Sakramentshäuser im Kontext der Konfessionalisierung in Böhmen
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Sakramentshäuser im Kontext der Konfessionalisierung in Böhmen
Aleš Mudra
Das Königreich Böhmen wurde durch die Reformationsbestrebungen an der Wende vom 14.
zum 15. Jahrhundert und infolge der Hussitenkriege zu einem Land zweierlei Volkes. Die
Mehrheit bekannte sich zu jenen, die sub utraque kommunizierten, die Minderheit blieb beim
Abendmahl unter einerlei Gestalt. Ziel der gemäßigten Utraquisten, die unter den Reformern
allmählich das entscheidende Wort bekamen, war es freilich nicht, die römische Kirche zu
spalten, sondern ihnen war es lediglich darum zu tun, dass die böhmischen Forderungen in ihrem
Rahmen anerkannt wurden. Die Utraquisten hielten sich sogar für katholischer als die römische
Kurie, die in ihren Augen vom wahren Christentum abgewichen war, und es war nur noch eine
Frage der Zeit, bis sie sich selbst reformierte und die Berechtigung des böhmischen Weges
anerkannte. Für die der Häresie bezichtigten Böhmen lautete die Schlüsselfrage bislang, ob sie
zur Gemeinschaft der zum Heil Auserwählten gehörten. Ihren Heilsanspruch leiteten sie von der
direkten Beziehung zu Christus ab, ohne die Vermittlung der Kirchenhierarchie, von der Treue
zur Heiligen Schrift, von den Sakramenten und von der Einhaltung der traditionellen
Zeremonien und moralischen Grundsätze. Zu den Hauptmitteln, die die Bedürfnisse der
Rechtgläubigkeitspräsentierung in der konfessionell geteilten Gesellschaft zufriedenstellten,
gehörte die Verehrung der Eucharistie, und zwar sowohl auf katholischer wie auf utraquistischer
Seite. Den räumlichen, funktionellen und ideologischen Rahmen einer solchen Verehrung
bildeten überwiegend die Sakralbauten mit ihren Einrichtungen und ihrer Ausstattung. Ein
konkretes und zugleich herausragendes Beispiel der Selbstidentifizierungs- und
Repräsentationsstrategien der Konfessionsgruppen sind die Sakramentshäuer, die in den
Stadtpfarrkirchen im letzten Drittel des 15. und im 16. Jahrhundert errichtet wurden.
Znojmo /Znaim/
In der Königsstadt Znaim in Südmähren wurde die Hauptpfarrkirche etwa vom ersten Viertel des
14. bis Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet. Die überwiegend deutsche Stadtbevölkerung blieb in
den Hussitenkriegen der römischen Kirche treu. Zwar ging die Stadt aus den Kriegen ohne
Niederlage hervor, doch mit gewaltigen Schulden, insbesondere bei den jüdischen
Finanzmännern.1 Viele tschechische Einwohner mussten fliehen, Znaim hingegen wurde zur
Zufluchtsstätte deutscher katholischer Flüchtlinge aus Städten, in denen tschechische Utraquisten
die Macht übernommen hatten.2 Zu den führenden Körperschaften in der Stadt gehörten schon
seit König Wenzel IV. zwei Corpus-Christi-Bruderschaften bei den Kirchen St. Nikolaus und St.
