Was erzählen Rechnungsbücher von der Stadt? Das Beispiel des Rechnungsbuchs Bischof Bertholds von...

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PRO CIVITATE AUSTRIAE INFORMATIONEN ZUR STADTGESCHICHTSFORSCHUNG IN ÖSTERREICH Begründet von Wilhelm Rausch NEUE FOLGE HEFT 13, 2008 THEMENHEFT „Städtische Quellen“

Transcript of Was erzählen Rechnungsbücher von der Stadt? Das Beispiel des Rechnungsbuchs Bischof Bertholds von...

PRO CIVITATE AUSTRIAE

INFORMATIONEN ZUR STADTGESCHICHTSFORSCHUNG

IN ÖSTERREICH

Begründet von Wilhelm Rausch

NEUE FOLGE HEFT 13, 2008

THEMENHEFT „Städtische Quellen“

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Gefördert durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Institut für Kulturförderung

Bezug über:

Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung A-4040 Linz, Pfeifferstraße 22 (Preis je Heft EURO 10,00)

Titelseite: Medaille „Pro Civitate Austriae“

Motiv: Zweitältestes (gotisches) Linzer Stadtsiegel

Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtgeschichtsforschung

in Zusammenarbeit mit: Wiener Stadt- und Landesarchiv (Magistratsabteilung 8)

Verein für Geschichte der Stadt Wien

Leitung: Dr. Fritz Mayrhofer, Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Opll

Redaktion, Satz und Layout: Dr. Susanne Claudine Pils

Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die VerfasserInnen verantwortlich. Druck: Trauner Druck GmbH & Co KG, Köglstraße 14, 4020 Linz

Anschriften der AutorInnen: Dr. Marc Boone, Universität Gent, Faculteit Letteren en Wijsbegeerte, Blandijnberg 2, B-9000 Gent, Belgien, E-Mail [email protected] Károly Goda, PhD, H-9200 Mosonmagyaróvár, Manninger János ltp. C1, II./2, Ungarn, E-Mail: [email protected] Mag. Günter Katzler, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected] Judit Majorossy, PhD, Eötvös Loránd Universität Budapest (ELTE), Lehrstuhl für Ge-schichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, H-1053 Budapest, Egyetem tér 1–3, Ungarn, E-Mail: [email protected] ao. Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Opll, MA 8 – Wiener Stadt- und Landesarchiv, Postadresse: Rathaus, A-1082 Wien, E-Mail: [email protected] Prf. Katalin Szende, PhD, Central European University (CEU), Department of Medieval Studies, H-1051 Budapest, Nádor u. 9, Ungarn, E-Mail: [email protected] Ass.-Prof. Dr. Herwig Weigl, Institut für Geschichte der Universität Wien und Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected] Dr. Hermann Rafetseder, Neufahrergasse 38, A-4040 Linz, email: [email protected]

WAS ERZÄHLEN RECHNUNGSBÜCHER VON DER STADT? DAS BEISPIEL DES RECHNUNGSBUCHS BISCHOF BERTHOLDS VON FREISING

Von Günter Katzler (Wien)

Über den Umgang der Geschichtsforschung mit den Freisinger Quellen Die „editorische Ausbeutung mit landeskundlichem Horizont“ – wie Herwig WEIGL den Umgang der Geschichtsforschung mit dem so genannten „Notiz(en)buch Bischof Konrads III.“ treffend charakterisierte1 – ist ein Befund, der sich nicht nur im Zusammenhang mit dem genannten Notizbuch aufdrängt, sondern sich allgemein auf die Beschäftigung der Geschichtswissenschaft mit den freisingischen Quellen anwenden ließe. Die Tatsache, dass die Besitzungen des Bistums Freising über mehrere „Länder“ – hier im Sinne von Otto BRUNNER2 gesprochen – verteilt waren, läuft einer umfassenderen editorischen und wis-senschaftlichen Auseinandersetzung anscheinend zuwider. Die Filetierung von einzelnen Quellen und ganzen Beständen nach regionalen Betreffen, wie „bayerisch“, „österrei-chisch“, „slowenisch“, „krainisch“, „steirisch“ oder etwa „niederösterreichisch“ ist auf Grund institutioneller Rahmenbedingungen und möglicher sprachlicher Schwierigkeiten nachvollziehbar.3 Hier soll auch nicht darüber geurteilt werden. Es sei aber bemerkt, dass die am Freisinger Bestand getätigte Praxis der Edition in Auszügen der Forschung gele-gentlich ins Handwerk pfuscht und den Blick auf das Ganze erschwert. Dass sich die Quel-len aufgrund ihrer Bedeutung eine intensivere und umfassendere Beschäftigung verdient hätten, soll auch nicht unerwähnt bleiben. Ein Geständnis aber gleich vorweg: Das „Aus-schlachten“ freisingischer Quellen wird hier seine Fortsetzung finden, doch soll zumindest

1 HERWIG WEIGL, Ein Prokurator um sechs Gulden und ein Buch für die Zukunft. Taverninus von Novara,

Bischof Konrad III. von Freising und das bischöfliche „Notizbuch“, in: MIÖG 112 (2004), 238–271, hier 264; zu den betreffenden Zitaten vgl. 263 Anm. 142–144, 146–148 und 264 Anm. 149. Herwig Weigl sei an dieser Stelle herzlich für die Anregung zu diesem Thema sowie für zahlreiche Hilfestellungen gedankt wie auch Susanne Claudine Pils für die Aufnahme als Beitrag in den Pro Civitate Austriae. Verwendete Abkürzungen: BHStA = Bayerisches Hauptstaatsarchiv; Erg. Bd. = Ergänzungsband; FRA II = Fontes re-rum Austriacarum, II. Abteilung: Diplomataria et acta; LMA = Lexikon des Mittelalters; MIÖG = Mittei-lungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; VIÖG = Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.

2 OTTO BRUNNER, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, 4. Aufl., Wien/Wiesbaden 1959.

3 Dies ist umso verständlicher, wenn man bedenkt, dass die wichtigsten Editionen freisingischer Quellen nach dem beschriebenen Muster von Historikern verfasst wurden, die aus den ehemals freisingischen Besit-zungen stammten: So war Joseph Zahn, der u.a. die freisingischen Urkunden mit Österreich-Betreff in zwei Bänden herausgab, ein gebürtiger Groß-Enzersdorfer und der Slowene Pavel Blaznik, der sich in Editionen und Forschungsarbeiten dem Freisinger Besitz in Krain widmete, stammte aus Bischoflack/Škofja Loka. Vgl. GERTRUD THOMA, Zur Grundherrschaft des Bistums Freising im Hochmittelalter. Organisation und Nutzung der Besitzungen in Bayern und im Ostalpenraum. Ein Vergleich, in: Querschnitte. „... Der wissendlich Romanen für Historien ausgibt …“. Deutsch-slovenische Kultur und Geschichte im gemeinsa-men Raum, hg. v. Krista Zach – Mira Miladinovic Zalaznik, München 2001 (Veröffentlichungen des Süd-ostdeutschen Kulturwerks. Reihe B, Wissenschaftliche Arbeiten 80), 21–61, hier 25. Zu Josef von Zahn vgl. zuletzt FRITZ FELLNER – DORIS A. CORRADINI, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon, Wien/Köln/Weimar 2006 (Veröffentlichungen der Kommissi-on für Neuere Geschichte Österreichs 99), 476f. Zu Pavel Blaznik vgl. STANE GRANDE, Der Festschrift für Pavle Blaznik auf den Weg, in: Blaznikov zbornik: In memoriam Pavle Blaznik, hg. v. Matjaž Bizjak, Ljub-ljana/Škofja Loka 2005 (Zbirka Loški razgledi, Doneski 11), 21–22.

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keine regional- oder landeskundliche Beschäftigung im Vordergrund stehen, sondern der Frage nachgegangen werden, was das Rechnungsbuch des Bischofs Berthold von Freising über die Stadt sagen kann.

Rechnungsbuch – Quellengattung und Einordnung Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um ein Rechnungsbuch, das im Zuge der Ver-waltung der freisingischer Herrschaften angelegt und geführt wurde. Die Gattung „Rech-nungsbuch“ – quellennäher auch „Raitbücher“ genannt – findet sich in der von Alphons LHOTSKY in seiner Quellenkunde erstellten Systematik nicht eigens erwähnt, jedoch han-delt er über sie in dem Abschnitt über „Aufzeichnungen rechtlichen Inhalts“.4 Die dem Kapitel vorangestellte Charakterisierung der unter diesem Titel versammelten Quellen hat zwar vorrangig rechtliche Kodifikationen im Auge, doch lassen sich die hier genannten Charakteristika problemlos auf Raitbücher beziehen. Da wie dort ist den genannten Gat-tungen eigen, dass sie „ohne eigentliche historiographische Absicht“ entstanden, sondern „dem berufstätigen Leben und seinen Nöten unmittelbar entnommen“ sind. Da wie dort sieht LHOTSKY die Bedeutung von Rechnungsbüchern als Quelle für die Geschichtswissen-schaft darin begründet, dass sie unmittelbarer über die Vergangenheit berichten als etwa die „durch das Medium individueller Reflexion, Deutung und Wertung hindurchgegange-nen geschichtlichen Angaben“, wie sie etwa in „klassischen“ historiographischen Quellen wie Annalen, Chroniken oder ähnlichem anzutreffen sind. Paul UIBLEIN kehrt in Ergänzung zu LHOTSKYs Quellenkunde den eigenständigen Charakter und den besonderen Quellen-wert von Rechnungsbüchern stärker hervor und nennt sie „wichtige Quellen für die Wirt-schafts-, Sozial- und Kulturgeschichte“,5 worin man ihm kaum widersprechen wird. Eine Charakterisierung fehlt jedoch und es bleibt bei einer Aufzählung von Beispielen für Rech-nungsbücher aus dem Gebiet des heutigen Österreich. In der von Ahasver VON BRANDT vorgenommenen Klassifizierung historischer Quellen finden sich Rechnungsbücher den „Überresten“ zugeordnet, wozu der Autor all dasjenige Quellenmaterial zählt, „das von Geschehnissen unmittelbar – also ohne das Medium eines zum Zweck historischer Kenntnis berichtenden Vermittlers – übriggeblieben ist“.6 Der postulierten Unmittelbarkeit ist jedoch insofern zu widersprechen, als dass die Rechnungs-leger stets einen Adressaten vor Augen hatten – nämlich diejenigen Personen, denen sie Rechnung legen mussten. Dass dies somit kein unreflektiertes Schreiben war, sondern – wenig verwunderlich – Bilanzen auch schon im Mittelalter „frisiert“ wurden, bedarf keiner näheren Erläuterung.7 Eine neuere Typologie der Gattung etwa bietet Stefan PÄTZOLD in seinem Aufsatz über die „Amtsbücher des Mittelalters“, worunter auch die Rechnungsbücher zu subsumieren sind. Voraus schickt er seiner Abhandlung einen Definitionsversuch, der neben inhaltlichen auch äußerliche Merkmale berücksichtigt: „Mittelalterliche Amtsbücher sind aus Lagen beste- 4 ALPHONS LHOTSKY, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs, Graz/Köln 1963 (MIÖG,

Erg. Bd. 19), 74. 5 PAUL UIBLEIN , Die Quellen des Spätmittelalters, in: Die Quellen der Geschichte Österreichs, hg. v. Erich

Zöllner, Wien 1982 (Schriften des Institutes für Österreichkunde 40), 50–113, hier 83. 6 AHASVER VON BRANDT, Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaf-

ten, 15. Aufl., Stuttgart 2003, 56. 7 Zu Betrug und Manipulation in den Rechnungen vgl. MARK MERSIOWSKY, Die Anfänge territorialer Rech-

nungslegung im deutschen Nordwesten. Spätmittelalterliche Rechnungen, Verwaltungspraxis, Hof und Ter-ritorium, Stuttgart 2000 (Residenzenforschung 9), 308–314.

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hende, buchförmig gebundene Kompositionen von Einträgen, die im Zuge verwaltender oder rechtserheblicher Tätigkeiten von Provenienzstellen entstanden sind, die zumindest ansatzweise institutionalisiert und mit herrscherlichen Rechten ausgestattet wurden“.8 Zuletzt hat Mark MERSIOWSKY, der sich eingehend mit der Quellengattung Rechnung und Rechnungsbuch beschäftigt hat, eine umfassende Definition versucht. Er bezeichnet Rech-nungen als „schriftlich fixierte Aufstellung von Einnahmen und/oder Ausgaben, die aus dem der Abrechnung zugrundeliegenden Verhältnis zwischen Rechnungsleger und Rech-nungsempfänger resultieren, zum Zwecke der Rechenschaft“9 und rückt durch die Fokus-sierung auf Verfasser und Empfänger den kommunikativen Aspekt von Rechnungen stärker in den Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit Rechnungsbüchern ist mitunter oft mühsam, „da die Quellen meist recht spröde wirken“.10 In der Regel ist mit einer Masse an gleichförmigen Eintra-gungen zu rechnen, die jedoch mitunter ein helles Licht auf Alltagsleben und -kultur des Mittelalters werfen, wozu das Gros der Quellen für gewöhnlich schweigt. Der Quellenwert von Rechnungsbüchern liegt auch nicht so sehr in einzelnen Eintragungen begründet, son-dern sie ermöglichen insbesondere bei Serien, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte erstrecken können, Aussagen über wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen in der longue durée. Selten, aber doch finden sich solch prominente Einträge in Rechnungsbü-chern wie das oft zitierte und viel beachtete Beispiel aus den Reiserechnungen des Wolfger von Erla, zu jener Zeit Bischof von Passau, in dem er Walther von der Vogelweide das Geldgeschenk von fünf „langen Schilling“ für einen Pelzrock machte.11

Das so genannte „Abrechnungsbuch der Freisinger Beamten in Österreich und Kärn-ten“ (BHStA, HL Freising 69) Die uns interessierende Quelle trägt den Namen „Abrechnungsbuch der Freisinger Beamten in Österreich und Kärnten“ und beinhaltet Rechnungen der Pfleger in den freisingischen Herrschaften für die Jahre 1395 bis 1401, auf welchen Zeitraum die Entstehung der Hand-

8 STEFAN PÄTZOLD, Amtsbücher des Mittelalters. Überlegungen zum Stand ihrer Erforschung, in: Archivali-

sche Zeitschrift 81 (1998), 87–111, hier 98. 9 MERSIOWSKY, Anfänge (wie Anm. 7), 39. 10 THOMAS JUST, Österreichische Rechnungen und Rechnungsbücher, in: Quellenkunde der Habsburgermo-

narchie. Ein exemplarisches Handbuch, hg. v. Josef Pauser – Martin Scheutz – Thomas Winkelbauer, Wien/München 2004 (MIÖG, Erg. Bd. 44), 457–467, hier 463.

