften
durchqualmen
durchrauchen
durchräuchern
durchstinken
durchstäuben
durchbluten
durchgiften
durchnetzen
durchsickern
durchspritzen
durchtriefen
(durch-)2.3: etwas (ein Gedanke, Gefühl usw.) erfüllt, durchdringt
jmdn.
(durch-)2.3 (durch-)2.3
129
durchbeben
durchblitzen
durchbrausen
durchdringen
durchfahren
durchfiebern
durchflammen
durchfluten
durchfrösteln
durchgehen
durchgeistigen
durchglühen
durchjagen
durchkriechen
durchlaufen
durchlodern
durchpulsen
durchregen
durchrieseln
durchsausen
durchschaudern
durchschauen
durchschauern
durchschießen
durchschüttern
durchtoben
durchtosen
durchwallen
durchwalten
durchwehen
durchwogen
durchwurzeln
durchwüten
durchziehen
durchzittern
durchzucken
(durch-)3.1: eine Tätigkeit vollständig durchführen (resultativ /
perfektiv):
Verb durch 3.1 (trennbar) durch 3.1 (untrennbar)
durchackern & &
durchanalysieren &
durcharbeiten & &
durchartikulieren &
durchatmen & &
durchbacken &
durchberaten &
durchbesprechen &
durchbeten &
durchbeuteln &
durchbiegen &
durchbilden &
130
durchblasen &
durchblättern & &
durchbläuen &
durchbraten &
durchbrennen & &
durchbuchstabieren &
durchbumsen &
durchbürsten &
durchchecken &
durchdeklinieren &
durchdenken & &
durchdiskutieren &
durchdrehen &
durchdudeln &
durchempfinden &
durchessen &
durchexerzieren &
durchfärben &
durchfaulen &
durchfegen &
durchfeuchten & &
durchfeuern & &
durchficken &
durchflicken &
durchflöhen & &
durchformen & &
durchformulieren &
durchforschen & &
durchforsten & &
durchfrieren & &
durchfrosten & &
durchfrösteln &
durchfühlen &
durchgaren &
durchgären &
durchgebrauchen &
durchgehen &
durchgeigen &
durchgerben &
durchgestalten &
131
durchglätten &
durchglauben &
durchgliedern & &
durchglimmen & &
durchglühen &
durchgrasen & &
durchgrübeln & &
durchgrünen & &
durchhärten & &
durchhauen &
durchhecheln &
durchheilen &
durchheizen &
durchhitzen & &
durchhöhlen &
durchholen &
durchhören &
durchimpfen &
durchjäten &
durchkälten &
durchkämmen & &
durchkauen &
durchkitzeln &
durchklären & &
durchklauben & &
durchklopfen &
durchknallen &
durchkneten &
durchknöpfen &
durchkochen &
durchkomponieren &
durchkonstruieren &
durchkontrollieren &
durchkoppeln &
durchkorrigien &
durchkosten & &
durchkrachen &
durchkramen & &
durchkühlen & &
durchladen &
132
durchlängen &
durchlaufen &
durchläutern &
durchlernen & &
durchlesen & &
durchloben &
durchlüften & &
durchmachen &
durchmahlen &
durchmalen &
durchmengen & &
durchmessen &
durchmischen & &
durchmustern & &
durchnähen & &
durchnässen & &
durchnehmen &
durchnumerieren &
durchölen & &
durchorganisieren &
durchparieren &
durchpauken &
durchpeitschen &
durchperlen & &
durchpfählen &
durchpfeffern & &
durchpflügen & &
durchplanen & &
durchproben &
durchprobieren &
durchprüfen &
durchprügeln &
durchpudern & &
durchputzen &
durchrationalisieren &
durchräuchern & &
durchrechnen &
durchreifen &
durchreihen & &
durchrösten &
133
durchrühren &
durchrütteln &
durchsäen &
durchsaften &
durchsalzen & &
durchsäuern &
durchschalten &
durchschaukeln &
durchschecken &
durchschleimen &
durchschmecken &
durchschmelzen & &
durchschmieren &
durchschmökern & &
durchschnaufen &
durchschnüffeln & &
durchschütteln &
durchschwätzen &
durchschwellen &
durchschwitzen & &
durchseuchen &
durchsichten & &
durchsingen &
durchsonnen &
durchspähen &
durchspicken & &
durchsprechen &
durchsprengen & &
durchspülen &
durchspüren & &
durchstarren & &
durchsteppen & &
durchsticken & &
durchstimmen &
durchstöbern & &
durchstriegeln &
durchstrukturieren &
durchstudieren &
durchstylen &
durchsuchen & &
134
durchsüßen &
durchtesten &
durchtexten &
durchtrainieren &
durchtränken & &
durchtrocknen &
durchturnen &
durchüben &
durchversuchen &
durchwalken &
durchwamsen &
durchwärmen & &
durchwaschen &
durchwässern & &
durchwechseln &
durchweichen & &
durchwichsen &
durchwiegen &
durchwirken &
durchwischen &
durchwölben &
durchwühlen & &
durchwürzen & &
durchzählen &
durchzüchten &
durchzuckern & &
(durch-)3.2: etwas trennen, beschädigen als Folge eines Durchdringen
Verb durch 3.2 (trennbar) durch 3.2 (untrennbar)
durchbeißen & &
durchbekommen &
durchbohren & &
135
durchbrechen & &
durchbrennen & &
durchfeilen & &
durchfressen & &
durchglühen &
durchhaben &
durchhacken & &
durchhämmern & &
durchhauen & &
durchhocken &
durchhöhlen &
durchixen &
durchklopfen &
durchknabbern &
durchkratzen & &
durchkreuzen & &
durchkriegen &
durchlaufen &
durchliegen &
durchlochen &
durchlöchern &
durchmeißeln & &
durchnageln & &
durchnagen & &
durchpfeilen & &
durchpicken &
durchraspeln &
durchraufen &
durchreiben &
durchreißen &
durchreiten &
durchritzen & &
durchrosten &
durchsäbeln &
durchsägen & &