Michael.3 Von der bedeutenden Rolle, welche die Eucharistieverehrung in der Stadt gespielt hat,
zeugen auch mehrere örtliche Corpus-Christi-Altäre und zahlreiche Ablassbriefe.4 Damit hängt
auch die Ikonografie der Kirchenausstattung zusammen, die auffallend auf eucharistische
1 František ŠMAHEL: Husitská revoluce. IV, Epilog bouřlivého věku. Praha 1993, 25. 2 Jiří KEJŘ: Právní život v husitské Kutné Hoře. Praha 1958, 147. 3 Anton HÜBNER: Denkwürdigkeiten der königl. Stadt Znaim. 1. Lieferung. Nach den hinterlassenen Manuskripten des Anton Hübner, herausgegeben Victor Hübner und Michael Netoliczka. Znaim 1869, 319; MZA Brno - E17, Dominikáni ve Znojmě /1392–1757/, Nr. 5. 4 Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas illustrantia. Tomus 7. Pars 2 (1423–1431). Acta Martini V. pontificis Romani. Edidit Jaroslav ERŠIL. Pragae 1998, Nr. 1164. MZA Brno, E-57 - Premonstráti Louka, Nr. 1448 III 11, 12; 1471 IV 25; 1501 V 16. MZA Brno, E – 43, Klarisky ve Znojmě, Nr. 73, 91).
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Symbole, auf die Passion und auf das Thema der Nachfolge Christi orientiert ist. Außer
wiederholt vorkommenden symbolischen Weintrauben finden wir hier Bilder mit dem Letzten
Abendmahl, Christus an der Säule, ein großformatiges Passionsretabel, ein Bild mit Christus im
Grab oder das Martyrium von zehntausend Rittern. Am interessantesten für unser Thema ist das
in den 1470er Jahren errichtete Sakramentshaus. Darin brachten die Znaimer als rechtgläubige
Christen ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, das zentrale Sakrament vor den Feinden der
katholischen Kirche zu schützen. Das Sakrament wird von einer Hundestatuette unter dem
unteren Gesims des Schreins5 sowie von figural reich verzierten Gitterchen bewacht. Gegen
Juden und Häretiker sub utraque ist gleichfalls das bernhardinische Symbol des
Christusmonogramms in der Sonne gerichtet, das die Znaimer während der beiden hiesigen
Aufenthalte von Johannes Capistranus in den Jahren 1451 und 1454 kennenlernten.6 Unter dem
Einfluss dieses charismatischen Predigers mit ausgeprägten antijüdischen und antihussitischen
Ansichten wurde 1470 hier sogar ein Kloster der Franziskaner-Observanten gegründet.7
Die Aversion gegen Juden hatte in Znaim ihren festen Platz, beginnend bereits mit der Affäre
von Pulkau. Eine Welle der Entrüstung löste der Fund einer blutigen Hostie im Hause eines
gewissen Juden in Pulkau aus.8 In diesem Zusammenhang kam es 1338 zu einem Pogrom auch
in Znaim (Pulkau liegt nur ungefähr 30 km südwestlich von Znaim). Der Bau der Corpus-Christi-
Kirche in Pulkau Ende des 14. Jahrhunderts9 fällt in dieselbe Zeit, in der die ersten Nachrichten
über die Znaimer Corpus-Christi-Altäre und -Bruderschaften fassbar sind. In der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts führten die Znaimer wiederholt Streit mit Juden, was 1454 in ein Privilegium
mündete, in welchem König Ladislaus Postumus die Vertreibung der Juden gestattete.10 Die
Znaimer Synagoge wurde dann in eine christliche Kapelle umgewandelt, die man
bezeichnenderweise dem bekannten Aufwiegler zum Hass gegen jüdische Wucherer, Bernhardin
von Siena weihte.11 Und es ist wohl kein Zufall, dass die Gitterchen für das Znaimer
Sakramentshaus bei derselben Werkstatt in Auftrag gegeben wurden wie die Gitter für das
Tabernakel der Spitalkirche in Krems, die an der Stelle abgerissener jüdischer Häuser und mit
konfisziertem jüdischem Geld gebaut worden war.12 Bezeichnenderweise betont man am
Znaimer Kreuzigungsretabel die negative Schilderung des für den Tod des Heilands
verantwortlichen Volkes. Im Vordergrund wird aus der Kompositionsmitte ganz deutlich die
5 Vgl. Achim TIMMERMANN : Good and evil, not-so-good and not-so-evil. Marginal life of gothic German sacrament houses. In: Virtue & vice. The personifications in the Index of Christian art. Princeton 2000, 66–92. 6 František ŠMAHEL: „Spectaculum fidei“. Českomoravská misie Jana Kapistrána, in: Mezi středověkem a renesancí. Praha 2002, 402-408 7 Anton HÜBNER: Znaims geschichtliche Denkwürdigkeiten. Abt. 2, Znaims Klöster, Kirchen und Bildungs-Anstalten. Znaim 1846, 117. 8 Annales Zwetlenses, 683; Peter BROWE: Die eucharistischen Wunder des Mittelalters (=Breslauer Studien zur historischen Theologie N.F., Bd. 4). Breslau 1938, 164. 9 Schottenabtei, Stiftsarchiv, 1397 II 05; Herbert PUSCHNIK: Nachwirkungen der Judenverfolgungen von 1338.
