Zinn-Isotope und die Frage nach der Herkunft prähistorischen Zinns
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Archäometrie und Denkmalpflege 2015
Tatjana Gluhak, Susanne Greiff,
Karin Kraus, Michael Prange (Hrsg.)
Jahrestagung an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
25.-28. März 2015
Archäometrie und Denkmalpflege 2015
Jahrestagung
Kurzfassungen der Vorträge und Poster
Veranstalter
Johannes Gutenberg-Universität
Römisch-Germanisches-Zentralmuseum
Institut für Steinkonservierung e.V
Wissenschaftliches Komitee
Christoph Herm, Stefan Röhrs, Jürgen Schram
(Arbeitskreis Archäometrie der GDCh)
Ernst Pernicka, Klaus Bente
(GNAA - Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Archäologie
ARCHÄOMETRIE e.V.)
Frank Schlütter, Susanne Greiff
(Arbeitskreis Archäometrie und Denkmalpflege der DMG)
Archäometrie und Denkmalpflege 2015 – METALLA Sonderheft 7
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ZINN-ISOTOPE UND DIE FRAGE NACH DER HERKUNFT PRÄHISTORISCHEN ZINNS
GERHARD BRÜGMANN1, DANIEL BERGER
1, ERNST PERNICKA
1,2, BIANKA NESSEL
2
1Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH, D6, 3, D-68159 Mannheim
2Institut für Geowissenschaften, Universität Heidelberg, D-69120 Heidelberg
Die Provenienz von Zinn in prähistorischen Bronzen (Cu-Sn-Legierungen) ist eine der großen Fragen,
die Archäologen und Naturwissenschaftler gleichermaßen beschäftigt. Noch immer sind nur wenige
Belege für bronzezeitlichen Zinnbergbau zu finden. Ferner kann die Spur des Zinns vom Bronzeobjekt
hin zur Rohstoffquelle bisher nicht zurückverfolgt werden, denn weder Spurenelementkonzentrationen
noch die Isotopenzusammensetzung des Bleis liefern eindeutige Fingerabdrücke. Ein neuer,
vielversprechender Ansatzpunkt ist es, die stabilen Isotope des Zinns als geochemisches Merkmal zur
Unterscheidung von Zinnlagerstätten und Zinn in Bronzen zu verwenden (z. B. Haustein et al., 2010;
Balliana et al., 2013; Yamazaki et al., 2013). Auffindung und Charakterisierung der in der Bronzezeit
genutzten Zinnressourcen sind zwei der Ziele des interdisziplinären, vom European Research Council
(ERC) geförderten und am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim sowie an der Fakultät
für Chemie und Geowissenschaften der Universität Heidelberg angesiedelten Projektes „BRONZE
AGE TIN – Tin isotopes and the sources of Bronze Age tin in the Old World“. Dieses Projekt
integriert die Ergebnisse der geochemischen Anwendungen in jene aus Archäologie, Kulturgeschichte
und Geologie.
Probenaufbereitung und Isotopenanalysen
Die Ausgangsmaterialien sind Bronze- und Zinnobjekte sowie Kassiterit, das wichtigste Erzmineral
des Zinns. Dieses in mineralischen Säuren nahezu unlösliche Mineral (SnO2) muss für die Analyse
aufgeschlossen werden. Daher wird das Oxid mit Hilfe von Graphit bei einer Temperatur von etwa
1200°C, zu metallischem Zinn reduziert (Clayton et al., 2002). Anschließend können das reduzierte
Zinn und die Zinnbronze der Artefakte in 6M HCl aufgelöst werden. Während die Lösung des
Zinnmetalls direkt als Messlösung verwendet werden kann, muss das Zinn der Bronzelösung auf
Grund der komplexen Matrix (>80 Gew.% Cu, sowie variable Gehalte an Pb, Fe, Sb, As, Cd) zunächst
mit Hilfe eines Ionenaustauschers (TRU-Spec von EICHROM) von diesen Begleitelementen getrennt
werden.
Die Isotopenzusammensetzung des Zinns wird an einem Multikollektor Massenspektrometer mit
induktiv gekoppeltem Plasma (MC-ICP-MS) (Neptun+, Thermo Scientific, Bremen) bestimmt. An
diesem Gerät können mit neun Faraday Detektoren die Intensitäten der Ionenströme von 116
Sn, 117
Sn,
118Sn,
119Sn,
120Sn,
121Sb,
122Sn,
123Sb, und
124Sn statisch gemessen werden. Die gleichzeitige Messung
der beiden Isotope 121
Sb und 123
Sb dient zur Korrektur der Massenfraktionierung im
Massenspektrometer; hierfür wird das sogenannte „revised Russell’s law“ angewendet (Baxter et al.,
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2006). Für Sn-Isotopenanalysen steht kein zertifiziertes Referenzmaterial, auf das die
Isotopenverhältnisse bezogen werden können, zur Verfügung. Es wird daher, wie bereits in einigen
vorhergehenden Studien (einen Überblick geben Haustein et al., 2010) geschehen, eine Lösung von
einem ultrareinen Zinnblech („Puratronic Grade 1“ der Firma Johnson Matthey mit der Chargen-Nr.
W14222) als hausinterner Standard verwendet. Die gemessenen Isotopenverhältnisse werden jeweils
als Delta-Werte auf diese Lösung bezogen.