durchschaben &
durchscheuern &
durchschießen & &
durchschlagen & &
durchschleifen &
136
durchschlitzen & &
durchschmeißen &
durchschmettern &
durchschmoren &
durchschneiden & &
durchschroten &
durchschweißen &
durchsengen & &
durchsieben &
durchsitzen &
durchspalten & &
durchspießen & &
durchstampfen & &
durchstechen & &
durchstemmen &
durchstochern & &
durchstreichen & &
durchtanzen &
durchteilen & &
durchtrennen & &
durchtreten &
durchtun &
durchwetzen &
(durch-)3.3: eine Tätigkeit ohne Halt, ohne Unterbrechung durchführen
Verb durch 3.3 (trennbar) durch 3.3 (untrennbar)
durcharbeiten &
durchberaten &
durchbesprechen &
durchbeten & &
durchblasen &
durchblühen & &
durchbrummen & &
durchbummeln & &
durchdauern &
durchdenken & &
durchdrucken &
137
durchdudeln &
durcheilen &
durchfahren &
durchfasten &
durchfeiern & &
durchfiebern & &
durchfliegen &
durchflüstern &
durchgähnen & &
durchgehen &
durchgrübeln & &
durchhalten &
durchharren & &
durchheizen &
durchjammern &
durchjagen &
durchjubeln & &
durchkämpfen & &
durchkläffen &
durchkommen &
durchküssen & &
durchlachen & &
durchlärmen &
durchlaufen &
durchleben & &
durchleiden & &
durchlieben & &
durchmachen &
durchmarschieren &
durchnachten &
durchpennen &
durchplaudern & &
durchquälen & &
durchrollen &
durchruhen &
durchsaufen & &
durchschlafen & &
durchschlemmen & &
durchschlummern & &
durchschwärmen & &
138
durchseufzen &
durchsingen &
durchspielen &
durchsterben & &
durchstreiten & &
durchsumpfen &
durchtändeln &
durchtanzen & &
durchtrauern &
durchträumen &
durchtrinken & &
durchschwätzen &
durchwachen & &
durchwandern &
durchweinen & &
durchwinken &
durchwintern &
durchzechen & &
durchziehen &
139
4.1 Zusammenfassung und Ergebnisse der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit wurde Polyfunktionalität des
Elementes durch in der deutschen Gegenwartssprache behandelt.
Von den unterschiedlichen Erscheinungsformen dieses Sprachelementes
haben wir uns mit zwei Formen beschäftigt, nämlich
Präpositionalfügungen und Präfixbildungen mit durch. Ziel der
Untersuchung war dabei, die zwischen diesen Formen bestehenden
Verhältnisse herauszustellen. Wann kann die eine Form die andere
ablösen? In wie weit sind die beiden Formen in semantischer Hinsicht
gleich? In welcher Richtung modifiziert das Präfix die Simplizia?
Was bestimmt Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit des Präfixes?
Das waren die wichtigsten Fragen, die wir zu beantworten versuchten.
Zuerst wurden Funktionen der Präposition durch behandelt und dadurch
konnte Folgendes festgestellt werden:
1) Die Präposition durch gehört zu den Präpositionen alter Schicht,
deren morphologische, syntaktische und semantische Merkmale sich fast
völlig von denen der jüngeren Präpositionen unterscheiden. Als alte
Präposition regiert durch immer den Akkusativ, kommt in
Präpositionalphrasen als Adverbial, das eine Ergänzung oder eine freie
Angabe sein kann, als Objekt und Attribut, nicht aber als Prädikativum
vor.
2) Auf semantischer Ebene erweist sich durch als mehrdeutig. Es verfügt
über eine Anzahl von Bedeutungen, von denen die lokale primär ist. Ihre
modale/mediale, kausale sowie auch ihre Bedeutung in Passivsätzen sind
als sekundär zu betrachten. Diese Bedeutungen entfalten sich bloß in
Präpositionalphrasen mit adverbieller Funktion.
3) Als lokale Präposition ist durch den Wegpräpositionen zuzuordnen,
die eine Passagerelation ausdrücken und mehr Gewicht auf Kontinuität
des Weges legen. Im Unterschied zu den Path-Präpositionen um, über,
die daneben auch als statische Präpositionen oder Zielpräpositionen
gebraucht werden können, beschränkt sich die Präposition durch auf die
Verwendung als Wegpräposition, was Präpositionalphrasen mit durch
nur in Verbindung mit den Bewegungsverben, niemals mit den
Positionsverben auftreten lässt. Durch beschreibt allgemein eine
Bewegung in Bezug auf den inneren Bereich des Referenzobjekts, also
auf einen Raum. Die Bewegung vollzieht sich in einem Raum und führt
140
auf der einen Seite in den Raum hinein und auf der anderen Seite wieder
aus ihm heraus. Inklusion und völlige Durchquerung des
Referenzobjektes (d.h. das Lokalisierungsobjekt soll in Beziehung zu
den beiden Grenzen des Referenzobjektes gesetzt werden) erweisen sich
als voraugesetzt für den Gebrauch von durch. Es herrscht hier aber nicht
immer eine semantische Eindeutigkeit. Durch kann einer anderen
räumlichen Interpretation unterzogen werden, die sich deutlich von der
typischen Interpretation in vieler Hinsicht unterscheidet – wie wir im
Folgenden kurz zeigen:
Die räumliche Haupt-
interpretation
Die andere räumliche
Interpretation
Es geht um Durchqueren.
