Enderle, Ursula. 2005. Autonomie der geschriebenen Sprache? Zur Theorie phonographischer...

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Ursula Enderle. Autonomie der geschriebenen Sprache? 45 Druckvorlage mit einem herkömmlichen Textverarbeitungsprogramm auf dem PC hergestellt worden ist. Letztlich bleibt das Werk aber eine wichtige Frage schuldig: Wie sieht nun die im Titel genannte Hochsprache aus, und wie kommt sie letztlich zustande? Da die Darstellung praktisch im 17. Jahrhundert endet (die barocken Sprachgesellschaften u. a. m. werden zwar noch genannt, aber nicht mehr behandelt), fühlt man sich am Ende um die Behandlung der grundlegenden Ausgangsproblematik gebracht. Oder ist hier am Ende der Weg das Ziel? Wie auch immer, ein durchgehender „roter Faden“, an dem man sich in jedem Kapitel orientierten könnte, ist nicht auszumachen. Aber vielleicht ist ja noch ein zweiter, weiterführender Band geplant? Den Leser, der sich zum ersten Mal über die Sprachgeschichte des Deutschen informieren will, wird das Buch in seiner originellen chrono- logischen Darstellungsweise und mit den eher willkürlich ausgewählten Themenkreisen wohl eher verwirren als aufklären. Ohne zusätzliche Er- klärungen, etwa im face-to-face-Unterricht, wird man wichtige Zusam- menhänge nicht verstehen können. Für das Selbststudium ist das Buch sicher nicht geeignet, als Zusatzlektüre zu bewährten Sprachgeschichten wie die unter dem Autorennamen Wilhelm Schmidt firmierende Dar- stellung von Norbert Richard Wolf und Helmut Langner wird das Werk aber sicher einen dankbaren Leserkreis finden, insbesondere durch die didaktischen Aufbereitungen und die sinnvollen Übungen. Ursula Enderle. 2005. Autonomie der geschriebenen Sprache? Zur Theorie phonographischer Beschreibungskategorien am Beispiel des Deutschen (Philologische Studien und Quellen). Berlin: Erich Schmidt. 260 S. Beatrice Primus Universität zu Köln Institut für deutsche Sprache und Literatur Albertus-Magnus-Platz D-50923 Köln [email protected] Schrift ist nach üblicher Begriffsbestimmung ein System konventionali- sierter graphischer Zeichen, die sprachliche Elemente repräsentieren. In einem weiteren Sinn kann als Schrift jedes graphische Zeichensystem be- zeichnet werden, das der menschlichen Kommunikation dient, womit folgerichtig auch musikalische Noten und piktoriale Darstellungen unter ZRS, Band 1, Heft 1 © Walter de Gruyter 2009 DOI 10.15/zrs.2009.011 - 10.1515/zrs.2009.011 Downloaded from PubFactory at 07/24/2016 04:53:49PM via free access

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Ursula Enderle. Autonomie der geschriebenen Sprache? 45

Druckvorlage mit einem herkömmlichen Textverarbeitungsprogramm auf

dem PC hergestellt worden ist.

Letztlich bleibt das Werk aber eine wichtige Frage schuldig: Wie sieht

nun die im Titel genannte Hochsprache aus, und wie kommt sie letztlich

zustande? Da die Darstellung praktisch im 17. Jahrhundert endet (die

barocken Sprachgesellschaften u. a. m. werden zwar noch genannt, aber

nicht mehr behandelt), fühlt man sich am Ende um die Behandlung der

grundlegenden Ausgangsproblematik gebracht. Oder ist hier am Ende der

Weg das Ziel? Wie auch immer, ein durchgehender „roter Faden“, an dem

man sich in jedem Kapitel orientierten könnte, ist nicht auszumachen.

Aber vielleicht ist ja noch ein zweiter, weiterführender Band geplant?

Den Leser, der sich zum ersten Mal über die Sprachgeschichte des

Deutschen informieren will, wird das Buch in seiner originellen chrono-

logischen Darstellungsweise und mit den eher willkürlich ausgewählten

Themenkreisen wohl eher verwirren als aufklären. Ohne zusätzliche Er-

klärungen, etwa im face-to-face-Unterricht, wird man wichtige Zusam-

menhänge nicht verstehen können. Für das Selbststudium ist das Buch

sicher nicht geeignet, als Zusatzlektüre zu bewährten Sprachgeschichten

wie die unter dem Autorennamen Wilhelm Schmidt firmierende Dar-

stellung von Norbert Richard Wolf und Helmut Langner wird das Werk

aber sicher einen dankbaren Leserkreis finden, insbesondere durch die

didaktischen Aufbereitungen und die sinnvollen Übungen.