11 Wolfger von Erla gab am 12. November 1203 Walthero de Vogelweide, der sich zu dieser Zeit gerade im Gefolge des Passauer Bischofs befand, für einen Pelz die genannten fünf langen Schilling (pro pellicio 5 so-lidos longos). Die Bedeutung des kurzen Eintrags für die Walther-Forschung liegt nun darin begründet, dass die genannte Stelle das einzig durch Quellen belegte Datum für das Leben des Dichters ist „und gleich-zeitig den einwandfreien urkundlichen Beweis für seine reale Existenz und seinen Namen“ bildet. HEDWIG

HEGER, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla, Wien 1970, 16; dort auch die maßgebliche Edition der Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Erla, die uns in zweifacher Ausfertigung – einmal als zeitnahes Konzept und einmal als jünge-re Reinschrift – überliefert ist. Die hier zitierte Stelle aus dem Konzept der Reiserechnung, s. ebd., 81. Zur Sache vgl. zuletzt auch HERMANN REICHERT, Walther: Schaf im Wolfspelz oder Wolf im Schafspelz? in: Der achthundertjährige Pelzrock. Walther von der Vogelweide – Wolfger von Erla – Zeiselmauer. Vorträge gehalten am Walther-Symposion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vom 24. bis 27. Sep-tember 2003 in Zeiselmauer (Niederösterreich), hg. v. dems. unter Mitwirkung von Ann Cotten, Wien 2005 (Sitzungsberichte / Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 721), 449–506, hier bes. 470–484.

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schrift auch zu datieren ist. Das Rechnungsbuch stammt somit aus der Zeit Bischof Bert-holds von Freising (1381–1410), der zugleich einer der bedeutendsten Politiker am Hof der habsburgischen Herzoge Albrecht III. und Wilhelm war.12 Die Freisinger Handschrift gelangte nach Aufhebung des Fürstbistums 1802/03 an das kurfürstliche Geheime Landes-archiv, das heutige Bayerische Hauptstaatsarchiv München, wo es unter der Signatur „HL Freising 69“ aufbewahrt wird.13 Das Hauptstaatsarchiv digitalisierte jüngst in Zusammen-arbeit mit der Bayerischen Landesbibliothek das Rechnungsbuch sowie weitere Handschrif-ten aus ihren Beständen und stellte diese online.14 Das Hochstift Freising verfügte bis zu seiner Aufhebung über bedeutenden Besitz in den habsburgischen Ländern Österreich unter der Enns, Steier, Krain und Tirol sowie in Bayern selbst. Sieht man sich die im Rechnungsbuch verzeichneten Grundherrschaften an, so ist der dem Kodex gegebene Titel – der im Übrigen in der Quelle keine Entsprechung findet – gleich mehrfach unpassend zu nennen. So ist die gesonderte Nennung von Kärnten im Titel irreführend, da das Herzogtum bereits 1335 an die Habsburger gefallen war und gemein-sam mit deren Ländern die Herrschaft Österreich bildete. Überdies findet sich im Rech-nungsbuch keine Herrschaft in dem Gebiet des damaligen Kärntens, da das Bistum dort am Ende des 14. Jahrhunderts auch keine besaß.15 Weiters enthält das Rechnungsbuch neben 12 Berthold von Wehingen, geboren um 1345/50, stammte aus einem ursprünglich schwäbischen Ritterge-

schlecht, das Mitte des 14. Jahrhunderts in Klosterneuburg eine neue Heimat fand. Bereits Bertholds Vater Hugo von Wehingen stand zum österreichischen Herzog in engem Kontakt. Nach Studien in Wien und Prag folgte ein steter Aufstieg auf der geistlichen Karriereleiter. Ab 1381 hatte er die Würde des Bischofs von Freising inne. 1404 wurde er von Papst Bonifaz IX. zum Erzbischof von Salzburg ernannt, wo er sich je-doch nicht durchsetzen konnte. 1406 verzichtete er schlussendlich auf diesen Titel und kehrte wieder in das Bistum Freising zurück, welches er in der Zwischenzeit als Administrator in spiritualibus et temporalibus innegehabt hatte. Seit 1381 lässt sich Berthold an der Spitze der Kanzlei Albrechts III. nachweisen, wo er zu einem der bedeutendsten Politiker aufsteigen konnte. Berthold von Wehingen starb am 7. September 1410. Zu Leben und Wirken vgl. MANFRED HEIM – FRANZ ORTNER, Art. Berthold von Wehingen (um 1345–1410). 1381–1404 Bischof von Freising. 1404 Ernannter Erzbischof von Salzburg. 1404–1406 Administra-tor von Freising. 1406–1410 Bischof von Freising, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, bearb. v. Clemens Brodkorb, hg. v. Erwin Gatz, Berlin 2001, 201f.; LEOPOLD STIERLE, Die Herren von Wehingen. Ein schwäbisches Rittergeschlecht im Dienste der Grafen von Hohenberg, der Babenberger, König Ottokars II. von Böhmen und der Habsburger. Seine verschiedenen Zweige in Niederösterreich und Mähren, in Tirol und in der angestammten Heimat, Sigmaringen 1989, bes. 28–37; JOSEF LENZENWEGER, Berthold von Wehingen, nicht-residierender Bischof von Freising und nicht-inthronisierter Erzbischof von Salzburg, in: Historische Blickpunkte. Festschrift Johann Rainer zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern, hg. v. Sabine Weiss, Innsbruck 1988 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 25), 383–390; HUBERT STRZEWITZEK, Die Sippenbeziehun-gen der Freisinger Bischöfe im Mittelalter, München 1938 (Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte, 3. Folge: 16), bes. 240–242.

13 Zur Übernahme der Archivalien nach der Aufhebung des Hochstifts vgl. PETER PFISTER, Die Archive auf dem Freisinger Domberg und ihr Schicksal in der Säkularisation 1802/03, in: Blaznikov zbornik (wie Anm. 3), 181–192, hier 189–191. Die im Verlaufe der Untersuchung angeführten Quellenbelege beziehen sich ausnahmslos auf diese Handschrift, weswegen aus platzökonomischen Gründen auf die Nennung der Signa-tur verzichtet wird.

14 Vgl. http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/hsta/freisingertraditionen/abrechnung.html mit einer grundlegenden Handschriftenbeschreibung und einem Kommentar von Adelheid KRAH, Zugriff: 24.09.2008. Die digitalen Faksimiles bildeten auch die Grundlage für die vorliegende Untersuchung.

15 Zur Rolle des Bistums Freising im früh- und hochmittelalterlichen Herzogtum Kärnten vgl. JOHANNES

GRABMAYER, Freising in Kärnten, in: Hochstift Freising. Beiträge zur Besitzgeschichte, hg. v. Hubert Gla-ser, München 1990 (Sammelblatt des Historischen Vereins Freising 32), 319–332 sowie KARL BRUNNER, Herzogtümer und Marken. Vom Ungarnsturm bis ins 12. Jahrhundert, Wien 2003 (Österreichische Ge-

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den Abrechnungen mit den „österreichischen“ Amtleuten auch Abrechnungen mit dem Kastner von Freising16 bzw. finden sich auch raciones kathedratici, wo Abgaben von Kir-chen an den Bischof verzeichnet sind.17 Angesichts der hier skizzierten Einwände und mit der Ergänzung, dass das Wort Beamte besser durch das quellennähere Amtleute zu ersetz-ten ist, wäre es wohl passender von einem „Abrechnungsbuch der Freisinger Amtleute in den österreichischen Ländern und Bayern“ bzw. überhaupt gleich von einem „Rechnungs-buch Bischof Bertholds von Freising“ zu sprechen. Die in der Quelle häufig wiederkehren-de Nennung des Bischofs (mein herr), die Abrechnungen des cathedraticum, welches dem Bischof nicht als Inhaber einer Herrschaft, sondern in seiner Funktion als Bischof von Freising zustand, die Tatsache, dass hier nur die bischöflich-freisingischen Herrschaften – und nicht etwa die des Domkapitels – enthalten sind sowie die vor allem durch seine bauli-chen Maßnahmen durchgehend erkennbare Präsenz des Bischofs in der Quelle lassen die vorgeschlagene Benennung gerechtfertigt erscheinen. Auszüge aus dem Rechnungsbuch wurden von Pavle BLAZNIK ediert und zwar jeweils die Abrechnungen eines Jahres für die krainischen Herrschaften Bischoflack/Škofja Loka und Klingenfels/Klevevž.18 In der Forschung fand das Rechnungsbuch auf Grund der fehlenden Edition nur wenig Widerhall, am ehesten noch in Nachfolge BLAZNIK s in der slowenischen Geschichtsforschung19 bzw. im Rahmen von Forschungen zu einzelnen Herrschaften.20

schichte 907–1156), 97–99 mit weiterführender Literatur 448f.

16 Auf fol. 24r–27r für das Jahr 1396, 108v–110v für 1399, 139v–140v für das Jahr 1400, 141r–141v für 1397 und 142r–143r für 1398.

17 Auf fol. 89v für das Jahr 1398 und fol. 90r für 1399. Das cathedraticum war eine festgesetzte, jährlich zu leistende Abgabe der Benefiziaten in Pfarrkirchen, Kollegiatkirchen und Kapellen, vgl. PETER LANDAU , Art. Cathedraticum, in: LMA 2 (1980), 1575f. Das cathedraticum kann als ein Zeichen der Unterordnung des Benefiziaten gegenüber dem ordinarius loci und als Ehrengabe an diesen gesehen werden, vgl. CAROLA

BRÜCKNER, Das ländliche Pfarrbenefizium im hochmittelalterlichen Erzbistum Trier. Fortsetzung und Schluß, in: Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 85 (1999), 298–386, hier 323f. Die Höhe der Abgabe entsprach laut Rechnungsbuch nicht den in der Literatur genannten üblichen zwei solidi pro Benefizium, sondern betrug exakt 36 Pfennig bzw. umgerechnet einen Schilling und sechs Pfennig. Für das Dekanat Frauenberg etwa, das 15 Kirchen umfasste, brachte die Abgabe in Summe 18 Schilling ein, wobei noch vermerkt ist, dass diese in Münchner Münze entrichtet wurde (fol. 89v). Zum Münchner Pfennig im Untersuchungszeitraum vgl. MARKUS A. DENZEL, Münchens Geld- und Kreditwesen in vormoderner Zeit: Regionales Wirtschaftszentrum im Schatten der Reichsstädte und Satellit der Residenz (Spätmittelalter bis 18. Jahrhundert), in: Geschichte des Finanzplatzes München, hg. v. Hans Pohl, München 2007, 1–40, hier 26–28. Zu den bischöflichen Eigenkirchen in Freising vgl. HELMUTH

STAHLEDER, Bischöfliche und adelige Eigenkirchen des Bistums Freising im frühen Mittelalter und die Kirchenorganisation im Jahre 1315, in: Oberbayerisches Archiv 104 (1979), 117–188 und 105 (1980), 7–69.

18 PAVLE BLAZNIK (Hg.), Srednjeveški urbarji za Slovenijo, Bd. 4: Urbarji Freisinske Skofije, Ljubljana 1963 (Viri za zgodovino Slovencev 4). Im Folgenden unterbleibt bei den beiden Herrschaften die deutsch-slowenische Doppelbezeichnung, sondern es wird der Quelle entsprechend der dort üblichen deutschen Be-nennung der Vorzug gegeben.

19 Vgl. etwa die Festschrift in memoriam Pavle Blaznik und besonders den darin enthaltenen Aufsatz von MATJAŽ BIZJAK, Entwicklung, Verwaltung und Geschäftsführung des Freisinger und Brixner Besitzes in Krain im Mittelalter, in: Blaznikov zbornik (wie Anm. 3), 125–140.

20 Hier sind die Arbeiten Weigls zu Waidhofen a. d. Ybbs zu nennen, bes. HERWIG WEIGL, Eisen oder Tinte? Waidhofen an der Ybbs im Spätmittelalter und die Quellen seiner Geschichte, in: Waidhofen an der Ybbs und die Eisenwurzen. Die Vorträge des 18. Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landes-kunde, Waidhofen an der Ybbs, 6. bis 9. Juli 1998, hg. v. Willibald Rosner – Reinelde Motz-Linhart, St. Pölten 2004 (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 32), 55–

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Die Beschäftigung mit und die Kenntnis von dem Rechnungsbuch ist angesichts der For-schungslage rudimentär zu nennen – und dies trotz seines hohen Evidenzwertes.21 Eine durchaus lohnende Edition der Quelle würde ihr wohl auch in der österreichischen Ge-schichtsforschung mehr Beachtung verschaffen.

Die bischöflich-freisingischen Herrschaften in den Ländern des Hauses Habsburg und in Bayern Das Hochstift Freising hatte im Gebiet seiner Diözese nur wenig Besitz, diesen Territorien verdankten seine Bischöfe jedoch die Reichsfürstenwürde. Zu den reichsunmittelbaren Gebieten des Hochstifts – allesamt in Bayern gelegen – gehörten die Stadt Freising selbst, die Grafschaften Ismaning und Werdenfels sowie die Herrschaft Isen-Burgrain.22 In diesen Gebieten besaßen sie landesherrliche Gewalt, konnten Maut und Zoll einheben, übten die Blutgerichtsbarkeit aus oder hatten etwa das Recht eigene Münzen zu prägen. Diese Gebie-te gehen größtenteils auf Schenkungen an die Kirche von Freising zurück, die ab der Grün-dung des Bistums 739 bis etwa zur Mitte des 9. Jahrhunderts erfolgten.23 Weitaus umfangreicher dagegen war der Besitz des Hochstifts in der Herrschaft zu Öster-reich, der über die Länder Niederösterreich, Steiermark, Krain und Tirol verstreut lag. Diese Grundherrschaften gingen großteils auf königliche Schenkungen des 10. und 11. Jahrhunderts zurück und wurden von den Freisinger Bischöfen zu durchaus bedeuten-den Herrschaften ausgebaut. Es handelt sich dabei um die Herrschaften Innichen in Tirol mit einigen Weingärten in Gries bei Bozen, Bischoflack mit der Burg Klingenfels in Krain, Rothenfels mit der Stadt Oberwölz in der Steiermark sowie Waidhofen a. d. Ybbs, Ulmer-feld, Groß-Enzersdorf und Hollenburg mit dem „Wachau“ genannten Dorf Weißenkirchen an der Donau in Niederösterreich.24 Die genannten Herrschaften begegnen uns auch sämt-lich im Rechnungsbuch. Im Kontrast zu den reichsunmittelbaren bayerischen Besitzungen hat AMMER die „österreichischen“ Grundherrschaften als „Privatbesitz“ des Hochstifts charakterisiert.25 Am Beispiel der freisingischen Herrschaft Waidhofen a. d. Ybbs konnte

123; DERS., Bayrisch Waidhofen? Die freisingische Herrschaft im Land Österreich, in: Die bayerischen Hochstifte und Klöster in der Geschichte Niederösterreichs. Vorträge und Diskussionen des siebenten Sym-posions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde Waidhofen an der Ybbs, 7.–9. Juli 1986, hg. v. Helmuth Feigl – Ernst Bezemek – Wolfgang May – Willibald Rosner, Wien 1989 (Studien und For-schungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 11 / NÖ-Schriften 29, Wissenschaft), 31–76 und DERS., Waidhofen an der Ybbs und das 14. Jahrhundert. Ein- und Ausblicke, in: Waidhofner Heimatblätter 14 (1988), 1–30.