Die Bewegung führt auf der
einen Seite in einen Raum
hinein und auf der anderen
Seite aus ihm heraus. Sie ist
zielgerichtet.
Es geht um Umhergehen. Die
Bewegung wiederholt sich in
einem Raum in verschiedener
Richtung. Sie ist nicht
zielgerichtet.
Die Bewegung beginnt und
endet außerhalb des Raumes.
Sie ist zeitlich begrenzt,
vollendet. Ein Ereignis wird
dadurch betont.
Die Bewegung beginnt im
Raum. Sie ist zeitlich
unbegrenzt, unvollendet. Ein
Zustand wird dadurch betont.
4) Merkmale der lokalen Bedeutung finden ihren Niederschlag in den
sekundären Bedeutungen von durch. Im temporalen Gebrauch z.B. kann
durch entweder auf Kontinuität des Geschehens in einem Zeitraum von
Anfang bis zum Ende hindeuten oder auf Überschreiten eines
Zeitpunktes.
5) Im medialen Gebrauch deutet durch auf ein Intermedium und eine mit
seiner Hilfe geschehende Vermittlung hin, die meist zur Vollendung der
Handlung führt. Durch hebt dabei das Ergebnis der Handlung hervor.
6) Auch in Passivsätzen weist man häufig der Präposition durch eine
resultative Bedeutung zu. Durch bezeichnet dabei Ursachen. Es kann
aber an Stelle von der Präposition mit oder von treten. Dabei wird nicht
das reine Instrument oder der eigentliche Täter akzentuiert, sondern das
Ergebnis der Handlung.
141
7) Resultativität tritt auch in den Fällen mit kausaler Bedeutung ein.
Durch bezeichnet dabei ein Realisierungsmittel, das einen Weg zum
gewünschten Ziel eröffnet.
Zur Deutung der sekundären Verwendungen der Präposition durch ist
also ihre lokale Bedeutung benötigt. Die resultative Bedeutung, die den
meisten dieser sekundären Verwendungen zugewiesen sind, ergibt sich
– wie Eroms feststellt (1982: 35) – aus den Merkmalen des lokalen
durch, nämlich [+ Dauer] und [+ Inklusion]. Bei den Präfixverben wird
diese resultative Bedeutung hervorgehoben. Sie spielt die Oberhand und
übertrifft andere Bedeutungen des Präfixes.
Auch die Präfixverben mit durch- beziehen sich semantisch auf die
lokale Bedeutung der Präposition. Der verwirrende, morphologische
Gebrauch der durch-Verben, den Hock (1961: 26) als “absolut uferlos”
bezeichnet, kann außerdem in vielen Fällen anhand der lokalen
Bedeutung geklärt werden. Durch detaillierte Behandlung der
verschiedenen Bedeutungsgruppen sind wir zu folgendem Schluss
gekommen: Bei den trennbaren Verben sind besonders Merkmale der
räumlich begrenzten Lesart der Präposition spürbar. Sie bezeichnen eine
Tätigkeit oder einen Vorgang. Die untrennbaren Präfixverben seien
hingegen auf die räumlich unbegrenzte Lesart zurückführbar. Bei ihnen
ist der erreichte Zustand wichtiger als der Handlungsablauf. Trennbare
durch-Verben wurden in acht Bedeutungsgruppen eingeteilt:
- Bewegung durch einen Raum hindurch: (durch-)1.1
- Bewegung durch eine Öffnung, einen Durchgang hindurch: (durch-)1.2
- Bewegung durch eine Trennwand, eine Decke, eine Hülle hindurch:
(durch-)1.3
- Bewegung durch etwas hindurch mit Überwindung eines
Hindernisses: (durch-)1.4
- sich einer Kontrolle entziehen: (durch-)1.5
- Bewegung durch etwas hindurch von oben nach unten: (durch-)1.6
- Misserfolg haben: (durch-)1.7
- eine Mitteilung über eine Distanz übertragen
Zu den untrennbaren Verben gehörten vier Bedeutungsgruppen:
- Bewegung durch einen Raum in seiner ganzen räumlichen
Ausdehnung: (durch-)2.1
142
- etwas erfüllt einen Raum mit Licht, Schall, Geruch und ähnlichem:
(durch-)2.2
- etwas (ein Gedanke, Gefühl) durchdringt jmdn.: (durch-)2.3
- etwas durch etwas durchweben als Zierde: (durch-)2.4
Diese semantische Einteilung für durch-Verben hat die Einteilung
verdrängt, bei der den trennbaren Verben häufig eine konkrete
Bedeutung und den untrennbaren eine abstrakte Bedeutung
zugeschrieben wird. Trennbare durch-Verben können auch abstrakt
verwendet werden, wie es der Fall bei den Verben ist, die Misserfolg
(1.7) oder Überwindung eines Hindernisses im abstrakten Sinne
(1.4.2, 1.4.3, 1.4.4, 1.4.5) bezeichnen:
Er ist bei der Fahrprüfung durchgefallen.
Er hat sich überall durchgebettelt.
Untrennbare Verben beschränken sich nicht nur auf abstrakte
Verwendung. Sie weisen auch kontrete Bedeutung auf wie in den
Bedeutungsgruppen (2.1) und (2.4).
Das morphologische Verhalten der Verben mit durch-, die sowohl
trennbar als auch untrennbar vorkommen, ist aber – im Gegensatz zu
oben genannten Verben - verwirrend. Diese Zwischenfälle sind - nach
Hocks Bezeichnung, die hier richtig zutreffend erscheint - “uferlos”.