In: Manfred ANSELGRUBER / Herbert PUSCHNIK: Dies trug sich zu anno 1338. Pulkau zur Zeit der Glaubenswirren. Pulkau 1992, 71; Mitchell B. MERBACK: Fount of mercy, city of blood: Cultic anti-Judaism and the Pulkau Passion Altarpiece. In: The art bulletin 87, 2005, 589–642; Mitchell B. MERBACK: Pilgrimage & pogrom: Violence, memory, and visual culture at the host-miracle shrines of Germany and Austria. Chicago/London 2012. 10 J. AUER: Vypuzení židů ze Znojma roku 1454. In: Od Horácka k Podyjí 1927, 109. 11 Franco MORMANDO: The Preacher's Demons: Bernardino of Siena and the Social Underground of Early Renaissance Italy. Chicago 1999. 12 Kurt BLEICHER: Die Bürgerspitalskirche St. Philipp und Jakob in Krems. Ein baugeschichtliche Untersuchung. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 58, 2004, 38–42.
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Gestalt eines Juden ausgegliedert, der mit einem verächtlichen Ausdruck die Jungfrau Maria
verlacht, welche unter der Last der Schmerzen um den Verlust des Sohnes zu Boden sank.13
Wenn wir uns wieder dem Gitterchen des Znaimer Sakramentshauses zuwenden, dann finden
wir hier weitere Darstellungen, die als Ausdruck der Haltung gegen die böhmische Reformation
konzipiert sind. Aktuell ist hier das Bild der Mondsichelmadonna, zu welchem der Papst im
Jahre 1476 Ablässe erließ.14 Die Begleitinschrift zur Szene der Engel, die die Hostie in der
Monstranz anbeten, besagt, dass es sich um das „wahre Brot der Söhne (der Kirche)“ handelt,
„das man nicht Hunden (Häretikern) vorwerfen soll“.15
Hradec Králové /Königgrätz/
Als die Utraquisten etwa zwanzig Jahre später in Königgrätz ein gewaltiges Sakramentshaus
errichteten, das in den böhmischen Ländern überhaupt größte erhaltene Sakramentshaus,
verwendeten sie an den Gitterchen dieselbe Inschriftenabfolge wie die Znaimer. Sie stammt aus
dem bekannten Hymnus Lauda Sion Salvatorem, welchen Thomas von Aquin auf Veranlassung
Papst Urbans des Vierten zu Fronleichnam komponiert hatte: ecce panis angelorum/ factus cibus
viatorum etc.16 Die Königgrätzer Utraquisten ließen aber bezeichnenderweise jene Passage aus,
welche die Menschheit in „Söhne der Kirche“ auf der einen und in „geächtete Hunde“ auf der
anderen Seite unterteilt. Dies hätte im Widerspruch zu der allgemein toleranten Haltung der
Utraquisten gegenüber den dogmatischen Abweichungen gestanden und auf ungewünschte
Weise an die abweisende Haltung Roms erinnert. Es gibt sogar Indizien für eine gefälligere
Beziehung der Utraquisten zu Juden.17
Der Glaube und der Zugang zu den Sakramenten sollte nach Auffassung der Utraquisten die
christliche Gemeinschaft weder teilen, noch in konfessionelle Gruppen und religiöse