Ursula Enderle. 2005. Autonomie der geschriebenen Sprache? Zur Theorie

phonographischer Beschreibungskategorien am Beispiel des Deutschen (Philologische

Studien und Quellen). Berlin: Erich Schmidt. 260 S.

Beatrice Primus Universität zu Köln

Institut für deutsche Sprache und Literatur

Albertus-Magnus-Platz

D-50923 Köln

[email protected]

Schrift ist nach üblicher Begriffsbestimmung ein System konventionali-

sierter graphischer Zeichen, die sprachliche Elemente repräsentieren. In

einem weiteren Sinn kann als Schrift jedes graphische Zeichensystem be-

zeichnet werden, das der menschlichen Kommunikation dient, womit

folgerichtig auch musikalische Noten und piktoriale Darstellungen unter

ZRS, Band 1, Heft 1 © Walter de Gruyter 2009 DOI 10.15/zrs.2009.011

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Schrift fallen würden (vgl. Harris 1995). Im Sinne der üblichen engeren

Begriffsbestimmung ist jede Schriftsprache von der entsprechenden Laut-

sprache per definitionem logisch abhängig, aber nicht umgekehrt: Es gibt

keine Schriftsprache im strikten Sinn ohne entsprechende Lautsprache,

aber durchaus Lautsprachen ohne entsprechendes Schriftsystem. Die

Lautsprache ist somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedin-

gung für die entsprechende Schriftsprache. Damit ist allerdings noch

nichts über die spezifische Art dieser Beziehung gesagt.1

Zu dieser Frage gibt es bekanntlich zwei Positionen, die im Bereich

der Phonologie und Graphematik am weitesten ausgearbeitet worden sind.

Die Ableitbarkeits- oder Abhängigkeitshypothese geht davon aus, dass die

schriftliche Form eines sprachlichen Ausdrucks vollständig aus seiner

lautsprachlichen Form ableitbar ist und dass die Einheiten der geschriebe-

nen Sprache nur mit Bezug zu den Einheiten der gesprochenen Sprache

bestimmt werden können. Folgerichtig fungiert bei dieser Betrachtungs-

weise die lautsprachliche Repräsentation als Eingabe und die schrift-

sprachliche Form als Ausgabe schriftsprachlicher Regeln. Für Verteidiger

dieser Position ist Schriftsprache ein sekundäres Abbild der gesprochenen

Sprache. Die Gegenposition, die auch als relative Autonomie-, Interde-

pendenz- oder Korrespondenzhypothese bekannt ist, geht von der An-

nahme aus, dass es neben den zweifelsfrei gegebenen Bezügen zur Laut-

sprache eigenständige schriftspezifische Prinzipien und Beschränkungen

gibt, die an Systematizität den lautsprachlichen in nichts nachstehen.2 Die

jüngere Forschung geht konsequenter im Sinne der begrifflich-logischen

Abhängigkeit vor und betrachtet schriftliche Repräsentationen als Eingabe

und hinreichende Bedingung für lautsprachliche Formen, die als Output

und mithin notwendige Bedingung dienen (vgl. Neef & Primus 2001,

Neef 2005). Erst mit der Aufstellung aussagekräftiger schriftspezifischer

Generalisierungen und schriftbasierter Bezugsregeln (von der Schrift- zur

Lautsprache, zusätzlich zu den üblichen lautsprachlich basierten Generali-

sierungen) ist die Abhängigkeitsthese vollständig überwunden und ein

Beschreibungsmodell bereitgestellt, das die relative Autonomiethese kon-

sequent umsetzt.

Damit ist klar umrissen, welche zentrale Bedeutung der Frage nach

dem spezifischeren Verhältnis zwischen Lautsprache und Schriftsprache

_____________ 1 Vgl. Neef (2005) zur Konfusion der begrifflich-logischen Abhängigkeit der Schrift (in der

engeren Begriffsbestimmung) mit der weiter unten beschriebenen Ableitbarkeitshypothese.