Das Präfix verliert die lokale Bedeutung und dient zum Ausdruck der
Art und Weise (Aktionsart) der verbalen Handlung. Es drückt entweder
Resultativität oder Durativität der Handlung aus, also die beiden
Bedeutungen, die ursprünglich aus den Merkmalen der lokalen
Präposition resultieren, was genau bedeutet, dass das Verhältnis dieser
Präfixverben zu der lokalen Bedeutung hier nicht mehr so verdunkelt
erscheint, wie bisher angenommen. Die Problematik der durch-Verben
mit Doppelformen liegt nur in ihrem morphologischen Gebrauch. Die
Frage, ob zwischen den beiden Formen ein Unterschied besteht, wird
von den Linguisten widersprüchlich beantwortet. Einerseits wird
behauptet, dass beide Formen ohne semantischen Unterschied
gebraucht werden, dass es sich nur um Schwankungen der
Formenbildung handelt. Andererseits wird mit einem Unterschied
stilistischer und aktionsartlicher Art gerechnet. Die Untersuchung hat
gezeigt, dass all diese Auffassungen z.T. zutreffend sind. Bei Verben
wie durchmischen, -mengen, -wühlen, -suchen u.a. wurde ein
stilistischer Unterschied festgestellt; bei durchsägen, durchbohren
wurde hingegen ein aktionsartlicher Unterschied festgestellt.
143
Es lohnt sich, die Morpholgie dieser Verben in einzelnen
wissenschaflichen Arbeiten weiter zu untersuchen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei den Präfixverben gehen die die
lokale Präposition durch bestimmenden Merkmale in die
Gesamtbedeutung ein. In vielen Bedeutungsgruppen kommt es daher
meistens zur Ersetzung der Präfixverben durch Simplexverben mit
Präpositionalphrasen. Diese Konkurrenzformen lassen sich deutlich bei
Präfixverben in den Bedeutungsgruppen, 1.1, 1.2, 1.3, 1.4.1, 1.7, 2.1,
2.2, 2.4, 3.3 verfolgen:
Er ist (durch die Bahnhofshalle) durchgeeilt.
Er ist durch die Bahnhofshalle geeilt.
Sie fädelte den Zwirn durch.
Sie fädelte den Zwirn durch das Nadelöhr.
Sie trug einen Schleier, aber die Edelsteine in den Haaren
funkelten durch.
Die Edelsteine in den Haaren funkelten durch den Schleier.
Er ist im Abitur durchgeflogen, durchgerasselt.
Er ist durchs Abitur geflogen, gerasselt.
Er hat das ganze Land durchbettelt.
Er hat sich durch das ganze Land gebettelt.
In der Nacht durchheulte ein Hund den Hof.
In der Nacht heulte ein Hund durch den Hof.
Der Kranz ist mit Blumen durchflochten.
Die Blumen sind durch den Kranz geflochten.
Er hat die ganze Nacht durchgefeiert / durchfeiert.
Er hat die ganze Nacht (hin)durch gefeiert.
Bei den anderen Bedeutungsgruppen ist der Übergang zu einer
Konkurrenzform zwar selten, aber nicht völlig ausgeschlossen:
Plötzlich durchschoss ein Gedanke ihren Kopf. (2.3)
144
Plötzlich schoss ein Gedanke durch ihren Kopf.
Sie schnüffelten die Wohnung durch / durchschnüffelten
die Wohnung. (3.1)
Sie schnüffelten durch die Wohnung.
Er hat das Leder durchgestochen / durchstochen. (3.2)
Er hat durch das Leder gestochen.
Es ist selten, dass diese konkurrierenden Fälle die gleiche Semantik
aufweisen. Das trifft nur auf wenige Fälle zu, in denen das Präfix
sprachökonomisch wirkt wie z.B. in (1.1, 1.2, 1.3). Den meisten
Präfixen kommt aber noch eine weitere Bedeutungskomponente hinzu,
die von dem einfachen Verb nicht ausgedrückt wird. So erhalten die
Präfixverben in (1.1) eine zusätzliche durative Bedeutung. Bei den
meisten überwiegt aber eine holistische bzw. resultative Bedeutung
(1.4.1, 1.7, 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 3.1, 3.2). Die Entscheidung, welches, das
Präfixverb oder das einfache Verb mit Präposition, gewählt wird, hängt
von der Perspektive ab, unter dem die verbale Handlung betrachtet wird.
Will man allgemein den Ort der Handlung und die Richtung
hervorheben, so wird die Präposition gewählt. Will man das durative
oder resultative Moment betonen, so wird das Präfix gewählt.
In der Untersuchung haben wir auch die Syntax berücksicktigt und sind
zu dieser syntaktischen Darstellung der durch-Verben gekommen:
(Bedeutungsgruppe) (Beispielverben) (Simplexverben) (Valenzänderung gegenüber Simplexverben)
Klasse1
1.1 durchlaufen, -leiten intransitiv/transitiv Valenzreduzierung
1.2 durchfallen, -fädeln intr. / tr. Valenzreduzierung
1.3 durchquellen, -hören intr. / tr . Valezreduzierung
1.4.1 sich durchdrängen, -finden intr./ tr. Reflexivierung
1.4.2 sich durchlügen, -essen intr./ tr. Reflexivierung
1.4.3 durchkommen, -bringen intr./ tr. Valenzreduzierung
1.4.4 durchboxen, -setzen intr. / tr. Valenzreduzierung/Transitivierung
1.4.5 durchstehen, -halten intr. /tr. Valenzreduzierung/ Transitivierung
145
1.5 durchlaufen, fliehen intr. Valenzreduzierung
1.6 durchsinken, -biegen intr./tr.