Bruderschaften zersplittern, sondern im Gegenteil als einigender Hauptfaktor dienen. In diesem
Sinne klingen nicht nur utraquistische theologische Schriften, sondern auch eine Reiminschrift
auf dem Stadttor von Königgrätz aus dem Jahre 1520: „Eins der Glaube, eins die Taufe und die
Liebe unter uns …“18
Die restlichen Inschriften verweisen auf einen weiteren Eucharistie-Hymnus und auf zwei
marianische Lobgesänge, die Maria als Gefäß Christi anrufen. Die Verweise auf liturgischen
Gesang deuten auf einen Zusammenhang mit der Literatenbruderschaft, die Schutzherr des
Corpus-Christi-Altars war, der 1505 von Bischof Sidonsky geweiht worden war.19 Wie Analysen
der eucharistischen Legenden zeigen, fungierte der Gesang als starkes sozial-integrierendes
Element, ebenso wie die Eucharistie-Verehrung. Oder einfacher ausgedrückt: Wer singt, ist
Mitglied der Gemeinschaft Auserwählter, wer nicht singt, bleibt unter den Verdammten
13 Lothar SCHULTES: Zur Herkunft und kunstgeschichtlichen Stellung des Znaimer Altars. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 42, 1988, 14–37, hier 25-26. 14 B. J. BLACKBURN: ‘The Virgin in the Sun: Music and Image for a Prayer Attributed to Sixtus IV’. In: Journal of the Royal Musical Association, 124, 1999, 157-195. 15 Ein Teil des Hymnus Lauda Sion Salvatorem. 16 Vgl. Achim TIMMERMANN : Real presence. Sacrament houses and the body of Christ, c. 1270–1600. Turnhout 2009, 281. 17 Zdeněk V. DAVID : Finding the middle way. The Utraquists' liberal challenge to Rome and Luther. Washington 2003. 18 Jeronym Jan Nepomucký SOLAŘ: Dějepis Hradce Králové n. Labem a biskupství hradeckého. Praha 1870, 272. 19 K. Vl. ZAP: Biskupský hlavní chrám sv. Ducha v Králové Hradci. In: Památky archeologické a místopisné 3, 1859, 160–186, hier 179.
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draußen.20 Die böhmischen Reformatoren lehnten die religiösen Bruderschaften eindeutig als
schädliche Vereinigungen ab, die die Gesellschaft durch ihre Partikularinteressen spalten. Die
einzige tolerierte Form war gerade die Literatenbruderschaft.
Äußerst bemerkenswert ist an dem Königgrätzer Sakramentshäuschen ein Teil des Gedichtes Mai
des dalmatinischen Humanisten Georgius Sisgoreus. Das relativ seltene Buch, das 1477 in
Venedig erschienen war,21 hatte wohl einer der utraquistischen Priesteranwärter, die damals in
großer Zahl nach Norditalien zum Studium gingen, weil es in Böhmen keinen Weihbischof gab,
mitgebracht. Das Sakramentshaus von Königgrätz ist also auch ein materielles Dokument für die
paradoxe Erscheinung, wonach die Unterbrechung der kirchlich-administrativen Abhängigkeit
von Rom zu direkten Kontakten der meisten utraquistischen Priester mit der Kultur und Bildung
des italienischen Humanismus führte.