21 Neben dem bereits genannten Notizbuch Bischof Konrads nennt Mersiowsky an erhaltenen Rechnungen des Hochstifts Freising aus dem Mittelalter lediglich noch das vorliegende Rechnungsbuch Bischof Bert-holds sowie ein jüngeres aus 1437–1440, vgl. MERSIOWSKY, Anfänge (wie Anm. 7), 73.

22 Vgl. Hochstift Freising (Freising, Ismaning, Burgrain), bearb. v. Helmuth Stahleder, nach Vorarbeiten von Kurt Steigelmann, München 1974 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern 33).

23 Die immer noch ausführlichste Darstellung zum Grundbesitz des Hochstifts bietet ALFONS AMMER, Der weltliche Grundbesitz des Hochstifts Freising, in: Wissenschaftliche Festgabe zum 1200-jährigen Jubiläum des heiligen Korbinian, hg. v. Joseph Schlecht, München 1924, 299–336, zum reichsunmittelbaren Besitz bes. 307–314. Eine prägnante Darstellung zuletzt auch bei THOMA, Grundherrschaft (wie Anm. 3), hier 27–30. Die Grafschaft Werdenfels weicht von dem genannten Schema ab. Sie entstand aus der Abrundung des Gutes Garmisch, das man 1249, und der Grafschaft Partenkirchen und Mittenwald, die man 1294, gekauft hatte, vgl. DIETER ALBRECHT, Grafschaft Werdenfels (Hochstift Freising). Text und Karte, München 1955 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern 9), 2f.

24 AMMER, Grundbesitz (wie Anm. 23), hier 316–329. 25 Ebd., 306.

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WEIGL diesen Befund exemplifizieren, in dem er zeigte, dass die Stadt Waidhofen – wie auch jede andere „auswärtige“ Grundherrschaft – im Laufe des 14. Jahrhunderts der Festi-gung und Durchsetzung der Landeshoheit durch die Habsburger unterworfen war und dass Waidhofen zu keiner Zeit einen exterritorialen Charakter aufwies, sondern dass im Gegen-teil die Tatsache, dass die Stadt wie auch ihre Herren mit der Landstandschaft die Steuern zahlten, „ein entscheidendes und jede weitere Frage ausschließendes Kriterium für die Landeszugehörigkeit ist“.26 Auch in anderen Ländern waren die freisingischen Besitzungen keineswegs von der Landesherrschaft unabhängig, sondern Teil des jeweiligen „Landes“.27 Bei den Herrschaften eines Hochstifts muss immer auch gefragt werden, ob es sich dabei um Besitzungen des Bischofs oder um solche des Domkapitels handelt. Für Freising kann festgestellt werden, dass die zur mensa episcopalis, also dem Bischof dienenden Herrschaf-ten großteils in Österreich zu finden waren und dass er in Bayern nur wenig Besitz hatte, wohingegen es sich beim Domkapitel genau umgekehrt verhielt.28 Das vorliegende Rech-nungsbuch beinhaltet jedenfalls ausschließlich die bischöflichen Herrschaften.

Die Rechnungslegungen in den Herrschaften Rechnungen waren bis in das 16. Jahrhundert hinein „in erster Linie Kontrollinstrument“.29 Es ging also nicht so sehr darum, den wirtschaftlichen Ertrag der einzelnen Herrschaften zu erfassen, also nicht im Sinne des modernen Rechnungswesens um das Vergleichen von Soll und Haben zur Bildung von Bilanzen. Primär ging es darum den eigenen Besitzstand vor Entfremdung zu schützen und eine im Sinne des Amtsherren entsprechende Verwendung zu gewährleisten. Die Frage von Gewinn und Verlust war nur sekundär. In diesem Sinne ist der Prozess der Rechnungslegung und die damit einhergehende und sich entwickelnde Verschriftlichung zugleich ein Mittel der Herrschaftsverdichtung. Die genannten Gründe erklären auch, warum es abseits der dem Begriffspaar Überlieferungs-Zufall und Überliefe-rungs-Chance30 geschuldeten Faktoren nicht möglich ist, die Frage nach dem Gesamtetat eines (spät-)mittelalterlichen Territoriums zu beantworten: weil sie den Autoren der Quel-len „überhaupt nicht in den Sinn gekommen ist“.31

26 WEIGL, Bayrisch Waidhofen (wie Anm. 20), 37. Die Bischöfe von Freising bzw. deren Vertreter saßen bei

Landtagen nicht im Prälatenstand, sondern im Herrenstand, vgl. auch BRUNNER, Land und Herrschaft (wie Anm. 2), 197f.

27 Vgl. ALOIS NIEDERSTÄTTER, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter, Wien 2001 (Österreichische Geschichte 1278–1411) 218–220, der die große freisingische Grundherrschaft Bischoflack als zum Land Krain gehöriges Beispiel anführt.

28 Vgl. PETER PFISTER, Die geschichtlichen Beziehungen des Bistums Freising zu Slowenien in der Spätgotik im Lichte der Archivbefunde in Bayern, in: Bayern und Slowenien in der Früh- und Spätgotik. Beziehungen – Anregungen – Parallelen. Erstes Slowenisch-Bayerisches Kunstgeschichtliches Kolloquium, hg. v. Janez Höfler – Jörg Träger, Regensburg 2003, 59–78, hier 69. Zu den Besitzungen des Domkapitels im Land un-ter der Enns und in Tirol vgl. dessen Urbar, ediert bei JOSEPH ZAHN (Hg.), Codex diplomaticus Austriaco-Frisingensis. Sammlung von Urkunden und Urbaren zur Geschichte der ehemals freisingischen Besitzungen in Österreich. Bd. 3, Wien 1871 (FRA II/36), 39–51. Zum Freisinger Domkapitel und dessen wirtschaftli-cher Grundlage vgl. HERMANN-JOSEPH BUSLEY, Die Geschichte des Freisinger Domkapitels von den An-fängen bis zur Wende des 14./15. Jahrhunderts, Diss. München 1956.

29 MERSIOWSKY, Anfänge (wie Anm. 7), 131f. 30 Zu dem Begriffspaar vgl. ARNOLD ESCH, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodi-

sches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240 (1985), 529–570. 31 WILHELM JANSSEN, Die kurkölnischen Territorialrechnungen des Mittelalters, in: Jahrbuch für westdeutsche

Landesgeschichte 6 (1980), 97–115, hier 101.

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Über die bischöflich-freisingische Verwaltung der österreichischen Herrschaften zur Zeit Bischof Bertholds liegen uns keine Untersuchungen vor.32 Wir dürfen aber annehmen, dass sich die Rechnungslegung der freisingischen Amtleute nicht allzu sehr von der der herzog-lichen Amtsträger in Österreich zu dieser Zeit unterschieden haben wird, umso mehr, als Bischof Berthold die Kanzlei für die habsburgischen Herzoge – nämlich für Albrecht III. und nach dessen Tode 1395 für Wilhelm – in dieser Zeit leitete.33 Christian LACKNER konnte in seiner Untersuchung über das Rechnungsbuch Herzog Albrechts III., das für die Jahre 1392 bis 1394 geführt wurde, den Ablauf der Rechnungslegung nachzeichnen:34 Grundlage für die Rechnungslegung waren die von den Amtsträgern mitgebrachten schrift-lichen Aufzeichnungen, wohl in Form von Heften oder Einzelblättern. In diese wurden während des Jahres die laufenden Einnahmen und Ausgaben eingetragen, um am Abrech-nungstag die Flüsse an Geld und Naturalien darlegen zu können. Bei den Ausgaben – so der Amtsträger das Amt nicht gegen Bestandgeld innehatte – finden sich Hinweise dafür, dass sich die herzoglichen Amtleute ihre Ausgaben von den Zahlungsempfängern quittieren ließen, um diese Belege bei Rechnungslegung vorlegen zu können. Die Rechnungslegung selbst fand an einem vereinbarten Termin vor einer Kommission statt, wo ein protokollie-render Notar die mittels Abakus und Rechenmünzen geprüften Rechnungen in das Rech-nungsbuch eintrug. Die herzogliche Kanzlei stellte den Amtleuten über die abgelegte Rechnung eine Urkunde – „Raitbrief“ bzw. „Rechnungsbrief“ genannt – aus, wo unter Auslassung von Einnahmen und Ausgaben lediglich die positive oder negative Endsumme festgehalten wurde. Für das vorliegende Rechnungsbuch über die freisingischen Herrschaften darf ein ähnliches Prozedere angenommen werden. Wiederholt genannte Schreiber der Grundherrschaft35 waren vermutlich für die Niederschrift der laufenden Rechnungsführung der Amtleute zuständig.36 Vor allem bei den Ausgaben an Geld werden in den Rechnungen der Amtleute häufig littere – einmal auch als quitbrief bezeichnet37 – genannt, wobei es sich um Bestäti-gungen von Zahlungsempfängern für erhaltene Gelder bzw. Naturalien wie Hafer oder Wein handelt. Die herrschaftlichen Pfleger, die uns sämtlich aus dem Rechnungsbuch na-mentlich bekannt sind, legten persönlich über die Einnahmen und Ausgaben Rechnung. Ort der Abrechnung war dabei fast immer Wien,38 wo das Hochstift seit der 2. Hälfte des

32 Einen Überblick über die Verwaltung des Krainer Besitzes bei BIZJAK, Entwicklung (wie Anm. 19). Eine

Untersuchung für das Hochmittelalter auf Grundlage der ältesten freisingischen Urbare bei THOMA, Grund-herrschaft (wie Anm. 3). Zum Rechnungswesen der österreichischen Städte mit Schwerpunkt Neuzeit vgl. ANDREA PÜHRINGER, Rechnungen der Finanzverwaltung in den österreichischen Städten, in: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (wie Anm. 10), 611–624.

33 Zur Rolle und Bedeutung Bertholds für die Herzoge Albrecht III. und Wilhelm von Österreich und für die Kanzlei vgl. CHRISTIAN LACKNER, Hof und Herrschaft: Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365–1406), München 2002 (MIÖG, Erg. Bd. 41), 276–279 und besonders 299–307.

34 CHRISTIAN LACKNER, Ein Rechnungsbuch Herzog Albrechts III. von Österreich. Edition und Textanalyse, Wien 1996 (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 23), bes. 18–22.

35 In Oberwölz etwa war der Schreiber auch für die Führung des Urbars zuständig (fol. 70r). 36 Zum Beispiel auf 12v, wo für den Schreiber des Amtmannes in Bischoflack 6 Mark Lohn in Rechnung

gestellt wurden. 37 Fol. 111r. 38 Ausnahmen etwa sind die nur wenige Kilometer von Wien entfernte Herrschaft Groß-Enzersdorf, wo mit

dem Kastner Ulrich ebendort abgerechnet wurde. Auf der anderen Seite musste Leo Ofner, Richter in Inni-chen, in Wien Rechnung legen. Vgl. fol. 15r für das Jahr 1396 und 41v für das Jahr 1397.

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12. Jahrhunderts einen eigenen Hof besaß.39 Dieser befand sich am Graben in der Nähe von St. Peter und wurde von einem Hofmeister geführt.40 Über die bei der Rechnungslegung auf Seiten des Amtsherren anwesenden Personen erhal-ten wir in der Quelle keine Informationen. Für die persönliche Anwesenheit des Bischofs bei Rechnungslegung finden sich Hinweise,41 sie wird vielleicht nicht die Regel gewesen sein. Ohne Zweifel war jedoch der bischöflich-freisingische Kanzler, Eberhard von Knö-ringen, entscheidend in den Prozess der Rechnungslegung wie auch allgemein in der Ver-waltung der bischöflich-freisingischen Herrschaften eingebunden. Vielleicht dürfen wir in ihm auch den Schreiber des Rechnungsbuchs sehen. Eberhard ist seit Anfang des Jahres 1395 als bischöflicher Kanzler nachweisbar und stand im Gefolge seines Bischofs wie dieser in Diensten der herzoglichen Kanzlei.42 Wiederholt begegnet er in den Rechnungen der herrschaftlichen Pfleger. Im Rechnungsjahr 1397 musste beispielsweise der freisingi-sche Pfleger und Richter von Innichen, Leo Ofner, für Boten von Innichen nach Oberwölz und Sarnthein bei Bozen aufkommen, die im Auftrag des Knöringers unterwegs gewesen sind.43 Johann, Kastner (granator) in Freising, hat im Rechnungsjahr 1396 wiederum Aus-lagen von acht Mut Hafer für Eberhard an seinem gevert gen Swaben geltend gemacht.44 Die Rechnungsleger waren die herrschaftlichen Pfleger selbst. Es waren dies vom Bischof beauftragte Amtleute, die in den einzelnen Herrschaften als sein Stellvertreter in weltlichen Belangen fungierten. Sie erfüllten Verwaltungsaufgaben und übernahmen dabei oft auch richterliche Funktionen.45 Die Bezeichnung „Amtleute“ ist ein Sammelbegriff für diese Stellvertreter des Bischofs, die in den Quellen – je nach Status und Funktion – unterschied-liche Bezeichnungen wie granator (Kastner), iudex (Richter), castellanus (Burggraf) oder

39 Der Tradition zufolge geht der Bau bzw. Erwerb des Hofs auf Bischof Otto von Freising (1138–1158)

zurück, was aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen mit den in Wien residierenden Babenber-gern durchaus plausibel erscheint. Zum Hof vgl. ULRIKE GÖTZ, Der Freisinger Hof in Wien. Neubauprojek-te im 17. und 18. Jahrhundert, in: Hochstift Freising (wie Anm. 15), 367–406, hier 370. Als eine weitere Möglichkeit für den Ort der Abrechnung ist die herzogliche Kanzlei am Petersfreithof in Erwägung zu zie-hen. Für den Kauf dieses Hauses übernahm Bischof Berthold die Vorfinanzierung in der Höhe von 150 tl, wofür ihm Herzog Albrecht III. am 4. Mai 1391 das Nutzungsrecht an dem neuen Kanzleigebäude bis zu dessen vollständiger Rückzahlung gewährte. Vgl. LACKNER, Hof und Herrschaft (wie Anm. 33), 307 Anm. 211; WINFRIED STELZER, Zur Kanzlei der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg (1282–1365), in: Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter. Referate zum VI. Internationalen Kongreß für Diplomatik. Bd. 1, hg. v. Gabriel Silagi, München 1984, 297–313, hier 304 Anm. 38. Text der Urkunde bei OTTO H. STOWASSER, Die österreichischen Kanzleibücher vornehmlich des 14. Jahrhunderts und das Aufkommen der Kanzleivermerke, in: MIÖG 35 (1914), 688–724, hier 693.