1.7 durchfallen, -plumpsen intr. Valenzreduzierung
1.8 durchfaxen, -rufen tr. Valenzreduzierung
Klasse II
2.1 durcheilen, -fallen intr. Transitivierung
2.2 durchheulen, -stinken intr. Transitivierung
2.3 durchbeben, -wogen intr. Transitivierung
2.4 durchnähen, weben tr. Objektumsprung
Klassse III
3.1 durchatmen, -backen intr./ tr. Keine Valenzänderung
3.2 durchliegen, -trennen intr./tr. Keine Valenzänderung/
Reflexivierung/Transitivierung
3.3 durcharbeiten, -trinken intr./tr. Keine Valenzänderung/
Transitivierung
Das syntaktische Verhalten der untrennbaren Präfixverben in der zweiten
Klasse sieht einheitlicher aus als das der trennbaren oder der sowohl trennbar
als auch untrennbar vorkommenden Präfixverben. Generell liegt bei den
untrennbaren Verben Transitivierung vor. Die Valenz der trennbaren Verben
wird dagegen häufig um eine Stelle reduziert. Es kann aber auch
Transitivierung oder Reflexivierung vorliegen. Das widerspricht der These,
die das Verhältnis der Präfixbildungen zu den entsprechenden
Präpositionalphrasen syntaktisiert - d.h. Präfixbildungen lassen sich als das
Ergebnis von auf Präpositional- und Verbköpfen wirkenden syntaktischen
Prozessen erklären - und Trennbarkeit bzw. Untrennbarkeit des Präfixes auf
zwei wesentliche syntaktische Änderungen zurückführt:
Valenzverringerung bei den trennbaren Verben und Transitivierung bei den
untrennbaren. Fälle, in denen keine Valenzänderung eintritt (Er bohrt die
Wand durch / Er durchbohrt die Wand), bleiben dabei außer Betracht. Die
These beschränkt das Verhältnis der Präfixverben zu den Simplexverben mit
Präpositionalphrasen auf Fälle, in denen sie ausgetauscht werden. Es gibt
jedoch andere Fälle, wo das Präfixverb nicht zu einem einfachen Verb
übergehen kann, aber trotzdem ist noch deutlich erkennbar, dass das Präfix
Bezug auf die entsprechende Präposition nimmt, z.B.:
Ich habe mich mit meiner Familie durch die schlechten Zeiten
durchgehungert.
Die Klasse hat den Schüler bis zum Abschluss durchgeschleppt.
146
Um Bedeutungen der Präfixe deutlich zu erfassen, ist es
empfehlenswert, aus dem semantischen Verhältnis des Präfixes und der
ihm zugrundeliegenden Präposition auszugehen. Dieses kann - wenn es
auch Ausnahmen wie bei den durch-Verben der dritten Klasse gibt -
über den morphologischen Zustand der Präfixverben entscheiden. Diese
Methode scheint für didaktische Zwecke geeignet zu sein. Sie kann eine
befriedigende Begründung dafür geben, warum sich ein Präfix mit dieser
oder jener Bedeutung verbinden lässt. Der Deutschlernende, der meist
auf Schwierigkeiten der deutschen Präfixe stößt und darauf angewiesen
ist, die zahlreichen aufgeführten Bedeutungsgruppen auswendig zu
lernen, kann nun die Präfixverben durch den Zugriff auf den
Hintergrund ihrer Bedeutungen besser verstehen, einwandfrei
verwenden und somit eine der Lernschwierigkeiten im Deutschen
überwinden. Der Ertrag dieser Studie kommt auch dem
Deutschlehrenden zugute, indem sie zur Erleichterung der Vermittlung
von Präfixverben im Allgemeinen beiträgt.
147
4.2 Literaturverzeichnis
4.2.1 Wissenschaftliche Schriften und Wörterbücher
Abd Er-Rahman, Faisa (1984): Zur Unterscheidung von
Präpositionalobjekt und adverbialer Präpositionalgruppe aus der Sicht
einer semantisch fundierten Valenz-Theorie. In: Wissenschaftliche
Zeitschrift der Humboldt-Universität. Gesellschaftswiss. Reihe 33, S.
537-540.
Abd Er-Rahman, Faisa (1986): Valenztheoretisch – syntaktische
Kriterien für die Abgrenzung von Präpositionalobjekt und adverbial
gebrauchten Präpositionalgruppe in der gegenwärtigen deutschen
Grammatikliteratur. In: Kairoer germanistische Studien. Bd. I, s. 8-30.
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Präfix? Zum Status der sog. "trennbaren Verbpräfixe" im Deutschen. In:
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Frankfurt a.M.: Lang. (Europäische Hochschulschriften 86), S. 7-34.
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Präpositionen mit Doppelrektion? In: Deutsche Sprache 29/1, S. 63-75.
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durchlaufen? In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 5, S. 218-
219.
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Nouveaux Cahiers d'Allemand 3, S. 113-121.
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Semanalyse (Forts.). In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache
und Literatur, Halle 96, S. 97-213.
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Papiere zur Linguistik 17, S. 102-122.
148
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deutschen Sprachvereins, S. 432-435.
Benware, Wilbur (1992): Stress on particle verbs with durch in Modern
German. In: Journal of Germanic linguistics 4/2, S. 149-180.
Bornschier, Marion (1971): Die Verbalpräfixe im Französischen und
Deutschen. Ein Vergleich der Systeme. Diss. Zürich Uni, S. 35-51.
Bouillon, Henri (1984): Zur deutschen Präposition “ auf “. Gunter Narr
Verl. Tübingen.
Brinkmann, Hennig (1962): Deutsche Sprache. Gestalt und Leistung.
Düsseldorf, S. 412-432.