Most /Brüx/
In der Dekanatskirche in Brüx entstand das Sakramentshaus zwischen 1540 und 1560, also zu
einer Zeit, als die Bürger zu evangelischen Predigern aufs Land fuhren und die Anhänger der
lutherischen Reformation immer größeren Einfluss im Stadtrat gewannen.22 Der Bau der Kirche,
der 1517 durch eine umfassende päpstliche Ablasssammlung unterstützt wurde, stand
nichtsdestoweniger ständig unter der Kontrolle der katholischen Stadtelite. Die Einwohner von
Brüx hatten bislang offensichtlich keine vollständige Konfessionalisierung erlebt, wovon unter
anderem die Ausstattung der Kirche aus jener Zeit zeugt, in welcher sich an keiner Stelle eine
offene Deklarierung der evangelischen Konfession zeigt. Es scheint, als ob man bis zum Ende des
16. Jahrhunderts nicht bereit gewesen wäre, die Sitten der Vorfahren aufzugeben und sich voll
und ganz der Reformation zuzuwenden. Eine Rolle spielte darin natürlich der Umstand, dass in
Böhmen nur der Katholizismus und der Utraquismus legal waren. Die übrigen Konfessionen
mussten sich bis 1609 auf eine stille Tolerierung seitens des Herrschers und der
Kirchenverwaltung verlassen oder sich taktisch unter dem Mantel des Utraquismus verbergen.
Luther zufolge existiert die wahre Präsenz Christi in der Hostie nur während der Messe, so dass
ihre Ablage an einen sicheren Platz keinen Sinn hat. Dennoch verhinderten die Brüxer
Protestanten die Errichtung eines kostspieligen und verzierten Sakramentshauses nicht. Entweder
war ihnen dieser Teil der lutherschen Lehre unbekannt oder sie hielten ihn für unwesentlich oder
aber verfügten nicht über genügend Kraft für seine Durchsetzung im Stadtrat.
Die Form des Brüxer Sakramentshäuschens ist eine besondere Kombination mitteleuropäischer
und italienischer Typen. Grundstruktur, Silhouette und Proportion entsprechen dem Typus des
frei stehenden Sakramentshauses, der nach den vorausgegangenen mehr als 150 Jahren diesseits
der Alpen als adäquate Art und Weise der sichtbaren Deponierung und Verehrung der
Eucharistie angesehen wurde. Demgegenüber hat die volle kubische Form des Schreins selbst mit
kleinem vollem Türchen ihr Vorbild in den toskanischen und stadtrömischen Tabernakeln des
Quattrocento. Die Geschlossenheit und Uneinnehmbarkeit symbolisiert vielleicht den
privilegierten Zugang der Priesterschaft zur Eucharistie23 und stellt das Zentrum der Verehrung
20 Daniel SOUKUP: Legenda o zpívajícím chlapci – Obraz Židů v Olomouckých povídkách. In: Vlastivědný věstník moravský, roč. LXII, Nr. 1, Muzejní a vlastivědná společnost v Brně, Brno 2010, s. 29-46. 21 Aleš MUDRA: Ecce panis angelorum. Výtvarné umění pozdního středověku v kontextu eucharistické devoce v Kutné Hoře (kolem 1300–1620). České Budějovice 2012, 147. 22 Michaela OTTOVÁ / Jan ROYT: Kostel Nanebevzetí Panny Marie v Mostě v době konfesních změn (1517–1594). Ústí nad Labem 2014, 39, 135. 23 TIMMERMANN 2009, 322.
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des ständig gegenwärtigen Christus dar, gleichsam eine Bastion der Rechtgläubigkeit.24 Zugleich
entspricht die konsequente Undurchsichtigkeit der Ablehnung der Eucharistieverehrung seitens
der Reformation – eine demonstrative Verehrung des sichtbar zur Schau gestellten Leibes Christi
ohne Glauben ist nach Luther lächerlich und unnütz.25
Auch in der Reliefausstattung kommt es zu einer Kombination von nördlichen und italienischen
Vorbildern. Das zu beiden Seiten der Türchen, oft im Rahmen der Ädikula stehende Figurenpaar
hat sein Vorbild in den toskanischen und stadtrömischen Tabernakeln des Quattrocento. Am
häufigsten handelt es sich um Engel, die das hier deponierte Sakrament anbeten, doch kommen
auch Propheten, Evangelisten und ausnahmsweise auch, wie in Brüx, die Heiligen Petrus und
Paulus vor. Die apostolischen Fürsten verteidigen hier unzweifelhaft das ausschließliche Recht
der katholischen Kirche auf das Sakrament, das ihr von Christus selbst vermacht worden war.