2 Eine strikte Autonomiehypothese hat meines Wissens kein Schriftlinguist, der sich der

engeren Begriffsbestimmung von Schrift anschließt, ernsthaft in Erwägung gezogen. Die-

ser Hypothese zufolge würde ein Schriftsystem vollständig unabhängig von einem mündli-

chen Sprachsystem funktionieren und mithin auch völlig unabhängig von diesem beschrie-

ben werden können.

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in der Schriftlinguistik beizumessen ist. Die Klärung dieser Frage be-

stimmt nicht nur die eigene theoretische Position, sondern auch die Da-

tenwahl und Analysemethode. Umso überraschender, dass es in der neue-

ren Forschung bis zu der hier zur Diskussion stehenden Monographie von

Ursula Enderle3 keine Buchpublikation gibt, die dieses Thema zentral

behandelt.

Eine Monographie über die Autonomiefrage der geschriebenen Spra-

che ist ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Die Frage lässt sich unter

anderem aus wissenschaftsgeschichtlicher, sprachstruktureller, diachroner,

phylogenetischer, ontogenetischer und neurolinguistischer Perspektive

abhandeln. Dementsprechend viel Forschungsarbeit, deren Ergebnisse es

aufzuarbeiten gilt, ist in die einzelnen Aspekte geflossen. Aber allein schon

die sprachstrukturelle Betrachtweise ist vielfältig und berührt alle schrift-

linguistischen Beschreibungskategorien und weitere zentrale Begriffe der

Schriftlinguistik. Die Autonomiediskussion hat sich bis in die jüngste Zeit

auf die Phonologie-Graphematik-Ebene konzentriert. Bezüglich der In-

terpunktion, die vor allem mit satzgrammatischen Regularitäten korres-

pondiert, wurde die Abhängigkeitsposition erst in jüngster Zeit durch eine

schriftstrukturelle Analyse des Zeicheninventars überwunden (vgl. Bredel

2008).

Die vorliegende Monographie fokussiert die sprachsystembezogene

Perspektive der Autonomiediskussion auf dem Gebiet der Phonologie

und Graphematik, berührt aber auch Fragen der Schriftentstehung und

diachronen Entwicklung. Der erste umfassendere Teil der Arbeit („Der

Diskurs über die Autonomie der geschriebenen Sprache“, Kap. 2-4) wid-

met sich der Diskussion exemplarischer älterer Autonomiepositionen. Sie

beginnt im zweiten Kapitel mit dem Prager Strukturalismus und Josef

Vachek, der als Pionier der Autonomiethese gelten kann. Das dritte Kapi-

tel stellt den Ansatz der Forschergruppe um Dieter Nerius vor, während

das vierte Kapitel Elisabeth Feldbuschs Schriftursprungshypothesen prä-

sentiert. Enderle greift Grundlegendes auf, wie den Phonem- und Gra-

phembegriff, die Unterscheidung zwischen langage, langue und parole, Sys-

tem und Norm und letzten Endes den Sprachbegriff selbst. Akribisch

setzt sie sich mit den zentralen Begriffen und Unterscheidungen dieser

Ansätze auseinander und spürt mit viel hermeneutischem Geschick jede

noch so kleine Inkonsistenz auf. Die kritisch referierte wissenschaftsge-

schichtliche Zeitspanne erstreckt sich von den 1930er Jahren (den frühes-

ten Schriften Vacheks) bis zu den 1980er Jahren (Nerius, Feldbusch). Für

den wissenschaftsgeschichtlich interessierten Leser ist dieser Teil der Ar-

_____________ 3 Es handelt sich um die leicht überarbeitete Fassung der von Helmut Richter an der Freien

Universität Berlin betreuten Dissertation der Verfasserin.

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beit sicherlich eine Fundgrube, aber manch anderer Leser wird vielleicht

neuere, nur am Rande erwähnte Positionen vermissen, wie etwa die von

Peter Eisenberg, Hartmut Günther, Helmut Glück oder Utz Maas.