40 Vgl. GÖTZ, Freisinger Hof (wie Anm. 39), 370. Dem Hofmeister war auch die Obhut über den Kasten anvertraut, in dem die Lieferungen aus den Herrschaften gelagert wurden. Der Freisinger Hof wurde 1773 von Johann Thomas Trattner gekauft. Er ließ an seiner Stelle ein neues Zinshaus errichten. Nach Trattner wird das Haus auch heute noch Trattnerhof genannt.

41 Vgl. etwa fol. 57v für Groß-Enzersdorf: Item als mein herr ist herchomen an pfincztag nach Georii zu der raittung.

42 Vgl. LACKNER, Hof und Herrschaft (wie Anm. 33) 307; ALFRED A. STRNAD, Kanzler und Kirchenfürst. Streiflichter zu einem Lebensbilde Bertholds von Wehingen, in: Ders., Dynast und Kirche. Studien zum Verhältnis von Kirche und Staat im späteren Mittelalter und in der Neuzeit, hg. v. Josef Gelmi – Helmut Gritsch – Caroline Baldemair, Innsbruck 1997 (Innsbrucker historische Studien 18/19), 215–246, hier 233 Anm. 19.

43 Fol. 41v. 44 Fol. 26r. Für weitere Beispiele vgl. etwa auch fol. 9r und 31v (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). 45 Der Amtmann in Innichen war etwa der iudex Leo Ofner (vgl. fol. 15r, 41v).

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einfach officialis (Amtmann) trugen.46 Zu ihren Pflichten zählte es dem Bischof von Frei-sing über die Einnahmen und Ausgaben aus ihrem Amt persönlich Rechnung zu legen. Der Rechnungszeitraum erstreckte sich in der Regel vom Festtag des hl. Georg (24. April) bis zum Georgsfest des nächsten Jahres. Als einzige konsequente Ausnahme von dieser Regel ist lediglich das Hospital des hl. Sigismund in Oberwölz zu nennen, wo das Rechnungsjahr mit dem Festtag der Heiligen Fabianus und Sebastian (20. Jänner) begann.47 Auch unvor-hergesehene Fälle konnten zu einem Abweichen von der Regel führen. Für gewöhnlich wurde beispielsweise mit dem Kastner Johann bzw. Hans von Prugg, der als bischöflicher Pfleger in der Herrschaft Waidhofen a. d. Ybbs fungierte, das Rechnungsjahr mit dem Georgitag vereinbart.48 Da der Kastner jedoch während des Jahres verstarb, wurde mit seiner Frau Ursula bereits am 26. November in Waidhofen abgerechnet. Der Abrechnungs-zeitraum erstreckte sich nach Auskunft der Quelle vom Georgitag (24. April) bis zum Lampertitag (17. September) des Jahres 1399. Wir können daher annehmen, dass Hans von Prugg kurz zuvor verstorben ist. Die Abrechnung mit den herrschaftlichen Pflegern geschah an keinem festgelegten Tag, es lässt sich auch kein bestimmtes Muster erkennen. Wie die Rechnungslegung an sich von-statten ging, lässt sich aus der Quelle selbst nur ansatzweise herauslesen. Den Amtleuten wurde nach erfolgter Rechnungslegung ein Raitbrief ausgestellt, in der das negative oder positive Ergebnis festgehalten wurde und der bei Rechnungslegung im folgenden Jahr vorzulegen war.49 Abschließend wurden die Rechnungen von herrschaftlicher Seite in das Rechnungsbuch eingetragen. Dass protokollarisch – also gleichsam ad hoc – in das Rech-nungsbuch eingetragen wurde, kann auf Grund der erwähnten chronologischen „Verstöße“ in der Reihe der Einträge ausgeschlossen werden. Die Einträge im Rechnungsbuch folgen einem bestimmten, sich wiederholenden Aufbau, an dessen Anfang die formelhafte Wendung racio facta est gefolgt vom Jahr der Abrech-nung, dem Rechnungszeitraum, dem Namen des Amtmannes sowie dem Datum der Rech-nungslegung steht. Die Rechnungslegung erfolgte fast immer jährlich, seltener ließ man zwei oder gar drei Jahre zusammenkommen, um dann diese gemeinsam abzurechnen.50 Sie folgen prinzipiell einer strengen chronologischen Ordnung, wobei leichte „Verstöße“ gegen diese vorkommen konnten. Beispielsweise findet sich die Abrechnung mit dem Amt Ul-merfeld vom 6. Juli 1398 noch vor der Abrechnung über das Ungeld von Waidhofen vom 4. Juli 1398.51 Solche Verstöße sind selten und umfassen lediglich den Zeitraum von eini-gen Tagen. Vermutlich wurden Rechnungslegungen innerhalb eines bestimmten, eng zu-sammen liegenden Zeitraums gesammelt und dann in einem Zug in das Rechnungsbuch eingetragen. Nach den oben genannten einleitenden Angaben, die auch im Bezug auf das „Layout“ den Kopf der Rechnungslegungen bilden, folgen der Reihe nach die Einnahmen

46 Für die Bezeichnung der Ämter finden sich im Rechnungsbuch neben den lateinischen auch die deutschen

Bezeichnungen. Generell ist anzumerken, dass der zeittypische Wechsel von Deutsch und Latein auch für die vorliegende Quelle gegeben ist.

47 Vgl. fol. 30v und 117v. 48 So etwa für die Jahre 1396 (fol. 7r), 1397 (fol. 38r) und 1398 (76r). 49 Vgl. die Anmerkung zur Abrechnung des Rechnungsjahres 1398/99 für Groß-Enzersdorf: Primo ist er uncz

schuldig beliben nach laut des raitbriefs (fol. 79r). 50 So etwa am 29. April 1398 über die Einnahmen und Ausgaben des Hospitals in Groß-Enzersdorf für die

Rechnungsjahre 1396 und 1397 (fol. 51v–52v), am 16. Okt. 1400 wurde Rechnung gelegt für das Hospital in Oberwölz für die Jahre 1398, 1399 und 1400 (fol. 117v–118v).

51 Die sabbati post Vdalrici (fol. 46r, Ulmerfeld) gefolgt von die sancti Vdalrici (fol. 49v, Waidhofen).

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und Ausgaben, gegliedert nach den Kategorien Geld und landwirtschaftliche Ertragsgü-ter.52

Der agrarische Charakter des Rechnungsbuchs Auf Grundlage des Rechnungsbuchs konnte für die Herrschaft Bischoflack errechnet wer-den, dass der Anteil der Agrarproduktion an den Gesamteinnahmen gut 90% ausmachte und dass die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld umgerechnet knapp 1800 Mark Pfennig betrug. Stellt man diesen Einnahmen die im Rahmen der Herrschaftsverwaltung getätigten Ausgaben gegenüber, so ergibt sich im Durchschnitt ein Gewinn von ca. 50%, die dem Bischof verblieben; ein Wert, der auch mit den Zahlen aus jüngeren freisingischen Rech-nungsbüchern (1437–1441, 1485–1490) in etwa übereinstimmt.53 Von den Agrargütern sind so gut wie in jeder Herrschaft Einnahmen an Getreide (bladum), Roggen (siligo) oder Hafer (avena) verzeichnet, seltener dagegen solche an Käse (caseus), Wein (vinum) und Hirse (milium).54 Eine lokale Eigenheit bildete dagegen der Handel mit Malz und der Anbau von Hopfen (humulus) in der Herrschaft Oberwölz.55 Seltener sind auch die Hinweise auf den Anbau von Safran56 oder Kraut.57 Tierzucht gab es nach Aus-kunft des Rechnungsbuchs in den Herrschaften selbstverständlich ebenso: Die zu erwarten-de Begegnung mit Schwein und Rind stellt für unser heutiges Geschmacksempfinden noch kein besonders exotisches Erlebnis dar; die Zucht von Pfauen (phaben)58 in Waidhofen und das Wissen, dass diese Vögel nicht nur als Ziervögel, sondern auch als Speisetiere gehalten wurden,59 vielleicht schon eher. Darüber hinaus sind insbesondere Ochsen zu erwähnen, die laut Rechnung von 1398 von den Pflegern des Bischofs in Petronell gehal-ten, nach Groß-Enzersdorf getrieben und 33 davon nach Wien verkauft wurden.60 Auf

52 Mersiowsky hat in seiner Untersuchung über spätmittelalterliche Rechnungen große Ähnlichkeiten in der

formalen Gestaltung der Rechnungen des Mittelalters erkannt und diesbezüglich eine Typologie erstellt. Das vorliegende Rechnungsbuch entspricht dabei einem Typ von Rechnungen, den Mersiowsky „überschrifts- und summengegliederte, differenzierte Textblock- oder Einzelbuchungsrechnung“ bezeichnet und der sich seit den 20er Jahren des 14. Jahrhunderts nachweisen lässt. Vgl. MERSIOWSKY, Anfänge (wie Anm. 7), 113.

53 Zu den genannten Zahlen sowie einer detaillierten Aufschlüsselung der Einkünfte nach verschiedenen Rechtstiteln vgl. BIZJAK, Entwicklung (wie Anm. 19), 136–138.

54 Die letzten drei genannten Güter beispielsweise sind für die Herrschaft Lack belegt (vgl. zu 1396, fol. 10v–14v).

55 So etwa im Jahr 1396, fol. 5r. Hopfen wurde übrigens in der Maßeinheit achtinger vertrieben, wobei ein achtinger Hopfen auf 31 Pfennig kam. Zum Ächtinger vgl. DRW 1, Sp. 405.

56 Fol. 59r etwa und 103r, wo Ausgaben für den Betrieb des herrschaftlichen Safrangartens in Groß-Enzersdorf zu Buche stehen.

57 Ein im Besitz des Hospitals von Oberwölz befindlicher Krautgarten wird etwa genannt auf fol. 30v. Aus Waidhofen sandte man 1397 drei dreiling kraut nach Wien (fol. 38v).

58 Den Pfauen wurde Hafer verfüttert und sie landeten auf diesem Wege im Rechnungsbuch, vgl. etwa fol. 9v, 40v oder 57r.

59 Der Pfau als Speisevogel begegnet schon in der Antike. Obwohl sein Fleisch nur schwer verdaulich war, wurden er gerne als Schmuck bei Schaugerichten zubereitet. Der gebratene Vogel wurde nach der Zuberei-tung mit dem zuvor abgezogenen Balg bekleidet und landete so auf der Festtafel. Bartolomeo Platina riet in seinem „Kochbuch“ mit dem Titel De honesta voluptate et valetudine, dem Pfau einen mit einer brennba-ren Flüssigkeit getränkten Wollknäuel in das Maul zu stecken und diesen zur Belustigung der Gäste zu ent-zünden. Vgl. GERTRUD BLASCHITZ, Der Biber im Kopf und der Pfau am Spieß. Anhang: der Birkhan in der Pfanne, in: „Ir sult sprechen willekommen“. Grenzenlose Mediävistik. Festschrift für Helmut Birkhan zum 60. Geburtstag, hg. v. Christa Tuczay – Ulrike Hirhager – Karin Lichtblau, Bern 1998, 416–436, hier 427f.

60 Fol. 59r.

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intensiv betriebene Fischzucht weisen die in den Herrschaften mehrmals genannten Wei-herhüter hin,61 auf Flussfischerei die Fischer.62 Dass die zu den Herrschaften gehörigen Forste auch dem Bischof für Jagden gedient haben, darauf deuten insbesondere die Haltung von Jagdfalken und -hunden hin:63 Beim sogenannten Federspiel (vederspil)64 handelt es sich um Jagdfalken, die in Oberwölz und in Waidhofen gehalten wurden. Über die Haltung der Jagdhunde in Groß-Enzersdorf dürfte eine zeitlang Unklarheit geherrscht haben. Mit einem gewissen Pöttinger ist man deshalb von hund wegen übereingekommen, dass ihm der herrschaftliche Pfleger für seine Aufwendungen jährlich ein Mut Roggen und drei Mut Hafer übergeben sollte.65 Von überragender wirtschaftlicher Bedeutung war jedoch der Wein. Das Hochstift besaß ertragreiche Besitzungen an Weingärten vor allem in Hollenburg und in der Wachau bei Weißenkirchen, aber auch in Innichen und Bischoflack. Weinfässer aus Hollenburg und Weißenkirchen vergab der Bischof seinen Amtleuten häufig als Teil ihrer Entlohnung. Die Weine aus den großen Anbaugebieten Freisings wurden nicht nach der Rebe bezeichnet, sondern nach ihrer Herkunft. So bekannte etwa Johann, Kastner in Waidhofen, dass er im Rechnungsjahr 1396 2 vas Weissenkircher und 1 vas Hollenburger verspeist hat.66 Als Umschlagsplatz für exklusivere Weine Richtung bischöflichen Hof in Wien erwies sich die Herrschaft Bischoflack, wo im Rechnungsjahr 1399 um eine beträchtliche Summe je ein Saum Muskateller und Wippacher sowie zehn Säume Reinfal gekauft wurden.67 Über den Anteil des stadtbürgerlichen Weinbaus an der Gesamtproduktion in den freisingischen Herrschaften lassen sich aus der Quelle selbst keine Angaben machen. Dass grundsätzlich jedoch davon auszugehen ist, dass Bürger der Stadt- und Marktsiedlungen aktiv Weinbau betrieben, zeigen uns Untersuchungen aus vergleichbaren Städten und Märkten.68 In Wien 61 Fol. 124r beispielsweise in Oberwölz. In Groß-Enzersdorf hat der Kastner 786 Stück Zollfisch (zallvisch)

und 309 ausgewachsene Hechte und Karpfen um insgesamt 18 lb 4 ß 18 d gekauft (michel hecht und kerpffen), die er in den Wassergraben der Stadt ausgesetzt hat (fol. 103v).

62 Fol. 9r beispielsweise in Waidhofen. In den Rechnungen des Offizials von Hollenburg schlägt für das Jahr 1397 ein hawsen (Hausen), der ze Holnburg gevangen ist mit stattlichen 4 lb zu Buche (fol. 65r). Zum Hausen vgl. zuletzt SUSANNE FRITSCH, Das Refektorium im Jahreskreis. Norm und Praxis des Essens in Klöstern des 14. Jahrhunderts, Wien/München 2008 (VIÖG 50), 50f.