Ein weiteres katholisches Sujet: Engel, die das Himmelsbrot in der Monstranz herbeibringen,
kommt hingegen in Italien in den Tabernakeln des Quattrocento nirgends vor, wir kennen es nur
aus mehreren Beispielen diesseits der Alpen. Die Steinmetzen aus Sachsen, die das
Sakramentshaus schufen, hatten zu Hause niemals Aufträge dieses Typs bekommen, weshalb sie
aufgrund von Vorstellungen und Mustern, die ihnen ihre Auftraggeber vorlegten, improvisieren
mussten. Dass die Wahl der geschlossenen Schreinform absichtlich erfolgte, zeigt ein Vergleich
mit dem Sakramentshaus im Zisterzienserkloster in Ossegg (Osek), das von denselben
Steinmetzen zu derselben Zeit geschaffen wurde. Hier ist der Schrein mit einer großen Öffnung
mit Gitterchen durchbrochen. Im Klostermilieu war es offenbar nicht nötig, die Festigkeit des
katholischen Glaubens zu demonstrieren; die Mönche forderten im Gegenteil die Möglichkeit,
die sichtbar zur Schau gestellte Eucharistie zu verehren, wie sie es jahrhundertelang gewohnt
waren.
Schluss
Über das Znaimer Sakramentshaus lässt sich zusammenfassend sagen, dass es Zeitzeuge einer
ungünstigen Situation für die Znaimer ist, die sowohl eine längerfristige Verschuldung bei Juden
belastete als auch die Minderheitenstellung gegenüber einer utraquistischen Mehrheit. Das
Sakramentshaus entstand in einer unruhigen Nachkriegszeit, in welcher das friedliche
Miteinander zweier konfessioneller Gruppen noch nicht gesetzlich verankert war und die Partei
unter einerlei Gestalt sich so mit Recht bedroht fühlte. Die Neigung zu radikalen Positionen und
Lösungen und das gespannte Bemühen, seine Identität in der Konfrontation mit Feinden zu
definieren, verband sich hier natürlicherweise mit der Verteidigung eines exklusiven Zugangs zur
Eucharistie.
Demgegenüber vermissen wir bei den Utraquisten in Königgrätz völlig Züge einer negativen
militanten Abgrenzung, stattdessen überwiegen verherrlichende und integrierende Akzente,
welche sich das große sozial-konstruktive Potenzial der eucharistischen Verehrung zunutze
machen.26 In Brüx wiederum setzten die Katholiken in der Konfrontation mit dem Luthertum auf
drei Momente, welche die bislang mit der neuen Konfession sich nicht völlig identifizierten
Pfarrkinder ansprechen sollten: 1. auf den Hinweis des Glaubens ihrer Väter durch einen
traditionellen Sakramentshaustyp, 2. auf den Hinweis der päpstlichen Legitimität in der
apostolischen Sukzession durch die Heiligengestalten Petrus und Paulus, und 3. auf den Hinweis
24 TIMMERMANN 2009, 324. 25 TIMMERMANN 2009, 321. 26 Miri RUBIN: Corpus Christi: the Eucharist in Late Medieval Culture. Cambridge 1991, 351.
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der römischen Kirche als eines ausschließlichen Wächters und Spenders der Sakramente durch
den Festungscharakter des Schreins.
Insgesamt erweist sich das Sakramentshaus also als ein sehr bemerkenswerter, hinsichtlich seiner
Bedeutung und Funktion variabler Zeuge unruhiger Verhältnisse in einer Zeit der religiösen
Reformationen des 15. und 16. Jahrhunderts.27
27 Deutsch von Wolf B. Oerter.
Sakramentshäuser im Kontext der Konfessionalisierung in Böhmen
Aleš Mudra, Nationalinstitut für Denkmalpflege/ Karlsuniversität in Prag