Die Zinnisotopenzusammensetzung von Bronzeobjekten der Aunjetitzer Kultur
Gegenwärtiger Forschungsschwerpunkt des ERC-Projektes ist die Untersuchung von Zinnbronzen der
Aunjetitzer Kultur, eine der wichtigsten frühbronzezeitlichen (2300 bis 1600 v.Chr.) Kulturen in
Mitteleuropa. Damit wird eine frühere Studie der berühmten Himmelsscheibe von Nebra – das bisher
einzige zinnisotopisch untersuchte Aunjetitzer Objekt – erweitert (Haustein et al., 2010), um die
Herkunft des Zinns und mögliche Handelswege in dieser Kulturepoche zu bestimmen. Die
Isotopenzusammensetzung wurde an 20 aunjetitz-zeitlichen Metallartefakten unterschiedlicher
Funktion (zehn Randleistenbeile, acht Armringe, eine Doppelaxt, eine Dolchklinge) und aus
verschiedenen Funden im Umfeld der Himmelsscheibe (Hortfunde von Bennewitz I, Dieskau I+II,
Kanena II+III, Burgstaden, Schkopau, Grab von Leubingen) bestimmt. Die chemische
Zusammensetzung der Metalle innerhalb der einzelnen Horte ist sehr ähnlich, jedoch es gibt
Unterschiede zwischen den Funden, sowohl bezüglich der Spurelementkonzentrationen als auch der
Zinngehalte. Die Sn-Gehalte reichen von 0,1 bis 12 Gew.% und auch die Konzentrationen von As, Sb
und Ag variieren über mehrere Größenordnungen. Dies weist darauf hin, dass die Kupferkomponente
der einzelnen Bronzen aus unterschiedlichen Quellen stammt: Zum einen aus Kupferlagerstätten, die
von Ag-, As-, und Sb-haltigen Fahlerzen dominiert werden, und zum anderen aus kupferkies-reichen
Lagerstätten mit niedrigen As-, Sb- und Ag-Konzentrationen.
Abb.1: Isotopenzusammensetzung des
Zinns in Bronzeobjekten der Aunjetitzer
Kultur aus der Region um Halle.
Signifikante Unterschiede zwischen den
Horten können nicht sicher belegt
werden.
Trotz der variablen Zinngehalte zeigen die Isotopenverhältnisse nur eine geringe Variation, die
unwesentlich größer als die der analytischen Unsicherheiten ist. So beträgt der Mittelwert aller
Objekte, beispielsweise von δ124
Sn/120
Sn, 0,23±0,05‰ (Abb. 1). Damit weisen die Bronzeartefakte
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kaum Unterschiede in der Isotopenzusammensetzung des Zinns auf und verschiedene
Herkunftsgebiete sind nicht zu identifizieren.
Die Isotopenverhältnisse der Bronzeobjekte liegen in einem Diagramm δ122
Sn/116
Sn versus
δ117
Sn/119
Sn alle im Kernbereich der Variation, die in Kassiteriten aus dem Erzgebirge gemessen
wurde (Haustein et al., 2010; Abb. 2). Obwohl es auch eine Überlagerung mit den
Isotopenverhältnissen der Kassiterite aus Cornwall gibt, ist es dennoch wahrscheinlicher, dass die
Aunjetitzer Kultur regionale Zinnlagerstätten zur Herstellung von Gebrauchs- und
Schmuckgegenständen sowie von Waffen ausbeutete. Diese Beurteilung gilt jedoch nicht für die
Himmelsscheibe von Nebra. Deren Isotopenzusammensetzung unterscheidet sich deutlich von denen
der anderen Aunjetitzer Objekte (Abb. 2). Ihre Isotopenverhältnisse lassen eher eine Übereinstimmung
mit den Isotopensignaturen der britischen Zinnerze und damit eine Verbindung zu den
bronzezeitlichen Kulturen Großbritanniens vermuten.
Abb. 2: Vergleich der Sn-Isotopenzusammensetzung der Bronzeobjekte der Aunjetitzer Kultur
mit denen von Kassiteriten des Erzgebirges und Cornwall, sowie der Himmelsscheibe von
Nebra. Daten für Kassiterit und Himmelsscheibe von Haustein et al. (2010). Symbole der
Aunjetitzer Objekte wie in Abb. 1.
Literatur:
Balliana E, Aramendía M, Resano M, Barbante C, Vanhaecke F (2013) Copper and tin isotopic analysis of
ancient bronzes for archaeological investigation: development and validation of a suitable analytical
methodology. Analytical and Bioanalalytical Chemistry 405 (9):2973-2986. doi:10.1007/s00216-012-6542-1
Baxter DC, Rodushkin I, Engstrom E, Malinovsky D (2006) Revised exponential model for mass bias correction
using an internal standard for isotope abundance ratio measurements by multi-collector inductively coupled
plasma mass spectrometry. Journal of Analytical Atomic Spectrometry 21 (4):427-430.
doi:10.1039/B517457K
Clayton R, Andersson P, Gale NH, Gillis C, Whitehouse MJ (2002) Precise determination of the isotopic
composition of Sn using MC-ICP-MS. Journal of Analytical Atomic Spectrometry 17 (10):1248-1256.
doi:10.1039/B205835A
Haustein M, Gillis C, Pernicka E (2010) Tin isotopy—a new method for solving old questions. Archaeometry 52
(5):816-832. doi:10.1111/j.1475-4754.2010.00515.x
Yamazaki E, Shun'ich Nakai, Tetsuya Yokoyama, Shunso Ishihara, Hongfeng Tang (2013) Tin isotope analysis
of cassiterites from Southeastern and Eastern Asia. Geochemical Journal 47 (1): 21-35