63 Die Bischöfe von Freising hatten sich das Jagdrecht in Österreich mehrmals verbriefen lassen, vgl. JOSEPH

ZAHN (Hg.), Codex diplomaticus Austriaco-Frisingensis. Sammlung von Urkunden und Urbaren zur Ge-schichte der ehemals freisingischen Besitzungen in Österreich. Bd. 3, Wien 1871 (FRA II/35) 395f. Nr. 371 und FRA II/36 (wie Anm. 28), 316f. Nr. 726.

64 Nennungen eines Federspiels für Oberwölz (z.B. 5v, 70r) und Waidhofen (z.B. 7v, 38v). 65 Fol. 57r. Pöttinger hatte die Burg in Groß-Enzersdorf als Pfleger inne. Roggen und Hafer sind wahrschein-

lich als Futter für die Hunde bestimmt. Aus Roggen wurde Brot für die Hunde gebacken und Hafer war als Beifutter in Form von Haferbrei für die Hunde notwendig, vgl. MICHAELA LAICHMANN , Die kaiserlichen Hunde. Das Rüdenhaus zu Erdberg in der Organisation der kaiserlichen Jägerei in Niederösterreich. 16. bis 18. Jahrhundert, Wien 2000 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 34), 18.

66 Fol. 10r. 67 Fol. 97r: Item umb zwen sewm, ainen Muscatell und ainen Witpacher, und umm zehen sewm Raiual, die

gesteent uncz gen Wienn 46 mark 5 ß. Zu den genannten Weinsorten vgl. ROLF SPRANDEL, Von Malvasia bis Kötzschenbroda. Die Weinsorten auf den spätmittelalterlichen Märkten Deutschlands, Stuttgart 1998 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 149), zu Muskateller bes. 26f., zu Rainfal bes. 27f. Beim Wippacher handelt es sich um einen istrischen Wein aus dem gleichnamigen Ort Wippach (slow. Vipava, ital. Vipacco); vgl. SERGIJ VILFAN , Stadt und Wein. Die drei Weinbaugebiete vom Meer bis zur Mur aus der Sicht der Bürger (14.–17. Jahrhundert), in: Stadt und Wein, hg. v. Ferdinand Opll – Susan-ne Claudine Pils, Linz 1990 (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 14), 99–108, hier 108.

68 ERICH LANDSTEINER, Weinbau und bürgerliche Hantierung. Weinproduktion und Weinhandel in den lan-

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etwa befanden sich die Weingärten der Bürger außerhalb der Stadtmauer, teils in den Vor-städten, teils außerhalb des Burgfriedens in den benachbarten Dörfern, Märkten und Städ-ten.69 Nahrungsmittel wie Getreide, Käse und Wein wurden meist verkauft oder kamen als Depu-tate (ze sold)70 an Bedienstete und Amtleute. Aus den niederösterreichischen Herrschaften sandte man Naturalien regelmäßig an den Kasten des freisingischen Hofs in Wien.71 Aus weiter entfernten Besitzungen wie der Herrschaft Bischoflack sandte man dagegen ledig-lich importierten Wein an den Bischofssitz in Freising. Aufgrund der hohen Transportkos-ten und des langen Weges wäre alles andere unrentabel gewesen.72 Es finden sich aber auch mehrmals Belege dafür, dass Nahrungsmittel noch an Ort und Stelle vom Bischof übernommen wurden. Die beträchtliche Anzahl von 105 Stück Käse wurde beispielsweise vom Bischof anlässlich eines Besuchs des Herzogs in Bischoflack73 verczert, wie der Pfle-ger in der Abrechnung vermerkt.74 Bei einer anderen Gelegenheit hatte der Amtmann um Michaeli (29. September) des Jahres 1399 aus den herrschaftlichen Einnahmen die immen-se Menge von 466 Mut Hafer zur Verfügung zu stellen, wohl für die Pferde des Bischofs und seiner Begleitmannschaft während eines längeren Aufenthalts.75 Die genannten Beispiele spiegeln Form und Vielfalt ländlicher Vieh- und Landwirtschaft wider. Wir wissen aber auch, dass es in den spätmittelalterlichen Städten und insbesondere in den Märkten ein gewichtiges ackerbürgerliches Element gegeben hat. Neben den „hauptberuflichen“ Landwirten ist insbesondere an diejenigen Bewohner einer Stadt zu denken, die durch ihre – nicht primär für den Verkauf bestimmte – Produktion von Nah-rungsmitteln das Bild der Stadt als Selbstversorger mitbegründeten.76 Die für die Produkti-

desfürstlichen Städten und Märkten Niederösterreichs in der frühen Neuzeit, in: Stadt und Wein (wie Anm. 67), 17–50.

69 RICHARD PERGER, Weinbau und Weinhandel in Wien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Stadt und Wein (wie Anm. 67), 207–219. Zum Besitz der Wiener Ratsbürger vor der Stadt vgl. LEOPOLD SAILER, Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, Wien 1931 (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien 3–4), bes. 79–95. Margarete Hutstock, Witwe eines Wiener Ratsbürgers, besaß etwa einen Weingarten in der freisin-gischen Herrschaft Groß-Enzersdorf, vgl. ebd., 84.

70 Fol. 11r. 71 Dies dürfte v.a. den für die Verpflegung der Pferde besonders wichtigen Hafer betroffen haben, vgl. etwa

entsprechende Einträge zu Groß-Enzersdorf (z.B. fol. 58r), Hollenburg (fol. 30r) oder Ulmerfeld (fol. 48r), aber auch Weizen wurde von Groß-Enzersdorf gen Wienn gesandt in das haws (fol. 60v) und selbstver-ständlich Geld.

72 Vgl. BIZJAK, Entwicklung (wie Anm. 19), 138. 73 Fol 11r (zum Rechnungsjahr 1396). Dabei handelt es sich wohl um den Besuch des Herzogs Wilhelm auf

seiner „Huldigungsreise“. Am 8. November urkundete er in Bischoflack, vgl. LACKNER, Hof und Herrschaft (wie Anm. 33), 205f.

74 Auch wenn der idealtypischen Vorstellung von mittelalterlichen Bischöfen oft etwas Rundliches anhaftet so ist bei dem häufig vorkommenden verczeren im Zusammenhang mit dem Bischof nicht in erster Linie an das Verspeisen der Nahrung zu denken und schon gar nicht an das alleinige. Bischof Berthold von Wehin-gen war seinem Grabstein zufolge auch keineswegs dick. Viel eher ist dabei verczeren im Sinne von lat. consumere zu verstehen: Der Amtmann übergibt dabei dem Bischof bzw. bischöflichen Gefolgsleuten die genannte Menge an Hafer, Roggen etc. zu deren Verfügung. Aus dem verczeren kann aber sehr wohl die persönliche Anwesenheit des verczerers – in der Regel ist dies der Bischof – geschlossen werden. Die Be-deutung von verczeren im geschilderten Sinn veranschaulicht die Tatsache, dass auch Geld verczert werden konnte: Item so habent der Truchsezz und der Kollinger verczert hie ze Lack als si wund [=verletzt] sind gewesen und zerung gen Wienn 22 mark 54 ß. (fol. 97r, Rechnungsjahr 1399).

75 Fol. 95v. 76 Zur Frage der landwirtschaftlichen Produktion in Städten bzw. von Städtern vgl. ULF DIRLMEIER, Zum

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on der Bedarfsgüter notwendigen Flächen lagen im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit in und vor der Stadt.77 Das Rechnungsbuch liefert uns zu dieser Frage keine Informationen: Die landwirtschaftlichen Erträge der Städter aus dem Umland laufen – soweit in den Herr-schaften gelegen – mit diesen mit. Von den Erträgen aus den Städten selbst erfahren wir auch nichts, da diese in der Stadtsteuer aufgehen.

Die Städte und Märkte der Herrschaften Im Hinblick auf die Frage nach dem Quellenwert des Rechnungsbuchs für eine Geschichte der Städte und Märkte muss eingangs geklärt werden, um welche konkret es sich dabei handelt. Für den Untersuchungszeitraum sind Waidhofen an der Ybbs (Österreich unter der Enns), Bischoflack (Krain), Oberwölz (Steier) sowie Freising (Bayern) selbst als Städte zu nennen. Mit der Erlaubnis den Markt Groß-Enzersdorf mit einer Mauer zu befestigen, die die beiden Herzoge Wilhelm und Leopold am 4. April 1396 ihrem Kanzler Berthold von Wehingen – zugleich Bischof von Freising – gewährten, ist ab dieser Zeit Groß-Enzersdorf formal ebenso als Stadt anzusprechen.78 Der Bischof von Freising war in allen genannten Städten der Stadtherr. Bischöfliche Herrschaften sind zu dieser Zeit weiters die Märkte Hollenburg und Ulmerfeld in Niederösterreich sowie Innichen in Tirol (heute Südtirol).79 Im Zentrum der Herrschaft Klingenfels steht die gleichnamige Burg, das bei Bozen gelege-ne Gries sowie Weißenkirchen80 sind Dörfer. Die größte Schwierigkeit die Einträge im Rechnungsbuch für eine Geschichte der Städte und Märkte auszuwerten liegt nun in der Tatsache begründet, dass die Herrschaften mehr

Problem von Versorgung und Verbrauch privater Haushalte im Spätmittelalter, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Alfred Haverkamp, Köln/Wien 1984 (Städteforschung. Reihe A: Darstel-lungen 18), 257–288, hier bes. 258–266. Systematische Untersuchungen zur Frage des ländlichen Besitzes für die österreichischen Länder existieren nicht, vgl. MARKUS CERMAN – HERBERT KNITTLER, Town and Country in the Austrian and Czech lands, 1450–1800, in: Town and country in Europe, 1300–1800, hg. v. Stephan R. Epstein, Cambridge 2001 (Themes in International Urban History 5), 176–201, hier 188 Anm. 35. Als Fallbeispiele sei jedoch exemplarisch auf SAILER, Wiener Ratsbürger (wie Anm. 69), bes. 79–95, und GERHARD MICHAEL DIENES, Die Bürger von Graz. Örtliche und soziale Herkunft (von den Anfängen bis 1500), Graz 1979 (Dissertationen der Universität Graz 46), bes. 45–49, hingewiesen.

77 Vgl. ULRICH WILLERDING, Ernährung, Gartenbau und Landwirtschaft im Bereich der Stadt, in: Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150–1650. Ausstellungskatalog Lan-desausstellung Niedersachsen 1985. Bd. 3, hg. v. Cord Meckseper, Stuttgart/Bad Cannstatt 1985, 569–606, hier 583f.

78 Vgl. FRIEDERIKE GOLDMANN , Art. Gross-Enzersdorf. Politischer Bezirk Gänserndorf, in: Die Städte Nie-derösterreichs. T. 1: A–G (mit Pulkau und St. Valentin), red. v. ders. unter Mitarbeit von Ernõ Deák und Werner Berthold, Wien 1988 (Österreichisches Städtebuch 4/1), 271–285, hier 275.

79 Zur Rolle des Bistums bei Gründung und Ausbau der Städte und Märkte vgl. MIHA KOSI, Die Anfänge von Bischoflack und die Freisinger Bischöfe als Städtegründer (eine vergleichende Studie über die Stadtwer-dung in Krain im Mittelalter), in: Blaznikov zbornik (wie Anm. 3), 93–124, 113, wo sich eine Auflistung der freisingischen Städte und Märkte befindet. Zu den einzelnen Herrschaften des Bistums Freising in den österreichischen Ländern sei lediglich auf die im Sammelband HUBERT GLASER (Hg.), Hochstift Freising (wie Anm. 15) enthaltenen Beiträge verwiesen.

80 Weißenkirchen bildete den Hauptort der freisingischen Besitzungen in der Wachau und wurde vom 12. bid 14. Jahrhundert lediglich Wochau genannt (fol. 27v, 67r und 143v). Vgl. KARL LECHNER, Art. Wachau, in: Handbuch der historischen Stätten Österreich. Bd. 1: Donauländer und Burgenland, hg. v. dems., Stuttgart 1970, 593–596, hier 594 sowie ANDREAS OTTO WEBER, Studien zum Weinbau der altbayerischen Klöster im Mittelalter. Altbayern – österreichischer Donauraum – Südtirol, Stuttgart 1999 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 141), 83.

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als eben nur Stadt oder Markt umfassten. In erster Linie war die Herrschaft erfasst, die das Umland der Stadt bildete und wo einzelne Dörfer, Weiler oder Höfe zum Zwecke der Ver-waltung in sogenannte officia bzw. ämpter zusammengefasst wurden. Herrschaftliche Ab-gaben weisen im Rechnungsbuch in den seltensten Fällen eine Untergliederung nach Äm-tern auf,81 insbesondere dort, wo es sich um Abgaben handelte, die von allen Untertanen gleich zu zahlen waren, wie etwa die Steuer (census, stewr) am Festtag des heiligen Georg oder der Jahrdienst an Naturalien. Daneben gehörte zu jeder Stadt bzw. jedem Markt in den freisingischen Herrschaften eben-so eine Burg, in der die Mannschaft in Friedenszeiten für die Aufrechterhaltung der Ord-nung und die Durchsetzung des Rechts nach innen zu sorgen hatte. Die Burg befand sich dabei meist in unmittelbarer Nähe der Stadt, wie etwa in Oberwölz, wo sich die Siedlung in Sichtweite der Burg Rothenfels befand, oder aber lag direkt in der Stadt, wie etwa in Waidhofen an der Ybbs. Dort war ursprünglich die nur wenige Kilometer entfernte Burg Konradsheim Schutzburg für die Stadt und Mittelpunkt der Herrschaft Waidhofen. Sie wurde jedoch 1360 von Herzog Rudolf IV. besetzt und verlor ihre Zentralfunktion. Die Burg wurde aber vermutlich nicht in Kampfhandlungen zerstört, sondern bewusst abgebro-chen.82 Nach dem Tod des Herzogs wurde die Bischofsresidenz direkt in der Stadt als eine Befestigung errichtet und der Sitz des Pflegers verlagerte sich dorthin. Unter der so genannten Burghut verstand man einerseits den Wachdienst auf einer Burg selbst als auch andererseits die Bezahlung vor allem für den Burggrafen, aber auch für Burgmannschaft und herrschaftliche Amtleute wie beispielsweise Schreiber, Bogner oder Kastner.83 Die Burghut wurde aus den Einkünften der Herrschaft bestritten und der jewei-lige Pfleger – sofern nicht identisch mit dem Burggrafen – zahlte diese stellvertretend für den Bischof an den Inhaber der Burghut bzw. an die Amtleute aus. Für die Feste Ulmerfeld ist eine Urkunde vom 12. März 1355 überliefert, in der Friedrich II. von Wallsee-Enns gegen Bischof Albrecht von Freising reversiert, dass er Burg und Landgericht Ulmerfeld vom Bischof verliehen bekommen habe.84 Als Burghut für den Wallseer wurde die Zah-lung von jährlich sechs Mut Korn, zehn Mut Hafer, einem Fass Wachauer (=Weißenkirchner) und drei Fässern Hollenburger Weins, vier Schweinen und einhundert Laibern Käse festgehalten. Darüber hinaus erhielt er den im margt ze Vdmeruelt gelegenen Meierhof zur Nutzung sowie eine festgelegte Summe von sechs Schilling von allen Tot-schlägen aus dem Landgericht. Dafür verpflichtete sich Friedrich die Leute und Güter im Landgericht zu schützen. Vertraglich geregelt wurde auch das Offenhausrecht, d. h. das uneingeschränkte Besuchs- und Nutzungsrecht des Bischofs in der Festung.85 Vergleicht man nun die in dieser Urkunde festgesetzten Bestimmungen betreffend Höhe uns Ausmaß 81 In diesen Ämtern saßen wiederum untergeordnete Beauftragte, die für die Einbringung der Abgaben ver-

antwortlich waren. Vgl. etwa die Überlassung von 20 Metzen Roggen ex gratia an die amptleutten in Göstling und Hollenstein, fol. 40r.