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Di Meola, Claudio (2000): Die Grammatikalisierung deutscher
Präpositionen. Stauffenburg Verl. Tübingen.
Di Meola, Claudio (2002): Präpositionale Rektionsalternation unter dem
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Nr. 3, Januar 2005
Nr. 7, Februar 2005
158
Verzeichnis der Präfixverben mit durch-
Im Folgenden werden die Präfixverben mit durch- nach ihrer
Vorkommenshäufigkeit aufgelistet. Berücksichtigt werden nur die
Verben, die mehr Verwendung finden. Vollständigkeit ist nicht erstrebt.
159
ackern 3.1
analysieren 3.1
arbeiten 1.4.1; 3.1; 3.3
artikulieren 3.1
atmen 3.1
backen 3.1
beben 2.3
beißen 1.4.1; 3.2
bekommen 1.4.4; 3.2
beraten 3.1; 3.3
besprechen 3.1; 3.3
beten 3.1; 3.3
betteln 1.4.2; 2.1
beuteln 3.1
bewegen 1.1; 2.1
biegen 3.1
bilden 3.1
blasen 1..2; 2.1; 3.1
blättern 3.1
bläuen 3.1
blicken 1..2; 2.1
blinken 1.3; 2.2
blitzen 1.3; 2.2; 2.3
blühen 3.3
bluten 1.3; 2.2
bohren 1.4.1; 3.2
boxen 1.4.1; 1.4.4
braten 3.1
brausen 1.1; 2.1; 2.3
brechen 1.1; 1.4.4; 1.5; 2.1;
3.2
brennen 1.5; 3.1; 3.2
bringen 1.1; 1.4.3; 1.4.4;
brüllen 2.2
brummen 1.1; 3.3
buchstabieren 3.1
bummeln 3.3
bumsen 3.1
bürsten 3.1
checken 3.1
dämmern 2.2
dampfen 1.1; 1..2; 2.1;
dauern 3.3
deklinieren 3.1
denken 3.1; 3.3
diskutieren 3.1
donnern 2.2
drängeln 1.4.1
drehen 3.1
dringen 1.3; 1.4.4; 2.3;
dröhnen 2.2
drücken 1..2; 1.4.4;
drucken 1.3; 3.3
dudeln 3.1; 3.3
duften 2.2
dünsten 1..2; 2.2
dürfen 1.1
eilen 1.1; 2.1;
eitern 1.3
empfinden 3.1
essen 1.4.2; 3.1
exerzieren 3.1
fädeln 1..2
fahren 1.1; 2.1; 2.3; 3.3
fallen 1..2; 1.7; 2.1;
färben 1.3; 3.1
fasten 3.3
faulen 3.1
faxen 1.8
fechten 1.4.1; 1.4.4
federn 1.6
fegen 2.1; 3.1
feiern 3.3
feilen 3.2
fenstern 3.1
fetten 1.3
feuchten 3.1
feuern 3.1
ficken 3.1
fiebern 2.3; 3.3
filtern 1..2
filzen 1.6
finden 1.4.1;
flammen 2.3;
flanieren 1.1;
flattern 1.1; 2.1
flechten 1..2; 2.4;
flicken 3.1
fliegen 1.1; 1.7; 1..2 3.3
fliehen 1.5; 3.3
fließen 1..2; 2.1 flimmern 1.3; 2.2
flitschen 1.1
flitzen 1.1; 2.1
flöhen 3.1
flöten 2.2
flüchten 1.5
flüstern 3.3
fluten 1.1; 1..2; 2.1; 2.3
flutschen 1.1
formen 3.1
formulieren 3.1
forschen 3.1
forsten 3.1
fragen 1.4.1
fressen 1.4.1; 1.4.2; 3.2
frieren 3.1
frösteln 2.3; 3.1
frosten 3.1
fühlen 1.3; 3.1
führen 1.1; 1.4.4;
füllen 1..2
funkeln 1.3; 2.2
furchen 2.1
futtern 1.4.2
füttern 1.4.3
gähnen 3.3
galoppieren 1.1
garen 3.1
gären 3.1
gebrauchen 3.1
gehen 1.1; 1.4.4; 1.5; 2.1;
2.3; 3.1; 3.3
geigen 3.1
geistigen 2.3
geleiten 1.1
gellen 2.2
gerben 3.1
gestalten 3.1
gießen 1..2
giften 2.2
glänzen 1.3; 2.2
glätten 3.1
glauben 3.1
gleiten 1..2; 2.1
gliedern 3.1
glimmen 3.1
glitzern 1.3; 2.2
glühen 2.3; 3.1; 3.2
graben 1..2; 1.4.1; 2.1
grasen 3.1
greifen 1..2
grübeln 3.1; 3.3
grünen 3.1
gucken 1..2
haben 1..2; 3.2
hacken 3.2
hageln 1.3
hallen 2.2
halten 1.4.5; 3.3
160
hämmern 3.2
hängen 1.6;
harren 3.3
härten 3.1
hasten 1.1; 2.1
hauchen 2.2
hauen 1.4.1; 2.1; 3.1; 3.2
hecheln 3.1
heilen 3.1
heizen 3.1; 3.3
helfen 1.4.2
hellen 2.2
herrschen 2.1
hetzen 1.1; 2.1
heucheln 1.4.2
heulen 2.2
hitzen 3.1
hocken 3.2
höhlen 3.1; 3.2
holen 3.1
hopsen 1.1; 2.1
hören 1.3; 3.1
humpeln 1.1; 2.1