Treffsicher ist die Kritik der Verfasserin an der Widersprüchlichkeit

der Position von Vachek, die gelegentlich auch in jüngeren Publikationen

zu finden ist. Einerseits bedeutet für Vachek die Autonomie eine Abkehr

von der Auffassung, dass Alphabetschrift eine reine Phonemabbildung sei,

andererseits werden Abweichungen davon als erklärungsbedürftig und

normverschuldet hingestellt. Wie Enderle zeigt, führt das Festhalten am

phonographischen Isomorphie-Prinzip zu schwerwiegenden Problemen

bei der Konstituierung eines autonomen Begriffs des schriftlichen Zei-

chens. Was die Forschergruppe um Dieter Nerius betrifft, so wird die

Autonomie der geschriebenen Sprache ebenenspezifisch mit Bezug auf

morphembezogene und semantisch motivierte Schreibungen begründet,

eine Auffassung, die viele Anhänger auch außerhalb der Forschergruppe

um Nerius findet. Ähnlich argumentiert Feldbusch, die in ihrer Schriftur-

sprungstheorie nachzuweisen versucht, dass die frühesten, logographi-

schen Schriften zunächst semantisch motiviert waren und erst nachträg-

lich phonologisiert wurden. Enderles Hauptkritik betrifft die Annahme,

dass alle drei referierten Ansätze Einheiten der gesprochenen Sprache

voraussetzen, die in der geschriebenen Sprache abgebildet werden sollen,

diese Einheiten aber, gleich welcher sprachlicher Ebene, erst durch

Schreibung segmentierbar und interpretierbar werden. Enderles Kritik ist

allerdings kein Einwand gegen die Autonomiethese (was aus dem Buch

nicht ganz klar hervorgeht), sondern nur gegen halbherzige Vertreter, die

sich vom funktionalen Isomorphiegedanken, gleich welcher Ebene, nicht

loslösen können.

Nach dieser kritischen Diskussion einiger prominenter Vertreter der

Autonomiethese erwartet der Leser im zweiten Teil der Arbeit einen Aus-

weg aus dieser misslichen Forschungslage. Der zweite Teil (Kap. 5-6), mit

dem etwas sperrigen Titel „Skizze zur Systematik eines sprachinterpretati-

ven Modells des Schriftwortentwurfs“, sucht den Ausweg im Schriftwort-

begriff. Hier unterbreitet die Verfasserin die These, dass das Wort als

grundlegende Kategorie erst im Zuge der Sprachinterpretation durch die

Schreibung gegeben ist. Daraufhin hegt man als Leser die Hoffnung, eine

konsistente autonome Definition (oder zumindest Präzisierung) des

Schriftwortbegriffs zu finden. Diese Erwartungshaltung wird auch durch

den Untertitel des Buches „Zur Theorie phonographischer Beschrei-

bungskategorien am Beispiel des Deutschen“ genährt. Doch zunächst

werden wissenschaftsgeschichtlich affine Positionen (z. B. die von Florian

Coulmas und David Olson) referiert, sodann in Anlehnung an Saussure

zwei Strukturprinzipien der Wortschreibung, Analogie und Differenz,

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entwickelt, um anschließend ihre Wirkung unter besonderer Berücksichti-

gung diachroner Daten zu demonstrieren. Dabei spielen Erscheinungen

eine Rolle, die auch in anderen Arbeiten als nicht-phonographisch gedeu-

tet werden, wie etwa morphologische <ä>-Schreibung und Dehnungs-

schreibung mit <ie> und <h>. Außerdem wird die Getrennt- und Zu-

sammenschreibung sowie die silbische Interpretation graphischer Formen

thematisiert. Eine grundlegende, freilich alles andere als leicht zu bewälti-

gende Auseinandersetzung mit dem Wortbegriff in seinen verschiedenen

medialen und ebenenspezifischen Ausprägungen, wie etwa der proso-

disch-phonologischen, morpho-syntaktischen und graphematischen, fin-

det nicht statt. Auch die Autonomiefrage wird in diesem Teil der Arbeit

erstaunlich selten wieder aufgegriffen, der sachkundige Leser kann aber

nachvollziehen, dass die Autorin durch die Fokussierung auf schriftsys-

temimmanente Relationen (Analogie und Differenz) aus den Fängen der

für die Autonomiethese problematischen Isomorphie-Prinzipien auszu-

brechen versucht. Enttäuschend sind die recht unsystematischen und

skizzenhaften Datenanalysen.