82 Zu Konradsheim vgl. HERWIG WEIGL, Materialien zur Geschichte des rittermäßigen Adels im südwestlichen Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert, Wien 1991 (Forschungen zur Landeskunde von Nie-derösterreich 26), 97–104.

83 Die genannten Amtleute im Rahmen der Burghut beispielsweise in Bischoflack, fol. 84r. 84 FRA II/35 (wie Anm. 63), 305f. Nr. 713. Zu Friedrich II. von Wallsee-Enns vgl. MAX DOBLINGER, Die

Herren von Walsee. Ein Beitrag zur österreichischen Adelsgeschichte, in: Archiv für österreichische Ge-schichte 95 (1906), 235–578, hier 67–73.

85 FRA II/35 (wie Anm. 63), 305f. Nr. 713. Zum Offenhaus- bzw. Öffnungsrecht vgl. DUŠAN KOS, In Burg und Stadt. Spätmittelalterlicher Adel in Krain und Untersteiermark, Wien 2006 (VIÖG 45), 59–61 mit wei-terführender Literatur.

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der Burghut mit den in dem Rechnungsbuch verzeichneten Zahlungen an den Pfleger der Burg Ulmerfeld, so zeigt sich, dass die Bestimmungen im Wesentlichen auch noch gut 40 Jahre später in Kraft waren, als Christoph von Arberg die Burghut in Ulmerfeld innehat-te.86 Zu der Besatzung der Burg Ulmerfeld, die aus der Burghut bezahlt wurde, zählten neben dem Arberger noch zwei Wächter, ein Torwärter und ein Bogner.87 Die Einnahmen und Ausgaben der freisingischen Herrschaften sind daher nie etwa auf die der Herrschaft ihren Namen gebenden Städte oder Märkte alleine bezogen, sondern bezie-hen stets auch das ländliche Umfeld und Befestigungen mit ein. Eine Trennung der geleis-teten Abgaben im Rechnungsbuch nach Stadt und Ämtern ist aus den geschilderten Grün-den schwierig bis unmöglich.

Die Spitäler in den Herrschaften Mit der Entwicklung und mit dem Ausbau der Städte kam es zur Gründung von Spitälern. In den freisingischen Herrschaften lassen sich im Rechnungsbuch drei nachweisen.88 Als erstes sei das Spital in Oberwölz genannt. Terminus ante quem für die Gründung ist das Jahr 1358, denn in einer Urkunde vom 3. Februar dieses Jahres wird ein Spitalmeister Vlreich der Chnoll in Oberwölz genannt.89 Der älteste Beleg für die Spitalskirche ist eine Urkunde von ca. 1360, in der sich der Stadtpfarrer von Oberwölz dem Bischof von Freising gegenüber verpflichtet einmal am Tag in der capella hospitali dicti oppidi in Weltz annexa die Messe zu lesen.90 Obwohl uns eindeutige zeitnahe Belege fehlen, sprechen die Hinwei-se dafür, dass der Freisinger Bischof das Spital gestiftet hat, wie dies ein landesfürstliches Visitationsprotokoll über Spital und Kirche des hl. Sigismund in Oberwölz von 1544/45 festhält.91 Bislang sah man in dieser Quelle den frühest erhaltenen Beleg für das Sigis-

86 Vgl. etwa die Zahlungen des Offizials Wernhard an den Arberger für 1397: für vier Schweine zwei Pfund

Pfennig (fol. 46r), sechs Mut Korn (fol. 47v), zehn Mut Hafer (fol. 48r) und zwei Fässer Hollenburger Wein, daneben noch einmal 60 und einmal 30 Pfund Pfennig an St. Michael (fol. 46r). Wofür die zuletzt genannten Zahlungen geleistet wurden, ist nicht klar ersichtlich. Womöglich handelt es sich dabei um Kompensation für den Meierhof, der wieder von den Amtleuten des Bischofs betreut wurde, wenn man die durch den Offizial Wernhard getätigten Zahlungen für Bau- und Renovierungsarbeiten im Meierhof in diese Richtung deuten kann (fol. 47r).

87 Z.B. fol. 46v und 47r. Auch in den restlichen Burgen der Herrschaft kommen die genannten Funktionen in meist ähnlicher Zahl vor.

88 Zu den Spitälern im regnum Teutonicum noch immer grundlegend SIEGFRIED REICKE, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter. 2 Bde., Stuttgart 1932 (Kirchenrechtliche Abhandlungen 111–114). Zu den österreichischen Spitälern im Mittelalter jüngst THOMAS JUST – HERWIG WEIGL, Spitäler im südöstlichen Deutschland und in den österreichischen Ländern im Mittelalter, in: Europäisches Spitalwesen. Institutio-nelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Martin Scheutz – Andrea Sommerlechner – Herwig Weigl – Alfred Stefan Weiß, Wien/München 2008 (MIÖG, Erg. Bd. 51), 149–184.

89 FRA II/35 (wie Anm. 63), 319f. Nr. 728. 90 Ebd., 329f. Nr. 736. Zu den genannten Belegstellen und insbesondere zur Spitalskirche vgl. MARINA

DÖRING-WILLIAMS – GEROLD ESSER, Die Spitalskirche(n) in Oberwölz, Steiermark, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 58 (2004), 13–24, hier 13; INGE WOISETSCHLÄGER-MAYER (Hg.), Die Kunstdenkmäler des Gerichtsbezirkes Oberwölz, mit Beiträgen von Herwig Ebner und Hans Frühwald bearb. v. Inge Woisetschläger-Mayer, Wien 1973 (Österreichische Kunsttopographie 39), 122.

91 Dort steht, dass das Sannt Sigmunds Gotteshauß und Spital zu Oberwelcz von einem Bischoff von Freysing gestifft ist. Steiermärkisches Landesarchiv Hs.Nr. 1229, 211, zit. nach GÜNTHER ZEHETNER, Die ehemalige Spitalskirche St. Sigismund in Oberwölz, Univ. Dipl.-Arb. Wien 2003, 18 Anm. 67. Die Frage, ob sich die-se Nachricht auf fundierte Quellen stützt oder ob die landesfürstlichen Visitatoren nicht eher die von Bi-schof Nicodemus della Scala (1421–1443) ausgebaute und wappensignierte Spitalkirche vor Augen hatten,

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mund-Patrozinium, was jedoch angesichts des vorliegenden Rechnungsbuchs um gut 150 Jahre nach vor verlegt werden kann.92 Für zwei Jahre ist uns die Rechnung des Spitalmeis-ters (magister hospitalis) Christopher Chrendel über das Hospital sancti Sigismundi in Welcz überliefert.93 Eine bereits genannte Eigenheit dabei ist, dass das Rechnungsjahr mit dem Festtag der hl. Fabianus und Sebastian und somit mit dem 20. Jänner begann. Der Grund dafür ist nicht bekannt, Sebastian war jedoch ein Pestheiliger und vielleicht war dies ein Traditionstermin. Die Aufzeichnungen des Rechnungsbuchs geben uns ein Bild von den wirtschaftlichen Grundlagen der Stiftung, Einblicke in den Spitalsalltag gewähren sie uns nur bedingt. Bei den Insassen handelte es sich um Kranke (sieche),94 das Fassungsvermö-gen des Spitals wird in der Literatur mit sechs Personen angegeben.95 Bemerkenswert vielleicht noch die Tatsache, dass der Spitalmeister mit Wolle und Flachs von vier Jahren – wobei nicht klar ist, ob gesammelt, geschenkt oder erwirtschaftet – den arm leûten ir ge-wêntl bessern sollte.96 Die enge Verbindung von Kirche und Spital zeigt sich darin, dass der Spitalmeister Aufwendungen für liturgisches Gerät aus den Erträgen der Spitalsstiftung zu bestreiten hatte. Das Binden des Messbuchs schlug sich 1399 mit 2 Pfund 24 Pfennig, der Ankauf eines Korporals und von Altartüchern mit 3½ Pfund 24 Pfennig zu Buche.97 Kostspieliger war da schon die Anschaffung eines Kelchs im selben Jahr: Für Lohn und Silber zur Herstellung waren einem Goldschmied 9 Pfund Pfennig zu zahlen.98 Ebenso dem Bischof als Stadtherrn rechenschaftspflichtig war das Spital in Groß-Enzersdorf, das wohl auf eine Stiftung der Freisinger Bischöfe zurückgeht.99 Im Rech-nungsbuch finden sich dazu Rechnungen für die Jahre 1396–1401. Wie gehabt bieten diese in erster Linie einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Spitals, doch können wir in diesem Fall aus einer Eintragung des Rechnungsbuchs die Anzahl der Insas-sen erschließen. Den Ausgaben folgend beherbergte das Spital in Groß-Enzersdorf an der Wende des 14. Jahrhunderts nämlich vier Personen.100 Der Leiter des Hospitals – einmal auch procurator genannt101 – war von 1396 bis 98 ein gewisser Stephan Leyminger, von

muss offen bleiben. Das Sigismund-Patrozinium passt auch ausgezeichnet zur genannten Entstehungszeit und dem Bischof als Gründer, gewann doch die Verehrung des hl. Sigismund in der Diözese Freising in der Mitte des 14. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Vgl. STEPHAN RANDLINGER, Die Verehrung des hei-ligen Sigismund, des zweiten Diözesanpatrons, in Freising, in: Wissenschaftliche Festgabe (wie Anm. 23), 351–368, hier 353f.

92 Vgl. DÖRING-WILLIAMS – ESSER, Spitalskirche(n) (wie Anm. 90), 13 und 22. Die von den beiden Autoren postulierte Interpretation des Vorgängerbaus der Spitalskirche in Oberwölz als St. Niclas-Hospital ist im Lichte der Sigismund-Nennungen (fol. 30v und 117v) im Rechnungsbuch wohl mehr als fraglich.

93 Fol. 30v–31r für das Jahr 1397 und 117v–118v für die Jahre 1398 bis 1400. 94 Fol. 30v und 118r. 95 HERWIG EBNER, Art. Oberwölz. Politischer Bezirk Murau. Unter Mitarbeit von Herta Haas, in: Die Städte

der Steiermark. T. 3: M–Z, red. v. Friederike Goldmann – Nikolaus Reisinger, Wien 1995 (Österreichisches Städtebuch 6/4), 95–116, hier 113.

96 Fol. 30v. 97 Beide Beispiele fol. 118r. 98 Fol. 118r. 99 Zum Spital vgl. GOLDMANN , Gross-Enzersdorf (wie Anm. 78), 283; LEOPOLD WINKLER, Das Bürgerspital,

in: Stadt Groß-Enzersdorf. Beiträge zu ihrer Geschichte. Bd. 1, Groß-Enzersdorf 1960, 21–32, hier bes. 21. 100 Item den armen leuten für prot und kost yedem menschen all tag 2 d. Pringt die vorgenantten zeit [das sind

zwei Jahre, d. Verf.] 24 lb 6 ß 12 d (fol. 52r). 101 Fol. 51v. Zu den gebräuchlichsten Bezeichnungen für den Spitalsverwalter vgl. SIEGFRIED REICKE, Das

deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Teil 2: Das deutsche Spitalrecht, Stuttgart 1932 (Kirchen-rechtliche Abhandlungen 113/114), 97f., wobei in der Auflistung procurator fehlt.

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1398 bis 1401 Nicklein am Egg102. Diesem wiederum folgte als neuer spitalmaister ein gewisser Nicklein Gebharten, der am Sonntag vor Jakobi (24. Juli) 1401 sein Amt an-trat.103 Das dritte Spital, das wir in der Quelle genannt finden, ist das in Waidhofen. Seine Grün-dung geht nicht auf die Initiative eines Freisinger Bischofs zurück, sondern war als Bürger-stiftung eine typisch städtische und kommunale Einrichtung.104 Die erste sichere Nachricht für die Existenz des Hospitals ist eine Urkunde vom 24. Februar 1279, in der erwähnt wird, dass Konrad, Notar von Waidhofen, eine Messe den pauperibus, qui tunc in hospitali fue-rint, stiftete.105 Im Unterschied zu Oberwölz und Groß-Enzersdorf war bei diesem Bürger-spital kein dem Bischof rechenschaftspflichtiger Pfleger mit der Leitung und Verwaltung des Spitals betraut, sondern die Verwaltung oblag dem vom Stadtrat bestellten Spitalmeis-ter. Die Nennungen des Waidhofener Bürgerspitals im Rechnungsbuch des Bischofs Bert-hold geschehen daher auch nur en passant, wenn es nämlich vom Waidhofener Pfleger im Auftrag des Bischofs Fässer an Wein übersandt bekommt.106

Bürger und Pfleger der Herrschaften Das Rechnungsbuch als Quelle für die Bürger einer Stadt bzw. eines Marktes ist nur in eingeschränktem Masse von Bedeutung. Solange nämlich Nennungen in Vergleichsquellen fehlen – etwa in weiteren herrschaftlichen Quellen oder Urkunden – so bleiben die genann-ten Personen nur schlecht greifbar.107 Das Personal des Rechnungsbuchs lässt sich über-dies nur schwer zuordnen. Wenn etwa der Pfleger der Herrschaft Oberwölz einem Kramer Lenczen die beachtliche Summe von 18 tl 6 ß für ein halbes Tuch von Florencz zahlte,108 so ist damit noch nicht klar, ob es sich bei dem genannten Krämer um einen Bürger von Oberwölz handelte oder eben nicht. Wie man sich leicht vorstellen kann, sind Nennungen von Handwerkern noch weniger konkret, meistens fehlt in diesen Fällen überhaupt ein Name. An Berufen begegnen uns Schmied, Zimmermann, Maurer, Fleischhauer, Bäcker, Müller, Schlosser, Bogner, Sattler und dergleichen mehr. Wenig überraschend lässt sich oft nicht nur ein Vertreter dieser Berufe pro Herrschaft festmachen, sondern meist gleich meh-rere. Von singulärer Bedeutung dürften dahingegen schon Nennungen von Ärzten sein,109

102 Fol. 51v und 93r für den Leyminger sowie 107r, 122r und 139r für Nicklein am Egg. 103 Fol. 139r. 104 WEIGL, 14. Jahrhundert (wie Anm. 20), 6. 105 JOSEPH ZAHN (Hg.), Codex diplomaticus Austriaco-Frisingensis. Sammlung von Urkunden und Urbaren zur

Geschichte der ehemals freisingischen Besitzungen in Österreich. Bd. 1, Wien 1870 (FRA II/31), 385–387 Nr. 363, hier 387. Zum Spital vgl. weiters FRIEDERIKE GOLDMANN , Art. Waidhofen an der Ybbs mit Markt Zell an der Ybbs. Stadt mit eigenem Statut. Nach Vorarbeiten von Wilhelm Kaltenstadler und Franz Gum-pinger, in: Die Städte Niederösterreichs. T. 3: R–Z, red. v. Friederike Goldmann unter Mitarbeit von Ernõ Deák und Johanne Pradel, Wien 1982 (Österreichisches Städtebuch 4/3), 217–238, hier 234 und PETER

MAIER, Waidhofen a. d. Ybbs. Spuren der Geschichte, Waidhofen a. d. Ybbs 2006, 34–37. Zur selben Zeit erfahren wir auch von einem Leprosenhaus, das sich außerhalb der Stadt befand; vgl. ebd., 35.