hungern 1.4.2
hüpfen 1.1; 2.1
huschen 1.1
impfen 3.1
irren 2.1
ixen 3.2
jagen 1.1; 2.1; 3.3
jammern 3.3
jäten 3.1
jubeln 3.3
kälten 3.1
kämmen 3.1
kämpfen 1.4.1; 1.4.4; 3.3
kauen 3.1
keuchen 2.1
kitzeln 3.1
kläffen 2.2; 3.3
klären 3.1
klauben 3.1
klemmen 1.4.1
klettern 1.1; 2.1
klingen 1.3; 2.2
klopfen3.1;3.2
knabbern 3.2
knallen 3.1
kneten 3.1
knöpfen 3.1
knüpfen 2.4
kochen 3.1
kommen 1.1; 1.3; 1.4.3; 1.4.4;
1.5; 3.3 komponieren 3.1
können 1.1
konstruieren 3.1
kontrollieren 3.1
koppeln 3.1
korrigien 3.1
kosten 1.4.5; 3.1;
krabbeln 1.1
krachen 1.1; 3.1
kramen 3.1
kratzen 1.4.1; 3.2
kreuzen 2.1; 3.2
kriechen 1.2; 2.1; 2.3
kriegen 1.4.3; 1.4.4; 3.2
kühlen 3.1
küssen 3.3
lachen 2.2; 3.3
laden 3.1
langen 1..2 längen 3.1
lärmen 2.2; 3.3
lassen 1.1
latschen 1.1; 2.1
laufen 1.1; 1..2; 1.3; 1.5; 2.1;
2.3; 3.1; 3.2; 3.3 läutern 3.1
leben 3.3
lecken 1.3;
legen 1..2; 2.4
leiden 3.3
leiten 1.1;
lernen 3.1
lesen 3.1
leuchten 1.3; 2.2
lichten 2.2
lieben 3.3
liegen 3.2
loben 3.1
lochen 3.2
löchern 3.2
lodern 2.2; 2.3
lotsen 1.1
lüften 2.2; 3.1
lügen 1.4.2
machen 1.4.5; 3.1; 3.3
mahlen 3.1
malen 3.1
manövieren 1.1
marschieren 1.1; 3.3
meißeln 3.2
mengen 3.1
messen 2.1; 3.1
mischen 3.1
mogeln 1.4.2
müssen 1.1
mustern 3.1
nachten 3.3
nageln 3.2
nagen 3.2
nähen 2.4; 3.1
nässen 3.1
nehmen 3.1
netzen 2.2
numerieren 3.1
ölen 3.1
organisieren 3.1
örtern 2.1
paddeln 1.1; 2.1
parieren 3.1
passieren 1..2;
pauken 1.4.4; 3.1
pausen 1.3
peitschen 1.4.4; 3.1
pennen 3.3
perlen 3.1
pfählen 3.1
pfeffern 3.1
pfeifen 2.2
pfeilen 1.2; 3.2
pflügen 2.1; 3.1
picken 3.2
pilgern 1.1; 2.1
planen 3.1
plätschern 1.1; 2.1
plaudern 3.3
plumpsen 1.7;
pressen 1.2
proben 3.1
probieren 3.1
prüfen 3.1
prügeln 3.1
pudern 3.1
pulsen 2.1; 2.3
purzeln 1.1; 1.2
pusten 1.2
putzen 3.1
161
quälen 1.4.2; 3.3
qualmen 1.2; 2.2
quellen 1.2; 2.1
queren 2.1
quetschen 1.2; 1.4.1
radeln 1.1; 2.1
ranken 2.1
rasen 1.1; 2.1
raspeln 3.2
rasseln 1.7
raten 1.4.2
rationalisieren 3.1
rauchen 1.2; 2.2
räuchern 2.2; 3.1
raufen 3.2
rauschen 1.1; 1.7; 2.1; 2.2
rechnen 3.1
regen 2.3
regnen 1.3
reiben 3.2
reichen 1.2
reifen 3.1
reihen 3.1
reisen 1.1; 2.1
reißen 3.2
reiten 1.1; 2.1; 3.2
rennen 1.1; 2.1;
riechen 1.2
rieseln 1.1; 1.2 ; 2.1; 2.3
ringen 1.4.2
rinnen 1.1; 2.1
ritzen 3.2
rollen 1.1; 2.1; 3.3
rösten 3.1
rosten 3.2
rücken 1.1
rudern 1.1; 2.1
rufen
ruhen 3.3;
rühren 3.1
rutschen 1.2; 1.4.4; 2.1
rütteln 3.1
säbeln 3.2
sacken 1.6
säen 3.1
saften 3.1
sagen
sägen 3.2
salzen 3.1
säuern 3.1
saufen 1.4.2; 3.3
säuseln 2.1
sausen 1.1; 2.1; 2.3
schaben 3.2
schaffen 1.1
schallen 1.3; 2.2
schalten 3.1
scharren 1.4.1
schaudern 2.3
schauen 1.2; 2.1; 2.3
schauern 2.3
schaufeln1.1
schaukeln 3.1
schecken 3.1
scheinen 1.3; 2.2;
scheuern 3.2
schieben 1.1
schießen 1.2 ; 2.3; 3.2
schiffen 1.1; 2.1
schimmern 1.3; 2.2
schlafen 3.3
schlagen 1.2; 1.3; 1.4.1; 3.2
schlängeln 1.4.2
schlauchen 1.4.2
schleichen 1.1; 2.1;
schleifen 1.1; 3.2
schleimen 3.1
schlemmen 3.3
schlendern 1.1; 2.1 schleppen 1.4.2; 1.4.3 schleusen 1.1
schliefen 1.1;
schlingen 1.2; 2.1
schlittern 1.1; 2.1
schlitzen 3.2
schlummern 3.3
schlüpfen 1.1
schlurfen 1.1; 2.1
schmarotzen 1.4.2
schmecken 3.1
schmeißen 1.2; 1.4.2; 3.2