Die Annahme der Verfasserin, dass eine Lösung der Autonomiedebat-

te im Schriftwortbegriff zu suchen ist, greift viel zu kurz. Ein konsequen-

ter Autonomieansatz kann sich nicht mit einem unabhängig fundierten

Schriftwortbegriff begnügen. Hier zeigt sich vielleicht der oben genannte

Nachteil der vorliegenden Arbeit, jüngere bzw. progressivere Autonomie-

positionen aus der zentralen Diskussion ausgeklammert zu haben. In neu-

eren Ansätzen werden ernsthafte und plausible Vorschläge unterbreitet,

alle Beschreibungskategorien eines Schriftsystems autonom zu bestimmen

und durch schriftstrukturelle Prinzipien zu fundieren. Derartige Vorschlä-

ge liegen zum Graphembegriff mit Eisenberg (1985) und Günther (1988)

und zum Schreibsilbenbegriff mit Butt & Eisenberg (1990) und Primus

(2003) vor, um nur einige Beispiele aus dem Bereich der Graphematik zu

nennen.

Zum Schluss sei an das eingangs formulierte Ziel einer konsequenten

autonomen Schriftsystembetrachtung erinnert. Erst mit der Aufstellung

aussagekräftiger schriftspezifischer Generalisierungen und schriftbasierter

Bezugsregeln ist die Abhängigkeitsthese vollständig überwunden und ein

Beschreibungsmodell bereitgestellt, das die These der relativen Autonomie

konsequent umsetzt. Scharfsinnig deckt Enderle die schwerwiegenden

Probleme der Autonomieansätze auf, die dieses Ziel nicht konsequent

genug verfolgen und der Isomorphie zur gesprochenen Sprache eine zu

große Bedeutung beimessen. Enderles eigene Lösung ist allerdings zu

zaghaft und skizzenhaft, um von einem Durchbruch sprechen zu können.

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Literatur

Bredel, Ursula. 2008. Die Interpunktion des Deutschen. Ein kompositionelles

System zur Online-Steuerung des Lesens. Tübingen: Niemeyer.

Butt, Matthias & Peter Eisenberg. 1990. Schreibsilbe und Sprechsilbe. In:

Christian Stetter (Hg.). Zu einer Theorie der Orthographie. Tübingen: Nie-

meyer, 33-64.

Eisenberg, Peter. 1985. Graphemtheorie und phonologisches Prinzip.

Vom Sinn eines autonomen Graphembegriffs. In: Gerhard Augst

(Hg.). Graphematik und Orthographie. Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang,

122-128.

Günther, Hartmut. 1988. Schriftliche Sprache: Strukturen geschriebener Wörter

und ihre Verarbeitung beim Lesen. Tübingen: Narr.

Harris, Roy. 1995. Signs of writing. London: Routledge.

Neef, Martin & Beatrice Primus. 2001. Stumme Zeugen der Autonomie –

Eine Replik auf Ossner. In: Linguistische Berichte 187, 353-378.

Neef, Martin. 2005. Die Graphematik des Deutschen. Tübingen: Niemeyer.

Primus, Beatrice. 2003. Zum Silbenbegriff in der Schrift-, Laut- und Ge-

bärdensprache – Versuch einer mediumunabhängigen Fundierung. In:

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 22, 3-55.

Ekkehard Felder (Hg.). 2006. Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den

Wissenschaften (Linguistik – Impulse & Tendenzen 19). Berlin, New York:

Walter de Gruyter. 408 S.

Hajo Diekmannshenke Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Institut für Germanistik

Universitätsstraße 1

D-56070 Koblenz

[email protected]

Wenn eine linguistische Publikation den Titel „Semantische Kämpfe“

trägt, so wie der in diesem Fall von Ekkehard Felder herausgegebene

Sammelband, so werden sicher manche vermuten, dass es sich um politi-

sche Kommunikation und den Sprachgebrauch in der Politik handeln

könnte. Seitdem im November 1973 der damalige CDU-Generalsekretär

Kurt Biedenkopf auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg das

Besetzen von Begriffen zu einer sprachstrategischen Option des politi-

ZRS, Band 1, Heft 1 © Walter de Gruyter 2009 DOI 10.15/zrs.2009.012

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