106 Z.B. fol. 75v und 78v. 107 Für andere Fragestellungen, wie etwa die nach der ethnischen Zusammensetzung einer Herrschaft, kann das

Namensmaterial jedoch durchaus ausgiebig sein. Vgl. etwa ANGELA BERGERMAYER, Slavisches in den Namen von Untertanen des Bistums Freising im Mittelalter, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch 52 (2006), 7–24.

108 Fol. 32r. 109 In Waidhofen etwa dem arczt von dem knecht zu lon, der in den graben ist geuallen (fol. 7v) oder aber in

Groß-Enzersdorf ein maister Lucasen arczt (fol. 120r).

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selten auch das Auftauchen eines Kürschners (kürsner), wie etwa eines Meister Ulrich in der Rechnung von Groß-Enzersdorf.110 Auch wenn nicht belegt werden kann, dass die genannten Beispiele auch Einwohner der Stadt waren, so kann dies noch weniger ausge-schlossen werden. Die Gemeinschaft der Bürger tritt uns so gut wie nicht entgegen. Das Beispiel von Bischof-lack, wo sich die Bürger gemeinsam mit ihrem Herrn finanziell am Bau der Stadt beteili-gen, bildet da schon eine Ausnahme.111 Schon eher begegnen wir den Bürgern über die von ihnen geleistete Stadtsteuer oder den Abgaben aus Badestuben oder Tavernen.112 Ebenso selten nennt uns das Rechnungsbuch dezidiert Bürger einer Stadt, wie etwa Martin Zumherumb, civis von Waidhofen a. d. Ybbs.113 Zumherumb war ab 1397 für die Einnah-me des Ungelds und dessen Verrechnung mit der Herrschaft zuständig, 1398 teilte er sich diese Aufgabe mit dem Herlsperger.114 Das Ungeld war eine ursprünglich landesfürstliche Steuer und wurde schon früh verpfändet. Auch im vorliegenden Rechnungsbuch erscheint der Bischof von Freising als Inhaber des Ungelds, wofür er an den herzoglichen hof jähr-lich 390 lb zu zahlen hatte. Der Gewinn aus der Pacht des Ungelds wurde großteils für den Ausbau von Waidhofen investiert.115 Die Aufsicht und Abrechnung über den (herrschaftli-chen) Bau in der Stadt hatten wiederum zwei Bürger der Stadt inne, nämlich der nicht nä-her genannte zechmaister sowie Matheus schulmaister, beides Bürger und Bauführer (pawmaister) zu Waidhofen.116 Verlässliche Angaben bietet uns das Rechnungsbuch jedenfalls zu den Pflegern der Herr-schaften und Burgen. Lücken in bestehenden Amtslisten – sofern solche überhaupt erstellt wurden – ließen sich auf diesem Weg ergänzen.117 In der überaus gründlichen Dissertation 110 Fol. 60v. 111 Fol. 86r. 112 Vgl. etwa die Einnahmen der Herrschaft Bischoflack aus Tavernen und Badstuben (fol. 34r) und aus der

Stadtsteuer (fol. 84v) 113 So genannt auf fol. 49v und 62v. Der Bürger Martin Zumherumb ist in späteren Quellen gut fassbar, etwa

als Ratsbürger, Bürgermeister und Richter der Stadt. Vgl. WEIGL, Bayrisch Waidhofen (wie Anm. 20), 35f. und 60 Anm. 26, 27, 29. Für seine Tätigkeit als Ungeldeinnehmer im Dienste des Bischofs verdiente er 2 lb (fol. 50v).

114 Die das Jahr 1397 betreffende Abrechnung auf fol. 49v–50r, für 1398 auf fol. 62v–63v, für 1401 auf fol. 131v. Der Herlsperger ist 1399 gestorben, denn die Herlspergerin musste in diesem Jahr mit der Herrschaft über Ausstände abrechnen, die ir wirt selig ist schuldig beliben (fol. 92v).

115 Fol. 49v und 141v. Zum Ungeldbezirk Waidhofen a. d. Ybbs vgl. ERNST KLEBEL, Ungeld und Landgericht in Nieder- und Oberösterreich, in: MIÖG 52 (1938), 269–287, hier 282. Das Ungeld im Bezirk Waidhofen hatte im Jahr davor noch ein gewisser Hiltgrim Veîrtrig inne, vgl. LACKNER, Rechnungsbuch (wie Anm. 34), 128 Anm. 1 zu 85a mit Verweis auf HHStA, Hs. Weiß 8, fol. 11r. Der genannte Hiltgrim erhielt das Ungeld in Waidhofen a. d. Ybbs vom Herzog für ein Jahr um 390 tl bestandsweise zu Pacht und ist wohl mit dem ebd., 85a genannten Veyrtag zu identifizieren. Zum Ungeld in Österreich allgemein vgl. auch WALTER KUECHLER, Das Ungeld im Herzogtum Österreich von seinen Anfängen bis zum Ausgang des Mit-telalters, Phil. Diss. Frankfurt a.M. 1953. Zur Verwendung des Ungelds als Beitrag für den Städtebau vgl. GERHARD FOUQUET, Bauen für die Stadt. Finanzen, Organisation und Arbeit in kommunalen Baubetrieben des Spätmittelalters. Eine vergleichende Studie vornehmlich zwischen den Städten Basel und Marburg, Köln 1999 (Städteforschung. Reihe A. Darstellungen 48), bes. 292–299.

116 Fol. 50v. Die Frage, ob es sich bei dem zechmaister um einen Namen oder eine Berufsbezeichnung oder aber um beides zugleich handelt, wurde bereits von WEIGL, Eisen oder Tinte (wie Anm. 20), 79 gestellt. Dort auch der Hinweis, dass sich für den Schulmeister mittels Rechnungsbuch die dafür notwendigen Schü-ler belegen lassen (fol. 134r). Dies legt die Vermutung nahe, dass es sich bei schulmaister wohl tatsächlich um eine Berufsbezeichnung handelt.

117 Eine umfassende Studie zu den Amtleuten wie NIKLAS FRHR. VON SCHRENCK-NOTZING, Das Hochstift

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von Franz GUMPINGER zur freisingischen Herrschaft Ulmerfeld etwa weist die Liste der Pfleger – die sich im Übrigen auch auf unpublizierte Quellen stützt – zwischen 1326 und ca. 1416 keinen Namen auf. Diese Liste lässt sich mit Hilfe des Rechnungsbuchs jedenfalls um zwei Namen erweitern: Für das Rechnungsjahr 1397 legte ein gewisser Offizial Wern-hard, Pfleger in Ulmerfeld, Rechenschaft über seine Amtsführung ab, der jedoch bald da-nach verstorben ist.118 Die Herrschaft war mit der Amtsführung des Verstorbenen zufrie-den, denn der Witwe gewährte man 32 Pfund Pfennig. Einer weiteren Frau, die Wernhards freund gewesen ist, gewährt die Herrschaft ex gratia zwei Pfund.119 Zu Wernhards Nach-folger wurde jedenfalls Symmanus Geredt bestellt, der in der Quelle Amtmann (officialis) bzw. einmal Kastner (granator) genannt wird.120

Der Bischof als Bauherr und seine Aufenthalte in den Herrschaften Bischof Berthold von Wehingen hat häufig seine Herrschaften besucht, wofür das Rech-nungsbuch einige Belege bietet. In der Herrschaft Oberwölz etwa war der Bischof im Jahr 1397 oder aber auch 1398 neun Tage zugegen, das genaue Datum ist hier leider nicht fest-stellbar.121 1397 hat Berthold von Wehingen am Vortag von Mariä Himmelfahrt dem pro-curator des Hospitals in Groß-Enzersdorf, Stephan Leyminger, drei Pfund Pfennig für das Spital gegeben.122 1399 wiederum lässt sich ein Aufenthalt Bertholds in Bischoflack am Festtag des hl. Michael bezeugen.123 Neben diesen genannten Beispielen, die eher auf dem Weg des Zufalls Eingang in das Rechnungsbuch gefunden haben und die sich noch prob-lemlos erweitern ließen, finden sich weitere Indizien für dessen Aufenthalte. Zum einen sind dies die Ausgaben für die Jagd, nämlich die bereits genannten Zahlungen für Hunde und das Federspiel. Zum anderen weist der Ausbau von Wohnräumen in den herrschaftli-chen Stadtresidenzen – in den Quellen ohne Rücksicht auf ihre Qualität als Burg oder Schloss meist Haus (haws) genannt – darauf hin, dass der Bischof sich Räume ausbessern und einrichten ließ, die ihm bei seinen Besuchen als Quartier dienten.124 Die bischöflichen

Freising und seine Beamten. Zur Genealogie der freisingischen Pfleger in den österreichischen Herrschaften 1550–1800, in: ZBLG 28 (1965), 190–258 fehlt für das Mittelalter. Der von Schrenck-Notzing gewählte Beginn der Studie ergibt sich aus der Zäsur in der „Personalpolitik“ der Bischöfe von Freising um 1550. Ab dieser Zeit kamen die Pfleger in den österreichischen Herrschaften nicht mehr aus Österreich selbst sondern aus Bayern. Zu den Pflegern in Waidhofen a. d. Ybbs vgl. HERWIG WEIGL, Reibungspunkte zwischen Stadt und Herrschaft. Die freisingischen Pfleger in Waidhofen an der Ybbs, in: Hochstift Freising (wie Anm. 15), 287–304.

118 Item so hat man von den leuten inpracht virdigs dienst nach Wernharts tod […] (fol. 74r). Wernhart hatte Hof und ein halbes Lehen in Dippersdorf (Diepoltsdorff), das ca. 2 km von Ulmerfeld entfernt liegt.

119 Fol. 73v. 120 Fol. 72r, 111r, 129v. 121 Fol. 33v: Item per novem dies ist mein herr da gewesen. 122 Fol. 52v. 123 Fol. 95r. Zu den Aufenthalten des Bischofs nach dem Rechnungsbuch vgl. BIZJAK, Entwicklung (wie Anm.

19), 138f. 124 Etwa fol. 29r (Hollenburg): Ausgaben, um in dem haws penck [Bänke] ze machen. Ebendort auch Ausga-

ben für zwei „Häferl“ (hefen) für die Badestube (fol. 29v). Die Zusammenkunft der zerstrittenen Vettern Wilhelm und Albrecht IV. in Hollenburg setzt einen repräsentativen Bau bzw. Räumlichkeiten voraus, die auch die entsprechenden Annehmlichkeiten für die Beherbergung der Landesfürsten samt Begleitung bie-ten. Dass der Vertrag in dem kleinen freisingischen Hollenburg seinen Abschluss fand, unterstreicht die Rolle des Bischofs Berthold bei der Vermittlung des Ausgleichs, vgl. CHRISTIAN LACKNER, Des mocht er nicht geniessen, wiewol er der rechte naturleich erbe was... – Zum Hollenburger Vertrag vom 22. November

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Räumlichkeiten befanden sich in der Regel in dem Haus, wo auch der herrschaftliche Pfle-ger seinen Sitz hatte. Bischof Berthold von Wehingen machte sich – neben seiner Rolle als einflussreicher Poli-tiker – auch dadurch einen Namen, dass er die freisingischen Städte, Märkte und Burgen befestigen ließ, was nur schwerlich als „pastorale Maßnahme“125 angesehen werden kann. Diese rege Bautätigkeit fand ihren Niederschlag sowohl in der Historiographie126 als auch im Rechnungsbuch, wenn freisingische Amtleute mehrmals über Ausgaben in Sachen Forti-fikation Rechnung legten.127 Vielleicht liegt hier auch der größte Nutzen des Rechnungs-buchs für die Stadtgeschichts- bzw. Burgenforschung: Die einzelnen Ausgaben lassen die getätigten Arbeiten gut erkennen und sind darüber hinaus relativ genau datierbar. Aus einer Vielzahl von Beispielen sollen hier zumindest zwei präsentiert werden. Jüngst publizierte Forschungsergebnisse über die Waidhofener Stadtburg, das heutige Schloss, zeigen, dass sich der Bau des Bergfrieds über einen längeren Zeitraum erstreckt hat: Nachdem die Burg Konradsheim ihrer Funktion verlustig gegangen und das von Her-zog Rudolf IV. besetzte Waidhofen seinen ursprünglichen Herren 1365 zurückgegeben worden war,128 wurde die Burg innerhalb der Stadt, die sich seit ihrer frühesten Erwähnung als dem Bischof gehörig nachweisen lässt, ausgebaut.129 Der Baubeginn könnte mit dem

1395, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich NF 65 (1999), 1–15, hier 3f. Zur Frage der Burg als Residenz und Aufenthaltsort des Bischofs bei seinen Besuchen dargestellt am Beispiel Bischoflack vgl. KOS, In Burg und Stadt (wie Anm. 85), 81f.

125 WEIGL, Eisen oder Tinte (wie Anm. 20), 70. Zur Sache vgl. auch JOSEF MASS, Das Bistum Freising im Mittelalter, München 1988 (Geschichte des Erzbistums München und Freising 1), 286.