schmelzen 3.1
schmettern 3.2
schmieren 3.1
schmökern 3.1
schmoren 3.2
schmuggeln 1.1
schnaufen 3.1
schneiden 2.1; 3.2
schneien 1.3
schnüffeln 3.1
schreiben 1.3
schreien 1.3;
schreiten 1.1; 2.1
schroten 3.2
schummeln 1.4.2
schütteln 3.1
schütten 1.2
schüttern 2.3
schwärmen 3.3
schwätzen 1.4.2; 3.1; 3.3
schweben 2.1
schweifen 2.1;
schweißen 3.2
schwellen 3.1
schwemmen 1.1
schwimmen 1.1; 2.1
schwindeln 1.4.2
schwingen 1.1; 1.2
schwirren 2.1; 2.2
schwitzen 3.1
segeln 1.1; 2.1
sehen 1.2; 2.1
seihen 1.2
senden 1.8
sengen 3.2
setzen 1.4.4; 2.4
seuchen 3.1
seufzen 3.3
sichten 3.1
sickern 1.3; 2.2
sieben 1.2; 3.2
singen 3.1; 3.3
sinken 1.6
sitzen 3.2
sonnen 3.1
spähen 3.1
spalten 3.2
spazieren 1.1
spicken 3.1
spielen 1.4.1; 3.3
spießen 3.2
sprechen 1.8
sprengen 3.1
springen 1.1; 2.1
sprinten 1.1; 2.1
spritzen 1.3; 2.2
spülen 3.1
spurten 1.1; 2.1
stampfen 3.2
starren 3.1
starten 1.1
162
stauben 1.2
stäuben 1.2; 2.2
stechen 3.2
stecken 1.2
stehen 1.4.5
steigen 1.1; 2.1
stellen 1.8
stemmen 3.2
steppen 1.2; 2.4; 3.1
sterben 3.3
steuern 1.1; 2.1
sticken 1.2; 2.4; 3.1
stimmen 3.1
stinken 2.2
stöbern 3.1
stochern 3.2
stolpern 1.1; 2.1
stolzieren 1.1
stopfen 1.2
stoßen 1.1; 2.1
strahlen 1.3; 2.2
strecken 1.2
streichen 1.2; 2.1; 3.2
streifen 1.1; 2.1
streiten 1.4.1; 3.3
striegeln 3.1
strömen 1.2; 2.1
strukturieren 3.1
studieren 3.1
stürmen 1.1; 2.1
stürzen 1.2; 2.1
stylen 3.1
suchen 3.1
summen 1.1; 2.2
sumpfen 3.3
süßen 3.1
tändeln 3.3
tanken 1.4.1
tänzeln 1.1; 2.1
tanzen 3.2; 3.3
tappen 1.1; 2.1
tasten 1.1; 1.4.1; 2.1
tauchen 1.1; 2.1
tauen 1.3
taumeln 1.1; 2.1
teilen 3.2
telefonieren 1.8
testen 3.1
texten 3.1
toben 2.1; 2.3
tönen 1.3; 2.2
torkeln 1.1; 2.1
tosen 2.3
traben 1.1; 2.1
tragen 1.1
trainieren 3.1
tränken 3.3
trauern 3.3
träumen 3.3
treiben 1.1 trennen 3.2
treten 1.3; 3.2
triefen 2.2
trinken 3.3
trocknen 3.1
tropfen 1.2
tun 3.2
turnen 3.1
üben 3.1
versuchen 3.1
wachen 3.3
wackeln 1.1
wagen 1.4.1
wählen
wallen 2.3
walten 2.3
wälzen 1.2; 2.1
wamsen 3.1
wandeln 2.1
wandern 1.1; 2.1
wanken 1.1; 2.1
wärmen 3.1
waschen 3.1
wässern 3.1
waten 1.1; 2.1
watscheln 1.1; 2.1
weben 1.2; 2.4
wechseln 3.1
wedeln 1.1; 2.1
wehen 1.1; 2.1; 2.2; 2.3
weichen 3.1
weinen 3.3
werfen 1.2
wetzen 3.2
wichsen 3.1
wiegen 3.1
wieseln 1.1
wimmeln 2.1
winden 1.4.1;
winken 1.1; 3.3
wintern 3.3
wirbeln 2.1
wirken 1.1; 2.4; 3.1
wischen1.5;3.1
wogen 2.3
wölben 3.1
wollen 1.1
wühlen 1.4.1; 3.1
würgen 1.4.1;
wurschteln/-wursteln 1.4.2
wurzeln 1.2; 2.3
würzen 3.1
wüten 2.3
zählen 3.1
zechen 3.3
zeichnen 1.3;
ziehen 1.1; 2.1; 2.3; 3.3
zischen 1.1; 2.1; 2.2
zittern 2.3
zotteln 1.1; 2.1
züchten 3.1
zuckeln 1.1; 2.1
zucken 2.2; 2.3
zuckern 3.1
zwängen 1.4.1
zwingen 1.4.1
172
Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 2. Ruth Klappenbach / Wolfgang Steinitz Akademie Verl. Berlin
1981, S. 874.
---, 1996. Verbbewegung: Eine systematische Einführung unter Berücksichtigung
kontrastiver Aspekte. Beitrag zum DFG-Projekt ‘Erzeugung grammatischen
Wissens’ (unveröff.).
Schröder, Jochen (1993): Lexikon deutscher Verben der Fortbewegung. Leipzig: Langenscheidt,
/ Enzyklopädie
277 verb ( 159 trennbar) + (119 sowohl trennbar als auch untrennbar)