126 MGH SS 24, 328 Z. 27–34: Hic [sc. Bertholdus episcopus] reformavit opida et castra pertinencia ad ecclesiam, videlicet villam Entzestorff circumdedit muro, in Hollenburg fecit magnam partem castri, quod ex suo nomine nuncupatur Berchtolstain, in Waydhoven fecit in castro turrim cum 9 testudinibus. Et fecit ibidem fossatum per civitatem. Similiter in Welcz reformavit castrum Rotenvels in muro et aliis edificiis multis. Item in Lack ampliavit cum fossa et muro civitatem. Et castrum inferius reformavit. Eciam in Car-niola marcha Clingenvels et Preyseck reformavit in muris optimis, ut apparet in armis suis ibidem insculp-tis. Item in castro Frisingen fecit fontem et reformavit fossatum ibidem.

127 Vgl. fol. 50v, 64r und 131v für Waidhofen a. d. Ybbs und fol. 85v für Bischoflack, wo eigens über den Bau abgerechnet wurde. Darüber hinaus finden sich durchgehend Belege für die rege Bautätigkeit in den einzel-nen Städten und Burgen.

128 Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. 5. Abteilung: Die Regesten der Herzoge von Österreich 1365–1395. 1. Teilband (1365–1370), bearb. v. Christian Lackner unter Mitarbeit von Claudia Feller, Wien/München 2007 (Publikationen des In-stituts für Österreichische Geschichtsforschung [1]), 28–30 Nr. 20 zu 1365 Okt. 28, Wien.

129 In einer Urkunde Herzog Leopold VI. werden zwei Burgen bei Konradsheim genannt, wovon eine als die dem Bischof gehörige Stadtburg in Waidhofen zu identifizieren ist und die andere als die Burg Konrads-heim, auf der die Grafen von Peilstein saßen: unum castrum in Chunratsheim episcopo Frisingensi et aliud comiti cederet, Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger. Bd. IV/2: Ergänzende Quellen 1195–1287, bearb. v. Oskar Frh. v. Mitis – Heide Dienst – Christian Lackner unter Mitwirkung von Herta Hageneder, Wien 1997 (Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 3), 37f. Nr. 990 zu 1207–1218. Zur Rolle der Peilsteiner vgl. jetzt ERWIN KUPFER, Die Machtstellung der Sieghardinger im baben-bergischen Österreich und die Anfänge von Waidhofen/Ybbs, in: Waidhofen an der Ybbs und die Eisen-wurzen (wie Anm. 20), 32–54. Die Existenz der Stadtburg am Beginn des 13. Jahrhunderts kann auch an-hand des Baubefunds bestätigt werden, vgl. GÜNTHER BUCHINGER – PAUL MITCHELL – DORIS SCHÖN, Die Baugeschichte des Schlosses Waidhofen an der Ybbs, in: Feuer und Erde. Katalog zur Niederösterreichi-schen Landesausstellung in Waidhofen an der Ybbs und St. Peter in der Au, 28. April bis 4. November 2007, Schollach 2007, 200–206, hier 200f. Nach Ausweis der Inventare des Notizbuchs Bischof Konrad III. von Freising diente die Stadtburg Anfang des 14. Jahrhunderts dem Bischof und seinen Helfern als Ort der Abrechnungen mit den Herrschaften. In der Burg wurden auch die Archivalien aufbewahrt. Vgl. FRA II/36

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des Palas und seine Vollendung mit der Burgerweiterung „um 1400“130 zusammenfallen. Die Rechnungen zeigen in der Tat, dass um 1400 noch fleißig an dem Turm gebaut wurde. 1398 bekam ein gewisser Schregel für zwei gadmen am Turm – wohl Kammern – 26 lb.131 Im Jahr darauf waren Dachdecker für den Turm zu bezahlen.132 1400 und 1401 gingen die Arbeiten am Turm weiter und es gab unter anderem Ausgaben für einen Kachelofen und einen Rauchfang.133 Zu den Bauarbeiten an der Burg Rothenfels in der Herrschaft Oberwölz bietet das Rech-nungsbuch äußerst detaillierte Informationen. Der maister Hans Eckelzain war nachweis-lich in den Jahren 1397 und 1398 am Bau der Burg beteiligt.134 1399 hatte der Pfleger von Oberwölz noch Ausgaben für Eckelzain getätigt, doch beschränkten sich diese bereits auf eine kleinere Geldsumme für seine Reise nach Bischoflack.135 Dort wurde ihm im gleichen Jahr vom dortigen Pfleger Lohn und Kost für 13 Wochen ausbezahlt.136 Besonders ergie-big ist nun in diesem Zusammenhang der Eintrag zu Oberwölz für das Rechnungsjahr 1397, wo die wohl ursprünglich mündliche Abmachung zwischen dem Bischof Berthold und dem Baumeister Hans dem Eckelzain schriftlich festgehalten wurde. Punkt für Punkt hielt man die vom Meister zu leistenden Arbeiten an der Burg Rothenfels fest – etwa für das Verputzen von Wänden oder das Errichten von zwei Brücken und drei Toren – und notierte die dafür veranschlagte Entlohnung von 32 Pfund Pfennig.137

Zusammenfassung Die Rechnungen sind bei näherer Betrachtung eine Fundgrube für allerlei Fragestellungen, vor allem natürlich zur Geschichte der Preise und Löhne, der Maße und Gewichte, des Geldes und der Abgaben. Darüber hinaus finden sich auch vereinzelte Informationen, die der interessierte Forscher wohl nicht zuerst in einem Rechnungsbuch suchen würde, wie etwa einen Lehensbrief des Bischofs Berthold über einen Hof zu Wagram ob der Trai-sen.138 In der Klärung der Frage, ob und in welcher Form das Rechnungsbuch des Bischofs Berthold von Freising als Quelle für die Erforschung der Geschichte der Städte und Märkte in den bichöflich-freisingischen Herrschaften leisten kann, kommt die Untersuchung wohl

(wie Anm. 28), 69–72, 75f, 79–85; WEIGL, Eisen oder Tinte (wie Anm. 20), 76f. mit Anm. 77.

130 BUCHINGER – MITCHELL – SCHÖN, Baugeschichte (wie Anm. 129), 204. 131 Fol. 51r. Zu gadem s. MATTHIAS LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch von Matthias Lexer.

Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke–Müller–Zarncke. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1872–1878 mit einer Einleitung von Kurt Gärtner. 3 Bde., Stuttgart 1992, hier Bd. 1, 723.

132 Fol. 64r. 133 Fol. 132r. 134 Fol. 32r–v für 1397 und 70v für 1398. 135 Fol. 124v. 136 Fol. 98r. 137 Item mein herr hat das übrig paw auf der vestten ze Rotenuels hingelassen maister Hannsen dem Ekchelc-

zain. Des ersten zwo prukgen ze machen. Item drew Törr. Item die wer gancz ze dekchen und aufzerichten. Item die stuben mit esterreîch oben ze verdekchen. Item das haws ze verwerffen auf der stainwant und von der kappeln ab. Item die rîgellüger alle ze verwerffen. Item under der wer ze verwerffen. Item die nüsch ze rîchten in die zîsstern. Item penkch in das müsshaus. Item am stadel in dem garten in der statt. Item ain tür in die kappelln ze prechen. Item die stieg und handhab vor der kappeln ze machen. Umb das alles geit im mein herr 32 tl (fol. 32v).

138 Dieser findet sich im Rechnungsbuch auf fol. 117r im Anschluss an die Abrechung der Herrschaft Hollen-burg inseriert.

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über den Rang einer beispielhafte Skizze nicht hinaus. Eine Edition der Quelle würde mit Sicherheit weitere Detailinformationen zu den freisingischen Herrschaften zu Tage fördern, Vollständigkeit war aber auch nicht angestrebt. Als Conclusio kann daher Folgendes festgehalten werden: Es hat sich gezeigt, dass das Rechnungsbuch als Quelle für die Wirtschaftsleistung einer Stadt nur bedingt heranzuziehen ist. Die verzeichneten herrschaftlichen Einnahmen geben stets die Erträge der gesamten Herrschaft wieder. Eine Scheidung des städtischen Beitrags ist in der Regel nicht möglich. Die Wirtschaftsleistung der Stadt ist auch nicht in den Ein-nahmen aus den Herrschaften miteinbezogen, sondern geht in der Stadtsteuer als maßgebli-che städtische Abgabe auf. Konkreter ist dahingegen das Ungeld, das als indirekte Verbrauchssteuer unmittelbar Rückschlüsse auf die konsumierte Menge an Getränken zu-lässt. Für die in der Quelle zwar nicht fassbaren, aber sicherlich vorhandenen Ertragsabga-ben der Bürger aus der Bewirtschaftung agrarischer Nutzflächen bzw. aus der Viehwirt-schaft im Umland freisingischer Herrschaften können wir davon ausgehen, dass diese in den Einnahmen der Herrschaft enthalten sind. Eher brauchbar ist die untersuchte Quelle für das Personal einer Stadt, insbesondere natür-lich für die bischöflichen Amtsträger und Pfleger in den Herrschaften. Bereits existierende Listen dieser herrschaftlichen Funktionsträger können auf Grundlage des Rechnungsbuchs ergänzt werden. Für genealogische oder prosopographische Studien werden jedoch die Quellengattungen Urkunde und Urbar einen höheren Evidenzwert besitzen. Der interessier-te Forscher wird daher zuerst dort Nachschau halten, in begründeten Verdachtsfällen wird man wohl zum Rechnungsbuch greifen. Als sehr ertragreich erweist sich das Rechnungsbuch der Freisinger Amtleute für die Bau-geschichte. Die Mittelalterarchäologie wie auch die Kunstgeschichte kann sicherlich mit Gewinn Angaben aus dem Rechnungsbuch zur Bestätigung oder Ergänzung ihrer Befunde verwenden. Besonders die rege Bautätigkeit des Bischofs Berthold hinterlässt im Rech-nungsbuch verständlicherweise reichlich Spuren. Hohen Evidenzwert besitzt das Rechnungsbuch jedoch für die herrschaftlichen Spitäler in Oberwölz und Groß-Enzersdorf, von denen wir für das Spätmittelalter kaum mehr als deren Existenz oder die Namen einzelner Vorsteher kennen. Im Sinne der Herrschaftsverdichtung ist die untersuchte Quelle ein Beleg für die zuneh-mende Verschriftlichung in der herrschaftlichen Verwaltung des Bistums Freising am Ende des 14. und Beginn des 15. Jahrhunderts. Auch wenn sich eine Geschichte der Städte und Märkte in den Freisinger Herrschaften ohne das Rechnungsbuch Bischof Bertholds schrei-ben ließ und sicher auch in Zukunft schreiben lässt, so führt die Beschäftigung mit dem Rechnungsbuch allgemein zu konkreteren Vorstellungen über die Herrschaften wie auch über die Städte und Märkte im Speziellen. Für einige, wenn auch wenige Punkte ist es wohl Kronzeuge und für eine historische Beschäftigung unverzichtbar.

Anhang: Übersicht über die Einträge des Rechnungsbuchs Um die im Text genannten Quellenangaben leichter nachverfolgen und die Recherche in den digitalen Faksimiles der Bayerischen Landesbibliothek leichter bewerkstelligen zu können, sei hier eine Übersicht über die Rechnungslegungen der einzelnen Herrschaften angeführt, die auch eine Konkordanz zu der in der Online-Ausgabe verwendeten Zählung nach Bildnummern bietet. Die erste Spalte beinhaltet die Bildnummer, unter der die ent-sprechende Seite im Digitalisat des Rechnungsbuchs der „Bayerischen Landesbibliothek

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Online“ (BLO) zu finden ist.139 Unter „Jahr“ findet sich diejenige Jahreszahl, in der der Beginn des Rechnungsjahres fiel und die auch in der Regel im Rechnungsbuch genannt wird, also z.B. 1396 für das Rechnungsjahr 1396–97, wobei meist von Georgi bis Georgi gerechnet wurde. Nr. Fol. Herrschaft Jahr

10 5 r Oberwölz 1396 14 7 r Waidhofen 1396 21 10 v Bischoflack 1396 30 15 r Innichen 1396 32 16 r Klingenfels 1395 42 21 r Klingenfels 1396 48 24 r Freising 1396 55 27 v Wachau 1396 58 29 r Hollenburg 1397 61 30 v Oberwölz – Hospital 1397 63 31 v Oberwölz 1397 68 34 r Bischoflack 1397 76 38 r Waidhofen 1397 83 41 v Innichen 1397 86 43 r Klingenfels 1397 92 46 r Ulmerfeld 1397 99 49 v Waidhofen – Ungeld 1397 101 50 v Waidhofen – Bau 1397 103 51 v Groß-Enzersdorf – Hospital 1396/1397 106 53 r Groß-Enzersdorf 1397 116 58 r Groß-Enzersdorf 1398 125 62 v Waidhofen – Ungeld 1398 126 63 r Waidhofen – Ungeld 1398 128 64 r Waidhofen – Bau 1398 130 65 r Hollenburg 1398 134 67 r Wachau 1398 136 68 r Gries 1396 137 68 v Gries 1397 139 69 v Oberwölz 1398 144 72 r Ulmerfeld 1398 152 76 r Waidhofen 1398

139 Link s. Anm. 14.

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158 79 r Enzersdorf 1398 163 81 v Bischoflack 1398 171 85 v Bischoflack – Bau 1397/1398 174 87 r Klingenfels 1398 179 89 v Racio kathedratici 1398 180 90 r Racio kathedratici 1399 181 90 v Waidhofen 1399 186 93 r Groß-Enzersdorf – Hospital 1398 188 94 r Bischoflack 1399 198 99 r Klingenfels 1399 204 102 r Groß-Enzersdorf 1399 212 106 r Groß-Enzersdorf 1400 214 107 r Groß-Enzersdorf – Hospital 1399 217 108 v Freising 1399 222 111 r Ulmerfeld 1399 228 114 r Hollenburg 1399 232 116 r Hollenburg 1400 234 117 r Hollenburg 1401 235 117 v Oberwölz – Hospital 1398–1400 238 119 r Groß-Enzersdorf 1400 244 122 r Groß-Enzersdorf – Hospital 1400 245 122 v Groß-Enzersdorf 1400 247 123 v Oberwölz 1399 256 128 r Oberwölz 1400 259 129 v Ulmerfeld 1400 263 131 v Waidhofen – Bau, Ungeld 1400/1401 265 132 v Waidhofen 1399 270 135 r Waidhofen 1400 276 138 r Gries 1399/1400 278 139 r Groß-Enzersdorf – Hospital 1401 279 139 v Freising 1400 284 141 r Freising 1397 286 142 r Freising 1398 289 143 v Wachau 1401 290 144 r Gries 1401 292 145 r Bischoflack 1400